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TOXINE UND ANTITOXINE
von
Dr. phil. et med. Carl Oppenheimer
Assistent am tierphys. Institute d. Landw. Hochschule, Berlin.
Jena
Verlag von Gustav Fischer
1904.
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i
Vorwort.
Der Plan dieses Baches, das gewissermaßen eine Ergänzung zn den
»Fermenten« darstellen sollte, war bei mir schon lange vorhanden, als
mir von selten der Heransgeber des »Handbuches der pathogenen Mikro-
organismen«, den Herren ProflF. Kolle und Wassermann, der höchst
ehrenvolle Auftrag zuteil wurde, für dieses Werk das Kapitel »Bak-
teriengifte« zu bearbeiten.
Dank dem außerordentlich liebenswürdigen Entgegenkommen dieser
Herren und des Verlagshauses ließ es sich ermöglichen, beide Pläne zu
vereinbaren. So ist denn der »Allgemeine Teil« dieses Buches, von
einigen Aenderungen abgesehen, bereits im I. Bande des »Handbuches«
erschienen (1902), das auch vielleicht noch einige Bruchstücke des spe-
ziellen Teiles übernehmen wird.
Der Plan des Werkes war, alles uns bisher Bekannte über Toxine
irgend welcher Herkunft zusammenzufassen, wobei der BegriflF des Toxins
ganz unabhängig von der Quelle des Giftes chemisch und auf der Basis
der Seitenkettentheorie fundiert wurde.
Daraus folgt, dass dieses Buch zwar in einer Beziehung einheitlich
werden, nämlich thatsächlich zusammenhängend eine Darstellung aller
Toxine geben konnte. Andererseits aber lag es nicht in meinem
Plane, alle zweifelhaften Giftstoffe der Pflanzen und Tiere zu
besprechen. So sind denn manche tierischen und pflanzlichen Gifte,
deren Toxinnatur in Zweifel steht, ganz aphoristisch (Fischgifte),
andere (z. B. Bienengift, das wahrscheinlich basischer Natur ist) gar
nicht besprochen.
^^ 1 ^ r 1 i Digitized by V^jOOQIC
— IV —
Für den Versuch, die Toxine selbst und ihre Antitoxine genau zu
beschreiben, standen mir größere litterarische Vorarbeiten so gut wie
gar nicht zu Gebote.
So habe ich, soweit irgend möglich, nur aus den Originalarbeiten
geschöpft. Ich muss leider fürchten, dass trotzdem das Buch ein Torso
bleibt, denn die Angaben über die Toxine sind so zerstreut und manch-
mal iu Arbeiten scheinbar anderen Zieles versteckt, dass wohl manche
Thatsache mir entgangen sein mag.
Berlin, Dezember 1903.
Carl Oppenheimer.
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Inhaltsverzeiclmis.
Allgemeiner Teil.
Seite
Einleitung: Begriffsbestimmung des »Toxins« chemisch, physio-
logisch und theoretisch. Seitenkettentheorie. Art ihrer Entstehung.
Nährböden. Mittel zur Steigerung der T- Produktion. Filtration.
Keinigung. Chemische Natur. Verhalten gegen äußere Faktoren
Oxydationsmittel, Gifte). Schicksale im Organismus. Antitoxin-
bildung. Immunität. Schicksale im Digestionstractus. Wirkungsart
der Toxine, Spezifizität, Inkubationszeit. Konstitution der Toxine,
physiologische Wirkung. ToxoYde und Toxone. Allgemeines über
Antitoxine 1 — 26
Verhalten der Toxine zu den Antitoxinen. Haptophore und toxo-
phore Gruppen. Spezifische Bindung. Maßeinheiten. ToxoYdbildung;.
Lo und Lf. Die Grüße >D« als Maß der Toxone. Unvollkommene
Absättigung. Die Zahl »200«. Giftspectra. Physikalisch-chemische
Messungen. Reaktionsgeschwindigkeit. Gleichgewichte. Wärme-
tönung der Toxin-Antitoxinbindung 26—56
Die Endotoxine und die BakterienproteYne 55 — 61
Spezieller Teil.
I. Die echten Toxine.
Diphtherietoxin: Sekretion. Nährböden. Luftzufuhr. Konservierung.
Reinigung. Eigenschaften. Wirkungen. ToxoYde und Toxone.
Diphtherieantitoxin: Produktion, Aufbewahrung des Serums,
Konzentrierung des A. Chemische Natur. Bindung an die Eiweiß-
stoffe des Serums 61—92
Tetanustoxin: Nährböden, Eigenschaften, Konzentrier ung. Wirksam-
keit Beziehungen zum Zentralnervensystem. Fermenttheorie. Te-
tanusantitoxin 92—111
Botulismustoxin, Pyocyaneustoxin 111—116
Bakterienhämolysine: Tetanolysin, Pyocyaneolysin , Colilysin, Sta-
phylolysin, andere Lysine. Leukocidin der Staphylokokken . . . 116—126
n. Die Endotoxine und andere Bakteriengifte.
Choleragift: Dargestellte Giftstoffe. Echtes Toxin, an die Zellen ge-
bunden (?). Antitoxin {?).
Typhusgift, Bacterium coli, Ruhr, Pesttoxin, Pneumotoxin, Gonotoxin,
Streptotoxin.
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— VI —
Seite
Gifte des Tuberkelbacillus: Tuberkulin. Tuberkelgifte v. Beh-
rings. MalleYn.
Milzbrandgift, Hogcholera, Malignes Oedem, Kauschbrand, Schweine-
seuche, Vibrio Metschnikoff 127—161
in. Die pflanzlichen Toxine (Phytotoxine).
Ricin: Darstellung, Chemische Natur, Wirkungen. Blutwirkung. Ricin-
immunität. Antiricin.
Abrin, Krotin, Robin 161—181
IV. Die tierischen Toxine (Zootoxine).
Schlangentoxine: Darstellung. Eigenschaften , Wirkungsart , Neuro-
toxin, Hämorrhagin, ToxoYde. Schlangengifthäinolysine, komplexe
Natur, AVirkung. Lecithin als Komplement, Lecithide. Immunität.
Antitoxine.
KrOtengift (Phrynolysin), Salamandergift, Spinnengift (Arachnolysin),
Skorpionengift.
Fischgifte (Trachinusgift) : Ichthyotoxin . 181—214
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Allgemeiner Teil.
Einleitung.
Schon kurze Zeit, nachdem der Bakteriologie durch Robert Koch
feste Wege gewiesen waren, drang die Ueberzeugung durch, dass we-
niger die Bakterien selbst es sind, die die verheerenden Wirkungen der
Infektionskrankheiten hervorrufen; man erkannte bald, dass die kleinen
Lebewesen meist nur mittelbar schädlich sind; dass es ihre chemischen
Produkte sein müssen, die die eigentliche Noxe darstellen.
Besonders Brieqee war es, der schon sehr frühzeitig darauf hinwies,
dass man nach den spezifischenGiften der Bakterien suchen müsse,
und der selbst bestrebt war, diese supponierten Gifte aufzusuchen und
darzustellen.
Er isolierte zuerst aus den Kultursubstraten, die durch das Wachstum
der Bakterien verändert waren, besonders aus Fäulnisgemischen, eine
Reihe von wohlcharakterisierten chemischen Substanzen, die Ptomaine,
stickstoflFhaltige Basen, die zum Teil eminent toxisch waren. Indessen
erwiesen sich diese Stoflfe nicht als die eigentlichen Bakterien-
gifte. Diese Gifte stellen nicht die Waffe der Parasiten im leben-
den Körper dar; die spezifischen Bakteriengifte, die zuerst den
Namen »Toxine« als Sammelbegriflf erhielten, sind es nicht. Allmäh-
lich hat dann der BegrifT des Toxins naturgemäß jene Spezialisierung
erfahren, die ihn aus dem BegriiBf des aus Bakterien oder aus der von
Bakterien belebten Zersetzungsmasse isolierten Giftstoffes umzumodeln
bestrebt war in den Begriff des spezifischen, die spezifische Erkrankung
hervorrufenden Bakteriengiftes. Dahin ging die Tendenz der Differen-
zierung jenes Begriffes, ohne dass diese Tendenz immer klar zum Be-
wusstsein, geschweige denn zum Ausdruck gekommen wäre. Zur Er-
höhung der Begriffsverwirrung trug noch bei, dass man eine Reihe von
Bakteriengiften, die den Eiweißkörpern nahezustehen schienen, mit
dem Namen der Toxalbumine bezeichnete. Darunter verstand man
zum Teil die Gifte, die wir heute als echte Toxine anzusehen haben,
aber auch andere, die mit ihnen nichts weiter gemein haben als ihre
scheinbar eiweißartige Natur.
Andererseits aber war eine prinzipiell sehr wichtige und weittragende
Folge dieser Arbeiten die Parallelsetzung dieser Bakterientoxalbumine
OppeDheim«r, Toxine und Antitoxine. X
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mit anderen Toxalbnminen des Tier- und Pflanzenreiches, nämlich den
Schlangengiften und ähnlichen Toxalbnminen einerseits und den von
KoBERT und seinen Schülern zuerst genauer bearbeiteten giftigen Pflanzen-
eiweißen Ricin, Abrin und Krotin andererseits. Die wichtigste Kon-
sequenz dieser Anschauung wurde erst später, besonders von Ehrlich,
Calmette u. a. gezogen, dass nämlich thatsächlich die spezifischen
Bakteriengifte in einer fundamentalen Eigenschaft sich mit den er-
wähnten Zellprodukten höherer Organismen treflFen, nämlich in der Bil-
dung spezifischer »Antikörper« im Organismus des angegriffenen
Tieres, so dass für ihre Wirksamkeit ganz allgemein die EHRLiCHsche
Seitenkettentheorie herangezogen werden kann. Diese Gifte sind im
EHRLiCHSchen Sinne »Haptine« und es ist prinzipiell von geringerer
Bedeutung, welches ihre Provenienz ist. Brieqers großes Verdienst ist
es, zuerst die Bakterientoxine in Beziehung zu anderen bekannten Gift-
stoflTen gebracht zu haben. Daneben ist es nicht sehr wesentlich, wenn
Brieqers Ansichten, und zwar nicht zum mindesten durch seine eigenen
Arbeiten, in zwei Punkten eine Modifikation erleiden mussten. Zunächst
gelten diese festgestellten Beziehungen zu den anderen Toxalbnminen
nicht f Ur alle von Brieger dargestellten Bakteriengifte : eine große Zahl
derselben sind Stoflfe von nicht spezifischer Natur, nicht vergleichbar
dem Ricin u. s. W., weil sie keine Haptine sind; es bleiben im wesent-
lichen eigentlich nur die Gifte der Diphtherie, des Tetanus, Bac. Botu-
linus und Pyocyaneus als Typen der echten Toxine (sowie das
Tetanolysin, Staphylolysin und Staphyloleukocidin, wahrscheinlich auch
die blutlösenden Gifte anderer Bakterien), zu denen sich noch einige
andere, wahrscheinlich hierher gehörige gesellen, z. B. Cholera und
Typhus; außerdem aber hat Brieger selbst später seinem Diphtherie-
toxin die Eiweißnatur abgesprochen, ebenso ist sie fttr das Ricin sehr
zweifelhaft geworden, während die Schlangengifte auch nach dem heu-
tigen Stande unserer Kenntnisse Proteine zu sein scheinen. Indessen
ist das prinzipiell ebenso untergeordnet, wie wir bei den so ähnlichen
Fermenten vermutlich neben wirklichen Proteinen (Trypsin, Diastase [?])
auch hochmolekulare Stoff'e anderer Art (Pepsin, Invertase) finden. Der
Begriff des eigentlichen »Toxins« ist danach für die Bakteriengifte in
folgender Weise zu entwickeln.
Alle Bakterien erzeugen in den sie beherbergenden Medien irgend
welche chemische Substanzen.
Wenn auch viele der auf verschiedenste Weise dargestellten Bakterien-
stoflfe Produkte sekundärer Umwandlungen durch zu eingreifende che-
mische Manipulationen sind, so ist doch sicherlich ein Teil derselben
ein primäres Produkt des bakteriellen Stoffwechsels.
Diese StoflFwechselprodukte sind zum Teil mehr oder weniger heftige
Gifte. Darin unterscheiden sich generell die pathogenen Mikroben nicht
von den für die Krankheitsentstehung gleichgiltigen.
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— 3 —
Wenn also auch derartige Stofife giftig sind, so haben sie doch sicher-
lieh mit der Vergiftung des Organismus bei einer Invasion der Bak-
terien nichts zu schaffen, auch wenn sie durch pathogene Mikroben er-
zeugt sind. Jene Gifte, wie z. B. das Neurin, haben ihre eigenartige
Wirkung, ob sie durch Bakterien oder rein chemisch hergestellt sind.
Sie sind also zuerst von dem Begriff des »Toxins« abzusondern.
Zum zweiten hat man aus den Leibern zahlreicher pathogener Mi-
kroben durch verschiedenartige Prozeduren eine Reihe von Stoffen herge-
stellt, die eiweißähnliche Natur besitzen, wie die Bakterienproteine Büch-
ners, und mehr oder minder giftig sind. Aber diese giftigen Wirkungen
sind nur sehr wenig verschieden nach der Provenienz ihrer Träger, sie
tragen nicht den Charakter des Spezifischen, rufen niemals Erscheinungen
hervor, die der spezifischen Erkrankung ähnlich sehen. Femer enthalten
noch viele Bakterien in ihrem Zellprotoplasma giftig wirkende Ei-
weißstoffe, die von dem Protein nicht zu isolieren, und auch größten-
teils nicht spezifisch sind.
Was bleibt nun schließlich zur Füllung des Begriffes Toxin übrig?
Einige pathogene Bakterien erzeugen, wenn man sie in Keinkultur züchtet,
in den Kulturflüssigkeiten gelöste Gifte, die nur durch sehr schonendes
Vorgehen in unverändertem und konzentriertem, wenn auch nicht in
reinem Zustand gewonnen werden können, Stoffe, die keine Ptomaine
und keine Eiweißkörper sind (s. unten). Derartige Stoffe sind be-
sonders aus den Reinkulturen von Diphtherie- und Tetanusbazillen
gewonnen worden und sie sind die echten Bakterientoxine im
engeren Sinne. In ganz analoger Weise muss man alle chemisch näher
bestimmbaren giftigen Stoffe, die von den Zellen höherer Pflanzen und
Tiere gebildet werden, von den Toxinen lostrennen.
Diese bilden eine Klasse von Substanzen, die unbeschadet ihrer Her-
kunft in ihrer Natur und eigentümlichen Wirkungsart ihre Definition finden.
Die Toxine sind charakterisiert zunächst durch eine Summe äuß erer
Merkmale: Sie sind von völlig unbekannter chemischer Struktur, außer-
ordentlich labil, sehr empfindlich schon gegen geringfügige chemische
Eingriffe, besonders aber gegen Erwärmen. Sie sind keine Eiweiß-
körper, also keine Toxalbumine. Sie zeigen eine außerordentlich
weitgehende Analogie mit den Fermenten.
Physiologisch sind sie charakterisiert durch eine unter geeigneten
Umständen außerordentlich hohe Giftigkeit, die alle anderen bekannten
Gifte weit hinter sich lässt. Fast alle Toxine zeigen fernerhin die Eigen-
tümlichkeit, dass sie nicht sofort wirken, sondern erst nach einer ge-
wissen Latenzperiode , einer Inkubationszeit, ganz analog der Ver-
giftung mit lebenden Bakterien. Sie zeigen trotz ihrer für manche Tiere
enormen Giftigkeit, die selbst die der energischsten einfachen Gifte, wie
der Blausäure, übertrifft, nur in wenigen Fällen (z. B. Schlangengift) die
oudroyante Wirkung, die diesen oft eigen ist. Sie sind ferner vor allem
1*
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charakterisiert durch die strenge Spezifizität ihrer Wirkung. Die
Toxine zeigen eigentümliche, für ihre Gruppe charakteristische Wir-
kungen, auf die wir unten zurückkommen werden. Daneben hat jedes
Toxin noch eine besondere Wirkungsart, die bei den Bakterien toxinen
einen engen Zusammenhang mit der durch ihre Mutterzelle erzeugten
Krankheit zeigt, und beim Tetanusgift bis zur völligen Analogie wird. Sie
sind auch in anderem Sinne streng spezifisch, d. h. sie vermögen nur ge-
wisse Lebewesen zu schädigen, während sie andere, zum Teil eng ver-
wandte, völlig unbeeinflusst lassen, wodurch sie in wichtige, funda-
mental bedeutsame Beziehungen zur natürlichen Immunität treten;
nicht minder wichtig sind ihre Beziehungen zur erworbenen Immu-
nität dadurch, da<5S es eine grundlegende Eigenschaft der Toxine ist,
im angegriffenen Organismus Gegengifte streng spezifischer Natur zu
bilden, die die Gifte in vivo unschädlich machen und die, vom er-
zeugenden Organismus losgetrennt, auch in vitro ihre spezifische, neu-
tralisierende Wirkung auf ihr zugehöriges Toxin und nur auf dieses
entfalten. Zu jedem echten Toxin gehört also auch ein echtes
Antitoxin.
Andererseits sind bisher alle Versuche, gegen einfache krystalloVde Gifte
wahrhafte Antitoxine zu erzeugen, fehlgeschlagen. Auch die letzte dies-
bezügliche Behauptung von Hirschlaff ^), der ein Antimorphinserum hergestellt
haben wollte, ist von Morgenboth 2) als völlig unbewiesen und auf mangelnder
Genauigkeit in der Einstellung der Dosis letalis minima beruhend nach-
gewiesen worden.
Doch nicht nur chemisch und physiologisch haben wir jetzt das
Material in der Hand, um absolut scharf den Begriff des Toxins zu be-
grenzen, wir haben auch noch eine willkommene Ergänzung dieser
Definition in der theoretischen Fundierung. Ein Toxin ist ein
Gift, das nach der EHRLiCHschen Seitenkettentheorie minde-
stens zwei spezifische Atomgruppen besitzt, eine hapto-
phore, die die Verknüpfung mit der anzugreifenden Zelle
besorgt und eine toxophore, die die deletäre, die Giftwirkung
vollzieht. Jeder Stoff, der zu bestimmten Protoplasmakomplexen eine
spezifische Affinität, eine passende haptophore Gruppe besitzt, ist ein
Haptin, und jedes giftige Haptin, das also noch eine toxophore
Gruppe besitzt, ist ein Toxin.
Wir müssen also in dieser Weise die Definition des Toxins fassen,
und jeden giftigen Stoff, der kein Haptin ist, kein Antitoxin erzeugt,
streng von den Toxinen sondern.
Bei den tierischen und pflanzlichen Toxinen ist das viel leichter ge-
schehen ; niemandem wird es einfallen, die Alkaloide u. s. w. der Pflanzen
1) Hirschlaff, Antimorphinserum. Berl. klin. Woch., 1902.
2 Morgen ROTH, Zur Frage d. Antimorphinserums. Berl. klin. Woch., 1903, 21.
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und die wenigen ans tierischen Sekreten und Organen zu erhaltenden
giftigen kristalloüden Stoffe, wie z. B. die Alkaloide der Krötenhaut,
das Adrenalin u. s. w. den Toxinen im engeren Sinne beizuordnen.
Sehr viel wichtiger aber ist es, mit Hilfe dieser scharfen Definition
auf dem Gebiet der Bakteriengifte Ordnung zu schaffen.
Wir müssen zunächst alle aus Bakterien etwa zu erhaltenden, nicht
spezifischen Stoffe, wie oben auseinandergesetzt, davon trennen.
Was aber die Sachlage noch mehr kompliziert, ist der Umstand, dass
es wahrscheinlich spezifische Bakteriengifte giebt, die nur von be-
stimmten Bakteriengruppen erzeugt, spezifische Wirkungen auslösen, die
aber, weil sie keine Haptine sind und keine Antikörper bilden, keine
Toxine sind. Derartige Gifte scheinen z. B. bei der Tuberkulose eine
Rolle zu spielen. Wir werden diese Gifte im speziellen Teil kurz er-
wähnen. Außer ihnen giebt es dann noch eine ganze Reihe von sehr
ungenügend bekannten Bakteriengiften, deren Spezifizität sowohl wie ihre
toxinähnliche Natur noch starken Zweifeln begegnet.
Am schwierigsten ist die Frage der Gifte, die von einigen Bakterien,
besonders der Cholera und des Typhus erzeugt werden. Ihre Toxine
sind in freiem Zustande kaum bekannt, die von ihnen sezernierten
Gifte scheinen auch nicht die eigentlichen Toxine zu sein; dagegen finden
wir bei ihnen einen anderen Typus, nämlich fest an die lebende Zelle
gebundene Endotoxine, vergleichbar den Endoenzymen der Hefe und
der tierischen Organe, die einer näheren Untersuchung große Schwierig-
keiten bereiten. Wir werden darauf unten näher zurückkommen.
Allgemeines über Toxine.
Die echten Toxine, wie wir sie oben definiert haben, sind, um es
nochmals zu rekapitulieren, charakterisiert durch eine Summe physi-
kalischer und chemischer Merkmale, die wir des näheren zu besprechen
haben werden, sowie durch die fundamentale Eigenschaft, in geeigneten
Organismen eine Abstoßung freier haptophorer Seitenketten zu veran-
lassen, Antitoxine zu erzeugen.
Wenn auch jedes einzelne Toxin für sich eigene Kennzeichen besitzt,
denen wir erst im speziellen Teil gerecht werden können, so zeigen
doch alle echten Toxine eine Reihe gemeinsamer Eigenschaften, die es
rechtfertigen, zusammenfassend besprochen zu werden.
Diese Eigenschaften teilen die Bakterientoxine mit den übrigen uns
bekannten Toxinen, den Schlangengiften, dem Gift des Aal- und
Muränenblutes, dem Spinnen- und Krötengift, dem Ricin,
Abrin, Krotin u. s. w.
Gemeinschaftlich ist den Bakterientoxinen zunächst die Art ihrer
Entstehung. Man hat sie aufzufassen nicht etwa als Produkte der
durch die bakterielle Invasion veränderten Kulturmedien, sondern, wie
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— 6 —
auch Büchner^) hervorhebt, als wirkliche echte Produkte des Zell-
protoplasmas, als Sekretionsprodukte der Bakterienzelle; gerade so wie
die Pankreasdrtisenzelle ihrTrypsin, die Kleberzelle des Weizenendo-
sperms dieDiastase produziert und sezemiert, so sezemieren die Bak-
terienzellen ihre spezifischen Toxine. Dass diese bei gewissen Mikroben
unter Umständen recht fest an dem Protoplasma haften wie bei Cho-
lera u. s. w., ist auch durchaus nicht ohne Analogie bei den Fer-
menten, wo sich bei den Hefenenzymen ganz dieselben Verhältnisse
finden.
Auf den ihnen zusagenden Nährböden bilden diejenigen pathogenen
Mikroben, die Toxinerzeuger sind, ihre charakteristischen Gifte gewöhnlich
schon nach sehr kurzer Zeit. Spronck^) erhielt schon nach 48 Stunden
sehr wirksames Diphtherietoxin.
Doch nimmt die Toxizität mit dem Alter der Kultur zu. Roux &
Yersin^) fanden, dass dieselbe Diphtheriekultur filtriert nach 7 Tagen
ein Kaninchen in 6 Tagen tötete, die in einem Alter von 42 Tagen in
gleicher Dosis weit früher letal wirkte. Sproncks Diphtherietoxin hatte
nach 5 — 6 Tagen die zehnfache Giftigkeit des 48stUndigen. Doch erreicht
nach einer gewissen Zeit die Giftigkeit ihr Maximum. Dann beginnt
sie, durch Zerfall des gebildeten Toxins, wieder abzunehmen (s. u.
»Toxoide«), so dass alte Kulturen wieder weniger giftig sind. Nach
einer ziemlich langen Zeit bleibt dann meist der Giftwert konstant.
Die Art des Nährbodens ist naturgemäß von großem Einfluss auf
die Entstehung des Giftes.
Im allgemeinen werden Bouillonkulturen verwendet, meist unter
Zusatz von etwas Pepton, auch Kulturen auf Fleischextrakten, auf Hefe-
extrakten u. s. w. werden vielfach benutzt.
Agar und andere Nährböden sind kaum mit Nutzen anwendbar.
Interessant sind die Versuche, auf eiweißfreien Nährböden Toxine
zu erzielen, so auf Asparaginlösung mit geeigneten Salzen (Armand &
Charrin^), auf dialysiertem Harn); doch sind zufriedenstellende Resultate
bisher damit nicht erzielt (Güinochet^), Uschinsky«). Zinno^) erklärt die
scheinbar erfolgreichen Versuche, auf solchen eiweißfreien Nährböden
1) Büchner, Die Bedeutung der aktiven löBlichen Zellprodukte etc. Münch.
med. Wooh., 1897, 12.
2) Spronck, Pr6par. de la tox. dipht. Ann. Pasteur, XII, 701, 1898.
3) Eoux & Yersin, Contribution ä l'ötude de la diphthörie. Ibid., III, 273,
1889; IV, 38Ö, 1890.
*) Armand & Charrin, Transfonnation de la mattere organique axot6 etc.
Bnll. m6d., 1891, 356; 1892, 957; ref. Centralbl. f. Bakt. XI, 248 (1892); a. a.
Buchner, Bakteriengifte nnd Gegengifte, Müncb. med. Woch., 1893, 449.
5) GuiNOCHET, Contrib. a T^tude de la toxine du bacille de la diphth^rie. Arcb.
d. m6d. exp6rim., 1892, 487.
ö) ÜSCHINSKY, Les poisons de la dipbth6rie et du chol6ra. Ibd., 1893, 293.
7) ZiNNO, Beitr. z. Stud. d. Entstehung der Toxine. C. f. Bakt, 31, 42 (1902).
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Toxine zu erzielen, damit, dass schon sehr geringe Mengen Eiweiß aus-
reichen, um nachweisbare Giftmengen zu produzieren. Thatsächlich
sind die so erhaltenen Toxinmengen äußerst gering. Er selbst folgert
aus seinen Versuchen, dass geringe Mengen Eiweiß unumgänglich
notwendig sind.
Im allgemeinen ist gerade dieser Faktor je nach der Art des Toxins
so verschieden, dass wir hier auf den speziellen Teil verweisen müssen,
wo die verschiedenen Kulturmedien, die man zur Gewinnung möglichst
großer Toxinmengen benutzt hat, ausführlich gewürdigt werden sollen.
Hier wollen wir nur kurz darauf hindeuten, dass eine zu große
Acidität wie eine zu große Alkalinität des Mediums durchaus vermieden
werden muss, und dass ganz im allgemeinen dieselben Bedingungen in
Bezug auf Temperatur u. s. w. festgehalten werden müssen, die bei der
Züchtung möglichst lebenskräftiger und virulenter Bakterien üblich sind.
Ein Punkt ist aber hier noch von besonderem Interesse. Es geht
nämlich durchaus nicht die Erzielung eines sehr lebhaften Wachstums
und die einer sehr hochgradigen Virulenz der Bakterien stets parallel
mit der Gewinnung sehr energisch toxischer Kulturen.
Einerseits scheint nämlich an sich die Giftproduktion der Bakterien
nicht eine direkte Funktion einer lebhaften Vermehrung oder eines hohen
Virulenzgrades zusein. Giebt es doch bei der Diphtherie sogar sehr
energisch wachsende Stämme, die völlig atoxisch und avirulent sind
(LüBOWSKI 1).
Auch bei den pflanzlichen und tierischen Toxinen hängt die Gift-
produktion von den mannigfachsten physiologischen Bedingungen, dem
Alter, der Ernährung u. s. w. ab, worauf wir im speziellen Teil des
näheren eingehen werden.
Andererseits aber giebt es zweifellos Mittel, die zwar das Wachstum
und event. auch die Virulenz der Bakterien steigern, die Ausbeute an
Toxin aber herabsetzen. Dies geschieht dadurch, dass sie das bereits
gebildete Toxin teilweise wieder zerstören. Selbst wenn also derartige
Mittel zugleich mit der Wachstumsenergie der Bakterien auch ihre
Toxinproduktion steigern, so wird doch durch ihre zu energische
Anwendung mehr Toxin zerstört als mehr neugebildet wird und das End-
resultat ist eine Verminderung der Toxinmenge. Bei derartigen Hilfs-
mitteln, wie es z. B. die Luftzufuhr bei Diphtheriekulturen ist, kann
man also eine Kurve der Toxinmenge konstruieren, deren Abszisse die
steigende Anwendung des Mittels, deren Ordinate die schließlich resul-
tierende Toxinmenge darstellt. So lange z. B. die Luftzufuhr die Di-
phtheriebazillen reichlicher Toxin produzieren lässt, die entgegenlaufende
Zerstörung des fertigen Toxins durch den Luftstrom sich in geringeren
*; LüBOWSKI, üeber einen atoxischen und avirulenten DiphtherieBtamm. Z. f.
Hyg., 35, 87 (1900).
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— 8 —
Grenzen hält, wird die Kurve steigen; allmählich aber tiberwiegt der
zerstörende Einfluss der Luft den günstigen anf die Produktion: die
Kurve sinkt wieder. Dazwischen liegt also ein Maximum der resultieren-
den Toxinmenge bei einer bestimmten Intensität der Luftzufuhr, dessen
Lage natürlich von mannigfachen Bedingungen abhängig ist, wie die
Art der Kultur, Nährboden, Temperatur u. s. w. In praxi wird sich
dieses Optimum nur schwer realisieren lassen: die Folge sind vrider-
sprechende Angaben über Förderung resp. Schädigung durch dieselben
Agentien, wie wir später sehen werden.
Aehnlich wie Luftzufuhr mögen auch andere Faktoren wirken; nament-
lich Erhöhung der Temperatur könnte einerseits die Toxinproduktion,
anderseits aber auch den Toxinzerfall in ganz ähnlicher Weise beein-
flussen. Andererseits scheint es thatsächlich eine Eeihe von Mitteln zu
geben, die die schließliche Ausbeute an Toxin beträchtlich steigern; in
diesen Versuchen, durch geeignete Wahl der Nährböden, der Tempera-
tur, durch besondere Zusätze u. s. w. die Toxinmenge zu erhöhen, ist
eine beträchtliche Arbeit aufgehäuft; man kann jetzt für die wichtigsten
Toxine höchst giftige Kulturen erzielen; doch sind diese Methoden ganz
spezieller Natur. Eine prinzipiell für alle Toxine wichtige Methode
ist wohl kaum vorhanden, die an dieser Stelle Erwähnung verlangte.
Dagegen soll schon an dieser Stelle kurz darauf hingewiesen werden,
dass die Toxinlösungen durchaus nicht immer einen einheitlichen
Wert besitzen. Besonders zeigt sich dieser Umstand beim Tetanus-
gift. Ganz abgesehen davon, dass der NicoLAiERSche Bacillus zwei ganz
verschiedene Gifte, nämlich neben dem eigentlichen Krampfgift noch
das Tetanolysin (s. d.) produziert, so zeigen außerdem einzelne Gift-
lösungen in Bezug auf ihre spezifische Wirksamkeit sehr große Diffe-
renzen. Während das Tetanusgift im allgemeinen ftlr Meerschweinchen
beträchtlich toxischer ist als für Kaninchen, giebt es auch einzelne Gift-
proben, die für Kaninchen ungefähr ebenso giftig (Tizzoni) sind als
für Meerschweinchen.
Behring hat für das TizzoNische Gift diese Thatsache bestätigt und
auch in eigenen Kulturen Anteile gefunden, die ftlr Kaninchen relativ
sehr giftig waren. Man muss also annehmen, dass das Tetanospasmin
auch keine einheitliche Substanz darstellt, sondern aus verschieden
wirksamen Anteilen besteht. Auch bei Diphtheriegiftien kommen ähnliche
Verhältnisse vor. Es giebt überneutralisierte Gifte, die ftlr Meerschweinchen
absolut indifferent, ftlr Kaninchen noch giftig sind.*)
Sind also nun in den Kulturen der lebenden Mikroben reichliche
Toxinmengen vorhanden, so muss es sich darum handeln, die Wirkung
der lebenden Zellen auszuschalten, um die Gifte an sich studieren zu
*) Näheres s. b. Ehrlich, Münch. med. Woch., 1903, 33.
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— 9 —
können. Dazu kann man nun entweder die Bakterien töten, oder man
muBS versuchen, die Leiber von den Giften ganz zu trennen.
Die erstere Methode, die also die toten Zellen nicht entfernt, kann
uns nicht über die Wirkung des Giftes an sich Aufschluss geben, da
auch die toten Leiber noch bestimmte chemische und physiologische Wir-
kungen haben, die das Bild trüben müssen. Glücklicherweise ist ftlr
die echten Toxine diese früher angewandte Methode zu entbehren, und
thatsächlich völlig außer Gebrauch gekommen.
Es gelingt nämlich, die echten Toxine von ihren Mutterzellen mittelst
Filtration durch bakteriendichte Filter zu trennen. Hauptsäch-
lich benutzt man dazu Porzellanfilter oder CHAMBERLANDSche Kerzen,
auch Infusorienerde und Ealk.
Es geht dabei bei Filtration größerer Mengen das Toxin restlos in
das Filtrat über; die zurückbleibenden Zellen haben nur noch so viel
Giftiwert, als der Menge des ihnen mechanisch anhaftenden Toxins ent-
spricht, von dem sie durch Waschen mit physiologischer Kochsalzlösung
befreit werden können. In ihren Leibern enthalten sie dagegen kein
echtes Toxin mehr, das ihnen etwa durch Zerstörung ihrer Körperlichkeit
(Aufquellen in Alkalien) entzogen werden könnte, wie das z. B. H.Kossel^)
bei Diphtheriebazillen zeigen konnte. Wohl aber können diese toten
Leiber noch Gifte ganz anderer Art, Bakterienprote'ine enthalten, die
indessen mit der spezifischen Gift Wirkung nichts zu thun haben
(s. unten).
Die Phytotoxine finden sich in den verschiedensten Organen, be-
sonders den Samen, aus denen sie durch Extraktion mit verdünnten
Salzlösungen gewonnen werden können.
Die Zootoxine finden sich in den Sekreten und im Blute der
Tiere vor.
Es folgt aus alledem, dass die typischen Toxine freie Sekrete
sind; Stoffe, die physiologisch von den Zellen in die umgebenden Medien
hinein abgeschieden werden. Sie folgen denselben Normen wie die
echten Enzyme; in derselben Art, wie die Pankreasdrüsen das Tryp-
sin, die drüsigen Zellgebilde der Kleberschicht die Diastase absondern,
so sondert die Zelle des Diphtherieerregers das Diphtherietoxin ab.
Freilich gilt das mit Sicherheit nur ftlr die typischen Toxine, be-
sonders der Diphtherie und des Tetanus. Bei anderen liegen die Ver-
hältnisse sehr viel unklarer.
Wie wir später sehen werden, ist es z. B. bei Cholera und Typhus
überhaupt noch fraglich, ob sie echte Toxine im Sinne unserer Definition
bilden. Wenn dies aber der Fall ist, so werden sie sicherlich nicht in
beträchtlicher Menge frei sezerniert, sondern haften zum mindesten der
lebenden Zelle fest an. Nur beim Zerfall der Zelle nach dem Absterben
1) H. KossEL, Zur Kenntnis des Diphtheriegiftes. C. f. Bakt, XIX, 977 (1898).
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werden sie in beschränkter Menge frei, ebenso in alternden Enltnren;
dabei werden aber die Giftstoffe schon stark verändert, in sekundäre,
beständigere Produkte übergeführt, die nicht mehr die Charaktere eines
echten Haptines zeigen. Wir werden darauf später zurückkommen.
Ein derartiges Festhaften von aktiven Stoffen in der lebenden Zelle
ist ganz analog wie bei gewissen Fermenten *). Wir wissen, dass die
Hefezelle außer der von ihr in geringer Menge frei sezernierten Dia-
stase noch eine Reihe von anderen Enzymen, Invertase, Maltase u. s. w.,
enthält, die nur nach Abtötung oder Lähmui^g des Zellprotoplasmas oder
nach Zermalmung ihrer Wand, wie die Zymase, austreten können,
und wir wissen femer, dass die Monilia Candida ihre Invertase überhaupt
nicht in die umgebenden Medien abgiebt.
Hat man nun durch Filtration der Kulturen oder analoge oberfläch-
liche Manipulationen, Extraktion der Samen u. s. w. Toxinlösungen er-
halten, so kann man entweder die Lösung, die mit zahlreichen an-
deren Substanzen verunreinigt ist, direkt zu physiologischen Versuchen
verwenden. Einige ganz rohe Versuche in Bezug auf das Verhalten des
Toxins gegen physikalische und chemische Faktoren gestattet außerdem
auch dieses Gemisch schon.
Zur bequemeren Aufbewahrung kann man femer diese Lösung unter
Anwendung verschiedener Vorsichtsmaßregeln konzentrieren, ja sogar
zur Trockne bringen, ohne das Toxin wesentlich zu schädigen. Die
Hauptsache dabei ist Vermeidung von Temperaturen über 45^, weshalb
man am besten im Vacuum arbeitet, femer die Abschwächung etwaiger
Säuren oder starker Basen.
Zur genauem Untersuchung der Toxine bedarf es hingegen umständ-
licher Reinigungsprozesse, um sie möglichst von allen Beimengungen
zu befreien. Das einfachste Verfahren ist die Dialyse, die indessen
das Toxin nur von den der Lösung beigemengten Salzen und Peptonen
befreit, die Eiweißstoffe dagegen nicht absondert. So musste man denn
kompliziertere Methoden ersinnen, um eine möglichst weitgehende Iso-
lierung der Toxine zu erzielen. Angewendet werden vor allem die Aus-
fällung mittelst Ammonium- oder Magnesiumsulfat mit nachfolgender
Dialyse und ferner die Ausfällung mittelst Schwermetallsalzen und nach-
folgender Zerlegung der entstandenen Doppelverbindungen. Führt die
erstere Methode nur zu festen, konzentrierteren, aber auch im ent-
femtesten noch nicht reinen Toxinpräparaten, die praktischen Zwecken
nutzbar gemacht werden können, so ist die zweite Methode die einzige,
die zu einigermaßen reinen Toxinpräparaten fUhrt. Ihre Details, die
besonders von Brieger und seinen Schülem ausgearbeitet sind, werden
uns im speziellen Teil näher beschäftigen. Es sind außerordentlich müh-
selige und große Sorgfalt erheischende Methoden, die im wesentlichen
1) Oppenheimer, Die Fermente und ihre Wirkungen. IL Aufl., Leipzig, 1903.
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auf der Fällung mit Zink-, Blei- oder Quecksilbersalzen beruhen. Es
fallen dann Doppelverbindungen der Toxine mit diesen Salzen aus, die
nun, sei es durch Schwefelwasserstoff, sei es mit Hilfe von kohlen-
sauren oder phosphorsauren Alkalisalzen, wieder zerlegt werden. Durch
Filtration oder Dialyse erhält man dann Lösungen, aus denen durch
Eindampfen im Vacuum Präparate gewonnen werden, die im günstig-
sten Falle an Toxin sehr reich sind. Immer jedoch enthalten sie noch
beträchtliche Mengen von Beimengungen, sei es anorganischer (Asche)
oder organischer Natur (EiweißstofFe). Ein reines Toxin ist bis heute
gerade so wenig bekannt, wie ein reines Enzym, und es ist auch für
die nächste Zukunft; kaum zu erwarten, dass seine Gewinnung glücken
wird. Selbst von ihren noch nicht reinen, wenn gleich relativ sehr
wenig Beimengungen enthaltenden Präparaten erhielten Brieger und
BoER so winzige Mengen, dass an eine weitere Reinigung gar nicht
gedacht werden konnte. Auch die Versuche, auf eiweißfreien Nähr-
böden zu reinen Toxinen zu gelangen (Uschinsky, 1. c), haben sehr
wenig befriedigende Resultate ergeben.
So ist denn über die chemische Natur der Toxine so gut wie
nichts bekannt. Gerade wie die Enzyme, mit denen sie ja in engen
Beziehungen stehen, hielt man sie zunächst für Eiweißkörper und
nannte sie Toxalbumine. Je intensiver man sich indessen bemühte
sie zu reinigen, desto mehr kam man zu der Ansicht, dass die Eiweiß-
substanzen nur allerdings sehr schwer zu entfernende Beimengungen
sind, dass aber die reinen Toxine höchstwahrscheinlich nicht Eiweiß-
körper im gewöhnlichen Sinne sind. Und Brieger selbst, der den
BegriflF der Toxalbumine geschaffen hatte, gelang es, Toxinpräparate
herzustellen, die die gewöhnlichen Eiweißreaktionen nicht mehr zeigten
(s. b. Tetanusgift); ebensowenig gaben die auf eiweißfreien Nährböden
erzeugten Toxine diese Reaktionen.
Auch bei anderen Toxinen hat man erfolgreiche Versuche angestellt,
um wenigstens die mitgeführten Eiweißstoflfe sehr stark zu vermindern.
Jacoby ^) gelang es, durch Trypsinverdauung ein so gut wie eiweiß-
freies Ricinpräparat herzustellen. Das aktive Prinzip selbst ist gegen
dies Verdauungsferment beständig, während dies die mitgeführten Eiweiß-
stoffe spaltet. Da nun diese Spaltprodukte, sowie das Trypsin selbst
bei einer Sättigung mit 50proz. Ammonsulfat nicht ausfallen, das Ricin
aber bei dieser Konzentration schon ausgesalzen wird, so kann man
auf diese Weise aus dem Verdauungsgemisch ein Ricinpräparat gewinnen,
das keine Eiweißreaktionen mehr giebt.
Das ist die einzige — negative — Kenntnis, die man von der Kon-
stitution der Toxine hat; sonst muss man sich damit begnügen anzu-
1) Jacoby, Die chemische Natur des Ricins. Arch. exp. Path., 46, 28 (1901;.
üeber Klein immnnitEt Hofm. Beitr., I, 51 (1901).
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nehmen, dass es hochmolekulare Körper sind, den EiweißstoflFen wahr-
scheinlich verwandt, mit ihnen in gewissen Eigenschaften korrespon-
dierend, besonders nahestehend aber den ebenfalls in ihrer Konstitution
noch völlig rätselhaften Fermenten, mit deren Eigenschaften sie in ihren
Reaktionen und ihrer Wirksamkeit die weitgehendsten Analogieen zeigen.
