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Presented to ihe
LIBRARY ofthe
UNIVERSITY OF TORONTO
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JULIE LAMDMANN
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TORQUATO TASSO
EIN SCHAUSPIEL
VON
GOETHE
Personen Verzeichnis
Alfon«; der Zweite, Tierzog von Ferrara
Leonore von Este, Schwester des Herzogs
Leonore Sanvitalc, firäfin \on Scandiano
Torquato Tasso
Antonio Montecatinn, Staatssekretär
Der Schauplatz ist auf Bciriguardo, einem Lustschlosse
ERSTER AUFZUG
Gartenplat^, mit Hermen der epischen Dichter geziert
Vorn an der Szene zur Rechten \ irgil, zur Linken Ariost
D
E.RSTF,R AUl TRITT
PRINZESSIN • LEüNüRE
PRINZESSIN
siehst mich lächelnd an, Eleonore,
1 nd siehst ilich sell)er an und lächelst w Jeder.
Was hast du? Eaß es eine Freundin wissen!
Du scheinst bedenklich, doch du scheinst xer-jnütrt.
LEOXORE
Ja, meine Fürstin, mit X'er^nüy^en seh' ich
Uns beide hier so läntilich ausgeschmückt.
\\"\v scheinen reciit beglückte Schäferinnen,
Und sind auch wie die Glücklichen beschäftigt.
Wir winden Kränze. Dieser, bunt \<)n Blumen,
Schwillt immer mehr und mehr in meiner ILuul;
Du hast mit höherm Sinn und L-röIierm Herzen
Den zarten schlanken Lorbeer dir gew ählt.
PRI\ZI-:SSI\
Die Zweige, die ich in Gedanken flocht,
Sie haben gleich ein würdig Haupt gefunden:
Ich setze sie X'irgilen dankbar auf.
Sie kriinzt ditt 1 lorine V'irgils
LEONORE
So drück' ich meinen \'olIen frohen Kranz
Dem Meister Ludwig auf die hohe Stime —
Sie kriiiizt Ariostens Herme
Er, dessen Scherze nie verblühen, habe
Gleich von dem neuen Frühling seinen Teil.
PRINZESSIN
Mein Bruder ist gefällig, daß er uns
In diesen Tagen schon aufs Land gebracht:
Wir können unser sein und stundenlang
Uns in die goldne Zeit der Dichter träumen.
Ich liebe Belriguardo, denn ich habe
Hier manchen Tag der Jugend froh durchlebt,
Und dieses neue Grün und diese Sonne
Bringt das Gefühl mir jener Zeit zurück.
LEONORE
Ja, es umgibt uns eine neue Welt!
Der Schatten dieser immer grünen Bäume
Wird schon erfreulich. Schon erquickt uns wieder
Das Rauschen dieser Brunnen. Schwankend wiegen
Im Morgenwinde sich die jungen Zweige.
Die Blumen von den Beeten schauen uns
Mit ihren KinderauQ-en freundlich an.
Der Gärtner deckt getrost das Winterhaus
Schon der Zitronen und Orangen ab.
Der blaue Himmel ruhet über uns,
Und an dem Horizonte löst der Schnee
Der fernen Ber^je sich in leisen Duft.
PRINZESSIN
Es wäre mir der Frühling sehr willkommen,
Wenn er nicht meine Freundin mir entführte.
LEONORE
Erinnre mich in diesen holden Stunden,
O Fürstin, nicht, wie bald ich scheiden soll.
PRINZESSIN
Was du verlassen magst, das findest du
In jener großen Stadt gedoppelt wieder.
LEONORH
Es ruft die Pflicht, es ruft die Liebe mich
Zu dem Gemahl, der mich so lang entbehrt.
Ich brinj^' ihm seinen Sohn, der dieses Jahr
So schnell ''^ewachsen, schnell sich ausfiel »ildet,
Und teile seine väterliche Freude.
Groß ist Florenz und herrlich, doch der Wert
Von allen seinen aufgehäuften Schät/.en
Reicht an Ferraras Edelsteine nicht
Das \'olk hat jene St;idt zur Stadt gemacht,
Ferrara w ard durch seine Fürsten j/roiä.
ö*
PRINZESSIN
Mehr durch die guten Menschen, die sich hier
Durch Zufili trafen und zum Glück \erbaiiden.
LEUNÜRE
Sehr leicht zerstreut der Zufall, u as er .sammelt.
FJn edler Mensch zieht edle .Menschen an
V\k\ weiß sie festzuhalten, w ie ihr tut.
Um deinen Prüder und um dich \ erbinden
Gemüter sich, die euer würdig sind,
L'nd ihr seitl eurer grof5en \'äter wert.
I liei- züntlete sich froh das schöne Licht
Der Wissenschaft, des freien Denkens an,
Als noch die Barbarei mit schwerer Dämmrung
Die Welt umher verbarg. Mir klang als Kind
Der Name 1 lerkules von F!ste schon.
Schon HijipolNt \"on F'ste voll ins Ohr.
Ferrara ward mit Rom und mit Florenz
V^on meinem Vater viel gepriesen! Oft
Hab' ich mich hingesehnt; nun bin ich da.
Hier ward Petrarch bewirtet, hier gepflegt,
Und Ariost fand seine Muster hier.
Italien nennt keinen großen Namen,
Den dieses Haus nicht seinen Gast genannt.
Und es i.st vorteilhaft, den Genius
Bewirten: tribst du ihm ein Gasttreschenk,
So läßt er dir ein schöneres zurück.
Die Stätte, die ein guter Mensch betrat,
Ist eingeweiht; nach hundert Jahren klingt
Sein Wort und seine Tat dem Enkel wieder.
PRINZESSIN
Dem Enkel, wenn er lebhaft fühlt wie du.
Gar oft beneid' ich dich um dieses Glück.
LEONORE
Das du, wie wenig andre, still und rein
Genießest. Drängt mich doch das volle Herz,
Sogleich zu sag-en, was ich lebhaft fühle;
Du fühlst es besser, fühlst es tief und — sch\\'eigst.
Dich blendet nicht der Schein des Augenblicks,
Der Witz besticht dich nicht, die Schmeichelei
Schmieet sich verpebens künstlich an dein Ohr:
Fest bleibt dein Sinn und richtig dein Geschmack,
Dein Urteil grad, stets ist dein Anteil groß
Am Großen, das du wie dich selbst erkennst.
PRINZESSIN
Du solltest dieser höchsten Schmeichelei
Nicht das Gewand vertrauter Freundschaft leihen.
LEONORE
Die Freundschaft ist gerecht, sie kann allein
Den ganzen Umfanof deines Werts erkennen.
Und laß mich der Gelegenheit, dem Glück
Auch ihren Teil an deiner Bildung geben:
Du hast sie doch, und bist's am Ende doch,
Und dich mit deiner Schwester ehrt die Welt
Vor allen großen Frauen eurer Zeit.
PRINZESSIN
Mich kann das, Leonore, wenig rühren,
Wenn ich bedenke, wie man wenig ist,
Und u as man ist, das blieb man andern schuldig.
Die Kenntnis alter Sprachen und des Besten,
Was uns die Vorwelt ließ, dank' ich der Mutter;
Doch war an W'issenschaft, an rechtem Sinn
Ihr keine beider Töchter jemals gleich;
Und soll sich eine ja mit ihr \ergieichen,
So hat Lucretia gewiß das Recht
Auch, kann ich dir versichern, hab' ich nie
Als Rang und als Besitz betrachtet, was
Mir die Natur, was mir das Cilück \erlieh.
Ich freue mich, wenn kluge Männer sprechen,
Daß ich \erstehen kann, wie sie es meinen.
Es sei ein Urteil über einen Mann
Der alten Zeit und seiner Taten Wert;
Es sei von einer W'issenschaft tue Rede,
Die, durch Erfahrung w eiter ausgebreitet,
Dem Menschen nutzt, indem sie ihn erhebt:
Wohin sich das ( besprach der Edlen lenkt.
Ich folije ''■ern, denn mir wird leicht, zu fol'-'en.
Ich h(")re gern tlem .Streit der Klugen /.u,
Wenn um die Kräfte, die des Menschen Hrust
So freundlich und so fürchterlich bewegen,
Mit Grazie ilie Rednerlip|)e spielt;
Gern, wenn ilie fürstliche Begier des Ruhms,
Des ausgebreiteten Besitzes, Stoff
Dem Denker wird, und wenn die feine Klugheit,
Von einem klugen Manne zart entwickelt.
Statt uns zu hintergehen, uns belehrt.
LEONOl^
Und dann, nach dieser ernsten Unterhaltung,
Ruht unser Ohr und unser innrer Sinn
Gar freundlich auf des Dichters Reimen aus,
Der uns die letzten lieblichsten Gefühle
Mit holden Tönen in die Seele flößt.
Dein hoher Geist umfaßt ein weites Reich,
Ich halte mich am liebsten auf der Insel
Der Poesie in Lorbeerhainen auf
PRINZESSIN
In diesem schönen Lande, hat man mir
Versichern ^^■ollen, wächst vor andern Bäumen
Die Myrte gern. Und wenn der Musen gleich
Gar viele sind, so sucht man unter ihnen
Sich seltner eine Freundin und Gespielin,
Als man dem Dichter gern begegnen mag.
Der uns zu meiden, ja zu fliehen scheint,
Etwas zu suchen scheint, das wir nicht kennen
Und er vielleicht am Ende selbst nicht kennt.
Da war' es denn ganz artig, wenn er uns
Zur guten Stunde träfe, schnell entzückt
Uns für den Schatz erkennte, den er lang
Vergebens in der \\eiten Welt gesucht.
LEONORE
Ich muß mir deinen Scherz gefallen lassen.
Er trifft mich zwar, doch trifft er mich nicht tief
Ich ehre jeden Mann und sein Verdienst,
Und ich bin (jesjen Tasso nur tjerecht.
Sein Auge weilt auf dieser Erde kaum ;
Sein Ohr vernimmt den Einklang der Natur;
Was die Geschichte reicht, das Leben giljt,
Sein Busen nimmt es oleich und ^\■illi^■ auf:
Das weit Zerstreute sammelt sein Gemüt,
Und sein Gefühl belebt das Unbelebte.
Oft adelt er, was uns gemein erschien.
Und das Geschätzte \\'ird vor ihm zu nichts.
In diesem eignen Zauberkreise wandelt
Der wunderbare Mann und zieht uns an.
Mit ihm zu \\andeln, teil an ihm zu nehmen:
Er scheint sich uns zu nahn, und bleibt uns fern;
Er scheint uns anzusehn, und Geister mögen
An unsrer Stelle seltsam ihm erscheinen.
PRINZESSIN
Du hast den Dichter fein und zart ^geschildert,
Der in den Reichen süßer Träume schw ebt.
Allein mir scheint auch ihn das Wirkliche
Geu altsani an/uziehn und festzuhalten.
Die schönen Lieder, die an unsem Bäumen
Wir hin und wieder an;^eheftet finden,
Die, güldnen Apfehi gleich, ein neu Hespcrien
Uns duftend bilden, erkennst tlu sie nicht alle
Für h(jlde l'rüchte einer wahren Liebe?
LI'ONÜRE
Ich freue mich tler sch()nen Blätter auch.
.Nht mamiigfalt'gem (leist \erherrlicht er
Hin cinzi<' Bild in allen seinen Reimen.
Bald hebt er es in lichter (ilorie
Zum Sternenhimmel auf, beugt sich verehrend
Wie Hngel über Wolken \(»r dem Bilde;
Dann schleicht er ihm durch stille l'luren nach,
L nd jeile Blume w indet er zum Kranz.
Lntfernt sich die \ 'erehrte, heiligt er
Den Pfad, den leis ihr schr)ner l'uli betrat.
X'ersteckt im Busche, gleich iler .Nachtigall,
I'üllt er aus einem liebekranken Busen
.Mit seiner Klaijen Wohllaut Ilain und Luft:
Sein reizend Leid, die scl'ge Schwermut lockt
Fan jedes (Jhr, und jedes Uhr mul5 nach —
PRLXZHSSIN
Und w enn er seinen Gegenstand benennt.
So <'ibt er ihm den Namen Leonore.
LIiO.XORE
Es ist dein Xame, w ie es meiner ist
Ich nahm' es übel, \\ enn's ein andrer wäre.
Mich freut es, daß er sein Gefühl für dich
In diesem Doppelsinn verbergen kann.
Ich bin zufrieden, daß er meiner auch
Bei dieses Namens holdem Klang gedenkt
Hier ist die Frage nicht von einer Liebe,
Die sich des Gegenstands bemeistem will,
Ausschließend ihn besitzen, eifersüchtig
Den Anblick jedem andern wehren möchte.
Wenn er in seliger Betrachtung sich
Mit deinem Wert beschäftigt, mag er auch
An meinem leichtern Wesen sich erfreun.
Uns liebt er nicht, — verzeih, daß ich es sage! —
Aus allen Sphären trägt er, was er liebt.
Auf einen Namen nieder, den wir führen,
Und sein Gefühl teilt er uns mit; wir scheinen
Den Mann zu lieben, und wir lieben nur
Mit ihm das Höchste, was wir lieben können.
PRINZESSIN
Du hast dich sehr in diese Wissenschaft
Vertieft, Eleonore, sagst mir Dinge,
Die mir beinahe nur das Ohr berühren
Und in die Seele kaum noch übergehn.
LEONORE
Du, Schülerin des Plato! nicht begreifen,
Was dir ein Neuling vorzuschwatzen wagt?
Es müßte sein, daß ich zu sehr mich irrte;
Doch irr' ich auch nicht <>anz, ich weiß es wohl.
Die Liebe zeitjt in dieser holden Schule
Sich nicht, wie sonst, als ein verwöhntes Kind:
Es ist der Jüngling, der mit Psychen sich
Vermählte, der im Rat der Götter Sitz
Und Stimme hat. Er tobt nicht frevelhaft
Von einer Brust zur andern hin und her;
Er heftet sich an Schönheit und Gestalt
Nicht gleich mit süßem Irrtum fest, und büßet
Nicht schnellen Rausch mit Ekel und Verdruß.
PRINZESSIN
Da kommt mein Bruder! Laß uns nicht verraten.
Wohin sich wieder das Gespräch gelenkt:
Wir \vürden seinen Scherz zu trasxen haben.
Wie unsre Kleidung seinen Spott erfuhr.
8
ZWEITER AUFTRITT
PRINZESSIN • LEONORE • ALFONS
ALFONS
Ich suche Tasso, den ich nirgends finde,
Und trefif' ihn — hier sos^ar bei euch nicht an.
Krinnt ihr \<tn ihm mir keine Nachricht treben?
PRINZESSIN
Ich sah ihn gestern wenig, heute nicht.
ALFONS
Es ist ein aller l-chier, dal5 er mehr
Die Einsamkeit als die Gesellschaft sucht.
Verzeih' ich ihm, warn er den bunten .Schwann
Der -Menschen flieht und lieber frei im stillen
Mit seinem Geist sich unterhalten mag,
St) kann ich lioch nicht loljen, dal-i er selbst
Den Kreis \ ermeidet, den die Freunde schlielien.
T.FONORE
Irr' ich mich nicht, so wirst du bald, o Fürst,
Den iadel in ein frohes Lob \ erwandeln.
Ich sah ihn heut xon fern: er hielt ein Buch
Und eine Tafel, schriel) un^l '"ing und schrieb.
Ein flüchtig Wort, das er mir gestern sagte,
Schien mir sein Werk vollendet aiuukünden.
Er sorgt nur. kleine Z-ü'^c zu \erbessern.
Um deiner I luld, die ihm so \iel gew ährt,
Ein würdig Opfer endlich darzubringen.
ALFONS
Er soll willkommen sein, wenn er es bringt,
Und losgesprochen sein auf lange Zeit.
So sehr ich teil an seiner Arbeit nehme.
So sehr in manchem Sinn das große Werk
Mich freut und freuen muß, so sehr vermehrt
Sich auch zuletzt die Ungeduld in mir.
Er kann nicht enden, kann nicht fertig a\ erden,
Er ändert stets, ruckt langsam weiter vor.
Steht wieder still, er hintergeht die Hoffnung:
Unwillio- sieht man den Genuß entfernt
In späte Zeit, den man so nah geglaubt.
PRINZESSIN
Ich lobe die Bescheidenheit, die Sorge,
Womit er Schritt vor Schritt zum Ziele geht.
Nur durch die Gunst der Musen schließen sich
So viele Reime fest in eins zusammen;
Und seine Seele hegt nur diesen Trieb,
Es soll sich sein Gedicht zum Ganzen runden.
Er will nicht Märchen über Märchen häufen.
Die reizend unterhalten und zuletzt
Wie lose Worte nur verklinoend täuschen.
Laß ihn, mein Bruder! denn es ist die Zeit
Von einem guten Werke nicht das Maß;
Und wenn die Nachwelt mitgenießen soll.
So muß des Künstlers Mitwelt sich vergessen.
ALFONS
Laß uns zusammen, liebe Schwester, wirken.
Wie wir zu beider Vorteil oft getan!
Wenn ich zu eifrig' bin, so lindre du:
Und bist du zu gelind, so \\ill ich treiben.
Wir sehen dann auf einmal ihn vielleicht
Am Ziel, wo wir ihn lang gewünscht zu sehn.
Dann soll das Vaterland, es soll die Welt
Erstaunen, welch ein Werk vollendet worden.
Ich nehme meinen Teil des Ruhms davon,
Und er wird in das Leben eingeführt.
Ein edler Mensch kann einem engen Kreise
Nicht seine Bildung danken. Vaterland
Und Welt muß auf ihn wirken. Ruhm und Tadel
Muß er ertragen lernen. Sich und andere
IG
Wird er cfezwungfen recht zu kennen. Ihn
Wiegt nicht die Einsamkeit mehr schmeichelnd ein.
Es will der Feind — es darf der Freund nicht schonen;
Dann übt der Jüngling streitend seine Kräfte,
I'ühlt, was er ist, und fühlt sich bald ein Mann.
LE(JN(JRE ■
So wirst du, I lerr, für ihn noch alles tun,
Wie du bisher für ihn schon viel i/et:in.
Es bildet ein Talent sich in der Stille,
Sich ein Charakter in dem Strom der Welt.
O daf') er sein (iemüt wie .seine Kunst
An deinen Lehren bilde! dal') er nicht
Die Menschen länger meide, dali sein Argwohn
Sich nicht /ulet/t in Furcht und Ilali \erwandle!
ALI'UNS
Die Menschen fürchtet nur, wer sie nicht kennt,
l'nd wer sie meidet, \\'\i\\ sie l)akl \erkcnnen.
Das ist sein I-~all, und so wird nach und nach
Ein frei Gemüt \erw i^rren und i-efesselt.
So ist er oft um meine Gunst besorgt,
Weit mehr, als es ihm ziemte; gegen \'iele
Hegt er ein Mißtraun, tlie, ich weil.*» es sicher,
Nicht seine I-einde sintl. Ik'gegnet ja,
Dal') sich ein Hrief \ erirrt, dal5 ein Hetlienter
Aus seinem Dienst in einen andern geht,
Dafi) ein Paj^ier aus seinen Händen kommt,
(^ileich sieht er Absicht, sieht \'erräterei
L nd Tücke, die sein Schicksal untergräbt,
PRINZESSIN
Lalo uns, geliebter Bruder, nicht vergessen,
Daß von sich selbst der Mensch nicht scheiden kann.
Und wenn ein Freund, der mit uns wandeln sollte,
Sich einen Fuß beschädigte, w ir würden
Doch lieber lancfsam grehn und unsre Hand
Ihm orern und williir leihen.
II
ALFONS
Besser wär's,
Wenn wir ihn heilen könnten, lieber gleich
Auf treuen Rat des Arztes eine Kur
Versuchten, dann mit dem Geheilten froh
Den neuen Weg des frischen Lebens gingen.
Doch hoff' ich, meine Lieben, daß ich nie
Die Schuld des rauhen Arztes auf mich lade.
Ich tue, was ich kann, um .Sicherheit
Und Zutraun seinem Busen einzuprägen.
Ich geb' ihm oft in Gegenwart von vielen
Entschiedne Zeichen meiner Gunst. Beklagt
Er sich bei mir, so lass' ich's untersuchen.
Wie ich es tat, als er sein Zimmer neulich
Erbrochen glaubte. Läßt sich nichts entdecken.
So zeig' ich ihm gelassen, wie ich's sehe;
Und da man alles üben muß, so üb' ich,
Weil er's verdient, an Tasso die Geduld:
Und ihr, ich weiß es, steht mir willig bei.
Ich hab' euch nun aufs Land gebracht und gehe
Heut abend nach der Stadt zurück. Ihr werdet
Auf einen Auo-enblick Antonio sehen;
Er kommt von Rom und holt mich ab. Wir haben
Viel auszureden, abzutun. Entschlüsse
Sind nun zu fassen, Briefe viel zu schreiben:
Das alles nötigt mich zur Stadt zurück.
PRINZESSIN
Erlaubst du uns, daß wir dich hinbegleiten?
ALFONS
Bleibt nur in Belriguardo, geht zusammen
Hinüber nach Consandoli! Genießt
Der schönen Taq^e oranz nach freier Lust.
PRINZESSIN
Du kannst nicht bei uns bleiben? die Geschäfte
Nicht hier so gut als in der Stadt verrichten?
12
LEOXORH
Du führst uns gleich Antonio hinweg-.
Der uns von Rom so viel erzählen sollte?
ALFONS
Es geht nicht an, ihr Kinder; doch ich komme
Mit ihm so bald, als nn'igiich ist, zurück:
Dann soll er euch erzählen, und ihr sollt
Mir ihn belohnen helfen, der so viel
In meinem Dienst aufs neue sich bemüht.
Und hal)en wir uns wieder ausgesprochen,
So mag der Schwärm dann kommen. dal5 es lustig
In unsern ( iärten w enle, dal') auch mir,
Wie billig, eine Schtinheit in tlem Kühlen,
Wenn ich sie suche, gern begegnen niag.
LFOXORIt
\\ ir wollen freumllich durch tlie I'inger sehen.
ALFONS
Dagegen wißt ihr. tiali ich schonen kann.
PRIXZliSSIX
nach der Szene gekehrt
Schon Ian>.re seh' ich Tasso kommen. Lan'-sam
Bewegt er seine Schritte, steht bisw eilen
Auf einmal still, w ie unentschlos.sen, geht
Dann w ieder schneller auf uns los, und weilt
Schon wieder.
ALFONS
Stört ihn, wenn er denkt und dichtet,
In seinen Träumen nicht und lalit ihn wandeln.
LEONORE
Nein, er hat uns gesehn, er kommt hierher.
13
DRITTER AUFTRITT
PRINZESSIN • LEONORE • ALFONS • TASSO
TASSO
mit einem Buche in Pergament geheftet
Ich komme langsam, dir ein Werk zu bringen,
Und zaudre noch, es dir zu überreichen.
Ich \veiß zu wohl, noch bleibt es unvollendet,
Wenn es auch cfleich "-eendio-t scheinen möchte.
Allein, war ich besorgt, es unvollkommen
Dir hinzugeben, so bezwingt mich nun
Die neue Sorge: Möcht' ich doch nicht gern
Zu ängstlich, möcht' ich nicht undankbar scheinen.
Und wie der Mensch nur sao'en kann: Hie bin ich!
Daß Freunde seiner schonend sich erfreuen.
So kann ich auch nur sagen: Nimm es hin!
Er übergibt den Band
ALFONS
Du überraschest mich mit deiner Gabe
Und machst mir diesen schönen Tag zum Fest.
So half ich's endlich denn in meinen Händen,
Und nenn' es in gewissem Sinne mein!
Lang wünscht' ich schon, du möchtest dich entschließen
Und endlich sagen: Hier! es ist genug.
TASSO
Wenn ihr zufrieden seid, so ist's vollkommen;
Denn euch gehört es zu in jedem Sinn.
Betrachtet' ich den Fleiß, den ich verwendet,
Sah ich die Züge meiner P'"eder an.
So könnt' ich sagen: dieses Werk ist mein.
Doch seh' ich näher an, \\'as dieser Dichtung
Den innren Wert und ihre Würde gibt.
Erkenn' ich \\'ohl, ich hab' es nur von euch.
Wenn die Natur der Dichtung holde Gabe
14
Aus reicher Willkür freundlich mir j^^eschenkt,
So hatte mich das eiy^ensinn'i^re Glück
Mit grimmiger Gewalt von sich gestoßen;
Und zog die schöne Welt den Blick des Knaben
Mit ihrer ganzen Fülle heirlich an,
So trübte bald den jugendlichen Sinn
Der teuren liltern un\erdiente Not
Eröffnete die Lippe sich, zu singen.
So fl(;f5 ein traurig Lied \on ihr herab,
Und ich begleitete mit leisen Tönen
Des Vaters Schmerzen und der Mutter (Jual.
Du warst allein, der aus dem engen Leben
Zu einer schönen I'reiheit mich crh<^b;
Der jede Sorge mir xom Haupte nahm.
