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Full text of "Torquato Tasso : ein Schauspiel"

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Presented  to  ihe 

LIBRARY  ofthe 

UNIVERSITY  OF  TORONTO 

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JULIE   LAMDMANN 


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TORQUATO  TASSO 

EIN   SCHAUSPIEL 

VON 

GOETHE 


Personen  Verzeichnis 

Alfon«;  der  Zweite,  Tierzog  von  Ferrara 
Leonore  von  Este,  Schwester  des  Herzogs 
Leonore  Sanvitalc,  firäfin  \on  Scandiano 
Torquato   Tasso 
Antonio  Montecatinn,  Staatssekretär 

Der  Schauplatz  ist  auf  Bciriguardo,  einem  Lustschlosse 


ERSTER    AUFZUG 

Gartenplat^,  mit  Hermen  der  epischen  Dichter  geziert 
Vorn  an  der  Szene  zur  Rechten  \  irgil,  zur  Linken  Ariost 


D 


E.RSTF,R  AUl  TRITT 
PRINZESSIN   •   LEüNüRE 


PRINZESSIN 

siehst  mich  lächelnd  an,  Eleonore, 
1  nd  siehst  ilich  sell)er  an  und  lächelst  w  Jeder. 
Was  hast  du?    Eaß  es  eine  Freundin  wissen! 


Du  scheinst  bedenklich,  doch  du  scheinst  xer-jnütrt. 

LEOXORE 

Ja,  meine  Fürstin,  mit  X'er^nüy^en  seh'  ich 
Uns  beide  hier  so  läntilich  ausgeschmückt. 
\\"\v  scheinen  reciit  beglückte  Schäferinnen, 
Und  sind  auch  wie  die  Glücklichen  beschäftigt. 
Wir  winden  Kränze.    Dieser,  bunt  \<)n  Blumen, 
Schwillt  immer  mehr  und  mehr  in  meiner  ILuul; 
Du  hast  mit  höherm  Sinn  und  L-röIierm  Herzen 
Den  zarten  schlanken  Lorbeer  dir  gew  ählt. 

PRI\ZI-:SSI\ 

Die  Zweige,  die  ich  in  Gedanken  flocht, 

Sie  haben  gleich  ein  würdig  Haupt  gefunden: 

Ich  setze  sie  X'irgilen  dankbar  auf. 

Sie  kriinzt  ditt  1  lorine  V'irgils 

LEONORE 

So  drück'  ich  meinen  \'olIen  frohen  Kranz 
Dem  Meister  Ludwig  auf  die  hohe  Stime  — 
Sie  kriiiizt  Ariostens  Herme 


Er,  dessen  Scherze  nie  verblühen,  habe 
Gleich  von  dem  neuen  Frühling  seinen  Teil. 

PRINZESSIN 

Mein  Bruder  ist  gefällig,  daß  er  uns 

In  diesen  Tagen  schon  aufs  Land  gebracht: 

Wir  können  unser  sein  und  stundenlang 

Uns  in  die  goldne  Zeit  der  Dichter  träumen. 

Ich  liebe  Belriguardo,  denn  ich  habe 

Hier  manchen  Tag  der  Jugend  froh  durchlebt, 

Und  dieses  neue  Grün  und  diese  Sonne 

Bringt  das  Gefühl  mir  jener  Zeit  zurück. 

LEONORE 

Ja,  es  umgibt  uns  eine  neue  Welt! 

Der  Schatten  dieser  immer  grünen  Bäume 

Wird  schon  erfreulich.    Schon  erquickt  uns  wieder 

Das  Rauschen  dieser  Brunnen.    Schwankend  wiegen 

Im  Morgenwinde  sich  die  jungen  Zweige. 

Die  Blumen  von  den  Beeten  schauen  uns 

Mit  ihren  KinderauQ-en  freundlich  an. 

Der  Gärtner  deckt  getrost  das  Winterhaus 

Schon  der  Zitronen  und  Orangen  ab. 

Der  blaue  Himmel  ruhet  über  uns, 

Und  an  dem  Horizonte  löst  der  Schnee 

Der  fernen  Ber^je  sich  in  leisen  Duft. 

PRINZESSIN 

Es  wäre  mir  der  Frühling  sehr  willkommen, 
Wenn  er  nicht  meine  Freundin  mir  entführte. 

LEONORE 

Erinnre  mich  in  diesen  holden  Stunden, 
O  Fürstin,  nicht,  wie  bald  ich  scheiden  soll. 

PRINZESSIN 

Was  du  verlassen  magst,  das  findest  du 
In  jener  großen  Stadt  gedoppelt  wieder. 


LEONORH 

Es  ruft  die  Pflicht,  es  ruft  die  Liebe  mich 

Zu  dem  Gemahl,  der  mich  so  lang  entbehrt. 

Ich  brinj^'  ihm  seinen  Sohn,  der  dieses  Jahr 

So  schnell  ''^ewachsen,  schnell  sich  ausfiel »ildet, 

Und  teile  seine  väterliche  Freude. 

Groß  ist  Florenz  und  herrlich,  doch  der  Wert 

Von  allen  seinen  aufgehäuften  Schät/.en 

Reicht  an  Ferraras  Edelsteine  nicht 

Das  \'olk  hat  jene  St;idt  zur  Stadt  gemacht, 

Ferrara  w  ard  durch  seine  Fürsten  j/roiä. 


ö* 


PRINZESSIN 

Mehr  durch  die  guten  Menschen,  die  sich  hier 
Durch  Zufili  trafen  und  zum  Glück  \erbaiiden. 

LEUNÜRE 

Sehr  leicht  zerstreut  der  Zufall,  u  as  er  .sammelt. 

FJn  edler  Mensch  zieht  edle  .Menschen  an 

V\k\  weiß  sie  festzuhalten,  w ie  ihr  tut. 

Um  deinen  Prüder  und  um  dich  \  erbinden 

Gemüter  sich,  die  euer  würdig  sind, 

L'nd  ihr  seitl  eurer  grof5en  \'äter  wert. 

I  liei-  züntlete  sich  froh  das  schöne  Licht 

Der  Wissenschaft,  des  freien  Denkens  an, 

Als  noch  die  Barbarei  mit  schwerer  Dämmrung 

Die  Welt  umher  verbarg.    Mir  klang  als  Kind 

Der  Name  1  lerkules  von  F!ste  schon. 

Schon  HijipolNt  \"on  F'ste  voll  ins  Ohr. 

Ferrara  ward  mit  Rom  und  mit  Florenz 

V^on  meinem  Vater  viel  gepriesen!    Oft 

Hab'  ich  mich  hingesehnt;  nun  bin  ich  da. 

Hier  ward  Petrarch  bewirtet,  hier  gepflegt, 

Und  Ariost  fand  seine  Muster  hier. 

Italien  nennt  keinen  großen  Namen, 

Den  dieses  Haus  nicht  seinen  Gast  genannt. 

Und  es  i.st  vorteilhaft,  den  Genius 

Bewirten:  tribst  du  ihm  ein  Gasttreschenk, 


So  läßt  er  dir  ein  schöneres  zurück. 
Die  Stätte,  die  ein  guter  Mensch  betrat, 
Ist  eingeweiht;  nach  hundert  Jahren  klingt 
Sein  Wort  und  seine  Tat  dem  Enkel  wieder. 

PRINZESSIN 

Dem  Enkel,  wenn  er  lebhaft  fühlt  wie  du. 
Gar  oft  beneid'  ich  dich  um  dieses  Glück. 

LEONORE 

Das  du,  wie  wenig  andre,  still  und  rein 
Genießest.    Drängt  mich  doch  das  volle  Herz, 
Sogleich  zu  sag-en,  was  ich  lebhaft  fühle; 
Du  fühlst  es  besser,  fühlst  es  tief  und  —  sch\\'eigst. 
Dich  blendet  nicht  der  Schein  des  Augenblicks, 
Der  Witz  besticht  dich  nicht,  die  Schmeichelei 
Schmieet  sich  verpebens  künstlich  an  dein  Ohr: 
Fest  bleibt  dein  Sinn  und  richtig  dein  Geschmack, 
Dein  Urteil  grad,  stets  ist  dein  Anteil  groß 
Am  Großen,  das  du  wie  dich  selbst  erkennst. 

PRINZESSIN 

Du  solltest  dieser  höchsten  Schmeichelei 

Nicht  das  Gewand  vertrauter  Freundschaft  leihen. 

LEONORE 

Die  Freundschaft  ist  gerecht,  sie  kann  allein 
Den  ganzen  Umfanof  deines  Werts  erkennen. 
Und  laß  mich  der  Gelegenheit,  dem  Glück 
Auch  ihren  Teil  an  deiner  Bildung  geben: 
Du  hast  sie  doch,  und  bist's  am  Ende  doch, 
Und  dich  mit  deiner  Schwester  ehrt  die  Welt 
Vor  allen  großen  Frauen  eurer  Zeit. 

PRINZESSIN 

Mich  kann  das,  Leonore,  wenig  rühren, 
Wenn  ich  bedenke,  wie  man  wenig  ist, 


Und  u  as  man  ist,  das  blieb  man  andern  schuldig. 

Die  Kenntnis  alter  Sprachen  und  des  Besten, 

Was  uns  die  Vorwelt  ließ,  dank'  ich  der  Mutter; 

Doch  war  an  W'issenschaft,  an  rechtem  Sinn 

Ihr  keine  beider  Töchter  jemals  gleich; 

Und  soll  sich  eine  ja  mit  ihr  \ergieichen, 

So  hat  Lucretia  gewiß  das  Recht 

Auch,  kann  ich  dir  versichern,  hab'  ich  nie 

Als  Rang  und  als  Besitz  betrachtet,  was 

Mir  die  Natur,  was  mir  das  Cilück  \erlieh. 

Ich  freue  mich,  wenn  kluge  Männer  sprechen, 

Daß  ich  \erstehen  kann,  wie  sie  es  meinen. 

Es  sei  ein  Urteil  über  einen  Mann 

Der  alten  Zeit  und  seiner  Taten  Wert; 

Es  sei  von  einer  W'issenschaft  tue  Rede, 

Die,  durch  Erfahrung  w  eiter  ausgebreitet, 

Dem  Menschen  nutzt,  indem  sie  ihn  erhebt: 

Wohin  sich  das  ( besprach  der  Edlen  lenkt. 

Ich  folije  ''■ern,  denn  mir  wird  leicht,  zu  fol'-'en. 

Ich  h(")re  gern  tlem  .Streit  der  Klugen  /.u, 

Wenn  um  die  Kräfte,  die  des  Menschen  Hrust 

So  freundlich  und  so  fürchterlich  bewegen, 

Mit  Grazie  ilie  Rednerlip|)e  spielt; 

Gern,  wenn  ilie  fürstliche  Begier  des  Ruhms, 

Des  ausgebreiteten  Besitzes,  Stoff 

Dem  Denker  wird,  und  wenn  die  feine  Klugheit, 

Von  einem  klugen  Manne  zart  entwickelt. 

Statt  uns  zu  hintergehen,  uns  belehrt. 

LEONOl^ 

Und  dann,  nach  dieser  ernsten  Unterhaltung, 
Ruht  unser  Ohr  und  unser  innrer  Sinn 
Gar  freundlich  auf  des  Dichters  Reimen  aus, 
Der  uns  die  letzten  lieblichsten  Gefühle 
Mit  holden  Tönen  in  die  Seele  flößt. 
Dein  hoher  Geist  umfaßt  ein  weites  Reich, 
Ich  halte  mich  am  liebsten  auf  der  Insel 
Der  Poesie  in  Lorbeerhainen  auf 


PRINZESSIN 

In  diesem  schönen  Lande,  hat  man  mir 
Versichern  ^^■ollen,  wächst  vor  andern  Bäumen 
Die  Myrte  gern.    Und  wenn  der  Musen  gleich 
Gar  viele  sind,  so  sucht  man  unter  ihnen 
Sich  seltner  eine  Freundin  und  Gespielin, 
Als  man  dem  Dichter  gern  begegnen  mag. 
Der  uns  zu  meiden,  ja  zu  fliehen  scheint, 
Etwas  zu  suchen  scheint,  das  wir  nicht  kennen 
Und  er  vielleicht  am  Ende  selbst  nicht  kennt. 
Da  war'  es  denn  ganz  artig,  wenn  er  uns 
Zur  guten  Stunde  träfe,  schnell  entzückt 
Uns  für  den  Schatz  erkennte,  den  er  lang 
Vergebens  in  der  \\eiten  Welt  gesucht. 

LEONORE 

Ich  muß  mir  deinen  Scherz  gefallen  lassen. 
Er  trifft  mich  zwar,  doch  trifft  er  mich  nicht  tief 
Ich  ehre  jeden  Mann  und  sein  Verdienst, 
Und  ich  bin  (jesjen  Tasso  nur  tjerecht. 
Sein  Auge  weilt  auf  dieser  Erde  kaum ; 
Sein  Ohr  vernimmt  den  Einklang  der  Natur; 
Was  die  Geschichte  reicht,  das  Leben  giljt, 
Sein  Busen  nimmt  es  oleich  und  ^\■illi^■  auf: 
Das  weit  Zerstreute  sammelt  sein  Gemüt, 
Und  sein  Gefühl  belebt  das  Unbelebte. 
Oft  adelt  er,  was  uns  gemein  erschien. 
Und  das  Geschätzte  \\'ird  vor  ihm  zu  nichts. 
In  diesem  eignen  Zauberkreise  wandelt 
Der  wunderbare  Mann  und  zieht  uns  an. 
Mit  ihm  zu  \\andeln,  teil  an  ihm  zu  nehmen: 
Er  scheint  sich  uns  zu  nahn,  und  bleibt  uns  fern; 
Er  scheint  uns  anzusehn,  und  Geister  mögen 
An  unsrer  Stelle  seltsam  ihm  erscheinen. 

PRINZESSIN 
Du  hast  den  Dichter  fein  und  zart  ^geschildert, 
Der  in  den  Reichen  süßer  Träume  schw  ebt. 


Allein  mir  scheint  auch  ihn  das  Wirkliche 
Geu  altsani  an/uziehn  und  festzuhalten. 
Die  schönen  Lieder,  die  an  unsem  Bäumen 
Wir  hin  und  wieder  an;^eheftet  finden, 
Die,  güldnen  Apfehi  gleich,  ein  neu  Hespcrien 
Uns  duftend  bilden,  erkennst  tlu  sie  nicht  alle 
Für  h(jlde  l'rüchte  einer  wahren  Liebe? 

LI'ONÜRE 

Ich  freue  mich  tler  sch()nen  Blätter  auch. 

.Nht  mamiigfalt'gem  (leist  \erherrlicht  er 

Hin  cinzi<'  Bild  in  allen  seinen  Reimen. 

Bald  hebt  er  es  in  lichter  (ilorie 

Zum  Sternenhimmel  auf,  beugt  sich  verehrend 

Wie  Hngel  über  Wolken  \(»r  dem  Bilde; 

Dann  schleicht  er  ihm  durch  stille  l'luren  nach, 

L  nd  jeile  Blume  w  indet  er  zum  Kranz. 

Lntfernt  sich  die  \ 'erehrte,  heiligt  er 

Den  Pfad,  den  leis  ihr  schr)ner  l'uli  betrat. 

X'ersteckt  im  Busche,  gleich  iler  .Nachtigall, 

I'üllt  er  aus  einem  liebekranken  Busen 

.Mit  seiner  Klaijen  Wohllaut  Ilain  und  Luft: 

Sein  reizend  Leid,  die  scl'ge  Schwermut  lockt 

Fan  jedes  (Jhr,  und  jedes  Uhr  mul5  nach  — 

PRLXZHSSIN 

Und  w  enn  er  seinen  Gegenstand  benennt. 
So  <'ibt  er  ihm  den  Namen  Leonore. 

LIiO.XORE 

Es  ist  dein  Xame,  w  ie  es  meiner  ist 
Ich  nahm'  es  übel,  \\  enn's  ein  andrer  wäre. 
Mich  freut  es,  daß  er  sein  Gefühl  für  dich 
In  diesem  Doppelsinn  verbergen  kann. 
Ich  bin  zufrieden,  daß  er  meiner  auch 
Bei  dieses  Namens  holdem  Klang  gedenkt 
Hier  ist  die  Frage  nicht  von  einer  Liebe, 
Die  sich  des  Gegenstands  bemeistem  will, 


Ausschließend  ihn  besitzen,  eifersüchtig 

Den  Anblick  jedem  andern  wehren  möchte. 

Wenn  er  in  seliger  Betrachtung  sich 

Mit  deinem  Wert  beschäftigt,  mag  er  auch 

An  meinem  leichtern  Wesen  sich  erfreun. 

Uns  liebt  er  nicht,  —  verzeih,  daß  ich  es  sage!  — 

Aus  allen  Sphären  trägt  er,  was  er  liebt. 

Auf  einen  Namen  nieder,  den  wir  führen, 

Und  sein  Gefühl  teilt  er  uns  mit;  wir  scheinen 

Den  Mann  zu  lieben,  und  wir  lieben  nur 

Mit  ihm  das  Höchste,  was  wir  lieben  können. 

PRINZESSIN 

Du  hast  dich  sehr  in  diese  Wissenschaft 
Vertieft,  Eleonore,  sagst  mir  Dinge, 
Die  mir  beinahe  nur  das  Ohr  berühren 
Und  in  die  Seele  kaum  noch  übergehn. 

LEONORE 

Du,  Schülerin  des  Plato!  nicht  begreifen, 
Was  dir  ein  Neuling  vorzuschwatzen  wagt? 
Es  müßte  sein,  daß  ich  zu  sehr  mich  irrte; 
Doch  irr'  ich  auch  nicht  <>anz,  ich  weiß  es  wohl. 
Die  Liebe  zeitjt  in  dieser  holden  Schule 
Sich  nicht,  wie  sonst,  als  ein  verwöhntes  Kind: 
Es  ist  der  Jüngling,  der  mit  Psychen  sich 
Vermählte,  der  im  Rat  der  Götter  Sitz 
Und  Stimme  hat.    Er  tobt  nicht  frevelhaft 
Von  einer  Brust  zur  andern  hin  und  her; 
Er  heftet  sich  an  Schönheit  und  Gestalt 
Nicht  gleich  mit  süßem  Irrtum  fest,  und  büßet 
Nicht  schnellen  Rausch  mit  Ekel  und  Verdruß. 

PRINZESSIN 

Da  kommt  mein  Bruder!    Laß  uns  nicht  verraten. 
Wohin  sich  wieder  das  Gespräch  gelenkt: 
Wir  \vürden  seinen  Scherz  zu  trasxen  haben. 
Wie  unsre  Kleidung  seinen  Spott  erfuhr. 

8 


ZWEITER  AUFTRITT 
PRINZESSIN  •  LEONORE  •  ALFONS 

ALFONS 

Ich  suche  Tasso,  den  ich  nirgends  finde, 
Und  trefif'  ihn  —  hier  sos^ar  bei  euch  nicht  an. 
Krinnt  ihr  \<tn  ihm  mir  keine  Nachricht  treben? 

PRINZESSIN 
Ich  sah  ihn  gestern  wenig,  heute  nicht. 

ALFONS 

Es  ist  ein  aller  l-chier,  dal5  er  mehr 

Die  Einsamkeit  als  die  Gesellschaft  sucht. 

Verzeih'  ich  ihm,  warn  er  den  bunten  .Schwann 

Der  -Menschen  flieht  und  lieber  frei  im  stillen 

Mit  seinem  Geist  sich  unterhalten  mag, 

St)  kann  ich  lioch  nicht  loljen,  dal-i  er  selbst 

Den  Kreis  \  ermeidet,  den  die  Freunde  schlielien. 

T.FONORE 

Irr'  ich  mich  nicht,  so  wirst  du  bald,  o  Fürst, 
Den   iadel  in  ein  frohes  Lob  \ erwandeln. 
Ich  sah  ihn  heut  xon  fern:  er  hielt  ein  Buch 
Und  eine  Tafel,  schriel)  un^l  '"ing  und  schrieb. 
Ein  flüchtig  Wort,  das  er  mir  gestern  sagte, 
Schien  mir  sein  Werk  vollendet  aiuukünden. 
Er  sorgt  nur.  kleine  Z-ü'^c  zu  \erbessern. 
Um  deiner  I luld,  die  ihm  so  \iel  gew ährt, 
Ein  würdig  Opfer  endlich  darzubringen. 

ALFONS 

Er  soll  willkommen  sein,  wenn  er  es  bringt, 
Und  losgesprochen  sein  auf  lange  Zeit. 
So  sehr  ich  teil  an  seiner  Arbeit  nehme. 
So  sehr  in  manchem  Sinn  das  große  Werk 


Mich  freut  und  freuen  muß,  so  sehr  vermehrt 

Sich  auch  zuletzt  die  Ungeduld  in  mir. 

Er  kann  nicht  enden,  kann  nicht  fertig  a\  erden, 

Er  ändert  stets,  ruckt  langsam  weiter  vor. 

Steht  wieder  still,  er  hintergeht  die  Hoffnung: 

Unwillio-  sieht  man  den  Genuß  entfernt 

In  späte  Zeit,  den  man  so  nah  geglaubt. 

PRINZESSIN 

Ich  lobe  die  Bescheidenheit,  die  Sorge, 
Womit  er  Schritt  vor  Schritt  zum  Ziele  geht. 
Nur  durch  die  Gunst  der  Musen  schließen  sich 
So  viele  Reime  fest  in  eins  zusammen; 
Und  seine  Seele  hegt  nur  diesen  Trieb, 
Es  soll  sich  sein  Gedicht  zum  Ganzen  runden. 
Er  will  nicht  Märchen  über  Märchen  häufen. 
Die  reizend  unterhalten  und  zuletzt 
Wie  lose  Worte  nur  verklinoend  täuschen. 
Laß  ihn,  mein  Bruder!  denn  es  ist  die  Zeit 
Von  einem  guten  Werke  nicht  das  Maß; 
Und  wenn  die  Nachwelt  mitgenießen  soll. 
So  muß  des  Künstlers  Mitwelt  sich  vergessen. 

ALFONS 

Laß  uns  zusammen,  liebe  Schwester,  wirken. 

Wie  wir  zu  beider  Vorteil  oft  getan! 

Wenn  ich  zu  eifrig'  bin,  so  lindre  du: 

Und  bist  du  zu  gelind,  so  \\ill  ich  treiben. 

Wir  sehen  dann  auf  einmal  ihn  vielleicht 

Am  Ziel,  wo  wir  ihn  lang  gewünscht  zu  sehn. 

Dann  soll  das  Vaterland,  es  soll  die  Welt 

Erstaunen,  welch  ein  Werk  vollendet  worden. 

Ich  nehme  meinen  Teil  des  Ruhms  davon, 

Und  er  wird  in  das  Leben  eingeführt. 

Ein  edler  Mensch  kann  einem  engen  Kreise 

Nicht  seine  Bildung  danken.    Vaterland 

Und  Welt  muß  auf  ihn  wirken.    Ruhm  und  Tadel 

Muß  er  ertragen  lernen.    Sich  und  andere 

IG 


Wird  er  cfezwungfen  recht  zu  kennen.    Ihn 

Wiegt  nicht  die  Einsamkeit  mehr  schmeichelnd  ein. 

Es  will  der  Feind  —  es  darf  der  Freund  nicht  schonen; 

Dann  übt  der  Jüngling  streitend  seine  Kräfte, 

I'ühlt,  was  er  ist,  und  fühlt  sich  bald  ein  Mann. 

LE(JN(JRE  ■ 

So  wirst  du,  I  lerr,  für  ihn  noch  alles  tun, 

Wie  du  bisher  für  ihn  schon  viel  i/et:in. 

Es  bildet  ein  Talent  sich  in  der  Stille, 

Sich  ein  Charakter  in  dem  Strom  der  Welt. 

O  daf')  er  sein  (iemüt  wie  .seine  Kunst 

An  deinen  Lehren  bilde!  dal')  er  nicht 

Die  Menschen  länger  meide,  dali  sein  Argwohn 

Sich  nicht  /ulet/t  in  Furcht  und  Ilali  \erwandle! 

ALI'UNS 

Die  Menschen  fürchtet  nur,  wer  sie  nicht  kennt, 
l'nd  wer  sie  meidet,  \\'\i\\  sie  l)akl  \erkcnnen. 
Das  ist  sein  I-~all,  und  so  wird  nach  und  nach 
Ein  frei  Gemüt  \erw i^rren  und  i-efesselt. 
So  ist  er  oft  um  meine  Gunst  besorgt, 
Weit  mehr,  als  es  ihm  ziemte;  gegen  \'iele 
Hegt  er  ein  Mißtraun,  tlie,  ich  weil.*»  es  sicher, 
Nicht  seine  I-einde  sintl.    Ik'gegnet  ja, 
Dal')  sich  ein  Hrief  \  erirrt,  dal5  ein  Hetlienter 
Aus  seinem  Dienst  in  einen  andern  geht, 
Dafi)  ein  Paj^ier  aus  seinen  Händen  kommt, 
(^ileich  sieht  er  Absicht,  sieht  \'erräterei 
L  nd  Tücke,  die  sein  Schicksal  untergräbt, 

PRINZESSIN 

Lalo  uns,  geliebter  Bruder,  nicht  vergessen, 

Daß  von  sich  selbst  der  Mensch  nicht  scheiden  kann. 

Und  wenn  ein  Freund,  der  mit  uns  wandeln  sollte, 

Sich  einen  Fuß  beschädigte,  w  ir  würden 

Doch  lieber  lancfsam  grehn  und  unsre  Hand 

Ihm  orern  und  williir  leihen. 


II 


ALFONS 

Besser  wär's, 
Wenn  wir  ihn  heilen  könnten,  lieber  gleich 
Auf  treuen  Rat  des  Arztes  eine  Kur 
Versuchten,  dann  mit  dem  Geheilten  froh 
Den  neuen  Weg  des  frischen  Lebens  gingen. 
Doch  hoff'  ich,  meine  Lieben,  daß  ich  nie 
Die  Schuld  des  rauhen  Arztes  auf  mich  lade. 
Ich  tue,  was  ich  kann,  um  .Sicherheit 
Und  Zutraun  seinem  Busen  einzuprägen. 
Ich  geb'  ihm  oft  in  Gegenwart  von  vielen 
Entschiedne  Zeichen  meiner  Gunst.    Beklagt 
Er  sich  bei  mir,  so  lass'  ich's  untersuchen. 
Wie  ich  es  tat,  als  er  sein  Zimmer  neulich 
Erbrochen  glaubte.    Läßt  sich  nichts  entdecken. 
So  zeig'  ich  ihm  gelassen,  wie  ich's  sehe; 
Und  da  man  alles  üben  muß,  so  üb'  ich, 
Weil  er's  verdient,  an  Tasso  die  Geduld: 
Und  ihr,  ich  weiß  es,  steht  mir  willig  bei. 
Ich  hab'  euch  nun  aufs  Land  gebracht  und  gehe 
Heut  abend  nach  der  Stadt  zurück.    Ihr  werdet 
Auf  einen  Auo-enblick  Antonio  sehen; 
Er  kommt  von  Rom  und  holt  mich  ab.   Wir  haben 
Viel  auszureden,  abzutun.    Entschlüsse 
Sind  nun  zu  fassen,  Briefe  viel  zu  schreiben: 
Das  alles  nötigt  mich  zur  Stadt  zurück. 

PRINZESSIN 
Erlaubst  du  uns,  daß  wir  dich  hinbegleiten? 

ALFONS 

Bleibt  nur  in  Belriguardo,  geht  zusammen 
Hinüber  nach  Consandoli!    Genießt 
Der  schönen  Taq^e  oranz  nach  freier  Lust. 

PRINZESSIN 

Du  kannst  nicht  bei  uns  bleiben?  die  Geschäfte 
Nicht  hier  so  gut  als  in  der  Stadt  verrichten? 


12 


LEOXORH 

Du  führst  uns  gleich  Antonio  hinweg-. 
Der  uns  von  Rom  so  viel  erzählen  sollte? 

ALFONS 

Es  geht  nicht  an,  ihr  Kinder;  doch  ich  komme 

Mit  ihm  so  bald,  als  nn'igiich  ist,  zurück: 

Dann  soll  er  euch  erzählen,  und  ihr  sollt 

Mir  ihn  belohnen  helfen,  der  so  viel 

In  meinem  Dienst  aufs  neue  sich  bemüht. 

Und  hal)en  wir  uns  wieder  ausgesprochen, 

So  mag  der  Schwärm  dann  kommen.  dal5  es  lustig 

In  unsern  ( iärten  w  enle,  dal')  auch  mir, 

Wie  billig,  eine  Schtinheit  in  tlem  Kühlen, 

Wenn  ich  sie  suche,  gern  begegnen  niag. 

LFOXORIt 
\\  ir  wollen  freumllich  durch  tlie  I'inger  sehen. 

ALFONS 

Dagegen  wißt  ihr.  tiali  ich  schonen  kann. 

PRIXZliSSIX 
nach  der  Szene  gekehrt 

Schon  Ian>.re  seh'  ich  Tasso  kommen.    Lan'-sam 
Bewegt  er  seine  Schritte,  steht  bisw eilen 
Auf  einmal  still,  w  ie  unentschlos.sen,  geht 
Dann  w  ieder  schneller  auf  uns  los,  und  weilt 
Schon  wieder. 

ALFONS 

Stört  ihn,  wenn  er  denkt  und  dichtet, 
In  seinen  Träumen  nicht  und  lalit  ihn  wandeln. 

LEONORE 
Nein,  er  hat  uns  gesehn,  er  kommt  hierher. 


13 


DRITTER  AUFTRITT 
PRINZESSIN  •  LEONORE  •  ALFONS  •  TASSO 

TASSO 
mit  einem  Buche  in  Pergament  geheftet 

Ich  komme  langsam,  dir  ein  Werk  zu  bringen, 

Und  zaudre  noch,  es  dir  zu  überreichen. 

Ich  \veiß  zu  wohl,  noch  bleibt  es  unvollendet, 

Wenn  es  auch  cfleich  "-eendio-t  scheinen  möchte. 

Allein,  war  ich  besorgt,  es  unvollkommen 

Dir  hinzugeben,  so  bezwingt  mich  nun 

Die  neue  Sorge:  Möcht'  ich  doch  nicht  gern 

Zu  ängstlich,  möcht'  ich  nicht  undankbar  scheinen. 

Und  wie  der  Mensch  nur  sao'en  kann:  Hie  bin  ich! 

Daß  Freunde  seiner  schonend  sich  erfreuen. 

So  kann  ich  auch  nur  sagen:  Nimm  es  hin! 

Er  übergibt  den  Band 

ALFONS 

Du  überraschest  mich  mit  deiner  Gabe 

Und  machst  mir  diesen  schönen  Tag  zum  Fest. 

So  half  ich's  endlich  denn  in  meinen  Händen, 

Und  nenn'  es  in  gewissem  Sinne  mein! 

Lang  wünscht'  ich  schon,  du  möchtest  dich  entschließen 

Und  endlich  sagen:  Hier!  es  ist  genug. 

TASSO 
Wenn  ihr  zufrieden  seid,  so  ist's  vollkommen; 
Denn  euch  gehört  es  zu  in  jedem  Sinn. 
Betrachtet'  ich  den  Fleiß,  den  ich  verwendet, 
Sah  ich  die  Züge  meiner  P'"eder  an. 
So  könnt'  ich  sagen:  dieses  Werk  ist  mein. 
Doch  seh'  ich  näher  an,  \\'as  dieser  Dichtung 
Den  innren  Wert  und  ihre  Würde  gibt. 
Erkenn'  ich  \\'ohl,  ich  hab'  es  nur  von  euch. 
Wenn  die  Natur  der  Dichtung  holde  Gabe 

14 


Aus  reicher  Willkür  freundlich  mir  j^^eschenkt, 

So  hatte  mich  das  eiy^ensinn'i^re  Glück 

Mit  grimmiger  Gewalt  von  sich  gestoßen; 

Und  zog  die  schöne  Welt  den  Blick  des  Knaben 

Mit  ihrer  ganzen  Fülle  heirlich  an, 

So  trübte  bald  den  jugendlichen  Sinn 

Der  teuren  liltern  un\erdiente  Not 

Eröffnete  die  Lippe  sich,  zu  singen. 

So  fl(;f5  ein  traurig  Lied  \on  ihr  herab, 

Und  ich  begleitete  mit  leisen  Tönen 

Des  Vaters  Schmerzen  und  der  Mutter  (Jual. 

Du  warst  allein,  der  aus  dem  engen  Leben 

Zu  einer  schönen  I'reiheit  mich  crh<^b; 

Der  jede  Sorge  mir  xom  Haupte  nahm. 