Diese Analogieen treten besonders dann ins hellste Licht, wenn man
die Beeinflussung der bakteriellen Toxine durch äußere Faktoren mit
dem Verhalten der Fermente in gleicher Hinsicht vergleicht. Es ist
fast bis in alle Einzelheiten dasselbe Bild.
Besonders charakteristisch für die Toxine ist ihre ungemeine Empfind-
lichkeit, zumal gegen Erwärmen. In ihrer natürlichen Lösung gehen
sie bei Temperaturen von über 50° bald zu Grunde; 80° vernichtet
ihre Wirksamkeit sofort, doch schon bei 45° werden sie langsam zer-
stört. Dabei sind die Unterschiede zwischen den einzelnen Toxinen
gering. Trockene Hitze ertragen sie dagegen gut. Feste Präparate
können bis über 100° erhitzt werden, ohne Schaden zu erleiden; 150°
dagegen scheint auch sie zu vernichten.
Interessant ist, dass sie auch in wasserfreien Flüssigkeiten, z. B.
Amylalkohol bis weit über 80° erhitzt werden können, und dass auch
manche Salze, wie z. B. Natriumsulfat, ihre Resistenz gegen Erwärmen
erhöhen (Büchner *).
Tiefe Temperaturen lähmen zwar ihre Wirksamkeit, schädigen sie
selbst aber nicht.
Sie sind in geringem Maße durch Pergament diffusibel, nicht aber
durch Kollodium (Bodet & Güechofp^) und durch tierische Mem-
branen, wie Oesophagus, Blase, Dickdarm, wohl aber durch Dünndarm
(Chassin & Moussü^).
Alles dies ist genau wie bei den Fermenten.
Noch empfindlicher als die Fermente sind die Toxine gegen Licht.
In wässeriger Lösung wird sowohl Diphtherie- wie Tetanusgift vom
Sonnenlicht wie auch vom diflFusen Tageslicht sehr bald zerstört. (Tetanus-
gift nach KiTASATO^) in 18 Stunden). Trocken oder in Suspension in
wasserfreien Flüssigkeiten sind sie unempfindlich gegen Licht.
Auch der elektrische Strom kann den Toxinen schädlich sein,
doch sind es nur Gleichströme, während hochgespannte Wechselströme
dem Tetanusgift gar nichts schaden (Marmier^).
Selbst das bloße Stehenlassen in Lösung, unter allen Eautelen, im
Dunkeln, führt zur langsamen Abschwächung der Gifte, die, wenigstens
bei der Diphtherie und einigen anderen Giften, in Toxo'ide zerfallen (s. u.).
1) Buchner, Bakteriengifte und Gegengifte. Münch. med. Woch., 1893, 449.
2) EoDET & GuECHOFF, Soc. Biol., 52, 965 (1900).
3) Chassin & Moussu, Influence de la dialyse etc. Soc. Biol., 52, 694 (1900).
*) KiTASATO, Exper. ünt. üb. d.Tet. Gift Zeitschr. f. Hyg., X, 287 (1891).
5) Marmier, Les toxines et l'^lectricitö. Ann. Fast, X, 469 (1896).
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— 13 —
Bei anderen Giften ist die Existenz von Toxoiden nicht sicher nach-
gewiesen.
Gegen fast alle chemischen Agentien sind die Toxine sehr em-
pfindlich.
Sauerstoff, auch so verdünnt wie in der Luft, wirkt eminent schäd-
lich. An der Luft, besonders bei gleichzeitiger Belichtung, verlieren die
Toxine schnell ihre Giftigkeit, besonders das Tetanospasmin, das
schon beim Filtrieren sehr geschwächt wird.
Im allgemeinen sind alle Oxydationsmittel sehr schädlich, auch
Wasserstoffsuperoxyd. Sieber^) fand, dass Calciumsuperoxyd Di-
phtherie- und Tetanusgift vollkommen entgiftet (1000 letale Dosen in
wenigen Stunden), ebenso Abrin (5000 let. D. durch 0^5 g Ca02). Er
fand ferner die Oxydasen der tierischen Gewebe auf bakterielle
Toxine wirksam, auf Abrin aber nicht. Auch bei gleichzeitiger Injek-
tion von Oxydase und Toxin blieb das Versuchstier gesund. Auch eine
pflanzliche Oxydase (aus der Schwarzwurzel) erwies sich als wirksam,
die Peroxydasen, die nur bei Gegenwart von Hydroperoxyd Guajak
bläuen, dagegen nicht. Interessant ist seine Angabe, dass Fibrin aus
dem Blute hochimmuner Pferde eine das Diphtheriegift zerstörende
Oxydase enthalten soll, gewöhnliches Fibrin nicht. Ob das nicht
eher noch anhaftendes Antitoxin gewesen ist, lässt sich dabei aber
nicht ausschließen.
Ueber die Wirkung anderer chemischer Stoffe ist einiges wenige
bekannt. Starke Basen und Säuren wirken natürlich vernichtend, schwache
Basen schädlich, sehr schwache Säuren, besonders die organischen, wahr-
scheinlich fördernd. Ueber den Einfluss von Neutralsalzen und zahl-
reichen anderen Stoffen speziell auf Tetanusgift haben Fermi &
Pebnossi^) Untersuchungen angestellt. Sie wirken bald im guten, bald
im schlechten Sinne auf die Toxizität.
Indifferente Gase, wie CO2, H, CO, sind ohne Einfluss. Nur vom
H2S beobachtete Brieger^) eine schädigende Einwirkung auf Tetanus-
toxin, wenn er es 4 Tage damit im verschlossenen Rohr digerierte.
Protoplasmagifte, wie Karbol, Chloroform u. s. w. sind ohne wesent-
lich schädigende Bedeutung. Alkohol ist sehr schädlich. Nach Sal-
KOWSKi*) ist besonders Salicylaldehyd ein energisch schädigendes Mittel,
femer aber auch Chloroform und Formalin.
Jod und Schwefelkohlenstoff haben wahrscheinlich eine ganz be-
1) SiEBBR, Ueber die Entgiftung der Toxine durch die Superoxyde. Z. phyBiol.
Gh., 32, 673 (1901).
2) Fermi & Pernossi, üeber das^Tetanusgift. Zeitschr. f. Hyg., XVI, 385 (1894,.
3) Bribger, Weitere Erfahrungen über Bakteriengifte. Ebd., XIX, 111 (1895).
4} Salkowski, Ueber die Wirkung der Antiseptica auf Toxine. Berl. klin.
Woch., 1898, Ö45 (Nr. 25).
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— 14 —
sondere Wirkung, insofern sie nur die toxophore Gruppe anzugreifen
und zur Toxoidbildung zu fuhren scheinen (Ehrlich i) ; ähnlich scheint
Thymusextrakt zu wirken (Brieger, Kitasato & Wassermann 2).
Schicksale der Toxine im Organismus.
Nach Einführung von Toxinen in die Blutbahn empfänglicher Tiere
verschwinden sie ziemlich schnell. Nach kurzer Zeit ist das Blut einer-
seits völlig toxinfrei, wie die Versuche von Bomstein, Croly, Brunner
am Diphtheriegift (s. d.) darthun, und andererseits ist das Gift bereits
irgendwo fest gebunden, im Latenzstadium seiner Wirkung, wie die
Arbeiten von Dönitz^) u. a. beweisen. Dönitz konnte vergiftete Tiere
schon nach wenigen Minuten durch Antitoxininjektionen nicht mehr
retten, da das Gift dem Gegengift nicht mehr frei gegenübertrat. Nur
durch sehr große Dosen lässt sich noch binnen einer gewissen Zeit die
Bindung Toxin-Körperzelle zerreißen, die also latent bereits vorhandene
Intoxikation heilen; doch hat auch dies eine zeitliche Grenze; beson-
ders beim Tetanus können nach Ablauf einer bestimmten Frist selbst
ungeheuere Dosen Antitoxin nicht mehr retten. Hierin liegt eine der
Ursachen für die mangelhaften therapeutischen Erfolge in der Heil-
serumtherapie des Tetanus. Nach den neueren Ansichten über den
Tetanus kann das Antitoxin dem Toxin nicht in die Nervenbahnen
hinein folgen. (Näh. s. b. Tetanus.)
Das Toxin als solches entzieht sich im Körper den Nachforschungen,
wenn man geringe Dosen einführt. Injiziert man empfänglichen Tieren
eine einfach letale Dosis oder ein geringes Multiplum dieser Menge, so
verschwindet das Gift rasch aus dem Blute und lässt sich auch in den
Organen mittelst des Tierversuches nicht mehr nachweisen*). Das Gift
ist dann also an die spezifisch empfänglichen Organe fest gebunden.
Auch durch den Harn wird es nicht ausgeschieden (Goldberg ^).
Bei sehr großen Dosen dauert das Verschwinden einige Zeit, es kann
dann auch im Harn auftreten^). Es ist dies auch ganz erklärlich; auf
so plötzliche Ueberschwemmung mit gewaltigen Giftmengen sind die
Rezeptoren nicht eingerichtet, so dass dann auch ein kleiner Teil des
1) Ehrlich, Die Wertbemeßsnng des Diphteriebeilßernms. Klin. Jahrbuch, Vf.
2) Brieger, Kitasato & Wassermann, Immunität u. Giftfeatigung. Z. f. Hyg.,
XII, 137 (1892).
3) DÖNITZ, üeber das Tetanusantitoxin. Deutsche med. Wochenschr., 1897, 428.
^) Die Angabe von Salter, The elimination of bacterial toxins, Lancet, 1898,
I, 152, dass Toxine in den Schweiß tibergehen sollen, ist wohl nicht genügend
gestützt
^) Goldberg, Ueber Ausscheidung des Tetannsgiftes durch die Nieren Sekretion.
Centralbl. f. Bakt, 26, 647 (1899), vergl. aber Cobbett, Excretion of Dipht. Tox.
in the urine, Brit. med. journ., 1900, I, 21, der es im Harn aufgefunden hat.
^) S. bes. Brunner, Z. Kenntnis d. Tetanusgiftes. Zeitschr. f. klin. Med., 31,
367 (1897) (Litteratur).
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— 15 —
Toxins die Nierenbarriere durchbricht und im Harn erscheint. Die That-
sache des Verschwindens des Toxins gab einen der Gründe für die
Aufstellung der sog. »Fermenttheorie« des Tetanus ab: Das echte
Toxin soll erst sekundär im Organismus ein anderes Gift abspalten, auf
das die Antikörper nicht mehr reagieren (darum soll der Tetanus nach
der Vergiftung nicht heilbar sein [s. o.]), und das ohne Inkubationszeit
schnell, alkaloidähnlich, wie Strychnin wirken soll. Coürmont^) u.a.
wollen bisweilen ein solches Gift in den Organen von Tetanusleichen
gefunden haben. Wir werden an geeigneter Stelle diese Theorie ein-
gehend prüfen und zu zeigen versuchen, dass sie zum mindesten
überflüssig ist; das Verschwinden der Toxine einerseits und die Nicht-
heilbarkeit andererseits folgen ohne Hilfshypothesen aus der Seiten-
kettentheorie ganz ohne Zwang.
Dies gilt aber alles nur für die giftempfindlichen Tiere. Wesentlich
anders gestaltet sich das Schicksal der Toxine, wenn sie in die Blut-
bahn refraktärer, von Natur immuner Tiere gelangen.
Die natürliche Immunität ist eine durchaus noch nicht in allen Einzel-
heiten aufgeklärte Frage. Sie ist aber sicherlich ein außerordentlich
komplexes Phänomen, gründlich verschieden besonders sind ihre Er-
scheinungsformen und ihre Ursachen in Bezug auf die natürliche Im-
munität gegen Gifte einerseits und gegen lebende Bakterien andererseits.
Bei den Toxinen kommt nur die natürliche antitoxische Immunität
in Frage.
Diese kann a priori zwei Ursachen haben. Entweder finden sich
im Körper des natürlich immunen Tieres Gegengifte, die das einge-
drungene Gift paralysieren, oder die Zellen des Tieres sind gegen das
Gift immun: es ist für sie ein völlig indifiFerenter StoflF.
Beides kommt vor; wir werden später sehen, dass normale Sera,
speziell Pferdeserum, Antitoxine enthalten, die gegen kleine Toxindosen
schützen; interessant ist vor allem, dass nach Wassermann ^j ca. 80
bis 8b ß^ aller Menschen nicht unbedeutende Mengen Antitoxin gegen
Diphtheriegift in ihrem Serum enthalten. Jedoch sind diese Thatsachen
nicht allein geeignet, die natürliche antitoxische Immunität zu erklären,
denn solche Antitoxine finden sich ausschließlich in den Seris empfäng-
licher Lebewesen. Dagegen enthalten gerade die normalen Sera
der refraktären Tiere keine Spur von Antitoxinen.
Diese Thatsache war schwer verständlich, bis es Ehrlich gelang,
sie durch seine Seitenkettentheorie nicht nur zu erklären, sondern sie
geradezu zu einer der festesten Stützen seiner Anschauung zu machen.
Wo keine passenden Rezeptoren (empfindliche Gruppen in den Körper-
*) S. dar. V. Leyden-Blümenthal, Der Tetanus. Nothnagels Handb., Wien 1901.
2} Wassermann , üeber die persönliche Disposition u. Prophylaxe gegen Di-
phtherie. Z. f Hyg., XIX, 408 (1895).
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— 16 —
Zellen) sind, kann kein Toxin angreifen; es besteht also Giftfestigkeit;
ebensowenig kann aber in solchen Fällen eine Abspaltung von Seiten-
ketten, eine Antitoxinbildung eintreten. Das Blut absolut refrak-
tärer Tiere darf also nach dieser Anschauung keine Antitoxine enthalten.
Interessant aber ist die Frage, wie sich in solchem Organismus
die in die Blutbahn eingefllhrten Toxine verhalten. Es war durchaus
möglich, dass diese leicht zersetzlichen, so außerordentlich empfindlichen
Substanzen in der Blutbahn schnell zerstört werden könnten, auch ohne
ihre schädlichen Wirkungen ausgeübt zu haben, oder dass sie sehr
schnell durch die Exkrete wieder aus dem Körper herausgeschafft werden
würden.
Beides ist nicht der Fall. Wir finden das sonderbare Schauspiel,
dass diese so äußerst aktiven Substanzen, die unter günstigen Bedingungen
Wirkungen von geradezu staunenerregender Energie entfalten, im Blute
der refraktären Tiere wie die harmlosesten, indifferentesten chemischen
Stoffe relativ lange Zeit unverändert bleiben, bis sie schließlich lang-
sam in den Stoffwechsel hineingezogen und allmählich restlos verbrannt
werden.
Es geht daraus hervor, dass bei diesen Tieren die Avidität zwi-
schen Gift und Körperzelle eine viel geringere sein muss, als bei
empfänglichen. Zwischen empfänglichen und refraktären Tieren herrscht
aber kein absoluter Unterschied, sondern nur ein gradueller; die Avi-
dität der Körperzellen (Rezeptoren) nimmt allmählich ab vom hoch-
empfänglichen bis zum äußerst wenig empfänglichen Tier. So kreist
bei der Taube das Tetanusgift in einer für Mäuse vielhundertfach töd-
lichen Dosis unverändert im Blute. Giebt man aber noch höhere Dosen,
so erkrankt die Taube. Es liegt hier also keine völlige Immunität vor,
sondern nur eine sehr geringe Avidität der Rezeptoren. Noch geringere
Avidität besitzen nach Metschnikoff ^) und Fermi & Pernossi (1. c.)
einige poikilotherme Tiere.
Metschnikoff fand, dass bei Fischen, Schildkröten, Alliga-
toren sowie Arthropoden sich das Toxin unverändert im Blut erhält,
ohne Antitoxin zu erzeugen; nur bei Alligatoren erhielt er nach langer
Einwirkung (58 Tage) etwas Antitoxin, ebenso bei alten Kaimans, bei
denen er durch Erwärmen der Tiere auf 30° diese Antitoxinbildung in
wenigen Tagen erzielen konnte.
Irgend welche Krankheitserscheinungen konnte er dabei nicht beob-
achten. Ganz ähnliche Verhältnisse fanden Fermi & Pernossi bei
Schlangen, Tritonen und Turteltauben.
Metschnikoff fand auch bei Skorpionen, bei denen weder Vergif-
tung noch Antitoxinbildung eintrat, das Tetanustoxin noch nach einem
Monat in der Leber wirksam wieder.
1) Metschnikoff, Influence de rorganigme sur las toxines. Ann. Fast, XI, 1897,
801; Xir, 1898, 81. — Der 8., Iramnnität, deutsch v. Meyer, Jena 1902, S. 264.
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— 17 —
Mit besonderem Eifer hat man das Huhn als Versuchstier für Tetanus-
gift benutzt, weil es zwar sehr widerstandsföhig, aber doch nicht völlig
refraktär gegen Tetanus ist. Metschnikoff giebt an, dass man bei
Hühnern das Toxin im Blut und den Ovarien wiederfinden kann, und
dass sich später geringe Antitoxinmengen zeigen; Asakawa^) fand, dass
Htihnerblut das eingeführte Toxin bis zum 7. Tage fast unvermindert
aufbewahrt, und dass es dann langsam verschwindet, ohne ausgeschieden
zu werden.
AsAKAWA fand im Htihnergehim und Rückenmark gar kein Toxin,
während er es sonst in allen Geweben fand; das liegt wohl vor allem
daran, dass in den anderen Geweben das darin enthaltene Blut Toxin-
gehalt vortäuschte, während im Zentralnervensystem nur wenig Blut vor-
handen ist; andererseits ist es aber auch sehr wahrscheinlich, dass ge-
ringe Toxinmengen doch dort durch Bindung an einzelne Rezeptoren
verschwinden; denn absolut refraktär ist eben das Huhn gegen Tetanus
nicht; und man kann auch geringe antitoxische Wirkung des Hühner-
gehirnbreies u. s. w. konstatieren. Dafür spricht auch, dass das Huhn
bei direkter intercerebraler Einführung von Tetanusgift an Tetanus
erkrankt.
Nach der Anschauung von Ehelich und Wassermann ist also die
mangelnde Avidität zwischen Toxin und Körperzelle (Receptor)
die Hauptursache der natürlichen antitoxischen Immunität.
Wo das Gift frei kreist und von den Rezeptoren gar nicht oder nur in
geringen Mengen gebunden wird, kann die toxophore Gruppe nicht ener-
gisch in Wirksamkeit treten; eine schwere Schädigung bleibt also aus.
Indessen ist auch die mangelnde Avidität nicht immer der Grund
der natürlichen Immunität. So fand Mokgenroth 2) beim Frosch, dass
das Tetanusgift schon in der Kälte fest gebunden ist, ohne dass das Tier
erkrankt; hier ist also die toxophore Gruppe im wirksam; ihre Wirkung
tritt aber sofort hervor, sobald man den Frosch auf ca. 30° erwärmt.
Diese Anschauungen über die Avidität des Giftes zur lebenden Zelle
und die spezifische Bindung werden gestützt durch experimentelle Be-
funde. Wassermann 3) fand, dass frische Zentralnervensystemsubstanz
empfänglicher Tiere beträchtliche Mengen Tetanusgift bindet. Ueber-
einstimmend damit fanden Metschnikoff und Asakawa, dass das Ge-
hirn u. s. w. wenig empfänglicher Tiere wenig bindet, um so weniger,
je weniger empfänglich das Tier ist. So bindet Hühnergehim schwach.
^) Asakawa, Die Basis der natürl. Immun, des Hahnes gegen Tetanas. Centralbl.
f. Bakt, 24, 166 (1898).
3) MoRGENROTH, ZoT Kenntnis des Tetanas des Frosches. Arch. intemat. d.
Pharmacodyn.,VII, 266 (1900). S.A.
^ Wassermann &TAKAEi, lieber tetanasantitoxische Eigenschaften des Central-
neryensystems. Berl. klin. Wochenschr., 1898, S. 5. — Wassermann, Weitere Mitteil,
über Seitenkettenimmanität, ebd., 1898, 209.
Oppenheimer, Toxine and Antitoxine. 2
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— 18 —
Sehildkrötengehim gar nicht. Eine weitere Unterstützung dieser An-
schauung liefern Versuche, die darthnn, dass bei denjenigen Tieren, bei
denen sich das Tetanusgift intra vitam auch an Rezeptoren bindet, die
nicht an Zellen des Zentralnervensystems haften, wie z. B. bei Ka-
ninchen, auch die Emulsionen anderer Organe, z. B. der Milz, Tetanus-
gift binden. (Wassermann.)
Es ist überhaupt nicht generell der Fall, dass sich Rezeptoren nur
in den Organen finden, in denen das Gift seine deletären Wirkungen
entfaltet. Es ist häufig, dass auch in anderen Organen Bindung und
Antitoxinbildung statthat, wo das Toxin wenig schädigend wirkt. Giffc-
wirkung und Antikörperbildung sind zwei verschiedene Prozesse, die
unter Umständen auch räumlich getrennt verlaufen können.
Schicksale der Toxine im Digestionstractus.
Besonderes Interesse bot die Frage, was aus den Toxinen wird,
wenn sie vom Magen oder Darmkanal aus eingeführt werden. Alle
Beobachter sind darin einig, dass alle Toxine, auch Schlangengift u. s. w.,
mit alleiniger Ausnahme des Ricins, vom Magen aus überhaupt un-
wirksam sind. Dass diese Toxine auch vom Mastdarm aus nicht wirken,
zeigte GibierI). Charkin & C assin 2) gaben an, dass vom Darm aus
Toxine resorbiert werden, wenn die Schleimhaut lädiert wird.
Nencki & ScHOüMOW-SiMANOWSKi^) fanden, dass selbst große Dosen
von keinem Teil des Verdauungstractus aus resorbiert werden, dass nur
bei ungeheueren, mehr als 100000 fach letalen Dosen schließlich Ver-
giftungserscheinungen auftreten.
Im großen und ganzen werden also Toxine vom normalen Intestinal-
tractus aus nicht resorbiert. Sie müssen also entweder unverändert
passieren und sich im Kote wiederfinden, oder sie werden restlos zer-
stört. Das erstere nahm für Tetanus Ransom^) an, doch haben alle
Nachuntersucher, besonders Nencki & Schoümow-Simanowski (1. c.)
und ÜARRifiRE«^) selbst bei sehr großen Gaben (100000 fach letale Dosis)
keine Spur im Kote wiederfinden können, ebensowenig fand Carriäre
irgend welche antitoxische Funktion des Serums nach Einführung des
i) GiBiER, Effets prodaits par 1. toxines etc. injeot^es dans le rectam. Sem.
m6d., 1896, 202. (Ref.)
2) Gharrik & Cassin, Fonctions protectrices actives de la maqueuse intesti-
nale. Ibid., 1895, 54Ö.
3) Nencki & Schoumow-Simanowski, Die Entgiftung der Toxine durch die
VerdaunngsBäfte. Centralbl. f. Bakt., 23, 840 (1898).
4) Ransom, Das Schicksal des Tet. Giftes nach seiner intestinalen Einverlei-
bung. Deutsche med. Woch., 1898, 117.
5) CARRiijEE, Toxines et digestion. Ann. Fast, XIII, 435, 1899 (dort Litterator-
übersicht). — Ders., Du sort de la toxine t^taniqne introdnit dans le tube digestif.
Soc. Biol., 51, 179 (1899).
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— 19 —
Toxins per 08. Repin^) fand zwar Abrin, aber weder Diphtheriegift
noch Cobragift in den Faeces wieder.
Es wird also zerstört. Dafür können drei Faktoren in Betracht
kommen: Die lebende Darmwand, die Darmbakterien (Feemi &
Peenossi) nnd die Sekrete des Darmes.
Nach den übereinstimmenden Resultaten der an PAWLOWschen Hunden
ausgeführten Versuche von Nencki (1. c.j und den von C abrühre (1. c.)
mit Fermentpräparaten angestellten, sind es unzweifelhaft die Ver-
dauungsfermente als solche, die die Toxine entgiften. Carbi£be
fand schon die Speicheldiastase schädlich, Pepsin nicht sehr wirk-
sam, Trypsin schon eher, besonders aber die Galle. Nencki erzielte
mit seinen reinen sterilen Fistelsäften folgende Ergebnisse: Pepsin an
sich zerstört Bakteriengifte (Abrin nicht). Die Säure ist dabei gleich-
giltig, da nach fast völliger Neutralisierung das Resultat das gleiche
war, wie auch schon Charrin^) 3) gefunden hatte. Pankreassaft allein
zerstört Diphtherietoxin besser als Tetanustoxin. Dieses ist besonders
gegen eine Mischung von 3 Teilen Pankreassaft und 1 Teil Galle
empfindlich.
Eine Immunisierung durch gleichzeitige Einführung von Galle gelang
nicht. Charrin & Lbvaditi^) injizierten Diphtheriegift (100 letale
Dosen) in frisch herausgenommenes Pankreas und fanden es nach 22
Stunden völlig zerstört Muskelplasma oder auf 70° erwärmtes Pankreas
waren wirkungslos. Die Darmschleimhaut und die Bakterien des Darmes
sind nach Carri^re nicht anzuschuldigen.
Auch Baldwin & Levene«^) fanden, dass Pepsin, Trypsin und Papa-
yotin das Diphtherietoxin zerstören.
Trotzdem nimmt wieder Caxo-Brüsso ^) an, dass es doch der Schleim-
haut selbst zuzuschreiben ist, dass das Tetanusgift im Darm zerstört wird.
Wirkungsart der Toxine.
Die Toxine wirken, wie oben bereits auseinandergesetzt, vom Ver-
dauungskanal ans absolut nicht. Man muss sie also dem Organismus auf
anderen Wegen zuführen. Die gebräuchlichste Methode ist die sub-
1) R^piN, SoT rabsorption de Tabrine par les maqueuses. Ann. Fast, IX, 517
:1895).
^ Charrik, Action des bucs digestifs sur les polBons microbiens. Arch. de
phyB., 1898, 67.
3) Charrin & LEFivRE, Action de la pepsine bot la toxine dipht. See. BioL,
49, 830 (1897), Sem. m6d., 1897, 296.
4) Charrin & Levaditi, Action du pancr^as but la toxine dipht. See. Biol.,
51, 215 (1899).
5) Baldwin & Levene, Einw. proteolyt. Fenn, auf Bakterientoxine. Jonm. oi
med. reBearch., VI, 120; Maly Jb., 1901, 953.
«) Cano-Brüsso, Untergang d. Tetannsgiftes im Darm. Maly Jb., 1901, 914.
2*
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— 20 —
kutane Injektion, gerade wie bei der Vergiftung mit lebenden
Bakterien.
Noch wirksamer sind die Einführungen direkt in die Blutbahn (intra-
venös) femer intraperitoneal nnd intercerebral, resp. subdural, wie man
sie namentlich bei Tetanus- und Gonokokkengiften angewendet hat, und
die bisweilen angewendete Einspritzung in die Nerven nach Homän.
Die intercerebrale Injektion ist besonders dort von Bedeutung, wo
entweder das Gift auf seiner Verbreitung im Körper von Rezeptoren
anderer, weniger empfindlicher Organe abgefangen wird (Tetanus des
Kaninchens) oder wo die Rezeptoren im Gehirn nicht sehr zahlreich
sind, so dass nur konzentriertes Toxin eine schwere Schädigung be-
dingen kann (Tetanus des Huhnes).
Bei der Wirksamkeit der Toxine sind namentlich zwei Punkte von
grundlegender Wichtigkeit: die Spezifizitätund die Inkubationszeit.
Die Spezifizität ist eine der hervorstechendsten Eigenschaften der echten
Toxine. Zwar findet man auch mehr oder weniger weitgehende Gift-
festigkeit gegen krystallo'ide Gifte: bekannt sind die relative Unschäd-
lichkeit des Kantharidins fttr den Igel, des Atropins für Tauben. Doch
sind das nur Abschwächungen des Giftwertes, keine absoluten Resistenzen.
Die Bakterientoxine aber sind zum Teil völlig unschädlich für refraktäre
Tiere, während sie auf empfindliche sehr energische Wirkungen ausüben.
Das Wichtigste aber dabei ist, dass die refraktären Tiere das Gift
nicht etwa zerstören, sondern dass es als vollkommen gleichgiltiger
Stoff unverändert in ihrem Blute kreist
So entsteht das paradoxe Phänomen, das wir soeben ausftlhrlich
geschildert haben, dass man mit dem Blute eines anscheinend völlig
gesunden Huhnes, dem man große Dosen Tetanusgift injiziert hat, Mäuse
mit tödlichem Tetanus vergiften kann. Wo eben das Toxin keine
passenden Rezeptoren findet, da kann es nicht eingreifen : die toxophore
Gruppe tritt gar nicht in Wirksamkeit, infolgedessen ist das Toxin ein
vollkommen indifferenter Körper, den der Körper so wenig beachtet,
dass er ihn nicht einmal schnell zu zerstören versucht. Auch diese
Erscheinung ist wohl aus der Seitenkettentheorie zn erklären; alle
Nahrungsstoffe, soweit sie nicht einfach chemisch durch die Säfte und
ihre Fermente zerlegt werden, sollen ja nach Ehrlich als Haptine ge-
bunden und so in den Machtbereich der destruktiven imd assimilato-
rischen Kräfte des Protoplasmas gebracht werden. Da aber das Toxin
überhaupt nicht gebunden wird, wird es auch gar nicht zerstört, nicht
einmal den Nährstoffen gleich behandelt.
Die Spezifizität der echten Toxine fällt völlig mit der der lebenden
Bakterien zusammen.
Charakteristisch ist feruer für die meisten bisher bekannten Toxine,
dass sie nicht momentan oder nach ganz kurzer Zeit, wie die meisten
einfachen kristalloiden Gifte ihre Wirkungen entfalten, sondern dass
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— 21 —
ihre Toxizität sich erst nach Ablauf einer bestimmten Zeit, der In-
kubationszeit kundgiebt. Auch darin gleichen die Bakterientoxine
völlig der Wirksamkeit ihrer lebenden Mutterzellen. Die Inkubationszeit
schwankt nicht nur mit der Natur der Toxine, sondern ist auch von
anderen Faktoren, der zugeflihrten Dosis, der Körpertemperatur n. s. w.
abhängig. Doch hat die Abhängigkeit speziell von der Dosis eine
Grenze; es verhält sich nicht etwa die Inkubationszeit umgekehrt pro-
portional der Toxinmenge; selbst bei vielfach tödlichen Dosen bleibt eine
gewisse Inkubationszeit bestehen, die dann durch keine weitere Erhöhung
der Dosis mehr verkürzt werden kann. Nach Courmont & Doyon^) ist
z. B. bei Meerschweinchen die Inkubationszeit für Diphtherietoxin bei
der einfachen Dos. let 15 Stunden, lässt sich aber durch die größten
Dosen (90000 fach Dos. let.) nicht unter 12 Stunden herabdrücken. Ein
sehr interessantes Phänomen ist hierbei, dass man beim Tetanus des
Frosches durch Abkühlen die Inkubationszeit beliebig verlängern kann;
wenn man einen Frosch nach der Einführung des Giftes dauernd bei
8 — 10® hält, erkrankt er überhaupt nicht, bei 30° tritt dagegen nach
einer bestimmten Zeit der tödliche Tetanus ein; unterbricht man nun
das Erwärmen, so kann man den Frosch beliebig lange bei 8° be-
wahren; bei steigender Temperatur tritt dann nach Ablauf des Restes
der Inkubationszeit der Starrkrampf auf (Morgenroth).
Bei einigen anderen Toxinen, besonders beim Schlangengift fehlt
diese Inkubationszeit indessen. Sie wirken außerordentlich schnell.
Konstitution der Toxine.
Das Charakteristische für jedes Toxin ist, dass es ein Haptin ist, das
heißt eine haptophore und eine toxophore Gruppe enthält.
Die Konstitution der meisten Bakterientoxine ist damit festgestellt;
sie sind nach der EnRLiCHschen Terminologie einfache Haptine
erster Ordnung.
Andere sind aber komplizierter gebaut. So hat das Ricin und das
Abrin außer seiner toxischen Eigenschaft noch die weitere Fähigkeit,
rote Blutkörperchen zu agglutinieren.
Es bestand nun die Frage, ob diese zweite Eigenschaft etwa einem
eigenen, in den gewöhnlichen Eicinpräparaten stets mit vorhandenen
aktiven Prinzip zuzuschreiben sei, oder ob das Ricin selbst diese Doppel-
fähigkeit besitzt. Dass die toxische Eigenschaft von der agglutinieren-
den trennbar ist, lässt sich u. a. dadurch erweisen, dass Verdauung durch
Pepsinsalzsäure die toxische Eigenschaft bald vernichtet, die aggluti-
1) Citiert nach Deutsch & Feistmantel, Die Impfstoffe und Sera. Leipzig
1903, S. 40.
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— 22 —
nierende aber bestehen lässt (Jacoby^), Michaelis & Oppenheimer ^),
Es war also möglich, dass Ricinustoxiii nnd Ricinnsagglutinin geradeso
getrennte Substanzen wären, wie Tetanospasmin und Tetanolysin, zwei
verschiedene Gifte der Tetanuskulturen.
Während sich aber bei diesen nachweisen ließ, dass sie getrennte
Substanzen sind, die in verschiedenen Kulturen in ganz verschiedenem
Verhältnis sich vorfinden, und zwei voneinander verschiedene
Antikörper geben, stellte sich beim Ricin durch ähnliche Versuche
das G^enteil heraus. Das Toxin wie das Agglutinin besitzen die-
selbe haptophore Gruppe, da sie nur ein Antiricin bilden (Jacoby).
Das Ricin hat also eine kompliziertere Struktur. Er hat neben einer
haptophoren zwei ergophore Gruppen, eine toxische und eine agglu-
tinierende, ist also ein komplexes Haptin erster Ordnung. (Näheres s.
b. Ricin.)
Noch komplizierter und unklarer liegen die Verhältnisse bei anderen
Toxinen. Auch hier finden sich sehr häufig außer der toxischen noch
andere Wirkungen, besonders hämolytische, so namentlich beim Aalblut
und beim Schlangentoxin. Hier ist noch nicht mit Sicherheit entschieden,
ob die lytischen Prinzipien eigene Stoffe sind. Doch ist es z. B. beim
Schlangengift wahrscheinlich. Und hier entsteht nun die weitere Frage,
ob die Lysine wie die Toxine Haptine erster Ordnung sind, d. h. an
einem Komplex haptophore und ergophore Gruppen enthalten; oder ob
sie sich in ihrer Konstitution nicht mehr den Haptinen zweiter Ordnung
nähern, wie es die Hämolysine der normalen und der Immunsera sind.
Diese enthalten haptophore und ergophore Gruppen nicht an einem Kom-
plex; sondern sie besitzen einen Amboceptor mit zwei haptophoren
Gruppen und ein Komplement, das sich an den mit dem Receptor
der Zellen verbundenen Amboceptor an dessen komplementophile Gruppe
haftet, und dadurch erst die hämolytische Wirkung herbeiftlhrt.
Die letzten Befunde am Cobrahämolysin weisen darauf hin, dass
dieses Gift thatsächlich eine so komplexe Form besitzt, dass es einen
Amboceptor hat, der einerseits durch ein in den roten Blutkörperchen
selbst sich findendes Endkomplement, andererseits aber auch durch
Lecithin komplettiert und wirksam gemacht wird (Kyes und Sachs).
Wir werden beim Schlangengift darauf zurückkommen.
Physiologische Aktion der Toxine.
Zwar zeigen die Bakterientoxine vor allem ihre spezifischen Wir-
kungen auf den Organismus, die wir im speziellen Teil genauer zu be-
ll Jacoby, üeb. Ricinimmunität. Hofm. Beitr. z. ehem. PhysioL, I, ö7 (1901).
2) Michaelis & Oppenheimer, üeb. Immnnität geg. Eiweißkörper. EngelmannB
Arch., 1902, Suppl.-H.
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— 23 —
handeln haben werden, doch sind ihnen auch einige Allgemeinreaktionen
gemeinsam, die wir wenigstens kurz erwähnen wollen.
Sie wirken vor allem anf das Allgemeinbefinden, indem sie Schwäche,
Prostation und schließlich Kollaps hervorrufen. Diesen Erscheinungen
liegt wohl hauptsächlich eine deletäre Wirkung auf die Herzaktion
zu Grunde, die sich in Sinken des Blutdruckes, verbunden häufig mit
einer Verminderung der Schlagfolge und schließlich Lähmung des Herzens
äußert Doch sind die Herzwirkungen bei den einzelnen Toxinen nach
der vergleichenden Untersuchung von Bardier^) verschieden.
Eine fast regelmäßige Erscheinung ist eine Hypothermie, mit oder
ohne vorhergehendes Fieber.
In der Haut und dem Unterhautzellgewebe erzeugen sie bei sub-
kutaner Injektion vielfach Infiltrationen, Abszesse und Nekrosen. Aus-
fall der Haare wird häufig beobachtet.
Auch innere Organe, zum Beispiel der Darmtractus wird meist
geschädigt (Durchfälle u. s. w.)
Auch die Leber bleibt nicht unbeteiligt, wie speziell Teissier &
GüiNARD^) genauer untersucht haben. Claude J^) hat Blutungen der Gallen-
blase beobachtet. Nach Padoa*) wirkt die Leber verschieden auf die
Toxine. Während sie Diphtherietoxin bindet, so dass es bei Einführung
in die Pfortader weniger giftig ist, lässt sie Typhustoxin passieren; dies
soll sogar auf diesem Wege noch giftiger wirken, als subkutan oder intra-
venös. Ebenso findet man degenerative Veränderungen an den Nieren.
Veränderungen des Blutes (Hämoglobinämie) und der Gefäße
sind ebenfalls häufig. Viele Toxine scheinen blutkörperchenlösend zu
wirken. Nach Karfunkel *) setzen sie die Blutalkaleszenz herab, doch
lässt sich durch künstliche Ueberhitzung diese Wirkung teilweise paraly-
sieren. Schließlich wird noch meist das Nervensystem, besonders
das Zentralorgan angegriflFen, jedoch in recht verschiedener Weise ; darauf
werden wir im speziellen Teil ausführlicher zurückkommen.
Eine eigentümliche Wirkung des Diphtherotoxins will Consiglio ®) be-
obachtet haben. Er fand, dass es die Gärungsprozesse in kleinen Dosen
fördert, in größeren hemmt, dass es andererseits aber stets einen sehr
ungünstigen Einfluss auf Eeimungsprozesse der Samen ausübt.
1) Bardier, Toxine et coeur. Soc. Bio!., 49, 311 (1897).
^ Teissier & Gthnard, Effets des toxines microbiennes. Aich. m^d. exp6r.,
IX, 994 (1897).
3) Claude, Deux cas d'h^morrhagie de la v^sic. biliaire etc. Soc. Biol, 1896,
169; Sem. m6d., 1896, 62.
*} Padoa, üeb. d. verschied. Wirkung, des Diphtherie- u. Typhustoxins. Riform.
med., 1899, Nr. 26; Malys Jb., 1899, 921.
^) Karfunkel, Schwankungen des Blntalkaleszenzgehaltes nach Einverleibung
von Toxinen u.s.w. Zeitschr. f. Hyg., 32, 149 (1899).
«) CoNSiGLio, Azione di alcune tossine etc. Arch. di Fann., VI, Nr. 3 (1898).
Malys Jb., 1898, 634.
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— 24
Toxoide und Toxone.
Nach der Seitenkettentheorie mUssen wir die Toxine ansehen als
Körper, die zwei sterisch bestimmte Gruppen enthalten; die hapto-
phore Gruppe und die toxop höre Gruppe. Wenn wir uns nun
vorstellen dürfen, dass unter gewissen Umständen die toxophore
Gruppe so verändert wird, dass ihre charakteristische Wirkungs-
energie verloren geht, die haptophore dagegen ungeändert bleibt, so
würden Stoffe resultieren, die zwar noch die Fähigkeit haben, sich an
Rezeptoren, seien es freie (Antitoxine) oder gebundene (Körperzellen) zu
binden, ohne aber giftig zu sein. Solche Stoffe hat nun Ehrlich beim
Diphtherietoxin genauer untersucht und ihre große Bedeutung für
den toxischen Wert der Giftlösungen und die Einstellung der Heilsera
festgestellt, worauf wir im nächsten Kapitel ausführlich eingehen wer-
den. Diese »Toxoide« sind also ungiftige, aber sich noch spezifisch
bindende Haptine. Sind sie sekundäre Umwandlungsprodukte der
echten Toxine, so bezeichnet man sie als Toxoide im engeren Sinne;
es giebt aber auch primäre Bakterienprodukte, die dieselbe haptophore
Gruppe binden können wie das Toxin, die aber eine andere, sehr viel
schwächer wirkende toxophore Gruppe besitzen, geringe Wirkungen
eigener Art auslösen, wie sie Ehrlich und Madsen bei der Diphtherie
festgestellt haben; man bezeichnet diese primären Stoffe, die also
ein zweites Sekretionsprodukt der Bakterien darstellen, als
Toxone.
Die Toxone sind nicht ganz ungiftig, sie erzeugen vielmehr späte
Lähmungen u. s. w., kurz Vergiftungserscheinungen, die qualitativ
von der Wirkung kleiner Toxinmengen durchaus verschieden sind.
Toxoide sind mit Sicherheit bekannt von der Diphtherie (Ehrlich)
vom Tetanolysin (s. d.) (Mausen) und vom Staphylotoxin (Neisser
& Wechsberg, s. d.), für das Ricin von Jacoby (1. c.) sehr wahrschein-
lich gemacht.
Indessen spricht doch sehr vieles dafür, dass auch die anderen
Bakteriengifte zum Teil die Fähigkeit der sekundären Toxoidbildung
haben, z. B. Tetanus, worauf wir im speziellen Teil zurückkommen
werden.
Irgend welche näheren Kenntnisse über die Toxoide und Toxone be-
sitzen wir nicht. Da sie auch spezifische Haptine sind, erzeugen sie
auch Antitoxine, wie Mausen & Dreyer^) an den Diphtherietoxonen
zeigen konnten.
Madsen & Dreyer konnten auch zeigen, dass es Toxone giebt,
die für Meerschweinchen indifferent, für Kaninchen noch giftig sind.
1) Madsen & Dreter, Ueb. Imman. mit den Toxonen d. Diphtheriegiftes. Z.
f. Hyg., 37, 249 (1901).
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— 25 —
200
Ein Gift war bei ^qq- Sättigung für Meerschweinchen neutral, für Kanin-
240
chen erst bei -^^- . Ehrlich hat diese Giftabarten als Toxonoide
bezeichnet.
Allgemeines über Antitoxine.
lieber die Antitoxine sind unsere positiven Kenntnisse noch geringer
wie über die Toxine.