Mir IVeiheit gab, dali meine Seele sich
Zu mutigem Gesang entfalten kunntc:
Und welchen Preis nun auch mein Werk erhält,
l{uch tlank' ich ihn; ilenn euch gehcirt es zu.
AIJ'ONS
Zum zweitenmal \erdienst du jedes Lob,
l lul ehrst bescheiden dich und uns zugleich.
TASSO
U, kt'innt' ich sagen, w ie ich lebhaft fühle,
Daß ich von euch nur habe, was ich bringe!
Der tatenlose Jüngling — nahm er wohl
Die Dichtung aus sich selbst? Die kluge Leitung
Des raschen Krieges — hat er die ersonnen?
Die Kunst der \\ äffen, die ein jeder Held
An dem beschiednen Tage kräftig zeigt,
Des Feldherrn Klugheit und der Ritter Mut,
Und wie sich List und Wachsamkeit bekämpft:
Hast du mir nicht, o kluger, tapfrer Fürst,
Das alles eingetlößt, als w ärest du
Mein Genius, der eine Freude fände,
Sein hohes, unenx'ichbar hohes Wesen
Durch einen Sterblichen zu offenbaren?
15
PRINZESSIN
Genieße nun des Werks, das uns erfreut!
ALFONS
Erfreue dich des Beifalls jedes Guten!
LEONORE
Des allgemeinen Ruhms erfreue dich!
TASSO
Mir ist an diesem Augenblick Q-enusf.
An euch nur dacht' ich, wenn ich sann und schrieb;
Euch zu gefallen war mein höchster Wunsch,
Euch zu ergötzen war mein letzter Zweck.
Wer nicht die Welt in seinen Freunden sieht,
Verdient nicht, daß die Welt von ihm erfahre.
Hier ist mein Vaterland, hier ist der Kreis,
In dem sich meine Seele gern verweilt.
Hier horch' ich auf, hier acht' ich jeden Wink.
Hier spricht Erfahrung, W'issenschaft, Geschmack!
Ja, Welt und Nach\\'elt seh' ich \'or mir stehn.
Die Menge macht den Künstler irr und scheu:
Nur wer euch ähnlich ist, versteht und fühlt.
Nur der allein soll richten und belohnen!
ALFONS
Und stellen wir denn Welt und Nachwelt \'or.
So ziemt es nicht, nur müßig zu empfangen.
Das schöne Zeichen, das den Dichter ehrt,
Das selbst der Held, der seiner stets bedarf,
Ihm ohne Neid um's Haupt gewunden sieht,
Erblick' ich hier auf deines Ahnherrn Stirne.
Auf die Hernie Virgils deutend
Hat es der Zufall, hat's ein Genius
Geflochten und gebracht? Es zeigt sich hier
i6
Uns nicht umsonst. X'ir'nlen hör' ich saeen:
Was ehret ihr die Toten? Matten die
Doch ihren Lohn und LYeude, da sie lebten;
Und wenn ihr uns bewundert und \erehrt,
So gebt auch den Leljendii^en ihr Teil!
Mein Marmorbild ist schon bekränzt j^^enug —
Der grüne Zweig gehört dem Leben an.
Alfons winkt seiner Schwester, sie nimmt den Kranz von der Büste
V'irgils und niihert sich Tasso. Er tritt zurück
LHON(JRH
Du weigerst dich? Sieh, welche Iland den Kranz,
Den schönen, un\erwelklichen, ilir bietet!
TASS( )
(J lalil mich zögern! Seh' ich doch nicht ein.
Wie ich nach dieser Stuntle leben soll.
ALFONS
In tlem ( ienuli des herrlichen Hesitzes,
Der dich im ersten Augrnblick erschreckt.
I'KINZLSSIN
indem sie den Kranz in die HdKc hält
Du gönnest mir die seltne LVeude, Tasso,
Dir ohne Wort zu sagen, wie ich denke.
TASSO
Die schöne Last aus deinen teuren Händen
Empfang' ich knieend auf mein schwaches Haupt.
Hr kniet nieder, die l'rinzessin setzt ihm den Kranz auf
LEONORE
applaudierend
Es lebe der zum erstenmal Bekränzte!
Wie zieret den bescheidnen Mann der Kranz!
Tasso steht auf
17
ALFONS
Es ist ein Vorbild nur von jener Krone,
Die auf dem Kapitol dich zieren soll.
PRINZESSIN
Dort werden lautre Stimmen dich begrüßen,
Mit leiser Lippe lohnt die Freundschaft hier.
TASSO
O nehmt ihn weg von meinem Haupte wieder,
Nehmt ihn hinwcij! Er seuQ^t mir meine Locken!
Und wie ein Strahl der Sonne, der zu heiß
Das Haupt mir träfe, brennt er mir die Kraft
Des Denkens aus der Stirne. Fieberhitze
Be\\^egt mein Blut. Verzeiht! Es ist zu viel!
LEONORE
Es schützet dieser Zweig vielmehr das Haupt
Des Manns, der in den heißen Regionen
Des Ruhms zu wandeln hat, und kühlt die Stirne.
TASSO
Ich bin nicht \\'ert, die Kühlung zu empfinden,
Die nur um Heldenstirnen wehen soll.
O hebt ihn auf, ihr Götter und verklärt
Ihn zwischen Wolken, daß er hoch und höher
Und unerreichbar schwebe! Daß mein Leben
Nach diesem Ziel ein ew^gr Wandeln sei.
o
ALFONS
Wer früh erwirbt, lernt früh den hohen Wert
Der holden Güter dieses Lebens schätzen;
Wer früh genießt, entbehrt in seinem Leben
Mit Willen nicht, was er einmal besaß;
Und wer besitzt, der muß gerüstet sein.
i8
TASSO
Und wer sich rüsten w ill, nuili eine Kraft
Im Busen fühlen, die ihm nie versagt.
Ach! sie versagt mir eben jet^t! \m Glück
Verläßt sie mich, die angeborne Kraft,
Die standhaft mich dem Unglück, stolz dem L'nrecht
Begegnen lehrte. I lat die Freude mir,
Hat das Hntzücken dieses Augenblicks
Das Mark in meinen Gliedern aufireiöst?
Es sinken meine Kniee! Noch einmal
Siehst du, o Inirstin, mich gebeugt vor dir!
Erhöre meine Bitte, nimm ihn weg!
Dal5, wie aus einem schönen Traum erwacht,
Ich ein erijuicktes, neues Leben fühle.
PRINZESSIN
W enn du Ijcscheiden ruhig das Talent,
Das dir die Götter gaben, tragen kannst,
So lern' auch diese Zweige tragen, die
Das Schrinste sind, was wir dir ''eben kc'innen.
Wem einmal würtlig sie das I Iauj)t berührt,
T)em schweben sie auf ewig um die Stirne.
TASSO
So laßt mich denn beschämt von hinnen gehn!
Laßt mich mein Glück im tiefen Hain verbergen,
Wie ich sonst meine Schmerzen dort \erbarg.
Dort will ich einsam \\ andeln, dort erinnert
Kein Auge mich ans unverdiente Glück.
Und zei>rt mir uni^efähr ein klarer Brunnen
In seinem reinen Spiegel einen Mann,
Der, wunderbar bekränzt, im Widerschein
Des Himmels zwischen Bäumen, zwischen Felsen
Nachdenkend ruht, so scheint es mir, ich sehe
Elysium auf dieser Zauberfläche
Gebildet. Still bedenk' ich mich und frage:
Wer mag der Abgeschiedne sein? Der Jüngling
19
Aus der verrano^nen Zeit? so schön bekränzt?
Wer saot mir seinen Namen? sein Verdienst?
Ich warte lani^ und denke: Käme doch
Ein andrer und noch einer, sich zu ihm
In freundlichem Gespräche zu gesellen!
O sah' ich die Heroen, die Poeten
Der alten Zeit um diesen Quell versammelt!
O sah' ich hier sie immer unzertrennlich.
Wie sie im Leben fest verbunden waren!
So bindet der Magnet durch seine Kraft
Das Eisen mit dem Eisen fest zusammen,
Wie gleiches Streben Held und Dichter bindet.
Homer vergaß sich selbst, sein ganzes Leben
War der Betrachtung zweier Männer heilig,
Und Alexander in Elysium
Eilt, den Achill und den Homer zu suchen.
O daß ich gegenwärtig ^väre, sie.
Die orrößten Seelen, nun vereint zu sehen!
ö'
LEONORE
Erwach'! Erwache! Laß uns nicht empfinden.
Daß du das Gegenwart' (je Lfanz verkennst!
TASSO
Es ist die Gegenwart, die mich erhöht,
Abwesend schein' ich nur, ich bin entzückt!
PRINZESSIN
Ich freue mich, wenn du mit Geistern redest.
Daß du so menschlich sprichst, und hör' es gern.
Ein Page tritt zum Fürsten und richtet leise etwas aus
ALFONS
Er ist gekommen! recht zur guten Stunde!
Antonio! — Brino-' ihn her! — Da kommt er schon!
20
VIERTER AUFTRITT
PRINZESSIN LRONORE ■ AI. FÖNS • TASSO • ANTONIO
ALFONS
Willkommen! der du uns zugleich dich selbst
Und gute Botschaft bringst!
PRINZESSIN
Sei uns gegrüßt!
AN'H )\I( )
Kaum wag' ich es /u sagen, welch X'ergnügen
In eurer (Gegenwart mich neu l^elebt.
Vor euren Augen find' ich alles wieder,
Was ich so lan<r entbehrt. Ihr scheint /ufrieden
Mit dem, was ich getan, was ich sollbrachl;
Und so bin ich belohnt für jede Sorge,
Für manchen bakl mit L'ngeduld durchharrten.
Bald absichtsvoll xerlornen Tag. \\ ir haben
Nun, was wir wünschen, und kein Streit ist mehr.
LEÜNÜRE
Auch ich bc'jTÜße dich, wenn ich schon zürne.
1 )u kommst nur eben, da ich reisen muß.
ANTONIO
Damit mein (duck nicht ganz \i)llkommen werde,
Nimmst du mir gleich den schönen Teil hinweg.
TASSO
Auch meinen Gruß! Ich hoffe, mich der Nähe
Des vielerfahrnen Mannes auch zu freun.
ANTONIO
Du wirst mich wahrhaft finden, wenn du je
Aus deiner Welt in meine schauen maijst.
21
ALFONS
Wenn du mir gleich in Briefen schon gemeldet,
Was du getan und wie es dir ergangen,
So hab' ich doch noch manches auszufragen,
Durch welche Mittel das Geschäft gelang.
Auf jenem wunderbaren Boden will der Schritt
Wohl abgemessen sein, wenn er zuletzt
An deinen eignen Zweck dich führen soll.
Wer seines Herren Vorteil rein bedenkt.
Der hat in Rom ijar einen schweren Stand:
Denn Rom will alles nehmen, geben nichts;
Und kommt man hin, um etwas zu erhalten.
Erhält man nichts, man bringe denn was hin.
Und glücklich, wenn man da noch was erhält.
ANTONIO
Es ist nicht mein Betragen, meine Kunst,
Durch die ich deinen Willen, Herr, vollbracht.
Denn welcher Kluge fand' im Vatikan
Nicht seinen Meister? Vieles traf zusammen.
Das ich zu unserm Vorteil nutzen konnte,
Dich ehrt Gregor und grüßt und segnet dich.
Der Greis, der würdigste, dem eine Krone
Das Haupt belastet, denkt der Zeit mit Freuden,
Da er in seinen Arm dich schloß. Der Mann,
Der Männer unterscheidet, kennt und rühmt
Dich hoch! Um deinetwillen tat er viel.
ALFONS
Ich freue seiner guten Meinung mich.
Sofern sie redlich ist. Doch weißt du wohl,
Vom Vatikan herab sieht man die Reiche
Schon klein genug zu seinen Füßen liegen,
Geschweiore denn die Fürsten und die Menschen.
Gestehe nur, was dir am meisten half!
ANTONIO
Gut! wenn du willst: der hohe Sinn des Papsts.
Er sieht das Kleine klein, das Große groß.
22
Damit er einer Welt gebiete, gibt
Hr seinen Nachbarn gern und freundlich nach.
Das Streifchen Land, das er dir überläf5t,
Weif5 er, wie deine Freundschaft, \\ ohi zu schätzen.
Italien soll ruhig sein, er u ill
In seiner Nähe Freunde sehen, Friede
Bei .seinen Grenzen halten, daß die .Macht
Der Christenheit, die er gewaltig lenkt,
Die Türken da, die Ketzer dort vertilge.
PRINZESSIN
Weiß man die Männer, die er mehr als andre
Begünstigt, die sich ihm vertraulich nahn?
ANTONIO
Nur der erfahrne Mann besitzt sein Ohr,
Der tätige .sein Zutraun, seine (iunst.
Fr, der \'on Jugend auf dem .Staat getlient.
Beherrscht ihn jetzt, und wirkt auf jene llöfc,
Die er vor Jahren als (lesandter .schon
Gesehen und gekannt und oft gelenkt.
Fs liegt die Welt so klar vor seinem Blick,
Als w ie der X'orteil seines eignen .Staats.
Wenn man ihn handeln sieht, so lobt man ihn,
Und freut sich, wenn die Zeit entdeckt, was er
Im stillen lang bereitet und vollbracht.
Fs ist kein schönrer Anblick in der Welt,
Als einen Fürsten sehn, der klug regiert,
Das Reich zu sehn, wo jeder stolz gehorcht,
Wo jeder sich nur selbst zu dienen glaubt.
Weil ihm das Rechte nur befohlen wird.
LEONORE
Wie sehnlich wünscht' ich, jene Welt einmal
Recht nah zu sehn!
ALFONS
Doch wohl, um mit zu wirken?
Denn bloß beschaun wird Leonore nie.
23
Es wäre doch recht artig, meine Freundin,
Wenn in das große Spiel wir auch zuweilen
Die zarten Hände mischen könnten. — Nicht?
LEONORE
zu Alfons
Du \\illst mich reizen; es gelingt dir nicht.
ALFONS
Ich bin dir viel von andern Tagen schuldig.
LEONORE
Nun gut, so bleib' ich heut in deiner Schuld!
Verzeih und störe meine Fragen nicht!
Zu Antonio
Hat er für die Nepoten \'iel getan?
ANTONIO
Nicht weniger noch mehr, als billig ist.
Ein Mächtiger, der für die Seinen nicht
Zu sorgen weiß, wird von dem \'olke selbst
Getadelt. Still und mäßio- weiß Gre^j^or
Den Seinigen zu nutzen, die dem Staat
Als wackre Männer dienen, und erfüllt
Mit Einer Sorge zwei verwandte Pflichten.
TASSO
Erfreut die Wissenschaft, erfreut die Kunst
Sich seines Schutzes auch? und eifert er
Den großen Fürsten alter Zeiten nach?
ANTONIO
Er ehrt die Wissenschaft, sofern sie nutzt.
Den Staat regieren, Völker kennen lehrt;
Er schätzt die Kunst, sofern sie ziert, sein Rom
Verherrlicht, und Palast und Tempel
Zu Wunder\\erken dieser Erde macht.
24
In seiner Nähe darf nichts müßi;^»- sein!
Was gelten soll, niuld w irkcn und niuli dienen.
ALFÜNS
Und glaubst du, daß wir das Geschäfte bald
X'olicnden krmncn? Daß sie nicht zuletzt
Noch hie und da uns 1 limlernisse streuen?
ANTüNKJ
Ich müßte sehr mich irren, wenn nicht gleich
Durch deinen Namenszusj', durch weni<j; Briefi
Auf immer dieser Zwist irehoben wäre.
ö'
ALFOXS
So lob' ich diese Tage meines Lebens
Als eine Zeit des (ilückes und Gewinns.
Erweitert seh' ich meine Grenze, weiß
Sie für die Zukunft sicher. Ohne Schwertschlag
Hast du's geleistet, eine Bürgerkrone
Dir wohl verdient. Rs sollen unsre Frauen
Vom ersten Hichenlaulj am schc'insten Morgen
Geflochten dir sie um die Stirne legen.
Indessen hat mich Tasso auch bereichert:
lir hat Jerusalem für uns erobert.
Und so die neue Christenheit beschämt,
Ein weit entferntes, hoch gestecktes Ziel
Mit frohem Mut und strengem Fleiß erreicht.
Für seine Mühe siehst du ihn uekrcint.
v5
ANTONIO
Du lösest mir ein R'itsel. Zwei Bekränzte
Erblickt' ich mit X'erwundrung, da ich kam.
TASSO
Wenn du mein Glück vor deinen Augen siehst,
So wünscht' ich, daß du mein beschämt Gemüt
Mit eben diesem Blicke schauen könntest.
25
ANTONIO
Mir war es lang bekannt, daß im Belohnen
Alfons unmäßig ist, und du erfährst,
Was jeder von den Seinen schon erfuhr.
PRINZESSIN
Wenn du erst siehst, was er geleistet hat.
So wirst du uns gerecht und mäßig finden.
Wir sind nur hier die ersten stillen Zeugen
Des Beifalls, den die AVeit ihm nicht versagt.
Und den ihm zehnfach künft'ge Jahre gönnen.
ANTONIO
Er ist durch euch schon seines Ruhms sjewiß.
Wer dürfte zweifeln, wo ihr preisen könnt?
Doch sage mir, wer drückte diesen Kranz
Auf Ariostens Stirne?
LEONORE
Diese Hand.
ANTONIO
Und sie hat \\'ohl getan! Er ziert ihn schön,
Als ihn der Lorbeer selbst nicht zieren würde!
Wie die Natur die innio- reiche Brust
Mit einem grünen, bunten Kleide deckt,
So hüllt er alles, was den Menschen nur
Ehrwürdig, liebenswürdig machen kann,
Ins blühende Gewand der Fabel ein.
Zufriedenheit, Erfahrung und Verstand
Und Geisteskraft, Geschmack und reiner Sinn
Fürs wahre Gute, geistig scheinen sie
In seinen Liedern und persönlich doch
Wie unter Blütenbäumen auszuruhn,
Bedeckt vom Schnee der leicht getragnen Blüten,
Umkränzt von Rosen, wunderlich umgaukelt
Vom losen Zauberspiel der Amoretten.
26
Der Quell des Überflusses rauscht dameben
Und läf5t uns bunte Wunderfische sehn;
Von seltenem Gcflü;^el ist die Luft,
\'on fremden Herden Wies' und Busch erfüllt;
Die Schalkheit lauscht im Grünen halb versteckt,
Die Weisheit läI5t von einer «^oldnen Wolke
Von Zeit zu Zeit erhabne Spriiche tcinen,
Indes auf wohli^^estimmter Laute wiKl
Der Wahnsinn hin untl her zu wühlen scheint,
Und doch im schönsten Takt sich mäfJii; hält
Wer neben diesen Mann sich wa^en darf,
X'erdient für seine Kühnheit schon den Kranz.
Ver^rcbt, wenn ich mich selbst be;^feistert fühle.
Wie ein X'erzückler weder Zeit noch Ort,
Noch, was ich sa^e, wohl bedenken kann:
1 )enn alle diese Dichter, diese Kräruce,
Das seltne festliche Gewantl der Schc'inen
\'erset/.t mich aus mir selbst in fremdes Land.
FKI\Zi:SSL\
Wer ein \erdienst so wohl zu sckätzen weiß,
Der w ird das aiulre nicht \ erkennen. I )u
Sollst uns dereinst in Tasstjs Liedern zeigen,
Was wir gefühlt und was nur du erkennst.
.\LPONS
Komm mit. .Vntonio! Manches hab' ich noch,
W Orauf ich sehr begierig bin, zu fragen.
Dann sollst tlu bis zum Untergang der Sonne
Den Frauen aiv-ehören. Komm! Lebt wohl!
Dem Fürsten folirt Antonio, den Uamen Tas.so
27
u
ZWEITER AUFZUG
Saal
ERSTER AUFTRITT
PRINZESSIN • TASSO
TASSO
NSICHER folo^en meine Schritte dir,
ö
O Fürstin, und Gedanken ohne Maß
Und Ordnunof recren sich in meiner Seele.
Mir scheint die Einsamkeit zu winken, mich
Gefällig anzulispeln: Komm! Ich löse
Die neu erregten Z\\'eifel deiner Brust.
Doch werf ich einen Blick auf dich, vernimmt
Mein horchend Ohr ein Wort von deiner Lippe,
So wird ein neuer Tag um mich herum,
Und alle Bande fallen von mir los.
Ich will dir gern gestehn, es hat der Mann,
Der uner\\'artet zu uns trat, nicht sanft
Aus einem schönen Traum mich aufgeweckt;
Sein Wesen, seine Worte haben mich
So wunderbar getroffen, daß ich mehr
Als je mich doppelt fühle, mit mir selbst
Aufs neu' in streitender Verwirrung bin.
PRINZESSIN
Es ist unmöglich, daß ein alter Freund,
Der, lang entfernt, ein fremdes Leben führte,
Im Augenblick, da er uns wiedersieht.
Sich wieder gleich wie ehmals finden soll.
Er ist in seinem Innern nicht verändert;
Laß uns mit ihm nur ^^'enig Tage leben.
So stimmen sich die Saiten hin und wider.
Bis glücklich eine schöne Harmonie
28
Aufs neue sie verbindet. Wird er dann
Auch näher icennen, was du diese Zeit
Geleistet hast, so stellt er dich gewiß
Dem Dichter an die Seite, den er jetzt
Als einen Riesen dir ent-^^C'^ensteilt.
'iASS( )
Ach, meine Fürstin, Ariostens Lob
Aus seinem Mumie hat mich mehr ergötzt.
Als dal') es mich l)eleidit;t hätte. Tröstlich
Ist es für uns, den .Mann gerühmt zu u issen.
Der als ein grof5es Muster vor uns steht.
Wir können uns im stillen Merzen sagen:
Hrreichst du einen leil von seinem Wert,
Hleibt dir ein Teil auch seines Ruhms <^rcwil').
Nein, was das Herz im tiefsten mir bewegte.
Was mir noch jetzt die ganze Seele füllt.
Es waren die Gestalten jener Welt,
Die sich lebendig, rastltjs, ungeheuer
Um einen großen, einzig klugen Mann
Gemessen dreht und ihren Lauf \ollendet.
Den ihr der I lalb-'Ott \orzuschreiben wa</t.
He<'ieri'i- horcht' ich auf, \'ernahm mit Lust
Die sichern Worte des erfahrnen .Mannes;
Doch ach! je mehr ich horchte, mehr und mehr
Versank ich \ or mir selbst, ich fürchtete
Wie Lcho an ilen Felsen zu \erschwinden.
Fin Widerhall, ein Nichts mich zu \erlieren.
I'RL\ZFSSL\
Und schienst noch kurz vorher so rein zu fühlen.
Wie I leid und 1 )ichter für einander leben.
Wie Held und Dichter sich einander suchen,
L'nd keiner je den andern neiden soll?
Zwar herrlich ist die iiedeswerte Tat,
Doch schön ist's auch, der Taten stärkste Fülle
Durch würd'ge Lieder auf die Nachwelt bringen.
Begnüge tlich, aus einem kleinen Staate,
29
Der dich beschützt, ciem wiltlen Lauf der Welt,
Wie von dem Ufer, ruhig zuzusehn.
TASSC )
Und sah ich hier mit Staunen nicht zuerst.
Wie herrlich man den tapfern Mann belohnt?
Als unerfahrner Knabe kam ich her,
In einem Augenblick, da Fest auf Fest
Ferrara zu dem Mittelpunkt der Fhre
Zu machen schien. O! welcher Anblick war's!
Den A\'eiten Platz, auf dem in ihrem Glänze
Gewandte Tapferkeit sich zeigen sollte.
Umschloß ein Kreis, wie ihn die Sonne nicht
So bald zum zweitenmal bescheinen \\ird.
Es saften hier gedrängt die schönsten Frauen,
Gedrängt die ersten Männer unsrer Zeit.
Erstaunt durchlief der Blick die edle Menge;
Man rief: Sie alle hat das Vaterland,
Das eine, schmale, meerumgebne Land,
Hierher geschickt. Zusammen bilden sie
Das herrlichste Gericht, das über Ehre,
Verdienst und Tugend je entschieden hat.
Gehst du sie einzeln durch, du findest Keinen,
Der seines Nachbarn sich zu schämen brauche! —
Und dann eröftheten die Schranken sich;
Da stampften Pferde, glänzten Helm und Schilde,
Da drängten sich die Knappen, da erklang
Trompetenschall, und Lanzen krachten splitternd.
Getroffen tönten Helm' und Schilde; Staub,
Auf einen Augenblick, umhüllte wirbelnd
Des Siegers Ehre, des Besiegten Schmach.
O laß mich einen Vorhang vor das ganze.
Mir allzu helle Schauspiel ziehen, daß
In diesem schönen Auijenblicke mir
Mein Unw^ert nicht zu heftig fühlbar werde.
PRINZESSIN
Wenn jener edle Kreis, wenn jene Taten
Zu Müh' und Streben damals dich entflammten.