Mir  IVeiheit  gab,  dali  meine  Seele  sich 

Zu  mutigem  Gesang  entfalten  kunntc: 

Und  welchen  Preis  nun  auch  mein  Werk  erhält, 

l{uch  tlank'  ich  ihn;  ilenn  euch  gehcirt  es  zu. 

AIJ'ONS 

Zum  zweitenmal  \erdienst  du  jedes  Lob, 
l  lul  ehrst  bescheiden  dich  und  uns  zugleich. 

TASSO 

U,  kt'innt'  ich  sagen,  w  ie  ich  lebhaft  fühle, 
Daß  ich  von  euch  nur  habe,  was  ich  bringe! 
Der  tatenlose  Jüngling  —  nahm  er  wohl 
Die  Dichtung  aus  sich  selbst?  Die  kluge  Leitung 
Des  raschen  Krieges  —  hat  er  die  ersonnen? 
Die  Kunst  der  \\  äffen,  die  ein  jeder  Held 
An  dem  beschiednen  Tage  kräftig  zeigt, 
Des  Feldherrn  Klugheit  und  der  Ritter  Mut, 
Und  wie  sich  List  und  Wachsamkeit  bekämpft: 
Hast  du  mir  nicht,  o  kluger,  tapfrer  Fürst, 
Das  alles  eingetlößt,  als  w  ärest  du 
Mein  Genius,  der  eine  Freude  fände, 
Sein  hohes,  unenx'ichbar  hohes  Wesen 
Durch  einen  Sterblichen  zu  offenbaren? 


15 


PRINZESSIN 
Genieße  nun  des  Werks,  das  uns  erfreut! 

ALFONS 

Erfreue  dich  des  Beifalls  jedes  Guten! 

LEONORE 
Des  allgemeinen  Ruhms  erfreue  dich! 

TASSO 

Mir  ist  an  diesem  Augenblick  Q-enusf. 
An  euch  nur  dacht'  ich,  wenn  ich  sann  und  schrieb; 
Euch  zu  gefallen  war  mein  höchster  Wunsch, 
Euch  zu  ergötzen  war  mein  letzter  Zweck. 
Wer  nicht  die  Welt  in  seinen  Freunden  sieht, 
Verdient  nicht,  daß  die  Welt  von  ihm  erfahre. 
Hier  ist  mein  Vaterland,  hier  ist  der  Kreis, 
In  dem  sich  meine  Seele  gern  verweilt. 
Hier  horch'  ich  auf,  hier  acht'  ich  jeden  Wink. 
Hier  spricht  Erfahrung,  W'issenschaft,  Geschmack! 
Ja,  Welt  und  Nach\\'elt  seh'  ich  \'or  mir  stehn. 
Die  Menge  macht  den  Künstler  irr  und  scheu: 
Nur  wer  euch  ähnlich  ist,  versteht  und  fühlt. 
Nur  der  allein  soll  richten  und  belohnen! 

ALFONS 

Und  stellen  wir  denn  Welt  und  Nachwelt  \'or. 
So  ziemt  es  nicht,  nur  müßig  zu  empfangen. 
Das  schöne  Zeichen,  das  den  Dichter  ehrt, 
Das  selbst  der  Held,  der  seiner  stets  bedarf, 
Ihm  ohne  Neid  um's  Haupt  gewunden  sieht, 
Erblick'  ich  hier  auf  deines  Ahnherrn  Stirne. 

Auf  die  Hernie  Virgils  deutend 

Hat  es  der  Zufall,  hat's  ein  Genius 
Geflochten  und  gebracht?   Es  zeigt  sich  hier 

i6 


Uns  nicht  umsonst.    X'ir'nlen  hör'  ich  saeen: 
Was  ehret  ihr  die  Toten?  Matten  die 
Doch  ihren  Lohn  und  LYeude,  da  sie  lebten; 
Und  wenn  ihr  uns  bewundert  und  \erehrt, 
So  gebt  auch  den  Leljendii^en  ihr  Teil! 
Mein  Marmorbild  ist  schon  bekränzt  j^^enug  — 
Der  grüne  Zweig  gehört  dem  Leben  an. 

Alfons  winkt  seiner  Schwester,  sie  nimmt  den  Kranz  von  der  Büste 
V'irgils  und  niihert  sich  Tasso.    Er  tritt  zurück 

LHON(JRH 
Du  weigerst  dich?   Sieh,  welche  Iland  den  Kranz, 
Den  schönen,  un\erwelklichen,  ilir  bietet! 

TASS( ) 
(J  lalil  mich  zögern!    Seh'  ich  doch  nicht  ein. 
Wie  ich  nach  dieser  Stuntle  leben  soll. 

ALFONS 

In  tlem  ( ienuli  des  herrlichen  Hesitzes, 
Der  dich  im  ersten  Augrnblick  erschreckt. 

I'KINZLSSIN 
indem  sie  den  Kranz  in  die  HdKc  hält 

Du  gönnest  mir  die  seltne  LVeude,  Tasso, 
Dir  ohne  Wort  zu  sagen,  wie  ich  denke. 

TASSO 

Die  schöne  Last  aus  deinen  teuren  Händen 
Empfang'  ich  knieend  auf  mein  schwaches  Haupt. 

Hr  kniet  nieder,  die  l'rinzessin  setzt  ihm  den  Kranz  auf 

LEONORE 

applaudierend 

Es  lebe  der  zum  erstenmal  Bekränzte! 
Wie  zieret  den  bescheidnen  Mann  der  Kranz! 

Tasso  steht  auf 

17 


ALFONS 

Es  ist  ein  Vorbild  nur  von  jener  Krone, 
Die  auf  dem  Kapitol  dich  zieren  soll. 

PRINZESSIN 

Dort  werden  lautre  Stimmen  dich  begrüßen, 
Mit  leiser  Lippe  lohnt  die  Freundschaft  hier. 

TASSO 

O  nehmt  ihn  weg  von  meinem  Haupte  wieder, 
Nehmt  ihn  hinwcij!    Er  seuQ^t  mir  meine  Locken! 
Und  wie  ein  Strahl  der  Sonne,  der  zu  heiß 
Das  Haupt  mir  träfe,  brennt  er  mir  die  Kraft 
Des  Denkens  aus  der  Stirne.    Fieberhitze 
Be\\^egt  mein  Blut.  Verzeiht!    Es  ist  zu  viel! 

LEONORE 

Es  schützet  dieser  Zweig  vielmehr  das  Haupt 

Des  Manns,  der  in  den  heißen  Regionen 

Des  Ruhms  zu  wandeln  hat,  und  kühlt  die  Stirne. 

TASSO 

Ich  bin  nicht  \\'ert,  die  Kühlung  zu  empfinden, 
Die  nur  um  Heldenstirnen  wehen  soll. 
O  hebt  ihn  auf,  ihr  Götter  und  verklärt 
Ihn  zwischen  Wolken,  daß  er  hoch  und  höher 
Und  unerreichbar  schwebe!   Daß  mein  Leben 
Nach  diesem  Ziel  ein  ew^gr  Wandeln  sei. 

o 

ALFONS 

Wer  früh  erwirbt,  lernt  früh  den  hohen  Wert 
Der  holden  Güter  dieses  Lebens  schätzen; 
Wer  früh  genießt,  entbehrt  in  seinem  Leben 
Mit  Willen  nicht,  was  er  einmal  besaß; 
Und  wer  besitzt,  der  muß  gerüstet  sein. 

i8 


TASSO 

Und  wer  sich  rüsten  w  ill,  nuili  eine  Kraft 

Im  Busen  fühlen,  die  ihm  nie  versagt. 

Ach!  sie  versagt  mir  eben  jet^t!    \m  Glück 

Verläßt  sie  mich,  die  angeborne  Kraft, 

Die  standhaft  mich  dem  Unglück,  stolz  dem  L'nrecht 

Begegnen  lehrte.    I  lat  die  Freude  mir, 

Hat  das  Hntzücken  dieses  Augenblicks 

Das  Mark  in  meinen  Gliedern  aufireiöst? 

Es  sinken  meine  Kniee!    Noch  einmal 

Siehst  du,  o  Inirstin,  mich  gebeugt  vor  dir! 

Erhöre  meine  Bitte,  nimm  ihn  weg! 

Dal5,  wie  aus  einem  schönen  Traum  erwacht, 

Ich  ein  erijuicktes,  neues  Leben  fühle. 

PRINZESSIN 

W  enn  du  Ijcscheiden  ruhig  das  Talent, 
Das  dir  die  Götter  gaben,  tragen  kannst, 
So  lern'  auch  diese  Zweige  tragen,  die 
Das  Schrinste  sind,  was  wir  dir  ''eben  kc'innen. 
Wem  einmal  würtlig  sie  das  I  Iauj)t  berührt, 
T)em  schweben  sie  auf  ewig  um  die  Stirne. 

TASSO 

So  laßt  mich  denn  beschämt  von  hinnen  gehn! 
Laßt  mich  mein  Glück  im  tiefen  Hain  verbergen, 
Wie  ich  sonst  meine  Schmerzen  dort  \erbarg. 
Dort  will  ich  einsam  \\  andeln,  dort  erinnert 
Kein  Auge  mich  ans  unverdiente  Glück. 
Und  zei>rt  mir  uni^efähr  ein  klarer  Brunnen 
In  seinem  reinen  Spiegel  einen  Mann, 
Der,  wunderbar  bekränzt,  im  Widerschein 
Des  Himmels  zwischen  Bäumen,  zwischen  Felsen 
Nachdenkend  ruht,  so  scheint  es  mir,  ich  sehe 
Elysium  auf  dieser  Zauberfläche 
Gebildet.    Still  bedenk'  ich  mich  und  frage: 
Wer  mag  der  Abgeschiedne  sein?    Der  Jüngling 


19 


Aus  der  verrano^nen  Zeit?  so  schön  bekränzt? 

Wer  saot  mir  seinen  Namen?  sein  Verdienst? 

Ich  warte  lani^  und  denke:  Käme  doch 

Ein  andrer  und  noch  einer,  sich  zu  ihm 

In  freundlichem  Gespräche  zu  gesellen! 

O  sah'  ich  die  Heroen,  die  Poeten 

Der  alten  Zeit  um  diesen  Quell  versammelt! 

O  sah'  ich  hier  sie  immer  unzertrennlich. 

Wie  sie  im  Leben  fest  verbunden  waren! 

So  bindet  der  Magnet  durch  seine  Kraft 

Das  Eisen  mit  dem  Eisen  fest  zusammen, 

Wie  gleiches  Streben  Held  und  Dichter  bindet. 

Homer  vergaß  sich  selbst,  sein  ganzes  Leben 

War  der  Betrachtung  zweier  Männer  heilig, 

Und  Alexander  in  Elysium 

Eilt,  den  Achill  und  den  Homer  zu  suchen. 

O  daß  ich  gegenwärtig  ^väre,  sie. 

Die  orrößten  Seelen,  nun  vereint  zu  sehen! 


ö' 


LEONORE 


Erwach'!   Erwache!   Laß  uns  nicht  empfinden. 
Daß  du  das  Gegenwart' (je  Lfanz  verkennst! 

TASSO 

Es  ist  die  Gegenwart,  die  mich  erhöht, 
Abwesend  schein'  ich  nur,  ich  bin  entzückt! 

PRINZESSIN 

Ich  freue  mich,  wenn  du  mit  Geistern  redest. 
Daß  du  so  menschlich  sprichst,  und  hör'  es  gern. 

Ein  Page  tritt  zum  Fürsten  und  richtet  leise  etwas  aus 

ALFONS 

Er  ist  gekommen!  recht  zur  guten  Stunde! 
Antonio!  —  Brino-'  ihn  her!  —  Da  kommt  er  schon! 


20 


VIERTER  AUFTRITT 
PRINZESSIN      LRONORE  ■  AI. FÖNS  •  TASSO  •  ANTONIO 

ALFONS 

Willkommen!  der  du  uns  zugleich  dich  selbst 
Und  gute  Botschaft  bringst! 

PRINZESSIN 

Sei  uns  gegrüßt! 

AN'H  )\I( ) 

Kaum  wag'  ich  es  /u  sagen,  welch  X'ergnügen 

In  eurer  (Gegenwart  mich  neu  l^elebt. 

Vor  euren  Augen  find'  ich  alles  wieder, 

Was  ich  so  lan<r  entbehrt.   Ihr  scheint  /ufrieden 

Mit  dem,  was  ich  getan,  was  ich  sollbrachl; 

Und  so  bin  ich  belohnt  für  jede  Sorge, 

Für  manchen  bakl  mit  L'ngeduld  durchharrten. 

Bald  absichtsvoll  xerlornen   Tag.    \\  ir  haben 

Nun,  was  wir  wünschen,  und  kein  Streit  ist  mehr. 

LEÜNÜRE 

Auch  ich  bc'jTÜße  dich,  wenn  ich  schon  zürne. 
1  )u  kommst  nur  eben,  da  ich  reisen  muß. 

ANTONIO 

Damit  mein  (duck  nicht  ganz  \i)llkommen  werde, 
Nimmst  du  mir  gleich  den  schönen  Teil  hinweg. 

TASSO 

Auch  meinen  Gruß!   Ich  hoffe,  mich  der  Nähe 
Des  vielerfahrnen  Mannes  auch  zu  freun. 

ANTONIO 

Du  wirst  mich  wahrhaft  finden,  wenn  du  je 
Aus  deiner  Welt  in  meine  schauen  maijst. 

21 


ALFONS 

Wenn  du  mir  gleich  in  Briefen  schon  gemeldet, 
Was  du  getan  und  wie  es  dir  ergangen, 
So  hab'  ich  doch  noch  manches  auszufragen, 
Durch  welche  Mittel  das  Geschäft  gelang. 
Auf  jenem  wunderbaren  Boden  will  der  Schritt 
Wohl  abgemessen  sein,  wenn  er  zuletzt 
An  deinen  eignen  Zweck  dich  führen  soll. 
Wer  seines  Herren  Vorteil  rein  bedenkt. 
Der  hat  in  Rom  ijar  einen  schweren  Stand: 
Denn  Rom  will  alles  nehmen,  geben  nichts; 
Und  kommt  man  hin,  um  etwas  zu  erhalten. 
Erhält  man  nichts,  man  bringe  denn  was  hin. 
Und  glücklich,  wenn  man  da  noch  was  erhält. 

ANTONIO 

Es  ist  nicht  mein  Betragen,  meine  Kunst, 
Durch  die  ich  deinen  Willen,  Herr,  vollbracht. 
Denn  welcher  Kluge  fand'  im  Vatikan 
Nicht  seinen  Meister?  Vieles  traf  zusammen. 
Das  ich  zu  unserm  Vorteil  nutzen  konnte, 
Dich  ehrt  Gregor  und  grüßt  und  segnet  dich. 
Der  Greis,  der  würdigste,  dem  eine  Krone 
Das  Haupt  belastet,  denkt  der  Zeit  mit  Freuden, 
Da  er  in  seinen  Arm  dich  schloß.    Der  Mann, 
Der  Männer  unterscheidet,  kennt  und  rühmt 
Dich  hoch!    Um  deinetwillen  tat  er  viel. 

ALFONS 

Ich  freue  seiner  guten  Meinung  mich. 
Sofern  sie  redlich  ist.  Doch  weißt  du  wohl, 
Vom  Vatikan  herab  sieht  man  die  Reiche 
Schon  klein  genug  zu  seinen  Füßen  liegen, 
Geschweiore  denn  die  Fürsten  und  die  Menschen. 
Gestehe  nur,  was  dir  am  meisten  half! 

ANTONIO 

Gut!  wenn  du  willst:  der  hohe  Sinn  des  Papsts. 
Er  sieht  das  Kleine  klein,  das  Große  groß. 


22 


Damit  er  einer  Welt  gebiete,  gibt 

Hr  seinen  Nachbarn  gern  und  freundlich  nach. 

Das  Streifchen  Land,  das  er  dir  überläf5t, 

Weif5  er,  wie  deine  Freundschaft,  \\  ohi  zu  schätzen. 

Italien  soll  ruhig  sein,  er  u  ill 

In  seiner  Nähe  Freunde  sehen,  Friede 

Bei  .seinen  Grenzen  halten,  daß  die  .Macht 

Der  Christenheit,  die  er  gewaltig  lenkt, 

Die  Türken  da,  die  Ketzer  dort  vertilge. 

PRINZESSIN 

Weiß  man  die  Männer,  die  er  mehr  als  andre 
Begünstigt,  die  sich  ihm  vertraulich  nahn? 

ANTONIO 

Nur  der  erfahrne  Mann  besitzt  sein  Ohr, 
Der  tätige  .sein  Zutraun,  seine  (iunst. 
Fr,  der  \'on  Jugend  auf  dem  .Staat  getlient. 
Beherrscht  ihn  jetzt,  und  wirkt  auf  jene  llöfc, 
Die  er  vor  Jahren  als  (lesandter  .schon 
Gesehen  und  gekannt  und  oft  gelenkt. 
Fs  liegt  die  Welt  so  klar  vor  seinem  Blick, 
Als  w  ie  der  X'orteil  seines  eignen  .Staats. 
Wenn  man  ihn  handeln  sieht,  so  lobt  man  ihn, 
Und  freut  sich,  wenn  die  Zeit  entdeckt,  was  er 
Im  stillen  lang  bereitet  und  vollbracht. 
Fs  ist  kein  schönrer  Anblick  in  der  Welt, 
Als  einen  Fürsten  sehn,  der  klug  regiert, 
Das  Reich  zu  sehn,  wo  jeder  stolz  gehorcht, 
Wo  jeder  sich  nur  selbst  zu  dienen  glaubt. 
Weil  ihm  das  Rechte  nur  befohlen  wird. 

LEONORE 

Wie  sehnlich  wünscht'  ich,  jene  Welt  einmal 
Recht  nah  zu  sehn! 

ALFONS 

Doch  wohl,  um  mit  zu  wirken? 
Denn  bloß  beschaun  wird  Leonore  nie. 


23 


Es  wäre  doch  recht  artig,  meine  Freundin, 
Wenn  in  das  große  Spiel  wir  auch  zuweilen 
Die  zarten  Hände  mischen  könnten.  —  Nicht? 

LEONORE 

zu  Alfons 
Du  \\illst  mich  reizen;  es  gelingt  dir  nicht. 

ALFONS 
Ich  bin  dir  viel  von  andern  Tagen  schuldig. 

LEONORE 

Nun  gut,  so  bleib'  ich  heut  in  deiner  Schuld! 
Verzeih  und  störe  meine  Fragen  nicht! 

Zu  Antonio 
Hat  er  für  die  Nepoten  \'iel  getan? 

ANTONIO 

Nicht  weniger  noch  mehr,  als  billig  ist. 
Ein  Mächtiger,  der  für  die  Seinen  nicht 
Zu  sorgen  weiß,  wird  von  dem  \'olke  selbst 
Getadelt.  Still  und  mäßio-  weiß  Gre^j^or 
Den  Seinigen  zu  nutzen,  die  dem  Staat 
Als  wackre  Männer  dienen,  und  erfüllt 
Mit  Einer  Sorge  zwei  verwandte  Pflichten. 

TASSO 

Erfreut  die  Wissenschaft,  erfreut  die  Kunst 
Sich  seines  Schutzes  auch?  und  eifert  er 
Den  großen  Fürsten  alter  Zeiten  nach? 

ANTONIO 

Er  ehrt  die  Wissenschaft,  sofern  sie  nutzt. 
Den  Staat  regieren,  Völker  kennen  lehrt; 
Er  schätzt  die  Kunst,  sofern  sie  ziert,  sein  Rom 
Verherrlicht,  und  Palast  und  Tempel 
Zu  Wunder\\erken  dieser  Erde  macht. 


24 


In  seiner  Nähe  darf  nichts  müßi;^»-  sein! 

Was  gelten  soll,  niuld  w  irkcn  und  niuli  dienen. 

ALFÜNS 

Und  glaubst  du,  daß  wir  das  Geschäfte  bald 
X'olicnden  krmncn?    Daß  sie  nicht  zuletzt 
Noch  hie  und  da  uns  1  limlernisse  streuen? 

ANTüNKJ 


Ich  müßte  sehr  mich  irren,  wenn  nicht  gleich 
Durch  deinen  Namenszusj',  durch  weni<j;  Briefi 
Auf  immer  dieser  Zwist  irehoben  wäre. 


ö' 


ALFOXS 

So  lob'  ich  diese  Tage  meines  Lebens 

Als  eine  Zeit  des  (ilückes  und  Gewinns. 

Erweitert  seh'  ich  meine  Grenze,  weiß 

Sie  für  die  Zukunft  sicher.    Ohne  Schwertschlag 

Hast  du's  geleistet,  eine  Bürgerkrone 

Dir  wohl  verdient.    Rs  sollen  unsre  Frauen 

Vom  ersten  Hichenlaulj  am  schc'insten  Morgen 

Geflochten  dir  sie  um  die  Stirne  legen. 

Indessen  hat  mich  Tasso  auch  bereichert: 

lir  hat  Jerusalem  für  uns  erobert. 

Und  so  die  neue  Christenheit  beschämt, 

Ein  weit  entferntes,  hoch  gestecktes  Ziel 

Mit  frohem  Mut  und  strengem  Fleiß  erreicht. 

Für  seine  Mühe  siehst  du  ihn  uekrcint. 


v5 


ANTONIO 

Du  lösest  mir  ein  R'itsel.   Zwei  Bekränzte 
Erblickt'  ich  mit  X'erwundrung,  da  ich  kam. 

TASSO 

Wenn  du  mein  Glück  vor  deinen  Augen  siehst, 
So  wünscht'  ich,  daß  du  mein  beschämt  Gemüt 
Mit  eben  diesem  Blicke  schauen  könntest. 


25 


ANTONIO 

Mir  war  es  lang  bekannt,  daß  im  Belohnen 
Alfons  unmäßig  ist,  und  du  erfährst, 
Was  jeder  von  den  Seinen  schon  erfuhr. 

PRINZESSIN 

Wenn  du  erst  siehst,  was  er  geleistet  hat. 
So  wirst  du  uns  gerecht  und  mäßig  finden. 
Wir  sind  nur  hier  die  ersten  stillen  Zeugen 
Des  Beifalls,  den  die  AVeit  ihm  nicht  versagt. 
Und  den  ihm  zehnfach  künft'ge  Jahre  gönnen. 

ANTONIO 

Er  ist  durch  euch  schon  seines  Ruhms  sjewiß. 
Wer  dürfte  zweifeln,  wo  ihr  preisen  könnt? 
Doch  sage  mir,  wer  drückte  diesen  Kranz 
Auf  Ariostens  Stirne? 

LEONORE 

Diese  Hand. 

ANTONIO 

Und  sie  hat  \\'ohl  getan!    Er  ziert  ihn  schön, 

Als  ihn  der  Lorbeer  selbst  nicht  zieren  würde! 

Wie  die  Natur  die  innio-  reiche  Brust 

Mit  einem  grünen,  bunten  Kleide  deckt, 

So  hüllt  er  alles,  was  den  Menschen  nur 

Ehrwürdig,  liebenswürdig  machen  kann, 

Ins  blühende  Gewand  der  Fabel  ein. 

Zufriedenheit,  Erfahrung  und  Verstand 

Und  Geisteskraft,  Geschmack  und  reiner  Sinn 

Fürs  wahre  Gute,  geistig  scheinen  sie 

In  seinen  Liedern  und  persönlich  doch 

Wie  unter  Blütenbäumen  auszuruhn, 

Bedeckt  vom  Schnee  der  leicht  getragnen  Blüten, 

Umkränzt  von  Rosen,  wunderlich  umgaukelt 

Vom  losen  Zauberspiel  der  Amoretten. 

26 


Der  Quell  des  Überflusses  rauscht  dameben 
Und  läf5t  uns  bunte  Wunderfische  sehn; 
Von  seltenem  Gcflü;^el  ist  die  Luft, 
\'on  fremden  Herden  Wies'  und  Busch  erfüllt; 
Die  Schalkheit  lauscht  im  Grünen  halb  versteckt, 
Die  Weisheit  läI5t  von  einer  «^oldnen  Wolke 
Von  Zeit  zu  Zeit  erhabne  Spriiche  tcinen, 
Indes  auf  wohli^^estimmter  Laute  wiKl 
Der  Wahnsinn  hin  untl  her  zu  wühlen  scheint, 
Und  doch  im  schönsten  Takt  sich  mäfJii;  hält 
Wer  neben  diesen  Mann  sich  wa^en  darf, 
X'erdient  für  seine  Kühnheit  schon  den  Kranz. 
Ver^rcbt,  wenn  ich  mich  selbst  be;^feistert  fühle. 
Wie  ein  X'erzückler  weder  Zeit  noch  Ort, 
Noch,  was  ich  sa^e,  wohl  bedenken  kann: 
1  )enn  alle  diese  Dichter,  diese  Kräruce, 
Das  seltne  festliche  Gewantl  der  Schc'inen 
\'erset/.t  mich  aus  mir  selbst  in  fremdes  Land. 

FKI\Zi:SSL\ 
Wer  ein  \erdienst  so  wohl  zu  sckätzen  weiß, 
Der  w  ird  das  aiulre  nicht  \  erkennen.    I  )u 
Sollst  uns  dereinst  in   Tasstjs  Liedern  zeigen, 
Was  wir  gefühlt  und  was  nur  du  erkennst. 

.\LPONS 

Komm  mit.  .Vntonio!    Manches  hab'  ich  noch, 
W Orauf  ich  sehr  begierig  bin,  zu  fragen. 
Dann  sollst  tlu  bis  zum  Untergang  der  Sonne 
Den  Frauen  aiv-ehören.    Komm!    Lebt  wohl! 

Dem  Fürsten  folirt  Antonio,  den  Uamen  Tas.so 


27 


u 


ZWEITER    AUFZUG 

Saal 

ERSTER  AUFTRITT 
PRINZESSIN  •  TASSO 

TASSO 


NSICHER  folo^en  meine  Schritte  dir, 


ö 


O  Fürstin,  und  Gedanken  ohne  Maß 
Und  Ordnunof  recren  sich  in  meiner  Seele. 


Mir  scheint  die  Einsamkeit  zu  winken,  mich 

Gefällig  anzulispeln:  Komm!    Ich  löse 

Die  neu  erregten  Z\\'eifel  deiner  Brust. 

Doch  werf  ich  einen  Blick  auf  dich,  vernimmt 

Mein  horchend  Ohr  ein  Wort  von  deiner  Lippe, 

So  wird  ein  neuer  Tag  um  mich  herum, 

Und  alle  Bande  fallen  von  mir  los. 

Ich  will  dir  gern  gestehn,  es  hat  der  Mann, 

Der  uner\\'artet  zu  uns  trat,  nicht  sanft 

Aus  einem  schönen  Traum  mich  aufgeweckt; 

Sein  Wesen,  seine  Worte  haben  mich 

So  wunderbar  getroffen,  daß  ich  mehr 

Als  je  mich  doppelt  fühle,  mit  mir  selbst 

Aufs  neu'  in  streitender  Verwirrung  bin. 

PRINZESSIN 

Es  ist  unmöglich,  daß  ein  alter  Freund, 
Der,  lang  entfernt,  ein  fremdes  Leben  führte, 
Im  Augenblick,  da  er  uns  wiedersieht. 
Sich  wieder  gleich  wie  ehmals  finden  soll. 
Er  ist  in  seinem  Innern  nicht  verändert; 
Laß  uns  mit  ihm  nur  ^^'enig  Tage  leben. 
So  stimmen  sich  die  Saiten  hin  und  wider. 
Bis  glücklich  eine  schöne  Harmonie 

28 


Aufs  neue  sie  verbindet.    Wird  er  dann 
Auch  näher  icennen,  was  du  diese  Zeit 
Geleistet  hast,  so  stellt  er  dich  gewiß 
Dem  Dichter  an  die  Seite,  den  er  jetzt 
Als  einen  Riesen  dir  ent-^^C'^ensteilt. 

'iASS( ) 
Ach,  meine  Fürstin,  Ariostens  Lob 
Aus  seinem  Mumie  hat  mich  mehr  ergötzt. 
Als  dal')  es  mich  l)eleidit;t  hätte.    Tröstlich 
Ist  es  für  uns,  den  .Mann  gerühmt  zu  u  issen. 
Der  als  ein  grof5es  Muster  vor  uns  steht. 
Wir  können  uns  im  stillen  Merzen  sagen: 
Hrreichst  du  einen  leil  von  seinem  Wert, 
Hleibt  dir  ein  Teil  auch  seines  Ruhms  <^rcwil'). 
Nein,  was  das  Herz  im  tiefsten  mir  bewegte. 
Was  mir  noch  jetzt  die  ganze  Seele  füllt. 
Es  waren  die  Gestalten  jener  Welt, 
Die  sich  lebendig,  rastltjs,  ungeheuer 
Um  einen  großen,  einzig  klugen  Mann 
Gemessen  dreht  und  ihren  Lauf  \ollendet. 
Den  ihr  der  I lalb-'Ott  \orzuschreiben  wa</t. 
He<'ieri'i-  horcht'  ich  auf,  \'ernahm  mit  Lust 
Die  sichern  Worte  des  erfahrnen  .Mannes; 
Doch  ach!  je  mehr  ich  horchte,  mehr  und  mehr 
Versank  ich  \  or  mir  selbst,  ich  fürchtete 
Wie  Lcho  an  ilen  Felsen  zu  \erschwinden. 
Fin  Widerhall,  ein  Nichts  mich  zu  \erlieren. 

I'RL\ZFSSL\ 

Und  schienst  noch  kurz  vorher  so  rein  zu  fühlen. 
Wie  I  leid  und  1  )ichter  für  einander  leben. 
Wie  Held  und  Dichter  sich  einander  suchen, 
L'nd  keiner  je  den  andern  neiden  soll? 
Zwar  herrlich  ist  die  iiedeswerte  Tat, 
Doch  schön  ist's  auch,  der  Taten  stärkste  Fülle 
Durch  würd'ge  Lieder  auf  die  Nachwelt  bringen. 
Begnüge  tlich,  aus  einem  kleinen  Staate, 


29 


Der  dich  beschützt,  ciem  wiltlen  Lauf  der  Welt, 
Wie  von  dem  Ufer,  ruhig  zuzusehn. 

TASSC ) 
Und  sah  ich  hier  mit  Staunen  nicht  zuerst. 
Wie  herrlich  man  den  tapfern  Mann  belohnt? 
Als  unerfahrner  Knabe  kam  ich  her, 
In  einem  Augenblick,  da  Fest  auf  Fest 
Ferrara  zu  dem  Mittelpunkt  der  Fhre 
Zu  machen  schien.    O!  welcher  Anblick  war's! 
Den  A\'eiten  Platz,  auf  dem  in  ihrem  Glänze 
Gewandte  Tapferkeit  sich  zeigen  sollte. 
Umschloß  ein  Kreis,  wie  ihn  die  Sonne  nicht 
So  bald  zum  zweitenmal  bescheinen  \\ird. 
Es  saften  hier  gedrängt  die  schönsten  Frauen, 
Gedrängt  die  ersten  Männer  unsrer  Zeit. 
Erstaunt  durchlief  der  Blick  die  edle  Menge; 
Man  rief:  Sie  alle  hat  das  Vaterland, 
Das  eine,  schmale,  meerumgebne  Land, 
Hierher  geschickt.    Zusammen  bilden  sie 
Das  herrlichste  Gericht,  das  über  Ehre, 
Verdienst  und  Tugend  je  entschieden  hat. 
Gehst  du  sie  einzeln  durch,  du  findest  Keinen, 
Der  seines  Nachbarn  sich  zu  schämen  brauche!  — 
Und  dann  eröftheten  die  Schranken  sich; 
Da  stampften  Pferde,  glänzten  Helm  und  Schilde, 
Da  drängten  sich  die  Knappen,  da  erklang 
Trompetenschall,  und  Lanzen  krachten  splitternd. 
Getroffen  tönten  Helm'  und  Schilde;  Staub, 
Auf  einen  Augenblick,  umhüllte  wirbelnd 
Des  Siegers  Ehre,  des  Besiegten  Schmach. 
O  laß  mich  einen  Vorhang  vor  das  ganze. 
Mir  allzu  helle  Schauspiel  ziehen,  daß 
In  diesem  schönen  Auijenblicke  mir 
Mein  Unw^ert  nicht  zu  heftig  fühlbar  werde. 

PRINZESSIN 
Wenn  jener  edle  Kreis,  wenn  jene  Taten 
Zu  Müh'  und  Streben  damals  dich  entflammten. 


30 


So  könnt'  ich,  juni^cr  Freund,  zu  i^dcichcr  Zeit 

Der  Dulduni;  stille  Lehre  dir  bewähren. 