Sie finden sich in den KörperflUssigkeiten, besonders im Blutserum
und der Milch immunisierter Tiere. Geringere Mengen finden sich auch
sehr häufig in normalen Seris, namentlich Diphtherieantitoxin beim
Pferde (bei ca. 30^). Auch andere Antikörper sind in den normalen
Seris ja sehr häufig, besonders auch Antifermente u. s. w. Aus den
KörperflUssigkeiten können sie mit Hilfe ähnlicher Fällungsmethoden wie
die Toxine konzentriert werden.
Ausfällen mit Alaun und Ammoniak (Abonson), Magnesiumsulfat
(TizzONi) und mit festem Chlomatrium und Chlorkalium (Brieger und
Boer) liefern nach Reinigung feste Antitoxinpräparate.
Die Natur der Antitoxine ist unbekannt; dass sie EiweißstoflFe sind,
ist zwar wahrscheinlich, aber nicht sicher entschieden. Dagegen spricht
ihre beträchtliche Resistenz gegen Trypsin, während sie gegen Pepsin-
salzsäure empfindlich sind. Versuche, das Diphtherieantitoxin als Eiweiß-
körper näher zu charakterisieren, resp. festzustellen, mit welchem Eiweiß-
anteil des Blutes es zusammenhängt haben noch zu keinem abschließenden
Resultat geftihrt.
Sie sind auch empfindlich, wie die Toxine, gegen Erwärmen, gegen
Säuren u. s. w., besitzen aber doch im allgemeinen eine weitaus größere
Resistenz (s. b. Diphtherie). Camus ^) konnte Antischlangengift und Anti-
diphteriegift V2 1 auf 120° und 1/4 h aiif 140° ohne Schaden erhitzen,
wenn sie bei niederer Temperatur getrocknet und dann erst bei 100°
im Luftstrom erwärmt waren.
Die Antitoxine sind nach Ehrlich normale Zellenbestandteile, los-
gerissene Rezeptoren, und als solche physiologisch und chemisch ziem-
lich inaktiv. Sie werden durchaus nicht immer in den Organen ge-
bildet, wo das Gift seine spezifische Wirkung entfaltet, sondern auch
aus anderen Zellgruppen. Besonders scheint dies beim Tetanus des
Kaninchens der Fall zu sein (s. dort). Sie werden unter dem Reiz
der haptophoren Gruppe sezerniert. Ehrlich fasst sie als „einfache
Unizeptoren" auf, d. h. als Stoffe mit nur einer haptophoren Gruppe,
die der entsprechenden des Toxins konform ist. Nichts ist also ver-
1} Camus, BesiBtance aux temp^r. ^iev^e des vaccinB dessdcb^B. Soc. Bio!., 50,
23Ö (1898).
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— 26 —
kehrter, als auch den Antitoxinen eine Aktivität zuzuschreiben, wie den
Toxinen, sie etwa auch als »fermentähnliche Stoffe« hinzustellen.
Es ist dies eine gedankenlose Uebertragung von den Toxinen her, für
die jede greifbare Unterlage fehlt, und die nur geeignet wäre, der An-
schauung zu schaden, dass die Toxine den Fermenten nahestehen.
Die Toxine, wahrscheinlich auch einige Fermente haben eine haptophore
und mindestens eine „ergophore** Gruppe, sie können nicht nur
binden, sondern auch angreifen; letzteres ist den Antitoxinen nicht ver-
liehen; sie können nur binden und dadurch die toxophore Gruppe von
der bedrohten Zelle fernhalten, nicht aber sie schädigen. Deuten
doch Versuche von Wassermann beim Pyocyaneus und von Calmette
beim Schlangengift darauf hin, dass in dem Toxin- Antitoxingemisch das
Toxin intakt bleibt, und nach einer Zerstörung des Antitoxins die Gift-
wirkung wieder manifest vnrd (s. u.). Die Antitoxine sind also keine
aktiven StoflFe, keine «Fermente». Die Antitoxine sind also als solche
physiologisch völlig neutral, sie können keine toxischen Wirkungen
auslösen.
Dies gilt aber natürlich nur für die Antitoxine an sich, nicht für
die Sera, in denen sie enthalten sind. Man kann zwar einem Pferde
unbegrenzte Mengen antitoxinhaltigen Pferdeserums injizieren, ohne
irgend welche Nebenvdrkungen. Dagegen sind körperfremde EiweißstoflFe
stets in gewissem Sinne toxisch; sie erzeugen ja auch Abwehrstoffe,
die von Myers u. s. w. beschriebenen Präzipitine.^) Es ist also ein-
leuchtend, dass man durchaus nicht einer anderen Tierspecies unbegrenzte
Mengen Pferdeserums injizieren darf. Man hat ja auch thatsächlich
mehrfach beim Diphtherieheilserum solche Störungen beobachtet (s. dort).
Nur ist dafür nicht das Antitoxin an sich, sondern vielmehr das
Serum verantwortlich zu machen.
Zweifellos hängt mit dem Bestreben des Organismus, fremde Eiweiß-
stofPe zu eliminieren, auch die Beobachtung von Knorr^) zusammen, dass
Antitoxine, die mit körperfremden Seris injiziert werden, sehr bald ver-
schwinden, während Antitoxine in Seris gleicher Species eingeführt,
sich sehr lange im Organismus erhalten.
Verhalten der Toxine zu den Antitoxinen.
Wir haben schon in der Einleitung es als eine zur BegriflFsbestimmung
des Toxins ganz wesentliche Eigenschaft desselben hingestellt, dass die
echten Toxine im Körper des angegriffenen Wesens ein spezifisches
1) Näheres üb. Präzipitine u. Litteratur s. b. Michaelis & Oppenheimer, üeb.
Immunität geg. Eiweißkörper. Engelmanns Arch., 1902, Snppl.-H.
^ Knorr, Das Tetannsgift n. s. Bezieh, zum tier. Organismus. Münch. med.
Woch., 1898, 321, 362.
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— 27 —
Gegengift, ein Antitoxin erzengen. Diese Thatsache, anf die znerst
Ehrlich^) bei seinen grundlegenden Versnoben über ein den Bakterien-
toxinen nabestehendes pflanzlicbes Gift, das Ricin, gestoßen ist, ist heute
80 fest fundiert, dass wir eben die Antitoxinbildung als eine integrierende
Eigenschaft des echten Toxins ansehen mttssen. Die Bedeutung dieser
Antitoxinbildung im Organismus ftlr den Ablauf der Infektionskrank-
heiten, für das Zustandekommen der erworbenen Immunität und die
Verwertung dieser Beziehungen in der monumentalen Seitenkettentheorie
können an dieser Stelle nicht abgehandelt werden.
Hier sollen nur empirisch die Beziehungen zwischen dem Antitoxin
und seinem Toxin so genau besprochen werden, als sich dieses schwie-
rige Gebiet nach dem heutigen Stande unserer Kenntnisse, die wir den
unermttdlichen, klassischen Arbeiten Ehrlichs zum größten Teil ver-
danken, präzisieren lässt.
Nach der Seitenkettentheorie können nur solche Gifte als echte
Toxine wirken, die zu bestimmten Zellen eine spezifische Affinität be-
sitzen. Ehrlich nimmt zur Veranschaulichung dieser spezifischen Affi-
nität an, dass beide Teile, das Toxin einerseits und die anzugreifende
Zelle andererseits je eine Atomgruppe in ihrem Protoplasma besitzen,
die gegenseitig aufeinander angepasst sind, sich darum binden und so
das Toxin durch diese Bindung in den unmittelbaren Bereich der Zellen
bringen. Als erster Akt der Toxinwirkung vollzieht sich
also eine Anlagerung des Giftes an die Zelle vermittelst
der beiderseitigen »haptophoren« Gruppen. Durch diese An-
lagerung wird nun die Zelle in den Wirkungskreis des Toxins gebracht
und nun vollzieht sich als zweite Phase die spezifische Einwir-
kung des Giftes auf die Zelle, eine Funktion einer zweiten spezi-
fischen Gruppe, der »toxophoren« Gruppe^).
Die Toxine binden also die haptophoren Gruppen der Zellen, die an
ihren »Seitenketten« wirksam sind. Werden nun, wie bei der künst-
lichen Immunisierung, derartige mit haptophoren Gruppen ausgerüstete
Seitenketten im Uebermaß produziert und frei in die Körpersäfte,
speziell das Blutserum abgeschieden, so behalten diese haptophoren
Gruppen ihre Fähigkeit, die entsprechenden haptophoren Gruppen des
Toxins zu binden, bei. Diese abgestoßenen Seitenketten stellen also das
spezifische Antitoxin gegen das Toxin dar.
i; Ehrlich, Experimentelle Unters, über Immunität. Deutsche med. Woch.,
1891, 976, 1218. — Ders., Zur Kenntnis der Antitoxin Wirkung. Fortschr. d. Med.,
1897, 41.
2) Nor von Atomgruppen in einer Substanz ist die Rede, niemals aber hat
Ehrlich behauptet, dass ein Toxin ans zwei Substanzen, einer haptophoren
und einer toxophoren, besteht, wie ihm dies Danysz (Ann. Fast, 1899, 581) unter-
schiebt D., der die Vorgänge bei der Plasmatolyse mit der Toxinwirkung zu-
sammenwirft, hat Ehrlich missverstanden.
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— 28 —
Aus dieser Vorstellung ergeben sich nun ohne weiteres zwei sehr
wichtige Gesichtspunkte fUr das gegenseitige Verhältnis des Toxins zum
Antitoxin. Es werden nämlich dadurch zwei naheliegende Möglichkeiten
einer Beeinflussung des Giftes durch seinen spezifischen Antikörper von
vornherein ausgeschlossen, nämlich eine direkte Zerstörung des Gift-
stoflFes im ganzen, wie er etwa durch eine starke Säure zerstört werden
möchte; und femer auch ein Einfluss des Antitoxins auf die spezifisch
schädliche, die toxophore Gruppe des Giftes, sowie etwa die Giftig-
keit des Anilins durch Einführung von Essigsäure in seine giftwirkende
Aminogruppe wesentlich herabgesetzt wird. Beides ist mit der Seiten-
kettentheorie unvereinbar, es kann sich um eine Beeinflussung nur in
dem Sinne handeln, dass das Antitoxin die haptophore Gruppe des
Toxins absättigt und es dadurch nur an der Möglichkeit hindert,
seine toxophore Gruppe durch Anheften an die Zelle zur Wirksamkeit
gelangen zu lassen, während sie in Wirklichkeit in ihrer giftigen Kraft
unverändert bleibt.
Während wir hier diese grundlegende Anschauung als Konsequenz
der von uns als heuristisches Prinzip angenonmienen Seitenkettentheorie
gezogen haben, ist in Wirklichkeit natürlich die Entwicklung umge-
kehrt gewesen. Man hat in mühevollen Versuchen zuerst sich zur
Ueberzeugung von der Richtigkeit dieser Thatsache durchzuarbeiten
gesucht, um sie dann als wichtige Stütze für die Theorie zu ver-
wenden. Ehrlich und Behring sind zuerst der Ansicht gewesen, dass
das Toxin in seiner Gift Wirkung durch das Antitoxin beeinträchtigt
wird; erst später sind sie zu der Ueberzeugung gelangt, dass hier eine
einfache Bindung vorliegt.
Die Thatsachen, die zu dieser heute allgemein acceptierten Annahme
geführt haben, waren verschiedener Art.
Zunächst war man allgemein der Ansicht, dass das Antitoxin nur
indirekt wirkt, indem es den Organismus gegen das Toxin > festmacht«.
Diese Vorstellung wurde später aufgegeben, als man fand, dass
Antitoxin und Toxin sich nach streng zahlenmäßigen Gesetzen binden
(Gesetz der Multipla), worauf wir später näher eingehen werden. Be-
sonders wichtig aber war es, dass man Vorgänge näher studierte, bei
denen eine Intervention des lebenden Organismus sich überhaupt aus-
schließen ließ, bei denen deutlich sichtbare Vorgänge im Reagenzglas
als Indikatoren der Beeinflussung der Toxine durch das Antitoxin be-
nutzt wurden.
Die ersten waren die berühmten Versuche Ehrlichs ^) über die agglu-
tinierende Wirkung des Ri eins auf rote Blutkörper, bei den sich streng
zahlenmäßige Beziehungen zwischen Ricin und Antiricin fanden, indem
die Blutwirkung bestimmter Ricindosen stets durch die entsprechende
*) Ehrlich, Zur Kenntn. d. Antitoxinwirkg. Fortschr. d. Med., 1897, 41.
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— 29 —
Dosis Antiserum gerade noch aufgehoben wurde. In analoger Weise
vollzieht sich die Hemmung anderer Hämolysine, wie des Schlangen-
giftes (Kanthack), des Aalblutes (Kossel), des Tetanolysins (Ehr-
lich) u. s. w.
So waren also direkte Beziehungen zwischen Toxin und Antitoxin
nachgewiesen. Doch konnten diese immer noch auf einer direkten
Zerstörung des Giftes durch das Gegengift beruhen. Doch zeigten
die Thatsachen, dass auch dies nicht der Fall ist, sondern dass eine
einfache Bindung beider Komponenten vorliegt
Besonders der Umstand, dass es Mittel giebt, diese Bindung, wenn
sie erst kurze Zeit besteht, in der Weise zu lösen, dass die ur-
sprüngliche Giftwirkung wieder hervortritt, ist für die An-
nahme einer lockeren Verbindung von ausschlaggebender Bedeutung
gewesen. Dies ist mit völliger Sicherheit zuerst Calmette an einem
tierischen Toxin, dem Schlangengift, gelungen, dessen Antitoxin
viel leichter zersetzlich ist, als das Toxin.
Auch beim Pyocyaneustoxin hat Wassermann das Antitoxin
leichter zerstörbar geftmden, als das Toxin (s. d.), so dass man auch für
die Bakterientoxine eine einfache Bindung anzunehmen berechtigt ist.
Die Versuche benihen darauf, dass eine neutrale Mischung von
Toxin- Antitoxin durch Erwärmen einen großen Teil ihrer ursprünglichen
Giftigkeit wiedergewann, weil das Antitoxin als leichter angreifbarer
Anteil der lotjkeren Verbindung durch die höhere Temperatur zerstört
wurde. Doch darf die Mischung beider Komponenten nur kurze Zeit
gedauert haben, da sonst die Trennung der Verbindung nicht mehr
möglich ist. Die Trennung beider Komponenten gelang beim Schlangen-
gift auch durch Diffusion, wobei das Toxin schneller diflFundierte, als
das Antitoxin (Martin und Cherry) (s. b. Schlangengift).
Dagegen sind ähnliche Versuche beim Diphtheriegift fehlgeschlagen
(DziEBZGOWSKi ^). Nun liegen hier die Verhältnisse freilich ganz anders.
Zunächst ist, wie Ehrlich gezeigt hat, die Bindung hier eine sehr feste.
Aber abgesehen davon ist hier das Toxin das leichter zerstörbare Element,
so dass beim Erwärmen des Gemisches nicht dieses, sondern das freie Anti-
toxin regeneriert werden müsste. Dass dies nicht gelingen kann, ist aber
a priori klar; denn bei der Umwandlung des Toxins durch Erwärmen ver-
schwindet das Gift ja gar nicht, sondern geht nur in Toxolfde über, die
Bindung aber bleibt bestehen, so dass freies Antitoxin nicht in die Erschei-
nung treten kann. Diese negativen Versuche beweisen also nichts, da ihr
Resultat von vornherein sich theoretisch mit großer Wahrscheinlichkeit vor-
hersagen ließ.
1) Dzierzgowski, Zur Frage über die Beziehungen zwiBchen dem antidipbth.
Heilsernm u. d. Diphtherietoxin. Arch. intemat. de pharmacodyn., V, 1. (1898);
8. andererseits auch Marenohi, Ueb. d. gegens. Wirkg. antidipbth. Serums und des
Diphth.-ToxinB. Centralbl. f. Bakt, 22, 520 (1897).
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— 30 —
Diese Bindung ist eine ehemische Reaktion und unterliegt als solche
den Gesetzen der chemischen Kinetik. Sowohl die Festigkeit dieser
Verbindung, als auch die Reaktionszeit können sehr verschieden sein.
So hat das Diphtherieantitoxin eine viel höhere Verwandtschaft zu
seinem Toxin und vereinigt sich viel schneller (in 5 — 10') als das Tetanus-
antitoxin mit dem seinen (Ehrlich).
Die Avidität der gegenseitigen Absättigung und damit die Reaktions-
geschwindigkeit hängt aber außerdem noch sehr erheblich ab von der
Temperatur, mit deren Steigen sie größer wird, und auch von der
Konzentration (Ehrlich, Knorr^). In konzentrierten Lösungen geht
die Bindung erheblich schneller vor sich.
Auf die Frage der Gleichgewichtszustände zwischen Toxin und Anti-
toxin können wir erst später eingehen.
Die Ansicht, dass die Antitoxine sich nicht in zahlenmäßig festen
Verhältnissen an die Toxine binden, sondern dass ihre Wirkung auf
einer schützenden Kraft den Zellen gegenüber beruht, ist trotz aller
Widerlegungen noch nicht überall aus dem Wege geräumt. Besonders
hat man diesen Schluss daraus zu ziehen gesucht, dass bei Verviel-
fachung der Toxindosis nicht das gleiche Multiplum an Antitoxin aus-
reichen soll, d. h. dass diese »schützende« Kraft gegenüber großen
Giftdosen versagt. Diese Ansicht hat in neuerer Zeit z. B. wieder
BoMSTEiN vertreten. Aber abgesehen davon, dass die EHRLiCErachen
Ricinversuche, sowie die ganz analogen Resultate von Calmette
mit Schlangengift und Camus, Kossel u. a. mit Aalblutgift und
viele andere an Erythrocyten jede Intervention des Organismus aus-
schließen lassen, und nur durch eine direkte Bindung des Giftes durch
das Antitoxin zu erklären sind, ist auch die Behauptung, dass die zahlen-
mäßigen Bindungsverhältnisse nicht stimmen sollen, auf sehr schwache
Füße gestellt.
Cobbett & Kanthack 2 konnten zeigen, dass die Multipla sich
genau der Theorie entsprechend verhalten, wenn man gleich anfangs ein
Mehrfaches der tödlichen Dosis zum Versuch anwendet.
Sie zeigen durch eine einfache üeberlegung, dass, besonders bei
Anwendung kleiner, der einfach letalen Dosis nahestehender Giftmengen
mit großer Wahrscheinlichkeit sich beim Vervielfachen eine Giftwirkung
zeigen muss. Denn wenn man eine einfach letale Dosis neutralisiert,
so kann ein kleiner Giftüberschuss in der Mischung unbemerkt bleiben,
da er nicht einmal die einfach krankmachende Dosis erreichen mag;
verzehnfacht man nun aber Giftmenge und Antitoxinmenge, so verzehn-
facht sich auch der Giftüberschuss — und die giftige Wirkung der
1) Enorr, Die Entstehung des Tetannsantitoxins. Fortschr. d. Med., 1897, 657.
2} Cobbett & Kanthack, Ueb. das Schicksal d. Diphtherietoxins im Tierorga-
nismus. Centralbl. f. Bakt, 24, 129 [1898).
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— 31 —
Mischung ist evident. Mit solchen Waffen ist also ein Kampf gegen
Ehrlichs Ansicht nicht erfolgreich zu führen.
Nach alledem sind wir jetzt, auf praktische Erfahrungen und die
Theorie gestützt, berechtigt anzunehmen, dass der Wirkung des
Antitoxins auf das Toxin eine gegenseitige Bindung zweier
mit spezifischer Affinität begabten Gruppen zu Grunde
liegt
Daraus folgt nun ohne weiteres die fundamentale Thatsache, dass
die gegenseitige Einwirkung beider Stoffe den Gesetzen folgen muss,
die bei der gegenseitigen Absättigung zweier mit spezifisch aufeinander
eingestellten Atomgruppen versehener einfacher chemischer Stoffe Gel-
tung besitzen, nämlich nach festen quantitativen Verhältnissen,
So gut die gleiche Menge reines Natriumhydrat stets die gleiche Menge
reiner Salzsäure zur Neutralisation braucht, so gut muss das gegen-
seitige Verhältnis einer bestimmten Toxindosis zu der Menge Antitoxin,
die sie gerade »neutralisiert«, ein absolut konstantes sein. Eine
gegebene Quantität reinen Toxins muss stets unabänderlich die gleiche
Menge reinen Antitoxins verbrauchen, um in seiner Wirksamkeit gerade
noch gehemmt zu werden, vorausgesetzt, dass die Bindung eine feste
ist, und nicht zu dissoziierten Gleichgewichtszuständen führt,
eine Frage, auf die wir erst später eingehen können.
Zwei Umstände sind es, die die Konstatierung dieser so ungemein
wichtigen Thatsache außerordentlich 'erschweren.
Zunächst kennen wir weder Toxine noch Antitoxine in reinem Zu-
stande. Es handelt sich hier nicht um chemisch isolierbare, gegebene
Stoffe, denen wir mit der Wage nähertreten könnten, um zu kon-
statieren, dass X g Diphtherieantitoxin stets y g Diphtherietoxin neu-
tralisieren: die einzige Dosierung, die bei diesen giftigen Stoffen an-
wendbar ist, ist die physiologische, die Feststellung der »einfachen
letalen Dosis«, die man als Grundeinheit für die Messung der Toxin-
mengen anzunehmen gezwungen ist, resp. beim Studium der Hämo-
lysine die Messung des Grades der lösenden Wirkung.
Indessen wäre dieser Uebelstand nicht sehr schwerwiegend, wenn
wir wenigstens zwischen jeder Giftlösung von einer gegebenen Stärke,
die wir also dann auf eine als Einheit anzunehmende Giftlösung von
bestimmter Toxizität für 1 cm^ (Normalgift) leicht umrechnen könnten,
eine konstante Beziehung mit einer gegebenen Antitoxinlösung kon-
statieren könnten, so dass schließlich jeder »einfachen letalen Dosis«
des Giftes eine bestimmte Menge »Antitoxineinheiten« entspräche.
Doch auch dies ist leider nicht der Fall. Fast jede Giftlösung zeigt
ein anderes Verhältnis zu der Menge Antitoxinlösung, die sie zu ihrer
Neutralisation braucht, wenn man das Verhältnis einer »letalen Dosis«
zu der Menge von »Antitoxineinheiten« berechnet.
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— 32 —
Wir stoßen hier auf ganz außerordentlich komplizierte Verhältnisse,
deren Verworrenheit durch die mühevollen Arbeiten von Ehrlich*)
zwar zum größten Teil aufgehellt ist, ohne dass aber alle Unklarheiten
und Schwierigkeiten gänzlich geschwunden sind. Zunächst hängt die
Schnelligkeit, mit der sich Toxin und Antitoxin binden, nicht nur von der
Art, sondern auch sehr von der Konzentration der beiden Komponenten
ab (s.o.). Vor allem findet man aber, dass jede Diphtheriegiftbouillon außer
dem spezifisch wirksamen Toxin noch andere Stoflfe in wechselnden Ver-
hältnissen enthält, die zwar nicht die toxophore, wohl aber die haptophore
Gruppe des echten Toxins besitzen, und die infolgedessen die letale
Dosis, die Giftwirkung nicht beeinflussen, wohl aber das Anti-
toxin ebensogut in Anspruch nehmen, wie das Toxin selbst.
Diese Stoflfe entziehen sich also der Beobachtung, wenn man in einer
Giftlösung die einzige Maßeinheit, die einfach letale Dosis, bestimmt;
sie treten aber sofort in die Erscheinung, sobald man die zur Neutra-
lisierung dieser einfachen letalen Dosis nötige Menge einer bestimmten
Antitoxinlösung feststellen will.
Wenn eine reine Giftlösung eine gewisse Menge von cm^ einer be-
stimmten Antitoxinlösung verbrauchen würde, so wird diese Zahl um so
beträchtlicher erhöht, je mehr dieser nicht giftigen, aber Antitoxin
bindenden Stoflfe in der unreinen Giftlösung vorhanden sind. Die an
Menge wechselnde Anwesenheit dieser Stoflfe in jeder Giftlösung er-
schwert also die Konstatierung der absoluten Konstanz der Bindungs-
verhältnisse, wie sie die Seitenkettentheorie voraussagt, ganz ungemein;
und noch ist es nicht völlig gelungen, dieser Schwierigkeiten in jedem
Falle Herr zu werden.
Um uns über die näheren Einzelheiten dieser Frage zu orientieren,
müssen wir auf die physiologischen Maßeinheiten zurückgreifen, die
Behring und Ehrlich für das Studium der Antitoxin Wirkung ge-
schaffen haben. Die zahlenmäßigen Grundlagen, die für das Di-
phtheriegift festgelegt sind, sind folgende:
Als einfach letale Dosis bezeichnet Ehrlich diejenige Gift-
menge, ausgedrückt in cm^ der Giftlösung bezw. in g des festen Giftes,
die gerade hinreicht, um ein Meerschweinchen von 250 g (ein Tier von
ca. 6 Wochen) im Laufe von 4 — 5 Tagen zu töten. Diese Dosis ist die
physiologische Gifteinheit.
Als Normalgift nahm v. Behring eine Giftlösung an, die in
einem cm^ 100 letale Dosen enthielt. Dieses »Normalgift« be-
zeichnete V. Behring kurz als DTN^M^so (Diphtherietoxin normal ein-
fach, Meerschweinchen von 250 g).
*) Ehrlich, Die Wertbemessung des Diphtherieserums. Klin. Jahrb., VI., 299
(1899). — Deiß., lieber die Const. des Diphtheriegifteß. Deutsch, med. Woch.,
1898, 597.
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— 33 —
Auf diese mllkürliche Gifteinheit sind nun die Antitoxinlösnngen
eingestellt worden. Ein * einfaches« Serum ist ein solches, von dem
1 cm^ einen cm^ des Nonnalgiftes, also hundert Gifteinheiten neutrali-
siert. Diese Größe, also 1 cm^ des einfachen Serums, ist die Einheit
des Antitoxins, die sogenannte Immunitätseinheit, die man kurz als
I. E. schreibt*), und ist als solche, empirisch festgestellt, aufbewahrt
worden (s. u.).
Wenn man nun zuerst gegen ein frisches Gift ein Serum eingestellt
hat, so ist bei sämtlichen zu gleicher Zeit angestellten Versuchen das
Verhältnis Giftlösung zu Antitoxinlösung in cm^ ausgedrückt völlig kon-
stant. Da nun femer in diesem frischen Gift stets das Verhältnis von
Giflwirkung zur angewandten Menge von cm^ konstant bleibt, so ist
schließlich auch das Verhältnis Giftwirkung zu Antitoxinmenge
konstant, d. h. jeder letalen Dosis entspricht stets genau die-
selbe Menge Antitoxinlösung, ausgedrückt in cm^
Lässt man dagegen dieses Gift einige Zeit ablagern, und stellt es
dann von neuem gegen Serum ein, so haben sich die quantitativen
Bindungsverhältnisse in einer Beziehung ganz wesentlich geändert. Das
Verhältnis Giftlösung zu Antitoxinlösung, in cm^ ausgedrückt, ist zwar
konstant geblieben, d. h. man braucht zu jedem cm^ der Giftlösung die-
selbe Menge von Antitoxinlösung, wie beim frischen Gift, aber diese in
cm^ ausdrUckbare Quantität der Giftlösung übt eine beträchtlich ge-
ringere Giftwirkung aus, als die gleiche Menge des frischen Giftes.
Bestimmt man andererseits, wieviel Antitoxin man zur Sättigung einer
Gifteinheit braucht, so findet man naturgemäß eine beträchtlich
größere Menge als notwendig, wie sie für das frische Gift [erforder-
lich war.
Daraus folgt, dass die Giftlösung durch das Ablagern schwächer,
dass bei einem Teile des Toxins die toxophore Gruppe unwirksam
geworden ist; daraus aber, dass die gleiche Anzahl von cm^ der
Giftlösung nach wie vor die gleiche Anzahl von cm^ des Serums zur
Neutralisation brauchen, geht klar hervor, dass bei diesem Abschwä-
chungsprozess die haptop hören Gruppen intakt geblieben sind.
Daraus folgt weiter, ^ass in diesen abgeschwächten Giftlösungen sich
StöflFe vorfinden müssen, die zwar durch Verlust ihrer toxophoren Gruppe
ungiftig geworden sind, die aber wegen des Besitzes intakter hapto-
phorer Gruppen vor wie nach imstande sind, Antitoxin an sich zu
binden.
*) Madsen, »Constitution da poison dipht«, Ann. Fast, XIII, 568 (1899) fuhrt
noch mehrere praktische Abkürzungen ein. T =» Toxineinheit, (T) die Menge Gift-
bouillon in cm^, die T enthält (einfach letale Dosis), I = Immnnitätseinheit (bei uns
I.E. geschrieben) und (I) die Menge Serums in cm^, die eine I enthält Wir werden
diese Abkürzungen bisweilen benutzen.
Oppenheiroer, Toxine und Antitoxine. 3
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Diese Stoflfe bezeichnet Ehelich als Toxoide*).
Zum näheren quantitativen Studium dieser Verhältnisse hat Ehrlich
zwei Grenzwerte eingeführt, die er als L© (limes »Null«) und L^ (limes
»Tod«) bezeichnet. Die zahlenmäßige Bedeutung dieser BegriflFe ist
folgende:
Lq ist diejenige Menge der zu prüfenden Giftlösung, ausgedrückt in
Gifteinheiten (letalen Dosen), die, mit einer Immunitätseinheit vermischt,
von dieser völlig neutralisiert wird; so neutralisiert, dass gar keine
Giftwirkungen in die Erscheinung treten. Dieses Gemisch einer Im-
munitätseinheit mit dem Maximum der Giftlösung versetzt, so dass eben
noch keine physiologische, toxische Wirksamkeit erfolgt, ist physiolo-
gisch neutral.
Der Punkt Lo ist nicht leicht einwandsfrei zu bestimmen, da es
schwer mit absoluter Sicherheit festzustellen ist, ob eine Giftlösung
gerade noch eine schwache Wirkung ausübt, oder gar keine mehr. In-
folgedessen hat Ehrlich noch einen zweiten Wert eingeflihrt: Lf ist
diejenige Menge der zu prüfenden Giftlösung in Gifteinheiten (letalen
Dosen), die zu einer Antitoxineinheit zugesetzt gerade noch hinreicht,
um ein Meerschweinchen von 250 g in 4—5 Tagen zu töten. Diese
Mischung enthält dann eine letale Dosis in freiem Zustande. Dieser
Punkt ist leicht und einwandsfrei bestimmbar. Die Differenz Lf — L©
nennt Ehrlich D. Sie mUsste, wie ersichtlich, bei reinen Giften =
1 letalen Dosis sein, ist aber in Wirklichkeit stets höher, was
von großer Bedeutung flir die Erforschung der Konstitution der Gifte
ist (s. u.)
Diese Schwellenwerte sind nun, abgesehen von ihrer praktischen
Bedeutung für die Serumprüfung, von ungemeinem Werte flir die
Untersuchung der Konstitution der Giftlösungen, besonders des Diphthe-
riegiftes geworden. Denn mit ihrer Hilfe ist es Ehrlich gelungen,
die Zusammensetzung der Giftbouillon in Bezug auf Toxine und Toxoide
festzustellen. Er hat dabei Verhältnisse von sehr großer Kompliziert-
heit gefunden, deren letzte Rätsel wohl noch die nächste Generation
beschäftigen werden.
Die Bedeutung dieser Schwellenwerte flir die Bestimmung des Ge-
haltes der Giftlösungen an Toxin und Toxo'iden geht aus folgenden
Befunden hervor:
Die Antitoxineinheit ist eine nach einem bestimmten Gift einge-
stellte Größe, die vorläufig nicht wieder reproduzierbar ist, sondern nur
dadurch festgelegt worden ist, dass Ehrlich ein einmal titriertes Serum
von 1700 facher Stärke unter besonderen Kautelen (Vacuum, Dunkel-
"') Auf die Existenz derartiger angiftiger, aber immunisierender Bakterien-
produkte haben schon vorher u. a. Fränkel (cit. n. Ehrlich, D. m. W., 1891, 978)
und Arokson (Berl. kl. Woch., 1893, 625) hingedeutet.
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heit, Eis, Trockenheit) aufbewahrt hat, und an diesem Serum nach
zweckmäßiger Verdünnung neue Testgifte einstellt, die dann wieder zur
Prüfling neuer Sera dienen. Bei dem ursprünglichen Normalgift ent-
sprach eine Antitoxineinheit 100 letalen Dosen, zu einer Neutralisation
einer Immunitätseinheit also würden von diesem BEHRiNGschen Nor-
malgift 100 letale Dosen gehören, d. h. L© ist gleich 100. Es ist
diese zahlenmäßige Beziehung aber durchaus nicht für alle Gifte not-
wendig, es könnten auch Gifte existieren, bei denen ein größerer Teil
der Immunitätseinheit von nichtgiftigen Haptinen, von Toxoiden in
Anspruch genommen würde, so dass nur noch ein geringerer Teil von
wirklichem Toxin, dessen Menge sich in den Gifteinheiten ausdrückt,
gebunden wird, d.h. I^ wird dann kleiner als hundert. Beiden
meisten frischen Giften ist dies aber nicht der Fall, L^ ist bei ihnen
wirklich bei 100, d. h. diese flischen Giftie sind thatsächlich gleich dem
Normalgift Behrings konstituiert.
Anders aber gestaltet sich die Bestimmung bei älteren Giftlösungen,
wie wir bereits oben angedeutet haben; hier ist ein Teil des Toxins in
Toxoüde übergeführt, d. h. L© wird kleiner; es genügen weniger
Gifteinheiten bei gleicher Menge in Raummaß, um die Neutralisations-
stufe zu erreichen. Andererseits giebt es aber auch Gifte, deren Relativ-
gehalt an echtem Toxin höher ist, als der des BEHRiNGschen Normal-
giftes, so dass wir zu der folgenschweren Annahme gezwungen sind,
dass auch schon die frischen Gifte nicht nur giftige Haptine,
Toxine enthalten, sondern auch relativ ungiftige, die Ehrlich von den
erst sekundär entstehenden Toxoiden unter dem BegriflF der Toxone
abgetrennt hat. Die Bestimmung von L© führt also zu folgendem
Resultat:
Jede Giftlösung enthält schon in frischem Zustande neben dem
echten Toxin ungiftige Haptine, Toxone, die bei den meisten frischen
Giften in einem so konstanten Verhältnis zu den echten Toxinen stehen,
dass ftlr die meisten frischen Gifte Lo = 100 ist. Bei' einigen Gift-
lösungen finden sich indessen auch relativ mehr oder weniger Toxone,
so dass Lo schon bei frischen Giften bisweilen größer oder kleiner
als 100 sein kann. Bei allen Giften aber entstehen dann sekundär
beim Ablagern der Gifte aus dem Toxin Toxoide, die dann unter allen
Umständen Lq herabdrücken.
Auf die Art und Weise, wie die Toxine sich in Toxoide verwandeln,
und vor allem die quantitativen Verhältnisse dieser Umwandlung werden
wir erst später eingehen können; jetzt soll uns zunächst die Bedeutung
des Lt- Grenzwertes beschäftigen. Während nämlich die sekundär
entstehenden Toxoide auf die Größe der Lo-Dosis entscheidenden
Einfluss haben, sind sie, wie Ehrlich festgestellt hat, für Lt und
damit auch D ohne Einfluss.
Es sind nämlich a priori drei Arten von Toxoiden denkbar: Zunächst
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solche, die eine höhere Affinität zum Antitoxin besitzen als das Toxin,
also sich zuerst, vor dem Toxin, an das Antitoxin binden, und even-
tuell imstande sind, schon bestehende Bindungen zwischen Toxin und
Antitoxin wieder zu ihren Gunsten zu lösen. Dies sind die Pro-
toxoide.
Eine zweite Kategorie sind die Syntoxoide, die die gleiche Affi-
nität zum Antitoxin besitzen, wie das Toxin, also Bindungen unbeein-
flusst lassen und in ihrer Bindung mit dem Antitoxin vom Toxin eben-
falls unbeeinflusst bleiben; schließlich kann es noch Epitoxoüde geben,
die schwächere Affinität zum Antitoxin besitzen und von dem Toxin
aus dieser Bindung wieder in Freiheit gesetzt werden können. Der-
artige Epitoxoide entstehen nun, wie Ehrlich feststellen konnte,
nicht sekundär, sondern finden sich schon in den frischen Gift-
lösungen: sie sind identisch mit den oben erwähnten Toxonen.
Aus dieser Erwägung ergeben sich für die Bedeutung der ToxoYde
und Toxone für Lf resp. D folgende Gesichtspunkte:
Die sekundär entstehenden Toxoide, also Pro- und Syntoxoide
sind auf Lf ohne jeden Einfluss, wie eine sehr einfache Ueber-
legung zeigt.
Gesetzt, wir hätten ein neutrales Gemisch von Antitoxin einer-
seits, von Toxin und Protoxoid andererseits, so können wir diesen
Gleichgewichtszustand durch eine Formel wie folgt, bildlich ausdrücken :
90 Toxin - Antitoxin + 10 Protoxoid - Antitoxin = physiologisch
neutral (Lo). Nun fügt man, um L^. zu suchen, neue Giftmengen des-
selben Giftes zu. Es können dabei keine Veränderungen in den bereits
vorhandenen Bindungen zwischen Toxin und Antitoxin, sowie Protoxoid
und Antitoxin eintreten, die etwa noch zugesetzte Toxindosen neu
binden, also für L^ verschwinden machen: d. h. sobald die zugesetzte
Giftmenge noch eine letale Dosis dem neutralen Gemisch zuführt, ist
hf erreicht, wie es die Theorie für reine Gifte fordert; bildlich ließe
sich das so ausdrücken
90 T-A + 10 P-A + 1 Toxin = Lf
Das Vorhandensein von Protoxol'den kann also nicht be-
wirken, dass Lf — Lo (D) größer als eine letale Dosis wird.
Ebensowenig können die Syntoxoide darauf Einfluss haben, D zu
erhöhen. Auch sie werden in ihrer Bindung durch Toxinzusatz nicht
beeinflusst, der Zusatz von neuem Giftgemisch bewirkt L+, sobald zu
Lo eine letale Dosis zugefügt wird.
Sämtliche sekundären Toxoide sind also auf D ohne
Einfluss.
Ganz anders aber gestaltet sich das Bild, wenn wir die Toxone
daraufhin untersuchen.
Lassen wir jetzt die für diese Frage gleichgiltigen Toxoide beiseite
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und bezeichnen wir ein neutrales Gemisch von Toxin und Toxon mit
Antitoxin (Lo) folgendermaßen:
90 T-A -h 10 Toxon-A = L«.
Jetzt setzen wir neue Giftmengen hinzu.
Setzen wir zunächst eine Quantität hinzu, die gerade eine Toxin-
einheit enthält, so finden wir, dass dadurch noch keineswegs Lf erreicht
werden kann; denn das Toxin setzt eine Toxoneinheit aus ihrer
Bindung mit dem Antitoxin in Freiheit; an Stelle des zugesetzten
freien Toxins finden wir ein freies Toxon nach folgendem Schema:
90 T-A 4- 10 Toxon-A + 1 Toxin=
91 T-A + 9 Toxon-A 4- 1 Toxon (frei) = W-
So geht es fort bis sämtliche Toxone frei sind. Dann erst er-
zeugt die nächste Toxineinheit Lf :
100 T-A + 10 Toxone (frei) = Lo
100 T-A + 10 Toxone + 1 Toxin = Lt !
Wir hätten also bei diesem Schema nicht eine, sondern elf Gift-
einheiten zu Lo zuzufügen, ehe Lt eintritt, D ist also = 11!
Wir sehen also, dass die Toxone die Eigenschaft haben,
die Differenz D über die theoretisch für reine Gifte gefor-
derte Größe »Eins« hinaus zu vergrößern.
Die Relativmenge derartiger Toxone schwankt sehr beträchtlich, in-
folgedessen ist auch D eine sehr wechselnde Größe: Ehrlich fand sie
bei elf Giften zwischen 1,7 und 28 Gifteinheiten schwankend.
Die Zahl D ist also nach Abzug der schließlich definitiv
wirksamen einen Gifteinheit (D — 1) das Maß ftlr die Menge der
in den Giftlösungen vorhandenen Toxone. Dadurch, dass diese Ab-
weichungen der Zahl D schon bei frischen Giften vorkommen, und sie
sich beim Aelterwerden des Giftes nicht ändert, wenn sich Lo ver-
kleinert, lässt sich erweisen, dass die Toxone nicht sekundär entstehende
2ierfallsprodukte des Toxins, sondern primäre Bakterienprodukte, un-
giftige Haptine sind.
üebrigens sind sie physiologisch nicht ganz unwirksam; ihre Wirkungen
kann man in der von Ehblich so genannten »Differentialzone« studieren,
d. h. zwischen Lo und L+, wo nach seiner Anschauung freie Toxone vor-
handen sind. Sie zeigen geringe, von den Wirkungen kleiner, nicht tödlicher
Toxindosen wesentlich abweichende Giftwirkungen, auf die wir noch zurück-
kommen werden.
Besonders wichtig sind die Entdeckungen von Madsen, dass man mit
Giftgemischen in der Diflferentialzone, die also nur noch Toxone frei enthalten,
eine antitoxische Immunität herbeiführen kann, worauf wir an geeigneter
Stelle näher eingehen werden (s. im speziellen Teil b. Diphtheriegift).
Ehrlich hat dann weiterhin durch unendlich mühevolle und schwie-
rige Arbeiten noch Klarheit über die quantitativen Verhältnisse der
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Gifte lind die zahlenmäßigeD Bedingungen ihres Zerfalls zu schaffen
gesucht. Es ergaben sich dabei Verhältnisse von ungemeiner Kom-
pliziertheit, auf die wir hier nur kurz eingehen wollen.
Ehrlich setzt zunächst für ein jedes beliebige Gift die Formel fest.
Es besteht aus
X Toxoid -h y Toxin + z Toxon.
y ist durch physiologische Wertbestimmung (Feststellung der letalen
Dosis) zu konstatieren, und ist dann = a; z, die Toxonzahl, ist eine
Funktion (F) der ebenfalls zahlenmäßig auszudrückenden Größe D — 1,
die Ehrlich als ß bezeichnet. Die Formelist also für jede bestimmte
Giftlösung zu schreiben:
X Toxoid + a Toxin + F {ß) Toxon.