30
So könnt' ich, juni^cr Freund, zu i^dcichcr Zeit
Der Dulduni; stille Lehre dir bewähren.
Die Feste, die du rühmst, die hundert Zungen
Mir damals priesen und mir manches Jahr
Nachher t^epriesen halben, sah ich nicht.
Am stillen Ort, wohin kaum unterbrochen
Der letzte W iderhall der Iieude sich
Verlieren konnte, mußt' ich manche Schmerzen
Und manchen trauri<.^a-n (ietlanken leiden.
Mit breiten Flügeln schwebte mir das Bild
Des Todes \or den .\u;4en, deckte mir
Die Aussicht in die immer neue Welt.
Nur nach und nach entfernt' es sich, und ließ
Mich, wie durch einen I"li)r, die bunten Farben
Des Lebens, blaß, doch an;^i lu-hm, erblicken.
Ich sah lebend't;e Formen wieder sanft sich reiben.
Zum erstenmal trat ich, noch unterstützt
V^on meinen Frauen, aus ilem Krankenzimmer,
Da kam Lucretia voll frohen Lebens
Herbei uiul führte dich an ihrer Hand:
Du warst der erste, der im neuen Leben
Mir neu und unbekannt entj^ej^en trat.
Da hofft' ich \ iel für dich unil mich; auch hat
Uns bis hierher die I loffiuin;.^^ nicht betroj^en.
TASSü
Und ich, iler ich, betäubt von dem (lewimmel
Des drängenden Gewühls, von so viel Glanz
Geblendet, und von mancher Leidenschaft
Hcwegt, durch stille Gänge des Palasts.
An deiner Schwester Seite schw eigend ging.
Dann in das Zimmer trat, wo du uns bald.
Auf deine Fraun gelehnt, erschienest — mir
Welch ein Moment war tlieser! Ü vergib!
Wie den Bezauberten \-on Rausch und Wahn
Der Gottheit Xähe leicht und w illig heilt,
So war auch ich von aller Phantasie,
Von jeder Sucht, \'on jedem falschen Triebe
31
Mit einem Blick in deinen Blick geheilt.
Wenn unerfahren die Begierde sich
Nach tausend Gegenständen sonst verlor,
Trat ich beschämt zuerst in mich zurück
Und lernte nun das Wünschenswerte kennen.
So sucht man in dem weiten Sand des Meeres
Vergebens eine Perle, die verborgen
In stillen Schalen eingeschlossen ruht.
PRINZESSIN
Es fingen schöne Zeiten damals an.
Und hätt' uns nicht der Herzog von Urbino
Die Schwester weggeführt, uns wären Jahre
Im schönen, ungetrübten Glück verschwunden.
Doch leider jetzt vermissen wir zu sehr
Den frohen Geist, die Brust voll Mut und Leben,
Den reichen Witz der liebenswürd'gen Frau.
TASSO
Ich weiß es nur zu wohl, seit jenem Tage,
Da sie von hinnen schied, vermochte dir
Die reine Freude niemand zu ersetzen.
Wie oft zerriß es meine Brust! Wie oft
Klaijt' ich dem stillen Hain mein Leid um dich!
Ach! rief ich aus, hat denn die Schwester nur
Das Glück, das Recht, der Teuern viel zu sein?
Ist denn kein Herz mehr wert, daß sie sich ihm
Vertrauen dürfte, kein Gemüt dem ihren
Mehr G:leich Qestimmt? Ist Geist und Witz verloschen?
Und war die eine Frau, so trefflich sie
Auch war, denn alles? Fürstin! o verzeih!
Da dacht' ich manchmal an mich selbst und wünschte,
Dir etwas sein zu können. Wenig nur.
Doch etwas, nicht mit Worten, mit der Tat
Wünscht' ich's zu sein, im Leben dir zu zeigen.
Wie sich mein Herz' im stillen dir geweiht.
Doch es gelang mir nicht, und nur zu oft
Tat ich im Irrtum, was dich schmerzen mußte,
32
Beleidigte den Mann, den du beschütztest,
Verwirrte unklug, was du lösen \\olltest,
Und fühlte so mich stets im Aueenblick,
Wenn ich mich nahen wollte, fern und ferner.
PRINZHSSIN
Ich habe, Tasso, deinen Willen nie
Verkannt, und \veiI5, wie du dir selbst zu schaden
Geschäftig bist. Anstatt daß meine Schwester
Mit jedem, wie er sei, zu leben wcif5.
So kannst du selbst nach vielen Jahren kaum
In einen Freund dich finden.
TASSO
Tadle mich!
Doch sage mir hernach, wo ist der Mann,
Die Frau, mit der ich wie mit dir
Aus freiem Busen wagen darf zu reden?
rRlXZHSSIX
Du solltest meinem Bruder dich vertraun.
1\\SS(3
Er ist mein Fürst! — Doch glaube nicht, dalo mir
Der Freiheit \siliier Trieb den Busen blähe.
Der Mensch ist nicht geboren, frei zu sein,
Und für den Indien ist kein schöner Glück,
Als einem Fürsten, den er ehrt, zu dienen.
Und so ist er mein Herr, und ich empfinde
Den ijanzen L'mfang dieses «'Toßen \\'orts.
Xun mul5 ich schweigen lernen, wenn er spricht,
Und tun, wenn er gebietet, mögen auch
Verstand und Merz ihm lebhaft widersprechen.
PRIXZFSSIN
Das ist der Fall bei meinem Bruder nie.
Und nun, da wir Antonio wieder haben,
Ist dir ein neuer, kluger Freund gewifi.
33
TASSO
Ich hofft' es ehmals, jetzt verzweifl' ich fast.
Wie lehrreich wäre mir sein Umgang, nützlich
Sein Rat in tausend Fällen! Er besitzt,
Ich mag wohl sagen, alles, was mir fehlt.
Doch, haben alle Götter sich versammelt,
Geschenke seiner Wiege darzubringen —
Die Grazien sind leider ausgeblieben,
Und wem die Gaben dieser Holden fehlen,
Der kann zwar viel besitzen, vieles geben.
Doch läl^t sich nie an seinem Busen ruhn.
PRINZESSIN
Doch läßt sich ihm vertraun, und das ist viel.
Du mußt von einem Mann nicht alles fordern.
Und dieser leistet, was er dir verspricht.
Hat er sich erst für deinen Freund erklärt.
So sorgt er selbst für dich, wo du dir fehlst.
Ihr müßt verbunden sein! Ich schmeichle mir,
Dies schöne Werk in kurzem zu vollbringen.
Nur widerstehe nicht, wie du es pflegst!
So haben wir Lenoren lang besessen,
Die fein und zierlich ist, mit der es leicht
Sich leben läßt; auch dieser hast du nie,
Wie sie es wünschte, näher treten ^vollen.
TASSO
Ich habe dir gehorcht, sonst hätt' ich mich
Von ihr entfernt, anstatt mich ihr zu nahen.
So liebenswürdig sie erscheinen kann,
Ich weiß nicht, wie es ist, könnt' ich nur selten
Mit ihr ganz offen sein, und wenn sie auch
Die Absicht hat, den Freunden wohlzutun.
So fühlt man Absicht, und man ist verstimmt.
PRINZESSIN
Auf diesem Wesfe werden wir wohl nie
Gesellschaft finden, Tasso! Dieser Pfad
Verleitet uns, durch einsames Gebüsch,
34
Durch stille Täler furtzu wandern; mehr
Und mehr verwöhnt sich das Gemüt und strebt,
Die goldne Zeit, die ihm von außen mangelt,
In seinem Innern wieder herzustellen,
So wenig der X'ersuch gelingen will.
TASSO
O welches Wort spricht meine Fürstin aus!
Die goldne Zeit, wohin ist sie geflohen.
Nach der sich jedes Herz vergebens sehnt?
Da auf der freien Hrde Menschen sich
Wie frohe Herden im Genuß» xerbreiteten;
Da ein uralter Baum auf bunter Wiese
Dem Hirten und der Hirtin Schatten gab.
Ein jüngeres Gebüsch die zarten Zweige
Um sehnsuchts\'olle Liebe traulich schlang;
Wo klar und still auf immer reinem Sande
Der weiche IHuLS die Nymphe sanft umfing;
Wo in dem (.rase die gescheuchte Schlange
Unschädlich sich \ erlor, der kühne Faun,
Vom tiipfern Jüngling bald bestraft, entHoh;
Wo jeder X'ogel in der freien Luft,
L'nd jedes Tier, durch Rerg und Täler schweifend,
Zum Menschen sprach: Erlaubt ist, was gefällt.
PRINZESSIN
Mein Freund, die goldne Zeit ist wohl vorbei;
Allein die Guten bringen sie zurück.
L nd soll ich dir gestehen, wie ich denke:
Die goldne Zeit, womit der Dichter uns
Zu schmeicheln pflegt, die schöne Zeit, sie war.
So scheint es mir, so wenig als sie ist;
Und war sie je, so war sie nur gewiß,
Wie sie uns immer wieder werden kann.
Noch treffen sich verwandte Herzen an
Und teilen den Genuß der schönen Welt;
Nur in dem Wahlspruch ändert sich, mein Freund,
Ein einzio- XX'ort: Erlaubt ist, was sich ziemt.
35
TASSO
O, wenn aus guten, edlen Menschen nur
Ein allgemein Gericht bestellt entschiede,
Was sich denn ziemt! anstatt daß jeder glaubt,
Es sei auch schicklich, was ihm nützlich ist!
Wir sehn ja, dem Gewaltigen, dem Klugen
Steht alles wohl, und er erlaubt sich alles.
PRINZESSIN
Willst du genau erfahren, was sich ziemt.
So fraofe nur bei edlen Frauen an.
Denn ihnen ist am meisten dran gelegen.
Daß alles wohl sich zieme, was geschieht.
Die Schicklichkeit umgibt mit einer Mauer
Das zarte, leicht verletzliche Geschlecht.
Wo Sittlichkeit regiert, regieren sie.
Und wo die Frechheit heirscht, da sind sie nichts.
Und wirst du die Geschlechter beide fragen,
Nach Freiheit strebt der Mann, das Weib nach Sitte.
TASSO
Du nennest uns unbändig, roh, gefühllos?
PRINZESSIN
Nicht das! Allein ihr strebt nach fernen Gütern,
Und euer Streben muß gewaltsam sein.
Ihr wagt es, für die Ewigkeit zu handeln.
Wenn wir ein einzig, nah beschränktes Gut
Auf dieser Erde nur besitzen möchten,
Und wünschen, daß es uns beständig bleibe.
Wir sind von keinem Männerherzen sicher.
Das noch so warm sich einmal uns ergab.
Die Schönheit ist vergänglich, die ihr doch
Allein zu ehren scheint. Was übrig bleibt.
Das reizt nicht mehr, und was nicht reizt, ist tot.
Wenn's Männer gäbe, die ein weiblich Herz
Zu schätzen wüßten, die erkennen möchten,
36
Welch einen holden Schatz von Treu und Liebe
Der Busen einer Frau bewahren kann;
Wenn das Gedächtnis einzig schöner Stunden
In euren Seelen lebhaft bleiben wollte;
Wenn euer I>lick, der sonst durchdringend ist,
Auch durch den Schleier dringen könnte, den
Uns Alter oder Krankheit überwirft;
Wenn der Besitz, der ruhig machen soll,
Nach fremden Gütern euch nicht lüstern machte:
Dann u är' uns wohl ein schöner Tag erschienen,
Wir feierten tiann unsre goldne Zeit.
rAss(j
Du sagst mir Worte, die in meiner Brust
Halb schon entschlafne Sorgen mächtig regen.
rRINZHSSI.V
Was meinst du, Tasso?" ivcde frei mit mir!
TASSO
Oft hört' ich schon, und diese Tage wieder
Hab' ich's gehört, ja hätt' ich's nicht \'ernonunen,
So mül5t' ich's denken: edle I'ürsten streben
Nach deiner Hand! Was wir erwarten müssen,
Das fürchten wir und möchten schier \erzw eifeln.
Verlassen w irst du uns, es ist natürlich.
Doch wie wir's tragen wollen, weili ich nicht
PRINZnSSIX
Für diesen Augenblick seid unbesorgt!
Fast möcht' ich sagen, unbesorgt für immer.
Hier bin ich gern und gerne mag ich bleiben;
Noch weil5 ich kein Verhältnis, das mich lockte;
Und wenn ihr mich denn ja behalten wollt,
So laßt es mir durch Füintracht sehn, und schafft
Euch selbst ein glücklich Leben, mir durch euch!
37
TASSO
O lehre mich das Mögliche zu tun!
Gewidmet sind dir alle meine Tage.
Wenn dich zu preisen, dir zu danken sich
Mein Herz entfaltet, dann empfind' ich erst
Das reinste Glück, das Menschen fühlen können;
Das Göttlichste erfuhr ich nur in dir.
So unterscheiden sich die Erdengötter
Vor andern Menschen, wie das hohe Schicksal
Vom Rat und \Villen selbst der klügsten Männer
Sich unterscheidet. Vieles lassen sie,
Wenn wir gewaltsam Wog' auf Woge sehn,
Wie leichte Wellen unbemerkt vorüber
Vor ihren Füßen rauschen, hören nicht
Den Sturm, der uns umsaust und niederwirft,
Vernehmen unser Flehen kaum und lassen,
Wie wir beschränkten, armen Kindern tun,
Mit Seufzern und Geschrei die Luft uns füllen.
Du hast mich oft, o Göttliche, geduldet,
Und wie die Sonne, trocknete dein Blick
Den Tau von meinen Augenlidern ab.
PRINZESSIN
Es ist sehr billig, daß die Frauen dir
Aufs freundlichste begegnen; es verherrlicht
Dein Lied auf manche Weise das Geschlecht.
Zart oder tapfer, hast du stets gewußt,
Sie liebenswert und edel vorzustellen;
Und wenn Armide hassenswert erscheint.
Versöhnt ihr Reiz und ihre Liebe bald.
TASSO
Was auch in meinem Liede widerklingt,
Ich bin nur einer, einer alles schuldig!
Es schwebt kein geistig unbestimmtes Bild
Vor meiner Stirne, das der Seele bald
Sich überglänzend nahte, bald entzöge,
38
Mit meinen Augen hab' ich es geschn,
Das Urbild jeder Tugend, jeder Schöne;
Was ich nach ihm gebildet, das wird bleiben:
Tancredens Heldenliebe zu Chlorinden,
Erminiens stille, nicht bemerkte Treue,
Sophroniens Gnjiiheit und Olindens Not,
Es sind nicht Schatten, die der Wahn erzeugte,
Ich ueil5 es, sie sind ewig, denn sie sind.
Und was hat mehr das Recht, Jahrhunderte
Zu bleiben und im stillen fortzuw irken.
Als das (Geheimnis einer edlen Liebe,
Dem holden Lied Ijescheiden an\ertraut?
I'RIXZI-SSIX
Und soll ich dir noch einen X'orzug sagen.
Den unvermerkt sich ilieses Lied erschleicht?
Es lockt uns nach und nach, wir hören zu;
Wir hören und w ir glauben zu \erstehn,
Was \s ir verstehn, das k(>nnen w ir nicht tadeln.
Und so »rewinnt uns dieses Lied zuletzt.
lASSU
Welch einen Himmel öffne.st du vor mir,
Ü Fürstin! Macht mich dieser Glanz nicht blind,
So seh' ich unverhofft ein e\\ ig ("ilück
Auf goldnen Strahlen herrlich niedersteigen.
PRIXZHSSIX
Nicht weiter, Tasso! Viele Dinge sind's,
Die wir mit Heftigkeit ergreifen sollen:
Doch andre können nur durch Mäl5igung
Und durch Entbehren unser eigen werden.
So, sagt man, sei die Tugend, sei die Liebe,
Die ihr verwandt ist. Das bedenke wohl!
39
ZWEITER AUFTRITT
TASSO
allein
Ist dir's erlaubt, die Augen aufzuschlagen?
Wagst du's, umherzusehn? Du bist allein!
Vernahmen diese Säulen, was sie sprach?
Und hast du Zeugen, diese stummen Zeugen
Des höchsten Glücks zu fürchten? Es erhebt
Die Sonne sich des neuen Lebenstages,
Der mit den vorigen sich nicht vergleicht.
Herniedersteigend hebt die Göttin schnell
Den Sterblichen hinauf. Welch neuer Kreis
Entdeckt sich meinem Auge, welches Reich!
Wie köstlich \\ird der heiße Wunsch belohnt!
Ich träumte mich dem höchsten Glücke nah.
Und dieses Glück ist über alle Träume.
Der Blindgeborne denke sich das Licht,
Die Farben, wie er will; erscheinet ihm
Der neue Tag, ist's ihm ein neuer Sinn.
Voll Mut und Ahnung, freudetrunken schwankend
Betret' ich diese Bahn. Du gibst mir viel,
Du gibst, wie Erd' und Himmel uns Geschenke
Mit vollen Händen übermäßig reichen.
Und forderst wieder, was von mir zu fordern
Nur eine solche Gabe dich berechtigt.
Ich soll entbehren, soll mich mäßig zeigen,
Und so verdienen, daß du mir vertraust.
Was tat ich je, daß sie mich wählen konnte?
Was soll ich tim, um ihrer wert zu sein?
Sie konnte dir vertraun, und dadurch bist du's.
Ja, Fürstin, deinen Worten, deinen Blicken
Sei ewig meine Seele ganz geweiht!
Ja, fordre, was du willst! denn ich bin dein!
Sie sende mich, Müh' und Gefahr und Ruhm
In fernen Landen aufzusuchen, reiche
Im stillen Hain die goldne Leier mir,
40
Sic weihe mich der Ruh' und ihrem I'reis:
Ihr bin ich, bildend soll sie mich besitzen,
Mein Herz bewahrte jeden Schatz für Sie.
O hätt' ein tausendfaches WerkzeuLf mir
Hin Gott gegönnt, kaum drückt' ich dann genug
Die unaussprechliche Verehrung aus.
Des Malers Pinsel und des Dichters Lippe,
Die sülieste, die je von frühem Honig
(ienährt war, wünscht' ich mir. Xein, künftig soll
Nicht Tasso zwischen Bäumen, zwischen Menschen
Sich einsam, schwach und trübgesinnt \erlieren!
Ilr ist nicht mehr allein, er ist mit dir.
( ), dal5 die edelste der Taten sich
Hier sichtbar vor mich stellte, rings umgeben
Von gräulicher Ciefahr! Ich dränge zu
Und wagte gern das Leben, das ich nun
Von ihren I landen habe — forderte
Die besten Menschen mir zu Freunden auf,
Unnit'igliches mit einer edlen Schar
Nach ihrem Wink untl Willen zu \ollbringen. —
X'oreiliger, warum \erbarg dein Mund
Nicht das, was du empfandst, bis du dich wert
L'nd werter ihr zu MilSen legen konntest?
Das war dein X'orsatz, war dein kluger Wunsch.
Doch sei es auch! \'iel schöner ist es, rein
Und unverdient ein solch Geschenk empfangen,
Als halb und halb zu wähnen, daß man w ohl
Es habe fordern dürfen. Blicke freudig!
Es ist so groß, so weit, was \or dir liegt;
Und hofthun-'S\c)lle Juirend lockt dich w ieder
In unbekannte, lichte Zukunft hin.
— Schwelle Brust! — O Witterung des Glücks,
Begünst'ge diese Pflanze doch einmal!
Sie strebt gen Himmel, tausend Zweige dringen
Aus ihr hervor, entfalten sich zu Blüten.
O daß sie Frucht, o daß sie Freuden bringe!
Daß eine liebe Hand den goldnen Schmuck
Aus ihren frischen, reichen Asten breche!
41
DRITTER AUFTRITT
TASSO • ANTONIO
TASSO
Sei mir willkommen, den ich gleichsam jetzt
Zum erstenmal erblicke! Schöner ward
Kein Mann mir angekündigt. Sei willkommen!
Dich kenn' ich nun und deinen ganzen Wert;
Dir biet' ich ohne Zögern Herz und Hand,
Und hoffe, daß auch du mich nicht verschmähst.
ANTONIO
Freigebig bietest du mir schöne Gaben,
Und ihren Wert erkenn' ich, wie ich soll:
Drum laß mich zögern, eh' ich sie ergreife.
Weiß ich doch nicht, ob ich dir auch dagegen
Ein Gleiches g-eben kann. Ich möchte Qrern
Nicht übereilt und nicht undankbar scheinen:
Laß mich für beide klug und sorgsam sein!
TASSO
Wer wird die Klugheit tadeln? Jeder Schritt
Des Lebens zeigt, wie sehr sie nötig sei;
Doch schöner ist's, wenn uns die Seele sagt,
Wo wir der feinen Vorsicht nicht bedürfen.
ANTONIO
Darüber frage jeder sein Gemüt,
Weil er den Fehler selbst zu büßen hat.
TASSO
So sei's! Ich habe meine Pflicht getan;
Der Fürstin Wort, die uns zu Freunden wünscht,
Hab' ich verehrt und mich dir vorgestellt.
Rückhalten dürft' ich nicht, Antonio; doch gewiß,
42
Zudringen will ich nicht. Es mag denn sein.
Zeit und Bekanntschaft heilien dich vielleicht
Die Gabe wärmer fordern, die du jetzt
So kalt beiseite lehnst und fast verschmähst.
ANTONIO
Der Mäloige w ird öfters kalt genannt
Von Menschen, die sich warm vor andern glauben,
Weil sie die Hitze flicii^end überfällt.
TASSO
Du tadelst, was ich tadle, was ich meide.
Auch ich verstehe wohl, so jung ich bin.
Der Heftigkeit die Dauer vorzuziehn.
ANTONIO
Sehr weislich! Bleibe stets auf diesem Sinne!
TASS(J
I )u bist berechtigt, mir zu raten, mich
Zu warnen; denn es steht Iirfahrunsj dir
Als lang erprobte Freundin an tler Seite.
Doch glaube nur, es horcht ein stilles Herz
Auf jedes Tages, jeder Stunde Warnung,
Und übt sich insgeheim an jedem Guten,
Das deine Strenije neu zu lehren 'daubt.
ANTONIO
Es ist wohl angenehm, sich mit sich selbst
Beschäft'gen, wenn es nur so nützlich wäre.
Inwendiij lernt kein Mensch sein Innerstes
Erkennen; denn er mißt nach eignem Maß
Sich bald zu klein und leider oft zu groß.
Der Mensch erkennt sich nur im Menschen, nur
Das Leben lehret jedem, was er sei.
TASSO
Mit Beifall und \'erehrung hör' ich dich.
43
ANTONIO
Und dennoch denkst du wohl bei diesen Worten
Ganz etwas andres, als ich sagen will.
TASSO
Auf diese Weise rücken wir nicht näher.
Es ist nicht klug, es ist nicht wohlgetan,
Vorsätzlich einen Menschen zu verkennen,
Er sei auch, wer er sei. Der Fürstin Wort
Bedurft' es kaum, leicht hab' ich dich erkannt:
Ich weiß, daß du das Gute willst und schaffst.
Dein eigen Schicksal läßt dich unbesorgt;
An andre denkst du, andern stehst du bei.
Und auf des Lebens leicht bewegter Woge
Bleibt dir ein stetes Herz. So seh' ich dich.
Und was war' ich, ging' ich dir nicht entgegen?
Sucht' ich begierig nicht auch einen Teil
An dem verschloßnen Schatz, den du bewahrst?
Ich weiß, es reut dich nicht, wenn du dich öffnest;
Ich weiß, du bist mein Freund, wenn du mich kennst:
Und eines solchen Freunds bedurft' ich lange.
Ich schäme mich der Unerfahrenheit
Und meiner Jugend nicht. Still ruhet noch
Der Zukunft goldne Wolke mir ums Haupt.
O nimm mich, edler Mann, an deine Brust,
Und weihe mich, den Raschen, Unerfahrnen,
Zum mäßioren Gebrauch des Lebens ein.
o
ANTONIO
In Einem Augenblicke forderst du.
Was wohlbedächtig nur die Zeit gewährt.
TASSO
In Einem Augenblick gewährt die Liebe,
Was Mühe kaum in langer Zeit erreicht.
Ich bitt' es nicht von dir, ich darf es fordern:
Dich ruf ich in der Tugend Namen auf,
44
Die gute Menschen zu verbinden eifert.
Und soll ich dir noch einen Xamen nennen?
Die Fürstin hofft's, sie vviirs — Eleonore,
Sie will mich zu dir führen, dich zu mir.
O lafi uns ihrem Wunsch ent;/^et^en<:ehn!
Lalo uns \erlninden vor die Göttin treten,
Ihr unsern Dienst, die ganze Seele bieten.
Vereint für sie das Würdigste zu tun.
Noch einmal! — Hier ist meine Hand! Schla<:' ein!
Tritt nicht zurück und weigre dich nicht länger,
O edler Mann, und gcinne mir die Wollust,
Die schönste guter Menschen, sich dem l^essern
Vertrauend ohne Rückhalt hinzu-reben!