Die  Feste,  die  du  rühmst,  die  hundert  Zungen 

Mir  damals  priesen  und  mir  manches  Jahr 

Nachher  t^epriesen  halben,  sah  ich  nicht. 

Am  stillen  Ort,  wohin  kaum  unterbrochen 

Der  letzte  W  iderhall  der  Iieude  sich 

Verlieren  konnte,  mußt'  ich  manche  Schmerzen 

Und  manchen  trauri<.^a-n  (ietlanken  leiden. 

Mit  breiten  Flügeln  schwebte  mir  das  Bild 

Des  Todes  \or  den  .\u;4en,  deckte  mir 

Die  Aussicht  in  die  immer  neue  Welt. 

Nur  nach  und  nach  entfernt'  es  sich,  und  ließ 

Mich,  wie  durch  einen  I"li)r,  die  bunten  Farben 

Des  Lebens,  blaß,  doch  an;^i  lu-hm,  erblicken. 

Ich  sah  lebend't;e  Formen  wieder  sanft  sich  reiben. 

Zum  erstenmal  trat  ich,  noch  unterstützt 

V^on  meinen  Frauen,  aus  ilem  Krankenzimmer, 

Da  kam  Lucretia  voll  frohen  Lebens 

Herbei  uiul  führte  dich  an  ihrer  Hand: 

Du  warst  der  erste,  der  im  neuen  Leben 

Mir  neu  und  unbekannt  entj^ej^en  trat. 

Da  hofft'  ich  \  iel  für  dich  unil  mich;  auch  hat 

Uns  bis  hierher  die  I  loffiuin;.^^  nicht  betroj^en. 

TASSü 

Und  ich,  iler  ich,  betäubt  von  dem  (lewimmel 
Des  drängenden  Gewühls,  von  so  viel  Glanz 
Geblendet,  und  von  mancher  Leidenschaft 
Hcwegt,  durch  stille  Gänge  des  Palasts. 
An  deiner  Schwester  Seite  schw eigend  ging. 
Dann  in  das  Zimmer  trat,  wo  du  uns  bald. 
Auf  deine  Fraun  gelehnt,  erschienest  —  mir 
Welch  ein  Moment  war  tlieser!   Ü  vergib! 
Wie  den  Bezauberten  \-on  Rausch  und  Wahn 
Der  Gottheit  Xähe  leicht  und  w  illig  heilt, 
So  war  auch  ich  von  aller  Phantasie, 
Von  jeder  Sucht,  \'on  jedem  falschen  Triebe 


31 


Mit  einem  Blick  in  deinen  Blick  geheilt. 
Wenn  unerfahren  die  Begierde  sich 
Nach  tausend  Gegenständen  sonst  verlor, 
Trat  ich  beschämt  zuerst  in  mich  zurück 
Und  lernte  nun  das  Wünschenswerte  kennen. 
So  sucht  man  in  dem  weiten  Sand  des  Meeres 
Vergebens  eine  Perle,  die  verborgen 
In  stillen  Schalen  eingeschlossen  ruht. 

PRINZESSIN 

Es  fingen  schöne  Zeiten  damals  an. 

Und  hätt'  uns  nicht  der  Herzog  von  Urbino 

Die  Schwester  weggeführt,  uns  wären  Jahre 

Im  schönen,  ungetrübten  Glück  verschwunden. 

Doch  leider  jetzt  vermissen  wir  zu  sehr 

Den  frohen  Geist,  die  Brust  voll  Mut  und  Leben, 

Den  reichen  Witz  der  liebenswürd'gen  Frau. 

TASSO 

Ich  weiß  es  nur  zu  wohl,  seit  jenem  Tage, 

Da  sie  von  hinnen  schied,  vermochte  dir 

Die  reine  Freude  niemand  zu  ersetzen. 

Wie  oft  zerriß  es  meine  Brust!    Wie  oft 

Klaijt'  ich  dem  stillen  Hain  mein  Leid  um  dich! 

Ach!  rief  ich  aus,  hat  denn  die  Schwester  nur 

Das  Glück,  das  Recht,  der  Teuern  viel  zu  sein? 

Ist  denn  kein  Herz  mehr  wert,  daß  sie  sich  ihm 

Vertrauen  dürfte,  kein  Gemüt  dem  ihren 

Mehr  G:leich  Qestimmt?    Ist  Geist  und  Witz  verloschen? 

Und  war  die  eine  Frau,  so  trefflich  sie 

Auch  war,  denn  alles?    Fürstin!  o  verzeih! 

Da  dacht'  ich  manchmal  an  mich  selbst  und  wünschte, 

Dir  etwas  sein  zu  können.    Wenig  nur. 

Doch  etwas,  nicht  mit  Worten,  mit  der  Tat 

Wünscht'  ich's  zu  sein,  im  Leben  dir  zu  zeigen. 

Wie  sich  mein  Herz'  im  stillen  dir  geweiht. 

Doch  es  gelang  mir  nicht,  und  nur  zu  oft 

Tat  ich  im  Irrtum,  was  dich  schmerzen  mußte, 

32 


Beleidigte  den  Mann,  den  du  beschütztest, 
Verwirrte  unklug,  was  du  lösen  \\olltest, 
Und  fühlte  so  mich  stets  im  Aueenblick, 
Wenn  ich  mich  nahen  wollte,  fern  und  ferner. 

PRINZHSSIN 

Ich  habe,  Tasso,  deinen  Willen  nie 

Verkannt,  und  \veiI5,  wie  du  dir  selbst  zu  schaden 

Geschäftig  bist.    Anstatt  daß  meine  Schwester 

Mit  jedem,  wie  er  sei,  zu  leben  wcif5. 

So  kannst  du  selbst  nach  vielen  Jahren  kaum 

In  einen  Freund  dich  finden. 

TASSO 

Tadle  mich! 
Doch  sage  mir  hernach,  wo  ist  der  Mann, 
Die  Frau,  mit  der  ich  wie  mit  dir 
Aus  freiem  Busen  wagen  darf  zu  reden? 

rRlXZHSSIX 
Du  solltest  meinem  Bruder  dich  vertraun. 

1\\SS(3 

Er  ist  mein  Fürst!  —  Doch  glaube  nicht,  dalo  mir 
Der  Freiheit  \siliier  Trieb  den  Busen  blähe. 
Der  Mensch  ist  nicht  geboren,  frei  zu  sein, 
Und  für  den  Indien  ist  kein  schöner  Glück, 
Als  einem  Fürsten,  den  er  ehrt,  zu  dienen. 
Und  so  ist  er  mein  Herr,  und  ich  empfinde 
Den  ijanzen  L'mfang  dieses  «'Toßen  \\'orts. 
Xun  mul5  ich  schweigen  lernen,  wenn  er  spricht, 
Und  tun,  wenn  er  gebietet,  mögen  auch 
Verstand  und  Merz  ihm  lebhaft  widersprechen. 

PRIXZFSSIN 

Das  ist  der  Fall  bei  meinem  Bruder  nie. 
Und  nun,  da  wir  Antonio  wieder  haben, 
Ist  dir  ein  neuer,  kluger  Freund  gewifi. 


33 


TASSO 

Ich  hofft'  es  ehmals,  jetzt  verzweifl'  ich  fast. 
Wie  lehrreich  wäre  mir  sein  Umgang,  nützlich 
Sein  Rat  in  tausend  Fällen!    Er  besitzt, 
Ich  mag  wohl  sagen,  alles,  was  mir  fehlt. 
Doch,  haben  alle  Götter  sich  versammelt, 
Geschenke  seiner  Wiege  darzubringen  — 
Die  Grazien  sind  leider  ausgeblieben, 
Und  wem  die  Gaben  dieser  Holden  fehlen, 
Der  kann  zwar  viel  besitzen,  vieles  geben. 
Doch  läl^t  sich  nie  an  seinem  Busen  ruhn. 

PRINZESSIN 

Doch  läßt  sich  ihm  vertraun,  und  das  ist  viel. 
Du  mußt  von  einem  Mann  nicht  alles  fordern. 
Und  dieser  leistet,  was  er  dir  verspricht. 
Hat  er  sich  erst  für  deinen  Freund  erklärt. 
So  sorgt  er  selbst  für  dich,  wo  du  dir  fehlst. 
Ihr  müßt  verbunden  sein!    Ich  schmeichle  mir, 
Dies  schöne  Werk  in  kurzem  zu  vollbringen. 
Nur  widerstehe  nicht,  wie  du  es  pflegst! 
So  haben  wir  Lenoren  lang  besessen, 
Die  fein  und  zierlich  ist,  mit  der  es  leicht 
Sich  leben  läßt;  auch  dieser  hast  du  nie, 
Wie  sie  es  wünschte,  näher  treten  ^vollen. 

TASSO 

Ich  habe  dir  gehorcht,  sonst  hätt'  ich  mich 
Von  ihr  entfernt,  anstatt  mich  ihr  zu  nahen. 
So  liebenswürdig  sie  erscheinen  kann, 
Ich  weiß  nicht,  wie  es  ist,  könnt'  ich  nur  selten 
Mit  ihr  ganz  offen  sein,  und  wenn  sie  auch 
Die  Absicht  hat,  den  Freunden  wohlzutun. 
So  fühlt  man  Absicht,  und  man  ist  verstimmt. 

PRINZESSIN 

Auf  diesem  Wesfe  werden  wir  wohl  nie 
Gesellschaft  finden,  Tasso!  Dieser  Pfad 
Verleitet  uns,  durch  einsames  Gebüsch, 


34 


Durch  stille  Täler  furtzu wandern;  mehr 

Und  mehr  verwöhnt  sich  das  Gemüt  und  strebt, 

Die  goldne  Zeit,  die  ihm  von  außen  mangelt, 

In  seinem  Innern  wieder  herzustellen, 

So  wenig  der  X'ersuch  gelingen  will. 

TASSO 

O  welches  Wort  spricht  meine  Fürstin  aus! 

Die  goldne  Zeit,  wohin  ist  sie  geflohen. 

Nach  der  sich  jedes  Herz  vergebens  sehnt? 

Da  auf  der  freien  Hrde  Menschen  sich 

Wie  frohe  Herden  im  Genuß»  xerbreiteten; 

Da  ein  uralter  Baum  auf  bunter  Wiese 

Dem  Hirten  und  der  Hirtin  Schatten  gab. 

Ein  jüngeres  Gebüsch  die  zarten  Zweige 

Um  sehnsuchts\'olle  Liebe  traulich  schlang; 

Wo  klar  und  still  auf  immer  reinem  Sande 

Der  weiche  IHuLS  die  Nymphe  sanft  umfing; 

Wo  in  dem  (.rase  die  gescheuchte  Schlange 

Unschädlich  sich  \  erlor,  der  kühne  Faun, 

Vom  tiipfern  Jüngling  bald  bestraft,  entHoh; 

Wo  jeder  X'ogel  in  der  freien  Luft, 

L'nd  jedes  Tier,  durch  Rerg  und  Täler  schweifend, 

Zum  Menschen  sprach:  Erlaubt  ist,  was  gefällt. 

PRINZESSIN 

Mein  Freund,  die  goldne  Zeit  ist  wohl  vorbei; 

Allein  die  Guten  bringen  sie  zurück. 

L  nd  soll  ich  dir  gestehen,  wie  ich  denke: 

Die  goldne  Zeit,  womit  der  Dichter  uns 

Zu  schmeicheln  pflegt,  die  schöne  Zeit,  sie  war. 

So  scheint  es  mir,  so  wenig  als  sie  ist; 

Und  war  sie  je,  so  war  sie  nur  gewiß, 

Wie  sie  uns  immer  wieder  werden  kann. 

Noch  treffen  sich  verwandte  Herzen  an 

Und  teilen  den  Genuß  der  schönen  Welt; 

Nur  in  dem  Wahlspruch  ändert  sich,  mein  Freund, 

Ein  einzio-  XX'ort:  Erlaubt  ist,  was  sich  ziemt. 


35 


TASSO 

O,  wenn  aus  guten,  edlen  Menschen  nur 
Ein  allgemein  Gericht  bestellt  entschiede, 
Was  sich  denn  ziemt!  anstatt  daß  jeder  glaubt, 
Es  sei  auch  schicklich,  was  ihm  nützlich  ist! 
Wir  sehn  ja,  dem  Gewaltigen,  dem  Klugen 
Steht  alles  wohl,  und  er  erlaubt  sich  alles. 

PRINZESSIN 

Willst  du  genau  erfahren,  was  sich  ziemt. 

So  fraofe  nur  bei  edlen  Frauen  an. 

Denn  ihnen  ist  am  meisten  dran  gelegen. 

Daß  alles  wohl  sich  zieme,  was  geschieht. 

Die  Schicklichkeit  umgibt  mit  einer  Mauer 

Das  zarte,  leicht  verletzliche  Geschlecht. 

Wo  Sittlichkeit  regiert,  regieren  sie. 

Und  wo  die  Frechheit  heirscht,  da  sind  sie  nichts. 

Und  wirst  du  die  Geschlechter  beide  fragen, 

Nach  Freiheit  strebt  der  Mann,  das  Weib  nach  Sitte. 

TASSO 
Du  nennest  uns  unbändig,  roh,  gefühllos? 

PRINZESSIN 

Nicht  das!    Allein  ihr  strebt  nach  fernen  Gütern, 
Und  euer  Streben  muß  gewaltsam  sein. 
Ihr  wagt  es,  für  die  Ewigkeit  zu  handeln. 
Wenn  wir  ein  einzig,  nah  beschränktes  Gut 
Auf  dieser  Erde  nur  besitzen  möchten, 
Und  wünschen,  daß  es  uns  beständig  bleibe. 
Wir  sind  von  keinem  Männerherzen  sicher. 
Das  noch  so  warm  sich  einmal  uns  ergab. 
Die  Schönheit  ist  vergänglich,  die  ihr  doch 
Allein  zu  ehren  scheint.    Was  übrig  bleibt. 
Das  reizt  nicht  mehr,  und  was  nicht  reizt,  ist  tot. 
Wenn's  Männer  gäbe,  die  ein  weiblich  Herz 
Zu  schätzen  wüßten,  die  erkennen  möchten, 

36 


Welch  einen  holden  Schatz  von  Treu  und  Liebe 
Der  Busen  einer  Frau  bewahren  kann; 
Wenn  das  Gedächtnis  einzig  schöner  Stunden 
In  euren  Seelen  lebhaft  bleiben  wollte; 
Wenn  euer  I>lick,  der  sonst  durchdringend  ist, 
Auch  durch  den  Schleier  dringen  könnte,  den 
Uns  Alter  oder  Krankheit  überwirft; 
Wenn  der  Besitz,  der  ruhig  machen  soll, 
Nach  fremden  Gütern  euch  nicht  lüstern  machte: 
Dann  u  är'  uns  wohl  ein  schöner  Tag  erschienen, 
Wir  feierten  tiann  unsre  goldne  Zeit. 

rAss(j 

Du  sagst  mir  Worte,  die  in  meiner  Brust 
Halb  schon  entschlafne  Sorgen  mächtig  regen. 

rRINZHSSI.V 
Was  meinst  du,  Tasso?"    ivcde  frei  mit  mir! 

TASSO 

Oft  hört'  ich  schon,  und  diese  Tage  wieder 
Hab'  ich's  gehört,  ja  hätt'  ich's  nicht  \'ernonunen, 
So  mül5t'  ich's  denken:  edle  I'ürsten  streben 
Nach  deiner  Hand!    Was  wir  erwarten  müssen, 
Das  fürchten  wir  und  möchten  schier  \erzw eifeln. 
Verlassen  w  irst  du  uns,  es  ist  natürlich. 
Doch  wie  wir's  tragen  wollen,  weili  ich  nicht 

PRINZnSSIX 

Für  diesen  Augenblick  seid  unbesorgt! 
Fast  möcht'  ich  sagen,  unbesorgt  für  immer. 
Hier  bin  ich  gern  und  gerne  mag  ich  bleiben; 
Noch  weil5  ich  kein  Verhältnis,  das  mich  lockte; 
Und  wenn  ihr  mich  denn  ja  behalten  wollt, 
So  laßt  es  mir  durch  Füintracht  sehn,  und  schafft 
Euch  selbst  ein  glücklich  Leben,  mir  durch  euch! 


37 


TASSO 

O  lehre  mich  das  Mögliche  zu  tun! 
Gewidmet  sind  dir  alle  meine  Tage. 
Wenn  dich  zu  preisen,  dir  zu  danken  sich 
Mein  Herz  entfaltet,  dann  empfind'  ich  erst 
Das  reinste  Glück,  das  Menschen  fühlen  können; 
Das  Göttlichste  erfuhr  ich  nur  in  dir. 
So  unterscheiden  sich  die  Erdengötter 
Vor  andern  Menschen,  wie  das  hohe  Schicksal 
Vom  Rat  und  \Villen  selbst  der  klügsten  Männer 
Sich  unterscheidet.    Vieles  lassen  sie, 
Wenn  wir  gewaltsam  Wog'  auf  Woge  sehn, 
Wie  leichte  Wellen  unbemerkt  vorüber 
Vor  ihren  Füßen  rauschen,  hören  nicht 
Den  Sturm,  der  uns  umsaust  und  niederwirft, 
Vernehmen  unser  Flehen  kaum  und  lassen, 
Wie  wir  beschränkten,  armen  Kindern  tun, 
Mit  Seufzern  und  Geschrei  die  Luft  uns  füllen. 
Du  hast  mich  oft,  o  Göttliche,  geduldet, 
Und  wie  die  Sonne,  trocknete  dein  Blick 
Den  Tau  von  meinen  Augenlidern  ab. 

PRINZESSIN 

Es  ist  sehr  billig,  daß  die  Frauen  dir 
Aufs  freundlichste  begegnen;  es  verherrlicht 
Dein  Lied  auf  manche  Weise  das  Geschlecht. 
Zart  oder  tapfer,  hast  du  stets  gewußt, 
Sie  liebenswert  und  edel  vorzustellen; 
Und  wenn  Armide  hassenswert  erscheint. 
Versöhnt  ihr  Reiz  und  ihre  Liebe  bald. 

TASSO 

Was  auch  in  meinem  Liede  widerklingt, 
Ich  bin  nur  einer,  einer  alles  schuldig! 
Es  schwebt  kein  geistig  unbestimmtes  Bild 
Vor  meiner  Stirne,  das  der  Seele  bald 
Sich  überglänzend  nahte,  bald  entzöge, 

38 


Mit  meinen  Augen  hab'  ich  es  geschn, 
Das  Urbild  jeder  Tugend,  jeder  Schöne; 
Was  ich  nach  ihm  gebildet,  das  wird  bleiben: 
Tancredens  Heldenliebe  zu  Chlorinden, 
Erminiens  stille,  nicht  bemerkte  Treue, 
Sophroniens  Gnjiiheit  und  Olindens  Not, 
Es  sind  nicht  Schatten,  die  der  Wahn  erzeugte, 
Ich  ueil5  es,  sie  sind  ewig,  denn  sie  sind. 
Und  was  hat  mehr  das  Recht,  Jahrhunderte 
Zu  bleiben  und  im  stillen  fortzuw  irken. 
Als  das  (Geheimnis  einer  edlen  Liebe, 
Dem  holden  Lied  Ijescheiden  an\ertraut? 

I'RIXZI-SSIX 

Und  soll  ich  dir  noch  einen  X'orzug  sagen. 
Den  unvermerkt  sich  ilieses  Lied  erschleicht? 
Es  lockt  uns  nach  und  nach,  wir  hören  zu; 
Wir  hören  und  w ir  glauben  zu  \erstehn, 
Was  \s ir  verstehn,  das  k(>nnen  w ir  nicht  tadeln. 
Und  so  »rewinnt  uns  dieses  Lied  zuletzt. 

lASSU 

Welch  einen  Himmel  öffne.st  du  vor  mir, 

Ü  Fürstin!    Macht  mich  dieser  Glanz  nicht  blind, 

So  seh'  ich  unverhofft  ein  e\\ ig  ("ilück 

Auf  goldnen  Strahlen  herrlich  niedersteigen. 

PRIXZHSSIX 

Nicht  weiter,  Tasso!    Viele  Dinge  sind's, 
Die  wir  mit  Heftigkeit  ergreifen  sollen: 
Doch  andre  können  nur  durch  Mäl5igung 
Und  durch  Entbehren  unser  eigen  werden. 
So,  sagt  man,  sei  die  Tugend,  sei  die  Liebe, 
Die  ihr  verwandt  ist.    Das  bedenke  wohl! 


39 


ZWEITER  AUFTRITT 
TASSO 

allein 

Ist  dir's  erlaubt,  die  Augen  aufzuschlagen? 

Wagst  du's,  umherzusehn?   Du  bist  allein! 

Vernahmen  diese  Säulen,  was  sie  sprach? 

Und  hast  du  Zeugen,  diese  stummen  Zeugen 

Des  höchsten  Glücks  zu  fürchten?   Es  erhebt 

Die  Sonne  sich  des  neuen  Lebenstages, 

Der  mit  den  vorigen  sich  nicht  vergleicht. 

Herniedersteigend  hebt  die  Göttin  schnell 

Den  Sterblichen  hinauf.    Welch  neuer  Kreis 

Entdeckt  sich  meinem  Auge,  welches  Reich! 

Wie  köstlich  \\ird  der  heiße  Wunsch  belohnt! 

Ich  träumte  mich  dem  höchsten  Glücke  nah. 

Und  dieses  Glück  ist  über  alle  Träume. 

Der  Blindgeborne  denke  sich  das  Licht, 

Die  Farben,  wie  er  will;  erscheinet  ihm 

Der  neue  Tag,  ist's  ihm  ein  neuer  Sinn. 

Voll  Mut  und  Ahnung,  freudetrunken  schwankend 

Betret'  ich  diese  Bahn.    Du  gibst  mir  viel, 

Du  gibst,  wie  Erd'  und  Himmel  uns  Geschenke 

Mit  vollen  Händen  übermäßig  reichen. 

Und  forderst  wieder,  was  von  mir  zu  fordern 

Nur  eine  solche  Gabe  dich  berechtigt. 

Ich  soll  entbehren,  soll  mich  mäßig  zeigen, 

Und  so  verdienen,  daß  du  mir  vertraust. 

Was  tat  ich  je,  daß  sie  mich  wählen  konnte? 

Was  soll  ich  tim,  um  ihrer  wert  zu  sein? 

Sie  konnte  dir  vertraun,  und  dadurch  bist  du's. 

Ja,  Fürstin,  deinen  Worten,  deinen  Blicken 

Sei  ewig  meine  Seele  ganz  geweiht! 

Ja,  fordre,  was  du  willst!  denn  ich  bin  dein! 

Sie  sende  mich,  Müh'  und  Gefahr  und  Ruhm 

In  fernen  Landen  aufzusuchen,  reiche 

Im  stillen  Hain  die  goldne  Leier  mir, 

40 


Sic  weihe  mich  der  Ruh'  und  ihrem  I'reis: 

Ihr  bin  ich,  bildend  soll  sie  mich  besitzen, 

Mein  Herz  bewahrte  jeden  Schatz  für  Sie. 

O  hätt'  ein  tausendfaches  WerkzeuLf  mir 

Hin  Gott  gegönnt,  kaum  drückt'  ich  dann  genug 

Die  unaussprechliche  Verehrung  aus. 

Des  Malers  Pinsel  und  des  Dichters  Lippe, 

Die  sülieste,  die  je  von  frühem  Honig 

(ienährt  war,  wünscht'  ich  mir.    Xein,  künftig  soll 

Nicht  Tasso  zwischen  Bäumen,  zwischen  Menschen 

Sich  einsam,  schwach  und  trübgesinnt  \erlieren! 

Ilr  ist  nicht  mehr  allein,  er  ist  mit  dir. 

( ),  dal5  die  edelste  der  Taten  sich 

Hier  sichtbar  vor  mich  stellte,  rings  umgeben 

Von  gräulicher  Ciefahr!    Ich  dränge  zu 

Und  wagte  gern  das  Leben,  das  ich  nun 

Von  ihren  I  landen  habe  —  forderte 

Die  besten  Menschen  mir  zu  Freunden  auf, 

Unnit'igliches  mit  einer  edlen  Schar 

Nach  ihrem  Wink  untl  Willen  zu  \ollbringen.  — 

X'oreiliger,  warum  \erbarg  dein  Mund 

Nicht  das,  was  du  empfandst,  bis  du  dich  wert 

L'nd  werter  ihr  zu  MilSen  legen  konntest? 

Das  war  dein  X'orsatz,  war  dein  kluger  Wunsch. 

Doch  sei  es  auch!    \'iel  schöner  ist  es,  rein 

Und  unverdient  ein  solch  Geschenk  empfangen, 

Als  halb  und  halb  zu  wähnen,  daß  man  w  ohl 

Es  habe  fordern  dürfen.    Blicke  freudig! 

Es  ist  so  groß,  so  weit,  was  \or  dir  liegt; 

Und  hofthun-'S\c)lle  Juirend  lockt  dich  w ieder 

In  unbekannte,  lichte  Zukunft  hin. 

—  Schwelle  Brust!  —  O  Witterung  des  Glücks, 

Begünst'ge  diese  Pflanze  doch  einmal! 

Sie  strebt  gen  Himmel,  tausend  Zweige  dringen 

Aus  ihr  hervor,  entfalten  sich  zu  Blüten. 

O  daß  sie  Frucht,  o  daß  sie  Freuden  bringe! 

Daß  eine  liebe  Hand  den  goldnen  Schmuck 

Aus  ihren  frischen,  reichen  Asten  breche! 


41 


DRITTER  AUFTRITT 
TASSO  •  ANTONIO 

TASSO 

Sei  mir  willkommen,  den  ich  gleichsam  jetzt 
Zum  erstenmal  erblicke!   Schöner  ward 
Kein  Mann  mir  angekündigt.   Sei  willkommen! 
Dich  kenn'  ich  nun  und  deinen  ganzen  Wert; 
Dir  biet'  ich  ohne  Zögern  Herz  und  Hand, 
Und  hoffe,  daß  auch  du  mich  nicht  verschmähst. 

ANTONIO 

Freigebig  bietest  du  mir  schöne  Gaben, 
Und  ihren  Wert  erkenn'  ich,  wie  ich  soll: 
Drum  laß  mich  zögern,  eh'  ich  sie  ergreife. 
Weiß  ich  doch  nicht,  ob  ich  dir  auch  dagegen 
Ein  Gleiches  g-eben  kann.    Ich  möchte  Qrern 
Nicht  übereilt  und  nicht  undankbar  scheinen: 
Laß  mich  für  beide  klug  und  sorgsam  sein! 

TASSO 

Wer  wird  die  Klugheit  tadeln?  Jeder  Schritt 
Des  Lebens  zeigt,  wie  sehr  sie  nötig  sei; 
Doch  schöner  ist's,  wenn  uns  die  Seele  sagt, 
Wo  wir  der  feinen  Vorsicht  nicht  bedürfen. 

ANTONIO 

Darüber  frage  jeder  sein  Gemüt, 

Weil  er  den  Fehler  selbst  zu  büßen  hat. 

TASSO 

So  sei's!   Ich  habe  meine  Pflicht  getan; 
Der  Fürstin  Wort,  die  uns  zu  Freunden  wünscht, 
Hab'  ich  verehrt  und  mich  dir  vorgestellt. 
Rückhalten  dürft'  ich  nicht,  Antonio;  doch  gewiß, 

42 


Zudringen  will  ich  nicht.   Es  mag  denn  sein. 
Zeit  und  Bekanntschaft  heilien  dich  vielleicht 
Die  Gabe  wärmer  fordern,  die  du  jetzt 
So  kalt  beiseite  lehnst  und  fast  verschmähst. 

ANTONIO 

Der  Mäloige  w  ird  öfters  kalt  genannt 

Von  Menschen,  die  sich  warm  vor  andern  glauben, 

Weil  sie  die  Hitze  flicii^end  überfällt. 

TASSO 
Du  tadelst,  was  ich  tadle,  was  ich  meide. 
Auch  ich  verstehe  wohl,  so  jung  ich  bin. 
Der  Heftigkeit  die  Dauer  vorzuziehn. 

ANTONIO 
Sehr  weislich!    Bleibe  stets  auf  diesem  Sinne! 

TASS(J 
I  )u  bist  berechtigt,  mir  zu  raten,  mich 
Zu  warnen;  denn  es  steht  Iirfahrunsj  dir 
Als  lang  erprobte  Freundin  an  tler  Seite. 
Doch  glaube  nur,  es  horcht  ein  stilles  Herz 
Auf  jedes  Tages,  jeder  Stunde  Warnung, 
Und  übt  sich  insgeheim  an  jedem  Guten, 
Das  deine  Strenije  neu  zu  lehren  'daubt. 

ANTONIO 

Es  ist  wohl  angenehm,  sich  mit  sich  selbst 
Beschäft'gen,  wenn  es  nur  so  nützlich  wäre. 
Inwendiij  lernt  kein  Mensch  sein  Innerstes 
Erkennen;  denn  er  mißt  nach  eignem  Maß 
Sich  bald  zu  klein  und  leider  oft  zu  groß. 
Der  Mensch  erkennt  sich  nur  im  Menschen,  nur 
Das  Leben  lehret  jedem,  was  er  sei. 

TASSO 
Mit  Beifall  und  \'erehrung  hör'  ich  dich. 


43 


ANTONIO 

Und  dennoch  denkst  du  wohl  bei  diesen  Worten 
Ganz  etwas  andres,  als  ich  sagen  will. 

TASSO 

Auf  diese  Weise  rücken  wir  nicht  näher. 

Es  ist  nicht  klug,  es  ist  nicht  wohlgetan, 

Vorsätzlich  einen  Menschen  zu  verkennen, 

Er  sei  auch,  wer  er  sei.    Der  Fürstin  Wort 

Bedurft'  es  kaum,  leicht  hab'  ich  dich  erkannt: 

Ich  weiß,  daß  du  das  Gute  willst  und  schaffst. 

Dein  eigen  Schicksal  läßt  dich  unbesorgt; 

An  andre  denkst  du,  andern  stehst  du  bei. 

Und  auf  des  Lebens  leicht  bewegter  Woge 

Bleibt  dir  ein  stetes  Herz.   So  seh'  ich  dich. 

Und  was  war'  ich,  ging'  ich  dir  nicht  entgegen? 

Sucht'  ich  begierig  nicht  auch  einen  Teil 

An  dem  verschloßnen  Schatz,  den  du  bewahrst? 

Ich  weiß,  es  reut  dich  nicht,  wenn  du  dich  öffnest; 

Ich  weiß,  du  bist  mein  Freund,  wenn  du  mich  kennst: 

Und  eines  solchen  Freunds  bedurft'  ich  lange. 

Ich  schäme  mich  der  Unerfahrenheit 

Und  meiner  Jugend  nicht.   Still  ruhet  noch 

Der  Zukunft  goldne  Wolke  mir  ums  Haupt. 

O  nimm  mich,  edler  Mann,  an  deine  Brust, 

Und  weihe  mich,  den  Raschen,  Unerfahrnen, 

Zum  mäßioren  Gebrauch  des  Lebens  ein. 

o 

ANTONIO 

In  Einem  Augenblicke  forderst  du. 

Was  wohlbedächtig  nur  die  Zeit  gewährt. 

TASSO 

In  Einem  Augenblick  gewährt  die  Liebe, 
Was  Mühe  kaum  in  langer  Zeit  erreicht. 
Ich  bitt'  es  nicht  von  dir,  ich  darf  es  fordern: 
Dich  ruf  ich  in  der  Tugend  Namen  auf, 

44 


Die  gute  Menschen  zu  verbinden  eifert. 

Und  soll  ich  dir  noch  einen  Xamen  nennen? 

Die  Fürstin  hofft's,  sie  vviirs  —  Eleonore, 

Sie  will  mich  zu  dir  führen,  dich  zu  mir. 

O  lafi  uns  ihrem  Wunsch  ent;/^et^en<:ehn! 

Lalo  uns  \erlninden  vor  die  Göttin  treten, 

Ihr  unsern  Dienst,  die  ganze  Seele  bieten. 

Vereint  für  sie  das  Würdigste  zu  tun. 

Noch  einmal!  —  Hier  ist  meine  Hand!    Schla<:'  ein! 

Tritt  nicht  zurück  und  weigre  dich  nicht  länger, 

O  edler  Mann,  und  gcinne  mir  die  Wollust, 

Die  schönste  guter  Menschen,  sich  dem  l^essern 

Vertrauend  ohne  Rückhalt  hinzu-reben! 

A\T(  )\I0 

Du  drehst  mit  vollen  Seueln!    Scheint  es  doch, 

Du  bist  gewohnt  zu  siegen,  überall 

Die  Wege  breit,  die  Pforten  weit  zu  finden. 

Ich  gönne  jeden  Wert  und  jetles  Cilück 

Dir  gern;  allein  ich  sehe  nur  zu  sehr, 

W  ir  slehn  zu  weit  noch  \oneinander  ab. 