Die Entstehung der Toxol'de illustriert folgender Versuch:
Die meisten Gifte haben, wie bereits erwähnt, in frischem Zu-
stand die Dosis L© = 100.
So fand Ehrlich, dass eines seiner frischen Diphtheriegifte so be-
schaffen war, dass eine I. E. 0,31 cm^ Gift sättigte. Demnach musste
31
das Gift eine letale Dosis von *wj^ = 0,0031 cm^ besitzen, was that-
sächlich der Fall war. Also war auch bei diesem Gift Lo = 100. Nach
dreiviertel Jahren zeigte dasselbe Gift dieselbe Neutralisations-
menge in cm^ aber die einfach letale Dosis war auf 0,009 ge-
stiegen, Lo war also gleich ca. 33, d. h. schon 33 Gifteinheiten
(in 0,31 cm-^ enthalten) entsprachen der Dosis L©; dann blieb Giftwert
und Lo-Dosis konstant.
Andere Gifte zerfallen so, dass L© = 50 wird, wieder andere zeigen
eine schließlich konstante Lo-Dosis von 25 u. s. w.
Es scheint also, als ob die Toxine entweder so zerfallen, dass die
Hälfte unwirksam wird, oder dass sie sich trichotomisch verändern,
so dass 2 Teile Toxoid und 1 Teil beständiges Toxin sich bilden.
Vor allem hat Ehrlich versucht, die absolute Bedeutung einer
L E. zu ergründen, d. h. zu entscheiden, wievielen Sättigungsein-
heiten die L E. in den aus Toxinen, Toxonen und Toxolden beste-
henden Giften entspricht, wieviel haptophore Gruppen, um es ganz
roh auszudrücken, der Anzahl in einer I. E. entsprechen. Er ist sehr
geneigt, dafür die Zahl 200 anzunehmen. Er gelangt zu dieser Zahl
aus folgenden Erwägungen.
Die frischen Gifte zeigen meist Lo = 100, sie zerfallen nachher so,
dass ihre Lo-Zahlen mit 100 in sehr einfachem Verhältnis stehen; daraus
schließt er, dass die absolute Bindungskraft ebenfalls mit der Zahl 100
sehr einfach verwandt sein müsse. Nun hat man aber nie ein Gift
gefanden, trotz aller Reinigungsversuche, dessen Lo- Zahl höher als 200
gewesen wäre; die höchste Lo-Dosis beträgt sogar bei einem sicher
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noch nicht reinen Gift 160 (Madsen). Aus alledem schließt er, dass
jede Giftboaillon 2U0 Sättignngseinheiten enthalten müsse; dass also
L£. = 200 Sättignngseinheiten ist. Ein absolut reines Gift (ohne
Toxone) würde also in frischem Zustand (also ohne Toxoide) eine Lq-
Zahl voA 200, eine Lf-Zahl von 201 aufweisen.
Dann ist also in der oben aufgestellten allgemeinen Formel x + y + z
= 200, daraus lässt sich dann auch die Menge der Toxone mit Benutzung
der Größen a und ß berechnen, wobei a die Menge der Gifteinheiten, ß die
Größe D — 1 ist. Wenn z die Menge der Toxone ist, so ist bei der An-
nahme von 200 Bindungseinheiten die Menge der Toxine und Toxoide
200 — z. Die Formel jedes Giftgemisches bei Lq ist dann Lo = (200 — z)
Toxin-Toxo'id+z Toxon, alles an Antitoxin gebunden. Um also ein Toxon
in Freiheit zu setzen, braucht man Zusatz von tct^^ , wovon 757^^ ^
' 200 — z' 200 — z
der Toxinanteil ist. Um also z Toxone in Freiheit zu setzen, braucht
fW
man ™c a. Dies ist also die Menge von Giftlösung, ausgedrückt
in Gifteinheiten, die man zu (I.E.) + Lo zusetzen muss, um ein Gemisch
zu erzielen, in dem sämtliche Toxone frei sind, in dem also eine jetzt
noch zugesetzte Gifteinheit Lf herbeiftlhrt, die Menge ^^ a ist
also = D — l=ß. Wir haben also um z, die Toxonmenge einer Gift-
bouillon zu finden, eine Gleichung mit einer Unbekannten:
'^=200^^7^'
woraus folgt
200/9 *)
""- « + /? '
Bechnet er mit Hilfe dieser Formel die Toxonzahlen ftir die von ihm
untersuchten Giftie aus, so findet er auch für die Toxone Zahlen, die
mit 100 sehr einfach verwandt sind, z. B. 100, 50, 25, oder 33, 66 u. s. w.
Nach diesen einfachen Beziehungen ist es möglich, durch Feststellung
von a und ß jederzeit auf Grund der Annahme von 200 Sättigungsein-
heiten die Immunitätseinheit, die vorher nur eine empirische Maßein-
heit war, zu reproduzieren, da es möglich ist, dadurch den Toxinanteil
und den Toxonanteil zu bestimmen, d. h. bei frischen Giften, die Toxoide
nicht enthalten, die gesamte Konstitution klarzulegen. Die meisten
Gifte scheinen in frischem Zustande aus 100 Teilen Toxin und 100 Teilen
Toxon zu bestehen.
♦) /9(200--z) = az; 200^9 — i9z=- az; az-{-ßz = 2Q0ß;
200 jg
z(a + /J)«200/J; z =
a + ß
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Die Umwandlung des Toxins in Toxolde wird zumeist durch einfaches
Lagern der Gifte erreicht; hierbei bleibt dann gewöhnlich die Lq-DosIs nach
einiger Zeit konstant, die Umwandlung macht bei einer bestimmten Grenze
Halt und neue Toxolde entstehen nicht mehr*). Doch scheint diese Eegel
nicht ohne Ausnahme, wenigstens hat Madsen^j, der in seiner Arbeit eine
völlige Bestätigung der EHiiLiCEschen Untersuchungen gegeben hat, ein Gift
beschrieben, dessen Entgiftung dauernd fortzuschreiten scheint. Er fand bei
der letzten Bestimmung Lq schon auf 10, L^ auf 15 herabgesunken, so dass
er es ffli* möglich hält, dass die Bouillon allmählich völlig ungiftig werden
und nur noch Toxolde enthalten möge.
Interessant ist femer, dass auch die Toxone nicht unverändert bleiben,
wie sowohl Ehklich als auch Mausen fanden. Bei ihnen leidet die hap to-
phöre Gruppe, es tritt Toxonoirdbildung auf, dies drückt sich dadurch
aus, das Lo sich erhöht, denn wenn aus einem Gemisch von 100 Toxin :
100 Toxon ein Teil der Antitoxin bindenden Toxone sich an der haptophoren
Gruppe ändert und so durch Bindung nicht mehr nachweisen lässt, so wird
natui'gemäß der Toxinanteil an den 200 Sättigungseinheiten größer als 100.
Dass man Lo-Werte von z. B. 133, den Mausen bei einem Gifte fand, schon
in frischen Giften konstatieren kann, führt er als wahrscheinlich darauf zurück,
dass Toxonoidbildung schon in der allerersten Zeit während der Toxinpro-
duktion vor sich gehen möge.
Das Licht wirkt nach Madsen auf beide Gruppen, sowohl die haptophore
als die toxophore, schädigend; er fand bei einem dem Sonnenlicht ausgesetzten
Giftgemisch, dass zwar die Toxizität stark abnahm, gleichzeitig aber Lq und
Lf zunahmen; das Toxin verschwindet schließlich in seiner Spezifität ganz,
aber das Gemisch bleibt darum doch giftig; die Tiere sterben an Kachexieen,
man findet aber bei der Sektion nichts für das Diphtheriegift Charakteristi-
sches; es bilden sich also unter dem Einfluss des Lichtes, sit venia verbo,
giftige Toxolde.
Ehrlich hat sich mit allen diesen mühevollen Untersuchungen, durch
wiederholte Bestimmungen der L©- und L+- Dosis Aufschluss über die
Konstitution des Diphtheriegiftes zu gewinnen, nicht begnügt; er ist durch
Anwendung einer zweiten, noch scharfsinnigeren Methode weiter in ihre
Geheimnisse eingedrungen.
Wenn man die Hypothese zu Grunde legt, dass die Toxoide, Toxine
und Toxone verschiedene Avidität zum Antitoxin besitzen, so ergiebt
sich das Postulat, dass sie sich auch nicht in gleicher Verteilung an
eine gegebene Menge Antitoxin binden. Das ist schon durch die Be-
stimmung der Lf- Dosis wahrscheinlich gemacht; bewiesen kann es erst
durch eine direkte quantitative Untersuchung der verschiedenen Avidität.
*) Dieser Standpunkt pflegt nach einem Jahr meist erreicht zu sein. Infolge-
dessen werden zur Serumprüfang nur solche Gifte verwendet, die in größeren
Quantitäten (4—5 1 Bouillon] unter einer hohen Toluolschicht 1 Jahr lang gelagert
sind. (DÖNiTZ^ Ber. üb. die Thätigkeit des Egl. Instituts f Seramforschung u.s.w.
S. A. a. d. »Klin. Jahrbuch* Vn (1899).
>) Madsen, Constitution du poison diphth^riqtie. Ann. Fast, XIII, 668, 1899.
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— 41 —
Dies hat Ehrlich und nach ihm Madsen (1. c.) in folgender Weise be-
werkstelligt: Wenn man zu 200 Sättigungseinheiten (bei frischen Giften
also 100 Gifteinheiten) eine Immunitätseinheit zusetzt, so ist das Ge-
misch physiologisch völlig neutral (Lo). Vennindert man nun die Menge
der zu derselben Giftmenge zugesetzten Antitoxinmenge, setzt man ge-
messene Bruchteile von 1 1. E. (200 Bindungseinheiten) hinzu , so wird
allmählich die Giftigkeit wieder in die Erscheinung treten, es wird freies
Toxin übrigbleiben. Bestände die Giftbouillon aus reinem Toxin, so
würde sofort bei einer Verminderung um 1 Bindungseinheit Antitoxin
eine Gifteinheit freiwerden, bei 2 B. E. 2 T u. s. w. bis die 200 T sämt-
lich freigeworden sind. Enthielte die Giftbouillon außer dem Toxin nur
noch ungiftige Haptine von gleicher Avidität, so würde jede Vermin-
derung um 1 B. E. einen Bruchteil einer Gifteinheit freisetzen, aber
diese Erscheinimg würde sich ganz gleichmäßig vollziehen, so dass,
wenn eine Verminderung um 20 B. E. 10 T in Freiheit ließe , eine
solche um 100 B. E. 50 T freilassen würde. Ganz anders aber ge-
staltet sich die Sache, wenn hier StoflFe von verschiedener Affinität
vorhanden sind. Dann werden bei eintretender Verminderung von B.-E.
zuerst die Haptine freigemacht, die die geringste Affinität besitzen,
(die Toxone), dann die von mittlerer Avidität (die Toxine und Syn-
toxoide), und erst ganz zum Schluss die mit der größten Verwandt-
schaft ausgestatteten (Protoxo'ide). Oder anders ausgedrückt, wenn man
eine gegebene Giftmischung mit steigenden Antitoxindosen sättigt, so
werden sich erst die Protoxo'ide, dann die Toxine und zum Schluss erst
die Toxone absättigen.
Diese von der Theorie geforderten Verhältnisse lassen sich nun
experimentell erweisen. Wenn man von 200 : 200 herabgeht, so treten
bis zu einer gewissen Grenze keine Toxinwirkungen, sondern nur die
oben erwähnten, andersartigen Toxon Wirkungen auf (Zone der freien
Toxone.) Geht man unter diese Grenze herunter, so sind die Verhält-
nisse verschieden, je nachdem das Gift nur noch Toxine enthält
(frische Gifte) oder aber auch noch Syntoxoide und Protoxo'ide.
Im ersteren, einfacheren Fall bringt dannjede Verminderung
um ^jy^ I. E. (eine B. E.) eine letale Dosis in Freiheit und dies
100
setzt sich bis zu Ende fort. Meist wird diese Grenze bei öqq liegen.
Dann hätte man also:
200
X ccm Gift (100 letale Dosen) -f- gg^ I. E. =
150
X ccm Gift -f- g^ = Toxonwirkung
^ ^.^ 100
X ccm Gift + gjY) == ^^'
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— 42 —
V n-Ä. . 99 IToxinwirkung
X ccm Gift + cinFT = /i 1 X 1 T^ • \
* 200 (1 letale Dosis)
70
X ccm Gift + 2ÖÖ = 30 let. D.
X ccm Gift + 2ÖÖ ^ '^*- ^ ^' ®- ^•
Das »Spectram« (Ehrlich) dieses denkbar einfachsten Giftes würde
sich also so gestalten:
TOXOTV
töo
ISpecCnun eines fHschetv üi/tes.
So einfach liegen nun die Verhältnisse wohl niemals. Erstens sind
die Toxine an sich wiedemm nicht einheitlich in ihrer Ayidität, woranf
wir noch zurückkommen werden, zweitens bilden sich sehr bald Pro-
toxoMe, die die Kurve verändern. Nehmen wir z. B. folgende Zahlen-
reihe:
XGift + ^ =
180
X Gift + 200 = '^^^^^ ^^^^
160
X Gift + 200^ = Toxon frei
100
XGift + gg=60Tfrei
P>0
X Gift + ^ = 100 T frei
Nun stoßen wir auf die ungiftigen Protoxol'de:
XGift + ^= 100 T frei
X Gift + c^= 100 T frei
X Gift + 2^ = 100 T frei
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— 43
Das Spectrum würde aussehen:
ProtoxoUl
^ W i» M 99 S9 M ' 1Ö0
£.Spectru/n/ eines Oi/les im ProiacoidsCacUum.
Eine weitere Komplikation ist die Bildung der Syntoxo'ide (Hemi-
toxinbildnng).
Gesetzt, das Toxin zerfällt in gleiche Teile Toxin und Syntoxoüd,
so gestaltet sich die Absättigung folgendermaßen:
ccm
200
Gift + ^- =
do.
do.
+ ^_lTfi:ei
do.
+ -^g = 2Tfrei
do.
100
+ ivv^ = 30Tfreiu.8.w
Das Spectrum (des gleichen Giftes) nach Syntoxoüdbildung würde so
aussehen:
Mßasselie ßi/t im Ife/nitoxinsCadäim.
In Wirklichkeit gestaltet sich aber das Bild noch viel komplizierter. Ich
will hier auf die Bilder der einzelnen Giftspectra, die Ehrlich und Mausen
publiziert haben, nicht speziell eingehen; ich wollte nur die Prinzipien dieser
Methode erwähnen, und kann mich nun damit begnügen, einfach die Resul-
tate, die sie aus diesen Analysen gezogen haben, mitzuteilen.
Die quantitative Umsetzung von Giften beim Lagern gestaltet sich dem-
gemäß folgendermaßen: Zunächst sind nur Toxine und Toxone vorhanden.
Die Toxine bestehen aus drei verschiedenen Unterarten, die verschiedene
Affinität zum Antitoxin haben, dem Proto-, Deutero- und Tritotoxin.
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— 44 —
Letzteres steht den Toxonen am nächsten. Ferner besteht jede dieser Toxin-
abarten ans zwei Modifikationen, dem a- nnd /!?- Toxin, und zwar zu glei-
chen Teilen. Die cr-Modifikation aller drei Toxine zerfällt sehr schnell unter
Verlust der toxophoren Gruppen: Bildung von Syntoxolfden, Ausbildung des
oben erwähnten Hemitoxinstadiums.
Dann beginnt, schon früh, die Zerstörung der toxophoren Oruppe des
/^-Tritotoxins, die aber nie bis zur völligen Ersetzung des Toxins durch
Toxoi'd fortschreitet, es bleiben stets geringe Toxinmengen in dieser Zone
zurück, z. B. 3:7, 2:8, oder 1 : 9 Toxold, was sich in den Spektren daran
zu erkennen giebt, dass hier noch Giftwirkungen eintreten, dass z. B. bei
1 : 9 eine Verminderung um 10 . B. E. 1 letale Dose freimacht.
Später erst verschwindet auch das /^-Prototoxin (Ausbildung der Pro-
toxol'dzone). Schließlich bleibt also neben einer kleinen Menge /üf-Trito-
toxins nur noch das /:f-Deuterotoxin bestehen; und damit pflegt dann ge-
wöhnlich der Zerfall Halt zu machen; in dieser Form bleibt das Gift durch
lange Zeiten unverändert.
Von diesen Kegeln scheint es bisweilen Ausnahmen zu geben. Sowohl
Ehblich als auch Madsen haben Spectra angegeben, wo schon bei sehr
frischen Giften eine Ausbildung der Protoxoldzone nachweisbar ist, ob-
gleich selbst das or-Deuterotoxin noch intakt ist, so dass noch eine Zone
Volltoxin vorhanden ist.
Doch glaubt Madsen (1. c.) aus der oben erwähnten fortdauernden Ver-
minderung der Toxizität seines reinen Giftes den Schluss ziehen zu müssen,
dass auch das /9-Deuterotoxin nicht gleichmäßig ist, sondern leichter zersetz-
bare Anteile hat, die zu dem Tritotoxin überleiten.
Sehr interessant ist eine Bestätigung dieser außerordentlich kompli-
zierten Verhältnisse dadurch, dass es Madsen (1. c.) mehrfach gelang,
200 S
die nach der oben angegebenen Formel z =- ^ berechneten Toxon-
a + /^
mengen in diesen Spektren mit aller wünschenswerten Genauigkeit
wiederzufinden.
So ergab sich ihm einmal eine berechnete Toxonzahl z = 33,33,
170
und er fand, dass bei ^^ die Tiere sämtlich am Leben blieben, bei
160
20^ dagegen starben, so dass die Toxonzahl darnach zwischen 30 nnd
40 liegen mnss.
Es erhellt des weiteren, dass ein völliges Umbilden gewisser den Toxonen
nahestehender Teile des Tritotoxins die Toxonzone vergrößern muss, denn
die Tritotoxoltde sind dort, wo sie rein auftreten, wo also nicht mehr ein,
wenn auch noch so kleiner Toxinanteil nachzuweisen ist, infolge ihrer den
Toxonen gleichstehenden geringeren Avidität sowohl bei der L+ -Bestimmung
nicht mehr zu erkennen, als auch verschmelzen sie mit den Toxonen, ihrer
völligen Ungiftigkeit halber, bei der Aufstellung der Spectra. So ist also
eine scheinbare Vermehrung der Toxone gegenüber ihrer Menge im frischen
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— 45 —
Gift, die Ehelich nicht anerkannt hat, die aher Mausen (1. c. pag. 819)
gefunden hat, zn erklären.
Eine absolut scharfe Grenze zwischen den einzelnen Bezirken ist
nicht zu konstatieren. Es scheinen vielmehr Uebergänge stattzufinden,
sowohl zwischen Toxonen und Toxinen, wie zwischen diesen nnd Pro-
toxoiden, soweit man nicht solche unscharfe Uebergänge mit Madsen
auf den Einfluss verschiedener Konzentrations- nnd Temperaturverhält-
nisse zurttckftihren will, die die quantitativen Bindungsverhältnisse woh
in geringem Maße zu beeinflussen imstande sind.
Die Toxine und Antitoxine im Lichte der
physikalischen Chemie.
Die moderne physikalische Chemie, die unsere Ansichten ttber das
Wesen der chemischen Vorgänge so tiefgreifend reformiert hat, beginnt
seit kurzem auch die physiologisch -chemischen Prozesse zu studieren.
Von wie großem Einfluss diese Vorstellungen und Methoden auf die
Lehre von den Fermenten gewesen sind, habe ich an anderer Stelle^)
auseinandergesetzt. In neuester Zeit beginnt man nun auch die Vor-
gänge, die der Wirkung der Toxine und Antitoxine zu Grunde liegen,
mit Hilfe der kinetischen Vorstellungen der physikalischen Chemie zu
untersuchen. Man kann der Hoffnung Raum geben, dass es auf diesem
Wege gelingen möge, das, was uns Ehrlich durch seine geniale An-
schauungsart vorstellbar gemacht hat, nun auch zahlenmäßig, in mathe-
matischem Ausdruck zu fassen. Vorläufig stehen diese Bestrebungen
allerdings noch im allerersten Anfang.
Die Vorgänge, die sich bei der Bindung der Toxine an die Rezep-
toren der lebenden Zellen vollziehen, sind dieser Untersuchungs-
methode wohl für alle Zeit unzugänglich. So hat man denn naturgemäß
bei denjenigen Prozessen den Hebel angesetzt, wo wir den Ablauf und
das Resultat in vitro verfolgen können, bei der Hämolyse. Auch
hier haben wir es Ehrlich zu verdanken, dass wir für diese Prozesse
im Besitz exakter Messungsmethoden sind.
So behandelt denn die erste wichtige Arbeit auf diesem neuen Gebiet
die Hämolyse einerseits unter dem Einfluss einfacher Blutgifte, anderer-
seits spezifischer blutlösender Haptine, nämlich des Tetanolysins.
Arrheniusä Madsen 2) untersuchen den Verlauf der Hämolyse durch
NH3, KaOH und Tetanolysin.
Als Testobjekt für die Hämolyse wurde eine 2,5 proz. , vom Serum
gut ausgewaschene Emulsion von Pferdeblutkörperchen benutzt, je nach
1) Oppenheimer, Die Fermente und ihre Wirkungen. 2. Aufl. Leipzig 1903.
2) Arrheniüs & Madsen, Anwendg. d. physik. Ch. auf d. Stud. der Toxine u.
Antitoxine. Z. pbysik. Ch., 44, 1 (1903).
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— 46 —
Bedarf in isotonischer ClNa- oder Rohrzuckerlösung. Die Messung des
Grades der Hämolyse geschah kolorimetrisch durch Vergleichung mit
Pferdeblutlösungen, indem sie die Farbstärke einer Lösung von 2,5 ccm
Blut in 100 ccm dest. Wasser = 100 setzten und durch entsprechende
Verdünnung eine Farbskala herstellten.
Für Vergleiche ist bei gleichbleibender Blutmenge (stets 10 ccm der
obigen Aufschwemmung) nur dasjenige verhältnismäßig enge Intervall
geeignet, bei dessen unterer Grenze die Hämolyse gerade beginnt und
bei dessen oberer Grenze sie komplett ist.
Als erstes Resultat ergab sich dann, dass mit zunehmender Toxin-
menge*) die Hämolyse sehr schnell zunimmt, und zwar in grober An-
näherung so, dass sie proportional ist dem Quadrat der Toxin-
konzentration.
Die »Konzentration« des lösenden Agens ist nun nicht ohne
weiteres der zugesetzten Menge entsprechend. Bei NH3 und NaOH
wird nämlich eine gewisse Menge an die Blutkörper gebunden, die in
der Konzentration nicht mitspricht. Beim Tetanolysin ist diese Biur
düng so schwach, dass diese Zahlen Keiner Korrektur bedürfen.
Aus diesem Grunde lässt sich für NH3 und NaOH eine untere Grenze
finden, wo die Hämolyse ganz ausbleibt, für Tetanolysin nicht.
Es wurden nun Versuchsreihen angestellt, in denen einerseits der
Prozentgehalt an Blutkörperchen, andererseits die Menge des »Toxins«
(in obigem Sinne) variiert wurde. Der einfachste Fall ist der, dass das
Toxin in einem derartigen Ueberschuss vorhanden ist, dass stets kom-
plete Hämolyse eintritt. Trägt man in diesem Fall den Prozentgehalt
des Blutes auf die Abszisse, den Grad der Hämolyse als Ordinaten auf,
so bildet das Ordinatensystem naturgemäß eine ansteigende gerade Linie.
Ist aber die Menge des Toxins geringer, so stellt nur der Anfangsteil
der Kurve eine gerade Linie dar, solange nämlich die Blutmengen noch
so gering sind, dass die Hämolyse komplet ist.
Wächst aber die Blutkonzentration weiter, so tritt nach kurzem
Ansteigen der Punkt ein, wo das gesamte »Toxin« (NH3 später als
NaOH) gebunden ist, und die Kurve wieder absinkt. Die Form dieses
Maximums ist bald spitzer, bald flacher, was von der verschiedenen
Festigkeit der Bindung an die Blutkörperchen abhängt. Diese Details
über die Wirkung verschiedener anorganischer einfacher »Toxine« in-
teressieren uns hier nicht.
Sehr wichtig ist nun aber, dass dieses Maximum beim Tetanolysin
fast völlig fehlt, resp. nicht sicher erkennbar ist. Andererseits liegt
^) Arrhenius & Madsen benennen die blntlösenden Agentien mit dem Sammel-
namen »Toxine«, während sie das spezifische Haptin »Lysin« nennen. Diese
Anwendung des Begriffes Toxin, die der jetzt glücklich erreichten Beschränkung
auf Haptine nicht folgt, ist leider geeignet, Verwirrung zu stiften.
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— 47 —
dieses schwache Maximum schon bei einer viel geringeren Blutkonzen-
tration als bei NHs u. s. w. Daraus folgt einerseits, dass die Bindung
des Tetanolysins an die Blutkörperchen eine sehr viel schwächere ist,
als die der anorganischen Agentien, dass sie aber andererseits so lang-
sam eintritt, dass auch noch der Anteil wirksam ist, der noch verankert
werden könnte, während bei den Bindungen von NHa u. s. w. die An-
kuppelung so schnell erfolgt, dass eben nur der thatsächliche üeber-
schuss an »Toxin« zur Wirkung gelangt.
Dieses Ergebnis, dass das Tetanolysin zu den Rezeptoren der Ery-
throcyten eine so schwache Affinität besitzt, könnte man als Waffe gegen
die allgemeine Lehre der spezifischen Bindung benutzen.
Wir werden auf diese Frage der schwachen Bindung bei der Dis-
kussion der Beziehungen zum Antitetanolysin zurückkommen.
Beaktionsgesohwindigkeit der Eämolyse.
Die Messung der Reaktionsgeschwindigkeit ist eines der wichtigsten
Mittel, um näheren Aufschluss über das innere Wesen chemischer Vor-
gänge zu gewinnen. Abrhenius & Madsen maßen die Zeit, innerhalb
deren die Hämolyse bis zu einem bestimmten Punkte vorschreitet.
Zu diesem Zwecke ließen sie einen üeberschuss von »Toxin« eine
bestimmte Zeit auf gleiche Blutmengen (die gleich 100 gesetzt werden)
einwirken; durch Abkühlen wurde die Hämolyse unterbrochen, zentri-
fugiert und der Grad der Hämolyse bestimmt. Da die Menge der ge-
lösten Blutkörper in der Zeiteinheit abhängig ist von der Zahl der noch
vorhandenen (100 — x) ungelösten, so gilt folgende Gleichung:
oder integriert
1. || = K(100-x)
2- '"'^=K"'-'''
Der Versuch zeigte nun, dass K nicht konstant ist, sondern während
der Dauer des Versuchs sehr rasch anwächst. Das wird daraus erklärt,
dass die Membranen der Blutkörperchen zunächst dem Eindringen des
Toxins einen Widerstand entgegensetzen, welcher mit der Zerstörung
der Membran immer kleiner wird.
Es werden zunächst ttberhaupt keine Blutkörper angegriffen, sondern
die Hämolyse tritt erst dann in die Erscheinung, wenn die ersten, am
wenigsten widerstandsfähigen Membranen nachgeben. Es ist also eine
aus dieser Widerstandsfähigkeit folgende »Induktionszeit« der Hä-
molyse notwendig, die hier in diesen Fällen sehr leicht erklärlich ist.
Diese Methode gab deshalb keine zuverlässigen Werte. Die Ver-
fasser prüften deshalb, ob die doppelte Menge »Toxin« in der halben
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— 48 —
Zeit dieselbe Wirkung hat, wie die halbe in der doppelten Zeit. Es
ergab sich, dass, nach Anbringung der nötigen Korrekturen für Ver-
änderung des Volums, dieses Verhältnis annähernd existiert, d. h.
dass die Reaktionsgeschwindigkeiten proportional den Toxin-
konzentrationen sind. Das gilt fttr NH3, NaOH, und Tetanolysin.
Für die Menge umgewandelter Blutkörperchen ergiebt sich wenigstens
für geringe Grade (wo x also klein ist) die Beziehung (a = Toxinmenge)
nach Integration
Vx = 2Kat
in Worten : die hämolysierte Menge Blut ist nicht nur dem Quadrat der
Reaktionszeit, sondern auch dem Quadrat der Toxinmenge proportional,
eine bereits ganz oben empirisch festgestellte Thatsache.
Die Zunahme der Reaktionsgeschwindigkeit mit der Erhöhung
der Temperatur beträgt für 10^ bei NH3 und bei NaOH 2,76:1,
bei Tetanolysin 3,04 : 1. Die relative Reaktionsgeschwindigkeit von
NHs : NaOH beträgt 2,24 : 1. Sie ist also durchaus imabhängig von der
Konzentration der OH-Ionen. Es sind also nicht die OH-Ionen, die
das eigentlich wirksame Agens der Hämolyse darstellen.
Neutralsalze der Alkalien hemmen die Wirkung der zugehörigen
Basen stark. Die Wirkung des Salzes wächst ungefähr entsprechend
der Kubikwurzel aus seiner Menge. Besonders stark wirken Ammonium-
salze hemmend. Auf die Wirkung des Tetanolysins haben Salze (nur
in größeren Mengen) einen verstärkenden Einfluss. Normales Blutserum
und Eieralbumin hemmt die Wirkung der »Toxine«, besonders stark
aber die des Tetanolysins. Wir haben also auch hier die Hemmung der
aktiven StoflFe durch das normale Blutserum, die bei den Fermenten
eine so große Rolle spielt. Es wird sich wohl auch hier um das Vor-
kommen von normalen Rezeptoren als Antikörper handeln.
Beziehungen zwischen Toxin und Antitoxin.
Diese Versuche wurden von Arrhenius & Madsen am Tetanolysin
angestellt. Die Methode ist eine Erweiterung der oben geschilderten
EHRLiCHSchen Methode der inkompletten Sättigung.
Die Verfasser setzten zu einer stets gleichbleibenden Toxinmenge
(2 cm 3 einer 2 proz. Tetanolysinlösung) steigende Mengen Antitoxin (in
0,0025 proz. Lösung) und prüften die Toxizität dieser Mischung, d. h.
die Menge, die zu 10 cm^ 2,5 proz. Pferdeblut zugesetzt einen bestimmten
Grad der Hämolyse bewirkt. Unter Berücksichtigung der Volumverhält-
nisse ist die Formel für die Toxizität
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G =
- 49 —
1 10 + x
X 10
wenn x die beobachtete toxische Menge ist.
Dabei stellt sich zunächst durch Beobachtung heraus, dass mit
zunehmender Antitoxinmenge die nötige Menge x stetig wächst,
und dementsprechend G stetig abnimmt. Es liegt also beim Tetano-
lysin kein Grund vor ein treppenförmiges »Giftspectrum«
(siehe oben) anzunehmen. Im Gegenteil folgen die Beziehungen zwi-
schen Toxin und Antitoxin einer stetigen Kurve. Diese Kurve ist
sehr ähnlich der, die das Gleichgewicht zwischen einem teilweise
dissoziierten Körper imd seinen Dissoziationsprodukten darstellt. Es
besteht also zwischen freiem Toxin und Antitoxin einerseits und ihrer
Verbindung andererseits ein Gleichgewichtszustand, so dass alle
drei Komponenten vorhanden sind. Dies weicht von der EHRLiCHschen
Grundanschauung gerade so ab, wie wir es oben für die Bindung Lysin —
Zelle angeführt haben. Denn Ehrlich nimmt für das Diphtheriegift
eine feste Bindung Toxin —Antitoxin an, so dass nur der reelle Ueber-
schuss der einen Komponente wirksam sein soll Wir werden darauf
unten zurückkommen.
Arrheniüs & Maosen haben diese Beobachtungen auch noch durch
eine theoretische Berechnung von und x ergänzt. G folgt aus dem Ansatz:
Freies Toxin Freies Antitoxin /Toxin — Antitoxinverbindung \2
' m Yöi. "■ \ VÖL / *
Die Menge des dreien und des gebundenen Toxins lässt sich auf einem kompli-
zierteren Wege berechnen : Als Einheit der Toxinmenge wird die angenommen,
die in 1 cm' einer Iproz. Lösung enthalten ist. Nun enthalte die ursprüng-
liche Mischung von Toxin mit 10 cm' Blut (ohne Antitoxin) pro cm'
0,23 : 10,23 Einheiten. In einem Versuch mit Antitoxin müssen x cm' zu-
gesetzt werden um dieselbe Farbennuance zu erhalten, d. h. um zu bewirken,
dass dieselbe Menge freies Lysin vorhanden ist. Dann ist das vom Anti-
toxin gebundene Toxin gleich der Differenz zwischen zugefügtem und
freiem Toxin = x : (10 -f- x) — 0,23 : 10,23 und ebensogroß natürlich die
gebundene Antitoxinmenge. Die Menge des zugesetzten Antitoxins (n) ist
auf 4 cm' Lysinlösung verteilt, jeder Einheit des Toxins entspricht also
-- cm' Antitoxin. Ist nun die Relation von Antitoxin zu Toxin in cm' = p,
d. h. sättigt 1 cm' Antitoxin p cm' 1 ßi Lysinlösung ab, so ist
4 X
— .^ . • P die Antitoxinmenge pro cm' .
n 10 + X
Davon ist die bekannte gebundene Antitoxinmenge abzuziehen, wenn man
das wirksame freie Toxin berechnen will. Es ergiebt sich also in die Glei-
chung 1. eingesetzt:
Oppenheimer, Toxine and Antitoxine. 4
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— 50 —
• 10,23 U 10 + x*^ \10 + x 10,22 /J \10 + x 10,23/ *
K und p lassen sich aus den Durchschnittszahlen der Sättigungsversuche
annähernd berechnen, und zwar ist nach 12 Versuchen
K = 0,115 p = 14,55 ,
d. h. 1 cm^ des gebrauchten 0,0025 proz. Antitoxins neutralisieren 14,55 cm^
der willkttrlichen Toxineinheit, oder diese Einheit entspricht 0,069 cm^ Anti-
toxin.
Wenn man aus dieser Gleichung G und x berechnet, findet man eine
sehr gute üebereinstimmnng mit den beobachteten Werten.
Das Gleichgewicht zwischen Toxin und Antitoxin wird
bei großen Antitoxinmengen sehr langsam erreicht. Gleich-
zeitig tritt dann eine Schwächung des Toxins ein, so dass x größer wird.
In derselben Weise gestaltete sich der entsprechende Versuch, bei
dem das Toxin durch Ammoniak, das Antitoxin durch Borsäure ersetzt
wurde. Auch hier trat die neutralisierende Wirkung der Borsäure in
dem Grade ein, dass das Gesetz galt:
(freies NH3) (freie Borsäure) = K (gebundene Borsäure)^,
Aus diesen Versuchen folgt also, dass f Ur das Tetanolysin und seine
Absättigung durch sein Antitoxin ganz ähnliche Gesetze gelten, wie
sie beim Absättigen von Basen mit schwachen Säuren gelten.
Es bleiben stets Anteile der freien Komponenten übrig.
Daraus werden nun Angriffe auf die EHRLiCHsche Lehre von den
Giftspektren abgeleitet.
Wenn man die Kurve der Absättigung von Ammoniak durch Bor-
säure konstruiert, so findet man, dass die erste zugesetzte Menge 1
50^ NH3, die zweite Menge 1 nur noch 16,7^, die dritte Menge 1
noch 8,3 X des Ammoniaks absättigt und könnte daraus den Schluss
ziehen, dass die erste Absättigungsquote ein sehr viel toxischeres NH3
trifft als die späteren; d. h. das Ammoniak bestände aus verschieden
toxischen Anteilen, die mit verschiedener Avidität gebunden werden,
und deren Avidität in einfachen Verhältnissen steht. Man sieht, dass
hiermit die EHRLiCHSchen Ausfuhrungen über Proto-, Deutero- u.s.w.
Toxine getroffen werden.
Man darf also nach M. u. A. für das Tetanolysin nicht die Verhältnisse
als Analogieen benutzen, die sich bei Absättigung starker Basen und
Säuren herstellen, wie dies Ehrlich für das Diphtheriegift gethan hat.
Bei starken Säuren und Basen ist die Menge der freien Komponenten
außerordentlich klein, es ist praktisch nur die Verbindung und
der Ueberschuss der einen Komponenten in Wirksamkeit. An diesem
Maßstab gemessen, weicht also die Sättigungskurve des Diphtheriegiftes,
wie Ehrlich gezeigt hat, sehr beträchtlich von der einfachen Kurve
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— 51 —
der Säure-Base-Säktigung ab und legt die Existenz verschieden giftiger
Anteile nahe. Nimmt man aber die bei schwacher Avidität eintretenden
Gleichgewichtszustände zum Maßstab, wie sie beim Tetanolysin
vorhanden sind, so sind diese scheinbaren Aviditäts Verschiedenheiten
ohne Annahme verschiedener Toxinzonen auf Grund des Massen-
gesetzes zu erklären. Es braucht nur ein Toxin und nur ein Anti-
toxin zu existieren, die bei ihrer gegenseitigen Absättigung verschiedene
Gleichgewichtszustände durchmachen, die hinreichen, um die zahlen-
mäßigen Bindungsverhältnisse zu erklären, zu erklären, warum die
Menge des Antitoxins nicht stets der gleichen antitoxisch wirken-
den Energie entspricht.
Diese Ausführungen würden, wenn sie auch für andere Gifte als das
Tetanolysin Geltung fänden, zwar einen nicht sehr erheblichen Teil der
EHRLiCHschen Anschauungen reformieren, aber gleichzeitig und auf exakt
wissenschaftlichem Wege in der Kenntnis dieser außerordentlich wich-
tigen Vorgänge weiterftlhren. Neben diesen Angriflfen auf die Ehrlich-
schen Anschauungen sind nun fast gleichzeitig noch andere Stimmen
laut geworden, die gegen fast dieselben Ideen Ehrlichs Front machen.
Vor allem ist hier die kürzlich erschienene Arbeit Bordets^) zu
nennen, der auf Grund theoretischer Vorstellungen auch dahin gelangt,
eine Art von Gleichgewichten zwischen Toxin und Antitoxin anzu-
nehmen.
Freilich stützen sich diese Ideen nicht auf exakte physikalisch-
chemische Messungen, sondern sind rein spekulativ. Die Beziehungen
zwischen Toxin — Antitoxin sollten entweder gewisse Analogieen mit
den Vorgängen bei der Färbung (Insorption u. s. w.) zeigen, die er
aber gar nicht näher präzisiert — direkte Identitätsbeziehungen lehnt er
geradezu ab — ; oder aber es sollten sich komplexe Verbindungen von
einem Toxinmolekül mit mehreren Antitoxinmolekülen ausbilden. Das
Antitoxin soll sich so über die ganze Toxinmenge verteilen, dass je ein
Teil jedes Toxinmoleküls abgesättigt und seiner Giftigkeit beraubt er-
scheint Im großen und ganzen sind diese Spekulationen, die nicht auf neuen
Thatsachen beruhen, theoretisch ebenso, wenn nicht schwieriger vor-
zustellen, als die EHRLiCHSchen Spectra, die wenigstens auf Grund
einer, wenn auch komplizierten, Hypothese alle Thatsachen erklären.
Im übrigen will die BoRDETsche Annahme eines »teilneutralisierten«
Toxins absolut nicht einleuchten, wenn man nicht auf die alte, glücklich
abgethane »Zerstörung« der Giftigkeit zurückgreifen will.
So wird denn wohl der BoRDETSche Angriff auch nicht geeignet sein,
die EHBLiCHSche Lehre von der Pluralität der Gifte zu stürzen.
Noch weniger haben die verschiedenen AngriflFe Grubers die Ehrlich-
*) BoRDET, Snr ie mode de raction des antitoxines am lea toxinea. Ann. Fast.
XVII, 161 (1903). S. A.
4*
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— 52 —
sehe Position erschüttern können, obwohl sie nichts weniger als den
Sturz der gesamten Seitenkettentheorie beabsichtigten. Sie haben von
Ehrlich 1) eine so gründliche Widerlegung und Abfertigung gefunden,
dass wir an dieser Stelle darauf verzichten können, sie einzeln durch-
zusprechen.
Viel wichtiger erscheinen auf den ersten Blick die auf einwandfreie
Versuche gestützten Einwände von Aerhenius & Madsen gegen
Ehrlichs Annahme von der Vielfältigkeit des Diphtheriegiftes.
Indessen zeigt sich auch hier, dass man auf dem Gebiet der Toxin-
lehre sich vor nichts mehr hüten muss, als vor zu schnellen Verall-
gemeinerungen.
Ehrlichs 2) Erwiderung auf die ARRHENius-MADSENSche Arbeit, die
soeben erschienen ist, hält seine Position durchaus aufrecht.
Ehrlich giebt natürlich die Richtigkeit der gegnerischen Befunde
ohne weiteres zu, aber eben nur fllr das Tetanolysin, dessen Un-
beständigkeit und langsame Bindung er selbst schon vor Jahren erkannt
hat. Er führt einen Versuch an, nach dem die Antitoxinwirkung nach
2 Stunden 40mal so groß war, als unmittelbar nach der Mischung.
Ehrlich bestreitet aber, dass die Feststellungen an diesem unbe-
ständigen und langsam bindenden Gift auf das sehr intensiv und schnell,
nach wenigen Minuten sich an das Antitoxin bindende Diphtheriegift
tibertragen werden dürfen, für das allein seine Spectra aufgestellt
sind.
Er wiederholt in seiner Entgegnung mit großer Eindringlichkeit
nochmals die Gründe, die ihn zur Entwicklung seiner Auffassung von
der komplexen Struktur des Diphtheriegiftes geführt haben, unter An-
führung zahlreicher, zum Teil bisher unveröflfentlichter Einzelthatsachen.
Es würde daher zu weit führen, alle seine Gründe nochmals zu be-
sprechen, da wir fast unsere gesamten Ausführungen über Toxoide und
Toxone wiederholen müssten. So sei nur weniges daraus hervorge-
hoben:
Die Annahme von Toxoiden verschiedener Avidität folgt mit Not-
wendigkeit aus dem allmählichen Absinken der Toxizität unter kon-
stantem Erhaltenbleiben der Sättigungsgröße gegen Antitoxin. Ehrlich
zeigt an dem einfachen Beispiel der Absättigung eines Gemisches zweier
verschiedener Alkaloide, z. B. Chinin und Codem, die verschiedene
Avidität gegen Salzsäure haben, dass hier ganz analoge Sättigungsgrenzen
eintreten, wie sie Arrheniüs & Madsen als Gleichgewichte zwischen
schwachen Basen und Säuren auffassen. Die Kurve kann bei richtiger
Mischung der Alkaloide eine ganz ähnliche Form annehmen.