A\T( )\I0
Du drehst mit vollen Seueln! Scheint es doch,
Du bist gewohnt zu siegen, überall
Die Wege breit, die Pforten weit zu finden.
Ich gönne jeden Wert und jetles Cilück
Dir gern; allein ich sehe nur zu sehr,
W ir slehn zu weit noch \oneinander ab.
TASSO
Hs sei an Jahren, an geprüftem Wert;
An frohem Mut und Willen weich' ich keinem.
ANTONIO
Der W ille lockt die Taten nicht herbei;
Der Mut stellt sich die W'e<'e kürzer vor.
Wer an''^elaniift am Ziel ist, wird «jekrönt,
Und oft entbehrt ein Würd'ger eine Krone.
Doch gibt es leichte Kränze, Kränze gibt es
\^on sehr verschiedner Art: sie lassen sich
Oft im Spazierengehn bequem erreichen.
TASSO
W'as eine Gottheit diesem frei gewährt
45
Und jenem streng versagt, ein solches Gut
Erreicht nicht jeder, wie er will und mag.
ANTONIO
Schreib' es dem Glück vor andern Göttern zu,
So hör' ich's gern, denn seine Wahl ist blind.
TASSO
Auch die Gerechtigkeit trägt eine Binde,
Und schließt die Augen jedem Blendwerk zu.
ANTONIO
Das Glück erhebe billig der Beglückte!
Er dicht' ihm hundert Augen fürs Verdienst
Und kluge Wahl und strenge Sorgfalt an.
Nenn' es Minerva, nenn' es, wie er will,
Er halte gnädiges Geschenk für Lohn,
Zufäll'gen Putz für wohlverdienten Schmuck.
TASSO
Du brauchst nicht deutlicher zu sein. Es ist renug".
Ich blicke tief dir in das Herz und kenne
Fürs ganze Leben dich. O kennte so
Dich meine Fürstin auch! Verschwende nicht
Die Pfeile deiner Augen, deiner Zunge!
Du richtest sie vergebens nach dem Kranze,
Dem unverwelklichen, auf meinem Haupt.
Sei erst so grof5, mir ihn nicht zu beneiden!
Dann darfst du mir vielleicht ihn streitig machen.
Ich acht' ihn heiliij und das höchste Gut.
Doch zeige mir den Mann, der das erreicht,
Wonach ich strebe, zeige mir den Helden,
Von dem mir die Geschichten nur erzählten;
Den Dichter stell' mir vor, der sich Homeren,
Virgilen sich vergleichen darf, ja, was
Noch mehr sfesatTt ist, zeisfe mir den Mann,
Der dreifach diesen Lohn verdiente, den
46
Die schöne Krone dreifach mehr als mich
Beschämte: dann sollst du mich knieend sehn
Vor jener Gottheit, die mich so begabte;
Nicht eher stund' ich auf, bis sie die Zierde
\'on meinem I laupt auf seins hinüberdrückte.
ANTONIO
Bis dahin bleibst du freilich ihrer wert.
TASSO
Man wäge mich, das w ill ich nicht vermeiden;
Allein Verachtung hab' ich nicht verdient.
Die Krone, der mein Fürst mich würdig achtete,
Die meiner Fürstin Hand für mich gewunden,
Soll keiner mir bezweifeln noch begrinsen!
ANTONIO
Ks ziemt der hohe Ton, die rasche (ilut
Nicht dir zu mir, noch dir an diesem Orte.
T.X.SSO
Was du dir hier erlaubst, das ziemt auch mir.
Und ist die Wahrheit wohl von hier verbannt?
Ist im Palast der freie Geist gekerkert?
Hat hier ein edler Mensch nur Druck zu dulden?
Mich dünkt, hier ist die Hoheit erst an ihrem Platz,
Der Seele Hoheit! Darf sie sich der Nähe
Der Großen dieser Erde nicht erfreun?
Sie darfs und soll's. Wir nahen uns dem Fürsten
Durch Adel nur, der uns von Vätern kam;
Warum nicht durch's Gemüt, das die Natur
Nicht jedem groß verlieh, wie sie nicht jedem
Die Reihe großer Ahnherrn geben konnte.
Nur Kleinheit sollte hier sich ängstlich fühlen.
Der Neid, der sich zu seiner Schande zeigt:
Wie keiner Spinne schmutziges Gewebe
An diesen Marmonvänden haften soll.
47
ANTONIO
Du zeigst mir selbst mein Recht, dich zu verschmähn!
Der übereilte Knabe will des Manns
Vertraun und Freundschaft mit Gewalt ertrotzen?
Unsittlich, wie du bist, hältst du dich gut?
TASSO
Viel lieber, was ihr euch unsittlich nennt.
Als was ich mir unedel nennen müßte.
ANTONIO
Du bist noch jung genug, daß gute Zucht
Dich eines bessern Wegs belehren kann.
TASSO
Nicht jung genug, vor Götzen mich zu neigen.
Und, Trotz mit Trotz zu bänd'gen, alt genug.
ANTONIO
Wo Lippenspiel und Saitenspiel entscheiden.
Ziehst du als Held und Sieger wohl davon.
TASSO
Verwegen war' es, meine Faust zu rühmen;
Denn sie hat nichts getan; doch ich vertrau' ihr.
ANTONIO
Du traust auf Schonung, die dich nur zu sehr
Im frechen Laufe deines Glücks verzog.
TASSO
Daß ich erwachsen bin, das fühl' ich nun.
Mit dir am wenigsten hätt' ich gewünscht.
Das Wagespiel der Waffen zu versuchen;
Allein du schürest Glut auf Glut, es kocht
Das innre Mark, die schmerzliche Begier
48
Der Rache siedet schäumend in der Brust.
Bist du der Mann, der du dich rühmst, so steh mir!
ANIONIU
Du weißt so wenig, wer, als wo du bist.
TASSO
Kein I leiligtum heißt uns den Schimpf ertragen.
Du lästerst, du entweihest diesen Ort,
Nicht ich, der ich \'ertraun, Verehrung, Liebe,
Das schönste Upfer, dir entgegentrug.
Dein Geist vcrunreint dieses I^aradies,
Und deine Worte diesen reinen Saal,
Nicht meines Herzens schwellendes Gefühl,
Das braust, den kleinsten Flecken nicht zu leiden.
ANTONIO
\\ eich hoher Geist in einer engen Brust!
l'ASSO
Hier ist noch Raum, dem Busen Luft zu machen.
ANTONIO
Es macht das Volk sich auch mit Worten Luft.
TASSO
Bist du ein Edelmann w ie ich, so zeig' es!
ANTONK )
Ich bin es wohl; doch weiß ich, wo ich bin.
T ASS( )
Komm mit herab, wo unsre Waffen gelten!
ANTONIO
Wie du nicht fordern solltest, folg' ich nicht.
49
TASSO
Der Feigheit ist solch Hindernis willkommen.
ANTONIO
Der Feige droht nur, wo er sicher ist.
TASSO
Mit Freuden kann ich diesem Schutz entsagen.
ANTONIO
Vergib dir nur, dem Ort vergibst du nichts.
TASSO
\^erzeihe mir der Ort, daß ich es litt.
Er ziel'.t den Degen
Zieh oder folge, wenn ich nicht auf ewig,
Wie ich dich hasse, dich verachten soll!
VIERTER AUFTRITT
ALFONS • ANTONIO • TASSO
ALFONS
In welchem Streit treft"' ich euch unerwartet?
ANTONIO
Du findest mich, o Fürst, gelassen stehn
Vor Einem, den die Wut ergriffen hat.
TASSO
Ich bete dich als eine Gottheit an,
Daß du mit Einem Blick mich ^\'arnend bändigst.
50
ALFOXS
Erzähl', Antonio, Tasso, sag' mir an.
Wie hat der Zwist sich in mein Maus üctlrunsren?
Wie hat er euch ergriffen, von der Bahn
Der Sitten, der Gesetze kluge Männer
Tni Taumel weggerissen? Ich erstaune.
TASSü
Du kennst uns beide nicht, ich glaub' es wohl.
Hier dieser Mann, berühmt als klug und sittlich.
Hat roh und hämisch, u ie ein unerzogner,
Unedler Mensch, sich uCL'^en mich betra''cn.
Zutraulich naht' ich ihm, er stiefo mich weg;
Beharrlich liebend drang ich mich zu ihm.
Und bitter, immer bittrer ruht' er nicht,
Bis er den reinsten Tropfen Bluts in mir
Zu Galle wandelte. Verzeih! Du hast mich hier
Als einen Wütenden getroffen. Dieser
Hat alle Schuld, wenn ich mich .schuldig machte.
Iir hat die (,Iut gewaltsam angefacht,
Die mich ergriff und mich und ihn verletzte.
ANTÜMO
Ihn riß der hohe Dichterschwun«^ hinwe<r!
Du hast, o Fürst, zuerst mich angeredet.
Hast mich gefragt: es sei mir nun erlaubt.
Nach diesem raschen Redner auch zu sprechen.
TASSO
O ja, erzähl', erzähl' \ on W ort zu \\ ort!
Und kannst du jede .Silbe, jede Miene
Vor diesen Richter stellen, wag' es nur!
Beleidi<7e dich selbst zum zweiten Male,
Und zeuiie wider dich! Dasjeoen will
Ich keinen Hauch und keinen Pulsschlag leugnen.
ANTONIO
Wenn du noch mehr zu reden hast, so sprich;
51
Wo nicht, so schweig' und unterbrich mich nicht.
Ob ich, mein Fürst, ob dieser heiße Kopf
Den Streit zuerst begonnen? wer es sei.
Der Unrecht hat? ist eine weite Frage,
Die wohl zuvörderst noch auf sich beruht.
TASSO
Wie das? Mich dünkt, das ist die erste Frage:
Wer von uns beiden Recht und Unrecht hat.
ANTONIO
Nicht ganz, wie sich's der unbegrenzte Sinn
Gedenken mag.
ALFONS
Antonio!
ANTONIO
Gnädigster,
Ich ehre deinen Wink, doch laß ihn schweigen!
Hab' ich gesprochen, mag er weiter reden;
Du wirst entscheiden. Also sag' ich nur:
Ich kann mit ihm nicht rechten, kann ihn weder
Verklagen, noch mich selbst verteid'gen, noch
Ihm jetzt genug zu tun mich anerbieten.
Denn, wie er steht, ist er kein freier Mann.
Es waltet über ihm ein schwer Gesetz,
Das deine Gnade höchstens lindern wird.
Er hat mir hier gedroht, hat mich gefordert;
Vor dir verbarg er kaum das nackte Schwert.
Und tratst du, Herr, nicht zwischen uns herein.
So stünde jetzt auch ich als pflichtvergessen,
Mitschuldig und beschämt vor deinem Blick.
ALFONS
zu Tasso
Du hast nicht wohlgetan.
52
TASSO
Mich spricht, o Herr,
Mein eigen I lerz, gewilo auch deines frei.
Ja, es ist wahr, ich drohte, forderte.
Ich zog. Allein wie tückisch seine Zunge
Mit wohlgewählten Worten mich \erletzt.
Wie scharf und schnell sein Zahn das feine Gift
Mir in das Blut getlölit, wie er das I'ieber
Nur mehr und mehr erhitzt — du denkst es nicht!
Gelassen, kalt, hat er mich ausgehalten,
Aufs Höchste mich getrieben. (J! du kennst,
Du kennst ihn nicht und wirst ihn niemals kennen!
Ich trusj ihm warm die schönste Treuiidschaft an -
Er warf mir meine Gaben vor die Fülie;
Und hätte meine Seele nicht geglüht,
So war sie deiner Gnade, deines Dienstes
Auf ewig unwert. I lab' ich des Gesetzes
Und dieses Orts vergessen, so verzeih.
Auf keinem Boden darf ich niedrig sein,
ErniedrijTuntj; auf keinem Boden dulden.
Wenn dieses Herz, es sei auch, wo es will,
Dir fehlt und sich, dann strafe, dann \erstol5e.
Und lal') mich nie dein Auge wiedersehn!
ANT(3NI(:)
Wie leicht der Jüngling schw ere Lasten trägt,
Und Fehler wie den Staub vom Kleide .schüttelt!
Es wäre zu \er\\ undern, wenn die Zauberkraft
Der Dichtung nicht bekannter w äre, die
Mit dem l'nmöglichen so gern ihr Spiel
Zu treiben liebt Üb du auch so, mein Fürst,
Ob alle deine Diener diese Tat
So unbedeutend halten, zweifl' ich fast
Die Majestät \erbreitet ihren Schutz
Auf jeden, der sich ihr wie einer Gottheit
Und ihrer unxerletzten Wohnung naht
Wie an dem Fufie des .\ltirs, bezähmt
53
Sich auf der Schwelle jede Leidenschaft.
Da blinkt kein Schwert, da fällt kein drohend Wort,
Da fordert selbst Beleid'gung keine Rache.
Es bleibt das weite Feld ein offner Raum
Für Grimm und Unversöhnlichkeit genug:
Dort wird kein Feiger dröhn, kein Mann wird fliehn.
Hier diese Mauern haben deine Väter
Auf Sicherheit orerrründet, ihrer Würde
Ein Heiligtum befestigt, diese Ruhe
Mit schweren Strafen ernst und klug erhalten;
Verbannung, Kerker, Tod ergriff den Schuldigen.
Da war kein Ansehn der Person, es hielt
Die Milde nicht den Arm des Rechts zurück;
Und selbst der Frevler fühlte sich geschreckt.
Nun sehen wir nach langem, schönem Frieden
In das Gebiet der Sitten rohe Wut
Im Taumel ^viederkehren. Herr, entscheide,
Bestrafe! denn wer kann in seiner Pflicht
Beschränkten Grenzen wandeln, schützet ihn
Nicht das Gesetz und seines Fürsten Kraft?
ALFONS
Mehr, als ihr beide sagt und sagen könnt.
Läßt unparteiisch das Gemüt mich hören.
Ihr hättet schöner eure Pflicht getan.
Wenn ich dies Urteil nicht zu sprechen hätte,
Denn hier sind Recht und Unrecht nah verwandt.
Wenn dich Antonio beleidigt hat.
So hat er dir auf irgendeine Weise
Genug zu tun, wie du es fordern wirst.
Mir war' es lieb, ihr A\ähltet mich zum Austrag.
Indessen dein Vergehen macht, o Tasso,
Dich zum Gefangnen. Wie ich dir vergebe,
So lindr' ich das Gesetz um deinetwillen.
Verlaß uns, Tasso! bleib auf deinem Zimmer,
Von dir und mit dir selbst allein bewacht!
TASSO
Ist dies, o Fürst, dein richterlicher Spruch?
54
ANT(JNIO
Erkennest du des Vaters Milde nicht?
TASSÜ
zu Antonio
Mit dir hab' ich vorerst nichts mehr zu reden.
7.\\ Alfons
O Fürst, es übergnbt dein ernstes Wort
Mich Freien der Gefantjenschaft. Es sei!
Du h"ihst CS Recht. Dein hcilij^^ Wort \crchrend,
Heil')' ich mein innres Herz im tiefsten schweifen.
Es ist mir neu, so neu, daI5 ich fast dich
Und mich und diesen schönen Ort nicht kenne.
Doch diesen kenn' ich wohl! — Gehorchen will ich.
Ob ich (gleich hier noch manches sas^en könnte.
Und sas^^en sollte. Mir \ crstummt die Lippe.
War's ein Verbrechen.^ Wenij^stens es .scheint,
Ich bin als ein \ 'erbrecher an'ifesehn.
Und, was mein Herz auch .sayi, ich bin gefanj^en.
ALFOX.S
Du nimmst es höher, Tasso, als ich selbst.
r.vs.so
Mir bleibt es unbegreiflich, wie es ist;
Zwar unbegreiflich nicht, ich bin kein Kind;
Ich meine fast, ich mülot' es denken kiinnen.
Auf einmal w inkt mich eine Klarheit an,
Doch augenblicklich schliel5t sich's wieder zu!
Ich höre nur mein Urteil, beuge mich.
Das sind zu viel \'ergebne Worte schon!
Gewöhne dich von nun an, zu gehorchen,
Ohnmächt'ger! du vergal'iest, wo du standst;
Der Götter Saal schien dir auf gleicher Erde,
Nun überwältigt dich der jähe Fall.
Gehorche gern, denn es geziemt dem Manne,
55
Auch willig das Beschwerliche zu tun.
Hier nimm den Degen erst, den du mir gabst,
Als ich dem Kardinal nach Frankreich folgte;
Ich führt' ihn nicht mit Ruhm, doch nicht mit Schande.
Auch heute nicht. Der hoffnungsvollen Gabe
Entäußr' ich mich mit tief gerührtem Herzen.
ALFONS
Wie ich zu dir gesinnt bin, fühlst du nicht.
TASSO
Gehorchen ist mein Los, und nicht, zu denken!
Und leider eines herrlichem Geschenks
Verleuenune fordert das Geschick von mir.
Die Krone kleidet den Gefangnen nicht:
Ich nehme selbst von meinem Haupt die Zierde,
Die für die E\vigkeit gegönnt mir schien.
Zu früh war mir das schönste Glück verliehen.
Und wird, als hätt' ich sein mich überhoben.
Mir nur zu bald geraubt.
Du nimmst dir selbst, was keiner nehmen konnte.
Und was kein Gott zum zweiten Male gibt.
Wir Menschen werden wunderbar geprüft;
Wir könnten's nicht ertragen, hätt' uns nicht
Den holden Leichtsinn die Natur verliehn.
Mit unschätzbaren Gütern lehret uns
Verschwenderisch die Not gelassen spielen:
Wir öffnen willig unsre Hände, daß
Unwiederbringlich uns ein Gut entschlüpfe. —
Mit diesem Kuß vereint sich eine Träne,
Und weiht dich der Vergänglichkeit! Es ist
Erlaubt, das holde Zeichen unsrer Schwäche.
Wer weinte nicht, wenn das Unsterbliche
Vor der Zerstörung- selbst nicht sicher ist?
Geselle dich zu diesem Degen, der
Dich leider nicht erwarb; um ihn geschlungen,
Ruhe, wie auf dem Sarg der Tapfern, auf
56
Dem Grabe meines Glücks und meiner Hoffnung!
Hier leg' ich beide willig dir zu Füßen:
Denn wer ist wohl gewaffnet, wenn du zürnst?
Und wer geschmückt, o Herr, den du verkennst?
Gefangen geh' ich, warte des Gerichts.
Auf des Fürsten Wink hebt ein Paije den Degen mit dem Kranze
auf und tragt ihn weg
FÜNFTER AUFTRITT
ALFONS • ANTC )\IO
ANTONIO
Wo schwämit der Knabe hin? Mit welchen Farben
Malt er sich seinen Wert und sein Geschick?
Beschränkt und unerfahren, hält die Jugend
Sich für ein einzig auscrwähltcs Wesen,
Und alles über alle sich erlaubt.
Er fühle sich gestraft, und strafen heißt
Dem Jüngling wohltun, daß der Mann uns danke.
ALFONS
Er ist gestraft! ich fürchte: nur zu \iel.
ANTONIO
Wenn du gelind mit ihm verfahren magst.
So gib, o Fürst, ihm seine Freiheit w ieder,
Und unsem Zwist entscheide dann das Schwert!
ALFONS
Wenn es die Meinung fordert, mag es sein.
Doch sprich, wie hast du seinen Zorn gereizt?
57
ANTONIO
Ich wüßte kaum zu sagen, wie's geschah.
Als Menschen hab' ich ihn vielleicht gekränkt,
Als Edelmann hab' ich ihn nicht beleidigt;
Und seinen Lippen ist im größten Zorne
Kein sittenloses Wort entfiohn.
ALFONS
So schien
Mir euer Streit, und was ich gleich gedacht.
Bekräftigt deine Rede mir noch mehr.
Wenn Männer sich entzweien, hält man billig
Den Klügsten für den Schuldigen. Du solltest
Mit ihm nicht zürnen; ihn zu leiten, stünde
Dir besser an. Noch immer ist es Zeit;
Hier ist kein Fall, der euch zu streiten zwänge.
Solang mir Friede bleibt, so lange wünsch' ich
In meinem Haus ihn zu genießen. Stelle
Die Ruhe wieder her — du kannst es leicht.
Lenore Sanvitale mag ihn erst
Mit zarter Lippe zu besänft'gen suchen;
Dann tritt zu ihm, gib ihm in meinem Namen
Die volle Freiheit wieder, und gewinne
Mit edlen, wahren Worten sein Vertraun!
Verrichte das, sobald du immer kannst:
Du wirst als Freund und Vater mit ihm sprechen.
Noch eh' wir scheiden, will ich Friede wissen.
Und dir ist nichts unmöglich, wenn du willst.
Wir bleiben lieber eine Stunde länger.
Und lassen dann die Frauen sanft vollenden.
Was du begannst; und kehren wir zurück.
So haben sie von diesem raschen Eindruck
Die letzte Spur vertilgt. _ Es scheint, Antonio,
Du willst nicht aus der Übung kommen! Du
Hast ein Geschäft kaum erst vollendet, nun
Kehrst du zurück und schaffst dir gleich ein neues.
Ich hoffe, daß auch dieses dir gelingt.
58
ANTONIO
Ich bin beschämt, und seh' in deinen Worten
Wie in dem klarsten Spiegel meine vSchuld!
Gar leicht gehorcht man einem edlen Herrn,
Der überzeugt, indem er uns gebietet.
59
DRITTE R AUFZUG
ERSTER AUFTRITT
PRINZESSIN
allein
U bleibt Eleonore? Schmerzlicher
Bewegt mir jeden Augenblick die Sorge
Das tiefste Herz. Kaum weiß ich, was geschah;
Kaum weiß ich, wer von beiden schuldig ist.
O daß sie käme! Möcht' ich doch nicht gern
Den Bruder nicht, Antonio nicht sprechen.
Eh' ich gefaßter bin, eh' ich vernommen,
Wie alles steht und was es werden kann.
Wi
ZWEITER AUFTRITT
PRINZESSIN • LEONORE
PRINZESSIN
Was bringst du, Leonore? Sag' mir an;
Wie steht's um unsre Freunde? Was geschah?
LEONORE
Mehr, als wir wissen, hab' ich nicht erfahren.
Sie trafen hart zusammen, Tasso zog.
Dein Bruder trennte sie: allein es scheint.
Als habe Tasso diesen Streit begonnen.
Antonio geht frei umher und spricht
Mit seinem Fürsten; Tasso bleibt dagegen
Verbannt in seinem Zimmer und allein.
60
PRINZESSIN
Gewifl) hat ihn Antonio wreizt.
Den Hochg^cstininiten kalt und fremd beleidigt.
LRONORE
Ich glaub' es selbst. Denn eine Wolke stand,
Schon als er zu ihm trat, um seine Stirn.
VRIS/AISSIN
Ach, dal') wir doch dem reinen, stillen Wink
Des Herzens nachzui^^ehn so sehr verlernen!
Ganz leise spricht ein Gott in unsrer Brust,
Ganz leise, ganz vernehmlich, zeigt uns an.
Was zu ergreifen ist und was zu fliehn.
Antonio erschien mir heute früh
Viel schroffer noch als je, in sich gezogner.
Es warnte mich mein (^eist, als neben ihn
Sich Tasso stellte. Sieh das Äußre nur
V^on beiden an, das Angesicht, den Ton,
Den Hlick, den Tritt! es widerstrebt sich alles;
Sie können ewig keine Liebe wechseln.
Doch überredete die Hoffnung mich,
Die Gleisnerin: sie sind \'ernünftig beide.
Sind edel, unterrichtet, deine Freunde;
Und welch ein Band ist sichrer als der Guten?
Ich trieb den Jüngling an; er gab sich ganz;
Wie schön, wie wann er-^-ib er ijanz sich mir!
O, hätt' ich gleich Antonio gesprochen!
Ich zauderte; es war nur kurze Zeit;
Ich scheute mich, gleich mit den ersten W^orten
Und dringend ihm den Jüngling zu empfehlen;
Verlieli auf Sitte mich und Höflichkeit,
Auf den Gebrauch der Welt, der sich so glatt
Selbst zwischen Feinde legt; befürchtete
Von dem geprüften Manne diese Jähe
Der raschen Jugend nicht. Es ist geschehn.
6i
Das Übel stand mir fern, nun ist es da.
O gib mir einen Rat! Was ist zu tun?
LEONORE
Wie schwer zu raten sei, das fühlst du selbst
Nach dem, was du gesagt. Es ist nicht hier
Ein Mißverständnis zwischen Gleichgestimfnten;
Das stellen Worte, ja im Notfall stellen
Es Waffen leicht und glücklich wieder her.
Zwei Männer sind's, ich hab' es lang gefühlt,
Die darum Feinde sind, weil die Natur
Nicht einen Mann aus ihnen beiden formte.
Und wären sie zu ihrem Vorteil klug,
So würden sie als Freunde sich verbinden;
Dann stünden sie für einen Mann und gingen
Mit Macht und Glück und Lust durchs Leben hin.