TASSO 

Hs  sei  an  Jahren,  an  geprüftem  Wert; 

An  frohem  Mut  und  Willen  weich'  ich  keinem. 

ANTONIO 

Der  W  ille  lockt  die  Taten  nicht  herbei; 
Der  Mut  stellt  sich  die  W'e<'e  kürzer  vor. 
Wer  an''^elaniift  am  Ziel  ist,  wird  «jekrönt, 
Und  oft  entbehrt  ein  Würd'ger  eine  Krone. 
Doch  gibt  es  leichte  Kränze,  Kränze  gibt  es 
\^on  sehr  verschiedner  Art:  sie  lassen  sich 
Oft  im  Spazierengehn  bequem  erreichen. 

TASSO 
W'as  eine  Gottheit  diesem  frei  gewährt 


45 


Und  jenem  streng  versagt,  ein  solches  Gut 
Erreicht  nicht  jeder,  wie  er  will  und  mag. 

ANTONIO 

Schreib'  es  dem  Glück  vor  andern  Göttern  zu, 
So  hör'  ich's  gern,  denn  seine  Wahl  ist  blind. 

TASSO 

Auch  die  Gerechtigkeit  trägt  eine  Binde, 
Und  schließt  die  Augen  jedem  Blendwerk  zu. 

ANTONIO 

Das  Glück  erhebe  billig  der  Beglückte! 
Er  dicht'  ihm  hundert  Augen  fürs  Verdienst 
Und  kluge  Wahl  und  strenge  Sorgfalt  an. 
Nenn'  es  Minerva,  nenn'  es,  wie  er  will, 
Er  halte  gnädiges  Geschenk  für  Lohn, 
Zufäll'gen  Putz  für  wohlverdienten  Schmuck. 

TASSO 

Du  brauchst  nicht  deutlicher  zu  sein.    Es  ist  renug". 
Ich  blicke  tief  dir  in  das  Herz  und  kenne 
Fürs  ganze  Leben  dich.    O  kennte  so 
Dich  meine  Fürstin  auch!  Verschwende  nicht 
Die  Pfeile  deiner  Augen,  deiner  Zunge! 
Du  richtest  sie  vergebens  nach  dem  Kranze, 
Dem  unverwelklichen,  auf  meinem  Haupt. 
Sei  erst  so  grof5,  mir  ihn  nicht  zu  beneiden! 
Dann  darfst  du  mir  vielleicht  ihn  streitig  machen. 
Ich  acht'  ihn  heiliij  und  das  höchste  Gut. 
Doch  zeige  mir  den  Mann,  der  das  erreicht, 
Wonach  ich  strebe,  zeige  mir  den  Helden, 
Von  dem  mir  die  Geschichten  nur  erzählten; 
Den  Dichter  stell'  mir  vor,  der  sich  Homeren, 
Virgilen  sich  vergleichen  darf,  ja,  was 
Noch  mehr  sfesatTt  ist,  zeisfe  mir  den  Mann, 
Der  dreifach  diesen  Lohn  verdiente,  den 

46 


Die  schöne  Krone  dreifach  mehr  als  mich 
Beschämte:  dann  sollst  du  mich  knieend  sehn 
Vor  jener  Gottheit,  die  mich  so  begabte; 
Nicht  eher  stund'  ich  auf,  bis  sie  die  Zierde 
\'on  meinem  I  laupt  auf  seins  hinüberdrückte. 

ANTONIO 
Bis  dahin  bleibst  du  freilich  ihrer  wert. 

TASSO 

Man  wäge  mich,  das  w  ill  ich  nicht  vermeiden; 
Allein  Verachtung  hab'  ich  nicht  verdient. 
Die  Krone,  der  mein  Fürst  mich  würdig  achtete, 
Die  meiner  Fürstin  Hand  für  mich  gewunden, 
Soll  keiner  mir  bezweifeln  noch  begrinsen! 

ANTONIO 

Ks  ziemt  der  hohe  Ton,  die  rasche  (ilut 
Nicht  dir  zu  mir,  noch  dir  an  diesem  Orte. 

T.X.SSO 

Was  du  dir  hier  erlaubst,  das  ziemt  auch  mir. 
Und  ist  die  Wahrheit  wohl  von  hier  verbannt? 
Ist  im  Palast  der  freie  Geist  gekerkert? 
Hat  hier  ein  edler  Mensch  nur  Druck  zu  dulden? 
Mich  dünkt,  hier  ist  die  Hoheit  erst  an  ihrem  Platz, 
Der  Seele  Hoheit!   Darf  sie  sich  der  Nähe 
Der  Großen  dieser  Erde  nicht  erfreun? 
Sie  darfs  und  soll's.    Wir  nahen  uns  dem  Fürsten 
Durch  Adel  nur,  der  uns  von  Vätern  kam; 
Warum  nicht  durch's  Gemüt,  das  die  Natur 
Nicht  jedem  groß  verlieh,  wie  sie  nicht  jedem 
Die  Reihe  großer  Ahnherrn  geben  konnte. 
Nur  Kleinheit  sollte  hier  sich  ängstlich  fühlen. 
Der  Neid,  der  sich  zu  seiner  Schande  zeigt: 
Wie  keiner  Spinne  schmutziges  Gewebe 
An  diesen  Marmonvänden  haften  soll. 


47 


ANTONIO 

Du  zeigst  mir  selbst  mein  Recht,  dich  zu  verschmähn! 
Der  übereilte  Knabe  will  des  Manns 
Vertraun  und  Freundschaft  mit  Gewalt  ertrotzen? 
Unsittlich,  wie  du  bist,  hältst  du  dich  gut? 

TASSO 

Viel  lieber,  was  ihr  euch  unsittlich  nennt. 
Als  was  ich  mir  unedel  nennen  müßte. 

ANTONIO 

Du  bist  noch  jung  genug,  daß  gute  Zucht 
Dich  eines  bessern  Wegs  belehren  kann. 

TASSO 

Nicht  jung  genug,  vor  Götzen  mich  zu  neigen. 
Und,  Trotz  mit  Trotz  zu  bänd'gen,  alt  genug. 

ANTONIO 

Wo  Lippenspiel  und  Saitenspiel  entscheiden. 
Ziehst  du  als  Held  und  Sieger  wohl  davon. 

TASSO 

Verwegen  war'  es,  meine  Faust  zu  rühmen; 
Denn  sie  hat  nichts  getan;  doch  ich  vertrau'  ihr. 

ANTONIO 

Du  traust  auf  Schonung,  die  dich  nur  zu  sehr 
Im  frechen  Laufe  deines  Glücks  verzog. 

TASSO 

Daß  ich  erwachsen  bin,  das  fühl'  ich  nun. 
Mit  dir  am  wenigsten  hätt'  ich  gewünscht. 
Das  Wagespiel  der  Waffen  zu  versuchen; 
Allein  du  schürest  Glut  auf  Glut,  es  kocht 
Das  innre  Mark,  die  schmerzliche  Begier 

48 


Der  Rache  siedet  schäumend  in  der  Brust. 

Bist  du  der  Mann,  der  du  dich  rühmst,  so  steh  mir! 

ANIONIU 
Du  weißt  so  wenig,  wer,  als  wo  du  bist. 

TASSO 

Kein  I  leiligtum  heißt  uns  den  Schimpf  ertragen. 

Du  lästerst,  du  entweihest  diesen  Ort, 

Nicht  ich,  der  ich  \'ertraun,  Verehrung,  Liebe, 

Das  schönste  Upfer,  dir  entgegentrug. 

Dein  Geist  vcrunreint  dieses  I^aradies, 

Und  deine  Worte  diesen  reinen  Saal, 

Nicht  meines  Herzens  schwellendes  Gefühl, 

Das  braust,  den  kleinsten  Flecken  nicht  zu  leiden. 

ANTONIO 
\\  eich  hoher  Geist  in  einer  engen  Brust! 

l'ASSO 
Hier  ist  noch  Raum,  dem  Busen  Luft  zu  machen. 

ANTONIO 
Es  macht  das  Volk  sich  auch  mit  Worten  Luft. 

TASSO 
Bist  du  ein  Edelmann  w  ie  ich,  so  zeig'  es! 

ANTONK ) 
Ich  bin  es  wohl;  doch  weiß  ich,  wo  ich  bin. 

T  ASS( ) 
Komm  mit  herab,  wo  unsre  Waffen  gelten! 

ANTONIO 
Wie  du  nicht  fordern  solltest,  folg'  ich  nicht. 


49 


TASSO 
Der  Feigheit  ist  solch  Hindernis  willkommen. 

ANTONIO 
Der  Feige  droht  nur,  wo  er  sicher  ist. 

TASSO 
Mit  Freuden  kann  ich  diesem  Schutz  entsagen. 

ANTONIO 

Vergib  dir  nur,  dem  Ort  vergibst  du  nichts. 

TASSO 

\^erzeihe  mir  der  Ort,  daß  ich  es  litt. 

Er  ziel'.t  den  Degen 
Zieh  oder  folge,  wenn  ich  nicht  auf  ewig, 
Wie  ich  dich  hasse,  dich  verachten  soll! 


VIERTER  AUFTRITT 
ALFONS  •  ANTONIO  •  TASSO 

ALFONS 
In  welchem  Streit  treft"'  ich  euch  unerwartet? 

ANTONIO 

Du  findest  mich,  o  Fürst,  gelassen  stehn 
Vor  Einem,  den  die  Wut  ergriffen  hat. 

TASSO 

Ich  bete  dich  als  eine  Gottheit  an, 

Daß  du  mit  Einem  Blick  mich  ^\'arnend  bändigst. 


50 


ALFOXS 

Erzähl',  Antonio,  Tasso,  sag'  mir  an. 

Wie  hat  der  Zwist  sich  in  mein  Maus  üctlrunsren? 

Wie  hat  er  euch  ergriffen,  von  der  Bahn 

Der  Sitten,  der  Gesetze  kluge  Männer 

Tni  Taumel  weggerissen?    Ich  erstaune. 

TASSü 

Du  kennst  uns  beide  nicht,  ich  glaub'  es  wohl. 

Hier  dieser  Mann,  berühmt  als  klug  und  sittlich. 

Hat  roh  und  hämisch,  u  ie  ein  unerzogner, 

Unedler  Mensch,  sich  uCL'^en  mich  betra''cn. 

Zutraulich  naht'  ich  ihm,  er  stiefo  mich  weg; 

Beharrlich  liebend  drang  ich  mich  zu  ihm. 

Und  bitter,  immer  bittrer  ruht'  er  nicht, 

Bis  er  den  reinsten  Tropfen  Bluts  in  mir 

Zu  Galle  wandelte.    Verzeih!    Du  hast  mich  hier 

Als  einen  Wütenden  getroffen.    Dieser 

Hat  alle  Schuld,  wenn  ich  mich  .schuldig  machte. 

Iir  hat  die  (,Iut  gewaltsam  angefacht, 

Die  mich  ergriff  und  mich  und  ihn  verletzte. 

ANTÜMO 

Ihn  riß  der  hohe  Dichterschwun«^  hinwe<r! 
Du  hast,  o  Fürst,  zuerst  mich  angeredet. 
Hast  mich  gefragt:  es  sei  mir  nun  erlaubt. 
Nach  diesem  raschen  Redner  auch  zu  sprechen. 

TASSO 

O  ja,  erzähl',  erzähl'  \  on  W  ort  zu  \\  ort! 

Und  kannst  du  jede  .Silbe,  jede  Miene 

Vor  diesen  Richter  stellen,  wag'  es  nur! 

Beleidi<7e  dich  selbst  zum  zweiten  Male, 

Und  zeuiie  wider  dich!    Dasjeoen  will 

Ich  keinen  Hauch  und  keinen  Pulsschlag  leugnen. 

ANTONIO 
Wenn  du  noch  mehr  zu  reden  hast,  so  sprich; 


51 


Wo  nicht,  so  schweig'  und  unterbrich  mich  nicht. 
Ob  ich,  mein  Fürst,  ob  dieser  heiße  Kopf 
Den  Streit  zuerst  begonnen?  wer  es  sei. 
Der  Unrecht  hat?  ist  eine  weite  Frage, 
Die  wohl  zuvörderst  noch  auf  sich  beruht. 

TASSO 

Wie  das?   Mich  dünkt,  das  ist  die  erste  Frage: 
Wer  von  uns  beiden  Recht  und  Unrecht  hat. 

ANTONIO 

Nicht  ganz,  wie  sich's  der  unbegrenzte  Sinn 
Gedenken  mag. 

ALFONS 

Antonio! 

ANTONIO 

Gnädigster, 
Ich  ehre  deinen  Wink,  doch  laß  ihn  schweigen! 
Hab'  ich  gesprochen,  mag  er  weiter  reden; 
Du  wirst  entscheiden.    Also  sag'  ich  nur: 
Ich  kann  mit  ihm  nicht  rechten,  kann  ihn  weder 
Verklagen,  noch  mich  selbst  verteid'gen,  noch 
Ihm  jetzt  genug  zu  tun  mich  anerbieten. 
Denn,  wie  er  steht,  ist  er  kein  freier  Mann. 
Es  waltet  über  ihm  ein  schwer  Gesetz, 
Das  deine  Gnade  höchstens  lindern  wird. 
Er  hat  mir  hier  gedroht,  hat  mich  gefordert; 
Vor  dir  verbarg  er  kaum  das  nackte  Schwert. 
Und  tratst  du,  Herr,  nicht  zwischen  uns  herein. 
So  stünde  jetzt  auch  ich  als  pflichtvergessen, 
Mitschuldig  und  beschämt  vor  deinem  Blick. 

ALFONS 
zu  Tasso 
Du  hast  nicht  wohlgetan. 

52 


TASSO 

Mich  spricht,  o  Herr, 
Mein  eigen  I  lerz,  gewilo  auch  deines  frei. 
Ja,  es  ist  wahr,  ich  drohte,  forderte. 
Ich  zog.    Allein  wie  tückisch  seine  Zunge 
Mit  wohlgewählten  Worten  mich  \erletzt. 
Wie  scharf  und  schnell  sein  Zahn  das  feine  Gift 
Mir  in  das  Blut  getlölit,  wie  er  das  I'ieber 
Nur  mehr  und  mehr  erhitzt  —  du  denkst  es  nicht! 
Gelassen,  kalt,  hat  er  mich  ausgehalten, 
Aufs  Höchste  mich  getrieben.    (J!  du  kennst, 
Du  kennst  ihn  nicht  und  wirst  ihn  niemals  kennen! 
Ich  trusj  ihm  warm  die  schönste  Treuiidschaft  an  - 
Er  warf  mir  meine  Gaben  vor  die  Fülie; 
Und  hätte  meine  Seele  nicht  geglüht, 
So  war  sie  deiner  Gnade,  deines  Dienstes 
Auf  ewig  unwert.    I  lab'  ich  des  Gesetzes 
Und  dieses  Orts  vergessen,  so  verzeih. 
Auf  keinem  Boden  darf  ich  niedrig  sein, 
ErniedrijTuntj;  auf  keinem  Boden  dulden. 
Wenn  dieses  Herz,  es  sei  auch,  wo  es  will, 
Dir  fehlt  und  sich,  dann  strafe,  dann  \erstol5e. 
Und  lal')  mich  nie  dein  Auge  wiedersehn! 

ANT(3NI(:) 

Wie  leicht  der  Jüngling  schw  ere  Lasten  trägt, 

Und  Fehler  wie  den  Staub  vom  Kleide  .schüttelt! 

Es  wäre  zu  \er\\ undern,  wenn  die  Zauberkraft 

Der  Dichtung  nicht  bekannter  w  äre,  die 

Mit  dem  l'nmöglichen  so  gern  ihr  Spiel 

Zu  treiben  liebt    Üb  du  auch  so,  mein  Fürst, 

Ob  alle  deine  Diener  diese  Tat 

So  unbedeutend  halten,  zweifl'  ich  fast 

Die  Majestät  \erbreitet  ihren  Schutz 

Auf  jeden,  der  sich  ihr  wie  einer  Gottheit 

Und  ihrer  unxerletzten  Wohnung  naht 

Wie  an  dem  Fufie  des  .\ltirs,  bezähmt 


53 


Sich  auf  der  Schwelle  jede  Leidenschaft. 

Da  blinkt  kein  Schwert,  da  fällt  kein  drohend  Wort, 

Da  fordert  selbst  Beleid'gung  keine  Rache. 

Es  bleibt  das  weite  Feld  ein  offner  Raum 

Für  Grimm  und  Unversöhnlichkeit  genug: 

Dort  wird  kein  Feiger  dröhn,  kein  Mann  wird  fliehn. 

Hier  diese  Mauern  haben  deine  Väter 

Auf  Sicherheit  orerrründet,  ihrer  Würde 

Ein  Heiligtum  befestigt,  diese  Ruhe 

Mit  schweren  Strafen  ernst  und  klug  erhalten; 

Verbannung,  Kerker,  Tod  ergriff  den  Schuldigen. 

Da  war  kein  Ansehn  der  Person,  es  hielt 

Die  Milde  nicht  den  Arm  des  Rechts  zurück; 

Und  selbst  der  Frevler  fühlte  sich  geschreckt. 

Nun  sehen  wir  nach  langem,  schönem  Frieden 

In  das  Gebiet  der  Sitten  rohe  Wut 

Im  Taumel  ^viederkehren.    Herr,  entscheide, 

Bestrafe!  denn  wer  kann  in  seiner  Pflicht 

Beschränkten  Grenzen  wandeln,  schützet  ihn 

Nicht  das  Gesetz  und  seines  Fürsten  Kraft? 

ALFONS 

Mehr,  als  ihr  beide  sagt  und  sagen  könnt. 

Läßt  unparteiisch  das  Gemüt  mich  hören. 

Ihr  hättet  schöner  eure  Pflicht  getan. 

Wenn  ich  dies  Urteil  nicht  zu  sprechen  hätte, 

Denn  hier  sind  Recht  und  Unrecht  nah  verwandt. 

Wenn  dich  Antonio  beleidigt  hat. 

So  hat  er  dir  auf  irgendeine  Weise 

Genug  zu  tun,  wie  du  es  fordern  wirst. 

Mir  war'  es  lieb,  ihr  A\ähltet  mich  zum  Austrag. 

Indessen  dein  Vergehen  macht,  o  Tasso, 

Dich  zum  Gefangnen.    Wie  ich  dir  vergebe, 

So  lindr'  ich  das  Gesetz  um  deinetwillen. 

Verlaß  uns,  Tasso!  bleib  auf  deinem  Zimmer, 

Von  dir  und  mit  dir  selbst  allein  bewacht! 

TASSO 
Ist  dies,  o  Fürst,  dein  richterlicher  Spruch? 

54 


ANT(JNIO 
Erkennest  du  des  Vaters  Milde  nicht? 

TASSÜ 
zu  Antonio 
Mit  dir  hab'  ich  vorerst  nichts  mehr  zu  reden. 

7.\\  Alfons 

O  Fürst,  es  übergnbt  dein  ernstes  Wort 

Mich  Freien  der  Gefantjenschaft.    Es  sei! 

Du  h"ihst  CS  Recht.    Dein  hcilij^^  Wort  \crchrend, 

Heil')'  ich  mein  innres  Herz  im  tiefsten  schweifen. 

Es  ist  mir  neu,  so  neu,  daI5  ich  fast  dich 

Und  mich  und  diesen  schönen  Ort  nicht  kenne. 

Doch  diesen  kenn'  ich  wohl!  —  Gehorchen  will  ich. 

Ob  ich  (gleich  hier  noch  manches  sas^en  könnte. 

Und  sas^^en  sollte.    Mir  \  crstummt  die  Lippe. 

War's  ein  Verbrechen.^  Wenij^stens  es  .scheint, 

Ich  bin  als  ein  \ 'erbrecher  an'ifesehn. 

Und,  was  mein  Herz  auch  .sayi,  ich  bin  gefanj^en. 

ALFOX.S 
Du  nimmst  es  höher,  Tasso,  als  ich  selbst. 

r.vs.so 

Mir  bleibt  es  unbegreiflich,  wie  es  ist; 
Zwar  unbegreiflich  nicht,  ich  bin  kein  Kind; 
Ich  meine  fast,  ich  mülot'  es  denken  kiinnen. 
Auf  einmal  w  inkt  mich  eine  Klarheit  an, 
Doch  augenblicklich  schliel5t  sich's  wieder  zu! 
Ich  höre  nur  mein  Urteil,  beuge  mich. 
Das  sind  zu  viel  \'ergebne  Worte  schon! 
Gewöhne  dich  von  nun  an,  zu  gehorchen, 
Ohnmächt'ger!  du  vergal'iest,  wo  du  standst; 
Der  Götter  Saal  schien  dir  auf  gleicher  Erde, 
Nun  überwältigt  dich  der  jähe  Fall. 
Gehorche  gern,  denn  es  geziemt  dem  Manne, 


55 


Auch  willig  das  Beschwerliche  zu  tun. 

Hier  nimm  den  Degen  erst,  den  du  mir  gabst, 

Als  ich  dem  Kardinal  nach  Frankreich  folgte; 

Ich  führt'  ihn  nicht  mit  Ruhm,  doch  nicht  mit  Schande. 

Auch  heute  nicht.    Der  hoffnungsvollen  Gabe 

Entäußr'  ich  mich  mit  tief  gerührtem  Herzen. 

ALFONS 
Wie  ich  zu  dir  gesinnt  bin,  fühlst  du  nicht. 

TASSO 

Gehorchen  ist  mein  Los,  und  nicht,  zu  denken! 

Und  leider  eines  herrlichem  Geschenks 

Verleuenune  fordert  das  Geschick  von  mir. 

Die  Krone  kleidet  den  Gefangnen  nicht: 

Ich  nehme  selbst  von  meinem  Haupt  die  Zierde, 

Die  für  die  E\vigkeit  gegönnt  mir  schien. 

Zu  früh  war  mir  das  schönste  Glück  verliehen. 

Und  wird,  als  hätt'  ich  sein  mich  überhoben. 

Mir  nur  zu  bald  geraubt. 

Du  nimmst  dir  selbst,  was  keiner  nehmen  konnte. 

Und  was  kein  Gott  zum  zweiten  Male  gibt. 

Wir  Menschen  werden  wunderbar  geprüft; 

Wir  könnten's  nicht  ertragen,  hätt'  uns  nicht 

Den  holden  Leichtsinn  die  Natur  verliehn. 

Mit  unschätzbaren  Gütern  lehret  uns 

Verschwenderisch  die  Not  gelassen  spielen: 

Wir  öffnen  willig  unsre  Hände,  daß 

Unwiederbringlich  uns  ein  Gut  entschlüpfe.  — 

Mit  diesem  Kuß  vereint  sich  eine  Träne, 

Und  weiht  dich  der  Vergänglichkeit!    Es  ist 

Erlaubt,  das  holde  Zeichen  unsrer  Schwäche. 

Wer  weinte  nicht,  wenn  das  Unsterbliche 

Vor  der  Zerstörung-  selbst  nicht  sicher  ist? 

Geselle  dich  zu  diesem  Degen,  der 

Dich  leider  nicht  erwarb;  um  ihn  geschlungen, 

Ruhe,  wie  auf  dem  Sarg  der  Tapfern,  auf 

56 


Dem  Grabe  meines  Glücks  und  meiner  Hoffnung! 
Hier  leg'  ich  beide  willig  dir  zu  Füßen: 
Denn  wer  ist  wohl  gewaffnet,  wenn  du  zürnst? 
Und  wer  geschmückt,  o  Herr,  den  du  verkennst? 
Gefangen  geh'  ich,  warte  des  Gerichts. 

Auf  des  Fürsten  Wink  hebt  ein  Paije  den  Degen  mit  dem  Kranze 

auf  und  tragt  ihn  weg 


FÜNFTER  AUFTRITT 
ALFONS  •  ANTC  )\IO 


ANTONIO 

Wo  schwämit  der  Knabe  hin?   Mit  welchen  Farben 

Malt  er  sich  seinen  Wert  und  sein  Geschick? 

Beschränkt  und  unerfahren,  hält  die  Jugend 

Sich  für  ein  einzig  auscrwähltcs  Wesen, 

Und  alles  über  alle  sich  erlaubt. 

Er  fühle  sich  gestraft,  und  strafen  heißt 

Dem  Jüngling  wohltun,  daß  der  Mann  uns  danke. 

ALFONS 
Er  ist  gestraft!  ich  fürchte:  nur  zu  \iel. 

ANTONIO 

Wenn  du  gelind  mit  ihm  verfahren  magst. 
So  gib,  o  Fürst,  ihm  seine  Freiheit  w  ieder, 
Und  unsem  Zwist  entscheide  dann  das  Schwert! 

ALFONS 

Wenn  es  die  Meinung  fordert,  mag  es  sein. 
Doch  sprich,  wie  hast  du  seinen  Zorn  gereizt? 


57 


ANTONIO 

Ich  wüßte  kaum  zu  sagen,  wie's  geschah. 
Als  Menschen  hab'  ich  ihn  vielleicht  gekränkt, 
Als  Edelmann  hab'  ich  ihn  nicht  beleidigt; 
Und  seinen  Lippen  ist  im  größten  Zorne 
Kein  sittenloses  Wort  entfiohn. 

ALFONS 

So  schien 
Mir  euer  Streit,  und  was  ich  gleich  gedacht. 
Bekräftigt  deine  Rede  mir  noch  mehr. 
Wenn  Männer  sich  entzweien,  hält  man  billig 
Den  Klügsten  für  den  Schuldigen.   Du  solltest 
Mit  ihm  nicht  zürnen;  ihn  zu  leiten,  stünde 
Dir  besser  an.    Noch  immer  ist  es  Zeit; 
Hier  ist  kein  Fall,  der  euch  zu  streiten  zwänge. 
Solang  mir  Friede  bleibt,  so  lange  wünsch'  ich 
In  meinem  Haus  ihn  zu  genießen.    Stelle 
Die  Ruhe  wieder  her  —  du  kannst  es  leicht. 
Lenore  Sanvitale  mag  ihn  erst 
Mit  zarter  Lippe  zu  besänft'gen  suchen; 
Dann  tritt  zu  ihm,  gib  ihm  in  meinem  Namen 
Die  volle  Freiheit  wieder,  und  gewinne 
Mit  edlen,  wahren  Worten  sein  Vertraun! 
Verrichte  das,  sobald  du  immer  kannst: 
Du  wirst  als  Freund  und  Vater  mit  ihm  sprechen. 
Noch  eh'  wir  scheiden,  will  ich  Friede  wissen. 
Und  dir  ist  nichts  unmöglich,  wenn  du  willst. 
Wir  bleiben  lieber  eine  Stunde  länger. 
Und  lassen  dann  die  Frauen  sanft  vollenden. 
Was  du  begannst;  und  kehren  wir  zurück. 
So  haben  sie  von  diesem  raschen  Eindruck 
Die  letzte  Spur  vertilgt.  _  Es  scheint,  Antonio, 
Du  willst  nicht  aus  der  Übung  kommen!    Du 
Hast  ein  Geschäft  kaum  erst  vollendet,  nun 
Kehrst  du  zurück  und  schaffst  dir  gleich  ein  neues. 
Ich  hoffe,  daß  auch  dieses  dir  gelingt. 

58 


ANTONIO 

Ich  bin  beschämt,  und  seh'  in  deinen  Worten 
Wie  in  dem  klarsten  Spiegel  meine  vSchuld! 
Gar  leicht  gehorcht  man  einem  edlen  Herrn, 
Der  überzeugt,  indem  er  uns  gebietet. 


59 


DRITTE  R    AUFZUG 


ERSTER  AUFTRITT 

PRINZESSIN 

allein 

U  bleibt  Eleonore?   Schmerzlicher 
Bewegt  mir  jeden  Augenblick  die  Sorge 
Das  tiefste  Herz.    Kaum  weiß  ich,  was  geschah; 
Kaum  weiß  ich,  wer  von  beiden  schuldig  ist. 
O  daß  sie  käme!    Möcht'  ich  doch  nicht  gern 
Den  Bruder  nicht,  Antonio  nicht  sprechen. 
Eh'  ich  gefaßter  bin,  eh'  ich  vernommen, 
Wie  alles  steht  und  was  es  werden  kann. 


Wi 


ZWEITER  AUFTRITT 
PRINZESSIN  •  LEONORE 

PRINZESSIN 

Was  bringst  du,  Leonore?   Sag'  mir  an; 

Wie  steht's  um  unsre  Freunde?   Was  geschah? 

LEONORE 

Mehr,  als  wir  wissen,  hab'  ich  nicht  erfahren. 
Sie  trafen  hart  zusammen,  Tasso  zog. 
Dein  Bruder  trennte  sie:  allein  es  scheint. 
Als  habe  Tasso  diesen  Streit  begonnen. 
Antonio  geht  frei  umher  und  spricht 
Mit  seinem  Fürsten;  Tasso  bleibt  dagegen 
Verbannt  in  seinem  Zimmer  und  allein. 

60 


PRINZESSIN 

Gewifl)  hat  ihn  Antonio  wreizt. 

Den  Hochg^cstininiten  kalt  und  fremd  beleidigt. 

LRONORE 

Ich  glaub'  es  selbst.    Denn  eine  Wolke  stand, 
Schon  als  er  zu  ihm  trat,  um  seine  Stirn. 

VRIS/AISSIN 

Ach,  dal')  wir  doch  dem  reinen,  stillen  Wink 

Des  Herzens  nachzui^^ehn  so  sehr  verlernen! 

Ganz  leise  spricht  ein  Gott  in  unsrer  Brust, 

Ganz  leise,  ganz  vernehmlich,  zeigt  uns  an. 

Was  zu  ergreifen  ist  und  was  zu  fliehn. 

Antonio  erschien  mir  heute  früh 

Viel  schroffer  noch  als  je,  in  sich  gezogner. 

Es  warnte  mich  mein  (^eist,  als  neben  ihn 

Sich  Tasso  stellte.    Sieh  das  Äußre  nur 

V^on  beiden  an,  das  Angesicht,  den  Ton, 

Den  Hlick,  den  Tritt!  es  widerstrebt  sich  alles; 

Sie  können  ewig  keine  Liebe  wechseln. 

Doch  überredete  die  Hoffnung  mich, 

Die  Gleisnerin:  sie  sind  \'ernünftig  beide. 

Sind  edel,  unterrichtet,  deine  Freunde; 

Und  welch  ein  Band  ist  sichrer  als  der  Guten? 

Ich  trieb  den  Jüngling  an;  er  gab  sich  ganz; 

Wie  schön,  wie  wann  er-^-ib  er  ijanz  sich  mir! 

O,  hätt'  ich  gleich  Antonio  gesprochen! 

Ich  zauderte;  es  war  nur  kurze  Zeit; 

Ich  scheute  mich,  gleich  mit  den  ersten  W^orten 

Und  dringend  ihm  den  Jüngling  zu  empfehlen; 

Verlieli  auf  Sitte  mich  und  Höflichkeit, 

Auf  den  Gebrauch  der  Welt,  der  sich  so  glatt 

Selbst  zwischen  Feinde  legt;  befürchtete 

Von  dem  geprüften  Manne  diese  Jähe 

Der  raschen  Jugend  nicht.    Es  ist  geschehn. 


6i 


Das  Übel  stand  mir  fern,  nun  ist  es  da. 
O  gib  mir  einen  Rat!   Was  ist  zu  tun? 

LEONORE 

Wie  schwer  zu  raten  sei,  das  fühlst  du  selbst 

Nach  dem,  was  du  gesagt.   Es  ist  nicht  hier 

Ein  Mißverständnis  zwischen  Gleichgestimfnten; 

Das  stellen  Worte,  ja  im  Notfall  stellen 

Es  Waffen  leicht  und  glücklich  wieder  her. 

Zwei  Männer  sind's,  ich  hab'  es  lang  gefühlt, 

Die  darum  Feinde  sind,  weil  die  Natur 

Nicht  einen  Mann  aus  ihnen  beiden  formte. 

Und  wären  sie  zu  ihrem  Vorteil  klug, 

So  würden  sie  als  Freunde  sich  verbinden; 

Dann  stünden  sie  für  einen  Mann  und  gingen 

Mit  Macht  und  Glück  und  Lust  durchs  Leben  hin. 

So  hofft'  ich  selbst;  nun  seh'  ich  wohl,  umsonst. 

Der  Zwist  von  heute,  sei  er,  wie  er  sei, 

Ist  beizulci^en;  doch  das  sichert  uns 

Nicht  für  die  Zukunft,  für  den  Morgen  nicht. 