1) Ehrlich, Toxin und Antitoxin. Münch. med. Woch., 1903, Nr. 33/34. S. A.
2) Ehrlich, üeb. d. Giftkomponenten des Diphtherietoxins. Berliner klin.
Woch., 1903, Nr. 35, S. A.
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— 53 —
Die Protoxolde lassen auch Arrheniüs d Madsen gelten,
Ehrlich zeigt aber zahlenmäßig, dass auch andere Toxoide existieren
müssen.
Eis gelangt ihm ferner, an einem bestimmten Gift durch die Berechnung
der Lt-Dosis nachzuweisen, dass hier die Absättigung Toxin: Antitoxin
genau so erfolgt, wie die einer starken Base durch eine starke Säure,
d. h. dass der Verlauf durch eine grade Linie dargestellt werden muss.
An demselben Gift ließ sich auch der Nachweis fahren, dass in den
weniger aviden Teilen des Toxines eine Tritotoxoidausbildung stattge-
funden haben muss.
Des weiteren lässt sich durch einfache Ueberlegungen der Beweis
führen, dass bei der Umwandlung von Toxin in ToxoKd keine Aviditäts-
änderung statthaben kann.
Da aber nun nach erfolgter Emstellung des Giftes im ßuhestadium
verschiedene Aviditäten vorhanden sind, so müssen diese schon im
frischen Gift, im Toxinstadium vorhanden gewesen sein, womit die
Pluralität der Gifte erwiesen erscheint.
Ehrlich hält also durchaus daran fest, dass schon im frischen
Diphtheriegift Giftvarietäten verschiedener Avidität vorhanden sind,
die nachher zum Teil in Toxoide verschiedener Avidität übergehen.
Auch die Existenz der Toxone als primärer Nebenprodukte der
Thätigkeit des Diphtheriebacillus, die Arrheniüs & Madsen ange-
zweifelt hatten, hält Ehrlich durchaus aufrecht. Besonders zeigt der
Fall eines Giftes ohne Toxone, dass es sich hier nicht um einen »nicht
abgesättigten Giftrest« handeln kann, sondern um meist vorhandene,
selbständige Stoffe mit geringer Avidität zum Antitoxin; denn wenn es
sich um Gleichgewichte handelte, müssten diese bei allen Giften vor-
kommen. Abgesehen von diesem wichtigen Grenzfall ohne Toxone
spricht dagegen auch die ungeheuer große Amplitude in der relativen
Menge der Toxone, die von — 300^ variieren kann.
Für ihre reale Existenz spricht ferner das häufige Abnehmen der
Toxone, die »Toxono'idbildung«, sowie ihre durchaus verschiedene
physiologische Wirksamkeit (s. o.).
Ehrlich schließt aus seinen Ausführungen, dass das Diphtheriegift
aus mindestens drei Giftvarietäten besteht:
1. das Toxin,
2. das Toxon (das Kaninchen akut, Meerschweinchen unter Läh-
mungen tötet),
3. Toxono'ide (bei Kaninchen Lähmungen erzeugend, für Meer-
schweinchen unschädlich).
Ferner hält er aufrecht, dass die Avidität des Diphtherietoxins
zu seinem Antitoxin eine hohe ist, so dass die Absättigungs-
kurve des Reintoxins eine gerade Linie darstellen würde;
die Abweichungen sind nur durch Annahme verschieden avi-
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— 54 —
der Anteile zu erklären. Diese verschieden aviden Anteile
sind im Gifte präformiert.
Sehr nahestehend den anf ihre experimentellen Befände gestützten
Annahmen von Arrhenius & Madsen sind die theoretischen Erörte-
rungen von EisEXBERQ^). Auch er neigt dazu, die Neutralisation von Gift
und Gegengift als Herbeiführung eines Gleichgewichtszustandes zu er-
klären, bei dem außer der festen neutralen Verbmdung noch ein lieber-
schuss jeder der beiden aktiven Komponenten vorhanden ist. Er hoflft,
mit dieser Annahme die Schwierigkeiten beseitigen zu können, die bei
dem Vorhandensein nur der Verbindung mit dem üeberschuss einer
Komponente sich ergeben. Indessen beruht seine Argumentation eben-
falls auf den Verhältnissen anderer Gifte wie der Diphtherie, so des
Tetanusgiftes, der hämolytischen Komplemente und vor allem der
Agglutinine. Dass bei diesen Stoffen lockere Verbindungen mit disso-
ziierten Gleichgewichtszuständen vorhanden sein können, ist sehr wahr-
scheinlich. Aber für das Diphtheriegift scheinen nur die Bindungs-
verhältnisse in Kraft zu sein, die auch Eisenberg als möglich voraus-
setzt, dass nämlich die Menge der freien, dissoziierten Komponenten
sehr gering ist, wie es eben bei festen Verbindungen erforderlich ist.
So gelten Ebrlichs Auseinandersetzungen auch in Bezug auf diese
Verallgemeinerungen, die sich eben auf das Diphtheriegift nicht beziehen.
Es sind darum bei anderen Giften die Verhältnisse durchaus nicht
im vornherein klargestellt: die Frage der Bedeutung der etwa vorhan-
denen Dissoziationen, der quantitativen Beziehungen zwischen Toxin —
Antitoxin muss an jedem einzelnen Gift aufs neue geprüft werden.
Vermutlich wird sich eine ganze Skala von Aviditäten ergeben, die von
ganz lockeren, stark dissoziierten Verbindungen, wie sie beim Tetanolysin
vorhanden zu sein scheinen, zum Diphtheriegift führen. In diesem Sinne
sei noch erwähnt, dass auch beim Ricin scheinbar Gleichgewichts-
zustände vorhanden sind, bei denen in der Nähe des völligen Neutra-
litätszustandes freies Toxin neben freiem Antitoxin sich findet, wie sie
Danyscz^) beschrieben hat, der daran allerdings ganz unhaltbare, den
BoRDETschen ähnliche Spekulationen geknüpft hat. Auf die Thatsachen
werden wir beim Ricin zurückkommen. Man darf aber, wie Ehrlich
immer wieder mit vollem Recht betont, nie vergessen, dass gerade bei
diesen schwachen Bindungen einerseits die Konzentration, andererseits
aber auch die Zeit der gegenseitigen Berührung eine sehr gewichtige
Rolle spielt. Durch eine zu kurz bemessene Reaktionszeit kann also
bei langsam sich verbindenden Komponenten ein zu hoher Dissoziations-
«) M. Eisenberg, D. Bindungsverh. zwischen Toxin und Antitoxin. C. f. Bakt,
34, 259 (1903).
2) Danyscz, Contr. ä l'etude des propr. des melanges des toxines avec leurs
antitox. Ann. Fast., XVI, 331 (1902).
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— 55 — ^
grad vorgetäuscht werden. Wenn Eisenberg also als Beweismittel die
Dissoziation von Schlangengift- Antitoxin bei höherer Temperatur anführt,
so sei daran erinnert, dass nach Martin und Cherry eben diese Disso-
ziation, die zur sekundären Zerstörung des Antitoxins führt, nur sehr
kurze Zeit nach der Mischung noch möglich ist.
Zum Schluss sei noch erwähnt, dass auch in Bezug auf andere
Haptine die Massengesetzüberschätzung nicht zu weit getrieben werden
darf. Im Gegensatz zu £isenbero, der für Agglutinine und Präzipitine
dissoziierte Gleichgewichtszustände als Regel annimmt, weist v. Düngern i)
nach, dass solche Zustände ganz inkonstante Ausnahmen sind, und dass
im allgemeinen die Verbindung Präzipitin — präzipitable Substanz eine
komplette, feste ist. Zur Erklärung der quantitativen Verhältnisse nimmt
er, ganz analog den EHRLiCHschen Ansichten, eine Pluralität der
Präzipitine an.
Wärmetönung der Toxin-Antitoxinwirkung.
Mit Hilfe der van x'HoFFSchen Formel
dlognatK _ W
dt ~ 1,99T2
konnten Arrheniüs & Madsen aus der Aenderung der Dissoziationskon-
stante K die Wärmetönuüg berechnen, die bei der Bindung von 1 Gramm-
molekül Toxin mit 1 Grammmolekül Antitoxin in Freiheit gesetzt wird.
Diese Zahl ist = 6600 Cal (mit einer Unsicherheit von 600 Cal).
Diese Wärmeentwicklung ist fast halb so groß wie die bei der
Absättigung einer starken Base mit einer starken Säure.
Die Endotoxine und die Bakterienproteine.
Die Endotoxine.
Während die Produktion und Wirkungsart der echtenToxine, wie
sie Diphtherie- und Tetanusbazillen bilden, genauer bekannt sind, liegen
die Dinge bei einer großen Reihe von Krankheitserregern, als deren
Hauptvertreter wir die Bakterien der Cholera, des Typhus und den
Bac. pyocyaneus zu bezeichnen haben, wesentlich anders und komplizierter.
Filtriert man eine nur wenige Tage gewachsene Cholerakultur durch
Bakterienfilter, so ist das Filtrat nur in sehr schwachem Maße toxisch.
Es bedarf mehrerer cm^ intraperitoneal, um ein Tier zu töten, und
selbst in diesen Mengen sind die Filtrate nicht für alle Tiere tödlich.
1] V. Dungern, Bindungsverh. bei d. Präcipitinreaktion. C.f.Bakt, 34, 3öö 1903].
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- 56 _
Nimmt man aber den Rückstand des Filtrats, also die abfiltrierten Bak-
terienkörper, und tötet diese durch gelinde Desinfektionsmittel, z. B.
Chloroform, ab, so zeigt sich, dass diese abgetöteten Bazillenleiber eine
hochgradige Toxizität besitzen. Einige Milligramme dieser Bakterien-
leiber genügen, um ein Tier bei intraperitonealer Einverleibung akut
zu töten, unter schweren Kollapserscheinungen. Es ist also hier das
Verhalten umgekehrt wie bei den Diphtheriebazillen, indem in die
Lösung anfangs weniger Gift übergeht, dagegen die toten Bakterienleiber
sehr stark giftig sind. Nimmt man nicht ganz frische, sondern alte
Bouillonkulturen, die mehrere Wochen lang im Brutschrank gestanden
haben, so zeigt sich eine beträchtliche Zunahme der Giftigkeit an den
keimfreien Filtraten. Schon kleinere Dosen genügen, um die Versuchs-
tiere zu töten. Doch erreicht auch unter diesen Umständen die Giftig-
keit dieser Filtrate niemals ähnliche Werte, wie sie bei Diphtherie-
und Tetanusgift vorkommen, wo schon Bruchteile von Milligrammen
tödlich wirken können.
Die Deutung dieser experimentellen Ergebnisse bietet keine Schwierig-
keiten: offenbar haben die Cholerabazillen u. s. w. den größten Teil
ihres Giftes in ihrer Leibessubstanz aufgespeichert. Dieser Teil wird
nur frei, wenn die Bakterien zerstört, aufgelöst werden, wie es im Tier-
körper durch die Säfte geschieht und bei älteren Kulturen spontan vor-
kommt, indem hier eine Menge von Bazillenleibem durch die alkalischen
und sonstigen Produkte der alten Kulturen aufgelöst werden; daher
kommt die oben erwähnte Thatsache, dass in alten Kulturen das Filtrat
viel toxischer wird, eben infolge dieses Auslaugungsprozesses, als bei
jungen Kulturen.
Fragen wir uns nun, welche Stellung diese Gifte nach unserer De-
finition einnehmen: ob sie echteToxine sind, gegen die der Organis-
mus Antitoxine bildet, so ist dabei folgendes festzustellen:
Gegen die in den Bazillenleibem enthaltenen Gifte, die Endo tox ine,
ist es bisher nicht gelungen, ein echtes Antitoxin zu erzeugen. Dem-
gemäß müssen wir bis auf weiteres diesen Giften eine eigenartige Stel-
lung einräumen. Sie lassen sich ausschließlich charakterisieren eben
durch ihre hohe Giftigkeit im Tierversuch. Der flir ihre Zugehörigkeit
zu den echten Toxinen ausschlaggebende Nachweis dagegen, dass sie
getrennte haptophore und toxophore Gruppen besitzen, ist bisher nicht zu
erbringen gewesen.
Anders steht es mit den Gifl;en, die beim Filtrieren in das Filtrat
tibergehen. Für diese ist es gelungen, ein echtes antitoxisches Serum zu
gewinnen, und zwar Ransom, sowie Roux und Metschnikoff für die
Cholera, A. Wassermann fllr den Pyocyaneus (s. dort). Es geschah
dies in der allgemeinen üblichen Weise durch Vorbehandlung der Ver-
suchstiere mit steigenden Dosen der giftigen Filtrate. So erhielt man
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— 57 —
Sera, die die mehrfach tödliche DosiB der giftigen Filtrate sicher zu neu-
tralisieren vermochten.
Demnach ist bei diesen Bakterienarten auf Grund der bisherigen
Versuchsergebnisse das Verhältnis ein derartiges, dass der Hauptteil der
giftigen Substanz in den Bazillenleibem fest haftet und nicht in die
Lösungen tibergeht. Dies sind die Endotoxine, vergleichbar den
Endoenzymen der Hefe und der Bakterien selbst.
Außerdem treten geringe Mengen eines echten Toxins auf, die in
das Filtrat tibergehen.
Die weitere Frage ist nun die, ob wir berechtigt sind, aus diesen
Versuchen zu folgern, dass auch unter natürlichen Verhältnissen, also im
Organismus, die Giftproduktion in derselben Weise sich gestaltet.
Das scheint mit ziemlicher Sicherheit zu verneinen zu sein.
Vielmehr ist es sehr wahrscheinlich, dass die geringen Spuren des
Giftes, welche wir in diesen Kulturfiltraten finden, und die, wie wir
sahen, bei zunehmender Auslaugung in alten Kulturen an Menge etwas
zunehmen, nicht das primäre Gift der Erreger darstellen, das wir
in der Pathologie dieser Infektionskrankheiten beim Menschen in Wirk-
samkeit treten sehen. Der Auslaugungsprozess, wie er sich spontan in
alten Kulturen vollzieht, ist durchaus nicht ein in die Konstitution
dieser labilen Körper wenig eingreifender. In derartigen alten Kulturen
kommen plötzliche starke Veränderungen der Reaktion von Säure zu
starkem AJkali vor: es bilden sich Ammoniakverbindungen und andere
chemische Stoffe, von denen wir wissen, dass sie auf die Bakteriengifte
ändernd und zerstörend einwirken. Demnach dtirfen wir annehmen, dass
selbst diese in die Lösungen tibergehenden geringen Mengen des Cholera-
giftes U.S.W., gegen die man ein Antitoxin erzeugen kann, be-
reits nicht mehr die primären Gifte dieser Mikroben darstellen, die sie
sicher im menschlichen Organismus bilden, sondern vielmehr eine sekun-
däre und beständigere Modifikation, und zwar grtinden wir uns dabei
darauf, dass, wie Wassermann beim Pyocyaneus fand, man gegen dieses
gelöste Gift zwar sicher Antitoxin erzeugen kann; dass aber dieses Anti-
toxin sich doch anders verhält wie bei der Diphtherie. Denn diese
Antitoxine neutralisieren die entsprechende Toxinmenge in beliebig ver-
vielfachten Dosen, wenn man ihre eigene Quantität in derselben Weise
vervielfältigt. Wenn also 10 Dosen Diphtherieantitoxin 10 Dosen Toxin
absättigen, so sättigen 1000 Dosen 1000 Dosen Toxin. Beim Pyocyaneus
gilt dieses »Gesetz der Multipla« nur innerhalb sehr enger Grenzen,
bis etwa zu der 8 — 10 fachen Dosis letalis. Dartiber hinaus geht die
Neutralisierung nicht: die Tiere sterben trotz großer Antitoxindosen.
Demnach mtissen wir dahin restimieren, dass es tiberhaupt zweifel-
haft ist, ob wir das primäre, echte Toxin der Cholera u. s. w. bei
der Verwendung unserer bisherigen Kulturmedien tiberhaupt in Händen
gehabt haben; es dtirfte eine Frage der geeigneten Nährsubstanzen sein.
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— 58 —
und weiterer systematischer Arbeiten bedürfen, um diesem wichtigen
Ziel näher zu kommen. Einen wie gewaltigen Einfluss die geeignete
Kulturflüssigkeit für die Produktion des echten Giftes in künstlichen
Nährmedien besitzt, zeigt das Beispiel des Diphtheriegiftes, von dem
nach den ersten Versuchen von Roux und Yersin 30 — 36 cm^ erforder-
lich waren, um ein Tier typisch akut zu töten, und bei welchen man
durch systematisch genaues Studium der Nährböden und Auswahl ge-
eigneter Kulturen heute dazu gelangt ist, dass 1 — 2 mg ausreichen.
Demgemäß betrachten wir die Frage des Choleragiftes und der ähnlichen
Gifte als eine in vielen Punkten noch offene und nicht gelöste.
Wir wollen indessen nicht verfehlen, darauf hinzuweisen, dass ein
experimentell und praktisch in dem Wesen der Cholerainfektion so er-
fahrener Autor wie R. Pfeiffer den Standpunkt einnimmt, dass auch
die bei der spontanen Cholerainfektion des Menschen so auffällig in die
Erscheinung tretende 'Intoxikation hervorgerufen werde durch die
Resorption von infolge Auflösung des Choleravibrio in Freiheit gesetzten
Giften, den Endotoxinen. Nach seiner Ansicht sind also die Endo-
toxine das ausschlaggebende Gift bei der Cholera und den analog sich
verhaltenden Infektionskrankheiten, wie Typhus u.s. w. Für diese An-
sicht, dass bei diesen Infektionskrankheiten nur die Bakterien als solche
und das in ihrem Leibe enthaltene Gift in Frage kommen, nicht aber
ein wie bei Diphtherie u. s. w. von ihrem Leibe abtrennbares lösliches
Gift, dessen Anwesenheit wir andererseits im Menschen, wie oben er-
sichtlich, nicht völlig in Abrede stellen können, für diese Ansicht
sprechen die Erscheinungen, die beim Ablauf dieser Krankheiten und
beim Immunisieren gegen diese Bakterien vor sich gehen, und die Stoffe,
die sich dabei im Serum vorfinden. Wir sahen nämlich, dass bei
Cholera u. s.w. ausschließlich baktericide Stoffe auftreten; solche
ausschließlich baktericide Stoffe treten aber, wie Wassermann am
Pyocyaneus zeigen konnte, nur bei der Resorption körperlicher
Bestandteile der Bakterien auf, während die Toxine stets gleichzeitig
antitoxisch und baktericid wirkende spezifische Stoffe im Serum er-
zeugen.
Anhang: Sie Bakterienproteine.
Wenn man diejenigen Bakterien, die lösliche Gifte produzieren, von
diesen möglichst völlig befreit, so bleiben noch die dem Zellleib an-
gehörigen Stoffe zurück. Diese Stoffe haben nun auch noch eine phy-
siologische Wirksamkeit, indem sie an der Applikationsstelle Entzün-
dungen, aseptische Eiterungen und Nekrosen, außerdem geringfügige
Allgemeinerscheinungen, wie Fieber, Mattigkeit, Kopfschmerzen u. s. w.
erzeugen.
Dieselben Wirkungen haben auch die mit chemischen Methoden aus
diesen Bakterienleibem dargestellten eiweißähnlichen Körper, die man
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— 59 —
nach dem Vorgang von Buchner als Bakterienproteine bezeichnet.
Sie werden nach verschiedenen Methoden dargestellt.
Hauptsächlich benutzt man dazu das Extrahieren mit überhitztem
Wasser im Autoklaven, daseinfache Auskochen mit Wasser, und das
Extrahieren mit verdünnten Alkalien. In neuer Zeit kamen dann jene
Methoden dazu, die nach dem Vorgange Kochs und Buchners die Bak-
terien erst zermalmten, und zwar in feuchtem oder getrocknetem Zu-
stande, um dann ihren Inhalt, zum Teil mit Zuhilfenahme hydraulischer
Pressen, zu gewinnen.
So erhielt man eine große Reihe von Bakterienproteinen, die zwar in
Einzelheiten verschieden, im Grunde doch ähnliche Wirkungen zeigten.
Wir werden ihnen im speziellen Teil noch häufig begegnen, wo auch
die Hauptarbeiten auf diesem Gebiet citiert sind.
Es erübrigt sich, hier auf diese Proteine im Detail einzugehen,
denn durch die Arbeiten von Römer, Büchner, Schattenfroh, Klem-
PERER^) und vieler anderer ist zweifellos erwiesen, dass zum mindesten
die aus unzerkleinerten Mikroben durch gewaltsame Extraktion isolierten
eiweißähnlichen Stoflfe absolut keine spezifische Wirkung haben, also
als Krankheitsursachen sui generis nicht in Betracht kommen.
Dies gilt aber nur fllr die aus den Leibern dargestellten Eiweiß-
stoffe an sich in idealer Reinheit. Sie so zu isolieren ist aber in den
seltensten Fällen möglich, und zwar nur dann, wenn die Bakterien nur
frei lösliche spezifische Gifte produzieren, von denen ihre Leiber völlig
getrennt werden können, wie es Kossel bei den Diphtheriebazillen
gethan hat. Dann bleiben die Proteine ohne spezifische Wirkungen zu-
rück, wie man sie ganz ähnlich aus den harmlosesten Bakterien ge-
winnen kann,* und wie auch andere körperfremde Eiweißstoffe
sich verhalten, die ja ebenfalls sterile Abszesse u.s.w. erzeugen.
Meist aber ist eine radikale Trennung dieser Proteine im engeren
Sinne von den Giften nicht möglich. Bei den meisten Bakterien haften
an den Proteinpräparaten noch Reste der spezifischen Giftstoffe oder
ihrer sekundären Produkte, besonders der Endotoxine und ihrer Deri-
vate, so dass dann auch die Proteinpräparate noch charakteristische
Giftwirkungen zeigen, wie es bei Cholera, Typhus, Tuberkulose der
Fall ist (s. im speziellen Teil). Hier lässt sich also die reine Protein-
Wirkung nicht demonstrieren, sondern nur theoretisch konstruieren.
Ganz zu trennen von diesen Giftwirkungen sind die immunisa-
torischen Vorgänge, die durch die Zellsubstanzen der Bakterien, sei
es der unzerkleinerten Leiber oder chemischer Präparate ausgelöst
werden, die Probleme der baktericiden Immunität, die durch die
1) Lit. B. b. Elemperer, Die Beziebg. verschied. B.-G. zur Immunität u. Heilung.
Z. f. klin. Med., XX, 166 (1892).
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— 60 —
Arbeiten von Pfeiffer & Wassermann für Cholera, Pfeiffer & Kolle
für Typhus, Koch fllr die Tuberkulose völlig aufgeklärt sind.
Diese Vorgänge haben mit der toxischen Wirkung der Zellproteine
gar nichts zu thun; hier handelt es sich um Einführung von passenden
Rezeptoren, die die baktericiden Schutzkräfte, die Lysine, Präzipitine
und Agglutinine wachrufen; um Vorgänge, die von der feinen steri-
schen Konfiguration der Frotemmoleküle abhängig sind.
Vorläufig kann man mit Sicherheit derartige Rezeptoren nur in den
unveränderten Bakterienzellen annehmen, die wie Choleravibrio, Pneumo-
coccus U.S.W, in toto jene destruktiven Prozesse auslösen; andererseits kann
man ziemlich sicher sagen, dass gewaltsame Extraktion, also Darstellung
chemischer Proteinpräparate meist jene zarte Atomgruppierung so ver-
ändert, dass keine oder sehr schwache baktericide Reaktion ihrer Ein-
führung folgt, dass vielmehr diese Eiweißstoffe nur dieselben Reaktionen
auslösen wie jeder körperfremde Eiweißstoff, d. h. die Bildung spe-
zifischer Präzipitine^), die mit den Agglutininen allerdings wohl
sehr nahe verwandt sind; sehr wahrscheinlich ist es dagegen, dass bei
den etwas schonender dargestellten, wie Kochs Tuberkulin (s. d.) und
bei den BüCHNERSchen Piasminen, z. B. des Choleravibrio und des
Tuberkelbacillus, sich die spezifischen Rezeptoren erhalten, so dass diese
Präparate baktericide, immunisatorische Prozesse auslösen.
Zusammenfassung.
1. Eine Gruppe von Bakterien erzeugt als freie Sekrete echte
Toxine. Nach Abzug dieser löslichen extrahierbaren Gifte bleibt ein
reines unspezifisches Bakterienprotein zurück. Typus: Diphtherie.
2. Eine andere große Gruppe bildet scheinbar nur Endotoxine:
echte Toxine, die an die lebende Zelle mehr oder minder fest gebunden
sind, also nur in sehr geringem Maße, in unverändertem Zustande viel-
leicht außerhalb des Körpers gar nicht, sezerniert werden; beim
Absterben der Zelle werden sie teilweise frei, teilweise bleiben sie
gebunden, oder gehen in sekundäre, giftige Modifikationen nicht mehr
toxinartiger Natur über. Bei dieser Gruppe sind also die toten Zellleiber
nicht restlos von anderen Giften zu befreien; das reine Protein ist
nicht in ungetrübter Wirksamkeit zu erkennen. Mit diesen Vorbehalten
sind jedoch die Proteinwirkungen nachzuweisen. Typus: Cholera,
Typhus, Pneumococcus.
3. Eine dritte Gruppe bildet vielleicht gar keine echten Toxine,
auch nicht intraplasmatisch. Das Zellplasma enthält Gifte anderer Art,
die das Bild der Proteinwirkung trüben. Typus: Milzbrand, Tuber-
1) Näheres üb. Präzipitine b. Michaelis & Oppenheimer, Immunität gegen
Eiweißstoffe. Engelmanns Aroh., 1902, Snppl.-Bd.
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— 61 —
kulose. Möglicherweise hat man bei fortschreitender Erkenntnis Gruppe
2 mit 3 zu vereinigen.
4. Allen Bakterien gemeinschaftlich ist die pyogene Wirkung ihrer
Proteine, die vorwiegend auf ihrer Eigenart als körperfremden Eiweiß-
stoflFen beruht und die sich in ganz ähnlicher Weise auch durch körper-
fremde EiweißstoflFe nichtbakterieller Herkunft erzielen lässt.
Dass jeder fremde EiweißstoflF ein Schädling für den Organismus ist,
den er zu bekämpfen sucht, zeigen jene spezifischen Fällungsfermente,
die Präzipitine, die nach Einführung jedes fremden EiweiBstoffes im
Organismus auftreten. Wie nach der EHRLiCHSchen Anschauung alle
Nährstoife Rezeptoren finden müssen, um assimiliert zu werden, so
werden, und besonders bei abnormer, d. h. subkutaner resp. intravenöser
Einführung, jene Rezeptoren gegen die fremden Proteüie mobil gemacht,
um sie anzugreifen und unschädlich zu machen.
Dabei tritt dann häufig eine Allgemeinreaktion, Fieber u. s. w., auf
Und hierin liegt der Schlüssel auch für die Wirkung der Bakterien-
prote'lne in idealer Reinheit, abgesehen von etwaigen spezifischen, toxi-
schen Beimengungen.
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Spezieller Teil.
L Die echten Toxine.
Das Diphtherietoxin.
Sowohl an theoretischer Bedeutung, wie auch besonders durch seine
Beziehungen zur künstlichen Immunität und Heilserumtherapie ist das
Diphtherietoxin das wichtigste unter allen Bakteriengiften. Es reprä-
sentiert flir uns so recht den Grundtypus des echten Toxins; an ihm
sind zum größten Teile die Untersuchungen angestellt worden, die Licht
über die Wirkungsart der Toxine, ihre Beziehungen ^ur Krankheit und
die Bildung von Antitoxinen verbreitet haben. Das Diphtherietoxin ist
ein streng spezifisches Gift, das an Tieren genau die gleichen Erkran-
kungserscheinungen hervorruft, wie die Infektion mit lebenden Di-
phtheriebazillen sie erzeugt.
Die Erkenntnis, dass die Diphtheriebazillen selbst sich nicht im
Körper verbreiten, sondern nur in den Pseudomembranen, resp. an der
Impfstelle sich finden, hat schon frühzeitig den Gedanken wachgerufen,
dass es lösliche Gifte sind, die die Allgemeinerkrankung erzeugen.
Schon in seiner ersten Arbeit hat Löffler^) auf die Existenz eines sol-
chen spezifischen Giftes hingewiesen und es später aus Glycerinextrakten
isoliert, indem er sie mit Alkohol fällte. Roux & Yersin^J gelang dann
sein unwiderleglicher Nachweis.
Roux & Yersin fanden, dass eine durch Porzellan filtrierte Kalbs-
bouillonkultur des Diphtheriebacillus von sieben Tagen, die sich als
völlig klar und steril erwies, allerdings erst in ziemlich großen Dosen
(35 cm^), typische Intoxikationserscheinungen hervorrief; besonders bei
intraperitonealer Injektion. Mit zunehmendem Alter der Kultur stieg
ihre Giftigkeit. Eine 42tägige Kultur tötet ein Kaninchen bei gleicher
Dosis (35 cm^) in 5—6 Stunden, gegen einen Zeitraum von 6 Tagen bei
der Ttägigen Kultur, unter Erscheinungen, die der schweren toxischen
Diphtherie analog verlaufen. Gleiche Erscheinungen, gleiche Skala der
Empfindlichkeit wie bei der Einimpfung lebender Kulturen zeichnen
1) LÖFFLER, Unters, üb. d. Bedentg. der Mikroorg. f. d. Entatehg. d. Diphtb.
Mitt. Kais. Ges.-Amt, II, 1884. — Ders., Der gegenw. Stand der Frage nacb der
Entsteh, d. Dipbtb. Deotscbe med. Wocb., 1890, 81.
2) Roux & Yersin, Contribution ä F^tnde de la diphtherie. Ann. Past., III^
273 (1889); IV, 385 (1890).
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— 63 —
auch das Gift ans. Ihre Befunde wurden von Kolisko & Paltaüf^)
völlig bestätigt. Sie erhielten Vergiftungen mit Filtraten einer 14tägigen
Bouillonkultur. Roux beobachtete schon die Vernichtung des Giftes
durch Erwärmen und hält es für den Enzymen nahestehend. Als solches
sollte es ein Sekretionsprodukt der Diphtheriebazillen sein, von ihnen
in die umgebenden Medien hinausproduziert werden. Dem schien nun
allerdings entgegenzustehen, dass gerade junge, lebensfrische Kulturen
relativ wenig Toxin produzieren, während ältere reichere Giftausbeute
lieferten. Daraus zog dann Gamale'ia^) den Schluss, dass das Diphtherie-
gift nicht ein Sekretionsprodukt der Bazillen, sondern ein Bestand-
teil ihres Zellleibes sei, der von gesunden Bazillen nicht abgegeben
würde, sondern erst beim Aelterwerden der Kultur, beim Absterben
zahlreicher Bazillen, durch Auslaugung aus ihrem zerfallenden ZelUeib
extrahiert würde. Dieser Anschauung ist aber vielfach mit Erfolg ent-
gegengetreten worden. Besonders H. Kossel^) führte den Nachweis, dass
das Toxin ein Sekretionsprodukt, nicht ein Zerfallprodukt ist, dadurch,
dass er einerseits schon bei ganz jungen, zweitägigen Kulturen bei ge-
eigneten Züchtungsmethoden sehr reichliche Giftproduktion fand, die
sogar nach fünf Tagen bereits anfing schwächer zu werden, und dass
er andererseits zeigt, dass in den Bazillenleibem selbst nur sehr wenig
Toxin vorhanden ist.
Er züchtete Diphtheriebazillen auf einer möglichst großen Oberfläche, in-
dem er von der Oberflächenhaut einer eintägigen Kultur abimpfte; nach einigen
Tagen stellten die Bazillen eine zusammenhängende Haut dar, von der er
die Bouillon abgoss. Die Bazillenleiber wurden mehrfach mit destilliertem
Wasser gewaschen und zentrifugiert, bis das ablaufende Wasser keine Biuret-
reaktion mehr gab; dann wurden sie mit schwach alkalischem Wasser aus-
gelaugt. Die Giftigkeit dieses Extraktes war gering. Abonson^) erhielt
allerdings aus den Bazillenleibem nach sorgfältigem Zermahlen und Ausziehen
mit Aether- Alkohol (4:1) durch Extraktion mit einer O,lproz. Lösung von
Aethylendiamin giftige Extrakte, aus denen er durch Essigsäure das Gift
ausföllen konnte. Daneben bleibt freilich den ausgelaugten Leibern nach
Bbiegeb & BoER*) eine bedeutende Giftigkeit, die sich aber ganz anders
äußert als die des Toxins, keine Immunität erzeugt u. s. w.
Das Diphtherietoxin ist also nicht ein Bestandteil des Bazillenleibes,
sondern ein Stoffwechselprodukt. Was die Darstellung des
1) KoLiSKO & Paltauf, Zum Wesen des Croup und der Diphtherie. Wiener
klin. Woch., 1889, Nr. 8.
2) GamaleYa, Les poisons bact^rieoa. Arch. de m6d. exp^r., 1892.
3J H. KossEL, Zur Kenntnis d. Diphtheriegiftes. Centralbl. f. Bakt, XIX, 977
(1898).
*) Aronson, Zur Biologie und Chemie der Diphtheriebazillen. Arch. f. Einder-
heilkunde, 30, 23 (1900). S. A.
5) Brieger & BoER, Ueb. d. Toxine d. Diphtherie u. 8. w. Deutsche med. Woch.,
1896, 783.
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Diphtheriegiftes betrifft, so sind zwei Dinge scharf voneinander zu tren-
nen: einerseits die Auswahl der Methoden, um eine möglichst reiche
Produktion von Gift zu erzielen, andererseits die Versuche, die man
gemacht hat, aus der Giftbouillon die spezifischen Körper zu isolieren,
und ihrer Natur nachzuforschen, allerdings auch dabei mit dem prak-
tischen Hintergrund, ein möglichst reines Gift im trockenen Zustande
zu erlangen, für die Zwecke der Immunisierung und Serumtherapie.
Bei der Gewinnung giftreicher Flüssigkeiten mussten die Methoden sich
auf zwei Kardinalpunkte richten, einerseits eine Lösung mit möglichst
hohem Giftgehalt zu erzielen, zweitens diesen Giftgehalt bei der Sterili-
sierung resp. Trennung von den Bazillen möglichst restlos in die keim-
freie Bouillon mitzubekommen.
Für die Produktion des Toxins ist zunächst die Wahl des Nähr-
bodens von großer Bedeutung. Koux & Yersin (1. c.) und Löpfler (1. c.)
haben ihre Bazillen auf einfacher Fleischbrühe gezüchtet, und dabei aller-
dings, besonders im Jugendstadium der Kulturen, relativ schwache Gift-
lösungen erhalten. Später wandte man dann ganz allgemein den Zusatz
von 2% Pepton an. Die Art dieses Peptons ist nach H. Kossel (1. c.)
nicht gleichgiltig; er verwendet mit großem Vorteil das Pepton von
Dr. Aschmann aus der Luxemburger A.-G. für physiologische Präparate.
Auch das Pepton Chapoteaut hat sich als vorzügliches Zusatzmittel er-
wiesen. Außerdem setzt man allgemein noch 0,5^ Kochsalz hinzu.
V. Dungern i) verwendete mit Vorteil Zusatz von Ascitesflüssigkeit oder
kultivierte die Bazillen auf reinem Ascites.
Auch auf eiweißfreien Nährböden soll nach Guinochet 2) Diphtherie-
toxin entstehen ; er züchtete sie mit gutem Erfolge auf schwach alkalisch
gemachtem Harn, ebenso Uschinskt, worauf wir noch zurückkommen
werden.
Die Wahl des Nährbodens ist besonders in Bezug auf die Reaktion
von großer Wichtigkeit. In gewöhnlicher Bouillon ist die Reaktion
zuerst schwach alkalisch, wird dann schwach sauer, um zuletzt wieder
alkalisch zu werden. Während der Zeit der sauren Reaktion leidet die
Giftproduktion sehr erheblich, oder ist ganz sistiert. Deshalb suchte
man nach Mitteln, um diese schädliche Säuerung hintanzuhalten. Etwas
bessernd wirkt schon der erwähnte Zusatz von 2^ Pepton; doch ist
dieser allein nicht hinreichend. Park & Williams 3) haben ganz einfach
der 2— 4proz. Peptonbouillon durch Zusatz einer gemessenen Menge
Natronlauge eine größere Alkalinität verliehen. Sie neutralisierten ihre
1) V. Düngern, Steigerung d. Gifitproduktion d. Di.-B. Centr. f. Bakt, XIX,
137 (1896).
2) Guinochet, Contribation 4 i'^tode de la toxine des bacilies de la dipbth^rie.
Arch. de m^d. exp6r., 1892, 487.
3) Park & Williams, The produetion of diphteria toxin. Joam. of exper. med.,
1, 164 (1896).
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frische Bouillon genau (mit Curoumapapier als Indicator) und setzten
dann zu jedem Liter 7 cm^ Normalnatronlauge hinzu, das Gemisch muss
dann aufPhenolphtalein noch sauer reagieren. Sie selbst, femer Spronck i)
und VAN TüRENHOUT^) fanden, dass die Anwesenheit von Glukose und
Glycerin in zu frischem Fleisch die Säuerung mitbedinge, und empfahlen
deshalb zunächst von dem glykogenreichen Pferdefleisch abzusehen, und
Spronck, das Fleisch in leicht gefaultem Zustande anzuwenden. Durch
künstlichen Zusatz von Glukose konnte er die Toxinproduktion ein-
schränken. Dies entspricht Versuchen von Blümenthal^), der ebenfalls
fand, dass auf zuckerhaltigen Nährböden, sobald sie mehr als Ißi Zucker
enthalten, kein Toxin entsteht. Auch auf reinen Eiweißlösungen, sowie
reinen Peptonlösungen erzielte er keine Toxine. Smith 4) dagegen hält
einen geringen Glukosegehalt geradezu für notwendig (0,2^) und will
nur die schädliche Säuerung ausschließen, was auch Rüete^) durch Zusatz
von Marmorstücken zu der Kultur herbeiführen will. Im Gegensatz zu
Spronck hatte Nicolle«) ganz frisches Fleisch empfohlen. Martin ^j be-
nutzte mit gutem Erfolg eine Mischung von Extrakt aus Ochsen- oder
besser Kalbfleisch und einem Extrakt aus Schweinemagen zu gleichen
Teilen.
Er giebt folgende Rezepte:
1. Extrakt aus Schweinemagen.
Fünf Schweinemagen werden fein zerhackt oder zerquetscht, dann Mucosa
und Muscularis je 200 g mit 10 g reiner Salzsäure (20^) und 1000 g
Wasser 24 Stunden bei 50*^ stehen gelassen. Dann wird aufgekocht, durch
lockere Baumwolle filtriert, 0,2^ Essigsäure zugesetzt und noch heiß mit
Natronlauge neutralisiert, dann wird durch Papier filtriert und im Autoklaven
auf 120^ erhitzt. Letzteres kann man auch durch mehrmaliges Erhitzen auf
100", sorgfältiges Entfernen des Eiweißschaumes und Fettes und eventuell
Klären mit Chlorcalcium und Natriumphosphat (Bildung eines die Eiweiß-
trttbung mitreißenden Calciumphosphatniederschlages) ersetzen.
2. Fleischextrakt.
Ganz frisches Kalbfleisch 20 Stunden bei 35° stehen lassen, dann 500 g
mit 1000 g Wasser 20 Stunden bei 35° stehen lassen, auspressen, Zusatz
^) Spronck, Snr les conditions, dont dopend la produetion d. poisons dans les
cnltures dipht^riques. Ann. Fast, IX, 769 (1895).
2) VAN ToüRBNHOüT, OvcT de bereidiug van diphteriegif. Utrecht 1895. Ref.
CentralbL f. Bakt, XVIII, 295 (1S95).
3) Blumenthal, Ueb. d. Möglicbk. d. Bildg. von Diphtberietoxin ans Eiweiß-
körpem und auf Zucker enthaltenden Nährböden. D. med. Woch., 1897, Nr. 24.
*) Smith, The relation of dextrose to the produetion of toxine. Joum. of exper.
med., IV, 373 (1899).
5) RuETE, Ueb. Herstellg. d. Dl.-Heilßerums. Münch. med. Woch., 1897, 213.
ß) NicoLLE, Pr6paration de la toxine dipht^rique. Ann. Fast, X, 333 (1896).
7) Martin, Produetion de la toxine dipht^r. Ibid., XH, 26 (1898).
Oppenheimer, Toxine and Antitoxioe. 5
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von 5 g NaCl und 20 g Pepton, neatralisieren , noch 7 ccm Normalnatron-
lauge znsetzen, bei 120^ sterilisieren.
Ein Gemisch beider Extrakte zu gleichen Teilen, nochmals auf 70° er-
wärmt, filtriert und durch Chamberlandkerzen sterilisiert, giebt einen vortreff-
lichen, nicht säuernden Nährboden, auf dem bald sehr wirksame Toxine sich
bilden, nach 30 Stunden letale Dosis 0,1, nach 6 — 7 Tagen 0,002 ccm.
Madbek^) lässt 2 — 3 Tage altes, fettarmes Kalbfleisch, fein gehackt,
15 Stunden mit dem doppelten Gewicht Wasser stehen, kocht dann 15 Mi-
nuten und seiht durch. Dann setzt er 1^ Wittepepton, 1% NaCJl zu,
macht schwach alkalisch , ' kocht % Stunde , filtriert und verteilt die so ge-
wonnene Nährbouillon zu je 1 Liter in EELENMETER-Kolben, die er dann
15 Minuten bei 120° im Autoklaven sterilisiert. Er bestimmt die Reaktion
mit Laokmuspapier, bestimmt aber außerdem den »Titer« der Bouillon, d. h.
die nötige Menge Normalnatronlauge, um eine deutliche Rotreaktion mit
Phenolpthalel'n zu erzielen. Das Verhältnis beider Messungen ist derart,
dass Nährlösungen mit einem Titer von über 20 ccm deutlich sauer auf
Lackmus reagieren, bei 16 ccm amphoter und unter 10 ccm alkalisch. Das
Alter des Fleisches ist nach seinen Erfahrungen nicht von wesentlichem Ein-
fluss. Zusatz von Calciumkarbonat, den Spronck (1. c.) und van Türen-
HOUT (1. c.) empfohlen haben, hält zwar die Reaktion dauernd alkalisch, be-
fördert aber trotzdem die Toxinbildung nicht wesentlich.