So hofft' ich selbst; nun seh' ich wohl, umsonst.
Der Zwist von heute, sei er, wie er sei,
Ist beizulci^en; doch das sichert uns
Nicht für die Zukunft, für den Morgen nicht.
Es war' am besten, dächt' ich, Tasso reiste
Auf eine Zeit von hier: er könnte ja
Nach Rom, auch nach Florenz sich wenden; dort
Traf ich in wenig Wochen ihn, und könnte
Auf sein Gemüt als eine Freundin wirken.
Du würdest hier indessen den Antonio,
Der uns so fremd geworden, dir aufs neue
Und deinen Freunden näher bringen: so
Gewährte das, was jetzt unmöglich scheint.
Die gute Zeit vielleicht, die vieles gibt.
PRINZESSIN
Du willst dich in Genuß, o Freundin, setzen.
Ich soll entbehren: heißt das billig sein?
LEONORE
Entbehren wirst du nichts, als was du doch
In diesem Falle nicht genießen könntest.
62
PRINZESSIN
So ruhig soll ich einen Freund verbannen?
LEOXORE
Erhalten, den du nur zum Schein verbannst?
PRINZESSIN
Mein Bruder wird ihn nicht mit Willen lassen.
LE()N(JRE
Wenn er es sieht, wie wir, so gibt er nach.
PRINZESSIN
Es ist so schwer, im Freunde sich verdammen.
LEONORE
l iid dennoch rettest du den Freund in dir.
I'RINZIi.SSIN
Ich gebe nicht mein Ja, dalS es geschehe.
LEONORE
So warte noch ein größres Übel ab!
PRINZESSIN
Du peinigst mich und weilit nicht, ob du nützest.
LEONORE
Wir werden bald entdecken, wer sich iirt.
PRINZESSIN
Lind soll es sein, so frage mich nicht länger!
lf:onore
Wer sich entschließen kann, besiegt den Schmerz.
63
PRINZESSIN
Entschlossen bin ich nicht; allein es sei,
Wenn er sich nicht auf lange Zeit entfernt! —
Und laß uns für ihn sorgen, Leonore,
Daß er nicht Mangel etwa künftig leide,
Daß ihm der Herzog seinen Unterhalt
Auch in der Ferne willig reichen lasse.
Sprich mit Antonio, denn er vermag
Bei meinem Bruder viel, und wird den Streit
Nicht unserm Freund und uns gedenken wollen.
LEONORE
Ein Wort von dir, Prinzessin, gälte mehr.
PRINZESSIN
Ich kann, du weißt es, meine Freundin, nicht,
Wie's meine Schwester von Urbino kann,
Für mich und für die Meinen was erbitten.
Ich lebe gern so stille vor mich hin,
Und nehme von dem Bruder dankbar an,
Was er mir immer tjeben kann und will.
Ich habe sonst darüber manchen Vorwurf
Mir selbst gemacht; nun hab' ich überwunden.
Es schalt mich eine Freundin oft darum:
Du bist uneigennützig, sagte sie.
Das ist recht schön; allein so sehr bist du's,
Daß du auch das Bedürfnis deiner Freunde
Nicht recht empfinden kannst. Ich lass' es gehn.
Und muß denn eben diesen Vorwurf tragen.
Um desto mehr erfreut es mich, daß ich
Nun in der Tat dem Freunde nützen kann;
Es fällt mir meiner Mutter Erbschaft zu.
Und gerne will ich für ihn sorgen helfen.
LEONORE
Und ich, o Fürstin, finde mich im Falle,
Da
64
Daß ich als Freundin auch mich zeigen kann.
Er ist kein guter Wirt; wo es ihm fehlt,
Werd' ich ihm schon geschickt zu helfen wissen.
PRIXZF,SSI\
So nimm ihn weg, und, soll ich ihn entbehren,
Vor allen andern sei er dir <';e<i"önnt!
Ich seh' es wohl, so wird es besser sein.
Muß ich denn wieder diesen Schmerz als cfut
Und heilsam preisen? Das war mein Geschick
Von Jugend auf; ich bin nun dran gewöhnt.
Nur halb ist der X'crlust des schönsten Glücks,
Wenn wir auf den Besitz nicht sicher zählten.
LHOXORE
Ich hoffe, dich so schön du es verdienst,
Glücklich zu sehn.
PRINZESSIN
Eleonore! (Glücklich?
Wer ist denn glücklich? — Meinen Bruder zwar
Möcht' ich so nennen, denn sein grol.k^s Herz
Trägt sein (beschick mit immer gleichem Mut;
Allein, was er verdient, das ward ihm nie.
Ist meine Schwester von Irbino ''lücklich?
Das schöne Weib, das edle grolSe Herz!
Sie bringt dem Jüngern Manne keine Kinder;
Er achtet sie, und lälit sie's nicht entgelten.
Doch keine Freude wohnt in ihrem Haus.
Was half denn unsrer Mutter ihre Klugheit?
Die Kenntnis jeder Art, ihr großer Sinn?
Könnt' er sie vor dem fremden Irrtum schützen?
Man nahm uns \'on ihr \\eg: nun i.st sie tot,
Sie ließ uns Kindern nicht den Trost, daß sie
Mit ihrem Gott versöhnt «gestorben sei.
LEONÜRE
Ü blicke nicht nach dem, was jedem fehlt;
65
Betrachte, was noch einem jeden bleibt!
Was bleibt nicht dir, Prinzessin?
PRINZESSIN
Was mir bleibt?
Geduld, Eleonore! üben könnt' ich die
Von Jugend auf. Wenn Freunde, wenn Geschwister
Bei Fest und Spiel gesellig sich erfreuten.
Hielt Krankheit mich auf meinem Zimmer fest,
Und in Gesellschaft mancher Leiden mußt'
Ich früh entbehren lernen. Eines war.
Was in der Einsamkeit mich schön ergötzte:
Die Freude des Gesangs; ich unterhielt
Mich mit mir selbst, ich \\^iegte Schmerz und Sehnsucht
Und jeden Wunsch mit leisen Tönen ein.
Da wurde Leiden oft Genuß, und selbst
Das trauriq-e Gefühl zur Harmonie.
Nicht lauQ- war mir dies Glück Q-ecrönnt, auch dieses
Nahm mir der Arzt hinweg: sein streng Gebot
Hieß mich verstummen; leben sollt' ich, leiden,
Den einz'gen kleinen Trost sollt' ich entbehren.
LEONORE
So viele Freunde fanden sich zu dir.
Und nun bist du gesund, bist lebensfroh.
PRINZESSIN
Ich bin gesund, das heißt, ich bin nicht krank;
Und manche Freunde hab' ich, deren Treue
Mich Q-lücklich macht. Auch hatt' ich einen Freund —
Du hast ihn noch.
LEONORE
PRINZESSIN
Lind \\'erd' ihn bald verlieren.
Der Augenblick, da ich zuerst ihn sah,
66
War viel bedeutend. Kaum crhült' ich mich
Von manchen Leiden; Schmerz und Krankheit waren
Kaum erst gewichen; still bescheiden blickt' ich
Ins Leben wieder, freute mich des Tags
Und der Geschw ister wieder, sog beherzt
Der süßen ILjlTnun-j reinsten Balsam ein.
Ich wagt' es, vorwärts in das Leben weiter
Hinein zu sehn, untl freundliche Gestalten
Be</e' nieten mir aus der I'erne. Da,
lileonore, stellte mir den Jüngling
Die Schwester vor; er kam an ihrer Ilantl,
Und, dal'> ich dir's gestehe, da ergriff
Ihn mein Gemüt und wird ihn ewig halten.
LRDNORH
() meine lürstin, lal'j dich's nicht gereuen!
Das l{dle zu erkennen, ist Geu inst.
Der nimmer uns entrissen werden kann.
l'RI.\Zi:SSIN
Zu fürchten ist das Schöne, das Inirtreflliche,
W ie eine !■ lamme, die so herrlich nützt.
Solange sie auf tleinem Herde brennt.
Solang sie dir \(jn einer Fackel leuchtet.
Wie hold! wer ma-'", wer kann sie da entbehren?
Und frißt sie ungehütet um sich her,
Wie elend kann sie machen! Laß mich nun.
Ich bin n:eschwätzi«', und \ erbärije besser
Auch selbst \t)r dir, wie .schwach ich bin und krank.
LLOXORH
Die Krankheit des Gemütes löset sich
In Klauen und \'ertraun am leichtsten auf
PRIXZI-SSIX
Wenn das X'ertrauen heilt, so heil' ich bald;
Ich hab' es rein und hab' es ganz zu dir.
67
Ach meine Freundin! Zwar ich bin entschlossen:
Er scheide nur! allein ich fühle schon
Den langen ausgedehnten Schmerz der Tage, wenn
Ich nun entbehren soll, was mich erfreute.
Die Sonne hebt von meinen Autjenlidern
Nicht mehr sein schön verklärtes Traumbild auf;
Die Hoffnung, ihn zu sehen, füllt nicht mehr
Den kaum erwachten Geist mit froher Sehnsucht;
Mein erster Blick hinab in unsre Gärten
Sucht ihn vergebens in dem Tau der Schatten.
Wie schön befriedigt fühlte sich der Wunsch,
Mit ihm zu sein an jedem heitern Abend!
Wie mehrte sich im Umranq- das Verlansren,
Sich mehr zu kennen, mehr sich zu verstehn!
Und täglich stimmte das Gemüt sich schöner
Zu immer reinem Harmonien auf
Welch eine Dämmrung fällt nun vor mir ein!
Der Sonne Pracht, das fröhliche Gefühl
Des hohen Tags, der tausendfachen Welt
Glanzreiche Gegenwart ist öd' und tief
Im Nebel eingehüllt, der mich umgibt.
Sonst war mir jeder Tag ein ganzes Leben;
Die Sorije schwieo-, die AhnuuQ- selbst verstummte,
Und glücklich eingeschiftt, trug uns der Strom
Auf leichten Wellen ohne Ruder hin:
Nun überfällt in trüber Gegenwart
Der Zukunft Schrecken heimlich meine Brust.
LEONORE
Die Zukunft gibt dir deine Freunde wieder.
Und bringt dir neue Freude, neues Glück.
PRINZESSIN
Was ich besitze, mag ich gern bewahren:
Der Wechsel unterhält, doch nutzt er kaum.
Mit jugendlicher Sehnsucht griff ich nie
Begierig in den Lostopf fremder Welt,
68
Für mein bedürfend unerfahren Herz
Zufälli'i- einen Ge<'enstind zu haschen.
Ihn mulit' ich ehren, darum liebt' ich ihn;
Ich mußt' ihn lieben, weil mit ihm mein Leben
Zum Leben ward, w ie ich es nie gekannt.
Lrst sajj^t' ich mir: entferne dich \on ihm!
Ich wich und wich, und kam nur immer näher,
So lieblich angelockt, so hart bestraft!
Ein reines wahres Gut verschwindet mir.
Und meiner Sehnsucht schiebt ein böser Geist
St;itt I'Veud' und (ilück verwandte Schmerzen unter.
LliONORH
Wenn einer Freundin Wort nicht trösten kann.
So wird die stille Kraft der schönen Welt,
Der guten Zeit ilich un\ermerkt erquicken.
rRI\Zl{SSl.\
Wohl ist sie schön, liie W elt! In ihrer Weite
Bewegt sich so viel Gutes hin und her.
Ach, daß es immer nur um einen .Schritt
Von uns sich zu entfernen scheint
l'nd unsre bange Sehnsucht durch das Leben
Auch .Schritt vt>r Schritt bis nach dem Grabe lockt!
So selten ist es, daß die Menschen fmden.
Was ihnen doch bestimmt gewesen schien,
So selten, daß sie das behalten, was
Auch einmal die be'dückte Hand er'rriff!
Es reißt sich los, was erst sich uns ergab,
\\'ir lassen los, was wir begierig faßten.
Es gibt ein Glück, allein wir kennen's nicht:
Wir kennen's wohl, und wissen's nicht zu schätzen.
69
DRITTER AUFTRITT
LEONORE
allein
Wie jammert mich das edle schöne Herz!
Welch traurig Los, das ihrer Hoheit fällt!
Ach sie verliert — und denkst du, zu gewinnen?
Ist's denn so nötig, daß er sich entfernt?
Machst du es nötig, um allein für dich
Das Herz und die Talente zu besitzen.
Die du bisher mit einer andern teilst,
Und ungleich teilst? Ist's redlich, so zu handeln?
Bist du nicht reich Q-enuo:? Was fehlt dir noch?
Gemahl und Sohn und Güter, Rang und Schönheit:
Das hast du alles, und du willst noch ihn
Zu diesem allen haben? Liebst du ihn?
Was ist es sonst, \\'arum du ihn nicht mehr
Entbehren magst? Du darfst es dir gestehn. —
Wie reizend ist's, in seinem schönen Geiste
Sich selber zu bespiegeln! Wird ein Glück
Nicht doppelt groß und herrlich, wenn sein Lied
Uns wie auf Himmelswolken trägt und hebt?
Dann bist du erst beneidenswert! Du bist.
Du hast das nicht allein, was viele wünschen;
Es weiß, es kennt auch jeder, was du hast!
Dich nennt dein Vaterland und sieht auf dich:
Das ist der höchste Gipfel jedes Glücks.
Ist Laura denn allein der Name, der
Von allen zarten Lippen klingen soll?
Lind hatte nur Petrarch allein das Recht,
Die unbekannte Schöne zu vergöttern?
Wo ist ein Mann, der meinem Freunde sich
Vergleichen darf? Wie ihn die Welt verehrt.
So wird die Nachwelt ihn verehrend nennen.
Wie herrlich ist's, im Glänze dieses Lebens
Ihn an der Seite haben! so mit ihm
Der Zukunft sich mit leichtem Schritte nahn!
70
Alsdann vermag die Zeit, das Alter nichts
Auf dich, und nichts der freche Ruf,
Der hin und her des Beifalls \\'o<'"e treibt:
Das, was vergänglich ist, bewahrt sein Lied.
Du bist noch schon, noch glücklich, wenn schon lange
Der Kreis der Din'^e dich mit fortgerissen.
Du muf5t ihn haben, und ihr nimmst du nichts:
Denn ihre Neii4;un<>' zu dem werten Manne
Ist ihren andern Leidenschaften gleich.
Sie leuchten, wie der stille Schein des Montls
Dem Wandrer spärlich auf dem Vfixd zu \acht:
Sie wämicn nicht, und gielien keine Lust
Noch Lebensfreud' umher. Sie wird sich freuen,
Wenn sie ihn fern, wenn sie ihn glücklich weilS,
Wie sie genoli, wenn sie ihn täglich sah.
Und dann, ich will mit meinem Freunde nicht
V'on ihr und diesem Ilofe mich \erbannen:
Ich komme wieder, und ich bring' ihn wieder.
So soll es sein! — Hier kommt der rauhe LVeund:
Wir wollen sehn, ob w ir ihn zähmen können.
\ ILR ri-R AUI-TklTT
LEONORK • ANTONIO
LI'OXORL:
Du bringst uns Krieg statt I-'rieden: scheint es doch,
Du kommst aus einem Lager, einer Schlacht,
Wo die Gewalt regiert, die Laust entscheidet,
Und nicht \on Rom, wo feierliche Klugheit
Die Hände segnend hebt und eine Welt
Zu ihren Füllen sieht, die gern gehorcht
ANTONIO
Ich muß den Tadel, schöne Freundin, dulden,
71
Doch die Entschuld'gung liegt nicht weit davon.
Es ist gefährlich, wenn man allzu lang
Sich kluQf und mäßi»' zeioen muß. Es lauert
Der böse Genius dir an der Seite
Und will p-ewaltsam auch von Zeit zu Zeit
Ein Opfer haben. Leider hab' ich's diesmal
Auf meiner Freunde Kosten ihm gebracht.
LEONORE
Du hast um fremde Menschen dich so lang
Bemüht und dich nach ihrem Sinn gerichtet:
Nun, da du deine Freunde wieder siehst,
Verkennst du sie, und rechtest wie mit Fremden.
ANTONIO
Da liegt, geliebte Freundin, die Gefahr!
Mit fremden Menschen nimmt man sich zusammen,
Da merkt man auf, da sucht man seinen Zweck
In ihrer Gunst, damit sie nutzen sollen;
Allein bei Freunden läßt man frei sich gehn.
Man ruht in ihrer Liebe, man erlaubt
Sich eine Laune, ungezähmter wirkt
Die Leidenschaft, und so verletzen wir
Am ersten die, die \\ir am zartsten lieben.
LEONORE
In dieser ruhigen Betrachtung lind' ich dich
Schon ganz, mein teurer Freund, mit Freuden wieder.
ANTONIO
Ja, mich verdrießt — und ich bekenn' es gern —
Daß ich mich heut so ohne Maß verlor.
Allein gestehe, wenn ein \\'ackrer Mann
Mit heißer Stirn von saurer Arbeit kommt
Und spät am Abend in ersehnten Schatten
Zu neuer Mühe auszuruhen denkt,
Und findet dann von einem Müßiggänger
72
Den Schatten breit besessen, soll er nicht
Auch etu'as Menschlichs in dem Busen fühlen?
LHOXORH
Wenn er recht menschlich ist, so wird er auch
Den Schatten j^^ern mit einem Manne teilen,
Der ihm die Ruhe süß, die Arbeit leicht
Durch ein Gespräch, durch holde Töne macht.
Der Baum ist breit, mein Freund, der Schatten üfibt.
Und keiner braucht den andern zu verdrän'ren.
AXT( )XIO
Wir wollen uns, Hleonore, nicht
Mit einem (deichnis hin und wider spielen.
Gar viele Dint^e sind in dieser Welt,
Die man deiu antlern >'ünnt und ''erne teilt;
Jedoch es ist ein Schatz, den man allein
Dem Hochverdienten «'erne <>önnen mai/,
Hin andrer, den man mit dem 1 löchstx erdienten
Mit «>utein Willen niemals teilen wird -
Lind frai.;st du mich nach iliesen beitlen Schätzen:
Der Lorbeer ist es und die (ainst iler Frauen.
LFüXORF
Hat jener Kran/, um uiisers Jünglings Haupt
Den ernsten Mann beleidigt? Hättest du
Für seine Mühe, .seine schöne Dichtung
Bescheidnern Lohn doch selbst nicht finden können.
Denn ein X'erdienst, das aufierirdisch ist.
Das in den Lüften schwebt, in Tönen nur.
In leichten Bilder unsern Geist umgaukelt.
Es wird denn auch mit einem schönen Bilde,
Mit einem holden Zeichen nur belohnt;
Und wenn er selbst die Erde kaum berührt.
Berührt der höchste Lohn ihm kaum das Haupt.
Ein unfruchtbarer Zweig ist das Geschenk,
Das der \'erehrer unfruchtbare Xeisjuny-
7
o
Ihm gerne bringt, damit sie einer Schuld
Aufs leichtste sich entlade. Du mißfjönnst
Dem Bild des Märtyrers den goldnen Schein
Ums kahle Haupt wohl schwerlich; und gewiß,
Der Lorbeerkranz ist, wo er dir erscheint,
Ein Zeichen mehr des Leidens als des Glücks.
ANTONIO
Will etwa mich dein liebenswürdVer Mund
Die Eitelkeit der Welt verachten lehren?
LEONORE
Ein jedes Gut nach seinem Wert zu schätzen.
Brauch' ich dich nicht zu lehren. Aber doch,
Es scheint, von Zeit zu Zeit bedarf der Weise,
So sehr wie andre, daß man ihm die Güter,
Die er besitzt, im rechten Lichte zeige.
Du, edler Mann, du wirst an ein Phantom
Von Gunst und Ehre keinen Anspruch machen.
Der Dienst, mit dem du deinem Fürsten dich.
Mit dem du deine Freunde dir verbindest,
Ist wirkend, ist lebendig, und so muß
Der Lohn auch wirklich und lebendig sein.
Dein Lorbeer ist das fürstliche Vertraun,
Das auf den Schultern dir, als liebe Last,
Gehäuft und leicht getragen ruht; es ist
Dein Ruhm das allgemeine Zutraun.
ANTONIO
Und von der Gunst der Frauen sagst du nichts:
Die willst du mir doch nicht entbehrlich schildern?
LEONORE
Wie man es nimmt. Denn du entbehrst sie nicht,
Und leichter wäre sie dir zu entbehren.
Als sie es jenem guten Mann nicht ist.
Denn sag': geläng' es einer Frau, wenn sie
74
Nach ihrer Art für dich zu sorgen dächte,
Mit dir sich zu beschäft'gen unternähme?
Bei dir ist alles Ordnung, Sicherheit;
Du sorgst für dich, wie du für andre sorgst.
Du hast, was man dir gel)en möchte. Jener
Beschäftigt uns in unserm ei</nen I'ache:
Ihm fehlt's an tausend Kleinigkeiten, die
Zu schaffen eine Frau sich «rem bemüht.
Das .schönste Leinenzeug, ein seiden Kleitl
Mit etwas Stickerei, tias trägt er gern.
Er sieht sich gern geputzt, vielmehr, er kann
Unedlen Stoff, der nur den Knecht bezeichnet,
An seinem Leib nicht dulden, alles soll
Ihm fein und ijut und schön und edel stehn.
Und dennoch hat er kein ( beschick, das alles
Sich anzuschaffen; wenn er es besitzt,
Sich zu erhalten: immer fehlt es ihm
An Geld, an Sorgsamkeit. Bald lälit er da
Ein Stück, bald eines dort. Er kehret nie
Von einer Reise wieder, dalo ihm nicht
Ein Dritteil seiner Sachen fehle. Bald
Bestiehlt ihn der Bediente. So, Antonio,
Hat man für ihn das ganze Jahr zu sorgen.
ANTONIO
Und diese Sorge macht ihn lieb und lieber.
Glückserger Jüngling, dem man seine Mängel
Zur Tugend rechnet, dem so schön vergönnt ist.
Den Knaben noch als .Mann zu spielen, der
Sich seiner holden Schwäche rühmen darf!
Du müßtest mir verzeihen, schöne Freundin,
Wenn ich auch hier ein wenig bitter würde.
Du sagst nicht alles, sagst nicht, was er wagt.
Und dal5 er klüger ist, als wie man denkt.
Er rühmt sich zweier Flammen! knüpft und löst
Die Knoten hin und wider und gewinnt
Mit solchen Künsten solche Herzen! Ist's
Zu glauben?
75
LEONORE
Gut! Selbst das beweist ja schon,
Daß es nur Freundschaft ist, was uns belebt.
Und wenn wir denn auch Lieb' um Liebe tauschten.
Belohnten wir das schöne Herz nicht billit
'ö'
Das ganz sich selbst vergißt und hingegeben
Im holden Traum für seine Freunde lebt?
ANTONIO
Verwöhnt ihn nur und immer mehr und mehr,
Laßt seine Selbstigkeit für Liebe gelten,
Beleidigt alle Freunde, die sich euch
Mit treuer Seele widmen, gebt dem Stolzen
Freiwilligen Tribut, zerstöret ganz
Den schönen 'Kreis o^esellig-en Vertrauns!
LEONORE
Wir sind nicht so parteiisch, wie du glaubst.
Ermahnen unsern Freund in manchen Fällen;
Wir wünschen ihn zu bilden, daß er mehr
Sich selbst üfenieße, mehr sich zu genießen
Den andern geben könne. Was an ihm
Zu tadeln ist, das bleibt uns nicht verborgen.
ANTONIO
Doch lobt ihr vieles, was zu tadeln wäre.
Ich kenn' ihn lang, er ist so leicht zu kennen
Und ist zu stolz, sich zu verbergen. Bald
Versinkt er in sich selbst, als ^\'äre ganz
Die Welt in seinem Busen, er sich ganz
In seiner Welt genug, und alles rings
Umher verschwindet ihm. Er läßt es gehn,
Läßt's fallen, stößt's hinweg und ruht in sich -
Auf einmal, wie ein unbemerkter Funke
Die Mine zündet, sei es Freude, Leid,
Zorn oder Grille, heftig bricht er aus:
Dann will er alles fassen, alles halten,
76
Dann S(j11 geschchn, was er sich denken mag;
In einem Augenblicke soll enLstehn,
Was Jahre lang bereitet werden sollte;
In einem Augenblick gehoben sein,
Was Mühe kaum in Jahren lösen könnte.
Er fordert das Unmögliche von sich,
Damit er es von andern fordern dürfe.
Die letzten Enden aller Dinge will
Sein Geist zusammenfassen; das 'relinirt
Kaum einem unter Millionen Menschen,
Und er ist nicht der .Mann: er fällt zuletzt,
Um nichts gebessert, in sich selbst zurück.
lÄlOSOlill
Er schadet andern nicht, er schadet sich.
ANTO.Mo
Und doch verhetzt er andre nur zu sehr.
Kannst du es leugnen, dali im .Augenblick
Der Leidenschaft, die ihn behend ergreift.
Er auf den l-ürsteii, auf die Eürstin selbst.