Es  war'  am  besten,  dächt'  ich,  Tasso  reiste 

Auf  eine  Zeit  von  hier:  er  könnte  ja 

Nach  Rom,  auch  nach  Florenz  sich  wenden;  dort 

Traf  ich  in  wenig  Wochen  ihn,  und  könnte 

Auf  sein  Gemüt  als  eine  Freundin  wirken. 

Du  würdest  hier  indessen  den  Antonio, 

Der  uns  so  fremd  geworden,  dir  aufs  neue 

Und  deinen  Freunden  näher  bringen:  so 

Gewährte  das,  was  jetzt  unmöglich  scheint. 

Die  gute  Zeit  vielleicht,  die  vieles  gibt. 


PRINZESSIN 

Du  willst  dich  in  Genuß,  o  Freundin,  setzen. 
Ich  soll  entbehren:  heißt  das  billig  sein? 

LEONORE 

Entbehren  wirst  du  nichts,  als  was  du  doch 
In  diesem  Falle  nicht  genießen  könntest. 

62 


PRINZESSIN 
So  ruhig  soll  ich  einen  Freund  verbannen? 

LEOXORE 

Erhalten,  den  du  nur  zum  Schein  verbannst? 

PRINZESSIN 
Mein  Bruder  wird  ihn  nicht  mit  Willen  lassen. 

LE()N(JRE 
Wenn  er  es  sieht,  wie  wir,  so  gibt  er  nach. 

PRINZESSIN 
Es  ist  so  schwer,  im  Freunde  sich  verdammen. 

LEONORE 

l  iid  dennoch  rettest  du  den  Freund  in  dir. 

I'RINZIi.SSIN 
Ich  gebe  nicht  mein  Ja,  dalS  es  geschehe. 

LEONORE 
So  warte  noch  ein  größres  Übel  ab! 

PRINZESSIN 

Du  peinigst  mich  und  weilit  nicht,  ob  du  nützest. 

LEONORE 
Wir  werden  bald  entdecken,  wer  sich  iirt. 

PRINZESSIN 
Lind  soll  es  sein,  so  frage  mich  nicht  länger! 

lf:onore 

Wer  sich  entschließen  kann,  besiegt  den  Schmerz. 


63 


PRINZESSIN 

Entschlossen  bin  ich  nicht;  allein  es  sei, 
Wenn  er  sich  nicht  auf  lange  Zeit  entfernt!  — 
Und  laß  uns  für  ihn  sorgen,  Leonore, 
Daß  er  nicht  Mangel  etwa  künftig  leide, 
Daß  ihm  der  Herzog  seinen  Unterhalt 
Auch  in  der  Ferne  willig  reichen  lasse. 
Sprich  mit  Antonio,  denn  er  vermag 
Bei  meinem  Bruder  viel,  und  wird  den  Streit 
Nicht  unserm  Freund  und  uns  gedenken  wollen. 

LEONORE 
Ein  Wort  von  dir,  Prinzessin,  gälte  mehr. 

PRINZESSIN 

Ich  kann,  du  weißt  es,  meine  Freundin,  nicht, 
Wie's  meine  Schwester  von  Urbino  kann, 
Für  mich  und  für  die  Meinen  was  erbitten. 
Ich  lebe  gern  so  stille  vor  mich  hin, 
Und  nehme  von  dem  Bruder  dankbar  an, 
Was  er  mir  immer  tjeben  kann  und  will. 
Ich  habe  sonst  darüber  manchen  Vorwurf 
Mir  selbst  gemacht;  nun  hab'  ich  überwunden. 
Es  schalt  mich  eine  Freundin  oft  darum: 
Du  bist  uneigennützig,  sagte  sie. 
Das  ist  recht  schön;  allein  so  sehr  bist  du's, 
Daß  du  auch  das  Bedürfnis  deiner  Freunde 
Nicht  recht  empfinden  kannst.    Ich  lass'  es  gehn. 
Und  muß  denn  eben  diesen  Vorwurf  tragen. 
Um  desto  mehr  erfreut  es  mich,  daß  ich 
Nun  in  der  Tat  dem  Freunde  nützen  kann; 
Es  fällt  mir  meiner  Mutter  Erbschaft  zu. 
Und  gerne  will  ich  für  ihn  sorgen  helfen. 

LEONORE 


Und  ich,  o  Fürstin,  finde  mich  im  Falle, 
Da 

64 


Daß  ich  als  Freundin  auch  mich  zeigen  kann. 


Er  ist  kein  guter  Wirt;  wo  es  ihm  fehlt, 

Werd'  ich  ihm  schon  geschickt  zu  helfen  wissen. 

PRIXZF,SSI\ 

So  nimm  ihn  weg,  und,  soll  ich  ihn  entbehren, 
Vor  allen  andern  sei  er  dir  <';e<i"önnt! 
Ich  seh'  es  wohl,  so  wird  es  besser  sein. 
Muß  ich  denn  wieder  diesen  Schmerz  als  cfut 
Und  heilsam  preisen?    Das  war  mein  Geschick 
Von  Jugend  auf;  ich  bin  nun  dran  gewöhnt. 
Nur  halb  ist  der  X'crlust  des  schönsten  Glücks, 
Wenn  wir  auf  den  Besitz  nicht  sicher  zählten. 

LHOXORE 

Ich  hoffe,  dich  so  schön  du  es  verdienst, 
Glücklich  zu  sehn. 

PRINZESSIN 

Eleonore!  (Glücklich? 
Wer  ist  denn  glücklich?  —  Meinen  Bruder  zwar 
Möcht'  ich  so  nennen,  denn  sein  grol.k^s  Herz 
Trägt  sein  (beschick  mit  immer  gleichem  Mut; 
Allein,  was  er  verdient,  das  ward  ihm  nie. 
Ist  meine  Schwester  von  Irbino  ''lücklich? 
Das  schöne  Weib,  das  edle  grolSe  Herz! 
Sie  bringt  dem  Jüngern  Manne  keine  Kinder; 
Er  achtet  sie,  und  lälit  sie's  nicht  entgelten. 
Doch  keine  Freude  wohnt  in  ihrem  Haus. 
Was  half  denn  unsrer  Mutter  ihre  Klugheit? 
Die  Kenntnis  jeder  Art,  ihr  großer  Sinn? 
Könnt'  er  sie  vor  dem  fremden  Irrtum  schützen? 
Man  nahm  uns  \'on  ihr  \\eg:  nun  i.st  sie  tot, 
Sie  ließ  uns  Kindern  nicht  den  Trost,  daß  sie 
Mit  ihrem  Gott  versöhnt  «gestorben  sei. 

LEONÜRE 
Ü  blicke  nicht  nach  dem,  was  jedem  fehlt; 


65 


Betrachte,  was  noch  einem  jeden  bleibt! 
Was  bleibt  nicht  dir,  Prinzessin? 

PRINZESSIN 

Was  mir  bleibt? 
Geduld,  Eleonore!  üben  könnt'  ich  die 
Von  Jugend  auf.    Wenn  Freunde,  wenn  Geschwister 
Bei  Fest  und  Spiel  gesellig  sich  erfreuten. 
Hielt  Krankheit  mich  auf  meinem  Zimmer  fest, 
Und  in  Gesellschaft  mancher  Leiden  mußt' 
Ich  früh  entbehren  lernen.    Eines  war. 
Was  in  der  Einsamkeit  mich  schön  ergötzte: 
Die  Freude  des  Gesangs;  ich  unterhielt 
Mich  mit  mir  selbst,  ich  \\^iegte  Schmerz  und  Sehnsucht 
Und  jeden  Wunsch  mit  leisen  Tönen  ein. 
Da  wurde  Leiden  oft  Genuß,  und  selbst 
Das  trauriq-e  Gefühl  zur  Harmonie. 
Nicht  lauQ-  war  mir  dies  Glück  Q-ecrönnt,  auch  dieses 
Nahm  mir  der  Arzt  hinweg:  sein  streng  Gebot 
Hieß  mich  verstummen;  leben  sollt'  ich,  leiden, 
Den  einz'gen  kleinen  Trost  sollt'  ich  entbehren. 

LEONORE 

So  viele  Freunde  fanden  sich  zu  dir. 
Und  nun  bist  du  gesund,  bist  lebensfroh. 

PRINZESSIN 

Ich  bin  gesund,  das  heißt,  ich  bin  nicht  krank; 

Und  manche  Freunde  hab'  ich,  deren  Treue 

Mich  Q-lücklich  macht.    Auch  hatt'  ich  einen  Freund  — 


Du  hast  ihn  noch. 


LEONORE 

PRINZESSIN 
Lind  \\'erd'  ihn  bald  verlieren. 


Der  Augenblick,  da  ich  zuerst  ihn  sah, 
66 


War  viel  bedeutend.    Kaum  crhült'  ich  mich 

Von  manchen  Leiden;  Schmerz  und  Krankheit  waren 

Kaum  erst  gewichen;  still  bescheiden  blickt'  ich 

Ins  Leben  wieder,  freute  mich  des  Tags 

Und  der  Geschw  ister  wieder,  sog  beherzt 

Der  süßen  ILjlTnun-j  reinsten  Balsam  ein. 

Ich  wagt'  es,  vorwärts  in  das  Leben  weiter 

Hinein  zu  sehn,  untl  freundliche  Gestalten 

Be</e' nieten  mir  aus  der  I'erne.    Da, 

lileonore,  stellte  mir  den  Jüngling 

Die  Schwester  vor;  er  kam  an  ihrer  Ilantl, 

Und,  dal'>  ich  dir's  gestehe,  da  ergriff 

Ihn  mein  Gemüt  und  wird  ihn  ewig  halten. 

LRDNORH 

()  meine  lürstin,  lal'j  dich's  nicht  gereuen! 
Das  l{dle  zu  erkennen,  ist  Geu  inst. 
Der  nimmer  uns  entrissen  werden  kann. 

l'RI.\Zi:SSIN 

Zu  fürchten  ist  das  Schöne,  das  Inirtreflliche, 

W  ie  eine  !■  lamme,  die  so  herrlich  nützt. 

Solange  sie  auf  tleinem  Herde  brennt. 

Solang  sie  dir  \(jn  einer  Fackel  leuchtet. 

Wie  hold!  wer  ma-'",  wer  kann  sie  da  entbehren? 

Und  frißt  sie  ungehütet  um  sich  her, 

Wie  elend  kann  sie  machen!    Laß  mich  nun. 

Ich  bin  n:eschwätzi«',  und  \  erbärije  besser 

Auch  selbst  \t)r  dir,  wie  .schwach  ich  bin  und  krank. 

LLOXORH 

Die  Krankheit  des  Gemütes  löset  sich 

In  Klauen  und  \'ertraun  am  leichtsten  auf 

PRIXZI-SSIX 

Wenn  das  X'ertrauen  heilt,  so  heil'  ich  bald; 
Ich  hab'  es  rein  und  hab'  es  ganz  zu  dir. 


67 


Ach  meine  Freundin!    Zwar  ich  bin  entschlossen: 

Er  scheide  nur!  allein  ich  fühle  schon 

Den  langen  ausgedehnten  Schmerz  der  Tage,  wenn 

Ich  nun  entbehren  soll,  was  mich  erfreute. 

Die  Sonne  hebt  von  meinen  Autjenlidern 

Nicht  mehr  sein  schön  verklärtes  Traumbild  auf; 

Die  Hoffnung,  ihn  zu  sehen,  füllt  nicht  mehr 

Den  kaum  erwachten  Geist  mit  froher  Sehnsucht; 

Mein  erster  Blick  hinab  in  unsre  Gärten 

Sucht  ihn  vergebens  in  dem  Tau  der  Schatten. 

Wie  schön  befriedigt  fühlte  sich  der  Wunsch, 

Mit  ihm  zu  sein  an  jedem  heitern  Abend! 

Wie  mehrte  sich  im  Umranq-  das  Verlansren, 

Sich  mehr  zu  kennen,  mehr  sich  zu  verstehn! 

Und  täglich  stimmte  das  Gemüt  sich  schöner 

Zu  immer  reinem  Harmonien  auf 

Welch  eine  Dämmrung  fällt  nun  vor  mir  ein! 

Der  Sonne  Pracht,  das  fröhliche  Gefühl 

Des  hohen  Tags,  der  tausendfachen  Welt 

Glanzreiche  Gegenwart  ist  öd'  und  tief 

Im  Nebel  eingehüllt,  der  mich  umgibt. 

Sonst  war  mir  jeder  Tag  ein  ganzes  Leben; 

Die  Sorije  schwieo-,  die  AhnuuQ-  selbst  verstummte, 

Und  glücklich  eingeschiftt,  trug  uns  der  Strom 

Auf  leichten  Wellen  ohne  Ruder  hin: 

Nun  überfällt  in  trüber  Gegenwart 

Der  Zukunft  Schrecken  heimlich  meine  Brust. 


LEONORE 

Die  Zukunft  gibt  dir  deine  Freunde  wieder. 
Und  bringt  dir  neue  Freude,  neues  Glück. 

PRINZESSIN 

Was  ich  besitze,  mag  ich  gern  bewahren: 
Der  Wechsel  unterhält,  doch  nutzt  er  kaum. 
Mit  jugendlicher  Sehnsucht  griff  ich  nie 
Begierig  in  den  Lostopf  fremder  Welt, 

68 


Für  mein  bedürfend  unerfahren  Herz 

Zufälli'i-  einen  Ge<'enstind  zu  haschen. 

Ihn  mulit'  ich  ehren,  darum  liebt'  ich  ihn; 

Ich  mußt'  ihn  lieben,  weil  mit  ihm  mein  Leben 

Zum  Leben  ward,  w  ie  ich  es  nie  gekannt. 

Lrst  sajj^t'  ich  mir:  entferne  dich  \on  ihm! 

Ich  wich  und  wich,  und  kam  nur  immer  näher, 

So  lieblich  angelockt,  so  hart  bestraft! 

Ein  reines  wahres  Gut  verschwindet  mir. 

Und  meiner  Sehnsucht  schiebt  ein  böser  Geist 

St;itt  I'Veud'  und  (ilück  verwandte  Schmerzen  unter. 

LliONORH 

Wenn  einer  Freundin  Wort  nicht  trösten  kann. 
So  wird  die  stille  Kraft  der  schönen  Welt, 
Der  guten  Zeit  ilich  un\ermerkt  erquicken. 

rRI\Zl{SSl.\ 

Wohl  ist  sie  schön,  liie  W  elt!    In  ihrer  Weite 

Bewegt  sich  so  viel  Gutes  hin  und  her. 

Ach,  daß  es  immer  nur  um  einen  .Schritt 

Von  uns  sich  zu  entfernen  scheint 

l'nd  unsre  bange  Sehnsucht  durch  das  Leben 

Auch  .Schritt  vt>r  Schritt  bis  nach  dem  Grabe  lockt! 

So  selten  ist  es,  daß  die  Menschen  fmden. 

Was  ihnen  doch  bestimmt  gewesen  schien, 

So  selten,  daß  sie  das  behalten,  was 

Auch  einmal  die  be'dückte  Hand  er'rriff! 

Es  reißt  sich  los,  was  erst  sich  uns  ergab, 

\\'ir  lassen  los,  was  wir  begierig  faßten. 

Es  gibt  ein  Glück,  allein  wir  kennen's  nicht: 

Wir  kennen's  wohl,  und  wissen's  nicht  zu  schätzen. 


69 


DRITTER  AUFTRITT 

LEONORE 

allein 

Wie  jammert  mich  das  edle  schöne  Herz! 

Welch  traurig  Los,  das  ihrer  Hoheit  fällt! 

Ach  sie  verliert  —  und  denkst  du,  zu  gewinnen? 

Ist's  denn  so  nötig,  daß  er  sich  entfernt? 

Machst  du  es  nötig,  um  allein  für  dich 

Das  Herz  und  die  Talente  zu  besitzen. 

Die  du  bisher  mit  einer  andern  teilst, 

Und  ungleich  teilst?   Ist's  redlich,  so  zu  handeln? 

Bist  du  nicht  reich  Q-enuo:?    Was  fehlt  dir  noch? 

Gemahl  und  Sohn  und  Güter,  Rang  und  Schönheit: 

Das  hast  du  alles,  und  du  willst  noch  ihn 

Zu  diesem  allen  haben?    Liebst  du  ihn? 

Was  ist  es  sonst,  \\'arum  du  ihn  nicht  mehr 

Entbehren  magst?    Du  darfst  es  dir  gestehn.  — 

Wie  reizend  ist's,  in  seinem  schönen  Geiste 

Sich  selber  zu  bespiegeln!    Wird  ein  Glück 

Nicht  doppelt  groß  und  herrlich,  wenn  sein  Lied 

Uns  wie  auf  Himmelswolken  trägt  und  hebt? 

Dann  bist  du  erst  beneidenswert!    Du  bist. 

Du  hast  das  nicht  allein,  was  viele  wünschen; 

Es  weiß,  es  kennt  auch  jeder,  was  du  hast! 

Dich  nennt  dein  Vaterland  und  sieht  auf  dich: 

Das  ist  der  höchste  Gipfel  jedes  Glücks. 

Ist  Laura  denn  allein  der  Name,  der 

Von  allen  zarten  Lippen  klingen  soll? 

Lind  hatte  nur  Petrarch  allein  das  Recht, 

Die  unbekannte  Schöne  zu  vergöttern? 

Wo  ist  ein  Mann,  der  meinem  Freunde  sich 

Vergleichen  darf?   Wie  ihn  die  Welt  verehrt. 

So  wird  die  Nachwelt  ihn  verehrend  nennen. 

Wie  herrlich  ist's,  im  Glänze  dieses  Lebens 

Ihn  an  der  Seite  haben!  so  mit  ihm 

Der  Zukunft  sich  mit  leichtem  Schritte  nahn! 


70 


Alsdann  vermag  die  Zeit,  das  Alter  nichts 

Auf  dich,  und  nichts  der  freche  Ruf, 

Der  hin  und  her  des  Beifalls  \\'o<'"e  treibt: 

Das,  was  vergänglich  ist,  bewahrt  sein  Lied. 

Du  bist  noch  schon,  noch  glücklich,  wenn  schon  lange 

Der  Kreis  der  Din'^e  dich  mit  fortgerissen. 

Du  muf5t  ihn  haben,  und  ihr  nimmst  du  nichts: 

Denn  ihre  Neii4;un<>'  zu  dem  werten  Manne 

Ist  ihren  andern  Leidenschaften  gleich. 

Sie  leuchten,  wie  der  stille  Schein  des  Montls 

Dem  Wandrer  spärlich  auf  dem  Vfixd  zu  \acht: 

Sie  wämicn  nicht,  und  gielien  keine  Lust 

Noch  Lebensfreud'  umher.    Sie  wird  sich  freuen, 

Wenn  sie  ihn  fern,  wenn  sie  ihn  glücklich  weilS, 

Wie  sie  genoli,  wenn  sie  ihn  täglich  sah. 

Und  dann,  ich  will  mit  meinem  Freunde  nicht 

V'on  ihr  und  diesem  Ilofe  mich  \erbannen: 

Ich  komme  wieder,  und  ich  bring'  ihn  wieder. 

So  soll  es  sein!  —  Hier  kommt  der  rauhe  LVeund: 

Wir  wollen  sehn,  ob  w  ir  ihn  zähmen  können. 


\  ILR  ri-R  AUI-TklTT 
LEONORK  •  ANTONIO 

LI'OXORL: 

Du  bringst  uns  Krieg  statt  I-'rieden:  scheint  es  doch, 
Du  kommst  aus  einem  Lager,  einer  Schlacht, 
Wo  die  Gewalt  regiert,  die  Laust  entscheidet, 
Und  nicht  \on  Rom,  wo  feierliche  Klugheit 
Die  Hände  segnend  hebt  und  eine  Welt 
Zu  ihren  Füllen  sieht,  die  gern  gehorcht 

ANTONIO 
Ich  muß  den  Tadel,  schöne  Freundin,  dulden, 


71 


Doch  die  Entschuld'gung  liegt  nicht  weit  davon. 

Es  ist  gefährlich,  wenn  man  allzu  lang 

Sich  kluQf  und  mäßi»'  zeioen  muß.    Es  lauert 

Der  böse  Genius  dir  an  der  Seite 

Und  will  p-ewaltsam  auch  von  Zeit  zu  Zeit 

Ein  Opfer  haben.    Leider  hab'  ich's  diesmal 

Auf  meiner  Freunde  Kosten  ihm  gebracht. 

LEONORE 

Du  hast  um  fremde  Menschen  dich  so  lang 
Bemüht  und  dich  nach  ihrem  Sinn  gerichtet: 
Nun,  da  du  deine  Freunde  wieder  siehst, 
Verkennst  du  sie,  und  rechtest  wie  mit  Fremden. 

ANTONIO 

Da  liegt,  geliebte  Freundin,  die  Gefahr! 

Mit  fremden  Menschen  nimmt  man  sich  zusammen, 

Da  merkt  man  auf,  da  sucht  man  seinen  Zweck 

In  ihrer  Gunst,  damit  sie  nutzen  sollen; 

Allein  bei  Freunden  läßt  man  frei  sich  gehn. 

Man  ruht  in  ihrer  Liebe,  man  erlaubt 

Sich  eine  Laune,  ungezähmter  wirkt 

Die  Leidenschaft,  und  so  verletzen  wir 

Am  ersten  die,  die  \\ir  am  zartsten  lieben. 

LEONORE 

In  dieser  ruhigen  Betrachtung  lind'  ich  dich 

Schon  ganz,  mein  teurer  Freund,  mit  Freuden  wieder. 

ANTONIO 

Ja,  mich  verdrießt  —  und  ich  bekenn'  es  gern  — 

Daß  ich  mich  heut  so  ohne  Maß  verlor. 

Allein  gestehe,  wenn  ein  \\'ackrer  Mann 

Mit  heißer  Stirn  von  saurer  Arbeit  kommt 

Und  spät  am  Abend  in  ersehnten  Schatten 

Zu  neuer  Mühe  auszuruhen  denkt, 

Und  findet  dann  von  einem  Müßiggänger 

72 


Den  Schatten  breit  besessen,  soll  er  nicht 
Auch  etu'as  Menschlichs  in  dem  Busen  fühlen? 

LHOXORH 

Wenn  er  recht  menschlich  ist,  so  wird  er  auch 
Den  Schatten  j^^ern  mit  einem  Manne  teilen, 
Der  ihm  die  Ruhe  süß,  die  Arbeit  leicht 
Durch  ein  Gespräch,  durch  holde  Töne  macht. 
Der  Baum  ist  breit,  mein  Freund,  der  Schatten  üfibt. 
Und  keiner  braucht  den  andern  zu  verdrän'ren. 


AXT(  )XIO 

Wir  wollen  uns,  Hleonore,  nicht 

Mit  einem  (deichnis  hin  und  wider  spielen. 

Gar  viele  Dint^e  sind  in  dieser  Welt, 

Die  man  deiu  antlern  >'ünnt  und  ''erne  teilt; 

Jedoch  es  ist  ein  Schatz,  den  man  allein 

Dem  Hochverdienten  «'erne  <>önnen  mai/, 

Hin  andrer,  den  man  mit  dem  1  löchstx  erdienten 

Mit  «>utein  Willen  niemals  teilen  wird    - 

Lind  frai.;st  du  mich  nach  iliesen  beitlen  Schätzen: 

Der  Lorbeer  ist  es  und  die  (ainst  iler  Frauen. 

LFüXORF 

Hat  jener  Kran/,  um  uiisers  Jünglings  Haupt 
Den  ernsten  Mann  beleidigt?    Hättest  du 
Für  seine  Mühe,  .seine  schöne  Dichtung 
Bescheidnern  Lohn  doch  selbst  nicht  finden  können. 
Denn  ein  X'erdienst,  das  aufierirdisch  ist. 
Das  in  den  Lüften  schwebt,  in  Tönen  nur. 
In  leichten  Bilder  unsern  Geist  umgaukelt. 
Es  wird  denn  auch  mit  einem  schönen  Bilde, 
Mit  einem  holden  Zeichen  nur  belohnt; 
Und  wenn  er  selbst  die  Erde  kaum  berührt. 
Berührt  der  höchste  Lohn  ihm  kaum  das  Haupt. 
Ein  unfruchtbarer  Zweig  ist  das  Geschenk, 
Das  der  \'erehrer  unfruchtbare  Xeisjuny- 


7 


o 


Ihm  gerne  bringt,  damit  sie  einer  Schuld 
Aufs  leichtste  sich  entlade.    Du  mißfjönnst 
Dem  Bild  des  Märtyrers  den  goldnen  Schein 
Ums  kahle  Haupt  wohl  schwerlich;  und  gewiß, 
Der  Lorbeerkranz  ist,  wo  er  dir  erscheint, 
Ein  Zeichen  mehr  des  Leidens  als  des  Glücks. 

ANTONIO 

Will  etwa  mich  dein  liebenswürdVer  Mund 
Die  Eitelkeit  der  Welt  verachten  lehren? 

LEONORE 

Ein  jedes  Gut  nach  seinem  Wert  zu  schätzen. 
Brauch'  ich  dich  nicht  zu  lehren.    Aber  doch, 
Es  scheint,  von  Zeit  zu  Zeit  bedarf  der  Weise, 
So  sehr  wie  andre,  daß  man  ihm  die  Güter, 
Die  er  besitzt,  im  rechten  Lichte  zeige. 
Du,  edler  Mann,  du  wirst  an  ein  Phantom 
Von  Gunst  und  Ehre  keinen  Anspruch  machen. 
Der  Dienst,  mit  dem  du  deinem  Fürsten  dich. 
Mit  dem  du  deine  Freunde  dir  verbindest, 
Ist  wirkend,  ist  lebendig,  und  so  muß 
Der  Lohn  auch  wirklich  und  lebendig  sein. 
Dein  Lorbeer  ist  das  fürstliche  Vertraun, 
Das  auf  den  Schultern  dir,  als  liebe  Last, 
Gehäuft  und  leicht  getragen  ruht;  es  ist 
Dein  Ruhm  das  allgemeine  Zutraun. 

ANTONIO 

Und  von  der  Gunst  der  Frauen  sagst  du  nichts: 
Die  willst  du  mir  doch  nicht  entbehrlich  schildern? 

LEONORE 

Wie  man  es  nimmt.    Denn  du  entbehrst  sie  nicht, 
Und  leichter  wäre  sie  dir  zu  entbehren. 
Als  sie  es  jenem  guten  Mann  nicht  ist. 
Denn  sag':  geläng'  es  einer  Frau,  wenn  sie 

74 


Nach  ihrer  Art  für  dich  zu  sorgen  dächte, 
Mit  dir  sich  zu  beschäft'gen  unternähme? 
Bei  dir  ist  alles  Ordnung,  Sicherheit; 
Du  sorgst  für  dich,  wie  du  für  andre  sorgst. 
Du  hast,  was  man  dir  gel)en  möchte.   Jener 
Beschäftigt  uns  in  unserm  ei</nen  I'ache: 
Ihm  fehlt's  an  tausend  Kleinigkeiten,  die 
Zu  schaffen  eine  Frau  sich  «rem  bemüht. 
Das  .schönste  Leinenzeug,  ein  seiden  Kleitl 
Mit  etwas  Stickerei,  tias  trägt  er  gern. 
Er  sieht  sich  gern  geputzt,  vielmehr,  er  kann 
Unedlen  Stoff,  der  nur  den  Knecht  bezeichnet, 
An  seinem  Leib  nicht  dulden,  alles  soll 
Ihm  fein  und  ijut  und  schön  und  edel  stehn. 
Und  dennoch  hat  er  kein  ( beschick,  das  alles 
Sich  anzuschaffen;  wenn  er  es  besitzt, 
Sich  zu  erhalten:  immer  fehlt  es  ihm 
An  Geld,  an  Sorgsamkeit.    Bald  lälit  er  da 
Ein  Stück,  bald  eines  dort.    Er  kehret  nie 
Von  einer  Reise  wieder,  dalo  ihm  nicht 
Ein  Dritteil  seiner  Sachen  fehle.    Bald 
Bestiehlt  ihn  der  Bediente.    So,  Antonio, 
Hat  man  für  ihn  das  ganze  Jahr  zu  sorgen. 

ANTONIO 

Und  diese  Sorge  macht  ihn  lieb  und  lieber. 
Glückserger  Jüngling,  dem  man  seine  Mängel 
Zur  Tugend  rechnet,  dem  so  schön  vergönnt  ist. 
Den  Knaben  noch  als  .Mann  zu  spielen,  der 
Sich  seiner  holden  Schwäche  rühmen  darf! 
Du  müßtest  mir  verzeihen,  schöne  Freundin, 
Wenn  ich  auch  hier  ein  wenig  bitter  würde. 
Du  sagst  nicht  alles,  sagst  nicht,  was  er  wagt. 
Und  dal5  er  klüger  ist,  als  wie  man  denkt. 
Er  rühmt  sich  zweier  Flammen!  knüpft  und  löst 
Die  Knoten  hin  und  wider  und  gewinnt 
Mit  solchen  Künsten  solche  Herzen!    Ist's 
Zu  glauben? 


75 


LEONORE 

Gut!    Selbst  das  beweist  ja  schon, 
Daß  es  nur  Freundschaft  ist,  was  uns  belebt. 
Und  wenn  wir  denn  auch  Lieb'  um  Liebe  tauschten. 
Belohnten  wir  das  schöne  Herz  nicht  billit 


'ö' 


Das  ganz  sich  selbst  vergißt  und  hingegeben 
Im  holden  Traum  für  seine  Freunde  lebt? 


ANTONIO 

Verwöhnt  ihn  nur  und  immer  mehr  und  mehr, 

Laßt  seine  Selbstigkeit  für  Liebe  gelten, 

Beleidigt  alle  Freunde,  die  sich  euch 

Mit  treuer  Seele  widmen,  gebt  dem  Stolzen 

Freiwilligen  Tribut,  zerstöret  ganz 

Den  schönen 'Kreis  o^esellig-en  Vertrauns! 

LEONORE 

Wir  sind  nicht  so  parteiisch,  wie  du  glaubst. 
Ermahnen  unsern  Freund  in  manchen  Fällen; 
Wir  wünschen  ihn  zu  bilden,  daß  er  mehr 
Sich  selbst  üfenieße,  mehr  sich  zu  genießen 
Den  andern  geben  könne.    Was  an  ihm 
Zu  tadeln  ist,  das  bleibt  uns  nicht  verborgen. 

ANTONIO 

Doch  lobt  ihr  vieles,  was  zu  tadeln  wäre. 
Ich  kenn'  ihn  lang,  er  ist  so  leicht  zu  kennen 
Und  ist  zu  stolz,  sich  zu  verbergen.    Bald 
Versinkt  er  in  sich  selbst,  als  ^\'äre  ganz 
Die  Welt  in  seinem  Busen,  er  sich  ganz 
In  seiner  Welt  genug,  und  alles  rings 
Umher  verschwindet  ihm.    Er  läßt  es  gehn, 
Läßt's  fallen,  stößt's  hinweg  und  ruht  in  sich  - 
Auf  einmal,  wie  ein  unbemerkter  Funke 
Die  Mine  zündet,  sei  es  Freude,  Leid, 
Zorn  oder  Grille,  heftig  bricht  er  aus: 
Dann  will  er  alles  fassen,  alles  halten, 


76 


Dann  S(j11  geschchn,  was  er  sich  denken  mag; 
In  einem  Augenblicke  soll  enLstehn, 
Was  Jahre  lang  bereitet  werden  sollte; 
In  einem  Augenblick  gehoben  sein, 
Was  Mühe  kaum  in  Jahren  lösen  könnte. 
Er  fordert  das  Unmögliche  von  sich, 
Damit  er  es  von  andern  fordern  dürfe. 
Die  letzten  Enden  aller  Dinge  will 
Sein  Geist  zusammenfassen;  das  'relinirt 
Kaum  einem  unter  Millionen  Menschen, 
Und  er  ist  nicht  der  .Mann:  er  fällt  zuletzt, 
Um  nichts  gebessert,  in  sich  selbst  zurück. 

lÄlOSOlill 
Er  schadet  andern  nicht,  er  schadet  sich. 

ANTO.Mo 

Und  doch  verhetzt  er  andre  nur  zu  sehr. 
Kannst  du  es  leugnen,  dali  im  .Augenblick 
Der  Leidenschaft,  die  ihn  behend  ergreift. 
Er  auf  den  l-ürsteii,  auf  die  Eürstin  selbst. 
Auf  w  en  es  sei,  zu  schnuihn,  zu  lästern  wagt.-* 
Zwar  augenblicklich  nur;  allein  genug, 
Der  Augenblick  kommt  wieder:  er  beherrscht 
So  wenig  seinen  Mund  als  seine  BrusL 

LEOXOKE 

Ich  sollte  denken,  wenn  er  sich  von  hier 

.\uf  eine  kurze  Zeit  entfernte,  sollt' 

Es  wohl  für  ihn  und  andre  nützlich  sein. 