Spronck 2) hat später den Fleischextrakt verlassen und seine Bazillen
auf Hefedekokt kultiviert, wobei er sehr wirksame Giftlösungen erhielt,
(Nach 48 Stunden letale Dosis 0,05, nach 5—6 Tagen 0,005 ccm).
Er kocht 1 Teil Handelshefe mit 20 Teilen Wasser 20 Minuten unter
Umrühren. Nach dem Absetzenlassen dekantiert er die Flüssigkeit, setzt
Kochsalz und Wittepepton (direkt aus Rostock bezogen) hinzu, neutralisiert
und giebt 7 ccm per Liter Normalnatronlauge zu. Erhitzen, filtrieren, bei
120° sterilisieren.
Es ergiebt sich ans diesen Versuchen, dass die Produktion der
Toxine von der Alkaleszenz des Mediums abhängt, und wie schon Boux
& Yebsin fanden, mit steigender Alkaleszenz zunimmt. Doch fand
Madsen (1. c), dass nicht immer der Toxingehalt der Alkaleszenz pro-
portional ist.
Ein zweites Mittel, um die Toxinmenge zu vermehren, ist die Zufuhr
von Luft. Schon Roux & Yersin fanden, dass Luftdurchleitung die
Giftproduktion fördert, allerdings ist nach Martin (1. c.) und Park 3) diese
Förderung nicht sehr wesentlich, wenn man sonst gute Nährböden an-
wendet, nach Madsen sogar in diesem Falle direkt schädlich, weil bei
reichlicher Toxinproduktion die Luft mehr Gift zerstört, als sie die
Produktion fördert. Auch Spronck neigt zu der Ansicht, dass zwar
1) Madsen, Zur Biologie des Diphtiieriebacillus. Z. f. Hyg., 26, 157 (1897).
2) Spronck, Pr^paration de la toxine dipht^rique. Ann. Fast., XII, 701 (1898).
3) Park, The preparation of Diphteria-Antitoxin. Med. Record, 47, 484 (1895).
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das Wachstum der Bazillen bei Luftzatritt reichlicher wird und damit
die absolute Toxinproduktion; dass aber die relative Toxinproduktion
einer gegebenen Bazillenmenge durch Luftzutritt eher geschwächt, als
gehoben wird, van Türenhoüt (1. c.) glaubt, dass Luftzufuhr die Oxy-
dation der stickstoffhaltigen Stoffe und dadurch das Aufhören der sauren
Beaktion beschleunige, aber auch Oift zerstöre. Abonson^) hat mit
großem Erfolge die Luftdurchleitung dadurch ersetzt, dass er die Bak-
terien in Oberflächenkulturen, die der Luft eine große Oberfläche
darbieten, gezüchtet hat. Schierbeck 2) empfiehlt Behandlung mit Kohlen-
säure.
Zuviel Luft und reiner Sauerstoff, besonders bei Bruttemperatur
schädigen das Gift ganz erheblich (Roux & Yersin, Martin, Madsen).
Wenn man auf diese Weise die Kulturen in möglichster Rücksicht-
nahme auf energische Toxinwirkung anlegt, so erhält man meist recht
bald sehr wirksame Toxine. Schon nach 30—48 Stunden sind sie deut-
lich vorhanden. Vom 7. bis ca. 20. Tage erreicht die Giftigkeit ihr
Maximum, dann beginnt sehr langsam eine Abnahme, die auf eine gleich-
zeitige Verminderung der Produktion der alternden Kultur und auf den
Beginn der Toxoidbildung zu beziehen ist. Umzüchtung der Kulturen
stellt die toxigene Kraft wieder her (Roux & Yersin). Im allgemeinen
wird man also zur Prüfung der primären Gifte Kulturen, die nicht älter
als 3 Wochen sind, anwenden (Madsen 1. c). Zur Lnmunisierung kann
man allerdings oft gerade ältere Gifte ohne Nachteil benutzen, da auch
die in ihnen enthaltenen Toxoide immunisierend wirken.
Die Heranzüchtung einer möglichst intensiven Giftbouillon fällt durch-
aus nicht immer mit der einer besonders virulenten lebenden Kultur
zusammen, es können mitunter wenig virulente Bazillen recht kräftig
Toxine bilden (Martin 1. c).
Andererseits giebt es auch Diphtheriebazillenstämme, die weder Viru-
lenz noch toxigene Kraft besitzen. Lübowski*) hat einen derartigen Fall
beschrieben. Ein vom Menschen stammender Bacillus bildete gar keine
wirksamen Toxine. Das Serum des Kindes war hoch antitoxisch. Daraus
ergiebt sich, dass der Bacillus sehr toxigen gewesen war, aber seine
Kraft völlig eingebüßt hatte.
Die Giftproduktion weist überhaupt außerordentliche Schwankungen
auf, und ist selbst bei gleicher Kultur im gleichen Nährboden nicht im
voraus zu bestimmen. Madsen hat vergeblich versucht, diese Schwan-
^) Aronson, ImmuniBiemngs- und Heilversache bei der Diphtherie. Wien. med.
Woch., 1894, 1966.
2) ScraBRBECK, üeb. d. Einfluss der CO2 auf das Wachstum der Diphth.-B. Arch.
f. Hyg., 27, 339 (1896).
9) LuBOWSKi, Ueb. einen atoxidohen und avirulenten Diphtheriestamm. Ztschr-
f. Hyg., 35, 87 (1900).
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kungen aufzuklären; die Beschaflfenheit der Kolben, die Sterilisation des
Nährbodens sind ohne Einfluss.
Man ist in der Giftproduktion der Diphtheriebazillen so vorgeschritten,
dass wir jetzt zur Lnmunisierung nur Gifte verwenden, von denen
0,02 cm3 ein Meerschweinchen von 250 g akut töten.
Das Wesentliche zur Giftproduktion ist:
1. geeignete Kultur, welche Oberflächenwachstum zeigt, d. h. auf
der Bouillon in Form einer Haut wächst;
2. Alkaleszenz der Bouillon;
3. das geeignete Pepton, am besten Chapoteaut 2^;
4. genügende Luftzufuhr, also die Kolben nur zu etwa ein Drittel
füllen;
5. nicht zu kurz und nicht zu lange bei 37° wachsen lassen; —
es hängt dies von der Kultur ab und muss bei jedem einzelnen
Stamme ausprobiert werden, wann das Maximum der Gift-
produktion erreicht ist. Gewöhnlich nach ca. 10 Tagen bis
3 Wochen.
Schließlich hat man auch nach Mitteln gesucht, um eine Giftlösung zu
erhalten, die zwar möglichst schnell immunisiert, aber trotzdem wenig
giftig ist, und dadurch das Leben der Versuchstiere auch bei größeren
Dosen wenig gefährdet. Brieger, Kitasato & Wassermann ^) fanden,
dass Diphtheriekulturen, auf Thymusbouillon gezüchtet, zwar ihre
toxigene, aber wenig ihre immunisierende Kraft einbüßen. Hier bilden
sich also vermutlich immunisierende Toxo'ide.
In neuester Zeit ist es dann Mausen gelangen, mit den Toxonen der
Diphtherie zu immunisieren, worauf wir bei diesen zurückkommen werden.
Hat man so giftreiche Flüssigkeiten, so gilt es jetzt, sie zu sterili-
sieren. Die Methoden sind auch hier die allgemein üblichen: Erwärmen,
Zusatz von Antisepticis und Filtration durch Bakterienfilter.
Roux & Yersin fanden, dass die Giftlösungen bei 58^ in wenigen Minuten
entgiftet wurden, dass aber trockenes Gift länger als 1 Stunde auf 98^
erhitzt werden kann.
Fbankel2) versuchte, die Kulturen durch eiustttndiges Erhitzen auf 65
bis 70° zu sterilisieren, Briegeb & Frankel») erhitzten kleine Mengen 3 bis
5 Stunden auf 50°, wodurch sie sicher sterilisiert wurden, über 60° ging
das Gift bald zu Grunde.
BEHBiNa & Webnicke ^) erzeugten in den Kulturen einen Niederschlag
von phosphorsaurem Kalk (Zusatz von Ohlorcalcium), den sie dann nach dem
1) Brieger, Eitasato & Wassermann, Ueb. Immunität u. GiftfeBtigung. Z. f
Hyg., XII, 137 (1892).
2) Fränkel, ImmunisieruDgBveTsuche bei Diphth. Berl. klin. Woch., 1890, 1133.
3) Brieger & Fränkel, lieber Bakteriengifte. Ebd., 1890, 241.
*) Behring & Wernicke, Ueb. Immunisier, u. Heilung von VerBucbstieren b. d.
Diphth. Zeitschr. f. Hyg., XII, 10 (1892).
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Trocknen dnroh Erhitzen anf 77^ sterilisierten, wobei das mitgerissene Toxin
nicht wesentlich geschädigt wnrde.
Von chemischen Mitteln , die gleichzeitig tötend auf die lebenden
Bazillen und konservierend anf die OifÜösnng wirken, die also auch
nur zu letzterem Zweck nach der Filtration zugesetzt werden, sind
verwendet worden:
Jodtrichlorid, ICI3, von Behring & Wernicke,
Trikresol in 0,3proz. Lösung von Aronson (1. c),
Phenol ebenfalls 0,3proz. (Spronck 1. c).
Toluol benutzt Ehrlich, der seine Gifte unter Toluol bei 15° im
Dunklen aufbewahrt. Nach Abba *) hält sich Diphtherietoxin unter Toluol
2 Jahre lang im Dunklen und in der Kälte.
Die beste und bequemste Darstellung und Konservierung des Di-
phtheriegiftes für praktische Immunisierungszwecke ist folgende von
Ehrlich & Wassermann angegebene. Die in oben beschriebener Weise
bereiteten Bouillonkulturen werden durch ein doppeltes Papierfilter fil-
triert, so dass die groben Bakterienhäute zurückgehalten werden. — Das
abfließende Filtrat wird etwa zwei Finger breit mit Toluol ttberschichtet,
das Ganze tüchtig öfters während zweier Tage durchgeschüttelt. Dann
sind alle lebenden Keime abgetötet und die Flüssigkeit enthält nur mehr
die 6ift;e. Zum Gebrauche wird mittelst einer Pipette stets das Gift
unter der obenschwimmenden und konservierenden Toluolschicht hervor-
geholt. Das Gift soll kühl und besonders vor Licht geschützt, in
schwarzen oder mit Papier überzogenen Flaschen aufbewahrt werden.
In dieser Art werden die Gifte bei der preußischen Kontrollstation be-
reitet und aufbewahrt.
Für feinere biologische und chemische Untersuchungen genügt diese
grobe Filtration nicht, sondern hier muss die Flüssigkeit durch richtige
Bakterienfilter ganz von Bazillenkörpern befreit und sterilisiert werden.
Yersuche zur Beindarstelluiig des Diphtherietoxins.
Versuche, das Diphtherietoxin in reinem oder wenigstens kon-
zentriertem Zustande zu gewinnen, sind schon in der allerersten Zeit der
Diphtheriebazillenforschung gemacht worden.
Löppler2) fand, dass beim Eindampfen, oder beim Ausschütteln mit
Aether keine wirksamen Gifte erhalten würden; dagegen bekam er durch
Glycerinextraktion aus infiziertem Fleischbrei eine schwach toxisch wirk-
same Substanz, die durch Alkohol gefällt werden konnte. Er nannte
sie bereits ein »Elnzymc.
^) Abba, Ueb. d. Daner des toxisch. Vermögens beim D.-T. u. Antit. C. f. Bakt.
23, 934 (1898).
^ LÖFFLEB, Der gegenw. Stand d. Frage a. d. Entsteh, d. Diphtherie. Deutsche
med. Woch., 1890, Nr. ö/6.
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Später warden von Roux & Yersin, Madsen u. a. durch Fällmigen
mit Alkohol, darch Sättigen mit Ammonsnlfat und durch Ausfällen
mittelst Galciumphosphat wirksame Trockenpräparate des Toxins ge-
wonnen, die allerdings auf Reinheit keinen Anspruch machten. Als das
Wesentlichste dieser Versuche ist zu bezeichnen, dass das Diphtheriegift
von einem in seiner Lösung erzeugten voluminösen Niederschlag z. B.
Galciumphosphat mechanisch mit niedergerissen wird.
Systematisch und grflndlich wurden diese Arbeiten erst von Bbieger
aufgenommen. Zuerst suchte er in Oemeinschaft mit C. Fbänkel ^) nach
Ptomainen in den Diphtheriekulturen, musste aber bald sich überzeugen,
dafis fltlchtige Basen hier absolut nicht vorhanden sind. Bmeger hat
infolgedessen seme Ansichten über die Bedeutung der Ptomaine wesent-
lich modifiziert. Er erhielt nun aus den Bakterienkulturen, nicht nur
der Diphtherie, sondern auch zahlreicher anderer Bakterien, eiweißartige,
giftige Stoffe, die er als Toxalbumine bezeichnete.
Bbteqeb & Fränkel gelangten zu ihrem Toxalbumin der Diphtherie
folgendermaßen:
Man kann zunächst aus der Bouillon durch Sättigen mit Magnesiumsulfat
bei 30^ die Globuline abscheiden. Es giebt dann eine geringe Fällung, die
völlig ungiftig ist
Aus der so vorbehandelten, oder ebensogut der frischen Bouillon, kann
man dann die giftigen EiweiBstoffe durch Ammonsulfat oder Natrium-
sulfat fällen, oder auch mit einem großen üeberschuss von Alkohol. Da
die Ammonsulfatfällung nach dem Wiederauflösen erst nicht ohne Verlust
dialysiert werden muss, so fällt man am besten mit Alkohol.
Man dampft die Bouillon bei 30^ auf ein Drittel ihres Volumens ein und
versetzt sie mit dem zehnfachen Volumen absoluten Alkohols, am besten
unter Zusatz von einigen Tropfen Essigsäure. Nach 12stttndigem Stehen im
Eisschrank wird filtriert, mit Wasser aufgenommen, wieder mit Alkohol ge-
fällt und dies 6 — 8 mal wiederholt, bis die Lösung des Präzipitates in Wasser
ganz klar ist. Dann wii'd das Präparat dialysiert und im Vacuum bei 40^
getrocknet.
Man erhält so ein schneeweißes Pulver, das in wässeriger Lösung
beim Kochen nicht koaguliert. Na2S04, NaCl, MgS04, HNOs, Bleiacetat
geben keinen Niederschlag, wohl aber Eohlendioxyd in den gesättigten
Lösungen, femer alle übrigen Eiweißreagentien. Der Stoff ist also den
Albumosen verwandt, er giebt eine Benzoyl-, aber keine Phenyl-
hydrazinverbindung. Trockenes Erhitzen auf 70° verträgt er ohne
Schaden. Er ist giftig: 2,5 mg pro Kilo sind sicher tödlich. Es ist also
nicht sehr giftig, ein Teil des Toxins scheint zerstört zu sein.
Wassermann & Proskaüer^) haben dies Verfahren modifiziert:
1) Bmeger & Frankel, üeber Bakteriengifte. Bert. klin. Woch., 1890, 241.
2) Wassermann & Proskauer, üeb. die von d. Diphtheriebacülen ereeugten
Toxalbumine. Dentache med. Woch., 1891, ö85.
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Sie dampfen die Bouillon, die dnrch Zusatz von 10 — 12 cm^ Normal-
natronlange ialkaliaiert nnd durch EiTASATO-Kerzen sterilisiert war, im Va-
euum bei 27 — 30^ auf ein Zehntel ihres Volumens ein. Dann wird bei
niederer Temperatur dreimal gegen fließendes Wasser dialysiert Dadurch gehen
die Salze und Peptone heraus und die Globuline werden teilweise gefUlt
Letztere sind ungiftig. Der Dialysatorinhalt wird, was wichtig, bis zur
Klarheit filtriert Dann gießt man ihn in das zehnfache Volumen 60 — 70proz.
Alkohols, der mit einigen Tropfen Essigsäure angesäuert war, und lässt
24 Stunden stehen. Der hierbei entstandene Niederschlag wird abfiltriert,
das Filtrat fällt tropfenweise in absoluten Alkohol. Der hierbei entstehende
neue Niederschlag wird ebenfalls abfiltriert, beide in wenig Wasser gelöst und
mit der doppelten Menge gesättigter Ammonsulfatlösung gefällt. Wieder ge-
löst, bis zum Verschwinden der Schwefelsäurereaktion dialysiert, nochmals in
Ale. absol. eingetragen und das Verfahren wiederholt, bis die wässerige
Lösung völlig klar ist. Dann werden die Präparate bei 37^ im Vacuum ge-
trocknet. Sie ergaben alle Albumosenreaktionen. Nur der schon durch 60 %
Alkohol ausgefällte Niederschlag ist giftig, der andere gar nicht, so dass
also auf diesem Wege eine weitere Trennung des Toxins von der Menge der
mitgefällten Eiweißkörper möglich ist. Sie erhielten auf demselben Wege diese
Produkte aus Glycerin und Kochsalzextrakten von Organen diphtheriekranker
Menschen. Doch sind alle diese Präparate sehr wenig giftig. Um ein
Kaninchen in 3—4 Tagen zu töten, brauchte man 10 mg. Durch 3 mg wurde
der Tod erst in 8 Wochen herbeigeführt.
Giftigere Produkte erhielten Wassermann & Proskaüer aus den
Organen vergifteter Kaninchen durch Glycerinextraktion. Es ergab sich
ein weißes Pulver, das in einer Dosis von 0,2 mg intravenös ein Kar
ninchen in 6 — 14 Tagen tötet.
Die Befreiung des eigentlichen Toxins von dem anhaftenden Eiweiß-
ballast und damit die Erkenntnis, dass das wirksame Prinzip kein
Protein ist, verdanken wir ebenfalls Brieger % der mit Boer das Toxin
in ziemlicher Reinheit dargestellt hat.
Brieger & Boer benutzten zu diesem Zwecke die Ausfällung des Toxins
als Zinkdoppelsalz. Die Fällung ist so gut wie quantitativ, wenigstens beim
Diphtheriegift; desto schwieriger aber ist es, das Toxin vom Zink zu trennen,
besonders da Schwefelwasserstoff, der sonst sehr bequem anzuwenden wäre,
die Toxine schnell zerstört. Nach langen, mühevollen Versuchen gelang ihnen
die Trennung folgendermaßen:
Die Giftbouillon (sie benutzten auch Blutserum mit gutem Erfolge als
Kulturj9flssigkeit) wird mit dem doppelten Volumen Iproz. Zinkchloridlösung
gefällt Der entstehende Niederschlag reichlich mit Wasser gewaschen. Dann
wird er kräftig mit einer 3 — 6proz. Ammoniumkarbonatlösung geschttttelt.
Dann setzt man soviel Ammoniumphosphatlösung hinzu, bis der ganze Nieder-
schlag in Lösung gegangen ist und nur eine feine Trübung von abgeschiedenem
1) Brieger & Boer, üeb. d. Toxine d. Diphth. u. d. Tetanus. Deutsche med.
Woch., 1896, 783. Zeitschr. f. Hyg., 21, 2ö9 (1896).
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Zinkphosphat besteht. Diese wird durch gehärtete Filter abfiltriert, nachdem
sie sich ordentlich abgesetzt hat, und das Filter mit viel Wasser ausgewaschen.
Dann wird das Filtrat mit festem Ammonsulfat gesättigt^ nochmals in Wasser
gelöst und mit Katriumsulfat in Substanz ge&Ut. Dabei bleiben Peptone in
Lösung.
Das so dargestellte Toxin zeigt keine Eiweißreaktionen mehr. Die
Zinkyerbindung giebt ebenfalls keine Eiweißreaktionen, ist optisch in-
aktiv, färbt sich beim Kochen mit Eisenchloridlösung rot.
Alkohol, Aether, Aceton, Säuren und schwache Oxydationsmittel zer-
stören das Gift schnell, schwache Alkalien und Beduktionsmittel sind
indiflferent
Auch aus dialysiertem Harn, also einem eiweißfreien Nährboden
(GüiNOCHET 1. c), und aus anderen derartigen Nährlösungen (Uschinsky ^)
kann man, allerdings nur sehr geringe Mengen Diphtherotoxin gewin-
nen. Uschinsky benutzte eine Nährlösung von folgender Zusammensetzung:
Glycerin 40 — 50, NaCl 5 — 7, Ammonium lacticum 10, CaClj 0,1,
MgS04 0,2, K2HPO4 1 auf 1000 Wasser. Das Gift zeigte nicht die
üblichen Eiweißreaktionen.
Eigenschaften des Diphtherietoxins.
Das Gift ist in chemisch reinem Zustande nicht bekannt. Was man
also von seinen Eigenschaften angeben kann, bezieht sich auf diejenigen
Präparate, die es neben anderen Beimischungen enthalten. Seine wesent-
lichsten Eigenschaften sind bereits von Roux & Tersin mitgeteilt worden.
Es ist wahrscheinlich kein Eiweißkörper, da die reinsten Präpa-
rate (siehe oben) keine dementsprechenden Reaktionen mehr zeigen. Ein
Versuch von Arrhenius & Madsen^) das Molekulargewicht mit Hilfe der
Diflfusionsschnelligkeit in Gelatine zu ermitteln, hat vorläufig nur zu
dem Resultat geführt, dass die Toxine jedenfalls ein viel kleineres
Molekulargewicht haben als die Antitoxine.
Gegen äußere Einflüsse ist es sehr empfindlich. Das eigentliche
Toxin wird durch Kochen sehr schnell, bei ca. 60^ ziemlich schnell zer-
stört, doch behält die erhitzte Lösung eine gewisse Giftigkeit bei, die
bei den Versuchstieren zur Abmagerung und Spätlähmungen, häufig noch
zum Tode führt Aehnlich scheint das Gift im Organismus verändert
zu werden. Roux & Yersin haben aus den Organen und dem Harn
von Kindern, die an schwerer Diphtherie litten, giftige StoflFe von ganz
analogen Eigenschaften dargestellt. Sie zeigen ähnliche toxische Wir-
kungen wie die Toxone (siehe unten).
1) Uschinsky, üeber Diphtheriekulturen auf eiweißfreier Nährlösung. Centralbl.
f. Bakt, 21, 146 (1897). — Ders., Les Poisons de la Diphtherie et du Cholera.
Arch. de m6d. exp^r., 1893, 293.
S) Arrhenius & Madsen, On tbe molecoiar weight of Di.-T. Festschrift des
Statens Serum Institut, Kopenhagen 1902.
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— 73 —
Saaerstoffzafnhr und BelichtaDg schädigen im Verein das Diphtherie-
toxin sehr schnell, viel weniger beide Faktoren einzeln.
Nach Piazza^) wirkt diffuses Tageslicht sehr langsam, nach 23 Tagen ist
eine dentliche Abnahme zn konstatieren, die erst nach 96 Tagen betrachtlich
wird. Direktes Sonnenlicht wirkt bei Sanerstoffznfuhr sehr energisch. Nur
die beiden Enden des Spectmms, die Wärme- und aktinischen Strahlen (rot
und violett) wirken dabei, die Mitte (gelb) ist gänzlich unwirksam.
Auch durch Säuren wird das Toxin unwirksam. Nach Roux &
Yersin bewirkt eine Ansäuerung der Giftlösung mit Milchsäure oder
Weinsäure fast völlige Entgiftung; in geringerem Maße schädigen Phenol,
Borsäure und Borax. Neutralisierung stellt die Wirksamkeit zum Teil
wieder her.
Nach Brieger & Boer ist es außerordentlich empfindlich gegen
oxydierende Substanzen, wenig dagegen gegen Reduktionsmittel in
schwach alkalischer Lösung. So lässt es sich erklären, dass es in den
schwach alkalischen, reduzierenden Körpersäften sein bestes Medium
findet. Nach DfiLiARDE*) wird es durch Antipyrin ungiftig gemacht.
Auch durch Antiseptica in größerer Konzentration wird es zerstört,
auch durch Salicylaldehyd (Salkowski*). Hefe schwächt das Toxin ab
(NOBiCOURT^).
Höchst wahrscheinlich ist überhaupt die Art der umgebenden Medien
von Einfluss auf den Bestand und die Wirkung des Toxins, doch geht
es viel zu weit, und steht mit der zweifellos nachweisbaren Veränderung
des Giftes selbst in Widerspruch, wenn Dantscz^) jede Veränderung der
Wirkung auf Veränderung der umgebenden Medien zurückführen will.
Auch die anderen äußeren Eigenschaften sind ganz analog den für alle
Enzyme giltigen.
Die Diffusion durch Pergament ist deutlich nachweisbar. Von
5 cm^ giftiger Bouillon diffundierte gegen 12 cm^ Wasser durchschnittlich
in 24 Stunden eine für Meerschweinchen letale Dosis (Roux & Yersin).
Dagegen diffundiert es nicht durch Membranen, die aus tierischen
Organen gebildet werden, z. B. Oesophagus, Dickdarm, Gallenblase,
außer Dünndarm (Chassin & Moussü«), Auch durch Kollodium geht es
nicht (Rodet & Güächoff').
1) Piazza, Influenza della luce solare sulla tossina difter. Ann. d'Igiene aper im.
Nuova ßer. V, 621 (1805), ref. C. f. Bakt, 19, 914 (1896).
2] D^L^AiiDE, Rech, exp^r. snr les propri^t^s etc. de rantipyrine. Arch. de m6d.
exp6r., 1897, 786.
3j Salkowski, üeb. d. Wirkg. d. Antiseptica auf Toxine. Berl. klin. Woch.,
1898,545.
*) NoBjfecoüRT, Action des levures etc. Soc. BioL, 52, 753 (1900).
S) Danyscz, Constitution des toxines. Ann. Fast, XIII, 581 (1899).
0) Chassin & Moussü, Influence de la dialyse etc. Soc. BioL, 52, 694 (1900).
7) EoDET & GüÄCHOPP, Soc. BioL, 52, 965 (1900).
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— 74 —
In reinem Alkohol ist es Yöllig unlöslich, doch wird es langsam durch
ihn zerstört (Wassermann & Pkoskaüeb 1. c), ebenso durch Aether und
Aceton (Beieger & Boeb 1. c). Durch die Verdauungsfermente im Magen
und Darm wird es zerstört (Paltschikowski i).
Wie auch die Enzyme wird es aus seinen Lösungen durch fallende
Niederschläge mitgerissen. Bei fraktionierter Fällung mit Ghlorcalcium-
lösung reißt der entstehende Galciumphosphatniederschlag einen großen
Teil des Toxins mit; am giftigsten ist der zweite Niederschlag; doch
ist die Fällung nie ganz vollständig, noch weniger mit Aluminium-
phosphat. Besonders die eigenartigen, späte Lähmungen erzeugenden
Gifte bleiben zum großen Teil in Lösung. Dieser Galciumphosphat-
niederschlag kann ungestraft lange auf 70® erhitzt werden, und erträgt
100° 20 Minuten lang ohne merkliche Schädigung. Er giebt subkutan
eingeführt sein Gift langsam ab, erzeugt außerdem Entzündungsvorgänge
(Fibrinausscheidung, falsche Membranen), scheint also den lebenden Ba-
zillen ganz ähnlich zu wirken. Auch durch Nukleohiston und Nuklein-
säure wird es ausgefällt (Freund & Grosz^). Durch Dialyse kann man
aus dem wässerigen Auszug dieses Niederschlages, oder aus der Alkohol-
fällung fast aschefreie Toxine herstellen.
Besonderes Literesse hat eine Zeitlang die Reaktion der Diphtherie-
giftlösungen auf elektrische Ströme erweckt. Zuerst hatten Smirnow 3)
und ErOoer^) konstante Ströme geringer Intensität auf die Toxine ein-
wirken lassen. Sie fanden dabei, dass bei einer vorsichtigen Anwendung
des Stromes zunächst an der Anode eine leichte Acidität eintritt. Wenn
diese so beschaffen ist, dass 1 cm^ ca. 1,2 cm^ Normalnatronlauge neu-
tralisiert, soll der Strom unterbrochen werden. Dann fanden sie, dass
der Giftwert ganz beträchtlich herabgesetzt ist, der Immunisierungs-
wert indessen nicht. Ganz ähnliche Resultate fanden d'Arsonval &
Charrin*) bei Anwendung von hochgespannten Wechselströmen von großer
Wechselzahl. Es knüpften sich daran theoretisch unhaltbare, sehr weit-
ausschauende Spekulationen über die Bildung von »künstlichem Heil-
serum« ohne Tier u. s. w.; wozu noch bei d'Arsonval & Gharrin die
phantastische Idee kam, die Infektion im Körper selbst durch solche
hochgespannte Ströme zu bekämpfen, die ja bekanntlich ohne jede
Einwirkung auf den Menschen sind.
1) Paltschikowski, üeb. d. Veränderungen der diphtheritischen Toxine in den
NahrungBwegen. Ref. Centralbl. f. Bakt, 25, 843 (1899). S. dar. auch d. AUg. Teil.
^ FREum> & Grosz, üeb. d. Bez. zw. Gerinnung u. d. Wirkg. d. Antitoxine.
Centralbl. f. inn. Med., 1895, 613, 637.
3] Smirnow, üeb. d. Behandlung der Diphtherie. Berl. klin. Woch., 1894, 683;
1895, 645, 675.
4) Krüger, üeb. die ehem. Wirkg. d. Elektriz. auf toxische und immuniB. Bak-
terienanbatanzen. Deutsche med. Woch., 1895, 331.
t>) d'Arsonval & Charrin, Action des coorants i haute frequence sur les toxi-
nes bact^riennes. Compt. rend. de Tacad., 122, 280 (1896).
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— 75 —
Alle diese etwas mystischen Yorstellimgen ttber den Einflnss der
Elektrizität sind indessen durch MarmiebI) geklärt worden. MA RMncit
wies nach, dass bei der Elektrolyse mit konstanten Strömen oxydierende
Substanzen entstehen, besonders Hypochlorite und freies Chlor aus dem
stets Yorhandenen Kochsalz, die diuin, also sekundär, auf die toxophore
Gruppe des Giftes einwirken.
Fttr die Wechselströme konnte Marmier zeigen, dass trotz Eisktthlung
eine so intensive Erwärmung eintritt, dass diese allein hinreicht, um die
Abschwächung des Giftes zu erklären. Als er diese durch sinnreiche
Vorkehrungen ausschaltete, blieb jede erkennbare Wirkung auf das
Toxin sowohl bei Diphtherie wie Tetanus aus.
Es handelt sich hier also um sekundäre Veränderungen unter dem
EUnfluss des elektrischen Stromes^ die augenscheinlich zu einer schnelleren
Toxol'dbildung unter 2ier8törung der toxophoren Gruppe führen.
Physiologische Wirksamkeit des Diphtherietozins.
Das Diphtherietoxin ist fttr manche Tiere von außerordentlicher
Giftigkeit. Soux & Yersik schätzen die einfach tödliche Dosis fttr
ein Meerschweinchen auf ca. 0,05 mg, fttr Kaninchen auf 0,1 mg der
organischen, aschefreien Substanz, die also nur einen, vielleicht sehr
geringen Bruchteil reinen Toxins enthält. Auf poikilotherme Tiere soll
es nach Galabrese ^Zagari^) überhaupt nicht wirken, doch beobach-
teten CoüRMONT, DoYON & Paviot^) bei erwärmten Fröschen Paralyse
imd Abmagerung. Die Wirksamkeit des Toxins fällt in allen wesent-
lichen Punkten mit der Allgemeinwirkimg der lebenden Bazillen zu-
sammen. Es kann also hier nicht unsere Aufgabe sein, diese Erschei-
nungen genau zu schildern. Wir werden uns vielmehr mit einem ganz
flüchtigen Ueberblick begnttgen müssen, da die Erkrankungserschei-
nungen der Diphtherie an zahlreichen Stellen bis ins Detail geschil-
dert sind.
Von allgemeinen Wirkungen des Diphtheriegiftes hat man fol-
gendes berichtet:
Eine der hervorstechendsten Eigenschaften ist die erhebliche Er-
weiterung der GefäBe, die nach einer gewissen Inkubationszeit eintritt
(siehe unten).
Die Temperatur steigt zunächst und geht dann unter die Norm
(bis auf 25°), nach Arloing & Laulaniä *) infolge des Sinkens der Lebens-
1) Marmier, Les tozines et T^lectricit^. Ann. Fast, 469
^ Galabrese & Zaoari, Bicerche solla tossina ed antitoasina difter. (Giorn.
intemaz. di Scienze mediche, 1895, Nr. 4, 19—21). Baumgartens Jahrb., 1895, 215.
^ CouRMONT, DoTON & Payiot, Aotlon de la toxine dipht^riqne bot le Systeme
neryenx de la grenouille etc. Soc. Biol, 47, 210 (1895).
4) Abloino & Laulani^, it exp^r. sor les troubles imprim6s . . . par les toxines
diphth. Soc. BioL, 47, 433 (1895).
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— 76 —
energie und der oxydativen Vorgänge. Bei sehr großen Dosen kann
die Hypothermie ausbleiben (Coürmont & DotonI).
Den gesamten Stoffwechsel von Tieren nach Vergiftung mit Diphtherie-
toxin in Bezug auf Cl und N hat u. a. Pace^) beobachtet. Zum Schluss
tritt ausgedehnter Eiweißzerfall in die Erscheinung.
Besonderes Interesse bot die Frage, ob das Diphtherietoxin eine
direkte Schädigung der Herzaktion bewirkt oder nicht. Schließlich
tritt freilich Herzkollaps ein und das Herz bleibt in Diastole stehn; aber
es ist noch nicht entschieden, ob dies nicht die sekundäre Folge einer
primären Lähmung der Vasomotoren ist.
Enkiquez & Hallion 5) fanden, dass der Blutdruck erst nach längerer
Zeit zu sinken beginnt; Bbck & Slapa^) bestätigen dies; sie fanden ein
beträchtliches Sinken des Blutdruckes sogar erst kurz vor dem Tode.
Umfangreiche experimentelle Untersuchungen über das Verhalten der
Herzaktion bei der Vergiftung mit Diphtherietoxin stellten Romberg,
Pässler, Bruhns & Müller (^) an, als deren Resultat sie angeben, dass
eine primäre Herzwirkung nicht vorliegt, sondern die Vasomotorenlähmung
die einzige direkte Wirkung sei. Erst sekundär wird das Herz infolge
der mangelhaften Durchblutang geschädigt. An diesen Resultaten hat
nun Stejskal^) scharfe Kritik geübt, und nimmt auf Grimd seiner an-
geblich genaueren Versuche eme direkte Schädigung des Herzens durch
Diphtheriegift an.
Nach einer ganz kurzen Anstachelung der Herzkraft tritt eine kurze
Zeit dauernde Schwächung ein ; es folgt wieder eine Zeit der Steigerung,
die schließlich von der definitiven Verschlechterung der Herzarbeit ab-
gelöst wird, die früher zur Lähmung des Herzens als der Vasomotoren
führen kann.
Eine Unterstützung finden diese Ergebnisse in den Arbeiten von
Fenyvesst^) und Sharp »), die am isolierten Froschherz ebenfalls direkte
Wirkungen des Diphtheriegiftes konstatieren konnten. Nach dem Tode
1) CouRMONT & DoYON, Marcho de la temp^rat dans rintoxication diphth. Arch.
de phyBioL, 27, 252 (1895).
3) Face, Inflaenza della tosBlne difter. II Policlinico, 7. Baomg. Jb., 1900, 180.
3) Enriquez & Hallion, Sor les effets physiol. de la toxine diphth. Arch. de
phys., 27, ölö (18^).
4) Beck & Slapa, Ueb. den Einfl. des D.-G. auf den Ereiftlanf. Wien. klin.
Woch., 1895, 333.
^} RoMBERO, Passler, Bruhns & Müller, Unters, üb. d. allg. Patholog. der
KreislanfBtöning bei aknten Infektionskrankh. Arch. f. klin. Med., 64, 652 (1899).
^) Stejskal, EritiBch-experim. Unt. üb. d. Herztod infolge von Diphth.-Toxin.
Z. f. klin. Med., 44, 367 (1902).
7) Fenyvessy, Ueb. d. Wirkg. d. D.-T. a. Antit auf das FroBchherz. Jahrb. f.
Kinderh., N. F., 43, 216 (1896).
8] Sharp, The action of the producte of the organiBm of dipht on the heart
of the firog. Joom. of anat. and phyBioL, 31, 199 (1897).
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— 77 —
fanden Mollard & Regaux^) myokarditische Veränderungen am Herzen,
die yielleicht auch im Sinne einer direkten Schädigung zu deuten sind.
Eppinger^) beobachtete ebenfalls ziemlich schwere Veränderungen
am Herzmuskel, die er als Myoljse bezeichnet. Er nimmt geradezu
an, dass das Toxin sich direkt gegen den Muskel wendet, sich in ihm
verankert, und ihn so schädigt.
Von einzelnen Organen werden betroffen:
Darm: Coürmont, Doyon & Paviot^) fanden im Dünndarm von
Hunden Exsudationen und Enteritis membranacea.
Leber: Coürmont, Doyon & Paviot^) beobachteten an Hunden bei
intravenöser Injektion eine Hepatitis parenchymatosa mit Hyperämie
und interstitiellen Blutungen. Baldassari*) fand trttbe Schwellung und
ähnliche Veränderungen, wie sie bei Phosphor- und Arsenvergiftung
vorkommen. An den Nieren fand Baldassari*) Epithelveränderungen.
Lokale Läsionen des Auges, vergleichbar den diphtheritischen, fanden
MoRAX & Elmassian«). Auch ÖATri^ hat durch direkte Berührung der
Netzhaut mit Diphtherietoxin Schädigungen beobachtet, die zu einer
Quellung des Gewebes mit Erhaltung der Kerne und der Ganglien-
zellen führen.
Vor allem aber setzt es ebenfalls schwere Störungen am Zentral-
nervensystem, deren genauere Untersuchungen uns hier nicht näher
beschäftigen können.
Untersuchungen dieser Art liegen vor von Enriquez & Hallion®).
Crocq fils»), Thomas ^ö)^ Mürawjewi^) u. a.
Indessen ist es gerade bei den Läsionen des Nervensystems sehr
fraglich, ob man sie allein dem Diphtherietoxin als solchem zuschreiben
^ Mollard & Regaux, L^bIohs du myocarde dans Tintox. aigtte par la t d.
Ann. Fast, XI, 97 (1897).
2j EppmoER, Die toxiBcbe Myolyse des Herzens bei Di. Deutsche med. Woch.,
1903, Nr. 16/16.
8) Coürmont, Doyon & Paviot, L^sions intestinales dans Tintoxic. dipbth.
Arch. de pbys., 27, 484 (1895).
*) Coürmont, Doyon & Paviot, L^sions b6patiques engendr^s par la t. d. Arcb.
d. pbys., 27, 687 (1895).
5) Baldassari, üeb. d. Wirkg. d. D.-T. auf den Zellkern. C. f. allg. Patbol.,
VII, 625 (1896).
^ MoRAx & Elmassian, Action de la toxine d. snr les maqueuses. Ann. Past.,
XII, 210 (1898).
T) Gatti, L'azione dl alcnne tossine battericbe sopra gli elementi della retina.
Autoreferat i. Biocb. Centr., I, Nr. 775 (1903).
8) Enriqübz & Hallion, Myelite exp6r. par t. d. Soc. Biol., 46, 312 (1894).
^ Crocq, S. 1. alt^rat da syst, nervenx dans 1. paralys. dipbtb. Arcb. ni6d.
exp^r., VII, 603 (1895).
*0] Thomas, Boston med. and snrg. jonrn., Nr. 4 ff., 1898.
") MuRAWJEW, Das D.-T. u. Antit in ibrer Wecbselwirkg. auf das Nervensystem
d. Meerscbw. Fortscbr. d. Med., 1898, 93.
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— 78 —
darf. Soweit diese Yeränd.erangen mit den diphtherischen Spätlähmongen
zu thun haben, fallen sie wahrscheinlich den Toxonen zur Last. Ob
auch das reine Toxin die Spätlähmnngen erzeugen kann, oder ob dies
nur eine spezifische Funktion der Toxone ist, lässt sich vorderhand
nicht sicher sagen, wahrscheinlich ist hingegen das letztere. Die All-
gemeinyergiftnng verläuft völlig analog der mit lebenden Bazillen, so
dass man anzunehmen berechtigt ist, dass diese nur durch ihr produ-
ziertes Toxin so deletär wirken.
Meerschv^einchen zeigen nach der Vergiftung mit Diphtherietoxin den
typischen Sektionsbefund der bazillären Erkrankung.
Flexker 1) hat mit größter Sorgfalt den Sektionsbefund nach Diphtherie-
toxinvergiftung angegeben: Oedeme, DrttsenschweUung, Eongestion
und Hämorrhagieen der Nebennieren, sonst wenig Charakteristi-
sches, auch mikroskopisch nicht. Auch Coüncilman, Mallory & Peaece^)
haben ebenfalls ausgedehnte Studien über diese Beftmde augesteUt
Roux & Yersin konnten mit Diphtheriegift eine typische Pseudo-
membranbildung bei der Einimpfung auf Trachea und Vagina bei Meer-
schweinchen erzeugen.
Das empfindlichste Tier ist das Meerschweinchen, doch zeigen
sich bei ihm nach Ehrlich auch Rassenunterschiede in der Empfäng-
lichkeit. Pferde, Ziegen und Schafe sind sehr empfindlich. Ka-
ninchen weniger, noch weniger Mäuse, die fast refraktär sind.
Nach der Einführung auf subkutanem oder intravenösem Wege ver-
schwindet es außerordentlich schnell aus der Blutbahn, indem es von
den Rezeptoren der Gewebe an sich gerissen und gebunden wird. Man
kann dies daran erkennen, dass Antitoxinmengen, die nach der In-
jektion von Gift eingeführt werden, mit Zunahme der Zeitdifferenz
außerordentlich schnell jede Wirkung einbüßen.
DÖNiTZ^) fand, dass eine einfach neutralisierende Antitoxinmenge
schon 15 Minuten nach der Zufuhr einer siebenfach tödlichen Dosis das
Tier nicht mehr retten kann, und dass nach IY2 Stunden selbst sehr
große Dosen dazu nicht mehr imstande waren.