Auf w en es sei, zu schnuihn, zu lästern wagt.-*
Zwar augenblicklich nur; allein genug,
Der Augenblick kommt wieder: er beherrscht
So wenig seinen Mund als seine BrusL
LEOXOKE
Ich sollte denken, wenn er sich von hier
.\uf eine kurze Zeit entfernte, sollt'
Es wohl für ihn und andre nützlich sein.
AN'TOXIO
Vielleicht, \'ielleicht auch nicht. Doch eben jetzt
Ist nicht daran zu denken. Denn ich will
Den Fehler nicht auf meine Schultern laden;
Es könnte scheinen, daß ich ihn vertreibe.
Und ich \ertreib' ihn nicht, l'm meinetw illen
77
Kann er an unserm Hofe ruhig bleiben;
Und wenn er sich mit mir versöhnen will,
Und wenn er meinen Rat befolgen kann,
So werden wir «/anz leidlich leben können.
£5
LEONORE
Nun hoffst du selbst, auf ein Gemüt zu wirken,
Das dir vor kurzem noch verloren schien.
ANTONIO
Wir hoffen immer, und in allen Dingen
Ist besser hoffen als verzweifeln. Denn
Wer kann das Möijliche berechnen? Er
Ist unserm Fürsten wert. Er muß uns bleiben.
Und bilden wir dann auch umsonst an ihm,
So ist er nicht der einz'ge, den wir dulden.
LEONORE
So ohne Leidenschaft, so unparteiisch
Glaubf ich dich nicht. Du hast dich schnell bekehrt.
ANTONIO
Das Alter muß doch einen Vorzug haben.
Daß, wenn es auch dem Irrtum nicht entgeht.
Es doch sich auf der Stelle fassen kann.
Du warst, mich deinem Freunde zu versöhnen,
Zuerst bemüht. Nun bitt' ich es von dir.
Tu, was du kannst, daf5 dieser Mann sich finde,
Und alles wieder bald im Gleichen sei.
Ich gehe selbst zu ihm, sobald ich nur
Von dir erfahre, daß er ruhig ist.
Sobald du glaubst, daß meine Gegenwart
Das Übel nicht vermehrt. Doch, was du tust,
Das tu in dieser Stunde; denn es geht
Alfons heut abend noch zurück, und ich
Werd' ihn bereiten. Leb' indessen wohl.
'ü
78
FÜNFTER AUFTRITT
LHONORE
allein
Für diesmal, lieber Freund, sind wir nicht eins:
Mein Vorteil und der deine gehen heut
Nicht I land in 1 land. Ich nütze diese Zeit
Und suche Tasso zu gewinnen. Schnell!
79
VIERTER AUFZUG
Zimmer
ERSTER AUFTRITT
B
TASSO
allein
IST du aus einem Traum erwacht, und hat
Der schöne Trug;- auf einmal dich verlassen ?
Hat dich an einem Tag der höchsten Lust
Ein Schlaf gebändigt, hält und ängstet nun
Mit schweren Fesseln deine Seele? Ja,
Du wachst und träumst. Wo sind die Stunden hin.
Die um dein Haupt mit Blumenkränzen spielten?
Die Tage, wo dein Geist mit freier Sehnsucht
Des Himmels ausgespanntes Blau durchdrang?
Und dennoch lebst du noch und fühlst dich an.
Du fühlst dich an und weißt nicht, ob du lebst.
Ist's meine Schuld, ist's eines andern Schuld
Daß ich mich nun als schuldig hier befinde?
Hab' ich verbrochen, daß ich leiden soll?
Ist nicht mein ganzer Fehler ein Verdienst?
Ich sah ihn an, und ward vom guten Willen,
Vom Hoffnungswahn des Herzens übereilt:
Der sei ein Mensch, der menschlich Ansehn trägt.
Ich ging mit offnen Armen auf ihn los
Und fühlte Schloß und Riegel, keine Brust.
O hatt' ich doch so klug mir ausgedacht,
Wie ich den Mann empfangen wollte, der
Von alten Zeiten mir verdächtig war!
Allein was immer dir begegnet sei,
So halte dich an der Gewißheit fest:
Ich habe sie gesehn! Sie stand vor mir!
Sie sprach zu mir, ich habe sie vernommen!
80
Der Blick, der Ton, der Worte holder Sinn,
Sie sind auf e\vi<^ mein, es raubt sie nicht
Die Zeit, das Schicksal, noch das wilde Glück!
Und hob mein Geist sich da zu schnell empor
Und ließ ich allzu rasch in meinem Busen
Der Flamme Luft, die mich nun selbst verzehrt,
So kann mich's nicht gereun, und wäre selbst
Auf ewig das Geschick des Lebens hin.
Ich widmete mich ihr, und fols^te froh
Dem Winke, der mich ins X'erderben rief.
Es sei! So hab' ich mich doch wert gezeigt
Des köstlichen X'ertrauns, das mich erquickt.
In dieser Stunde selbst ercjuickt, die mir
Die schwarze Pforte langer Trauerzeit
Gewaltsam ("iffnet. — Ja, nun ist's getan I
Es «•cht tlie Sonne mir der schtinsten Gunst
Auf einmal unter; seinen holden Blick
Entziehet mir der Fürst und läßt mich hier
Auf düstrem, schmalem Pfad vedoren stehn.
Das häßliche zu eideutige GeHügel,
Das leidige Gefol'-' der alten Nacht,
Es schwärmt her\or und schw irrt mir um das Haupt.
Wohin, w ohin beweg' ich meinen Schritt,
Dem Ekel zu entfliehn, der mich umsaust.
Dem Abvrrund zu entlehn, der vor mir liegt?
ZWEITER AUFTRITT
LEONORE • TASSO
LEOXÜRE
Was ist begegnet? Lieber Tasso, hat
Dein Eifer dich, dein Argwohn so getrieben?
Wie ist's ireschehn? Wir alle stehn bestürzt.
8i
Und deine Sanftmut, dein gefällig Wesen,
Dein schneller Blick, dein richtiger Verstand,
Mit dem du jedem gibst, ^\•as ihm gehört.
Dein Gleichmut, der erträgt, was zu ertragen
Der Edle bald, der Eitle selten lernt,
Die kluge Herrschaft über Zung' und Lippe —
Mein teurer Freund, fast ganz verkenn' ich dich.
TASSO
Und wenn das alles nun \'erloren wäre?
Wenn einen Freund, den du einst reich geglaubt,
Auf einmal du als einen Bettler fändest?
Wohl hast du Recht, ich bin nicht mehr ich selbst,
Und bin's doch noch so gut, als wie ich's ^^'ar.
Es scheint ein Rätsel, und doch ist es keins.
Der stille Mond, der dich bei Nacht erfreut.
Dein Auge, dein Gemüt mit seinem Schein
Unwiderstehlich lockt, er schwebt am Tage
Ein unbedeutend blasses Wölkchen hin.
Ich bin vom Glanz des Tages überschienen,
Ihr kennet mich, ich kenne mich nicht mehr.
LEONORE
Was du mir sagst, mein Freund, versteh' ich nicht,
Wie du es sas^st. Erkläre dich mit mir.
Hat die Beleidii^unor des schroffen Manns
Dich so gekränkt, daß du dich selbst und uns
So ganz verkennen magst? Vertraue mir.
TASSO
Ich bin nicht der Beleidigte, du siehst
Mich ja bestraft, weil ich beleidigt habe.
Die Knoten vieler Worte löst das Schwert
Gar leicht und schnell, allein ich bin gefangen.
Du weißt wohl kaum — erschrick nicht, zarte Freundin
Du triffst den Freund in einem Kerker an.
82
Mich züchtij^^et der Fürst wie einen Schüler.
Ich will mit ihm nicht rechten, kann es nicht.
LE(Ji\ORE
Du scheinest mehr, als billig ist, bewegt.
T.ASSO
Hältst du mich für so schwach, für so ein Kind,
Daß solch ein Fall mich gleich zerrütten könne?
Das was geschehn ist, kränkt mich nicht so tief.
Allein das kränkt mich, was es mir bedeutet
Laß meine Xeider, meine Feinde nur
Gewähren! FVei und offen ist das Feld.
LFUNüRF
Du hast gar manchen fälschlich in Verdacht,
Ich habe selbst mich überzeugen können.
Und auch Antonio feindet dich nicht an,
Wie du es w ahnst Der heutige Verdruß —
TASSO
Den lass' ich ganz beiseite, nehme nur
Antonio, w ie er war und wie er bleibt
Verdrießlich fiel mir stets die steife Klugheit.
Und daß er immer nur den Meister spielt
Anstatt zu forschen, ob des Hörers Geist
Nicht schon für sich auf guten Spuren wandle.
Belehrt er dich \"on manchem, das du besser
Und tiefer fühltest, und \ernimmt kein Wort,
Das du ihm sagst, und wird dich stets \erkennen.
Verkannt zu sein, verkannt von einem Stolzen,
Der lächelnd dich zu übersehen glaubt!
Ich bin so alt noch nicht und nicht so klug,
Daf5 ich nur duldend «/eoenlächeln sollte.
Früh oder spat ts konnte sich nicht halten.
Wir mußten brechen; später war' es nur
Um desto schlimmer worden. Einen Herrn
83
Erkenn' ich nur, den Herrn, der mich ernährt.
Dem folg' ich gern, sonst will ich keinen Meister.
Frei will ich sein im Denken und im Dichten;
Im Handeln schränkt die Welt genug uns ein.
LEONORE
Er spricht mit Achtung oft genug von dir.
TA SSO
Mit Schonung, willst du sagen, fein und klug.
Und das verdrießt mich eben; denn er weiß
So glatt und so bedingt zu sprechen, daß
Sein Lob erst recht zum Tadel wird, und daß
Nichts mehr, nichts tiefer dich verletzt, als Lob
Aus seinem Munde.
LEONORE
Möchtest du, mein Freund,
Vernommen haben, wie er sonst von dir
Und dem Talente sprach, das dir vor vielen
Die oütiee Natur verlieh. Er fühlt gewiß
Das, w^as du bist und hast, und schätzt es auch.
TASSO
O glaube mir, ein selbstisches Gemüt
Kann nicht der Qual des engen Neids entfliehen.
Ein solcher Mann verzeiht dem andern wohl
Vermögen, Stand und Ehre; denn er denkt:
Das hast du selbst, das hast du, wenn du willst.
Wenn du beharrst, wenn dich das Glück begünstigt.
Doch das, was die Natur allein verleiht.
Was jeglicher Bemühung, jedem Streben
Stets unerreichbar bleibt, was weder Gold,
Noch Schwert, noch Klugheit, noch Beharrlichkeit
Erzwingen kann, das wird er nie verzeihn.
Er gönnt es mir? Er, der mit steifem Sinn
Die Gunst der Musen zu ertrotzen glaubt?
84
Der, wenn er die Gedanken mancher Dichter
Zusammenreiht, sich selbst ein Dichter scheint?
Weit eher gönnt er mir des Fürsten Gunst,
Die er doch gern auf sich beschränken möchte,
Als das Talent, das jene Himmlischen
Dem armen, dem verwaisten Jüngling gaben.
LF.ONOkH
O sähest du so klar, wie ich es sehe!
Du irrst dich über ihn: so ist er nicht.
r \SS( )
Und irr' ich mich an ihm, so irr' ich gern!
Ich denk' ihn mir als meinen ärgsten Feind,
Und w är' untröstlich, wenn ich mir ihn nun
Gelinder denken mülile. Töricht ist's,
In allen Stücken billig sein; es heißt
Sein eiijen Selbst zerstören. Sind die .Menschen
Denn ''•e'''en uns so billitj? Xein, o nein!
Der Mensch bedarf in seinem engen Wesen
Der doppelten Fmphndung, Lieb' und Maß.
Hedarf er nicht der Xacht als wie des Tags?
Des Schlafens wie des Wachens? Xein, ich muß
Von nun an diesen Mann als Gegenstand
Von meinem tiefsten Haß behalten; nichts
Kann mir die Lust entreißen, schlimm und schlimmer
\'on ihm zu denken.
LFOXORF
Willst du, teurer Freund,
Von deinem Sinn nicht lassen, seh' ich kaum,
Wie du am Hofe länger bleiben willst.
Du weißt, wie \iel er gilt und gelten muß.
'r.\SS( )
Wie sehr ich längst, o schöne Freundin, hier
Schon überflüssig bin, das weiß ich wohl.
85
LEOXORE
Das bist du nicht, das kannst du nimmer werden!
Du weißt vielmehr, wie gern der Fürst mit dir,
Wie gern die Fürstin mit dir lebt; und kommt
Die Schwester von Urbino, kommt sie fast
So sehr um dein't- als der Geschwister willen.
Sie denken alle gut und gleich von dir,
Und jegliches vertraut dir unbedingt.
TASSO
O Leonore, welch Vertraun ist das?
Hat er von seinem Staate je ein Wort,
Ein ernstes Wort mit mir gesprochen? Kam
Ein eigner Fall, worüber er sogar
In meiner Gegenwart mit seiner Schwester,
Mit andern sich beriet, mich fragt' er nie.
Da hieß es immer nur: Antonio kommt!
Man muß Antonio schreiben! Fragt Antonio!
LEONORE
Du klagst, anstatt zu danken. Wenn er dich
In unbedingter Freiheit lassen mag,
So ehrt er dich, wie er dich ehren kann.
TASSO
Er läßt mich ruhn, weil er mich unnütz glaubt.
LEONORE
Du bist nicht unnütz, eben weil du ruhst.
So lange hegst du schon Verdruß und Sorge,
Wie ein geliebtes Kind, an deiner Brust.
Ich hab' es oft bedacht, und mag's bedenken.
Wie ich es will : auf diesem schönen Boden,
Wohin das Glück dich zu verpflanzen schien.
Gedeihst du nicht. O Tasso! — rat' ich dir's?
Sprech' ich es aus? — Du solltest dich entfernen!
86
TASSO
Verschone nicht den Kranken, lieber Arzt!
Reich' ihm das Mittel, denke nicht daran.
Ob's bitter sei. — üb er genesen könne,
Das überlege wohl, o kluge, gute Freundin!
Ich seh' es alles selbst, es ist vorbei!
Ich kann ihm wohl \erzeihen, er nicht mir;
Und sein bedarf man, leider meiner nicht.
Und er ist klug, und leider bin ich's nicht.
Er wirkt zu meinem Schaden, und ich kann.
Ich mag nicht gegenwirken. Meine Freunde,
Sie lassen's gehn, sie sehen's anders an.
Sie widerstreben kaum, und sollten kämpfen.
Du glaubst, ich soll hinweg; ich glaub' es selbst —
So lebt denn wohl! Ich werd' auch das ertragen.
Ihr seid von mir geschieden — werd' auch mir,
\'on euch zu scheiden, Kraft und Mut \erliehn!
LEUNORF
Ach, in der Feme zeigt sich alles reiner.
Was in der Gejjenwart uns nur verw irrt.
X'ielleicht u irst du erkennen, welche Liebe
Dich überall umgab, und welchen Wert
Die Treue wahrer Freunde hat, und wie
Die weite Welt die Nächsten nicht ersetzt.
'r.\SS( )
Das werden wir erfahren! Kenn' ich doch
Die Welt \on Jugend auf, wie sie so leicht
Uns hilflos, einsam lälit, und ihren Weg
Wie Sonn' und Mond und andre Götter geht
LFOXORF
\'ernimmst du mich, mein Freund, so sollst du nie
Die traurige Erfahrung wiederholen.
Soll ich dir raten, so begibst du dich
Erst nach Florenz, und eine Freundin wird
87
Gar freundlich für dich sorgen. Sei getrost,
Ich bin es selbst. Ich reise, den Gemahl
Die nächsten Tage dort zu finden, kann
Nichts freudiger für ihn und mich bereiten.
Als wenn ich dich in unsre Mitte bringe.
Ich sage dir kein Wort, du weißt es selbst,
Welch einem Fürsten du dich nahen wirst,
Und welche Männer diese schöne Stadt
In ihrem Busen hegt, und welche Frauen. —
Du schweifst? Bedenk' es wohl! Entschließe dich.
TASSO
Gar reizend ist, was du mir sagst, so ganz
Dem Wunsch gemäß, den ich im stillen nähre;
Allein es ist zu neu: ich bitte dich,
Laß mich bedenken! Ich beschließe bald.
LEONORE
Ich gehe mit der schönsten Hoffnung weg
Für dich und uns und auch für dieses Haus.
Bedenke nur, und wenn du recht bedenkst.
So wirst du schwerlich etwas Bessers denken.
TASSO
Noch eins, geliebte Freundin! sage mir.
Wie ist die Fürstin gegen mich gesinnt?
War sie erzürnt auf mich? Was sagte sie? —
Sie hat mich sehr getadelt? Rede frei.
LFONORF
Da sie dich kennt, hat sie dich leicht entschuldigt.
TASSO
Hab' ich bei ihr verloren? Schmeichle nicht.
LEONORE
Der Frauen Gunst wird nicht so leicht verscherzt.
88
'rASS(j
Wird sie mich gern entlassen, wenn ich gehe?
LHONORH
Wenn es zu deinem Wühl gereicht, gewiß.
rASS( )
Wcrd' ich des Fürsten Gnade nicht verlieren?
LRONORH
In seiner Großmut kannst du sicher ruhn.
TASSÜ
Und lassen wir die Fürstin ganz allein?
Du gehst hinweg; und wenn ich wenig bin,
So weiß ich doch, dal'» ich ihr etwas war.
LFUXURH
Gar freundliche Gesellschaft leistet uns
Hin ferner Freund, wenn wir ihn glücklich wissen.
Und es gelingt; ich sehe dich beglückt.
Du wirst \'on hier nicht unzufrieden gehn.
Der Fürst befahl's : Antoniu sucht dich auf
Er tadelt selbst an sich die Bitterkeit,
Womit er dich \erietzt. Ich bitte dich.
Nimm ihn gelassen auf, so wie er kommt
TASSU
Ich darf in jedem Sinne \or ihm stehn.
LEONOI^
Und schenke mir der Himmel, lieber Freund.
Noch eh' du scheidest, dir das Aug' zu öfthen:
Daß niemantl dich im ganzen \'aterlande
Verfolgt und haßt und heimlich drückt und neckt!
Du irrst «rewiß, und w ie du sonst zur Freude
89
Von andern dichtest, leider dichtest du
In diesem Fall ein seltenes Gewebe,
Dich selbst zu kränken. Alles will ich tun,
Um es entzwei zu reißen, daß» du frei
Den schönen Weg des Lebens wandeln mögest.
Leb' wohl! Ich hoffe bald ein glücklich Wort.
DRITTER AUFTRITT
TASSO
allein
Ich soll erkennen, daß mich niemand haßt.
Daß niemand mich verfolgt, daß alle List
Und alles heimliche Gewebe sich
Allein in meinem Kopfe spinnt und webt!
Bekennen soll ich, daß ich Unrecht habe.
Und manchem Unrecht tue, der es nicht
Um mich verdient! Und das in einer Stunde,
Da vor dem Angesicht der Sonne klar
Mein volles Recht, wie ihre Tücke, liegt!
Ich soll es tief empfinden, wie der Fürst
Mit offner Brust mir seine Gunst gewährt.
Mit reichem Maß die Gaben mir erteilt,
Im Augenblicke, da er, schwach genug.
Von meinen Feinden sich das AuQe trüben
Und seine Hand ge^^'iß auch fesseln läßt!
Daß er betrogen ist, kann er nicht sehen.
Daß sie Betrüger sind, kann ich nicht zeigen;
Und nur damit er ruhig sich betrüge.
Daß sie gemächlich ihn betrügen können,
Soll ich mich stille halten, weichen gar!
Und wer gibt mir den Rat? Wer dringt so klug
Mit treuer, lieber Meinung auf mich ein?
90
Lenore selbst, Lenore Sanvitale,
Die zarte Freundin! Ha, dich kenn' ich nun!
O warum traut' ich ihrer Lippe je!
Sie war nicht redlich, wenn sie noch so sehr
Mir ihre Gunst, mir ihre Zärtlichkeit
Mit süßen Worten zeis^te! Nein, sie war
Und bleibt ein listig Herz, sie wendet sich
Mit leisen klu^^en Tritten nach der Gunst.
Wie oft hab' ich mich u iliii; selbst betrogen.
Auch über sie! Und doch im (jrunde hat
Mich nur die Hitelkeit betrogen. Wohl!
Ich kannte sie, und schmeichelte mir .selbst.
.So ist sie gegen andre, sagt' ich mir,
Doch gegen dich ist's offne treue .Meinung.
Nun seh' ich's wohl, und seh' es nur zu spät:
Ich war begünstigt, und sie schmiegte sich
So zart — an den He<'lückten. Nun ich falle,
Sie wendet mir tien Rücken, wie das Glück.
Nun kommt sie als ein Werkzeug meines Feindes,
Sie schleicht heran uiul zischt mit glatter Zunge,
Die kleine Schlange, zauberische Töne.
Wie lieblich schien sie! lieblicher als je!
Wie wohl tat \(>n der Lippe jedes \Vort!
Doch konnte mir die Schmeichelei nicht lans;
Den falschen .Sinn \erbenjen: an der Stirne
Schien ihr das Gegenteil zu klar geschrieben
\'on allem, was .sie sprach. Ich fühl' es leicht.
Wenn man den Wej zu meinem 1 lerzen sucht
Und es nicht herzlich meint. Ich soll hinweg?
Soll nach Florenz, sobald ich immer kann?
Und wanim nach Florenz? Ich seh' es wohl.
Dort herrscht der Mediceer neues Haus,
Zwar nicht in offner Feindschaft mit Ferrara,
Doch hält der stille Neid mit kalter Hand
Die edelsten Gemüter auseinander.
91
Empfang' ich dort von jenen edlen Fürsten
Erhabne Zeichen ihrer Gunst, wie ich
Gewiß erwarten dürfte, würde bald
Der Höflint: meine Treu' und Dankbarkeit
Verdächtig machen. Leicht geläng' es ihm.
Ja, ich will weg, allein nicht, wie ihr wollt;
Ich \\ ill hinweg, und \\eiter, als ihr denkt.
Was soll ich hier? Wer hält mich hier zurück?
O, ich verstand ein jedes Wort zu gut,
Daß ich Lenoren von den Lippen lockte!
Von Silb' zu Silbe nur erhascht' ich's kaum.
Ich weiß nun ganz, wie die Prinzessin denkt —
Ja, ja, auch das ist wahr, verzweifle nicht!
„Sie wird mich gern entlassen, wenn ich gehe.
Da es zu meinem Wohl gereicht." O fühlte
Sie eine Leidenschaft im Herzen, die mein Wohl
Und mich zu Grunde richtete! WlUkommner
Ergriffe mich der Tod, als diese Hand,
Die kalt und starr mich von sich läßt. — Ich gehe!
Nun hüte dich, und laß dich keinen Schein
Von Freundschaft oder Güte täuschen! Niemand
Betrügt dich nun, wenn du dich nicht betrügst.
VIERTER AUFTRITT
ANTONIO • TASSO
ANTONIO
Hier bin ich, Tasso, dir ein Wort zu sagen.
Wenn du mich ruhig hören magst und kannst.
TASSO
Das Handeln, weißt du, bleibt mir untersagt;
Es ziemt mir wohl, zu \\'arten und zu hören.
92
ANTONIO
Ich treffe dich gelassen, wie ich wünschte,
Und spreche gern zu dir aus freier Brust.
Zuvörderst lös' ich in des Fürsten Namen
Das schwache Band, tlal') dich zu fessehi schien.
TAS.S(J
Die Willkür macht mich frei, wie sie mich band;
Ich nehm' es an untl fordre kein ( Bericht.
ANTONIO
Dann sag' ich dir von mir: Ich habe dich
Mit Worten, scheint es, tief und mehr gekränkt,
Als ich, von mancher Leitlenschaft bewegt,
Es selbst empfand. .Allein kein schimi)flich Wort
Ist meinen Lippen unbedacht entilohen:
Zu rächen hast du nichts als Hdelmann,
Untl wirst als Mensch Vergebung nicht \'ersagen.
r \.S.S( )
Was härter treffe, Kränkung oder Schimjjf,
Will ich nicht untersuchen: jene dringt
Ins tiefe Mark, und dieser ritzt die Maut.
Der Pfeil des Schimpfs kehrt auf den Mann zurück,
Der zu \erwunden glaubt; die Meinung andrer
Befriediijt leicht das wohl "geführte Schwert
Doch ein gekränktes Merz erholt sich schwer.
ANTONIO
Jetzt ist's an mir, daß ich dir dringend sage:
Tritt nicht zurück, erfülle meinen Wunsch,
Den Wunsch des Fürsten, der mich zu dir sendet.
TASSO
Ich kenne meine Pflicht und gebe nach.
Es sei verziehn, sofern es möglich ist!
93
Die Dichter sagen uns von einem Speer,
Der eine Wunde, die er selbst geschlagen,
Durch freundliche Berührung heilen konnte.