AN'TOXIO 

Vielleicht,  \'ielleicht  auch  nicht.    Doch  eben  jetzt 
Ist  nicht  daran  zu  denken.    Denn  ich  will 
Den  Fehler  nicht  auf  meine  Schultern  laden; 
Es  könnte  scheinen,  daß  ich  ihn  vertreibe. 
Und  ich  \ertreib'  ihn  nicht,    l'm  meinetw illen 


77 


Kann  er  an  unserm  Hofe  ruhig  bleiben; 
Und  wenn  er  sich  mit  mir  versöhnen  will, 
Und  wenn  er  meinen  Rat  befolgen  kann, 
So  werden  wir  «/anz  leidlich  leben  können. 


£5 


LEONORE 

Nun  hoffst  du  selbst,  auf  ein  Gemüt  zu  wirken, 
Das  dir  vor  kurzem  noch  verloren  schien. 

ANTONIO 

Wir  hoffen  immer,  und  in  allen  Dingen 
Ist  besser  hoffen  als  verzweifeln.    Denn 
Wer  kann  das  Möijliche  berechnen?   Er 
Ist  unserm  Fürsten  wert.   Er  muß  uns  bleiben. 
Und  bilden  wir  dann  auch  umsonst  an  ihm, 
So  ist  er  nicht  der  einz'ge,  den  wir  dulden. 

LEONORE 

So  ohne  Leidenschaft,  so  unparteiisch 

Glaubf  ich  dich  nicht.   Du  hast  dich  schnell  bekehrt. 

ANTONIO 

Das  Alter  muß  doch  einen  Vorzug  haben. 

Daß,  wenn  es  auch  dem  Irrtum  nicht  entgeht. 

Es  doch  sich  auf  der  Stelle  fassen  kann. 

Du  warst,  mich  deinem  Freunde  zu  versöhnen, 

Zuerst  bemüht.    Nun  bitt'  ich  es  von  dir. 

Tu,  was  du  kannst,  daf5  dieser  Mann  sich  finde, 

Und  alles  wieder  bald  im  Gleichen  sei. 

Ich  gehe  selbst  zu  ihm,  sobald  ich  nur 

Von  dir  erfahre,  daß  er  ruhig  ist. 

Sobald  du  glaubst,  daß  meine  Gegenwart 

Das  Übel  nicht  vermehrt.    Doch,  was  du  tust, 

Das  tu  in  dieser  Stunde;  denn  es  geht 

Alfons  heut  abend  noch  zurück,  und  ich 

Werd'  ihn  bereiten.    Leb'  indessen  wohl. 


'ü 


78 


FÜNFTER  AUFTRITT 
LHONORE 

allein 

Für  diesmal,  lieber  Freund,  sind  wir  nicht  eins: 
Mein  Vorteil  und  der  deine  gehen  heut 
Nicht  I  land  in  1  land.    Ich  nütze  diese  Zeit 
Und  suche  Tasso  zu  gewinnen.    Schnell! 


79 


VIERTER  AUFZUG 

Zimmer 
ERSTER  AUFTRITT 


B 


TASSO 
allein 

IST  du  aus  einem  Traum  erwacht,  und  hat 
Der  schöne  Trug;-  auf  einmal  dich  verlassen  ? 
Hat  dich  an  einem  Tag  der  höchsten  Lust 


Ein  Schlaf  gebändigt,  hält  und  ängstet  nun 

Mit  schweren  Fesseln  deine  Seele?  Ja, 

Du  wachst  und  träumst.    Wo  sind  die  Stunden  hin. 

Die  um  dein  Haupt  mit  Blumenkränzen  spielten? 

Die  Tage,  wo  dein  Geist  mit  freier  Sehnsucht 

Des  Himmels  ausgespanntes  Blau  durchdrang? 

Und  dennoch  lebst  du  noch  und  fühlst  dich  an. 

Du  fühlst  dich  an  und  weißt  nicht,  ob  du  lebst. 

Ist's  meine  Schuld,  ist's  eines  andern  Schuld 

Daß  ich  mich  nun  als  schuldig  hier  befinde? 

Hab'  ich  verbrochen,  daß  ich  leiden  soll? 

Ist  nicht  mein  ganzer  Fehler  ein  Verdienst? 

Ich  sah  ihn  an,  und  ward  vom  guten  Willen, 

Vom  Hoffnungswahn  des  Herzens  übereilt: 

Der  sei  ein  Mensch,  der  menschlich  Ansehn  trägt. 

Ich  ging  mit  offnen  Armen  auf  ihn  los 

Und  fühlte  Schloß  und  Riegel,  keine  Brust. 

O  hatt'  ich  doch  so  klug  mir  ausgedacht, 

Wie  ich  den  Mann  empfangen  wollte,  der 

Von  alten  Zeiten  mir  verdächtig  war! 

Allein  was  immer  dir  begegnet  sei, 

So  halte  dich  an  der  Gewißheit  fest: 

Ich  habe  sie  gesehn!    Sie  stand  vor  mir! 

Sie  sprach  zu  mir,  ich  habe  sie  vernommen! 

80 


Der  Blick,  der  Ton,  der  Worte  holder  Sinn, 

Sie  sind  auf  e\vi<^  mein,  es  raubt  sie  nicht 

Die  Zeit,  das  Schicksal,  noch  das  wilde  Glück! 

Und  hob  mein  Geist  sich  da  zu  schnell  empor 

Und  ließ  ich  allzu  rasch  in  meinem  Busen 

Der  Flamme  Luft,  die  mich  nun  selbst  verzehrt, 

So  kann  mich's  nicht  gereun,  und  wäre  selbst 

Auf  ewig  das  Geschick  des  Lebens  hin. 

Ich  widmete  mich  ihr,  und  fols^te  froh 

Dem  Winke,  der  mich  ins  X'erderben  rief. 

Es  sei!    So  hab'  ich  mich  doch  wert  gezeigt 

Des  köstlichen  X'ertrauns,  das  mich  erquickt. 

In  dieser  Stunde  selbst  ercjuickt,  die  mir 

Die  schwarze  Pforte  langer  Trauerzeit 

Gewaltsam  ("iffnet.  —  Ja,  nun  ist's  getan  I 

Es  «•cht  tlie  Sonne  mir  der  schtinsten  Gunst 

Auf  einmal  unter;  seinen  holden  Blick 

Entziehet  mir  der  Fürst  und  läßt  mich  hier 

Auf  düstrem,  schmalem  Pfad  vedoren  stehn. 

Das  häßliche  zu  eideutige  GeHügel, 

Das  leidige  Gefol'-'  der  alten  Nacht, 

Es  schwärmt  her\or  und  schw irrt  mir  um  das  Haupt. 

Wohin,  w  ohin  beweg'  ich  meinen  Schritt, 

Dem  Ekel  zu  entfliehn,  der  mich  umsaust. 

Dem  Abvrrund  zu  entlehn,  der  vor  mir  liegt? 


ZWEITER  AUFTRITT 
LEONORE  •  TASSO 

LEOXÜRE 

Was  ist  begegnet?   Lieber  Tasso,  hat 

Dein  Eifer  dich,  dein  Argwohn  so  getrieben? 

Wie  ist's  ireschehn?   Wir  alle  stehn  bestürzt. 


8i 


Und  deine  Sanftmut,  dein  gefällig  Wesen, 
Dein  schneller  Blick,  dein  richtiger  Verstand, 
Mit  dem  du  jedem  gibst,  ^\•as  ihm  gehört. 
Dein  Gleichmut,  der  erträgt,  was  zu  ertragen 
Der  Edle  bald,  der  Eitle  selten  lernt, 
Die  kluge  Herrschaft  über  Zung'  und  Lippe  — 
Mein  teurer  Freund,  fast  ganz  verkenn'  ich  dich. 

TASSO 

Und  wenn  das  alles  nun  \'erloren  wäre? 
Wenn  einen  Freund,  den  du  einst  reich  geglaubt, 
Auf  einmal  du  als  einen  Bettler  fändest? 
Wohl  hast  du  Recht,  ich  bin  nicht  mehr  ich  selbst, 
Und  bin's  doch  noch  so  gut,  als  wie  ich's  ^^'ar. 
Es  scheint  ein  Rätsel,  und  doch  ist  es  keins. 
Der  stille  Mond,  der  dich  bei  Nacht  erfreut. 
Dein  Auge,  dein  Gemüt  mit  seinem  Schein 
Unwiderstehlich  lockt,  er  schwebt  am  Tage 
Ein  unbedeutend  blasses  Wölkchen  hin. 
Ich  bin  vom  Glanz  des  Tages  überschienen, 
Ihr  kennet  mich,  ich  kenne  mich  nicht  mehr. 

LEONORE 

Was  du  mir  sagst,  mein  Freund,  versteh'  ich  nicht, 
Wie  du  es  sas^st.    Erkläre  dich  mit  mir. 
Hat  die  Beleidii^unor  des  schroffen  Manns 
Dich  so  gekränkt,  daß  du  dich  selbst  und  uns 
So  ganz  verkennen  magst?    Vertraue  mir. 

TASSO 

Ich  bin  nicht  der  Beleidigte,  du  siehst 

Mich  ja  bestraft,  weil  ich  beleidigt  habe. 

Die  Knoten  vieler  Worte  löst  das  Schwert 

Gar  leicht  und  schnell,  allein  ich  bin  gefangen. 

Du  weißt  wohl  kaum  —  erschrick  nicht,  zarte  Freundin 

Du  triffst  den  Freund  in  einem  Kerker  an. 

82 


Mich  züchtij^^et  der  Fürst  wie  einen  Schüler. 
Ich  will  mit  ihm  nicht  rechten,  kann  es  nicht. 

LE(Ji\ORE 

Du  scheinest  mehr,  als  billig  ist,  bewegt. 

T.ASSO 

Hältst  du  mich  für  so  schwach,  für  so  ein  Kind, 
Daß  solch  ein  Fall  mich  gleich  zerrütten  könne? 
Das  was  geschehn  ist,  kränkt  mich  nicht  so  tief. 
Allein  das  kränkt  mich,  was  es  mir  bedeutet 
Laß  meine  Xeider,  meine  Feinde  nur 
Gewähren!    FVei  und  offen  ist  das  Feld. 

LFUNüRF 

Du  hast  gar  manchen  fälschlich  in  Verdacht, 
Ich  habe  selbst  mich  überzeugen  können. 
Und  auch  Antonio  feindet  dich  nicht  an, 
Wie  du  es  w  ahnst    Der  heutige  Verdruß  — 

TASSO 

Den  lass'  ich  ganz  beiseite,  nehme  nur 
Antonio,  w  ie  er  war  und  wie  er  bleibt 
Verdrießlich  fiel  mir  stets  die  steife  Klugheit. 
Und  daß  er  immer  nur  den  Meister  spielt 
Anstatt  zu  forschen,  ob  des  Hörers  Geist 
Nicht  schon  für  sich  auf  guten  Spuren  wandle. 
Belehrt  er  dich  \"on  manchem,  das  du  besser 
Und  tiefer  fühltest,  und  \ernimmt  kein  Wort, 
Das  du  ihm  sagst,  und  wird  dich  stets  \erkennen. 
Verkannt  zu  sein,  verkannt  von  einem  Stolzen, 
Der  lächelnd  dich  zu  übersehen  glaubt! 
Ich  bin  so  alt  noch  nicht  und  nicht  so  klug, 
Daf5  ich  nur  duldend  «/eoenlächeln  sollte. 
Früh  oder  spat  ts  konnte  sich  nicht  halten. 
Wir  mußten  brechen;  später  war'  es  nur 
Um  desto  schlimmer  worden.    Einen  Herrn 


83 


Erkenn'  ich  nur,  den  Herrn,  der  mich  ernährt. 
Dem  folg'  ich  gern,  sonst  will  ich  keinen  Meister. 
Frei  will  ich  sein  im  Denken  und  im  Dichten; 
Im  Handeln  schränkt  die  Welt  genug  uns  ein. 

LEONORE 

Er  spricht  mit  Achtung  oft  genug  von  dir. 

TA  SSO 

Mit  Schonung,  willst  du  sagen,  fein  und  klug. 
Und  das  verdrießt  mich  eben;  denn  er  weiß 
So  glatt  und  so  bedingt  zu  sprechen,  daß 
Sein  Lob  erst  recht  zum  Tadel  wird,  und  daß 
Nichts  mehr,  nichts  tiefer  dich  verletzt,  als  Lob 
Aus  seinem  Munde. 

LEONORE 

Möchtest  du,  mein  Freund, 
Vernommen  haben,  wie  er  sonst  von  dir 
Und  dem  Talente  sprach,  das  dir  vor  vielen 
Die  oütiee  Natur  verlieh.    Er  fühlt  gewiß 
Das,  w^as  du  bist  und  hast,  und  schätzt  es  auch. 

TASSO 

O  glaube  mir,  ein  selbstisches  Gemüt 

Kann  nicht  der  Qual  des  engen  Neids  entfliehen. 

Ein  solcher  Mann  verzeiht  dem  andern  wohl 

Vermögen,  Stand  und  Ehre;  denn  er  denkt: 

Das  hast  du  selbst,  das  hast  du,  wenn  du  willst. 

Wenn  du  beharrst,  wenn  dich  das  Glück  begünstigt. 

Doch  das,  was  die  Natur  allein  verleiht. 

Was  jeglicher  Bemühung,  jedem  Streben 

Stets  unerreichbar  bleibt,  was  weder  Gold, 

Noch  Schwert,  noch  Klugheit,  noch  Beharrlichkeit 

Erzwingen  kann,  das  wird  er  nie  verzeihn. 

Er  gönnt  es  mir?   Er,  der  mit  steifem  Sinn 

Die  Gunst  der  Musen  zu  ertrotzen  glaubt? 

84 


Der,  wenn  er  die  Gedanken  mancher  Dichter 
Zusammenreiht,  sich  selbst  ein  Dichter  scheint? 
Weit  eher  gönnt  er  mir  des  Fürsten  Gunst, 
Die  er  doch  gern  auf  sich  beschränken  möchte, 
Als  das  Talent,  das  jene  Himmlischen 
Dem  armen,  dem  verwaisten  Jüngling  gaben. 

LF.ONOkH 

O  sähest  du  so  klar,  wie  ich  es  sehe! 
Du  irrst  dich  über  ihn:  so  ist  er  nicht. 

r  \SS( ) 

Und  irr'  ich  mich  an  ihm,  so  irr'  ich  gern! 

Ich  denk'  ihn  mir  als  meinen  ärgsten  Feind, 

Und  w  är'  untröstlich,  wenn  ich  mir  ihn  nun 

Gelinder  denken  mülile.    Töricht  ist's, 

In  allen  Stücken  billig  sein;  es  heißt 

Sein  eiijen  Selbst  zerstören.    Sind  die  .Menschen 

Denn  ''•e'''en  uns  so  billitj?    Xein,  o  nein! 

Der  Mensch  bedarf  in  seinem  engen  Wesen 

Der  doppelten  Fmphndung,  Lieb'  und  Maß. 

Hedarf  er  nicht  der  Xacht  als  wie  des  Tags? 

Des  Schlafens  wie  des  Wachens?    Xein,  ich  muß 

Von  nun  an  diesen  Mann  als  Gegenstand 

Von  meinem  tiefsten  Haß  behalten;  nichts 

Kann  mir  die  Lust  entreißen,  schlimm  und  schlimmer 

\'on  ihm  zu  denken. 

LFOXORF 

Willst  du,  teurer  Freund, 
Von  deinem  Sinn  nicht  lassen,  seh'  ich  kaum, 
Wie  du  am  Hofe  länger  bleiben  willst. 
Du  weißt,  wie  \iel  er  gilt  und  gelten  muß. 

'r.\SS( ) 

Wie  sehr  ich  längst,  o  schöne  Freundin,  hier 
Schon  überflüssig  bin,  das  weiß  ich  wohl. 


85 


LEOXORE 

Das  bist  du  nicht,  das  kannst  du  nimmer  werden! 
Du  weißt  vielmehr,  wie  gern  der  Fürst  mit  dir, 
Wie  gern  die  Fürstin  mit  dir  lebt;  und  kommt 
Die  Schwester  von  Urbino,  kommt  sie  fast 
So  sehr  um  dein't-  als  der  Geschwister  willen. 
Sie  denken  alle  gut  und  gleich  von  dir, 
Und  jegliches  vertraut  dir  unbedingt. 

TASSO 

O  Leonore,  welch  Vertraun  ist  das? 

Hat  er  von  seinem  Staate  je  ein  Wort, 

Ein  ernstes  Wort  mit  mir  gesprochen?   Kam 

Ein  eigner  Fall,  worüber  er  sogar 

In  meiner  Gegenwart  mit  seiner  Schwester, 

Mit  andern  sich  beriet,  mich  fragt'  er  nie. 

Da  hieß  es  immer  nur:  Antonio  kommt! 

Man  muß  Antonio  schreiben!    Fragt  Antonio! 

LEONORE 

Du  klagst,  anstatt  zu  danken.   Wenn  er  dich 
In  unbedingter  Freiheit  lassen  mag, 
So  ehrt  er  dich,  wie  er  dich  ehren  kann. 

TASSO 

Er  läßt  mich  ruhn,  weil  er  mich  unnütz  glaubt. 

LEONORE 

Du  bist  nicht  unnütz,  eben  weil  du  ruhst. 
So  lange  hegst  du  schon  Verdruß  und  Sorge, 
Wie  ein  geliebtes  Kind,  an  deiner  Brust. 
Ich  hab'  es  oft  bedacht,  und  mag's  bedenken. 
Wie  ich  es  will :  auf  diesem  schönen  Boden, 
Wohin  das  Glück  dich  zu  verpflanzen  schien. 
Gedeihst  du  nicht.    O  Tasso!  —  rat'  ich  dir's? 
Sprech'  ich  es  aus?  —  Du  solltest  dich  entfernen! 

86 


TASSO 

Verschone  nicht  den  Kranken,  lieber  Arzt! 

Reich'  ihm  das  Mittel,  denke  nicht  daran. 

Ob's  bitter  sei.  —  üb  er  genesen  könne, 

Das  überlege  wohl,  o  kluge,  gute  Freundin! 

Ich  seh'  es  alles  selbst,  es  ist  vorbei! 

Ich  kann  ihm  wohl  \erzeihen,  er  nicht  mir; 

Und  sein  bedarf  man,  leider  meiner  nicht. 

Und  er  ist  klug,  und  leider  bin  ich's  nicht. 

Er  wirkt  zu  meinem  Schaden,  und  ich  kann. 

Ich  mag  nicht  gegenwirken.    Meine  Freunde, 

Sie  lassen's  gehn,  sie  sehen's  anders  an. 

Sie  widerstreben  kaum,  und  sollten  kämpfen. 

Du  glaubst,  ich  soll  hinweg;  ich  glaub'  es  selbst  — 

So  lebt  denn  wohl!    Ich  werd'  auch  das  ertragen. 

Ihr  seid  von  mir  geschieden  —  werd'  auch  mir, 

\'on  euch  zu  scheiden,  Kraft  und  Mut  \erliehn! 

LEUNORF 

Ach,  in  der  Feme  zeigt  sich  alles  reiner. 
Was  in  der  Gejjenwart  uns  nur  verw  irrt. 
X'ielleicht  u  irst  du  erkennen,  welche  Liebe 
Dich  überall  umgab,  und  welchen  Wert 
Die  Treue  wahrer  Freunde  hat,  und  wie 
Die  weite  Welt  die  Nächsten  nicht  ersetzt. 

'r.\SS( ) 

Das  werden  wir  erfahren!    Kenn'  ich  doch 
Die  Welt  \on  Jugend  auf,  wie  sie  so  leicht 
Uns  hilflos,  einsam  lälit,  und  ihren  Weg 
Wie  Sonn'  und  Mond  und  andre  Götter  geht 

LFOXORF 

\'ernimmst  du  mich,  mein  Freund,  so  sollst  du  nie 
Die  traurige  Erfahrung  wiederholen. 
Soll  ich  dir  raten,  so  begibst  du  dich 
Erst  nach  Florenz,  und  eine  Freundin  wird 


87 


Gar  freundlich  für  dich  sorgen.    Sei  getrost, 

Ich  bin  es  selbst.    Ich  reise,  den  Gemahl 

Die  nächsten  Tage  dort  zu  finden,  kann 

Nichts  freudiger  für  ihn  und  mich  bereiten. 

Als  wenn  ich  dich  in  unsre  Mitte  bringe. 

Ich  sage  dir  kein  Wort,  du  weißt  es  selbst, 

Welch  einem  Fürsten  du  dich  nahen  wirst, 

Und  welche  Männer  diese  schöne  Stadt 

In  ihrem  Busen  hegt,  und  welche  Frauen.  — 

Du  schweifst?   Bedenk'  es  wohl!    Entschließe  dich. 

TASSO 

Gar  reizend  ist,  was  du  mir  sagst,  so  ganz 
Dem  Wunsch  gemäß,  den  ich  im  stillen  nähre; 
Allein  es  ist  zu  neu:  ich  bitte  dich, 
Laß  mich  bedenken!    Ich  beschließe  bald. 

LEONORE 

Ich  gehe  mit  der  schönsten  Hoffnung  weg 
Für  dich  und  uns  und  auch  für  dieses  Haus. 
Bedenke  nur,  und  wenn  du  recht  bedenkst. 
So  wirst  du  schwerlich  etwas  Bessers  denken. 

TASSO 

Noch  eins,  geliebte  Freundin!  sage  mir. 
Wie  ist  die  Fürstin  gegen  mich  gesinnt? 
War  sie  erzürnt  auf  mich?    Was  sagte  sie?  — 
Sie  hat  mich  sehr  getadelt?   Rede  frei. 

LFONORF 
Da  sie  dich  kennt,  hat  sie  dich  leicht  entschuldigt. 

TASSO 
Hab'  ich  bei  ihr  verloren?   Schmeichle  nicht. 

LEONORE 
Der  Frauen  Gunst  wird  nicht  so  leicht  verscherzt. 

88 


'rASS(j 

Wird  sie  mich  gern  entlassen,  wenn  ich  gehe? 

LHONORH 
Wenn  es  zu  deinem  Wühl  gereicht,  gewiß. 

rASS( ) 
Wcrd'  ich  des  Fürsten  Gnade  nicht  verlieren? 

LRONORH 
In  seiner  Großmut  kannst  du  sicher  ruhn. 

TASSÜ 

Und  lassen  wir  die  Fürstin  ganz  allein? 
Du  gehst  hinweg;  und  wenn  ich  wenig  bin, 
So  weiß  ich  doch,  dal'»  ich  ihr  etwas  war. 

LFUXURH 

Gar  freundliche  Gesellschaft  leistet  uns 

Hin  ferner  Freund,  wenn  wir  ihn  glücklich  wissen. 

Und  es  gelingt;  ich  sehe  dich  beglückt. 

Du  wirst  \'on  hier  nicht  unzufrieden  gehn. 

Der  Fürst  befahl's :  Antoniu  sucht  dich  auf 

Er  tadelt  selbst  an  sich  die  Bitterkeit, 

Womit  er  dich  \erietzt.    Ich  bitte  dich. 

Nimm  ihn  gelassen  auf,  so  wie  er  kommt 

TASSU 
Ich  darf  in  jedem  Sinne  \or  ihm  stehn. 

LEONOI^ 

Und  schenke  mir  der  Himmel,  lieber  Freund. 
Noch  eh'  du  scheidest,  dir  das  Aug'  zu  öfthen: 
Daß  niemantl  dich  im  ganzen  \'aterlande 
Verfolgt  und  haßt  und  heimlich  drückt  und  neckt! 
Du  irrst  «rewiß,  und  w  ie  du  sonst  zur  Freude 


89 


Von  andern  dichtest,  leider  dichtest  du 

In  diesem  Fall  ein  seltenes  Gewebe, 

Dich  selbst  zu  kränken.    Alles  will  ich  tun, 

Um  es  entzwei  zu  reißen,  daß»  du  frei 

Den  schönen  Weg  des  Lebens  wandeln  mögest. 

Leb'  wohl!    Ich  hoffe  bald  ein  glücklich  Wort. 


DRITTER  AUFTRITT 
TASSO 

allein 

Ich  soll  erkennen,  daß  mich  niemand  haßt. 
Daß  niemand  mich  verfolgt,  daß  alle  List 
Und  alles  heimliche  Gewebe  sich 
Allein  in  meinem  Kopfe  spinnt  und  webt! 
Bekennen  soll  ich,  daß  ich  Unrecht  habe. 
Und  manchem  Unrecht  tue,  der  es  nicht 
Um  mich  verdient!    Und  das  in  einer  Stunde, 
Da  vor  dem  Angesicht  der  Sonne  klar 
Mein  volles  Recht,  wie  ihre  Tücke,  liegt! 
Ich  soll  es  tief  empfinden,  wie  der  Fürst 
Mit  offner  Brust  mir  seine  Gunst  gewährt. 
Mit  reichem  Maß  die  Gaben  mir  erteilt, 
Im  Augenblicke,  da  er,  schwach  genug. 
Von  meinen  Feinden  sich  das  AuQe  trüben 
Und  seine  Hand  ge^^'iß  auch  fesseln  läßt! 

Daß  er  betrogen  ist,  kann  er  nicht  sehen. 
Daß  sie  Betrüger  sind,  kann  ich  nicht  zeigen; 
Und  nur  damit  er  ruhig  sich  betrüge. 
Daß  sie  gemächlich  ihn  betrügen  können, 
Soll  ich  mich  stille  halten,  weichen  gar! 

Und  wer  gibt  mir  den  Rat?   Wer  dringt  so  klug 
Mit  treuer,  lieber  Meinung  auf  mich  ein? 


90 


Lenore  selbst,  Lenore  Sanvitale, 

Die  zarte  Freundin!    Ha,  dich  kenn'  ich  nun! 

O  warum  traut'  ich  ihrer  Lippe  je! 

Sie  war  nicht  redlich,  wenn  sie  noch  so  sehr 

Mir  ihre  Gunst,  mir  ihre  Zärtlichkeit 

Mit  süßen  Worten  zeis^te!    Nein,  sie  war 

Und  bleibt  ein  listig  Herz,  sie  wendet  sich 

Mit  leisen  klu^^en  Tritten  nach  der  Gunst. 

Wie  oft  hab'  ich  mich  u  iliii;  selbst  betrogen. 
Auch  über  sie!    Und  doch  im  (jrunde  hat 
Mich  nur       die  Hitelkeit  betrogen.    Wohl! 
Ich  kannte  sie,  und  schmeichelte  mir  .selbst. 
.So  ist  sie  gegen  andre,  sagt'  ich  mir, 
Doch  gegen  dich  ist's  offne  treue  .Meinung. 
Nun  seh'  ich's  wohl,  und  seh'  es  nur  zu  spät: 
Ich  war  begünstigt,  und  sie  schmiegte  sich 
So  zart  —  an  den  He<'lückten.    Nun  ich  falle, 
Sie  wendet  mir  tien  Rücken,  wie  das  Glück. 

Nun  kommt  sie  als  ein  Werkzeug  meines  Feindes, 
Sie  schleicht  heran  uiul  zischt  mit  glatter  Zunge, 
Die  kleine  Schlange,  zauberische  Töne. 
Wie  lieblich  schien  sie!  lieblicher  als  je! 
Wie  wohl  tat  \(>n  der  Lippe  jedes  \Vort! 
Doch  konnte  mir  die  Schmeichelei  nicht  lans; 
Den  falschen  .Sinn  \erbenjen:  an  der  Stirne 
Schien  ihr  das  Gegenteil  zu  klar  geschrieben 
\'on  allem,  was  .sie  sprach.    Ich  fühl'  es  leicht. 
Wenn  man  den  Wej  zu  meinem  1  lerzen  sucht 
Und  es  nicht  herzlich  meint.    Ich  soll  hinweg? 
Soll  nach  Florenz,  sobald  ich  immer  kann? 

Und  wanim  nach  Florenz?   Ich  seh'  es  wohl. 
Dort  herrscht  der  Mediceer  neues  Haus, 
Zwar  nicht  in  offner  Feindschaft  mit  Ferrara, 
Doch  hält  der  stille  Neid  mit  kalter  Hand 
Die  edelsten  Gemüter  auseinander. 


91 


Empfang'  ich  dort  von  jenen  edlen  Fürsten 
Erhabne  Zeichen  ihrer  Gunst,  wie  ich 
Gewiß  erwarten  dürfte,  würde  bald 
Der  Höflint:  meine  Treu'  und  Dankbarkeit 
Verdächtig  machen.    Leicht  geläng'  es  ihm. 

Ja,  ich  will  weg,  allein  nicht,  wie  ihr  wollt; 
Ich  \\ ill  hinweg,  und  \\eiter,  als  ihr  denkt. 

Was  soll  ich  hier?   Wer  hält  mich  hier  zurück? 

O,  ich  verstand  ein  jedes  Wort  zu  gut, 

Daß  ich  Lenoren  von  den  Lippen  lockte! 

Von  Silb'  zu  Silbe  nur  erhascht'  ich's  kaum. 

Ich  weiß  nun  ganz,  wie  die  Prinzessin  denkt  — 

Ja,  ja,  auch  das  ist  wahr,  verzweifle  nicht! 

„Sie  wird  mich  gern  entlassen,  wenn  ich  gehe. 

Da  es  zu  meinem  Wohl  gereicht."    O  fühlte 

Sie  eine  Leidenschaft  im  Herzen,  die  mein  Wohl 

Und  mich  zu  Grunde  richtete!    WlUkommner 

Ergriffe  mich  der  Tod,  als  diese  Hand, 

Die  kalt  und  starr  mich  von  sich  läßt.  —  Ich  gehe! 

Nun  hüte  dich,  und  laß  dich  keinen  Schein 

Von  Freundschaft  oder  Güte  täuschen!    Niemand 

Betrügt  dich  nun,  wenn  du  dich  nicht  betrügst. 


VIERTER  AUFTRITT 

ANTONIO  •  TASSO 

ANTONIO 

Hier  bin  ich,  Tasso,  dir  ein  Wort  zu  sagen. 
Wenn  du  mich  ruhig  hören  magst  und  kannst. 

TASSO 

Das  Handeln,  weißt  du,  bleibt  mir  untersagt; 
Es  ziemt  mir  wohl,  zu  \\'arten  und  zu  hören. 


92 


ANTONIO 

Ich  treffe  dich  gelassen,  wie  ich  wünschte, 
Und  spreche  gern  zu  dir  aus  freier  Brust. 
Zuvörderst  lös'  ich  in  des  Fürsten  Namen 
Das  schwache  Band,  tlal')  dich  zu  fessehi  schien. 

TAS.S(J 

Die  Willkür  macht  mich  frei,  wie  sie  mich  band; 
Ich  nehm'  es  an  untl  fordre  kein  ( Bericht. 

ANTONIO 

Dann  sag'  ich  dir  von  mir:  Ich  habe  dich 

Mit  Worten,  scheint  es,  tief  und  mehr  gekränkt, 

Als  ich,  von  mancher  Leitlenschaft  bewegt, 

Es  selbst  empfand.    .Allein  kein  schimi)flich  Wort 

Ist  meinen  Lippen  unbedacht  entilohen: 

Zu  rächen  hast  du  nichts  als  Hdelmann, 

Untl  wirst  als  Mensch  Vergebung  nicht  \'ersagen. 

r  \.S.S( ) 

Was  härter  treffe,  Kränkung  oder  Schimjjf, 

Will  ich  nicht  untersuchen:  jene  dringt 

Ins  tiefe  Mark,  und  dieser  ritzt  die  Maut. 

Der  Pfeil  des  Schimpfs  kehrt  auf  den  Mann  zurück, 

Der  zu  \erwunden  glaubt;  die  Meinung  andrer 

Befriediijt  leicht  das  wohl  "geführte  Schwert 

Doch  ein  gekränktes  Merz  erholt  sich  schwer. 

ANTONIO 

Jetzt  ist's  an  mir,  daß  ich  dir  dringend  sage: 

Tritt  nicht  zurück,  erfülle  meinen  Wunsch, 

Den  Wunsch  des  Fürsten,  der  mich  zu  dir  sendet. 

TASSO 

Ich  kenne  meine  Pflicht  und  gebe  nach. 
Es  sei  verziehn,  sofern  es  möglich  ist! 


93 


Die  Dichter  sagen  uns  von  einem  Speer, 
Der  eine  Wunde,  die  er  selbst  geschlagen, 
Durch  freundliche  Berührung  heilen  konnte. 
Es  hat  des  Menschen  Zunge  diese  Kraft; 
Ich  will  ihr  nicht  gehässig  widerstehn. 