Andererseits hat man aber auch direkt die Toxizität des Blutes
nach Injektion von Diphtherietoxin untersucht. Bomstein*) injizierte
Kaninchen die für ein Meerschweinchen zweifach tödliche Dosis pro
cm^ Blut des Kaninchens. Nach einer Stunde war noch 0,5, nach
1) Flexner, The pathology of tozalbnmin intoxication. Johns Hopkins Hosp.
Record, VI, 259 (1897). S. A.
2) Coüncilman, Mallort & Pearce, Diphtheria. — A study of bacteriology etc.,
1901, ausführlich cit. in Vaüghan & Novy, The ceUnlar toxins, 1902, p.7öff.
8) DöNirz, üeb. d. Grenzen d. Wirksamkeit d. Diphtherieheilsenuns. Arch.
internat d. Pharmacodyn., V, 426 (1899).
4) BoMSTEiN, Ueb. d. Schicksal der Diphth.-T. im Tierorganismns. C. f. Bakt,
23, 785 (1898).
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— 79 —
3 Stunden 0,25, nach 12 Stunden 0,12 davon yorhanden. Die Abnahme
wird also immer geringer und die letzten Spuren scheinen sehr langsam
zu verschwinden.
Aehnliche Hesultate erzielte Grolt^}. Nach 5 Minuten fand er das
Toxin noch unverändert, nach 2 Stunden höchstens die Hälfte.
In den Organen ist das Gift dann auch nicht nachzuweisen, ebenso-
wenig wird es durch den Urin oder den Darmsaft ausgeschieden
(BoMSTEiN),nur Bexjnnee^) fand es im Muskelsaft wieder, und Saltee^)
im Schweiß (?).
Vom Magen und dem gesamten Darm aus wirkt es gar nicht. Es
wird von den Yerdauungssäften gleich allen anderen Toxinen zerstört,
besonders von Pankreasfistelsaft, weniger von Magensaft. Bei sehr
großen Dosen tritt eine gewisse Wirkung ein (Nencki, Siebeb & Schoü-
MANOWSKi ^), ebenso wenn die Schleimhaut künstlich lädiert wird (siehe
auch im Allgem. Teil).
Eine eigentttmliche Wirkimg des Diphtherietoxins will Consiglig*) be-
obachtet haben. Er fand, dass es die Gärungsprozesse in kleinen Dosen
fordert, in größeren hemmt; dass es andererseits aber stets einen sehr un-
gttnstigen Einfluss auf Keimungsprozesse der Samen ausübt.
Toxolde und Tozone.
Von den Eigenschaften der ToxoKde, die sich in älteren Kulturen
vorfinden (siehe im Allg. Teil), ist uns gar nichts bekannt. Von dem
chemischen Vorgang, der zu der supponierten Unwirksammachung der
toxophoren Gruppe führt, haben wir nicht die geringste Vorstellung.
Ebensowenig kann man angeben, ob sie in freiem Zustande physiologisch
völlig indifferent sind, oder noch eine geringe Giftigkeit besitzen, obwohl
letzteres nach den zahlenmäßigen Ergebnissen, den scharfen Zahlen bei
der Veränderung des Giftes nicht gerade wahrscheinlich ist.
Der einzige Hinweis darauf, dass sich in abgeschwächten Kulturen an-
dere Stoffe vorfinden, ist die Bemerkung von Bbiegeb & Fränkel (1. c),
dass sie ans solchen Kulturen einen ungiftigen, in verdünntem Alkohol
etwas löslichen Stoff fanden, der sich von dem Toxin auch chemisch, z. B.
durch Bildung einer Phenylhydrazinverbindung , unterscheidet. Diesen Stoff
1) Cboly, Sor 1. disparition de la tox. dipht inject^e dans le sang. Arch. Inter-
nat, de pbannacodynamie, III.
2) Brunner, ünt üb. die Wirk, von Bakterien- u. Pflanzengiften. Ref C. f
Bakt, 24, 184 (1896).
3) Salter, The elimination of bacterial toxins. Lancet, 1898, 1, 162. Vergl. a.
Walsh, ibid., 362.
*) Nencki, Sieber & Schoumanowski, Die Entgiftung der Toxine. C. f Bakt,
23, 840 (1898).
5) CoNSiGLio, Azione di alcnne tossine etc. Arcb. di Farm., VI, Nr. 3 (1898).
Malys Jb., 1898, 634.
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- 80 —
fanden anch Wassebbiann & Pboskauer (1. c.) in abgeschwächten Kaltaren
sehr reichlich. Ob er mit den Toxoiden etwas zu. thun hat, sei dahingestellt
Dagegen wissen wir von den freien Toxonen, die ein zweites primäres
Produkt darstellen, und die wir ja in der Diflferentialzone mit Sicherheit
stadieren können, dass sie ganz bestimmte Giftwirkungen entfalten.
Ehrlich 1) hat leichte Oedeme nnd spät auftretende Lähmungen beob-
achtet. Madsen2) fand, dass sie Oedeme erzeugen, jedoch keine Ne-
krosen und Alopecieen. Die Lähmungen treten vom 13. — 33. Tage
ein und führen bei großen Dosen stets zum Tode. Er beobachtete auch
Verschiedenheiten in der Wirkung verschiedener Kulturen. Besonders
bei stark abgeschwächten Giften, wo also zwischen Lo und Lf viel freie
Toxone vorhanden sind, treten häufiger späte Todesfälle ein. Anderer-
seits ist sehr auffallend, dass Kaninchen von den Toxonen sehr akut
getötet werden (Ehrlich).
Die Toxonfrage bietet aber femer noch ein großes theoretisches
Interesse. Wenn wirklich die Toxone echte Haptine sind, d. h. Stoflfe
die ebenfalls haptophore Gruppen, identisch oder nahe verwandt mit
den haptophoren Gruppen des echten Toxins, haben, so müssen sie, wenn
die EHRLiCHSche Seitenkettentheorie zn Hecht besteht, auch Bezeptoren
abspalten, d. h. immnnisieren können.
Diese sehr interessante Frage ist von Madsen & Dreyer^) experi-
mentell geprüft und bejaht worden. Es gelang ihnen bei mehreren
Giften, die so weit durch Antitoxin neutralisiert waren (siehe oben), dass
nur noch die Toxone in Freiheit waren, bei Meerschweinchen, Kaninchen,
Ziegen und Pferden eine ziemlich hochwertige Immunität zn erzielen.
Das Serum der so vorbehandelten Tiere enthielt ziemlich beträchtliche,
freilich stark wechselnde Mengen Antitoxins, bei einem Pferd bis fast
400 I.-E. pro cm3. Sie waren dann auch gegen große Dosen voll-
giftigen Toxins immun, woraus man auf eine weitgehende Ueberein-
stimmung der haptophoren Gruppen der Toxone mit denen des echten
Toxins schließen darf.
Eine Ausnahmestellung nahm das Kaninchen ein. Zunächst erwies
sich das Tier als äußerst empfindlich. Mischungen, welche für Meer-
schweinchen nur noch Toxonwirkungen zeigten, weisen bei ihm noch
akute Wirkungen auf; andererseits gingen den Forschem auch bei sol-
chen Mischungen, die sicher nur noch Toxone frei enthielten, die meisten
Tiere an den Spätlähmungen zu Grunde. Ein Tier indessen blieb am
Leben und vertrug dann sehr große Toxonmengen, später auch mehr-
fache Multipla der tödlichen Toxindosis ohne Schaden : aber sein Serum
1) Ehrlich, Zur Wertbemessung des Dipbtherieheilsernms. Elin. Jahrb., VI.
2) Madsen, Constit da poison diphth^rique. Ann. Fast, XIII, 568 (1899).
3) Madsen & Dreyer, üeb. Immanisiening mit d. Toxonen d. Diphtheriegiftes.
Z. f. Hyg., 37, 249 {1901).
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— 81 —
zeigte niemals auch nur die geringste Spur eines Antitoxin-
gehaltes.
Eine Erklärung dieses merkwürdigen Phänomens ist bisher nicht zu
geben; wenn man nicht zu der Annahme greifen will, dass zwar durch
die aktive Immunisierung die Neubildung von schützenden Seitenketten
angeregt, diese aber nicht frei in die Blutbahn abgestoßen werden
(»sessile Rezeptoren« nach Ehrlich).
Infolge der geringeren Avidität des Diphtherietoxins wird es sehr
viel langsamer von den Rezeptoren des Organismus verankert, d. h. es
verschwindet nicht so rapide aus der Blutbahn wie das Toxin. Wir
haben oben gezeigt, dass schon 15 Minuten nach einer Injektion der
siebenfachen tödlichen Dosis Dönitz die Tiere durch eine das Gift in
vitro genau neutralisierende Antitoxinmenge nicht mehr retten konnte.
Dreyeb*) hat nun entsprechende Versuche mit den Toxonen angestellt.
Nach 2 Stunden genügte die neutralisierende Menge Antitoxins
noch stets, um eine sonst sicher nach 12 — 18 Tagen tödliche Toxondosis,
beides bei Kaninchen intravenös appliziert, völlig unschädlich zu machen;
bei 5 Stunden ZeitdiflFerenz zeigen sich die ersten Paresen, bei 10 Stunden
treten sie stets auf, jedoch erst in 20—22 Tagen, bei 16 — 24 Stunden
Zeitdifferenz ist das Antitoxin völlig machtlos.
Ein ähnliches Bild gaben Heilungsversuche, die Dreyer mit
großen Antitoxinmengen in subkutaner Einführung beider Stoffe am
Meerschweinchen angestellt hat. 24 Stunden nach der Injektion einer
sicher nach 12 — 18 Tagen tödlichen Toxondosis genügte die fünffache
Dosis, um den Tod zu verhüten, nicht stets die Paresen.
Von sieben Tieren, die nach 48 Stunden eine 5000 — lOOOOmal neu-
tralisierende Antitoxindosis bekamen, bekam eins keine Paresen, die
' anderen leichte mit Ausgang in Heilung nach 18 — 25 Tagen.
4 X 24 Stunden und 21 000 fache Antitoxin dosis ergab zwei tödliche
Paresen, eine geheilte nach 18—21 Tagen. 5 X 24 Stunden, ebenfalls
21 000 fache Antitoxindosis: nach 16 — 29 Tagen drei letale, zwei geheilte
Paresen. Das Toxon wird also relativ sehr langsam gebunden, und
kann noch lange vom Antitoxin wieder beeinflusst, wahrscheinlich auch
viel leichter als das Toxin aus der schon bestehenden Verbindung mit
dem Receptor losgerissen werden.
Das Diphtherieantitoxin.
Das Diphtherotoxin erzeugt im Körper des Versuchstieres das ihm
entsprechende Gegengift, das Antitoxin. Das Antitoxin, das also ein
normales, nur im Ueberschuss produziertes Produkt des Körpers ist.
1) Dreyer, Ueber die Grenzen d. Wirkung d. DiphtherieheilBernms gegenüber
d. Toxonen. Z. f: Hyg., 37, 267 (1901).
Oppenheimer, Toxine nnd Antitoxine. 6
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iSüdet sich demzufolge bei Individuen, die Diphtherie überstanden haben,
oder bei künstlich immunisierten Tieren in den Gewebssäften und Se-
kreten. Die Art der Antitoxinproduktion und seine Beziehungen zur
künstlichen Immunität und zur Heilserumtherapie können uns hier nicht
beschäftigen; nur dasjenige, was wir über das Diphtherieantitoxin als
solches wissen, kann hier geschildert werden.
Die beiden Hanptquellen zur künstlichen Gewinnung des Antitoxins
sind das Blutserum und die Milch immunisierter Tiere. Je höher
das Tier aktiv immunisiert ist, desto reicher ist der Gehalt dieser Flüssig-
keiten an Antitoxin, desto größer die Aussicht, das Antitoxin, wenn auch
nicht rein, so doch in konzentriertem Zustande ans ihnen zu gewinnen.
Das Antitoxin findet sich in größeren Mengen nur im Serum künst-
lich immunisierter Tiere, jedoch hat man es natürlich auch, wenn auch
weniger reichlich, im Blute von Diphtherierekonvaleszenten gefunden.
Besonders interessant ist aber, dass auch das normale Serum vieler
Tierarten Diphtherieantitoxin enthält, dass also auch normalerweise
haptophore Seitenketten sich in der Blntbahn vorfinden. A. Wassermann^)
hat als der erste bei 85^ der Erwachsenen und 60))^ der Kinder
Antitoxin gefunden. Auch im Pferdeserum hat man öfters Antitoxin
gefunden, so z. B. DieüdonniS*) und Cobbett^).
Sehr wichtig zur Erklärung der Thatsache, dass Säuglinge seltener
an Diphtherie erkranken, ist der im Anschluss an Wassermann erhobene
Befund von Fischl & v. Wünschheim*), dass bereits das Serum gesunder
Säuglinge ziemlich reichliche Mengen Diphtherieantitoxin enthält; sie
fanden es bei 83^ aller untersuchten Kinder. Die Uebereinstimmung
mit den von A. Wassermann gefundenen Zahlen weist darauf hin, dass
es sich hier um eine Uebertragung des Antitoxins auf den Säugling
mittels des Placentablutes und der Milch seitens der Mutter handelt.
Wie bei dem Toxin muss man hier zwei Bestrebungen unterscheiden:
diejenigen, die nur zu praktischen Zwecken eine Konservierung und Kon-
zentrierung des Antitoxins anstreben, mit oder ohne Gewinnung eines
festen Produktes; andererseits die Versuche, die man gemacht hat,
durch sorgfältigere Untersuchungen einen Einblick in die Konstitntion
des Antitoxins an sich zu gewinnen, durch Prüfung seines Zusammen-
hangs mit den verschiedenen EiweißstoflFen seiner Mutterflüssigkeiten
und durch möglichste Isolierung des wirksamen Prinzips.
1) A. Wassermann, Üeb. d. pera. Prophylaxe geg. Diphth. Z. f. Hyg., XIX, 408
(1895).
2) DiEUDONN^, Ueb. Dipbtberiegift neutralis. Wirkung d. Semmgloboline. Arb.
a. d. Kais. GeB.-Amt, XIII, 293 (1897).
8) CoBBETT, Enthält das normale Pferdeflerum Antitoxin? C. f. Bakt, 26, 468
(1899), ß. a. Lancet, 1899, II, 332.
*) Fischl & v. Wünschheim, üeb. Scbutzkörper im Blute der Neageborenen.
Prager med. Wocb., 1895, Nr. 46flf.
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— 83 —
Die Aafbewahnmg des Seroins.
Die erste Forderung ist die Konservierung des Serums unter Ver-
meidung von Zersetzungen und unter Erhaltung seines Gehaltes an Anti-
toxin. Das Serum bleibt ziemlich lange beständig, wenn man es vor
Luft, Licht und bakterieller Verunreinigung schützt. Da das Serum ein
guter Nährboden für Bakterien ist, so muss man es unter streng asep-
tischen Kautelen gewinnen und aufbewahren. Außerdem setzt man meist
noch ein Antisepticum, z. B. Phenol bis zu 0,5proz. Lösung zu.
Sterilisierung durch Filtration ist nach Di Martini i) unzweckmäßig,
da ein sehr beträchtlicher Teil des Antitoxins im CnAMBERLAND-Filter
zurückgehalten wird. Dies ist von Dzierzgowski*) rundweg geleugnet
worden. Cobbett^) hat diese praktisch ungemein wichtige Frage gründ-
lich studiert und giebt an, dass eine solche Retention, besonders bei
Berkefeld- oder MARXiN-Filter häufig vorkommt und recht beträchtlich
werden kann, zumal dann, wenn die Poren des Filters anfangen ver-
stopft zu werden. Man soll also die Filtration nicht forcieren; wenn sie
nicht leicht, ohne hohen Druck von statten geht, ist sie sehr spärlich.
Durch Gelatinefilter wird das Antitoxin zurückgehalten (Brodie*).
Durch Erhitzen bis zum Sieden wird das Antitoxin rasch zerstört.
Schon 60—70° sind schädlich (van de Velde*). Das getrocknete Anti-
toxin dagegen verträgt 110° eine halbe Stunde, 140° eine viertel
Stunde (Camus«).
Niedere Temperaturen verträgt es einigermaßen. Spronck') hat es auf
59° behufs Sterilisierung erwärmt, ohne dass seine antitoxische Kraft
wesentlich geschwächt wurde. Temperaturen bis 36° sind gleichgiltig
(Palmirski & Orlowski^), nach Müller*) jedoch in längeren Zeiträumen
(2 Monate) sehr schädlich.
Gegen tiefe Temperaturen scheint es unempfindlich zu sein (Büjwid ^%
1) DI Martini, Snl comportamento del siero antidifiterico filtrato. Bif. med..
1896, Nr. 266; ref. C. f. Bakt, 24, 861 (1898).
2) DziERZGOWSKi, Z. Frage: >üeb. die Verluste des Diphth.-Heils. bei der Fil-
tration«. C. f. Bakt, 21, 333 (1897).
3) CoBBETT, Der Einflnaa der Filtration auf das Dipbth.- Antitoxin. C. f. Bakt.,
24, 386 (1898).
*) Brodie, Joum. of pathoL, 1897, 460. Cit n. Martin & Cherry, The anta-
gonism between toxins and antitox. Proc. Boy. Soc, 63, 420 (1898).
S) YAN DE Yelde, BeitT. z. Kenntnis der antitox. Kraft d. antidiphtb. Serams.
C. f. Bakt., 22, 627.
0) Camus, Besistance anx temp. ^l^v^es des vaccins dess^cb^es. Soc. BioL, 50,
236 (1898).
T) Spronck, GbanflElage du s^mm antidipbtb^riqne. Ann. Fast., XII, 696 (1898).
8) Palmirski & Orlowski, Medycyna 23. Eef. C. f. Bakt, 19, 916.
9) Müller, Ueber d. Besistenz d. Dipbtberiebeilsenuns gegenüber verscbiedenen
Einflüssen. C. f. Bakt, 24, 261 (1898).
^) Büjwm, Ueb. e. Metbode d. Concentrat d. dipbtb. Heils, mittelst Ansfrieren.
C. f. Bakt, 22, 287 (1897).
6*
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— 84 —
Direktes Sonnenlicht und vermehrte Luftzufuhr (langes Schütteln) sind
schädlich (Palmibski & Orlowski 1. c). Müller (1. c.) fand gelbes und
rotes Licht selbst bei monatelanger Einwirkung unschädlich, blaues und
grünes dagegen sehr schädlich, ebenso Tageslicht bei langer Einwirkung,
während es Marenghi^) bei kurzer Dauer gleichgiltig fand. Alle Gase
fand Müller auf die Dauer sehr schädlich, so dass er empfiehlt, die
Röhrchen möglichst voll ohne größere Gasmengen aufzubewahren. Am
besten wird es also im Dunklen, auf Eis, unter Luftabschluss und
vor Verunreinigung geschützt, aufbewahrt. Die festen Antitoxinpräparate
werden nach Ehrlich außerdem noch durch Phosphorsäureanhydrid
vor Feuchtigkeit im Vacuum bewahrt und sind dann durch Jahre hin-
durch haltbar.
Spronck*) giebt an, dass Diphtherieheilserum, das auf 58° erwärmt
und zwanzig Minuten bei dieser Temperatur gehalten wird, nicht mehr
die Eigenschaft hat, unangenehme urticariaähnliche Erytheme zu er-
zeugen, wie es das nicht erwärmte Serum häufig thut.
Im Verdauungskanal scheint es zerstört zu werden. Dzierzgowski^)
fand, dass eine Immunisierung durch Zuführung von Antitoxin per os
nicht zu erzielen ist Nur bei Kaninchen kann man durch Eingießung
in den leeren Magen eine geringe Resorption konstatieren.
Besonders schädlich wirkt die Salzsäure; dagegen sind neutrali-
siertes Pepsin, auch Pankreas und Galle ziemlich unschädlich. Trotzdem
wird es vom Darm aus nicht resorbiert.
Es muss wohl doch allmählich unter dem Einflüsse der Verdauungs-
fermente langsam zerstört werden, denn absolut ist seine Resistenz gegen
Trypsin nicht. Wenigstens fand Pick (1. c), dass nach neuntägiger
Trypsinverdauung das Antitoxin doch schon beträchtlich zerstört war,
nämlich fast zu V3.
Auch bei subkutaner Injektion verschwindet es bald aus dem Blute,
wie Passini*) zeigte, der eine teilweise Bindung in den Geweben zur
Erklärung annimmt.
BoMSTEiN '^) hat sich mit der Frage nach dem Verbleib des Antitoxins
beschäftigt Nach einmaliger Einführung einer Quantität Heilserum ver-
schwindet es bald wieder aus dem Blute.
Wo es verbleibt, ist nicht anzugeben, es scheint aber zerstört zu
1) Marenohi, Ueb. die gegenseitige Wirkung des antidiphth. Serums und des
Diphth-Toxins. C. f. Bakt, 22, 620 (1897).
2) Spronck, Chanffage du s^ram antidipbth. Ann. Fast., XII, 697 (1898).
3) DziERZGtowsKi, Die Bezieh, d. Verdauungsfermente zum Anttdiphtherieeerum.
Arch. d. ßciences biolog., VII, 337. (Malys Jb., 1899, 967.)
^) Passiki, Vers, ttber die Dauer d. antidiphth. Schutzimpfung. Wien. klin.
Woch., 1896, S. 1111.
^) BoMSTEm, Z. Frage der passiven Immunität bei Diphtherie. C. f. Bakt, 22,
Ö87 (1897).
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werden, denn der Harn enthielt nnr in den ersten Tagen geringe Spnren;
ebensowenig lässt es sich sicher in den Organen nachweisen.
Interessant ist eine Beobachtung von Mürawjew^), dass das Heilsemm
durchaus nicht indifferent ist, sondern ziemlich schwere Schädigungen der
Zellen des Rückenmarkes beim Meerschweinchen hervorruft. Er warnt des-
halb davor, zu große Dosen auf einmal zu geben.
Doch ist dies zweifellos auf Rechnung des Serums der fremden Tierart,
nicht auf die des Antitoxins zu setzen, da auch normales Serum ähnliche
Schädigungen bewirkt, wenn auch die Annahme von Linossieb & Lemoine^),
dass schon ganz kleine Mengen normales Pferdeserum bei Kaninchen schwere
Erkrankungen, langdauemde Albuminurie hervorruft, nach meinen Erfahrungen
zweifellos falsch ist.
Eonzentrierong des Antitoxins.
Bald nach der Gewinnung der ersten wirksamen Antitoxinsera hat
man dann auch angefangen, Versuche zur Isolierung des Antitoxins zu
machen.
Zunächst handelte es sich rein praktisch um die Gewinnung fester
Stoffe, die die spezifische Fähigkeit des Antitoxins nicht verloren hatten.
Zu diesem Zwecke schlug man meist einfach das Antitoxin mit den
Eiweißkörpem des Serums zusammen nieder, z. B. durch konzentriertes
Ammoniumsulfat, und trocknete diese Niederschläge bei niederer
Temperatur im Vacuum. So erzielte man ziemlich wirksam gebliebene
Trockenpräparate des Antitoxins, ans denen man dann durch Aus-
schütteln mit ganz schwachen Alkalien Lösungen des Antitoxins von bis
hundertfacher Stärke gegenüber dem einfachen Senim gewann.
Aeonson^) verfuhr z. B. folgendermaßen:
Zu 100 cm^ des Serums wurden 100 cm^ Wasser und 70 cm^ einer
lOproz. Aluminiumsulfatlösung zugesetzt. Dann wurde mit Ammoniak ge-
fällt, so dass die Reaktion gerade noch schwach sauer war. Es entsteht ein
Kiederschlag, der mit 150 — 200 cm^ kalten Wassers gewaschen wird. Er
enthält bis 96% des Antitoxins. Aehnliche Niederschläge kann man durch
Zinksulfat und Ferrocyankalium , Eisenchlorid und Ammoniak gewinnen.
Diese Niederschläge werden mit dem hundersten Teil (auf das ursprüngliche
Serum) ganz schwacher Alkalien, die eben Lackmuspapier blau färben, im
Schüttelapparat längere Zeit und mehrfach wiederholt geschüttelt.
BujwiD^) lässt das Serum gefrieren, wobei sich zunächst reines
Wasser in Erystallen abscheidet, während eine sehr antitoxinreiche,
>) MuBAWJBW, Das Dipbtherietoxin u. -Antitoxin in ihrer Wechselwirkung auf
das Nervensystem d. Meerschweinchens. Fortschr. d. Med., 1898, 93.
3} LiKOSSiER & Lemoine, Actlou nephrotoxique des inj. d. s^rnms nonnanx. Soc.
Biol., 55, 515 (1903).
3) Aronson, Weit Unters, über Diphtherie. Berl. klin. Woch., 1894, 425.
4) BujwiD, Ueb. e. Methode z. Goncentr. d. Diphtherieheils, mittelst Ausfrieren.
C. f. Bakt, 22, 287.
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— Be-
trübe Lösung zurückbleibt. Man kann dann entweder abcentrifugieren
oder langsam auftauen, wobei zwei Schichten resultieren, so dass man
die obere, reines Wasser enthaltende Schicht abheben kann. Zu ganz
analogen Resultaten gelangten gleichzeitig Ernst, Coolidge & Cook ^).
Brieger & BoER^) fänden, dass zur Isolierung von Diphtherieantitoxin
der Niederschlag von phosphorsaurem Kalk und von Schwermetall-
hydraten unbrauchbar ist. Auch die Methode, nach der Tizzoni sein
Tetanusantitoxin isoliert hat (s. d.), nämlich Aussalzen mit festem Mag-
nesiumsulfat bei 30®, erzielte eine Ausbeute von höchstens 50^.
Brieger & Boer erzielten dagegen mit folgendem Verfahren eine quan-
titative Ausbeute:
Zu 10 cm^ Immunserum setzt man 10 cm^ destilliertes Wasser, femer 4 g
trockenes Chlorkalium und 4 — ö g fein zerriebenes Chlornatrinm und
lässt dies Gemisch 18 — 20 Stunden im Brutschrank stehen. Dann löst man
in Wasser und dialysiert. Manchmal ballt sich der Niederschlag beim An-
rtlhren mit Wasser fest zusammen und giebt kein Antitoxin an dasselbe ab.
Dann kann man es nur mit schwachem Alkali ausziehen. Eine nähere Er-
klärung dieser Anomalie ist nicht zu geben. Nach dem Wiederanflösen setzt
man das gleiche Volumen fein zerriebenes Magnesiumsulfat zu und lässt noch-
mals 2 — 3 Stunden im Brutschrank stehen. Dadurch wird das Antitoxin
quantitativ ausgefällt. Sie erhielten so aus 10 cm^ 0,2 g wirksame Trocken-
substanz.
Brieger & Boer haben femer versucht, durch Fällung mit Schwer-
metallsalzen das Antitoxin zu konzentrieren. Besonders Zinksalze er-
wiesen sich als geeignet.
Das Serum wurde mit der fünffachen Menge Wasser verdünnt und der
doppelten Menge Iproz. Zinksulfat oder Zinkchloridlösung gefällt, der Nieder-
schlag mit Wasser gewaschen. Dann mit V400 N. Alkalilauge in Lösung ge-
bracht, das Zink durch Einleiten von Eohlendioxyd gefällt. Dabei stellte es
sich heraus, dass bei der Fällung mit Zinksulfat das Antitoxin mit dem Zink
ansfiel, bei Zinkchlorid dagegen in Lösung blieb. Der das Antitoxin ent-
haltende Anteil wird im Exsiccator getrocknet. Dabei werden die Zink-
albuminate etwas in Wasser löslich, das Zinkantitoxin nicht. Es wird also
wieder in verdünntem Alkali gelöst und das Zink wieder mit Kohlensäure
ausgeschieden. Eine völlige Trennung vom Zink ist dadurch nicht zu erzielen.
Aus der Mil ch immunisierter Tiere haben zuerst Brieger & Ehrlich ^j
wirksame Trockenpräparate mittelst Ammonsulfat gewonnen. Sie er-
hielten ein Präparat, das 14^ Ammonsulfat enthielt und 400 — 600 mal
so wirksam als die ursprüngliche Milch war.
1) Ernst, Coolidge & Cook, The efifeet of freezing npon the antidipht semm.
Journal Boston med. soc, 11, 166. Banmgartens Jb., 1898, 242.
^ Brieger & Boer, Ueber Antitoxine und Toxine. Z. f. Hyg., 21, 259.
3} Brieger & Ehrlich, Beitr. z. Eenntn. d. Milch immuner Tiere. Z. f. Hyg.,
Xin, 336 (1893).
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Wassermann^] hat diese Methode etwas modifiziert. Er benutzte
folgendes Verfahren:
Die steril aufgefangene Milch wird mit ca. 20 cm^ Normalsalzsaure per Liter
versetzt, durch Labferment möglichst schnell znm Gerinnen gebracht, nnd
das ausgeschiedene Parakaseln abfiltriert. Die Molke wird dann kräftig mit
Chloroform geschüttelt. Das mit Chloroform imbibierte Fett und die Bak-
terienleiber der Milch setzen sich ab und die Flüssigkeit wird davon dekan-
tiert Dann werden je 5 Liter der Molke mit der durch einen Vorversuch
gefundenen, berechneten Menge 30 — 33proz. Ammonsulfatlösung gefällt, der
Niederschlag auf Thon im Vacuum bei 35° getrocknet, vom festen Ammon-
sulfat möglichst getrennt, und in Wasser zu der gewünschten Konzentration
gelöst. Eine Dialyse ist nicht erforderlich, da die dann noch vorhandenen
geringen Mengen Ammonsulfat in der Verdünnung indifierent sind.
Die Versuche, aus dem flüssigen Serum Antitoxinpräparate zu ge-
winnen, sind heute insofern praktisch ziemlich v^ertlos gev^orden, als
man es heute vorzieht, die Tiere so hoch zu immunisieren, dass das
Serum der Tiere selbst so viel Antitoxineinheiten im Kubikcentimeter
enthält, dass eine Konzentrierung unnötig ist.
Dagegen hat man mit gleichem Literesse die wissenschaftliche Seite
der Frage weiter behandelt und hat versucht, das Antitoxin als solches
möglichst zu isolieren und zu konstatieren, ob es als eigener Stoff dar-
zustellen ist und an welchen Eiweißkörpem des Serums es gebunden
ist Außerdem hat man sich bemüht, Unterschiede zwischen dem ein-
fachen und dem antitoxinhaltigen Serum aufzufinden.
SzONTAGH & Wellmann ^) haben das normale und das antitoxische
Pferdeserum einer Vergleichung unterzogen. Sie fanden in beiden kein
Nukleoalbumin, der Globulingehalt war derselbe, ebenso Aschen-
und Chlorgehalt und spezifisches Gewicht. Als einzigen Unterschied
fanden sie, dass das Heilserum durchschnittlich ca. 0,25^ mehr Gesamt-
eiweiß enthält als das normale; sie schreiben indessen mit Recht diesem
Unterschiede keine wesentliche Bedeutung zu. Dagegen glauben sie ge-
funden zu haben, dass das Heilserum eine Abnahme der Gefrierpunkts-
emiedrigung und der elektrischen Leitfähigkeit zeigt, die anscheinend
proportional dem Antitoxingehalt ist. Feeünd & Sternbeeg^) haben
versucht, das Antitoxin möglichst zu isolieren.
Das Heilserum wird mit Kaliumalaun gefällt und dialysiert. Zinksalze
gaben im Dialysat keinen Niederschlag. Durch Zusatz von kohlensaurem
oder phosphorsaurem Alkali wird das Antitoxin mit dem entstehenden Zink-
1) Wassermann, üeb. Concentrierung v. Antitoxin aas Milch. Z. f. Hyg., XVIII,
286 (1894).
^ SzoNTAQH & Wellmann, Vergleichende ehem. Unters, üb. d. normale Pferde-
sernm und das DiphtherieheilBerum. D. med. Woch., 18d8, 421.
S) Freund & Sternberg, Ueber Darstellung des Heilkörpers aus d. Diphtherie-
heilserum. Z. f. Hyg., 31, 429 (1899).
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niederschlage nicht mitgefällt, wohl aber durch Langenznsatz mit dem Zink-
hydroxyd. Aas diesem lässt es sich durch schwaches Alkali im Ueberschuss,
so dasa gerade PhenolphtaleYn gefärbt wird, ausziehen. Barytlösung ist nicht
anwendbar, da sie das Antitoxin zerstört. Auch mit Eisensalzen ist kein
befriedigendes Resultat zu erzielen. Dann wird mit Magnesiumsulfat bei
Zimmertemperatur gesättigt, wodurch das Antitoxin quantitativ gefällt wird.
Kach erneutem Ausziehen mit Alkali und Dialyse wird es im Vacuum ge-
trocknet.
Oder aber sie verfahren mit noch besserem Resultate folgendermaßen:
Das Serum wird zunächst mit dem dritten Teile seines Volumens 5proz.
Ealiumalaunlösung versetzt. Dabei fallen die Albumine aus, das Antitoxin
bleibt vollkommen in der Lösung. Nach dem Filtrieren wird die Lösung
dialysiert Aus dem Dialysat werden die Globuline und mit ihnen das
Antitoxin durch Halbsättigung mit Ammonsulfat ausgeschieden und mit halb-
gesättigter Ammonsulfatlösung gewaschen. Dann wird der Niederschlag wieder
in Wasser gelöst und dialysiert, im Vacuum eingeengt und filtriert.
Sie erhielten so aus 600 cm^ Serum 9 g Trockensubstanz in Gestalt einer
braunroten, leimähnlichen Masse. Sie löst sich langsam in Wasser (4,7 g in
16 cm^) zu einer syrupösen, braunroten Flüssigkeit, die leicht getrübt erscheint
und langsam filtriert. Sie enthält dann das Antitoxin gegenüber dem un-
filtrierten Präparat in unveränderter Menge. Zusatz von Karbolsäure ist un-
schädlich. Es verhält sich ähnlich wie ein Globulin.
AsTBOS & RiETSCH ^) woUcn das Antitoxin fast quantitativ aus dem
Serum gewonnen haben.
Sie verdünnen das Heilserum auf das Fünffache, setzen dann soviel Chlor-
natrium und Chlorkalium zu, dass die Lösung 20prozentig wird und lassen
bei 33° unter Zusatz von 0,5^ Phenol 24 Stunden stehen.
Von praktischer Bedeutung können vielleicht die theoretisch wichtigen
Versuche von Pick werden, der zeigte, dass man durch ca. Vs Sättigung
mit Ammonsulfat einen Teil der Globuline ohne Heilwert abscheiden
kann, während der wirksame Antikörper bei 38—46^ fällt. Er erzielt
damit eine Konzentrierung um das 10 — 15 fache. Wir werden auf die
Bedeutung dieser Arbeit unten zurückkommen.
Ebenfalls praktische Bedeutung nehmen die Bemühungen von
Pröscher2) in Anspruch, der mit Hilfe der Trypsinverdauung das
Antitoxin von überflüssigem Eiweißballast befreit haben will.
Besonderes Literesse bereitet die Frage, ob das Antitoxin als eigener
StoflF im Blute kreist, ob es als solcher ein Eiweißkörper ist oder
nicht, oder ob es an einen bestimmten Eiweißkörper des Blutes ge-
bunden ist. Damit im Zusammenhang steht die Frage, ob seine Aus-
fällung mit fallenden Eiweißniederschlägen ein einfaches Mitreißen ist,
oder ob hier chemische Fällungsreaktionen spezifischer Natur stattfinden.
>j AsTBOS & RiETSCH, Essais d'extraction de Tantitox. diphth. Soc. Biol, 52,
337 (1900).
2) Pröscher, Patentanmeldung F. 13766 (20. VI. 1902,.
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A priori ist es wohl sehr wahrscheinlich, dass das Antitoxin ein
Eiweiß körper ist, da es ja nach der Theorie ein Bestandteil des Zell-
protoplasmas ist Es liegt hier auch nicht wie bei den Toxinen irgend
ein Grand vor, das Antitoxin als ein fermentähnliches Agens anzu-
sprechen. Es wirkt ja im Gegenteil an sich absolut nicht, weder
toxisch noch fermentativ, es bindet nur das toxische Ferment der
Bakterien, und es ist eine ganz unbegründete Verallgemeinerung, die
Fermentnatur der Toxine ohne weiteres auf ihre spezifischen Gegengifte
zu übertragen. Dem Antitoxin fehlt, um im Bilde zu bleiben, jede
spezifische Gruppe außer der haptophoren, es hat weder eine toxo-
phore noch eine zymophore Gruppe; es ist zwar ein Haptin, aber nur
mit einer, der haptophoren Gruppe. In der That spricht vieles gegen
die Fermentnatur des Antitoxins. DafUr kann man eigentlich nur an-
führen, dass es bei 100^ unwirksam wird, doch ist das kein genügender
Grund. Dagegen aber und im gleichen Sinne dafür, dass es ein spe-
zifischer Eiweißkörper ist, spricht die Thatsache, dass es nicht wie
die Fermente von Niederschlägen einfach mitgerissen wird, sondern
dass es wohlcharakterisierte Fällungsreaktionen zeigt. Wie schon
Brieger & BoER (1. c.) fanden, wird das Antitoxin mit kohlensaurem
Zink nur dann mitgerissen, wenn es vorher durch Zinksulfat gefällt
war, nicht aber, wenn Zinkchlorid zu diesem Zwecke benutzt war.
Ebenso konnten Freund & Sternberg zeigen, dass von dem massigen
Niederschlage, den man mittelst Ealiumalaun in dem Serum erzeugen
kann, und der alle Albumine herausfällt, das Antitoxin nicht mitge-
rissen wird.
Anscheinend ist also das Antitoxin an einen der Eiweißstoffe des
Blutes entweder wirklich gebunden oder wir müssen annehmen, dass
der E^weißstoff selbst, der das Antitoxin darstellt, sich in seinen Reak-
tionen so eng an einen Eiweißkörper des Serums anschließt, dass man
ihn nur sehr schwer davon unterscheiden kann.
In neuerer Zeit hat allerdings Fröscher (1. c.) angegeben, ein
Diphtherieantitoxin hergestellt zu haben, das keinerlei Eiweißreaktionen
mehr zeigt. Man wird der weiteren Entwicklung dieser Frage mit leb-
haftem Interesse entgegensehen. Die weitere Frage, mit welchen Eiweiß-
körpem des Serums das Antitoxin zusammenhängt, ist zu Gunsten der
Globuline entschieden worden.
Belfanti & Carbone^) fanden zuerst, dass das Antitoxin von den Glo-
bulinen mitgefällt wird, wenn man sie durch Ammonium- oder Magnesium-
sulfat ausfällt, nicht aber durch Essigsäure. Ebenso fand Smirnow^j das
Antitoxin in dem durch Magnesiumsnlfat ausgeschiedenen GlobuUnniederschlag.
1) Belfanti & Carbone, Contributo alla conoBcenza deir antitOBsina difterica.
Arch. per le scienze med., 22, Nr. 2. Bef. C. t Bakt, 23, 1896.
^ Smirkow, Note sur la d^termin. da ponvoir antitoziqne da s^ram antidiphth6-
rique. Arch. d. scienc. biolog. de St. Pötersboarg, IV, Nr. 3 (1S95).
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— 90 —
Dagegen fand Dieudonn:^^) die Globaline, die er durch Essigsftare
und Kohlensäure abgeschieden hatte, völlig wirkungslos. Bei der Dialyse
zeigten die abgeschiedenen Globuline nur sehr wenig schützende Kraft, das
meiste blieb im Filtrat. Fällte er dagegen mit Magnesiumsulfat, so blieb
das ganze Antitoxin im Niederschlag. Ganz ähnlich verhielten sich die Glo-
buline des normalen Serums, das auch eine geringe antitoxische Kraft besaß.
Andererseits fanden wieder Hiss & Atkinson^), sowie Atkinson^), dass
das Antitoxin quantitativ durch Magnesiumsulfat mitgef^llt wird, und dass
das Immunserum einen reichlicheren Niederschlag ergiebt, als normales Serum.
Ibe & Lemaibe^) geben an, dass das Antitoxin bei einer Sättigung von
28 — 44^ Ammonsulfat mit ausfällt.
Diese scheinbaren Widersprüche in Bezug auf die Rolle der Globu-
line hat Seng^) befriedigend aufgeklärt.
Er konnte nämlich zeigen, dass es im Heilserum zwei Arten von
Globulinen giebt, wie gleichzeitig mit ihm Marcus«) für das normale
Serum zeigte, nämlich unlösliche Globuline, die durch Essigsäure,
Kohlensäure, Verdünnen mit Wasser und Dialyse fiülbar sind, während
eine zweite Kategorie, die löslichen Globuline, nur durch die übrigen
Globulinreagentien, besonders Ammonium- nnd Magnesiumsulfat fällbar
sind. An diese letzteren ausschließlich ist das Antitoxin gebunden, so
dass es bei der Fällung durch Dialyse, Kohlensäure u. s. w. im Filtrat
bleibt; dadurch sind die Widersprüche in den Arbeiten von Belpanti
& Carbone und Dieudonne erklärt.
Seng verfährt bei der Isolierung seiner »löslichen Globuline« folgender-
maßen:
Aus dem Serum werden zunächst durch fünfprozentige Kaliumalaunlösung
die Albumine abgeschieden, die gar kein Antitoxin binden. Das Filtrat
(feuchte Faltenfilter) wird dialysiert. Dabei fallen geringe Mengen unlös-
licher Globuline aus, die ebenfalls kein Antitoxin enthdten (Vn — V2S ^^^
gesamten Globulinmenge). Dieser Niederschlag wird durch feuchte Faltenfilter
filtriert und mit Wasser ausgewaschen. Das Filtrat darf mit einem großen
Ueberschuss von destilliertem Wasser keine Trübung ergeben, sowie keine
Schwefelsäurereaktion. Nun wird mit Magnesiumsulfat bei 30° oder durch
Halbsättigung mit Ammonsulfat das Globulin gefällt, wieder gelöst und nach
den üblichen Methoden (s. 0.) weiter behandelt. Es enthält etwas mehr Asche
1) DiEUDONN^, Ueb. Dipbtheriegift neutraHsier. Wirkg. der Serumglobuline. Arb.
a. d. kaiserl Ges.-Amt, XIII, 293 (1897).
2) Hiss & Atkikson, Serumglobulin and Diphteric antitoxin. Joum. of exper.
med., V, 47 (1901).
3) Atkinson, The fractional preclpitation of the globulins and albumins of normal
horse serum and diphteric antitoxic serum. Journ. of exper. med., V, 67 (1901).
^) Ide & Lemaire, it s. 1. repartition de Tantitoxine dipbt. etc. Areb. Internat
d. Pharmacodyn., VI, 477.
s) Seng, Ueb. d. qnalit u. quantit VerbSltnlBse d. EiweißkOrper im Diphtherie-
heilserum. Z. f. Hyg., 31, 613 (1899).