Es hat des Menschen Zunge diese Kraft;
Ich will ihr nicht gehässig widerstehn.
ANTONIO
Ich danke dir und wünsche, daß du mich
Und meinen Willen, dir zu dienen, gleich
Vertraulich prüfen mögest. Sage mir.
Kann ich dir nützlich sein? Ich zeig' es gern.
TASSO
Du bietest an, was ich nur wünschen konnte.
Du brachtest mir die Freiheit wieder; nun
Verschaffe mir, ich bitte, den Gebrauch.
ANTONIO
Was kannst du meinen? Sag' es deutlich an.
TASSO
Du weißt, geendet hab' ich mein Gedicht;
Es fehlt noch viel, daß es vollendet wäre.
Heut überreicht' ich es dem Fürsten, hoffte
Zugleich ihm eine Bitte vorzutragen.
Gar viele meiner Freunde find' ich jetzt
In Rom versammelt; einzeln haben sie
Mir über manche Stellen ihre Meinung
In Briefen schon eröffnet; vieles hab' ich
Benutzen können, manches scheint mir noch
Zu überlegen; und verschiedne Stellen
Möchf ich nicht gern verändern, wenn man mich
Nicht mehr, als es geschehn ist, überzeugt.
Das alles wird durch Briefe nicht getan:
Die Gegenwart löst diese Knoten bald.
So dacht' ich heut den Fürsten selbst zu bitten:
94
Ich fand nicht Raum; nun darf ich es nicht wagen,
Und hoftc diesen Urlaub nun durch dich.
ANTONIO
Mir scheint nicht rätlich, dali du dich entfernst
In dem Moment, da dein vollendet Werk
Dem I'ürsten und der T^ürstin dich empfiehlt.
Ein Tac{^ der Gunst ist wie ein Tai! der Hrnte:
Man muß (^eschäftij^^ sein, sobaltl .sie reift.
Entfernst du dich, so wirst du nichts gewinnen,
Vielleicht verlieren, was du schon gewannst.
Die Ciegenwart ist eine mächt'ge (iöttin:
Lern' ihren Einfluß kennen, bleibe hier!
T.ASSO
Zu fürchten hab' ich nichts: Alfons ist edel,
Stets hat er gegen mich sich groß gezeigt;
Und was ich hoffe, will ich seinem Merzen
Allein verdanken, keine Gnade mir
Erschleichen; nichts will ich von ihm empfangen,
Was ihn gereuen könnte, daß er's gab.
ANTONIO
So fordre nicht \'on ihm, daß er dich jetzt
Entlassen soll; er wird es ungern tun,
Und ich befürchte fa.st: er tut es nicht.
TASS( )
Er wird es gern, wenn recht gebeten wird,
Und du N'emiagst es wohl, sobald du w illst.
ANTONIO
Doch welche Gründe, sag' mir, leg' ich \'or?
TASSO
Laß mein Gedicht aus jeder Stanze sprechen!
Was ich gewollt, ist löblich, wenn das Ziel
95
Auch meinen Kräften unerreichbar blieb.
An Fleiß und Mühe hat es nicht gefehlt.
Der heitre Wandel mancher schönen Tage,
Der stille Raum so mancher tiefen Nächte
War einzig diesem frommen Lied geweiht.
Bescheiden hofft' ich, jenen großen Meistern
Der Vorwelt mich zu nahen; kühn gesinnt.
Zu edlen Taten unsern Zeitgenossen
Aus einem langen Schlaf zu rufen, dann
Vielleicht mit einem edlen Christenheere
Gefahr und Ruhm des heil'gen Kriegs zu teilen.
Und soll mein Lied die besten Männer wecken,
So muß es auch der besten würdig sein.
Alfonsen bin ich schuldig, was ich tat;
Nun möcht' ich ihm auch die Vollendung danken.
ANTONIO
Und eben dieser Fürst ist hier, mit andern.
Die dich so gut als Römer leiten können.
Vollende hier dein Werk, hier ist der Platz,
Lind um zu A\irken, eile dann nach Rom.
TASSO
Alfons hat mich zuerst begeistert, wird
Gewiß der letzte sein, der mich belehrt.
Und deinen Rat, den Rat der klugen Männer,
Die unser Hof versammelt, schätz' ich hoch.
Ihr sollt entscheiden, wenn mich ja zu Rom
Die Freunde nicht vollkommen überzeuo^en.
Doch diese muß ich sehn. Gonzaga hat
Mir ein Gericht versammelt, dem ich erst
Mich stellen muß. Ich kann es kaum er^^'arten.
Flaminio de' Xobili, Angelio
Da Barga, Antoniano und Speron Speroni!
Du wirst sie kennen. — Welche Namen sind's!
Vertraun und Sorge flößen sie zugleich
In meinen Geist, der gern sich unterwirft.
ö'
96
ANTONIO
Du denkst nur dich, und denkst den Fürsten nicht.
Ich sage dir, er wird dich nicht entlassen;
Und wenn er's tut, entläßt er dich nicht orern.
Du willst ja nicht verlangen, was er dir
Nicht <'ern gewähren nia'"". (,'nd soll ich hier
Vermitteln, was ich selbst nicht loben kann?
TASSO
Versagst du mir den ersten Dienst, wenn ich
Die angebotne Freundschaft prüfen will?
ANTONIO
Die wahre Freundschaft zeii-t sich im Versa<ren
Zur rechten Zeit, und es gewährt die Liebe
Gar oft ein schädlich Gut, wenn sie den Willen
Des Fordernden mehr als sein Glück bedenkt.
Du scheinest mir in diesem Augenblick
F'ür gut zu halten, was ilu eifrig wünschest.
Und willst im .VuLicnblick, was du beirehrst.
Durch I lel'tigkeit ersetzt tler Irrentle,
Was ihm an Wahrheit und an Kräften fehlt.
lis fordert meine 1 'flicht, .so xicl ich kann.
Die Hast zu mälVgen, die dich übel treibt.
TASSO
Schon lange kenn' ich diese Tyrannei
Der Freundschaft, die von allen Tyranneien
Die unerträglichste mir scheint. Du denkst
Nur anders, und du glaubst deswegen
Schon recht zu denken. Gern erkenn' ich an:
Du willst mein Wohl; allein \erlange nicht.
Daß ich auf deinem \\ eg es finden soll.
ANTONIO
Und soll ich dir sogleich mit kaltem Blut,
Mit\oller. klarer Überzeugung schaden?
97
TASSO
Von dieser Sorge will ich dich befrein!
Du hältst mich nicht mit diesen Worten ab.
Du hast mich frei erklärt, und diese Türe
Steht mir nun offen, die zum Fürsten führt.
Ich lasse dir die Wahl. Du oder ich!
Der Fürst geht fort. Hier ist kein Augenblick
Zu harren. Wähle schnell! Wenn du nicht gehst.
So geh' ich selbst, und werd' es, wie es will.
ANTONIO
Laß mich nur wenig Zeit von dir erlangen
Und warte nur des Fürsten Rückkehr ab!
Nur heute nicht! •
TASSO
Nein, diese Stunde noch,
Wenn's mög-lich ist! Es brennen mir die Sohlen
Auf diesem Marmorboden; eher kann
Mein Geist nicht Ruhe finden, bis der Staub
Des freien Wegs mich Eilenden umgibt.
Ich bitte dich! Du siehst, wie ungeschickt
In diesem Augenblick ich sei, mit meinem Herrn
Zu reden; siehst — wie kann ich das verbergen —
Daß ich mir selbst in diesem Augenblick,
Mir keine Macht der Welt gebieten kann.
Nur Fesseln sind es, die mich halten können!
Alfons ist kein Tyrann, er sprach mich frei.
Wie o-ern gehorcht' ich seinen Worten sonst!
Heut kann ich nicht gehorchen. Heute nur
Laßt mich in Freiheit, daß mein Geist sich finde!
Ich kehre bald zu meiner Pflicht zurück.
ANTONIO
Du machst mich zweifelhaft. Was soll ich tun?
Ich merke wohl: es steckt der Irrtum an.
98
TASSO
Soll ich dir glauben, denkst du gut für mich,
So wirke, was ich wünsche, was du kannst.
Der Fürst entläßt mich dann, und ich verliere
Nicht seine Gnade, seine Hilfe nicht.
Das dank' ich dir, und w ill dir's gern verdanken.
Doch hegst du einen alten Groll im Busen,
Willst du von diesem Hofe mich verbannen,
Willst du auf ewig mein Geschick verkehren,
Mich hilflos in die weite Weit vertreiben,
So bleib' auf deinem Sinn und widersteh!
ANTONIO
Weil ich dir doch, o Tasso, schaden soll.
So währ ich denn den Weg, den du erwählst.
Der Ausgang mag entscheiden, wer sich irrt!
Du willst hinweg! Ich sag' es dir zuvor:
Du wendest diesem Hause kaum den Rücken,
So u ird dein I ler/ zurück \erlangen, wird
Dein Kigensinn dich vorwärts treiben; Schmerz,
Verwirrun«'', Trübsinn harrt in Rom auf dich,
Und du \'erfehlest hier und dort den Zweck.
Doch sag' ich dies nicht mehr, um dir zu raten;
Ich sage nur voraus, was bald geschieht.
Und lade tlich auch schon im voraus ein.
Mir in dem schlimmsten Falle zu vertraun.
Ich spreche nun ilen Fürsten, wie du's forderst.
FÜNFTER AUFTRITT
TASSO
allein
Ja, gehe nur, und gehe sicher weg.
Daß du mich überredest, was du willst.
99
Ich lerne mich verstellen, denn du bist
Ein großer Meister, und ich fasse leicht.
So zwingt das Leben uns, zu scheinen, ja
Zu sein wie jene, die \\"ir kühn und stolz
Verachten konnten. Deutlich seh' ich nun
Die o-anze Kunst des höfischen Gewebes!
Mich will Antonio von hinnen treiben
Und will nicht scheinen, daß er mich vertreibt.
Er spielt den Schonenden, den Klugen, daß
Man nur recht krank und ungeschickt mich finde,
Bestellet sich zum Vormund, daß er mich
Zum Kjnd erniedrige, den er zum Knecht
Nicht zwingen konnte. So umnebelt er
Die Stirn des Fürsten und der Fürstin Blick.
Man soll mich halten, meint er: habe doch
Ein schön Verdienst mir die Natur geschenkt;
Doch leider habe sie mit manchen Schwächen
Die hohe Gabe wieder schlimm begleitet:
Mit ungebundnem Stolz, mit übertriebner
Empfindlichkeit und eignem düstern Sinn.
Es sei nicht anders, einmal habe nun
Den einen Mann das Schicksal so gebildet;
Nun müsse man ihn nehmen, wie er sei.
Ihn dulden, tragen und vielleicht an ihm,
Was Freude bringen kann, am guten Tage
Als unerwarteten Gewinst genießen,
Im übrigen, wie er geboren sei.
So müsse man ihn leben, sterben lassen.
Erkenn' ich noch Alfonsens festen Sinn,
Der Feinden trotzt, und Freunde treulich schützt?
Erkenn' ich ihn, wie er nun mir begegnet?
Ja, wohl erkenn' ich ganz mein Unglück nun!
Das ist mein Schicksal, daß nur gegen mich
Sich jeglicher verändert, der für andre fest
Und treu und sicher bleibt; sich leicht verändert
Durch einen Hauch, in einem Augenblick.
loo
Hat nicht die Ankunft dieses Manns allein
Mein ganz Geschick zerstört, in Hiner Stunde?
Nicht dieser das Gebäude meines Glücks
Von seinem tiefsten Grund aus unisjestürzt?
O muli ich das erfahren, muß ich's heut!
Ja, wie sich alles zu mir drängte, läßt
Mich alles nun; wie jeder mich an sich
Zu reif5cn strebte, jeder mich zu fassen,
So stöfit mich alles weg und meidet mich.
Und das warum? L'iul wiegt denn er allein
Die Schale meines Werts und aller Liebe,
Die ich so reichlich sonst besessen, auf?
Ja, alles flieht mich nun. .\uch du! Auch du!
Geliebte Inirstin. du entziehst dich mir!
In diesen trüben Stumlen hat sie mir
Kein einzi'r Zeichen ihrer Gunst «'esandt.
Hab' ich's um sie verdient? — Du armes Herz,
Dem so natürlich war, sie zu verehren! —
X'ernahm ich ihre Stimme, wie durchdrang
Hin unaussprechliches Gefühl tlie Hrust!
Hrblickt' ich sie, da ward das helle Licht
Des Tags mir trüb; unwiderstehlich zog
Ihr .Auge mich, ihr Mund mich an, mein Knie
Hrhielt sich kaum, und aller Kraft
Des Geists bedurft' ich, aufrecht mich zu halten.
Vor ihre Hüße nicht zu fallen; kaum
Vermocht' ich diesen Taumel zu zerstreun.
Hier halte fest, mein Herz! du klarer Sinn,
Laß hier dich nicht umnebeln! Ja, auch sie!
Darf ich es sa*/en? und ich trlaub' es kaum;
Ich glaub' es wohl, und möcht' es mir verschweigen.
Auch sie! auch sie! Entschuldige sie ganz,
Allein verbirs: dir's nicht: auch sie! auch sie!
O dieses Wort, an dem ich zweifeln sollte,
Solans: ein Hauch von Glauben in mir lebi,
Ja, dieses Wort, es gräbt sich wie ein Schluß
loi
Des Schicksals noch zuletzt am ehrnen Rande
Der volifreschriebnen Oualentafel ein.
Nun sind erst meine Feinde stark, nun bin ich
Auf ewig einer jeden Kraft beraubt.
Wie soll ich streiten, wenn sie gegenüber
Im Heere steht? Wie soll ich duldend harren,
Wenn sie die Hand mir nicht von ferne reicht?
Wenn nicht ihr Blick dem Flehenden begegnet?
Du hast's gewagt zu denken, hast's gesprochen,
Und es ist wahr, eh' du es fürchten konntest!
Und ehe nun Verzweiflung deine Sinnen
Mit ehrnen Klauen auseinander reißt.
Ja, klage nur das bittre Schicksal an
Und wiederhole nur: auch sie! auch sie!
102
FUN FT ER AUFZUG
Garten
ERSTER AUFTRITT
ALFONS • ANTONIO
ANTONIO
1 T deinen Wink j^^ng ich das zweitemal
A'^'
/ % Zu 1 assü hin, ich komme von ihm her.
J^ A^ Ich haiy ihm /ui;eredet, ja gedrungen;
Allein er geht von seinem Sinn nicht ab,
Und bittet sehnlich, daI5 ilu ihn nach Rom
Auf eine kurze Zeit entlassen mögest.
ALFONS
Ich bin verdrießlich, daß ich dir's gestehe,
Und lieber sag' ich tlir, daß ich es bin,
Als daß ich den X'erdruß \erberg' und mehre.
Er will verreisen; gut! ich halt' ihn nicht.
Er will hinweg, er will nach Rom; es sei!
Nur daß mir Scipio Gonzaga nicht.
Der kluije Medicis, ihn nicht entwende!
Das hat Italien so groß gemacht,
Daß jeder Nachbar mit dem andern streitet,
Die Bessern zu besitzen, zu benutzen.
Ein Feldherr ohne I leer scheint mir ein Fürst,
Der die Talente nicht um sich \ersammelt:
Und wer der Dichtkunst Stimme nicht vernimmt,
Ist ein Barbar, er sei auch, wer er sei.
Gefunden hab' ich diesen und gewählt,
103
Ich bin auf ihn als meinen Diener stolz;
Und da ich schon für ihn so viel getan,
So möcht' ich ihn nicht ohne Not verlieren.
ANTONIO
Ich bin verlegen; denn ich trage doch
Vor dir die Schuld von dem, was heut geschah;
Auch will ich meinen Fehler gern gestehn,
Er bleibet deiner Gnade zu verzeihn:
Doch wenn du glauben könntest, daß ich nicht
Das Mögliche getan, ihn zu versöhnen,
So würd' ich ganz untröstlich sein. O! sprich
Mit holdem Blick mich an, damit ich wieder
Mich fassen kann, mir selbst vertrauen mag!
ALFONS
Antonio, nein, da sei nur immer ruhig,
Ich schreib' es dir auf keine Weise zu;
Ich kenne nur zu gut den Sinn des Mannes,
Und weiß nur allzu wohl, was ich getan,
Wie sehr ich ihn geschont, wie sehr ich ganz
Verofessen, daß ich eioentlich an ihn
Zu fordern hätte. Über Vieles kann
Der Mensch zum Herrn sich machen; seinen Sinn
Bezwinget kaum die Not und lange Zeit.
ANTONIO
Wenn andre vieles um den einen tun,
So ist's auch billig, daß der eine wieder
Sich fleißig frage, was den andern nützt.
Wer seinen Geist so viel gebildet hat,
Wer jede Wissenschaft zusammengeizt,
Und jede Kenntnis, die uns zu ergreifen
Erlaubt ist, sollte der, sich zu beherrschen.
Nicht doppelt schuldig sein? Und denkt er dran?
ALFONS
Wir sollen eben nicht in Ruhe bleiben!
104
Gleich wird uns, wenn wir zu genießen denken,
Zur Übung unsrer Tapferkeit ein Feind,
Zur Übung der Geduld ein Freund gegeben.
ANTONIO
Die erste Pflicht des Menschen, Speis' und Trank
Zu wählen, da ihn die Natur so eng
Nicht wie das Tier beschränkt, erfüllt er die?
Und läßt er nicht vielmehr sich wie ein Kind
Von allem reizen, was dem Gaumen schmeichelt?
Wann mischt er Wasser unter seinen Wein?
Gewürze, süße Sachen, stark Getränke,
Eins uin das andre schlin-'t er hastig ein.
Und dann beklagt er seinen trüben Sinn,
Sein feurig Hlut, sein allzu heftig Wesen,
Und schilt auf die Natur und das Geschick.
Wie bitter und wie töricht hab' ich ihn
Nicht oft mit seinem Arzte rechten sehn;
Zum Lachen fast, war' irgend lächerlich.
Was einen Menschen i|uält und andre plagt
„Ich fühle dieses l'bel," sagt er bänglich
Und \()li X'erdruß. „Was rühmt Ihr Eure Kunst?
Schaft't mir Genesung!" - Gut! \ ersetzt der Arzt,
So meitlet das und das! — „Das kann ich nicht." —
So nehmet diesen Trank! — „O nein! der schmeckt
Abscheulich, er empört mir die Natur." -
So trinkt denn Wasser! - „Wasser? Nimmemiehr!
Ich bin so wasserscheu als ein Gebißner." —
So ist Euch nicht zu helfen! - „Und warum?" —
Das Übel wird sich stets mit Übeln häufen.
Und, wenn es Euch nicht töten kann, nur mehr
Und mehr mit jedem Tag Euch quälen. „Schön!
Wofür seid Ihr ein Arzt? Ihr kennt mein Übel,
Ihr solltet auch die Mittel kennen, sie
Auch schmackhaft machen, daß ich nicht noch erst,
Der Leiden los zu sein, recht leiden müsse."
Du lächelst selbst, und doch ist es gewiß.
Du hast es wohl aus seinem Mund gehört?
105
ALFONS
Ich hab' es oft gehört und oft entschuldigt.
ANTONIO
Es ist gewiß, ein ungemäßigt Leben,
Wie es uns schwere wilde Träume gibt,
Macht uns zuletzt am hellen Tage träumen.
Was ist sein Arsjwohn anders als ein Traum?
Wohin er tritt, glaubt er von Feinden sich
Umgeben. Sein Talent kann niemand sehn.
Der ihn nicht neidet, niemand ihn beneiden,
Der ihn nicht haßt und bitter ihn verfolQt.
So hat er oft mit Klagen dich belästigt:
Erbrochne Schlösser, aufgefangne Briefe,
Und Gift und Dolch! Was alles vor ihm schwebt!
Du hast es untersuchen lassen, untersucht,
Und hast du ^vas oefunden ? Kaum den Schein.
Der Schutz von keinem Fürsten macht ihn sicher.
Der Busen keines Freundes kann ihn laben.
Und willst du einem solchen Ruh' und Glück,
W^illst du von ihm wohl Freude dir versprechen?
ALFONS
Du hättest Recht, Antonio, wenn in ihm
Ich meinen nächsten Vorteil suchen wollte!
Zwar ist es schon mein Vorteil, daß ich nicht
Den Nutzen «rad und unbedinsjt erwarte.
Nicht alles dienet uns auf gleiche Weise;
Wer vieles brauchen will, gebrauche jedes
In seiner Art, so ist er wohl bedient.
Das haben uns die Aledicis gelehrt,
Das haben uns die Päpste selbst gewiesen.
Mit welcher Nachsicht, welcher fürstlichen
Geduld und Langmut trugen diese Männer
Manch groß Talent, das ihrer reichen Gnade
Nicht zu bedürfen schien und doch bedurfte!
io6
ANTONIO
Wer weiß es nicht, mein Fürst? Des Lebens Mühe
Lehrt uns allein des Lebens Güter schätzen.
So junj^^ hat er zu \ieles schon erreicht,
Als daß genügsam er genießen könnte.
( ) sollt' er erst erwerben, was ihm nun
Mit offnen Iläiuien angeboten wird,
llv strengte seine Kräfte männlich an,
Und fühlte sich vcjn .Schritt /.u .Schritt bc'jnü'^t.
Ein armer Edelmann hat schon das Ziel
Von seinem besten Wunsch erreicht, wenn ihn
Hin edler I'ürst zu seinem Ilofi^enossen
Erwählen will, und ihn der Dürftigkeit
Mit milder Ilantl entzieht. Schenkt er ihm noch
V'ertraun und Gunst, und will an seine Seite
Vor andern ihn erheben, sei's im Krieg,
Sei's in Geschäften otler im Gespräch,
So, dächt' ich, könnte der bescheidne .Mann
Sein Glück mit stiller Dankbarkeit verehren.
Und Tasso hat zu allem diesem noch
Das schönste Glück des Jünglings, daß ihn schon
Sein X'aterl.md erkennt und auf ihn hofft.
O glaube mir, sein launisch .Nhßbehagen
Ruht auf dem breiten Polster seines Glücks.
Er kommt, entlaß ihn gnädig, gib ihm Zeit,
In Rom und in Neapel, wo er will,
Das aufzusuchen, was er hier vermißt,
Und was er hier nur wiederfinden kann.
ALEONS
Will er zurück erst nach Ferrara gehn?
ANTONIO
Er wünscht in Belriguardo zu verweilen,
Das Nötigste, was er zu Reise braucht,
Will er durch einen Freund sich senden lassen.
107
ALFONS
Ich bin's zufrieden. Meine Schwester geht
Mit ihrer Freundin gleich zurück, und reitend
Werd' ich vor ihnen noch zu Hause sein.
Du folgst uns bald, wenn du für ihn gesorgt.
Dem Kastellan befiehl das Nötige,
Daß er hier auf dem Schlosse bleiben kann,
Solang er will, solang, bis seine Freunde
Ihm das Gepäck gesendet, bis wir ihm
Die Briefe schicken, die ich ihm nach Rom
Zu geben willens bin. Er kommt! Leb' wohl!
ZWEITER AUFTRITT
ALFONS • TASSO
TASSO
mit Zurückhaltung
Die Gnade, die du mir so oft bewiesen.
Erscheinet heute mir in vollem Licht.
Du hast verziehen, was in deiner Nähe
Ich unbedacht und frevelhaft beging.
Du hast den \\''idersacher mir versöhnt.
Du willst erlauben, daß ich eine Zeit
Von deiner Seite mich entferne, willst
Mir deine Gunst großmütig vorbehalten.
Ich scheide nun mit völligem Vertraun,
Und hoffe still, mich soll die kleine Frist
Von allem heilen, was mich jetzt beklemmt.
Es soll mein Geist aufs neue sich erheben,
Und auf dem Wege, den ich froh und kühn,
Durch deinen Blick ermuntert, erst betrat.
Sich deiner Gunst aufs neue würdig machen.
io8
ALFONS
Ich wünsche dir zu deiner Reise Glück,
Und hoffe, dali du froh und ^-anz geheilt
L^ns wiederkommen wirst. iXi briu'j^st uns dann
Den doppelten Gewinn für jede Stunde,
Die du uns nun entziehst, vergnügt zurück.
Ich gebe Briefe dir an meine Leute,
An I'rcunde dir nach Rom, und wünsche sehr,
Daß du dich zu den Meinen überall
Zutraulich halten mögest, wie ich dich
Als mein, obgleich entfernt, gewiß betrachte.
TAS.S( )
Du überhäufst, o I'ürst, mit Gnaden den,
Der sich unwürdig fühlt, und selbst zu tianken
In diesem Augenblicke nicht vermag.
Anstatt des Danks eröffn' ich eine Bitte!
Aiu meisten liegt mir mein Gedicht am Herzen.
Ich habe \iel getan, und keine Mühe
l'nd keinen I'leili ges|)art; allein es bleibt
Zu \iel mir noch zurück. Ich möchte dort.