ANTONIO 

Ich  danke  dir  und  wünsche,  daß  du  mich 
Und  meinen  Willen,  dir  zu  dienen,  gleich 
Vertraulich  prüfen  mögest.    Sage  mir. 
Kann  ich  dir  nützlich  sein?   Ich  zeig'  es  gern. 

TASSO 

Du  bietest  an,  was  ich  nur  wünschen  konnte. 
Du  brachtest  mir  die  Freiheit  wieder;  nun 
Verschaffe  mir,  ich  bitte,  den  Gebrauch. 

ANTONIO 

Was  kannst  du  meinen?   Sag'  es  deutlich  an. 

TASSO 

Du  weißt,  geendet  hab'  ich  mein  Gedicht; 

Es  fehlt  noch  viel,  daß  es  vollendet  wäre. 

Heut  überreicht'  ich  es  dem  Fürsten,  hoffte 

Zugleich  ihm  eine  Bitte  vorzutragen. 

Gar  viele  meiner  Freunde  find'  ich  jetzt 

In  Rom  versammelt;  einzeln  haben  sie 

Mir  über  manche  Stellen  ihre  Meinung 

In  Briefen  schon  eröffnet;  vieles  hab'  ich 

Benutzen  können,  manches  scheint  mir  noch 

Zu  überlegen;  und  verschiedne  Stellen 

Möchf  ich  nicht  gern  verändern,  wenn  man  mich 

Nicht  mehr,  als  es  geschehn  ist,  überzeugt. 

Das  alles  wird  durch  Briefe  nicht  getan: 

Die  Gegenwart  löst  diese  Knoten  bald. 

So  dacht'  ich  heut  den  Fürsten  selbst  zu  bitten: 

94 


Ich  fand  nicht  Raum;  nun  darf  ich  es  nicht  wagen, 
Und  hoftc  diesen  Urlaub  nun  durch  dich. 

ANTONIO 

Mir  scheint  nicht  rätlich,  dali  du  dich  entfernst 
In  dem  Moment,  da  dein  vollendet  Werk 
Dem  I'ürsten  und  der  T^ürstin  dich  empfiehlt. 
Ein  Tac{^  der  Gunst  ist  wie  ein  Tai!  der  Hrnte: 
Man  muß  (^eschäftij^^  sein,  sobaltl  .sie  reift. 
Entfernst  du  dich,  so  wirst  du  nichts  gewinnen, 
Vielleicht  verlieren,  was  du  schon  gewannst. 
Die  Ciegenwart  ist  eine  mächt'ge  (iöttin: 
Lern'  ihren  Einfluß  kennen,  bleibe  hier! 

T.ASSO 

Zu  fürchten  hab'  ich  nichts:  Alfons  ist  edel, 
Stets  hat  er  gegen  mich  sich  groß  gezeigt; 
Und  was  ich  hoffe,  will  ich  seinem  Merzen 
Allein  verdanken,  keine  Gnade  mir 
Erschleichen;  nichts  will  ich  von  ihm  empfangen, 
Was  ihn  gereuen  könnte,  daß  er's  gab. 

ANTONIO 

So  fordre  nicht  \'on  ihm,  daß  er  dich  jetzt 
Entlassen  soll;  er  wird  es  ungern  tun, 
Und  ich  befürchte  fa.st:  er  tut  es  nicht. 

TASS( ) 

Er  wird  es  gern,  wenn  recht  gebeten  wird, 
Und  du  N'emiagst  es  wohl,  sobald  du  w  illst. 

ANTONIO 
Doch  welche  Gründe,  sag'  mir,  leg'  ich  \'or? 

TASSO 

Laß  mein  Gedicht  aus  jeder  Stanze  sprechen! 
Was  ich  gewollt,  ist  löblich,  wenn  das  Ziel 


95 


Auch  meinen  Kräften  unerreichbar  blieb. 
An  Fleiß  und  Mühe  hat  es  nicht  gefehlt. 
Der  heitre  Wandel  mancher  schönen  Tage, 
Der  stille  Raum  so  mancher  tiefen  Nächte 
War  einzig  diesem  frommen  Lied  geweiht. 
Bescheiden  hofft'  ich,  jenen  großen  Meistern 
Der  Vorwelt  mich  zu  nahen;  kühn  gesinnt. 
Zu  edlen  Taten  unsern  Zeitgenossen 
Aus  einem  langen  Schlaf  zu  rufen,  dann 
Vielleicht  mit  einem  edlen  Christenheere 
Gefahr  und  Ruhm  des  heil'gen  Kriegs  zu  teilen. 
Und  soll  mein  Lied  die  besten  Männer  wecken, 
So  muß  es  auch  der  besten  würdig  sein. 
Alfonsen  bin  ich  schuldig,  was  ich  tat; 
Nun  möcht'  ich  ihm  auch  die  Vollendung  danken. 


ANTONIO 

Und  eben  dieser  Fürst  ist  hier,  mit  andern. 
Die  dich  so  gut  als  Römer  leiten  können. 
Vollende  hier  dein  Werk,  hier  ist  der  Platz, 
Lind  um  zu  A\irken,  eile  dann  nach  Rom. 

TASSO 

Alfons  hat  mich  zuerst  begeistert,  wird 
Gewiß  der  letzte  sein,  der  mich  belehrt. 
Und  deinen  Rat,  den  Rat  der  klugen  Männer, 
Die  unser  Hof  versammelt,  schätz'  ich  hoch. 
Ihr  sollt  entscheiden,  wenn  mich  ja  zu  Rom 
Die  Freunde  nicht  vollkommen  überzeuo^en. 
Doch  diese  muß  ich  sehn.    Gonzaga  hat 
Mir  ein  Gericht  versammelt,  dem  ich  erst 
Mich  stellen  muß.    Ich  kann  es  kaum  er^^'arten. 
Flaminio  de'  Xobili,  Angelio 
Da  Barga,  Antoniano  und  Speron  Speroni! 
Du  wirst  sie  kennen.  —  Welche  Namen  sind's! 
Vertraun  und  Sorge  flößen  sie  zugleich 
In  meinen  Geist,  der  gern  sich  unterwirft. 


ö' 


96 


ANTONIO 

Du  denkst  nur  dich,  und  denkst  den  Fürsten  nicht. 
Ich  sage  dir,  er  wird  dich  nicht  entlassen; 
Und  wenn  er's  tut,  entläßt  er  dich  nicht  orern. 
Du  willst  ja  nicht  verlangen,  was  er  dir 
Nicht  <'ern  gewähren  nia'"".    (,'nd  soll  ich  hier 
Vermitteln,  was  ich  selbst  nicht  loben  kann? 

TASSO 

Versagst  du  mir  den  ersten  Dienst,  wenn  ich 
Die  angebotne  Freundschaft  prüfen  will? 

ANTONIO 

Die  wahre  Freundschaft  zeii-t  sich  im  Versa<ren 
Zur  rechten  Zeit,  und  es  gewährt  die  Liebe 
Gar  oft  ein  schädlich  Gut,  wenn  sie  den  Willen 
Des  Fordernden  mehr  als  sein  Glück  bedenkt. 
Du  scheinest  mir  in  diesem  Augenblick 
F'ür  gut  zu  halten,  was  ilu  eifrig  wünschest. 
Und  willst  im  .VuLicnblick,  was  du  beirehrst. 
Durch  I  lel'tigkeit  ersetzt  tler  Irrentle, 
Was  ihm  an  Wahrheit  und  an  Kräften  fehlt. 
lis  fordert  meine  1 'flicht,  .so  xicl  ich  kann. 
Die  Hast  zu  mälVgen,  die  dich  übel  treibt. 

TASSO 

Schon  lange  kenn'  ich  diese  Tyrannei 
Der  Freundschaft,  die  von  allen  Tyranneien 
Die  unerträglichste  mir  scheint.    Du  denkst 
Nur  anders,  und  du  glaubst  deswegen 
Schon  recht  zu  denken.    Gern  erkenn'  ich  an: 
Du  willst  mein  Wohl;  allein  \erlange  nicht. 
Daß  ich  auf  deinem  \\  eg  es  finden  soll. 

ANTONIO 

Und  soll  ich  dir  sogleich  mit  kaltem  Blut, 
Mit\oller.  klarer  Überzeugung  schaden? 


97 


TASSO 

Von  dieser  Sorge  will  ich  dich  befrein! 
Du  hältst  mich  nicht  mit  diesen  Worten  ab. 
Du  hast  mich  frei  erklärt,  und  diese  Türe 
Steht  mir  nun  offen,  die  zum  Fürsten  führt. 
Ich  lasse  dir  die  Wahl.    Du  oder  ich! 
Der  Fürst  geht  fort.    Hier  ist  kein  Augenblick 
Zu  harren.    Wähle  schnell!    Wenn  du  nicht  gehst. 
So  geh'  ich  selbst,  und  werd'  es,  wie  es  will. 

ANTONIO 

Laß  mich  nur  wenig  Zeit  von  dir  erlangen 
Und  warte  nur  des  Fürsten  Rückkehr  ab! 
Nur  heute  nicht!  • 

TASSO 

Nein,  diese  Stunde  noch, 
Wenn's  mög-lich  ist!    Es  brennen  mir  die  Sohlen 
Auf  diesem  Marmorboden;  eher  kann 
Mein  Geist  nicht  Ruhe  finden,  bis  der  Staub 
Des  freien  Wegs  mich  Eilenden  umgibt. 
Ich  bitte  dich!    Du  siehst,  wie  ungeschickt 
In  diesem  Augenblick  ich  sei,  mit  meinem  Herrn 
Zu  reden;  siehst  —  wie  kann  ich  das  verbergen  — 
Daß  ich  mir  selbst  in  diesem  Augenblick, 
Mir  keine  Macht  der  Welt  gebieten  kann. 
Nur  Fesseln  sind  es,  die  mich  halten  können! 
Alfons  ist  kein  Tyrann,  er  sprach  mich  frei. 
Wie  o-ern  gehorcht'  ich  seinen  Worten  sonst! 
Heut  kann  ich  nicht  gehorchen.    Heute  nur 
Laßt  mich  in  Freiheit,  daß  mein  Geist  sich  finde! 
Ich  kehre  bald  zu  meiner  Pflicht  zurück. 

ANTONIO 

Du  machst  mich  zweifelhaft.    Was  soll  ich  tun? 
Ich  merke  wohl:  es  steckt  der  Irrtum  an. 

98 


TASSO 

Soll  ich  dir  glauben,  denkst  du  gut  für  mich, 
So  wirke,  was  ich  wünsche,  was  du  kannst. 
Der  Fürst  entläßt  mich  dann,  und  ich  verliere 
Nicht  seine  Gnade,  seine  Hilfe  nicht. 
Das  dank'  ich  dir,  und  w  ill  dir's  gern  verdanken. 
Doch  hegst  du  einen  alten  Groll  im  Busen, 
Willst  du  von  diesem  Hofe  mich  verbannen, 
Willst  du  auf  ewig  mein  Geschick  verkehren, 
Mich  hilflos  in  die  weite  Weit  vertreiben, 
So  bleib'  auf  deinem  Sinn  und  widersteh! 

ANTONIO 

Weil  ich  dir  doch,  o  Tasso,  schaden  soll. 
So  währ  ich  denn  den  Weg,  den  du  erwählst. 
Der  Ausgang  mag  entscheiden,  wer  sich  irrt! 
Du  willst  hinweg!    Ich  sag'  es  dir  zuvor: 
Du  wendest  diesem  Hause  kaum  den  Rücken, 
So  u ird  dein  I ler/  zurück  \erlangen,  wird 
Dein  Kigensinn  dich  vorwärts  treiben;  Schmerz, 
Verwirrun«'',  Trübsinn  harrt  in  Rom  auf  dich, 
Und  du  \'erfehlest  hier  und  dort  den  Zweck. 
Doch  sag'  ich  dies  nicht  mehr,  um  dir  zu  raten; 
Ich  sage  nur  voraus,  was  bald  geschieht. 
Und  lade  tlich  auch  schon  im  voraus  ein. 
Mir  in  dem  schlimmsten  Falle  zu  vertraun. 
Ich  spreche  nun  ilen  Fürsten,  wie  du's  forderst. 


FÜNFTER  AUFTRITT 

TASSO 
allein 

Ja,  gehe  nur,  und  gehe  sicher  weg. 
Daß  du  mich  überredest,  was  du  willst. 


99 


Ich  lerne  mich  verstellen,  denn  du  bist 
Ein  großer  Meister,  und  ich  fasse  leicht. 
So  zwingt  das  Leben  uns,  zu  scheinen,  ja 
Zu  sein  wie  jene,  die  \\"ir  kühn  und  stolz 
Verachten  konnten.    Deutlich  seh'  ich  nun 
Die  o-anze  Kunst  des  höfischen  Gewebes! 
Mich  will  Antonio  von  hinnen  treiben 
Und  will  nicht  scheinen,  daß  er  mich  vertreibt. 
Er  spielt  den  Schonenden,  den  Klugen,  daß 
Man  nur  recht  krank  und  ungeschickt  mich  finde, 
Bestellet  sich  zum  Vormund,  daß  er  mich 
Zum  Kjnd  erniedrige,  den  er  zum  Knecht 
Nicht  zwingen  konnte.    So  umnebelt  er 
Die  Stirn  des  Fürsten  und  der  Fürstin  Blick. 

Man  soll  mich  halten,  meint  er:  habe  doch 
Ein  schön  Verdienst  mir  die  Natur  geschenkt; 
Doch  leider  habe  sie  mit  manchen  Schwächen 
Die  hohe  Gabe  wieder  schlimm  begleitet: 
Mit  ungebundnem  Stolz,  mit  übertriebner 
Empfindlichkeit  und  eignem  düstern  Sinn. 
Es  sei  nicht  anders,  einmal  habe  nun 
Den  einen  Mann  das  Schicksal  so  gebildet; 
Nun  müsse  man  ihn  nehmen,  wie  er  sei. 
Ihn  dulden,  tragen  und  vielleicht  an  ihm, 
Was  Freude  bringen  kann,  am  guten  Tage 
Als  unerwarteten  Gewinst  genießen, 
Im  übrigen,  wie  er  geboren  sei. 
So  müsse  man  ihn  leben,  sterben  lassen. 

Erkenn'  ich  noch  Alfonsens  festen  Sinn, 
Der  Feinden  trotzt,  und  Freunde  treulich  schützt? 
Erkenn'  ich  ihn,  wie  er  nun  mir  begegnet? 
Ja,  wohl  erkenn'  ich  ganz  mein  Unglück  nun! 
Das  ist  mein  Schicksal,  daß  nur  gegen  mich 
Sich  jeglicher  verändert,  der  für  andre  fest 
Und  treu  und  sicher  bleibt;  sich  leicht  verändert 
Durch  einen  Hauch,  in  einem  Augenblick. 

loo 


Hat  nicht  die  Ankunft  dieses  Manns  allein 
Mein  ganz  Geschick  zerstört,  in  Hiner  Stunde? 
Nicht  dieser  das  Gebäude  meines  Glücks 
Von  seinem  tiefsten  Grund  aus  unisjestürzt? 
O  muli  ich  das  erfahren,  muß  ich's  heut! 
Ja,  wie  sich  alles  zu  mir  drängte,  läßt 
Mich  alles  nun;  wie  jeder  mich  an  sich 
Zu  reif5cn  strebte,  jeder  mich  zu  fassen, 
So  stöfit  mich  alles  weg  und  meidet  mich. 
Und  das  warum?    L'iul  wiegt  denn  er  allein 
Die  Schale  meines  Werts  und  aller  Liebe, 
Die  ich  so  reichlich  sonst  besessen,  auf? 

Ja,  alles  flieht  mich  nun.    .\uch  du!   Auch  du! 

Geliebte  Inirstin.  du  entziehst  dich  mir! 

In  diesen  trüben  Stumlen  hat  sie  mir 

Kein  einzi'r  Zeichen  ihrer  Gunst  «'esandt. 

Hab'  ich's  um  sie  verdient?  —  Du  armes  Herz, 

Dem  so  natürlich  war,  sie  zu  verehren!  — 

X'ernahm  ich  ihre  Stimme,  wie  durchdrang 

Hin  unaussprechliches  Gefühl  tlie  Hrust! 

Hrblickt'  ich  sie,  da  ward  das  helle  Licht 

Des  Tags  mir  trüb;  unwiderstehlich  zog 

Ihr  .Auge  mich,  ihr  Mund  mich  an,  mein  Knie 

Hrhielt  sich  kaum,  und  aller  Kraft 

Des  Geists  bedurft'  ich,  aufrecht  mich  zu  halten. 

Vor  ihre  Hüße  nicht  zu  fallen;  kaum 

Vermocht'  ich  diesen  Taumel  zu  zerstreun. 

Hier  halte  fest,  mein  Herz!  du  klarer  Sinn, 

Laß  hier  dich  nicht  umnebeln!   Ja,  auch  sie! 

Darf  ich  es  sa*/en?  und  ich  trlaub'  es  kaum; 

Ich  glaub'  es  wohl,  und  möcht'  es  mir  verschweigen. 

Auch  sie!  auch  sie!    Entschuldige  sie  ganz, 

Allein  verbirs:  dir's  nicht:  auch  sie!  auch  sie! 

O  dieses  Wort,  an  dem  ich  zweifeln  sollte, 
Solans:  ein  Hauch  von  Glauben  in  mir  lebi, 
Ja,  dieses  Wort,  es  gräbt  sich  wie  ein  Schluß 


loi 


Des  Schicksals  noch  zuletzt  am  ehrnen  Rande 
Der  volifreschriebnen  Oualentafel  ein. 
Nun  sind  erst  meine  Feinde  stark,  nun  bin  ich 
Auf  ewig  einer  jeden  Kraft  beraubt. 
Wie  soll  ich  streiten,  wenn  sie  gegenüber 
Im  Heere  steht?  Wie  soll  ich  duldend  harren, 
Wenn  sie  die  Hand  mir  nicht  von  ferne  reicht? 
Wenn  nicht  ihr  Blick  dem  Flehenden  begegnet? 
Du  hast's  gewagt  zu  denken,  hast's  gesprochen, 
Und  es  ist  wahr,  eh'  du  es  fürchten  konntest! 
Und  ehe  nun  Verzweiflung  deine  Sinnen 
Mit  ehrnen  Klauen  auseinander  reißt. 
Ja,  klage  nur  das  bittre  Schicksal  an 
Und  wiederhole  nur:  auch  sie!  auch  sie! 


102 


FUN  FT ER  AUFZUG 

Garten 


ERSTER  AUFTRITT 
ALFONS  •  ANTONIO 

ANTONIO 


1  T  deinen  Wink  j^^ng  ich  das  zweitemal 


A'^' 

/  %  Zu  1  assü  hin,  ich  komme  von  ihm  her. 
J^     A^  Ich  haiy  ihm  /ui;eredet,  ja  gedrungen; 
Allein  er  geht  von  seinem  Sinn  nicht  ab, 
Und  bittet  sehnlich,  daI5  ilu  ihn  nach  Rom 
Auf  eine  kurze  Zeit  entlassen  mögest. 

ALFONS 

Ich  bin  verdrießlich,  daß  ich  dir's  gestehe, 

Und  lieber  sag'  ich  tlir,  daß  ich  es  bin, 

Als  daß  ich  den  X'erdruß  \erberg'  und  mehre. 

Er  will  verreisen;  gut!  ich  halt'  ihn  nicht. 

Er  will  hinweg,  er  will  nach  Rom;  es  sei! 

Nur  daß  mir  Scipio  Gonzaga  nicht. 

Der  kluije  Medicis,  ihn  nicht  entwende! 

Das  hat  Italien  so  groß  gemacht, 

Daß  jeder  Nachbar  mit  dem  andern  streitet, 

Die  Bessern  zu  besitzen,  zu  benutzen. 

Ein  Feldherr  ohne  I  leer  scheint  mir  ein  Fürst, 

Der  die  Talente  nicht  um  sich  \ersammelt: 

Und  wer  der  Dichtkunst  Stimme  nicht  vernimmt, 

Ist  ein  Barbar,  er  sei  auch,  wer  er  sei. 

Gefunden  hab'  ich  diesen  und  gewählt, 


103 


Ich  bin  auf  ihn  als  meinen  Diener  stolz; 
Und  da  ich  schon  für  ihn  so  viel  getan, 
So  möcht'  ich  ihn  nicht  ohne  Not  verlieren. 

ANTONIO 

Ich  bin  verlegen;  denn  ich  trage  doch 

Vor  dir  die  Schuld  von  dem,  was  heut  geschah; 

Auch  will  ich  meinen  Fehler  gern  gestehn, 

Er  bleibet  deiner  Gnade  zu  verzeihn: 

Doch  wenn  du  glauben  könntest,  daß  ich  nicht 

Das  Mögliche  getan,  ihn  zu  versöhnen, 

So  würd'  ich  ganz  untröstlich  sein.   O!  sprich 

Mit  holdem  Blick  mich  an,  damit  ich  wieder 

Mich  fassen  kann,  mir  selbst  vertrauen  mag! 

ALFONS 

Antonio,  nein,  da  sei  nur  immer  ruhig, 

Ich  schreib'  es  dir  auf  keine  Weise  zu; 

Ich  kenne  nur  zu  gut  den  Sinn  des  Mannes, 

Und  weiß  nur  allzu  wohl,  was  ich  getan, 

Wie  sehr  ich  ihn  geschont,  wie  sehr  ich  ganz 

Verofessen,  daß  ich  eioentlich  an  ihn 

Zu  fordern  hätte.    Über  Vieles  kann 

Der  Mensch  zum  Herrn  sich  machen;  seinen  Sinn 

Bezwinget  kaum  die  Not  und  lange  Zeit. 

ANTONIO 

Wenn  andre  vieles  um  den  einen  tun, 
So  ist's  auch  billig,  daß  der  eine  wieder 
Sich  fleißig  frage,  was  den  andern  nützt. 
Wer  seinen  Geist  so  viel  gebildet  hat, 
Wer  jede  Wissenschaft  zusammengeizt, 
Und  jede  Kenntnis,  die  uns  zu  ergreifen 
Erlaubt  ist,  sollte  der,  sich  zu  beherrschen. 
Nicht  doppelt  schuldig  sein?   Und  denkt  er  dran? 

ALFONS 
Wir  sollen  eben  nicht  in  Ruhe  bleiben! 


104 


Gleich  wird  uns,  wenn  wir  zu  genießen  denken, 
Zur  Übung  unsrer  Tapferkeit  ein  Feind, 
Zur  Übung  der  Geduld  ein  Freund  gegeben. 

ANTONIO 

Die  erste  Pflicht  des  Menschen,  Speis'  und  Trank 

Zu  wählen,  da  ihn  die  Natur  so  eng 

Nicht  wie  das  Tier  beschränkt,  erfüllt  er  die? 

Und  läßt  er  nicht  vielmehr  sich  wie  ein  Kind 

Von  allem  reizen,  was  dem  Gaumen  schmeichelt? 

Wann  mischt  er  Wasser  unter  seinen  Wein? 

Gewürze,  süße  Sachen,  stark  Getränke, 

Eins  uin  das  andre  schlin-'t  er  hastig  ein. 

Und  dann  beklagt  er  seinen  trüben  Sinn, 

Sein  feurig  Hlut,  sein  allzu  heftig  Wesen, 

Und  schilt  auf  die  Natur  und  das  Geschick. 

Wie  bitter  und  wie  töricht  hab'  ich  ihn 

Nicht  oft  mit  seinem  Arzte  rechten  sehn; 

Zum  Lachen  fast,  war'  irgend  lächerlich. 

Was  einen  Menschen  i|uält  und  andre  plagt 

„Ich  fühle  dieses  l'bel,"  sagt  er  bänglich 

Und  \()li  X'erdruß.    „Was  rühmt  Ihr  Eure  Kunst? 

Schaft't  mir  Genesung!"    -  Gut!  \  ersetzt  der  Arzt, 

So  meitlet  das  und  das!  —  „Das  kann  ich  nicht."  — 

So  nehmet  diesen  Trank!  —  „O  nein!  der  schmeckt 

Abscheulich,  er  empört  mir  die  Natur."  - 

So  trinkt  denn  Wasser!  -   „Wasser?  Nimmemiehr! 

Ich  bin  so  wasserscheu  als  ein  Gebißner."  — 

So  ist  Euch  nicht  zu  helfen!    -  „Und  warum?"  — 

Das  Übel  wird  sich  stets  mit  Übeln  häufen. 

Und,  wenn  es  Euch  nicht  töten  kann,  nur  mehr 

Und  mehr  mit  jedem  Tag  Euch  quälen.  „Schön! 

Wofür  seid  Ihr  ein  Arzt?   Ihr  kennt  mein  Übel, 

Ihr  solltet  auch  die  Mittel  kennen,  sie 

Auch  schmackhaft  machen,  daß  ich  nicht  noch  erst, 

Der  Leiden  los  zu  sein,  recht  leiden  müsse." 

Du  lächelst  selbst,  und  doch  ist  es  gewiß. 

Du  hast  es  wohl  aus  seinem  Mund  gehört? 


105 


ALFONS 
Ich  hab'  es  oft  gehört  und  oft  entschuldigt. 


ANTONIO 

Es  ist  gewiß,  ein  ungemäßigt  Leben, 
Wie  es  uns  schwere  wilde  Träume  gibt, 
Macht  uns  zuletzt  am  hellen  Tage  träumen. 
Was  ist  sein  Arsjwohn  anders  als  ein  Traum? 
Wohin  er  tritt,  glaubt  er  von  Feinden  sich 
Umgeben.    Sein  Talent  kann  niemand  sehn. 
Der  ihn  nicht  neidet,  niemand  ihn  beneiden, 
Der  ihn  nicht  haßt  und  bitter  ihn  verfolQt. 
So  hat  er  oft  mit  Klagen  dich  belästigt: 
Erbrochne  Schlösser,  aufgefangne  Briefe, 
Und  Gift  und  Dolch!  Was  alles  vor  ihm  schwebt! 
Du  hast  es  untersuchen  lassen,  untersucht, 
Und  hast  du  ^vas  oefunden ?   Kaum  den  Schein. 
Der  Schutz  von  keinem  Fürsten  macht  ihn  sicher. 
Der  Busen  keines  Freundes  kann  ihn  laben. 
Und  willst  du  einem  solchen  Ruh'  und  Glück, 
W^illst  du  von  ihm  wohl  Freude  dir  versprechen? 

ALFONS 

Du  hättest  Recht,  Antonio,  wenn  in  ihm 
Ich  meinen  nächsten  Vorteil  suchen  wollte! 
Zwar  ist  es  schon  mein  Vorteil,  daß  ich  nicht 
Den  Nutzen  «rad  und  unbedinsjt  erwarte. 
Nicht  alles  dienet  uns  auf  gleiche  Weise; 
Wer  vieles  brauchen  will,  gebrauche  jedes 
In  seiner  Art,  so  ist  er  wohl  bedient. 
Das  haben  uns  die  Aledicis  gelehrt, 
Das  haben  uns  die  Päpste  selbst  gewiesen. 
Mit  welcher  Nachsicht,  welcher  fürstlichen 
Geduld  und  Langmut  trugen  diese  Männer 


Manch  groß  Talent,  das  ihrer  reichen  Gnade 
Nicht  zu  bedürfen  schien  und  doch  bedurfte! 

io6 


ANTONIO 

Wer  weiß  es  nicht,  mein  Fürst?    Des  Lebens  Mühe 

Lehrt  uns  allein  des  Lebens  Güter  schätzen. 

So  junj^^  hat  er  zu  \ieles  schon  erreicht, 

Als  daß  genügsam  er  genießen  könnte. 

( )  sollt'  er  erst  erwerben,  was  ihm  nun 

Mit  offnen  Iläiuien  angeboten  wird, 

llv  strengte  seine  Kräfte  männlich  an, 

Und  fühlte  sich  vcjn  .Schritt  /.u  .Schritt  bc'jnü'^t. 

Ein  armer  Edelmann  hat  schon  das  Ziel 

Von  seinem  besten  Wunsch  erreicht,  wenn  ihn 

Hin  edler  I'ürst  zu  seinem  Ilofi^enossen 

Erwählen  will,  und  ihn  der  Dürftigkeit 

Mit  milder  Ilantl  entzieht.    Schenkt  er  ihm  noch 

V'ertraun  und  Gunst,  und  will  an  seine  Seite 

Vor  andern  ihn  erheben,  sei's  im  Krieg, 

Sei's  in  Geschäften  otler  im  Gespräch, 

So,  dächt'  ich,  könnte  der  bescheidne  .Mann 

Sein  Glück  mit  stiller  Dankbarkeit  verehren. 

Und  Tasso  hat  zu  allem  diesem  noch 

Das  schönste  Glück  des  Jünglings,  daß  ihn  schon 

Sein  X'aterl.md  erkennt  und  auf  ihn  hofft. 

O  glaube  mir,  sein  launisch  .Nhßbehagen 

Ruht  auf  dem  breiten  Polster  seines  Glücks. 

Er  kommt,  entlaß  ihn  gnädig,  gib  ihm  Zeit, 

In  Rom  und  in  Neapel,  wo  er  will, 

Das  aufzusuchen,  was  er  hier  vermißt, 

Und  was  er  hier  nur  wiederfinden  kann. 


ALEONS 
Will  er  zurück  erst  nach  Ferrara  gehn? 

ANTONIO 

Er  wünscht  in  Belriguardo  zu  verweilen, 

Das  Nötigste,  was  er  zu  Reise  braucht, 

Will  er  durch  einen  Freund  sich  senden  lassen. 


107 


ALFONS 

Ich  bin's  zufrieden.   Meine  Schwester  geht 
Mit  ihrer  Freundin  gleich  zurück,  und  reitend 
Werd'  ich  vor  ihnen  noch  zu  Hause  sein. 
Du  folgst  uns  bald,  wenn  du  für  ihn  gesorgt. 
Dem  Kastellan  befiehl  das  Nötige, 
Daß  er  hier  auf  dem  Schlosse  bleiben  kann, 
Solang  er  will,  solang,  bis  seine  Freunde 
Ihm  das  Gepäck  gesendet,  bis  wir  ihm 
Die  Briefe  schicken,  die  ich  ihm  nach  Rom 
Zu  geben  willens  bin.    Er  kommt!    Leb'  wohl! 


ZWEITER  AUFTRITT 
ALFONS  •  TASSO 

TASSO 

mit  Zurückhaltung 

Die  Gnade,  die  du  mir  so  oft  bewiesen. 
Erscheinet  heute  mir  in  vollem  Licht. 
Du  hast  verziehen,  was  in  deiner  Nähe 
Ich  unbedacht  und  frevelhaft  beging. 
Du  hast  den  \\''idersacher  mir  versöhnt. 
Du  willst  erlauben,  daß  ich  eine  Zeit 
Von  deiner  Seite  mich  entferne,  willst 
Mir  deine  Gunst  großmütig  vorbehalten. 
Ich  scheide  nun  mit  völligem  Vertraun, 
Und  hoffe  still,  mich  soll  die  kleine  Frist 
Von  allem  heilen,  was  mich  jetzt  beklemmt. 
Es  soll  mein  Geist  aufs  neue  sich  erheben, 
Und  auf  dem  Wege,  den  ich  froh  und  kühn, 
Durch  deinen  Blick  ermuntert,  erst  betrat. 
Sich  deiner  Gunst  aufs  neue  würdig  machen. 

io8 


ALFONS 

Ich  wünsche  dir  zu  deiner  Reise  Glück, 

Und  hoffe,  dali  du  froh  und  ^-anz  geheilt 

L^ns  wiederkommen  wirst.    iXi  briu'j^st  uns  dann 

Den  doppelten  Gewinn  für  jede  Stunde, 

Die  du  uns  nun  entziehst,  vergnügt  zurück. 

Ich  gebe  Briefe  dir  an  meine  Leute, 

An  I'rcunde  dir  nach  Rom,  und  wünsche  sehr, 

Daß  du  dich  zu  den  Meinen  überall 

Zutraulich  halten  mögest,  wie  ich  dich 

Als  mein,  obgleich  entfernt,  gewiß  betrachte. 

TAS.S( ) 

Du  überhäufst,  o  I'ürst,  mit  Gnaden  den, 

Der  sich  unwürdig  fühlt,  und  selbst  zu  tianken 

In  diesem  Augenblicke  nicht  vermag. 

Anstatt  des  Danks  eröffn'  ich  eine  Bitte! 

Aiu  meisten  liegt  mir  mein  Gedicht  am  Herzen. 

Ich  habe  \iel  getan,  und  keine  Mühe 

l'nd  keinen  I'leili  ges|)art;  allein  es  bleibt 

Zu  \iel  mir  noch  zurück.    Ich  möchte  dort. 

Wo  noch  der  Geist  der  großen  Männer  schwebt. 

l'nd  wirksam  schwebt,  dort  möcht'  ich  in  die  Schule 

.Aufs  neue  mich  begeben;  würtliger 

Hrfreute  deines  Beifalls  sich  mein  Lied. 

O  gib  die  Blätter  mir  zurück,  die  ich 

Jet;:t  nur  beschämt  in  deinen  Händen  weiß! 

ALFONS 

Du  w  irst  mir  nicht  an  diesem  Tage  nehmen. 
Was  du  mir  kaum  an  diesem  Tag  gebracht. 
Laß  zw  ischen  dich  und  zwischen  dein  Gedicht 
Mich  als  \'ermittler  treten!  hüte  dich, 
Durch  strcnijen  Fleiß  die  liebliche  Natur 
Zu  kränken,  die  in  deinen  Reimen  lebt. 
Und  höre  nicht  auf  Rat  von  allen  Seiten! 
Die  tausendfältiiren  Gedanken  vieler 


109 


Verschiedner  Menschen,  die  im  Leben  sich 

Und  in  der  Meinung  widersprechen,  faßt 

Der  Dichter  kkig-  in  eins,  und  scheut  sich  nicht. 

Gar  manchem  zu  mißfallen,  daß  er  manchem 

Um  desto  mehr  gefallen  möge.   Doch 

Ich  sage  nicht,  daß  du  nicht  hie  und  da 

Bescheiden  deine  Feile  brauchen  solltest. 

Verspreche  dir  zugleich,  in  kurzer  Zeit 

Erhältst  du  abgeschrieben  dein  Gedicht. 

Es  bleibt  von  deiner  Hand  in  meinen  Händen, 

Damit  ich  seiner  erst  mit  meinen  Schwestern 

Mich  recht  erfreuen  möge.   Bringst  du  es 

Vollkommen  dann  zurück,  wir  werden  uns 

Des  höheren  Genusses  freun,  und  dich 

Bei  mancher  Stelle  nur  als  Freunde  warnen. 

TASSO 

Ich  wiederhole  nur  beschämt  die  Bitte: 
Laß  mich  die  Abschrift  eilig  haben!    Ganz 
Ruht  mein  Gemüt  auf  diesem  Werke  nun. 
Nun  muß  es  werden,  was  es  werden  kann. 

ALFONS 

Ich  billige  den  Trieb,  der  dich  beseelt! 
Doch,  guter  Tasso,  wenn  es  möglich  wäre. 
So  solltest  du  erst  eine  kurze  Zeit 
Der  freien  Welt  genießen,  dich  zerstreuen, 
Dein  Blut  durch  eine  Kur  verbessern.    Dir 
Gewährte  dann  die  schöne  Harmonie 
Der  hergestellten  Sinne,  was  du  nun 
Im  trüben  Eifer  nur  vergebens  suchst. 

TASSO 

Mein  Fürst,  so  scheint  es;  doch  ich  bin  gesund. 
Wenn  ich  mich  meinem  Fleiß  ergeben  kann. 
Und  so  macht  wieder  mich  mein  Fleiß  gesund. 
Du  hast  mich  lano-  gresehn:  mir  ist  nicht  wohl 
In  freier  Üppigkeit.    Mir  läßt  die  Ruh' 

1  IG 


Am  mindsten  Ruhe.    Dies  Gemüt  ist  nicht 
Von  der  Natur  bestimmt,  ich  fühl'  es  leider, 
Auf  weichem  Element  der  Tage  froh 
Ins  weite  Meer  der  Zeiten  hinzuschwimmen. 

ALFONS 

Dich  führet  alles,  was  du  sinnst  und  treibst. 
Tief  in  dich  selbst,    lls  liegt  um  uns  herum 
Gar  mancher  Abgrund,  den  das  Schicksal  grub; 
Doch  hier  in  unserm  Herzen  ist  der  tiefste. 
Und  reizend  ist  es,  sich  hinabzustürzen. 
Ich  bitte  dich,  entreiße  dich  dir  selbst! 
Der  Mensch  gew innt,  was  der  Poet  verliert 

TASS( ) 

Ich  halte  diesen  Drang  vergebens  auf, 
Der  Ta«''  und  Nacht  in  meinem  Busen  wechselt. 
Wenn  ich  nicht  sinnen  oder  dichten  soll. 
So  ist  das  Leben  mir  kein  Leben  mehr. 
Verbiete  du  dem  Seidenu  urm,  zu  spinnen, 
Wenn  er  sich  schon  dem  Tode  näher  .spinnt: 
Das  köstliche  Geweb'  entwickelt  er 
Aus  .seinem  Innersten,  und  läßt  nicht  ab. 
Bis  er  in  seinen  Sari"  sich  eiiiLicschlussen. 
O  oeiy  ein  i-uter  Gott  uns  auch  dereinst 
Das  Schicksal  des  beneidenswerten  Wurms, 
Im  neuen  Sonnental  die  Flügel  rasch 
Und  freudig  zu  entfalten! 

ALFONS 

Höre  mich! 
Du  gibst  so  Vielen  doppelten  Genuß 
Des  Lebens;  lern',  ich  bitte  dich, 
Den  Wert  des  Lebens  kennen,  das  du  noch 
Und  zehnfach  reich  besitzest!    Lebe  wohl! 
Je  eher  du  zu  uns  zurücke  kehrst, 
Je  schöner  wirst  du  uns  w  illkommen  sein. 


III 


DRITTER  AUFTRITT 

TASSO 

allein 

So  halte  fest,  mein  Herz,  so  war  es  recht! 
Es  wird  dir  schwer,  es  ist  das  erste  Mal, 
Daß  du  dich  so  verstellen  magst  und  kannst. 
Du  hörtest  wohl:  das  war  nicht  sein  Gemüt, 
Das  waren  seine  Worte  nicht;  mir  schien, 
Als  klänge  nur  Antonios  Stimme  wieder. 
O  Q-ib  nur  acht!    Du  wirst  sie  nun  so  fort 
Von  allen  Seiten  hören.    Fest,  nur  fest! 
Um  einen  AuQ-enblick  ist's  noch  zu  tun. 
Wer  spät  im  Leben  sich  verstellen  lernt, 
Der  hat  den  Schein  der  Ehrlichkeit  voraus. 
Es  wird  schon  gehn;  nur  übe  dich  mit  ihnen! 

Nach  einer  Pause 
Du  triumphierst  zu  früh,  dort  kommt  sie  her! 
Die  holde  Fürstin  kommt!  O  welch  Gefühl! 
Sie  tritt  herein;  es  löst  in  meinem  Busen 
Verdruß  und  Argwohn  sich  in  Schmerzen  auf 


VIERTER  AUFTRITT 

PRINZESSIN  •  TASSO 
Gegen  das  Ende  des  Auttritts  die  Übrigen 

PRINZESSIN 

Du  denkst  uns  zu  verlassen,  oder  bleibst 

Vielmehr  in  Belriguardo  noch  zurück, 

Und  willst  dich  dann  von  uns  entfernen,  Tasso? 

Ich  hoffe,  nur  auf  eine  kurze  Zeit. 

Du  oehst  nach  Rom? 

o 
I  12 


TASSO 

Ich  richte  meinen  Wee 
Zuerst  dahin,  inul  nehmen  meine  Treunde 
Mich  gütig  auf,  wie  ich  es  hoffen  darf. 
So  leg'  ich  da  mit  Sorgfalt  und  Geduld 
Vielleicht  die  letzte  Hand  an  mein  Gedicht. 
Ich  finde  \iele  Männer  d(jrt  versammelt, 
Die  Meister  aller  Art  sich  nennen  dürfen. 
Lind  spricht  in  jener  ersten  Stadt  der  Welt 
Nicht  jeder  Platz,  nicht  jeder  Stein  zu  uns? 
Wie  viele  tausend  stumme  Lehrer  winken 
In  ernster  Majestät  uns  freundlich  an! 
\^)llend'  ich  da  nicht  mein  Gedicht,  so  kann 
Ich's  nie  vollenden.    Leider,  ach,  schon  fühl'  ich, 
Mir  wird  /ai  keinem  l'nternehmen  Glück! 
Veränilem  werd'  ich  es,  vollenden  nie. 
Ich  führ,  ich  führ  es  wohl,  die  gnjße  Kunst, 
1  )ie  jetlen  nälirt,  tue  (.len  gesunden  Geist 
Stärkt  und  en|uickt,  w  ird  mich  zugrunde  richten, 
W-rtreiben  u  ird  sie  mich.    Ich  eile  fort! 
Xach  Xapel  will  ich  bald! 

pri.\zl:ssi.\ 

Darfst  du  es  wagen? 
Noch  ist  der  .strenge  Bann  nicht  aufgehoben, 
Der  dich  zugleich  mit  deinem  X'ater  traf 

TASS( ) 

1  )u  w  arnest  recht,  ich  hab'  es  schon  bedacht. 

X'erkleidet  ueh'  ich  hin,  den  armen  Rock 

Des  Pilijers  oder  Schäfers  zieh'  ich  an. 

Ich  schleiche  durch  die  SUidt,  wo  die  Bewegung 

Der  Tausende  den  einen  leicht  verbirgt. 

Ich  eile  nach  dem  Ufer,  finde  dort 

Gleich  einen  Kahn  mit  willig  guten  Leuten, 

Mit  Bauern,  die  zum  Markte  kamen,  nun 

Nach  Hause  kehren,  Leute  von  Sorrent; 


113 


Denn  ich  muß  nach  Sorrent  hinüber  eilen. 
Dort  \\'ohnet  meine  Schwester,  die  mit  mir 
Die  Schmerzensfreude  meiner  Eltern  war. 
Im  Schiffe  bin  ich  still,  und  trete  dann 
Auch  schweigend  an  das  Land,  ich  gehe  sacht 
Den  Pfad  hinauf,  und  an  dem  Tore  frag'  ich: 
Wo  wohnt  Cornelia?   Zeigt  mir  es  an! 
Cornelia  Sersale?   Freundlich  deutet 
Mir  eine  Spinnerin  die  Straße,  sie 
Bezeichnet  mir  das  Haus.    So  steig'  ich  \\eiter. 
Die  Kinder  laufen  nebenher  und  schauen 
Das  wilde  Haar,  den  düstern  Fremdling  an. 
So  komm'  ich  an  die  Schwelle.    Offen  steht 
Die  Türe  schon,  so  tret'  ich  in  das  Haus  — 

PRINZESSIN 

Blick'  auf,  o  Tasso,  wenn  es  möglich  ist. 
Erkenne  die  Gefahr,  in  der  du  schwebst! 
Ich  schone  dich,  denn  sonst  würd'  ich  dir  sagen: 
Ist's  edel,  so  zu  reden,  wie  du  sprichst? 
Ist's  edel,  nur  allein  an  sich  zu  denken. 
Als  kränktest  du  der  Freunde  Herzen  nicht? 
Ist's  dir  verborgen,  wie  mein  Bruder  denkt? 
Wie  beide  Schwestern  dich  zu  schätzen  wissen? 
Hast  du  es  nicht  empfunden  und  erkannt? 
Ist  alles  denn  in  wenig  Augenblicken 
Verändert?   Tasso!    Wenn  du  scheiden  willst, 
So  laß  uns  Schmerz  und  Sorge  nicht  zurück! 
Tasso  wendet  sich  weg 

Wie  tröstlich  ist  es,  einem  Freunde,  der 

Auf  eine  kurze  Zeit  verreisen  will. 

Ein  klein  Geschenk  zu  geben,  sei  es  nur 

Ein  neuer  Mantel  oder  eine  Waffe! 

Dir  kann  man  nichts  mehr  geben;  denn  du  wirfst 

Unwillig  alles  weg,  was  du  besitzest. 

Die  Pilo-ermuschel  und  den  schwarzen  Kittel, 

Den  langen  Stab  erwählst  du  dir,  und  gehst 

114 


iTciwilli'^  arm  tiahin,  und  nimmst  uns  wecr. 
Was  du  mit  uns  allein  j^^cnidicn  konntest. 

TASSü 

So  willst  du  mich  nicht  ^ranz  und  Lfar  verstoßen? 

ü  sülSes  Wort,  o  schc'incr.  teurer  Trost! 

Vertritt  mich!    Nimm  in  deinen  Schutz  mich  auf!  ■ 

Laß  mich  in  Helri<^aiardo  hier,  versetze 

Mich  nach  Consandoli,  wohin  du  willst! 

lis  hat  der  Fürst  so  manches  scheine  Schloß, 

So  manchen  ( iarten,  der  das  !;;an/.e  fahr 

Gewartet  w  irti,  und  ihr  betretet  kaum 

Ihn  einen  Ta;^^  vielleicht  nur  eine  Stunde. 

Ja,  wählet  den  entferntsten  aus,  den  ihr 

In  j^anzen  Jahren  nicht  Jjesuchen  i^eht, 

L'nd  tler  \ielleicht  jetzt  ohne  Sor^e  lie^^t: 

Dort  schickt  mich  hin!    Dort  laßt  mich  euer  sein. 

\\  ie  will  ich  deine  Bäume  pfle;^^en!  tlie  /Zitronen 

hn  Herbst  mit  Hrettern  und  mit  Zie,/eln  decken. 

Und  mit  \"eri)UiHlnem  Rohre  wohl  \erwahren! 

Hs  sollen  schöne  Hiumeii  in  tlen  Heeten 

Die  breiten  Wurzeln  schlagen;  rein  und  zierlich 

Soll  jeder  ( lan;^  unil  jedes  Fleckchen  sein. 

Unel  laßt  mir  auch  die  Sorij^e  des  Palastes! 

Ich  w  ill  zur  rechten  Zeit  die  Fenster  öffnen, 

Daß  Feuchtigkeit  nicht  tlen  Gemälden  schade; 

Die  schön  mit  Stuckatur  verzierten  Wände 

\\  ill  ich  mit  einem  leichten  Wedel  säubern; 

Es  soll  das  Fstrich  blank  und  reinlich  L^länzen; 

Es  soll  kein  Stein,  kein  Ziegel  sich  verrücken; 

Es  soll  kein  Gras  aus  einer  Ritze  keimen! 

PRINZESSIN 

Ich  finde  keinen  Rat  in  meinem  Busen, 
Und  finde  keinen  Trost  für  dich  und  —  uns. 
Mein  Aui-e  blickt  umher,  ob  nicht  ein  Gott 

O 

Uns  Hilfe  reichen  möchte,  möchte  mir 
Ein  heilsam  Kraut  entdecken,  einen  Trank, 


115 


Der  deinem  Sinne  Frieden  brächte,  Frieden  uns. 
Das  treuste  Wort,  das  von  der  Lippe  fließt. 
Das  schönste  Heikuü^smittel  wirkt  nicht  mehr. 
Ich  muß  dich  lassen,  und  verlassen  kann 
Mein  Herz  dich  nicht. 

TASSO 

Ihr  Götter,  ist  sie's  doch. 
Die  mit  dir  spricht  und  deiner  sich  erbarmt! 
Und  konntest  du  das  edle  Herz  verkennen? 
War's  möglich,  daß  in  ihrer  Gegenwart 
Der  Kleinmut  dich  ergriff  und  dich  bezwanef? 
Nein,  nein,  du  bist's!  und  nun,  ich  bin  es  auch. 
O  fahre  fort,  und  laß  mich  jeden  Trost 
Aus  deinem  Munde  hören!   Deinen  Rat 
Entzieh  mir  nicht!    O  sprich:  was  soll  ich  tun? 
Damit  dein  Bruder  mir  vergeben  könne. 
Damit  du  selbst  mir  gern  vergeben  mögest, 
Damit  ihr  wieder  zu  den  Euren  mich 
Mit  Freuden  zählen  möget?    Sag'  mir  an. 

PRLXZESSIN 

Gar  wenig  ist's,  was  wir  von  dir  verlangen; 

Und  dennoch  scheint  es  allzuviel  zu  sein. 

Du  sollst  dich  selbst  uns  freundlich  überlassen. 

Wir  wollen  nichts  von  dir,  w^as  du  nicht  bist. 

Wenn  du  nur  erst  dir  mit  dir  selbst  gefällst. 

Du  machst  uns  Freude,  wenn  du  Freude  hast, 

Und  du  betrübst  uns  nur,  wenn  du  sie  fliehst; 

Und  w^enn  du  uns  auch  ungeduldig  machst, 

So  ist  es  nur,  daß  wir  dir  helfen  möchten 

Und,  leider!  sehn,  daß  nicht  zu  helfen  ist. 

Wenn  du  nicht  selbst  des  Freundes  Hand  ergreifst, 

Die,  sehnlich  ausgereckt,  dich  nicht  erreicht. 

TASSO 

Du  bist  es  selbst,  wie  du  zum  erstenmal 
Ein  heil'ger  Engel,  mir  entgegen  kamst! 

ii6 


Verzeih  dem  trüben  Blick  des  Sterblichen, 

Wenn  er  auf  Auj^renblicke  tlich  verkannt. 

P>  kennt  tlich  w  ieder!    Ganz  eröffnet  sich 

Die  Seele,  nur  dich  ewig  zu  verehren. 

Hs  füllt  sich  ganz  das  Herz  von  Zärtlichkeit  - 

Sie  ist's,  sie  steht  v<jr  mir.    Welch  ein  (iefühl! 

Ist  es  Verirrung,  was  mich  nach  dir  zieht? 

Ist's  Raserei?    Ist's  ein  erhc'ihter  Sinn, 

I  )er  erst  die  hc'ichste,  reinste  Wahrheit  faßt? 

Ja,  es  ist  das  ( iefühl,  das  mich  allein 

Auf  dieser  Iirde  glücklich  machen  kann, 

Das  mich  allein  so  elend  werden  lieli. 

Wenn  ich  ihm  widcrstaml  um!  aus  dem  Herzen 

Hs  bannen  wollte.    Diese  Leidenschaft 

Gedacht'  ich  zu  i)ekämpfen,  stritt  uml  stritt 

Mit  meinem  tiefsten  Sein,  zcrst/irle  frech 

.Mein  eignes  Selbst,  tlem  du  so  ganz  gehörst  — 

PRINZESSIN 

Wenn  ich  dich,   Tasso,  länger  hören  soll. 
So  mäloige  die  (ilut,  die  mich  erschreckt 

TASSO 

Beschränkt  dir  Rand  des  Bechers  einen  Wein, 

Der  schäumenil  wallt  untl  l)rausend  überschwillt? 

Mit  jedem  Wort  erhöhest  du  mein  Glück, 

Mit  jeden\  Worte  glänzt  dein  Auge  heller 

Ich  fühle  mich  im  Innersten  verändert, 

Ich  fühle  mich  \  on  aller  Not  entladen. 

Frei  wie  ein  Gott,  und  alles  dank'  ich  dir! 

Unsägliche  Gewalt,  die  mich  beherrscht. 

Entfließet  deinen  Lippen;  ja,  du  machst 

Mich  ganz  dir  eigen.    Nichts  gehöret  mehr 

Von  meinem  ganzen  Ich  mir  künftig  an. 

Es  trübt  mein  Auge  sich  in  Glück  und  Licht, 

Es  schwankt  mein  Sinn.    Mich  hält  der  Fuß  nicht  mehr 

Unwiderstehlich  ziehst  du  mich  zu  dir, 

Und  unaufhaltsam  drinijt  mein  I lerz  dir  zu. 


1 1 


Du  hast  mich  ganz  auf  ewig  dir  gewonnen, 
So  nimm  denn  auch  mein  ganzes  Wesen  hin! 

Er  fällt  ihr  in  die  Arme  und  drückt  sie  fest  an  sich 


PRINZESSIN 
ihn  von  sich  stoßend  und  hinwegeilend 
Hinweg-.' 

LEONORE 

die  sich  schon  eine  Weile  im  Grunde  sehen  lassen,  herbeieilend 
Was  ist  geschehen?   Tasso!    Tasso! 
Sie  geht  der  Prinzessin  nach 


O  Gott! 


TASSO 
im  Begriff,  ihnen  zu  folgen 


ALFONS 
der  sich  schon  eine  Zeit  lang  mit  Antonio  genähert 
Er  kommt  von  Sinnen,  halt  ihn  fest! 

Ab 


FÜNFTER  AUFTRITT 
TASSO    •    ANTONIO 


ANTONIO 

O  stünde  jetzt,  so  wie  du  immer  glaubst. 
Daß  du  von  Feinden  rings  umgeben  bist. 
Ein  Feind  bei  dir,  wie  würd'  er  triumphieren! 
Unglücklicher,  noch  kaum  erhol'  ich  mich! 
Wenn  ganz  was  Unerwartetes  begegnet, 
W^enn  unser  Blick  was  Ungeheures  sieht, 

ii8 


Steht  unser  Geist  auf  eine  Weile  still: 

Wir  haben  nichts,  womit  w ir  das  vergleichen. 

lASSO 
nach  einer  lanc^en  Pause 

Vollende  nur  dein  Amt  —  ich  seh',  du  bist's! 
Ja,  du  verdienst  das  fürstliche  Vertraun; 
Vollende  nur  dein  Amt.  und  martre  mich, 
Da  mir  der  Stab  i.^'^eijrochen  ist,  nuch  lant^^sam 
Zu  Tode!    Ziehe!    Zieh  am  Pfeile  nur, 
Dal')  ich  den  Widerhaken  grimmig  fühle, 
Der  mich  zerfleischt! 

Du  bist  ein  teures  Werkzeug  des  Tyrannen; 
Sei  Kerkermeister,  sei  der  Marterknecht! 
Wie  wohl,  w ie  eigen  steht  dir  beides  an! 

Cie<:jen  die  Szene- 
Ja,  gehe  nur,  Tyrann!    Du  konntest  dich 
Nicht  bis  zuletzt  verstellen,  triumphiere! 
Du  hast  den  Sklaven  wohl  gekettet,  hast 
Ihn  wohl  gespart  zu  ausgedachten  Uualen: 
Geh  nur,  ich  hasse  tlich,  ich  fühle  ganz 
Den  Abscheu,  den  die  Ibermacht  erregt. 
Die  frevelhaft  und  ungerecht  ergreift. 

Nach  einer  Taiise 
So  seh'  ich  mich  am  Ende  denn  \erbannt. 
Verstol5en  und  \  erbannt  als  Bettler  hier! 
So  hat  man  mich  bekränzt,  um  mich  geschmückt 
Als  Opfertier  vor  den  Altar  zu  führen! 
So  lockte  man  mir  noch  am  letzten  Tage 
Mein  einzig  Higentum,  mir  mein  (iedicht 
Mit  ''latten  Worten  ab,  und  hielt  es  fest! 
Mein  einzig  Gut  ist  nun  in  euren  Händen, 
Das  mich  an  jedem  Drt  empfohlen  hätte. 
Das  mir  noch  blieb,  \om  Hunger  mich  zu  retten! 
Jetzt  seh'  ich  w  ohi,  warum  ich  feiern  soll. 
Es  ist  Verschw  örung,  und  du  bist  das  Haupt. 
Damit  mein  Lied  nur  nicht  xollkommner  werde, 
Dali  nur  mein  Name  sich  nicht  mehr  verbreite, 


119 


Daß  meine  Neider  tausend  Schwächen  finden, 
Daß  man  am  Ende  meiner  gar  vergesse, 
Drum  soll  ich  mich  zum  Müßiggang  gewöhnen. 
Drum  soll  ich  mich  und  meine  Sinne  schonen. 
O  werte  Freundschaft,  teure  Sorglichkeit! 
Abscheulich  dacht'  ich  die  Verschwörung  mir, 
Die  unsichtbar  und  rastlos  mich  umspann. 
Allein  abscheulicher  ist  es  geworden. 

Und  du,  Sirene!  die  du  mich  so  zart, 
So  himmlisch  angelockt,  ich  sehe  nun 
Dich  auf  einmal!    O  Gott,  warum  so  spät! 

Allein  wir  selbst  betrügen  uns  so  gern 
Und  ehren  die  Verworfnen,  die  uns  ehren. 
Die  Menschen  kennen  sich  einander  nicht; 
Nur  die  Galeerensklaven  kennen  sich, 
Die  eng  an  eine  Bank  geschmiedet  keuchen; 
Wo  keiner  was  zu  fordern  hat  und  keiner 
Was  zu  verlieren  hat,  die  kennen  sich; 
Wo  jeder  sich  für  einen  Schelmen  gibt 
Und  seineseleichen  auch  für  Schelmen  nimmt. 
Doch  wir  verkennen  nur  die  andern  höflich. 
Damit  sie  wieder  uns  verkennen  sollen. 

Wie  lang  verdeckte  mir  dein  heilig  Bild 
Die  Buhlerin,  die  kleine  Künste  treibt. 
Die  Maske  fällt:  Armiden  seh'  ich  nun 
Entblößt  von  allen  Reizen  —  ja,  du  bist's! 
Von  dir  hat  ahnungsvoll  mein  Lied  gesungen! 

Und  die  verschmitzte  kleine  Mittlerin! 

Wie  tief  erniedriot  seh'  ich  sie  vor  mir! 

Ich  höre  nun  die  leisen  Tritte  rauschen, 

Ich  kenne  nun  den  Kreis,  um  den  sie  schlich. 

Euch  alle  kenn'  ich!    Sei  mir  das  genug! 

Und  wenn  das  Elend  alles  mir  geraubt, 

So  preis'  ich's  doch:  die  Wahrheit  lehrt  es  mich. 


I20 


ANTONIO 

Ich  höre,  Tasso,  dich  mit  Staunen  an, 

So  sehr  ich  weiß,  wie  leicht  dein  rascher  Geist 

Von  einer  Grenze  zu  der  andern  schwankt. 

Besinne  dich!    Gebiete  dieser  Wut! 

Du  lästerst,  du  erlaubst  dir  Wort  auf  Wort, 

Das  deinen  Schmerzen  zu  verzeihen  ist, 

Doch  das  du  selbst  dir  nie  verzeihen  kannst. 

TASSO 

O  sprich  mir  nicht  mit  sanfter  Lippe  zu, 
Lalo  mich  kein  kluges  W(jrt  \(jn  dir  \ernehmcn! 
Laß  mir  das  dumpfe  Glück,  damit  ich  nicht 
Mich  erst  besinne,  dann  von  Sinnen  komme. 
Ich  fühle  mir  das  innerste  Gebein 
Zerschmettert,  und  ich  leb',  um  es  zu  fühlen. 
V^erzweiflung  faßt  mit  aller  Wut  mich  an. 
Und  in  der  Höllenqual,  die  mich  \  ernichtet, 
Wird  Lästrun»'-  nur  ein  leiser  Schmerzenslaut. 
Ich  will  hinweg!    Und  wenn  du  redlich  bist. 
So  zeiy'  es  mir,  und  lafi  mich  «'•leich  \"on  hinnen! 

ANTONIO 

Ich  werde  dich  in  dieser  Not  nicht  lassen; 
Und  wenn  es  ilir  an  Passung  ganz  gebricht. 
So  soll  mir's  an  Geduld  trewiß  nicht  fehlen. 


ö 


TASSO 
So  muß  ich  mich  dir  denn  gefangen  geben? 
Ich  gebe  mich,  und  so  ist  es  getan; 
Ich  w  iderstehe  nicht,  so  ist  mir  wohl.  - 
L'nd  laß  es  dann  mich  .schmerzlich  w  iederholen. 
Wie  schön  es  war,  was  ich  mir  selbst  verscherzte. 
Sie  «'-ehn  hinweij  —  O  Gott!  dort  seh'  ich  schon 
Den  Staub,  der  von  den  Wagen  sich  erhebt  — 
Die  Reiter  sind  voraus  —  Dort  fahren  sie. 
Dort  o-ehn  sie  hin!    Kam  ich  nicht  auch  daher?  — 


121 


Sie  sind  hinweg,  sie  sind  erzürnt  auf  mich. 

O  küßt'  ich  nur  noch  einmal  seine  Hand! 

O  daß  ich  nur  noch  Abschied  nehmen  könnte! 

Nur  einmal  noch  zu  sagen:  O  verzeiht! 

Nur  noch  zu  hören:  Geh,  dir  ist  verziehn! 

Allein  ich  hör'  es  nicht,  ich  hör'  es  nie.  — 

Ich  will  ja  gehn !    Laßt  mich  nur  Abschied  nehmen, 

Nur  Abschied  nehmen!    Gebt,  o  gebt  mir  nur 

Auf  einen  Augenblick  die  Gegenwart 

Zurück!    Vielleicht  genes'  ich  ^\  ieder.    Nein, 

Ich  bin  verstoßen,  bin  verbannt,  ich  habe 

Mich  selbst  verbannt;  ich  werde  diese  Stimme 

Nicht  mehr  vernehmen,  diesem  Blicke  nicht, 

Nicht  mehr  begegnen  — 

ANTONIO 

Laß  eines  Mannes  Stimme  dich  erinnern. 
Der  neben  dir  nicht  ohne  Rührung  steht! 
Du  bist  so  elend  nicht,  als  wie  du  glaubst. 
Ermanne  dich!    Du  gibst  zu  viel  dir  nach. 

TASSO 

Und  bin  ich  denn  so  elend,  wie  ich  scheine? 

Bin  ich  so  schwach,  wie  ich  vor  dir  mich  zeige? 

Ist  alles  denn  verloren?   Hat  der  Schmerz, 

Als  schütterte  der  Boden,  das  Gebäude 

In  einen  grausen  Haufen  Schutt  verwandelt? 

Ist  kein  Talent  mehr  übrig,  tausendfältig 

Mich  zu  zerstreun,  zu  unterstützen? 

Ist  alle  Kraft  erloschen,  die  sich  sonst 

In  meinem  Busen  reijte?    Bin  ich  Nichts? 

Ganz  Nichts  geworden? 

Nein,  es  ist  alles  da,  und  ich  bin  nichts; 

Ich  bin  mir  selbst  entwandt,  sie  ist  es  mir! 

ANTONIO 

Und  wenn  du  ganz  dich  zu  verlieren  scheinst, 
Vergleiche  dich!   Erkenne,  was  du  bist! 

122 


TASSU 

ja,  du  erinnerst  mich  zur  rechten  Zeit!  — 

Hilft  denn  kein  Heispiel  der  Geschichte  mehr? 

Stellt  sich  kein  edler  Mann  mir  xor  tiie  Aui^^en, 

Der  mehr  j^rclitten,  als  ich  jemals  litt, 

Damit  ich  mich  mit  ihm  ver'deichend  fasse? 

Nein,  alles  ist  dahin!  —  Nur  eines  bleibt: 

Die  Träne  hat  uns  die  Natiir  verliehen, 

Den  Schrei  des  Schmerzens,  wenn  der  Mann  zuletzt 

r.s  nicht  mehr  trät^^t  —  Und  mir  noch  über  alles  — 

Sie  lieI5  im  Schmerz  mir  Melodie  uiul  Rede, 

Die  tiefste  Mille  meiner  Not  zu  klaijen: 

Und  wenn  der  Mensch  in  seiner  Oual  \  erstumnit. 

Gab  mir  ein  Gott,  zu  sa<^en,  wie  ich  leide. 

Antonio  tritt  zu  ihm  und  nimmt  ihn  bei  der  Hand 

O  edler  Mann!    Du  stehest  fest  und  still, 

Ich  scheine  nur  die  sturmbewei^te  Welle. 

.\llein  bedenk'  und  überhebe  nicht 

Dich  deiner  Kraft!    Die  mächtige  Natur, 

Die  diesen  Felsen  gründete,  hat  auch 

Der  Welle  die  Beweglichkeit  «fe<feben. 

Sie  sendet  ihren  Sturm,  die  Welle  flieht 

Und  schwankt  und  schw  illt  und  beugt  sich  schäumend  über. 

In  dieser  W^oge  spiegelte  so  schön 

Die  Sonne  sich,  es  ruhten  die  Gestirne 

An  dieser  Brust,  die  zärtlich  sich  bew  egte. 

Verschw  unden  ist  der  Glanz,  entflohn  die  Ruhe.  — 

kh  kenne  mich  in  der  Gefahr  nicht  mehr, 

L'nd  schäme  mich  nicht  mehr,  es  zu  bekennen. 

Zerbrochen  ist  das  Steuer,  und  es  kracht 

Das  Schiff  an  allen  Seiten.    Berstend  reifol 

Der  Boden  unter  meinen  Füfien  auf! 

Ich  fasse  dich  mit  beiden  Armen  an! 

So  klammert  sich  der  Schiffer  endlich  noch 

Am  Felsen  fest,  an  dem  er  scheitern  sollte. 


123 


DIESES  BUCH  WLRDE  ALS  ERSTES 
DER  D RUGU LI N -DRUCKE  FÜR  DEN 
VERLAG  ERNST  ROWOHLT  IX  LIiIl'ZIG 
IM  SI':i'TIiMHL:R  19 lo  IN  DER  OEFIZIX 
\V.  DRUGULIN  IX  LEIPZIG  GEDRUCKT.