Wo noch der Geist der großen Männer schwebt.
l'nd wirksam schwebt, dort möcht' ich in die Schule
.Aufs neue mich begeben; würtliger
Hrfreute deines Beifalls sich mein Lied.
O gib die Blätter mir zurück, die ich
Jet;:t nur beschämt in deinen Händen weiß!
ALFONS
Du w irst mir nicht an diesem Tage nehmen.
Was du mir kaum an diesem Tag gebracht.
Laß zw ischen dich und zwischen dein Gedicht
Mich als \'ermittler treten! hüte dich,
Durch strcnijen Fleiß die liebliche Natur
Zu kränken, die in deinen Reimen lebt.
Und höre nicht auf Rat von allen Seiten!
Die tausendfältiiren Gedanken vieler
109
Verschiedner Menschen, die im Leben sich
Und in der Meinung widersprechen, faßt
Der Dichter kkig- in eins, und scheut sich nicht.
Gar manchem zu mißfallen, daß er manchem
Um desto mehr gefallen möge. Doch
Ich sage nicht, daß du nicht hie und da
Bescheiden deine Feile brauchen solltest.
Verspreche dir zugleich, in kurzer Zeit
Erhältst du abgeschrieben dein Gedicht.
Es bleibt von deiner Hand in meinen Händen,
Damit ich seiner erst mit meinen Schwestern
Mich recht erfreuen möge. Bringst du es
Vollkommen dann zurück, wir werden uns
Des höheren Genusses freun, und dich
Bei mancher Stelle nur als Freunde warnen.
TASSO
Ich wiederhole nur beschämt die Bitte:
Laß mich die Abschrift eilig haben! Ganz
Ruht mein Gemüt auf diesem Werke nun.
Nun muß es werden, was es werden kann.
ALFONS
Ich billige den Trieb, der dich beseelt!
Doch, guter Tasso, wenn es möglich wäre.
So solltest du erst eine kurze Zeit
Der freien Welt genießen, dich zerstreuen,
Dein Blut durch eine Kur verbessern. Dir
Gewährte dann die schöne Harmonie
Der hergestellten Sinne, was du nun
Im trüben Eifer nur vergebens suchst.
TASSO
Mein Fürst, so scheint es; doch ich bin gesund.
Wenn ich mich meinem Fleiß ergeben kann.
Und so macht wieder mich mein Fleiß gesund.
Du hast mich lano- gresehn: mir ist nicht wohl
In freier Üppigkeit. Mir läßt die Ruh'
1 IG
Am mindsten Ruhe. Dies Gemüt ist nicht
Von der Natur bestimmt, ich fühl' es leider,
Auf weichem Element der Tage froh
Ins weite Meer der Zeiten hinzuschwimmen.
ALFONS
Dich führet alles, was du sinnst und treibst.
Tief in dich selbst, lls liegt um uns herum
Gar mancher Abgrund, den das Schicksal grub;
Doch hier in unserm Herzen ist der tiefste.
Und reizend ist es, sich hinabzustürzen.
Ich bitte dich, entreiße dich dir selbst!
Der Mensch gew innt, was der Poet verliert
TASS( )
Ich halte diesen Drang vergebens auf,
Der Ta«'' und Nacht in meinem Busen wechselt.
Wenn ich nicht sinnen oder dichten soll.
So ist das Leben mir kein Leben mehr.
Verbiete du dem Seidenu urm, zu spinnen,
Wenn er sich schon dem Tode näher .spinnt:
Das köstliche Geweb' entwickelt er
Aus .seinem Innersten, und läßt nicht ab.
Bis er in seinen Sari" sich eiiiLicschlussen.
O oeiy ein i-uter Gott uns auch dereinst
Das Schicksal des beneidenswerten Wurms,
Im neuen Sonnental die Flügel rasch
Und freudig zu entfalten!
ALFONS
Höre mich!
Du gibst so Vielen doppelten Genuß
Des Lebens; lern', ich bitte dich,
Den Wert des Lebens kennen, das du noch
Und zehnfach reich besitzest! Lebe wohl!
Je eher du zu uns zurücke kehrst,
Je schöner wirst du uns w illkommen sein.
III
DRITTER AUFTRITT
TASSO
allein
So halte fest, mein Herz, so war es recht!
Es wird dir schwer, es ist das erste Mal,
Daß du dich so verstellen magst und kannst.
Du hörtest wohl: das war nicht sein Gemüt,
Das waren seine Worte nicht; mir schien,
Als klänge nur Antonios Stimme wieder.
O Q-ib nur acht! Du wirst sie nun so fort
Von allen Seiten hören. Fest, nur fest!
Um einen AuQ-enblick ist's noch zu tun.
Wer spät im Leben sich verstellen lernt,
Der hat den Schein der Ehrlichkeit voraus.
Es wird schon gehn; nur übe dich mit ihnen!
Nach einer Pause
Du triumphierst zu früh, dort kommt sie her!
Die holde Fürstin kommt! O welch Gefühl!
Sie tritt herein; es löst in meinem Busen
Verdruß und Argwohn sich in Schmerzen auf
VIERTER AUFTRITT
PRINZESSIN • TASSO
Gegen das Ende des Auttritts die Übrigen
PRINZESSIN
Du denkst uns zu verlassen, oder bleibst
Vielmehr in Belriguardo noch zurück,
Und willst dich dann von uns entfernen, Tasso?
Ich hoffe, nur auf eine kurze Zeit.
Du oehst nach Rom?
o
I 12
TASSO
Ich richte meinen Wee
Zuerst dahin, inul nehmen meine Treunde
Mich gütig auf, wie ich es hoffen darf.
So leg' ich da mit Sorgfalt und Geduld
Vielleicht die letzte Hand an mein Gedicht.
Ich finde \iele Männer d(jrt versammelt,
Die Meister aller Art sich nennen dürfen.
Lind spricht in jener ersten Stadt der Welt
Nicht jeder Platz, nicht jeder Stein zu uns?
Wie viele tausend stumme Lehrer winken
In ernster Majestät uns freundlich an!
\^)llend' ich da nicht mein Gedicht, so kann
Ich's nie vollenden. Leider, ach, schon fühl' ich,
Mir wird /ai keinem l'nternehmen Glück!
Veränilem werd' ich es, vollenden nie.
Ich führ, ich führ es wohl, die gnjße Kunst,
1 )ie jetlen nälirt, tue (.len gesunden Geist
Stärkt und en|uickt, w ird mich zugrunde richten,
W-rtreiben u ird sie mich. Ich eile fort!
Xach Xapel will ich bald!
pri.\zl:ssi.\
Darfst du es wagen?
Noch ist der .strenge Bann nicht aufgehoben,
Der dich zugleich mit deinem X'ater traf
TASS( )
1 )u w arnest recht, ich hab' es schon bedacht.
X'erkleidet ueh' ich hin, den armen Rock
Des Pilijers oder Schäfers zieh' ich an.
Ich schleiche durch die SUidt, wo die Bewegung
Der Tausende den einen leicht verbirgt.
Ich eile nach dem Ufer, finde dort
Gleich einen Kahn mit willig guten Leuten,
Mit Bauern, die zum Markte kamen, nun
Nach Hause kehren, Leute von Sorrent;
113
Denn ich muß nach Sorrent hinüber eilen.
Dort \\'ohnet meine Schwester, die mit mir
Die Schmerzensfreude meiner Eltern war.
Im Schiffe bin ich still, und trete dann
Auch schweigend an das Land, ich gehe sacht
Den Pfad hinauf, und an dem Tore frag' ich:
Wo wohnt Cornelia? Zeigt mir es an!
Cornelia Sersale? Freundlich deutet
Mir eine Spinnerin die Straße, sie
Bezeichnet mir das Haus. So steig' ich \\eiter.
Die Kinder laufen nebenher und schauen
Das wilde Haar, den düstern Fremdling an.
So komm' ich an die Schwelle. Offen steht
Die Türe schon, so tret' ich in das Haus —
PRINZESSIN
Blick' auf, o Tasso, wenn es möglich ist.
Erkenne die Gefahr, in der du schwebst!
Ich schone dich, denn sonst würd' ich dir sagen:
Ist's edel, so zu reden, wie du sprichst?
Ist's edel, nur allein an sich zu denken.
Als kränktest du der Freunde Herzen nicht?
Ist's dir verborgen, wie mein Bruder denkt?
Wie beide Schwestern dich zu schätzen wissen?
Hast du es nicht empfunden und erkannt?
Ist alles denn in wenig Augenblicken
Verändert? Tasso! Wenn du scheiden willst,
So laß uns Schmerz und Sorge nicht zurück!
Tasso wendet sich weg
Wie tröstlich ist es, einem Freunde, der
Auf eine kurze Zeit verreisen will.
Ein klein Geschenk zu geben, sei es nur
Ein neuer Mantel oder eine Waffe!
Dir kann man nichts mehr geben; denn du wirfst
Unwillig alles weg, was du besitzest.
Die Pilo-ermuschel und den schwarzen Kittel,
Den langen Stab erwählst du dir, und gehst
114
iTciwilli'^ arm tiahin, und nimmst uns wecr.
Was du mit uns allein j^^cnidicn konntest.
TASSü
So willst du mich nicht ^ranz und Lfar verstoßen?
ü sülSes Wort, o schc'incr. teurer Trost!
Vertritt mich! Nimm in deinen Schutz mich auf! ■
Laß mich in Helri<^aiardo hier, versetze
Mich nach Consandoli, wohin du willst!
lis hat der Fürst so manches scheine Schloß,
So manchen ( iarten, der das !;;an/.e fahr
Gewartet w irti, und ihr betretet kaum
Ihn einen Ta;^^ vielleicht nur eine Stunde.
Ja, wählet den entferntsten aus, den ihr
In j^anzen Jahren nicht Jjesuchen i^eht,
L'nd tler \ielleicht jetzt ohne Sor^e lie^^t:
Dort schickt mich hin! Dort laßt mich euer sein.
\\ ie will ich deine Bäume pfle;^^en! tlie /Zitronen
hn Herbst mit Hrettern und mit Zie,/eln decken.
Und mit \"eri)UiHlnem Rohre wohl \erwahren!
Hs sollen schöne Hiumeii in tlen Heeten
Die breiten Wurzeln schlagen; rein und zierlich
Soll jeder ( lan;^ unil jedes Fleckchen sein.
Unel laßt mir auch die Sorij^e des Palastes!
Ich w ill zur rechten Zeit die Fenster öffnen,
Daß Feuchtigkeit nicht tlen Gemälden schade;
Die schön mit Stuckatur verzierten Wände
\\ ill ich mit einem leichten Wedel säubern;
Es soll das Fstrich blank und reinlich L^länzen;
Es soll kein Stein, kein Ziegel sich verrücken;
Es soll kein Gras aus einer Ritze keimen!
PRINZESSIN
Ich finde keinen Rat in meinem Busen,
Und finde keinen Trost für dich und — uns.
Mein Aui-e blickt umher, ob nicht ein Gott
O
Uns Hilfe reichen möchte, möchte mir
Ein heilsam Kraut entdecken, einen Trank,
115
Der deinem Sinne Frieden brächte, Frieden uns.
Das treuste Wort, das von der Lippe fließt.
Das schönste Heikuü^smittel wirkt nicht mehr.
Ich muß dich lassen, und verlassen kann
Mein Herz dich nicht.
TASSO
Ihr Götter, ist sie's doch.
Die mit dir spricht und deiner sich erbarmt!
Und konntest du das edle Herz verkennen?
War's möglich, daß in ihrer Gegenwart
Der Kleinmut dich ergriff und dich bezwanef?
Nein, nein, du bist's! und nun, ich bin es auch.
O fahre fort, und laß mich jeden Trost
Aus deinem Munde hören! Deinen Rat
Entzieh mir nicht! O sprich: was soll ich tun?
Damit dein Bruder mir vergeben könne.
Damit du selbst mir gern vergeben mögest,
Damit ihr wieder zu den Euren mich
Mit Freuden zählen möget? Sag' mir an.
PRLXZESSIN
Gar wenig ist's, was wir von dir verlangen;
Und dennoch scheint es allzuviel zu sein.
Du sollst dich selbst uns freundlich überlassen.
Wir wollen nichts von dir, w^as du nicht bist.
Wenn du nur erst dir mit dir selbst gefällst.
Du machst uns Freude, wenn du Freude hast,
Und du betrübst uns nur, wenn du sie fliehst;
Und w^enn du uns auch ungeduldig machst,
So ist es nur, daß wir dir helfen möchten
Und, leider! sehn, daß nicht zu helfen ist.
Wenn du nicht selbst des Freundes Hand ergreifst,
Die, sehnlich ausgereckt, dich nicht erreicht.
TASSO
Du bist es selbst, wie du zum erstenmal
Ein heil'ger Engel, mir entgegen kamst!
ii6
Verzeih dem trüben Blick des Sterblichen,
Wenn er auf Auj^renblicke tlich verkannt.
P> kennt tlich w ieder! Ganz eröffnet sich
Die Seele, nur dich ewig zu verehren.
Hs füllt sich ganz das Herz von Zärtlichkeit -
Sie ist's, sie steht v<jr mir. Welch ein (iefühl!
Ist es Verirrung, was mich nach dir zieht?
Ist's Raserei? Ist's ein erhc'ihter Sinn,
I )er erst die hc'ichste, reinste Wahrheit faßt?
Ja, es ist das ( iefühl, das mich allein
Auf dieser Iirde glücklich machen kann,
Das mich allein so elend werden lieli.
Wenn ich ihm widcrstaml um! aus dem Herzen
Hs bannen wollte. Diese Leidenschaft
Gedacht' ich zu i)ekämpfen, stritt uml stritt
Mit meinem tiefsten Sein, zcrst/irle frech
.Mein eignes Selbst, tlem du so ganz gehörst —
PRINZESSIN
Wenn ich dich, Tasso, länger hören soll.
So mäloige die (ilut, die mich erschreckt
TASSO
Beschränkt dir Rand des Bechers einen Wein,
Der schäumenil wallt untl l)rausend überschwillt?
Mit jedem Wort erhöhest du mein Glück,
Mit jeden\ Worte glänzt dein Auge heller
Ich fühle mich im Innersten verändert,
Ich fühle mich \ on aller Not entladen.
Frei wie ein Gott, und alles dank' ich dir!
Unsägliche Gewalt, die mich beherrscht.
Entfließet deinen Lippen; ja, du machst
Mich ganz dir eigen. Nichts gehöret mehr
Von meinem ganzen Ich mir künftig an.
Es trübt mein Auge sich in Glück und Licht,
Es schwankt mein Sinn. Mich hält der Fuß nicht mehr
Unwiderstehlich ziehst du mich zu dir,
Und unaufhaltsam drinijt mein I lerz dir zu.
1 1
Du hast mich ganz auf ewig dir gewonnen,
So nimm denn auch mein ganzes Wesen hin!
Er fällt ihr in die Arme und drückt sie fest an sich
PRINZESSIN
ihn von sich stoßend und hinwegeilend
Hinweg-.'
LEONORE
die sich schon eine Weile im Grunde sehen lassen, herbeieilend
Was ist geschehen? Tasso! Tasso!
Sie geht der Prinzessin nach
O Gott!
TASSO
im Begriff, ihnen zu folgen
ALFONS
der sich schon eine Zeit lang mit Antonio genähert
Er kommt von Sinnen, halt ihn fest!
Ab
FÜNFTER AUFTRITT
TASSO • ANTONIO
ANTONIO
O stünde jetzt, so wie du immer glaubst.
Daß du von Feinden rings umgeben bist.
Ein Feind bei dir, wie würd' er triumphieren!
Unglücklicher, noch kaum erhol' ich mich!
Wenn ganz was Unerwartetes begegnet,
W^enn unser Blick was Ungeheures sieht,
ii8
Steht unser Geist auf eine Weile still:
Wir haben nichts, womit w ir das vergleichen.
lASSO
nach einer lanc^en Pause
Vollende nur dein Amt — ich seh', du bist's!
Ja, du verdienst das fürstliche Vertraun;
Vollende nur dein Amt. und martre mich,
Da mir der Stab i.^'^eijrochen ist, nuch lant^^sam
Zu Tode! Ziehe! Zieh am Pfeile nur,
Dal') ich den Widerhaken grimmig fühle,
Der mich zerfleischt!
Du bist ein teures Werkzeug des Tyrannen;
Sei Kerkermeister, sei der Marterknecht!
Wie wohl, w ie eigen steht dir beides an!
Cie<:jen die Szene-
Ja, gehe nur, Tyrann! Du konntest dich
Nicht bis zuletzt verstellen, triumphiere!
Du hast den Sklaven wohl gekettet, hast
Ihn wohl gespart zu ausgedachten Uualen:
Geh nur, ich hasse tlich, ich fühle ganz
Den Abscheu, den die Ibermacht erregt.
Die frevelhaft und ungerecht ergreift.
Nach einer Taiise
So seh' ich mich am Ende denn \erbannt.
Verstol5en und \ erbannt als Bettler hier!
So hat man mich bekränzt, um mich geschmückt
Als Opfertier vor den Altar zu führen!
So lockte man mir noch am letzten Tage
Mein einzig Higentum, mir mein (iedicht
Mit ''latten Worten ab, und hielt es fest!
Mein einzig Gut ist nun in euren Händen,
Das mich an jedem Drt empfohlen hätte.
Das mir noch blieb, \om Hunger mich zu retten!
Jetzt seh' ich w ohi, warum ich feiern soll.
Es ist Verschw örung, und du bist das Haupt.
Damit mein Lied nur nicht xollkommner werde,
Dali nur mein Name sich nicht mehr verbreite,
119
Daß meine Neider tausend Schwächen finden,
Daß man am Ende meiner gar vergesse,
Drum soll ich mich zum Müßiggang gewöhnen.
Drum soll ich mich und meine Sinne schonen.
O werte Freundschaft, teure Sorglichkeit!
Abscheulich dacht' ich die Verschwörung mir,
Die unsichtbar und rastlos mich umspann.
Allein abscheulicher ist es geworden.
Und du, Sirene! die du mich so zart,
So himmlisch angelockt, ich sehe nun
Dich auf einmal! O Gott, warum so spät!
Allein wir selbst betrügen uns so gern
Und ehren die Verworfnen, die uns ehren.
Die Menschen kennen sich einander nicht;
Nur die Galeerensklaven kennen sich,
Die eng an eine Bank geschmiedet keuchen;
Wo keiner was zu fordern hat und keiner
Was zu verlieren hat, die kennen sich;
Wo jeder sich für einen Schelmen gibt
Und seineseleichen auch für Schelmen nimmt.
Doch wir verkennen nur die andern höflich.
Damit sie wieder uns verkennen sollen.
Wie lang verdeckte mir dein heilig Bild
Die Buhlerin, die kleine Künste treibt.
Die Maske fällt: Armiden seh' ich nun
Entblößt von allen Reizen — ja, du bist's!
Von dir hat ahnungsvoll mein Lied gesungen!
Und die verschmitzte kleine Mittlerin!
Wie tief erniedriot seh' ich sie vor mir!
Ich höre nun die leisen Tritte rauschen,
Ich kenne nun den Kreis, um den sie schlich.
Euch alle kenn' ich! Sei mir das genug!
Und wenn das Elend alles mir geraubt,
So preis' ich's doch: die Wahrheit lehrt es mich.
I20
ANTONIO
Ich höre, Tasso, dich mit Staunen an,
So sehr ich weiß, wie leicht dein rascher Geist
Von einer Grenze zu der andern schwankt.
Besinne dich! Gebiete dieser Wut!
Du lästerst, du erlaubst dir Wort auf Wort,
Das deinen Schmerzen zu verzeihen ist,
Doch das du selbst dir nie verzeihen kannst.
TASSO
O sprich mir nicht mit sanfter Lippe zu,
Lalo mich kein kluges W(jrt \(jn dir \ernehmcn!
Laß mir das dumpfe Glück, damit ich nicht
Mich erst besinne, dann von Sinnen komme.
Ich fühle mir das innerste Gebein
Zerschmettert, und ich leb', um es zu fühlen.
V^erzweiflung faßt mit aller Wut mich an.
Und in der Höllenqual, die mich \ ernichtet,
Wird Lästrun»'- nur ein leiser Schmerzenslaut.
Ich will hinweg! Und wenn du redlich bist.
So zeiy' es mir, und lafi mich «'•leich \"on hinnen!
ANTONIO
Ich werde dich in dieser Not nicht lassen;
Und wenn es ilir an Passung ganz gebricht.
So soll mir's an Geduld trewiß nicht fehlen.
ö
TASSO
So muß ich mich dir denn gefangen geben?
Ich gebe mich, und so ist es getan;
Ich w iderstehe nicht, so ist mir wohl. -
L'nd laß es dann mich .schmerzlich w iederholen.
Wie schön es war, was ich mir selbst verscherzte.
Sie «'-ehn hinweij — O Gott! dort seh' ich schon
Den Staub, der von den Wagen sich erhebt —
Die Reiter sind voraus — Dort fahren sie.
Dort o-ehn sie hin! Kam ich nicht auch daher? —
121
Sie sind hinweg, sie sind erzürnt auf mich.
O küßt' ich nur noch einmal seine Hand!
O daß ich nur noch Abschied nehmen könnte!
Nur einmal noch zu sagen: O verzeiht!
Nur noch zu hören: Geh, dir ist verziehn!
Allein ich hör' es nicht, ich hör' es nie. —
Ich will ja gehn ! Laßt mich nur Abschied nehmen,
Nur Abschied nehmen! Gebt, o gebt mir nur
Auf einen Augenblick die Gegenwart
Zurück! Vielleicht genes' ich ^\ ieder. Nein,
Ich bin verstoßen, bin verbannt, ich habe
Mich selbst verbannt; ich werde diese Stimme
Nicht mehr vernehmen, diesem Blicke nicht,
Nicht mehr begegnen —
ANTONIO
Laß eines Mannes Stimme dich erinnern.
Der neben dir nicht ohne Rührung steht!
Du bist so elend nicht, als wie du glaubst.
Ermanne dich! Du gibst zu viel dir nach.
TASSO
Und bin ich denn so elend, wie ich scheine?
Bin ich so schwach, wie ich vor dir mich zeige?
Ist alles denn verloren? Hat der Schmerz,
Als schütterte der Boden, das Gebäude
In einen grausen Haufen Schutt verwandelt?
Ist kein Talent mehr übrig, tausendfältig
Mich zu zerstreun, zu unterstützen?
Ist alle Kraft erloschen, die sich sonst
In meinem Busen reijte? Bin ich Nichts?
Ganz Nichts geworden?
Nein, es ist alles da, und ich bin nichts;
Ich bin mir selbst entwandt, sie ist es mir!
ANTONIO
Und wenn du ganz dich zu verlieren scheinst,
Vergleiche dich! Erkenne, was du bist!
122
TASSU
ja, du erinnerst mich zur rechten Zeit! —
Hilft denn kein Heispiel der Geschichte mehr?
Stellt sich kein edler Mann mir xor tiie Aui^^en,
Der mehr j^rclitten, als ich jemals litt,
Damit ich mich mit ihm ver'deichend fasse?
Nein, alles ist dahin! — Nur eines bleibt:
Die Träne hat uns die Natiir verliehen,
Den Schrei des Schmerzens, wenn der Mann zuletzt
r.s nicht mehr trät^^t — Und mir noch über alles —
Sie lieI5 im Schmerz mir Melodie uiul Rede,
Die tiefste Mille meiner Not zu klaijen:
Und wenn der Mensch in seiner Oual \ erstumnit.
Gab mir ein Gott, zu sa<^en, wie ich leide.
Antonio tritt zu ihm und nimmt ihn bei der Hand
O edler Mann! Du stehest fest und still,
Ich scheine nur die sturmbewei^te Welle.
.\llein bedenk' und überhebe nicht
Dich deiner Kraft! Die mächtige Natur,
Die diesen Felsen gründete, hat auch
Der Welle die Beweglichkeit «fe<feben.
Sie sendet ihren Sturm, die Welle flieht
Und schwankt und schw illt und beugt sich schäumend über.
In dieser W^oge spiegelte so schön
Die Sonne sich, es ruhten die Gestirne
An dieser Brust, die zärtlich sich bew egte.
Verschw unden ist der Glanz, entflohn die Ruhe. —
kh kenne mich in der Gefahr nicht mehr,
L'nd schäme mich nicht mehr, es zu bekennen.
Zerbrochen ist das Steuer, und es kracht
Das Schiff an allen Seiten. Berstend reifol
Der Boden unter meinen Füfien auf!
Ich fasse dich mit beiden Armen an!
So klammert sich der Schiffer endlich noch
Am Felsen fest, an dem er scheitern sollte.
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DIESES BUCH WLRDE ALS ERSTES
DER D RUGU LI N -DRUCKE FÜR DEN
VERLAG ERNST ROWOHLT IX LIiIl'ZIG
IM SI':i'TIiMHL:R 19 lo IN DER OEFIZIX
\V. DRUGULIN IX LEIPZIG GEDRUCKT.