^ Marcus, Ueb. in Wasser lOsl. Serumglobulin. Z. f. phjs. Gh., 28, 559 (1899).
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als die direkt ans dem 8eram mit Ammonsulfat gefällten Globuline, besonders
Sparen von Alomininm.
Die Menge dieser lösliehen Globuline gegenüber dem normalen Serum
scheint sich auf Kosten der unlöslichen Globuline etwas vermehrt zu
haben, doch ließ sich das nicht einwandsfrei erweisen.
Seng hat sich auch der sehr wichtigen Frage angenommen, ob sich zwi-
schen dem so gewonnenen löslichen Globulin des Heilserums und dem auf
demselben Wege dargesteUten des normalen Serums chemische Unterschiede
nachweisen lassen. Mit absoluter Sicherheit ist ihm dies, wie vorauszusehen,
nicht gelungen, doch hat es den Anschein, als ob allerdings zwei wichtige
Eonstanten, nämlich die spezifische Drehung und die Eoagulations-
temperatur beim Antitoxinglobulin höher sind als beim Normalglobulin.
Seng bemerkt selbst mit vollem Recht, dass die physiologische Breite aller
dieser Faktoren viel zu groß ist, um sichere Differenzen zwischen den Seris
verschiedener Tiere aufzufinden; man mttsste das Serum eines Tieres vor,
während und nach der Immunisierung untersuchen. Dann könnte man viel-
leicht zu einem Resultat gelangen.
Diese Fragen sind inzwischen durch eine Reihe von Arbeiten der
HopMEiSTERSchen Schule weiteren gründlichen Untersuchungen unter-
zogen worden.
Durch fraktionierte AusfäUnng mit Ammonsulfat gelingt es nämlich,
aus dem Blutserum drei verschiedene Arten von Globulinen zu
trennen. Zunächst fällt bei einer Sättigung bis zu 2l,ö Volumprozent
Ammonsulfat das Fibrinoglobulin; bei einer Sättigung von 28 bis
36 Volumprozent fallen nach Fuld & Spiro i) die von Hofmeister so
genannten Euglobuline, bei 36 — 44 Volumprozent die Pseudo-
globuline. Die Pseudoglobuline, die sich in Wasser klar lösen,
entsprechen den »löslichen Globulinen« Marcus' & Sengs.
Pick ^) konnte nun nachweisen, dass weder das Fibrinoglobulin, noch
diejenigen Eiweißmengen, die bei weiterem Zusatz von gesättigter Ammon-
sulfatlösung bis zu 36^ ausfallen, bei ihrer Abscheidung aus Diphtherie-
heilserum vom Pferde irgend welche antitoxische Wirkung besitzen.
Nur der Anteil, der bei einer höheren Sättigung, von 38^
ab, ausfällt; enthält das Antitoxin.
Die wässrige Lösung dieses Stoffes gab bei einem Gehalt von 3,6 ^ ge-
sättigter Ammonsulfatlösung nur eine minimale Trübung, bei SS^ schied
sich ein dichter Niederschlag ab, der Y3 — Y4 des gesamten Antitoxingehaltes
enthielt, bei 42^ enthielt der Niederschlag schon ^/e, bei 46 )J^ den voUen
Betrag des Antitoxins. Das Filtrat, das nur noch Serumalbumin enthält,
schützt gar nicht
1) Fuld & Spiro, Ueb. labende n. labhemmende Wirkung 'd. Blutes. Z. f. phys.
Ch., 31, 132, (1900).
^ Pick, Z. Kenntnis d. Immunkörper. Hoün. Beitr. z. ehem. Phys., I, S.A. (1902).
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— 92 —
Es ist also beim Immunsernm des Pferdes das Antitoxin an das
Psendoglobnlin gebunden. Dagegen ist es im Ziegenimmnnsernm
an das Englobulin gebunden, ebenso in der Ziegenmilch, wo die
Schutzstoflfe, wie oben schon erwähnt, bei einer Sättigung mit 27—30^
Ammonsnlfat bereits ausfallen.
Es sei hier nochmals dai*auf hingewiesen, dass die Euglobuline wasser-
unlöslich smd, also bei der Dialyse ausfallen; daher rflhren die gi'oßen Ver-
luste, die Wassermann und B&iegeb &: Cohk bei ihren Versuchen hatten,
durch Anunonsulfat und darauffolgende Dialyse das Antitoxin aus der Ziegen-
milch zu konzentrieren (s. o.)*
Das Tetanustoxin.
Das spezifische krampferregende Gift, das die NicoLAiERSchen
Bazillen des Tetanus in ihren Kulturen bilden, ist nicht das einzige
Toxin dieser Mikroben. Sie produzieren außer dem Tetanusgift im
engeren Sinne noch ein anderes echtes Toxin, das auf Blutkörperchen
lösend wirkt, das Tetanolysin, das uns später näher beschäftigen
wird, sowie möglicherweise noch andere Gifte nicht toxinähnlicher Natur.
Hier interessiert uns zunächst nur das eigentliche, krampferzeugende
Gift, das Tetanospasmin. Es ist zweifellos ein echtes Toxin mit
haptophoren und toxophoren Gruppen, in seinen wesentlichsten Eigen-
schaften dem Diphterotoxin sehr nahestehend, und wie dieses für
unsere theoretischen Auffassungen sehr wertvoll.
Das spezifische krampferzeugende Gift des Tetanus ist schon frühzeitig
aus den Kulturen nach denselben Methoden isoliert worden, wie das
Diphtheriegift. Fast gleichzeitig Kitasato & Weyl^) und Beieger &
Fränkel (1. c.) stellten aus den Kulturen ihr Toxalbumin her, das sie
als spezifisches, im Wasser lösliches Gift erkannten. Durch Filtration
aus den noch nicht reinen Kulturen erhielt zuerst Faber ^j ein wirksames
Gift, an dem er bereits die wesentlichsten Eigenschaften des Tetanus-
toxins erkannte.
Dann wurden nähere Angaben ttber das Tetanustoxin von Tizzoni
& Cattani^), Kjtasato*), Vaillard*^) und seinen Mitarbeitern ge-
macht.
1) Kitasato & Weyl, Zur Kenntniß der Anae'roben. Zeitschr. f. Hyg., VIII,
404 (1890).
2) Faber, Die Pathogenese des Tetanus. Berl. klin. Woch., 1890, 717.
8) Tizzoni & Cattani, Sut le poison du t^tanos. Aroh. ital. d. biolog., XIV,
101 (1890).
*) Bjtasato, Exper. Unters, über das Tetanusgift. Z. f. Hyg., X, 287 (1891.
5) Vaillard, Sut Timmunit^ contre le t6tanoß. Soc. Biol., 43, 147 (1891). —
Vaillard & Vincent, Contrib. ä T^tude du t^tanos. Ann. Fast., V, 1 (1891). —
Vaillard & Roüget, do., ibid., 385. — Vaillard, Sut quelques points concer-
nant rimmnnit^ contre le t^tanoe. Ann. Fast, VI, 224 (1892).
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— 93 —
Die Bakterien liefern anf einfacher Bouillon nnd auf Blutserum bei
ana^robem Wachstum sehr giftige Toxine. Besonders wirksame Gift-
lösungen erhielten Vaillaed & Vincent, wenn sie erst eine Kultur
18 Tage lang auf einem Nährboden wachsen ließen und dann filtrierten.
Neue Aussaat auf diesem Nährboden ist unfruchtbar; setzt man aber
etwas neue Nährflüssigkeit zu, so erzeugt eine neue Aussaat sehr wirk-
same Toxine. Später verwendete Vaillard schwach alkalisierte
Bouillon mit etwas Peptonzusatz; Kitasato empfiehlt, sie jedesmal
frisch zu bereiten. Fermi & Pernossi^) fanden, dass Agarkulturen
am giftigsten sind, und diese wieder in einer Stick Stoffatmosphäre.
Brieger & CoHN*) fanden, dass die Giftigkeit der Kulturen erhöht
werden kann, wenn man den Nährböden die Alkoholfällung alter Typhus-
kulturen oder von gefaultem Fleisch zusetzt. Wladimiroff ^j züchtete
die Bazillen in mit Wasserstoff gefüllten ERLENMEYER-Kolben, indem er
nach 7 Tagen 0,5)^ Karbol zusetzte. Er leitete den Wasserstoff durch
Bohren ein, die durch einen doppelt durchbohrten Kautschukstopfen
gingen und die er dann zuschmolz. Debrand^) giebt an, dass Tetanus-
bazillen in Symbiose mit Bac. subtilis sehr gut wachsen und kräftige
Toxine bilden. Auch hier wieder muss man konstatieren, dass die
Beichlichkeit des Wachstums nicht immer mit der Giftigkeit parallel geht.
RüPPEL & Ransom^) fanden, dass bei der Entstehung von Toxin der
Gefrierpunkt der Bouillon etwas herabgesetzt wird, es tritt also eine
Neubildung von Molekülen ein, bei der Abschwächung soll er sich
wieder etwas erhöhen.
UscHiNSKY*) züchtete Tetanusbazillen auf einem eiweißfreien Nährboden
von folgender Zusammensetzung:
Wasser
10
00,0
Glycerin
30—40
NaCl
5—7
CaClj
0,1
Mg804
0,2—0,4
K2HPO4
2—2,5
Amnion.
lactic.
6—7
Natrinm
asparaginic.
3,4
am besten mit Zusatz von 1—
■2^ Tranbenzncker.
mittelst flflssigen Paraffins ab.
Die Luft schließt er
1) Fermi & Pernossi, üeber das Tetanusgift Z. f. Hyg., XVI, 386 (1894).
2) Brieger & Cohn, Unters, üb. d. Tetanusgift. Z. f. Hyg., XV, 1 (1893).
3) Wladimirofp, Antitoxinerzeug, d. Tet-Giftes. Z. f. Hyg., XV, 405 (1893).
*•) Debrand, Sur an nouvean proc^d6 de cnltnre du baoille da t^tanos. Ann.
Pastear, XIV, 757 (1900;.
^) RuPFEL & Ransom, Ueb. Molekalarverhältnisse von TetanaBgiftlöBungen.
Z. f. phys. Ch., 27, 109 (1899).
6) UscHiNSKY, lieber eine eiweißfreie Näbrlüsang f. patbog. Bakt. Centralbl.
f. Bakt, XIV, 316 (1893).
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— 94 —
Die Sterilisiemngsmittel sind die üblichen; besonders das Filtrieren
durch CHAMBERLAND-Filter und das Erwärmen auf 60®.
Das Tetanustoxin ist gegen physikalische und chemische Einflüsse
außerordentlich empfindlich. Nach Behring & Enobr^) verliert es beim
Aufbewahren manchmal sehr schnell einen beträchtlichen Teil seiner
Giftigkeit; in wenigen Tagen ist es oft schon auf den hundertsten Teil
der ursprünglichen Toxizität abgeschwächt.
Besonders schädlich wirkt der Sauerstoff der Luft auf das Toxin,
so dass es z. B. beim langsamen Filtrieren sehr schnell geschwächt
wird, und zwar besonders in alkalischer Lösung und im Licht, das
allein nicht sehr schädlich ist. Eitasato fand, dass Sonnenlicht in
15—18 St. das Gift zerstört; Fermi & Pernossi geben die Zeit von acht
Stunden an, und dass es trocken oder in Benzol gegen Sonnenlicht
nicht empfindlich ist.
Ein Strom von 0,5 Amp. soll es nach Fermi <& Perkossi in 2 Stunden
vernichten, doch sind hochgespannte Wechselströme bei Vermeidung
des Erhitzens ohne jeden Einfluss (Marmier^).
Sehr empfindlich ist es auch gegen Erwärmen. Nach Vaillard
wird es bei 65^ schon zum größten Teil zerstört, ganz jedoch noch
nicht einmal bei 80° Nach Kitasato wird es bei 60® in 20 Min., bei 55°
in IV2 St., bei 35 — 37° allmählich zerstört. Namentlich bei Zusatz von
NaCl von mehr als 5 «^ wirkt Bruttemperatur schnell schädlich. Trocken
wird es bei 150° in 30 Min. zerstört, in Amylalkohol und Benzol kann man
es 1 St. auf 80° erhitzen (Fermi äPernossi). Nach Morax & Marie 3) hält
es 154° ca. 15 Min. aus. Alkohol zerstört es (Tizzoni & Cattani).
Ofißi Karbol schadet nichts, auch Chloroform ist ziemlich indifferent.
Gase, wie CO2, CO, H und H2S fanden Fermi & Pernossi ohne
Einwirkung.
Nach Roux & Vaillard*) wirken femer vor allem oxydierende
Substanzen, z. B. sehr verdünnte Ealiumpermanganatlösung, schädlich,
sowie auch Kohlensäure unter Druck.
Auch andere Säuren sind schädlich, Weinsäure kaum, schwache
Milchsäure wirkt günstig (Briegeri^). Eine umfassende Arbeit über
die Einwirkung der verschiedensten Substanzen ist die von Fermi &
Pernossi (1. c).
Auch Jodtrichlorid wirkt sehr intensiv schädigend. Sehr eigentümlich
wirkt verdünnte (1:500) Jodlösung. Sie entgiftet das Toxin sehr
1} Behring & Knorr, Ueb. den Immnnlaierangswert des Tetanosheilsenims.
Z. f. Hyg., XIII, 407 (1893).
2) Marmier, Lös toxines et r^lectricit^. Ann. Fast, X, 469 (1896).
3) Morax & Marie, Action de la chalenr sSohe but la tox. t6t. Ann. Fast.,
XVI, 418 (1902).
*) Roux & Vaillard, Contrib. k F^tude du t^tanos. Ann. Fast, VU, 65 (1893 .
») Brieoer, Weitere Erfahrungen über Bakteriengifte. Z. f. Hyg., XIX, 101
(1895).
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schnell schon in geringen Mengen, lässt aher die immunisierende Eigen-
schaft des Toxins angeschädigt. Ganz ähnliche Resultate erzielte
Ehrlich mit Schwefelkohlenstoff. Es ist wohl unzweifelhaft,
dass hier eine schnelle Zerstörung der toxophoren Gruppe unter Scho-
nung der haptophoren Gruppe vorliegt, also eine Toxoüdbildung.
Aehnlich scheint nach Brieger, Kitasato & Wassermann (1. c.) das
Wachsen auf Thymusextrakt zu wirken.
Gegen Fäulnis scheint es sehr resistent zu sein; wenigstens fand
Symanski 1) in gefaulten Kadavern noch nach 48 Tagen Tetanusgift.
Ob das indessen echtes Tetanusgift war, ist wohl nicht ttber jeden
Zweifel erhaben.
Eonzentrierung des Toxins.
Versuche zur Isolierung des wirksamen Prinzipes aus Tetanuskulturen
sind schon frühzeitig gemacht worden.
Brieger & FrInkel stellten mit der von ihnen angegebenen Methode ein
>Toxalbumin« her. Vaillard erhielt durch Verdunsten der Giftlösung bei
Zimmertemperatur im Vacuum einen braunen Rückstand, der in Alkohol un-
löslich war und langsam dialysierte.
TizzoNi & Cattani ließen entweder die Kulturen einfach eintrocknen
und dialysierten dann, oder sie fällten mit Ammonsulfat, extrahierten
mit Wasser und dialysierten. Sie gelangten dann durch Eindunsten im
Vacuum zu festen Toxinen.
Brieger d GoHN^) fällten die Kulturen zunächst mit Ammonsulfat.
Der Niederschlag wurde in Wasser gelöst und mit sehr kleinen Mengen
basischen Bleiacetats und Ammoniak ein Teil der Eiweißkörper abge-
schieden. Von dem Bleiniederschlag wurde abfiltriert und durch Dialyse
Salze, Aminosäuren und Peptone entfernt. Sie erhielten so eine etwas
linksdrehende Lösung des Toxins, das keinen Schwefel enthielt und
keine Eiweißreaktionen zeigte. Sie erhielten es auch auf eiweißfreien
Nährböden nach Uschinsky (s. o.).
Brieger 3) fand dann später, dass sehr giftige Kulturen, die keine
Albamosen mehr enthalten, das Gift nicht mehr durch Ammonsulfat aus-
füllen lassen. Er versuchte es, durch Ausfällen mittelst Uranacetat und
Zerlegen mit Metaphosphorsäure oder Bleiacetat weiter zu reinigen und
bekam Präparate, die keine Biuretreaktion mehr zeigten.
Brieger & Boer (1. c.) haben dann weiterhin noch Versuche zur
reineren Darstellung mittelst der beim Diphtherietoxin besprochenen
Zinkmethode gemacht. Oder sie fällen mit Ammonsulfat, lösen den
Niederschlag und fällen mit der gleichen Menge 0,05 proz. Quecksilber-
chloridlösung, filtrieren, waschen aus und behandeln den Niederschlag
1) Symanski, Sitzungsbericht. DtBch. med. Woch., 1901, 318 (Vereinflbeil.).
2) Brieger & Cohn, Unters, üb. d. Tetanusgift. Z. f. Hyg., XV, 1 (1893).
3] Brieger, Weit Erfahrung, üb. Bakteriengifte. Z. f. Hyg., XIX, 101 (1895).
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in der angegebenen Weise mit Ammoniumkarbonat. HayashiI) hat mit
einer etwas modifizierten Methode (Fällnng erst mit Ammonsnlfat, dann
mit Zinkchlorid) Präparate erhalten, die nach seiner Ansicht keine
ungiftigen Albumosen mehr enthalten. Infolgedessen hält er, da diese
Präparate immer noch mit Ammonsulfat ausfallen und die Biuret- und
MiLLOKsche Reaktion geben, das Tetanusgift selbst flir eine Albumose.
Infolge der großen Giftigkeit, welche das Tetanustoxin selbst in
kleinsten Dosen für einige Tierarten besitzt, ist man grade beim Tetanus-
toxin mit besonderem Nachdruck auf die Analogie mit den Fermenten
hingedrängt worden. In der That spricht sehr vieles daftlr. Vaillard
nennt es ohne weiteres ein Ferment, auch die übrigen Autoren, wie
TizzoNi, Brieger u. s. w. neigen sich dieser Ansicht zu, die eigentlich,
und mit nicht gerade kräftigen Waffen, nur von Fermi in seinen ver-
schiedenen Arbeiten bekämpft wird. Meines Erachtens ist man be-
rechtigt, eine weitgehende Analogie der Toxine, sowie einiger anderer
Haptine mit den Fermenten anzunehmen, und ich habe dieser Anschau-
ung mehrfach Ausdruck gegeben 2). Das Labferment lässt sich bereits
mit völliger Sicherheit den Haptinen zuzählen, und für die anderen
Fermente sind nahe Beziehungen nicht von der Hand zu weisen. Es
ist aber freilich nicht gerechtfertigt, nun im Tetanustoxin an sich eine
fermentativ spaltende Aktion in einer der bekannten Arten zu suchen,
das Tetanustoxin ist ein Ferment in der Art, aber nicht im Ziel seiner
Wirkung. Es übt keine der üblichen Enzymwirkungen weder auf Stärke
noch auf Rohrzucker u. s. w. aus. Neben ihm fand Vaillard in viru-
lenten Kulturen allerdings ein gelatineverflüssigendes Enzym.
Solche proteolytischen und andere Enzyme bilden aber viele, auch nicht
pathogene Mikroben.
Tozolde und Tozone.
Die Frage nach dem Vorhandensein derartiger ungifliger Haptine
ist beim Tetanus noch kaum zielbewusst untersucht worden. Bei der
so außerordentlich schnellen Abschwächung frischer Grifte scheint sich
auch die haptophore Gruppe mit zu verändern; jedenfalls ist noch nie-
mals mit Klarheit festgestellt worden, dass bei gleichbleibender
Sättigungsgröße eine Verminderung der Giftwirkung eintritt. Freilich
haben alle Beobachter Differenzen zwischen dem direkten Giftwerte
und dem indirekten, d. h. den zur Neutralisierung einer entsprechenden
Antitoxinmenge nötigen gefunden, die auf die Existenz von ungiftigen
Haptinen hindeuten.
^) Hayashi, lieber die chemische Natur des TetanuBtozinB. Arch. f. exp.
Pathol, 47, 9, und Chem. Centralbl, 1901, I, 411.
2) Oppbnheimbr, Toxine u. Sohutzstoffe. Biol. Centralbl., 1899, 799. — DerB.,
»Die Fermente u. ihre Wirkungen«. II. Aufl. Leipzig 1903. — Ders., Zur Theorie
der FermentprozesBe. Münch. med. Woch , 1901.
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— 97 —
Besonders Behring^) hat auf diesen Umstand hingewiesen. Er fand
bei frischen Giften den direkten Giftwert gleich dem indirekten (mit
Yi 000 Antitoxineinheit gemessen); diese nannte er daher »Gleichgifte«.
Bei älteren Enlturen dagegen fand er stets den direkten Giftwert geringer,
d. h. es hatten sich offensichtlich Toxo'fde gebildet, die bei der Absättigong
das Antitoxin in Anspruch nehmen, so dass man also weniger Giftein-
heiten zusetzen muss, als bei frischen nur toxinhaltigen Giften, um
Lo zu erreichen. Solche toxoldhaltigen Gifte eignen sich, wie Behring
angiebt, und wie leicht erklärlich, gut zum Immunisieren. Die Toxoide
scheinen ftlr verschiedene Tiere verschiedene Toxizität zu besitzen,
wenigstens verschiebt sich die Giftigkeitsskala ftlr die einzelnen Arten
sehr gegen die der Gleichgifte (s. o.).
Die Existenz von Toxonen machen Versuche von BInobr*) wahr-
scheinlich, der z. B. fand, dass bei annähernder Sättigung mit Antitoxin
(also in der »Differentialzone«) eine zugesetzte Giftmenge einen wesent-
lich kleineren Giftwert repräsentiert, als ihr im direkten Giftwert zu-
käme, gerade wie beim Diphtheriegift weit mehr als eine letale Dosis
nötig ist, um von Lo zu Lf zu ftlhren. Er selbst scheint allerdings diese
Annahme abzulehnen und deutet die Thatsache in anderer Weise.
Physiologische Wirksamkeit des TetanustozinB.
Das Tetanospasmin ist von sehr wechselnder Giftigkeit für die ver-
schiedenen Tierarten, besonders bei subkutaner Injektion.
Fttr sehr empfängliche Tiere ist seine Giftigkeit bei der üblichen
subkutanen Einftlhrnng eine ganz enorme. Vaillard erhielt eine
Losung, von der 0,001 cm* ein Meerschweinchen tötete. Diese Dosis
enthielt ca. 0,000025 g organische Substanz, also davon nur einen ge-
ringen Bruchteil reines Toxin. Für eine Maus genügen 0,000000025 g
oi^anische Substanz. Nach Brieger d Gohn (1. c.) ist die tödliche Dosis
eines durchaus noch nicht reinen Toxins für die Maus ca. 0,0000005 g,
für den Menschen 0,00023 g, doch sind bisweilen noch giftigere Prä-
parate erhalten worden. Auch sind die individuellen Schwankungen
außerordentlich groß. Nach Behring & Enorr ist die sicher tödliche
Dosis für Mäuse ca. 6mal so groß als diejenige, bei der gerade noch
keine Maus stirbt. Noch viel größer aber sind die Schwankungen der
Toxizität nach der Empfänglichkeit der Tierarten.
Knorr^) giebt in seiner Arbeit eine Skala der Empfindlichkeit gegen
Tetanusgift. Nach ihm ist das empfindlichste Tier das Pferd. Nimmt
man die Dosis, die 1 g Pferd tötet, als Einheit, so braucht
1) BEHBiNa, Ueber Tetannsgiftmodifikationen. Fortschr. d. Med., XVII, 601
(1899).
^ Enorr, Die Entstehung des Tetanns-Antitoxins. Fortschr. d. Med., 1897, 667.
3) Enorr, Das Tetannsgift und seine Beziehg. znm tier. Organismus. Mttnch.
med. Wooh., 1898, 321, 362.
Oppenheim er, Toxine and Antitoxine. 7
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98 —
1 g Meerschweinchen
2x
1 g Ziege
4x
Maus
13 X
Kaninchen
2000 X
Huhn 200000 x
so viel Gift.
Behking*) giebt fllr frische Gifte, die keine Verschiebung zwischen
direktem und indirektem Giftwert aufweisen (Gleichgifte), folgende
Skala:
1 letale Dosis für 1 g Maus (+Ms) tötet
12 g Pferd,
6 g Meerschwein,
0,2 g Ziege,
Vi 50 g Kaninchen,
Viooo g Gans,
Vsoooo S Huhn.
Die Zahlen stimmen also ziemlich gut überein. Bei alten Giften, wo
nach Behring der direkte Giftwert {+ Ms) viel geringer ist als der
indirekte (+ ms), das heißt die Menge, die nach Absättigxmg von
Vioüo Antitoxineinheit noch tödlich wirkt (Viooo AE = —40000 Ms), liegen
die Relativzahlen ganz unregelmäßig. Ebenso schwanken die Beziehungen
zwischen der geringsten krankmachenden und der geringsten tödlichen
Dosis mit der Tierart sehr stark.
Die Toxizität wird gewöhnlich erheblich erhöht, wenn man das Gift
subdural resp. intercerebral einführt. So ist z.B. das sonst ziem-
lich refraktäre Huhn bei intercerebraler Injektion von Tetanusgift ziem-
lich leicht zu vergiften. Auf die wahrscheinlichen Ursachen dieser Er-
scheinung werden wir später zurückkommen.
Bei intravenöser Injektion sind die Erscheinungen die normalen;
nur die Inkubationszeit ist etwas verlängert.
Vom Magen aus wirkt Tetannsgift so gut wie gar nicht giftig.
Ransom^) nahm an, dass es unverändert den Darm passiert und glaubte
es in den Faeces wiedergefunden zu haben; doch fand Carri&re und
zahlreiche andere Untersucher dort nach Eingabe großer Dosen von
Toxin per os kein Toxin. Carri^ire^) prüfte infolgedessen, wo das
Tetanustoxin unschädlich gemacht wird. Er fand, dass das Gift schon
von der Speicheldiastase angegriffen wird, dass Pepsin weniger
schädlich, Trypsin beträchtlich, Galle in größeren Mengen völlig zer-
störend wirkt. Den Einfluss der Darmschleimhaut und der Darm-
1) Behrino, Ueber Tetanusgiftmodifikationen. Fortschr. d. Med., XVII, 501 (1899).
^ Ransom, Das Schicksal d. Tetannsgiftes nach seiner intestinalen Einver-
leibung. Dtsch. med. Woch., 1898, 117.
8) GARRiiiRE, Toxines et digestion. Ann. Fast, XIII, 435 (1899). (Dort die
Litteratur über diese Frage.) (Vgl. auch d. Allg. Teil).
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bakterien auf das Gift konnte er ausschließen, den Fermi d Pernossi
als aosBchlaggebend angenommen hatten. Nencki & Schoumow-Sima-
NOWSKi^) geben an, dass Verdauungssäfte es völlig entgiften, besonders
Galle mit Pankreasfistelsaft, weniger Trypsin allein, Pepsin eher.
ViNCENZi^) giebt andererseits an, dass normale Galle kaum entgiftend
wirkt, wohl aber Galle tetanischer Tiere, jedoch nur schwach und unter
bestimmten Bedingungen; der Tod muss z. B. nach drei bis vier Tagen
erfolgt sein, wenn die Galle wirksam sein soll. Dagegen wird das Gift
durch die Oxydase der Leukocyten etwas geschwächt, nach Siebee^)
durch Milzoxydase völlig zerstört
Es wird bei subkutaner Injektion sehr schnell resorbiert. Durch
vielfache Versuche ist es erhärtet, dass eine Ratte, der man Toxin in
den Schwanz injiziert hat, schon nach 2 — 3 Stunden nicht mehr zu
retten ist, wenn man den Schwanz amputiert.
Dabei zeigt das Tetanusgift ein deutliches Inkubationsstadium.
Bei Meerschweinchen treten nach Coürmont & Do von ^) die Erschei-
nungen frühestens nach 12 St. auf, (bei Mäusen nach 6—8 St Bei
mittleren Dosen beträgt das Latenzstadium ftlr Mäuse 2 — 3 Tage, Meer-
schweinchen 2 Tage, Kaninchen 2—4 Tage, Esel 4 Tage, Pferd 5 Tage.
Beim Menschen schwankt es zwischen 1 Tag und 60 Tagen. Schneller
geht die Wirkung bei der subduralen (Blümenthal & Jacob*) und inter-
cerebralen Vergiftung (Rocx & Borrel<^), sowie der direkten Injektion
ins Bückenmark (Meter & Eansom^).
Nach einer von Meyer & Bansom gegebenen Tabelle ist die In-
kubationszeit für subkutane Injektion bei
Maus 8 — 12 Stunden
Meerschweinchen 13 — 18 >
Kaninchen
18-36
Katze
28—70
Hand
36—48
Mensch
4 Tage
Esel
4 .
Pferd
5 .
^) Nencki & Schoumow-Simanowski, Ueber die Entgiftung der Toxine durch
die VerdauungBBSfte. C. f. Bakt., 23, 840. Vgl. Dzierzoowski & Sieber, Archiv,
des Bciences biol. de St. P^tersb., YIIL
2) ViNCENZi, Ueb. antitoxiBche EigeuBchafiten der Galle tetanisierter Tiere.
Dtsch. med. Woch., 1898, 634.
3) SiEBER, Ueb. d. Eutgiftimg der Toxine durch die Superoxyde u. b. w. Z.
f. phyB. Gh., 32, 673 (1901).
*) COÜKMONT & DOYON, 8. U.
s) Blümenthal & Jacob, Zur Serumtherapie des Tetanus. BerL klin. Woch.,
1898, 1079.
«) Roux & BoRREL, T6tonoB c6r6bral. Ann. Fast, Xu, 1898.
T) Meteb & Bansom, Unters, üb. d. Tetanus. Arcb. exp. Path., 49, 369 (1903).
7*
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— 100 -
Sie nimmt also mit der KOrpergrOBe zu, was mit der Langsamkeit des
Gifttransportes zusammenhängt (s. u.).
Die Inkubationszeit nimmt mit der Vergrößerung der Dosis ab, doch
nicht proportional und bleibt auch bei den größten Dosen bestehen. Bei
Mäusen sinkt sie nie unter 8 Stunden. Sie betrug ftlr Mäuse z. B. in
einem Versuch:
Dos. lei 13
36 Stünden
. > 100
24 .
> > 333
20 »
. . 1300
14
* . 3600
12 .
Das Tetanusgift wird also schnell aufgenommen, ohne dass seine
Wirkung schon sichtbar wird. Trotzdem ist schon kurze Zeit nach der
Vergiftung von empfänglichen Tieren im Organismus kein freies Toxin
mehr aufzufinden. Es ist vielmehr zum allergrößten Teil an die
Rezeptoren gebunden. Nur im Blut und in der Lymphe, in dieser
weniger als im Blut, findet man nach der Injektion Toxin (Ransom^),
in der Lymphe am meisten etwa 1 St. nach der Iiyektion.
Sonst aber fehlt es in allen Organen und Sekreten (Marie >}. Nur
Brusschbttini^) will es in den Nieren aufgefunden haben, durch die es
ausgeschieden werden soll.
Dementsprechend haben es verschiedene Untersucher im Harn ge-
funden. Brunner ^) fand es im Harn von Versuchstieren, nicht in dem
kranker Menschen, ebenso Behring^]. Eartüus<^) im Harn nur bei
sehr großen Dosen. Im Harn tetanischer Menschen ist es allgemein
vergeblich gesucht worden, nur Vülpiüs^) fand nach dem Tode den
in der Blase enthaltenen Harn so giftig, dass 2 cm^ ein Meerschwein-
chen schnell vergifteten.
Bei refraktären Tieren kreist, wie wir im Allg. Teil besprochen
haben, das Tetanustoxin lange Zeit in der Blutbahn, ohne von den
Organen gebunden zu werden, bis es schließlich langsam verschwindet.
Neben der ausgesprochenen Verwandtschaft zum Zentralnervensystem,
die das Erankheitsbild der Tetanusvergiftung völlig beherrscht, und die
uns unten ausführlich beschäftigen wird, zeigt das Tetanospasmin noch
*) Bansom, Die Lymphe nach intravenÖBer Inj. von T.-T. Z. f. phys. Ch., 29,
349 (1900).
2) Marie, Bech. b. 1. toxines t^tanique. Ann. Fast. XI, 591 (1897).
3) Brüsschettini cit n. Brunner 1. c.
<) Brunner, Klin. und exp. Stud. üb. Tat Beitr. z. klin. Chirurg., IX— XII
(1892/94).
s) Behring, Die Blutsemmtherapie, Leipzig, III, 1892, S. 54.
^ Eartulis, UnterB. über das Verhalten deB Tet-GifteB im EOrper. DisB.,
BerUn 1892 (Dec).
7) VuLPius, üeb. einen Fall von WnndBtarrkrampf m. Tiervers. Dtseh. med.
Woch., 1893, 992.
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— 101 —
einige Allgemeinwirkungen, die wir kurz streifen wollen, da das eigent-
liche Erankheitsbild des Tetanus zu schildern hier nicht unsere Auf-
gabe sein kann.
Der Blutdruck bleibt, wie Hans Meyer & Halset i) im Gegensatz
zu früheren Untersuchen! fanden, unverändert, wodurch sich das Ver-
giftungsbild Yon der sonst so ähnlichen Strychninyergiftung unterscheidet
Die Tiere sterben schließlich unter starkem Absiiü^en der Temperatur
und erheblicher Inanition [Habnack d Hochheim ^).
Beziehungen zum Zentralnervensystem.
Hit Ausnahme dieser wenig markanten Allgemeinerscheinungen ver-
läuft der Tetanus und damit auch die völlig identische Vergiftung mit
dem Tetano spasmin bei den meisten Tieren völlig unter dem Vor-
wiegen von Symptomen, die auf einer Aflfektion des Zentratoerven-
systems beruhen. Es scheinen also hier nur in den nervösen Oiganen
die Rezeptoren zu finden zu sein, die das Gift verankern und so die
Erkrankung herbeiführen. Nur wenige Befunde sprechen daftir, dass
der nervöse Apparat doch nicht ganz ausschließlich der empfindliche
Angriffispunkt des Giftes ist. So will Vaillabd mit sehr kleinen Toxin-
dosen eine lokale Vergiftung der benachbarten Muskelgruppen er-
zielt haben. Eine Ausnahmestellung nimmt femer das Kaninchen ein,
bei dem das Gift unter Umständen in ttberwiegendem Maße anderweitig
gebunden werden kann, so dass das Tier am »Tetanus sine tetano«
(DöNiTz) stirbt. Es ist dies ein besonders markanter Fall der häufiger
gemachten Beobachtung, dass das Gift sich an Rezeptoren binden kann,
die an wenig lebenswichtigen Organen sitzen, so dass der Giftbindung
keine hervorstechende Erkrankung folgt. Wir werden auf diese Er-
scheinung noch zurückkommen.
Die direkten Beziehungen, die Bindung des Giftes an die Substanz
des Zentralnervensystems, sind zuerst von Shakespeare^) undVERHOOGEN
d Baebt beobachtet worden, die Tiere durch subdurale Einftihrung der
Zentralnervensubstanz tetanischer Tiere vergifteten.
Besredka^) wiederholte diesen Versuch, indem er normales Meer-
schweinchengehirn mit einem großen Toxinquantum längere Zeit (bis
6 Tage) im Eisschrank stehen ließ und ttberschüssiges freies Toxin durch
ij Hans Meter & Halset, Tetanusstadien. Festschr. f. Jäff±, Braanschweig
1901.
^ Harnack & Hochheim, Ueb. Wirk. d. Briegerschen Tet-G. Z. f. klin. Med.,
25, 46 (1894).
^ Shakespeare, Preliminary report of exper. researcheB conoeming the in-
fectioiiB nature of tranmatio tetanos. C. f. Bakt, II, 641 (1887).
4) Yerhoogen & Baert, Premi^res recherches sur la nature du t^tanos.
Banmg. Jahresber., 1890, 198.
^) Be»redka, De la fixation de la tox. t^t. par le cerveau. Ann. Fast, XVII,
138 (1903).
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— 102 —
sorgfältiges Waschen entfernte. Mit diesem Brei konnte er bei Mäusen
Tetanas erzeugen. Auch Pasqüini*) fand das Zentralnervensystem giftig.
GoLDSCHEiDER & Flataü^), Joükowsky^) u.a. haben die Wirkung des
Tetanustoxins auf die Ganglienzellen, speziell der Vorderhömer, direkt
unter dem Mikroskop demonstrieren können. Besonders lebhaft wurde
die Frage diskutiert, ob das Nervensystem allein der Angriffspunkt des
Giftes ist; und femer, ob es nur das zentrale Nervensystem ist.
Die Frage scheint durch die Arbeiten von Gumprecht*) mit Sicher-
heit dahin entschieden zu sein, dass es ausschließlich das Zentralnerven-
system, vor allem das Bückenmark ist, das von dem Gift angegriffen
wird, und dass alle weiteren Erscheinungen auf diese primäre zurück--
gehen. Gourmont & Doton<^) nehmen allerdings an, dass das ganze
sensible Neuron primär angegriffen werden kann.
Dass das Gift primär nur das Zentralnervensystem angreifen soll,
ließ sich nun scheinbar schlecht vereinbaren mit der Thatsache des
>lokalen Tetanus«. Sie lässt sich nur dann damit in Einklang brin-
gen, wenn man einen direkten Transport des Giftes im Nerven von der
Infektionsstelle zum Bückenmark annimmt. Diese Annahme ist zuerst
von Brüsschettini «) gemacht worden, der das Gift im Nervensystem
selbst nachweisen konnte, während andere blutfreie Organe es nicht
enthalten, auch nicht die Muskeln an der Infektionsstelle.
Durch besonders umfangreiche Versuche ist diese Ansicht neuerdings
von Hans Meyer & Bansom^) gestützt worden. Ihre Ergebnisse sind
folgende: Nach subkutaner Impfung mit Tetanusgift lässt sich das Gift
im Nerven nachweisen. Dieser wichtigste Befund wurde gleichzeitig von
Marie & Morax^) bestätigt, die das Gift im Ischiadicus des infizierten
Beins, nach Ausbruch des allgemeinen Tetanus auch in dem anderen
fanden, femer besonders im Nerven des Masseter, dagegen aber gar
nicht im N. opticus, der ja ein Gehirnanhängsel ist. Es sind motorische,
sensible und sympathische Nerven nach Morax & Marie gleichmäßig
dazu befähigt, und zwar ist nach Meter & Bansom ausschließlich der
^) Pasquiki, Sulla presenza del yeleno tetanico negli organi. Bif. med., 1902,
22/23. Eef. C. f Bakt, 31, 117.
2) GrOLDSCHEiDER & Flatau, Uebor die Ziele der modernen Nervenzellen-
forschung. Dtsch. med. Woch., 1898, 166.
3) JouKOWSKT, De Tinfluence de la toxine t^tan. sur le Systeme nerveux. Ann.
Fast, XIV, 464 (1900).
*) GuMPRECHT, Zur Pathog. d. Tetanas. Dtsch. med. Woch., 1894, 646. — Ders.,
Vers, über d. physiol., Wirk, des Tetanußgiftes. Pflügere Arch., 59, 105 (1895)
(Litteratur).
t>) CouRMONT & DoYON, Le T^tanoB. Paris, Bailli^re, 1899.
6) Brusschettini, Bif. med., 1892. Cit. n. Brunner.
^) Hans Meyer & Ransom, Unters, ttb. d. Tetanus, Arch. exp. Path., 49, 369
(1903).
8) Marie & Morax, Rech, sur Tabsorption de la tox. t6t. Ann. Past, XVI,
818 (1902), XVII, 336 (1903).
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— 103 —
normale Achsencylinder der Träger des Giftes, das nur durch die
Mnskelendapparate, nicht durch die Blutbahn in ihn hineingelangt. Das
Gift wandert nur centripetal. Meyer & Ransom fanden femer, dass
außer Durchschneidung des Nerven auch Injektion von Antitoxin
in den Nerven dem Gifte den Weg zum Rückenmark sperrt. Dies ge-
lingt sicher bei lokaler (subkutaner), manchmal auch bei intravenöser
Vergiftung. Die zu dem geschützten Nerven gehörigen Zentren bleiben
frei, während das Tier dem allgemeinen Tetanus erliegt Auch im
Rückenmark selbst lässt sich durch Durchschneiden das Weiterwandem
des Giftes ausschalten. Bei solchen Tieren erfolgte keine Vergiftung
des Gehirns; die Tiere lagen bis 3 Wochen im dauernden Tetanus und
gingen schließlich anscheinend an Erschöpfung zu Grunde. Der Trans-
port direkt durch die Nerven wird auch dadurch plausibler, dass das
Gift bei direkter Injektion in die Nerven erheblich (ca. lOmal) inten-
siver wirkt. Dabei wurden die Gifimengen, die etwa bei der Injektion
nebenher in die Lymphdrüsen und die Blutbahn gelangen, jedesmal
durch große Antitoxinmengen ausgeschaltet. Die Inkubationszeit ist er-
heblich abgekürzt und wird bei direkter Injektion in das Lumbaimark
auf wenige Stunden reduziert, wie dies schon aus den Versuchen von
Roux & BoRREL^) über den Kopftetanus bekannt ist. Der langsame
Transport durch die Nerven erklärt die verschieden lange Inkubations-
zeit (s. 0.).
Es folgt aus diesen Versuehen, dass das Gift zuerst ausschließlich
durch die Nerven selbst zu den Rückenmarkszentren geftlhrt wird,
und von diesen aus die spezifischen Erscheinungen ausgelöst werden.
Ergreift das Gift ausschließlich die sensiblen Zentren, so entsteht ein
reiner Tetanus dolorosus ohne Krämpfe. Auch aus dieser strengen
Scheidung folgt, dass das Gift nicht durch Blut oder Lymphbahnen
an das Rückenmark gelangt. Das Gift gelangt normalerweise nur
durch das motorische Neuron an die motorischen Ganglien und erzeugt
hier einen Zustand der üebererregbarkeit gegen die gewöhnlich
latent bleibenden Reize, die von den sensiblen Neuronen ausgehen. Näher
auf die Theorie des Tetanus selbst einzugehen, ist hier nicht der Ort.
Der gewöhnliche AngriflFspunkt des Tetanusgiftes und damit der Er-
krankung ist also das Rückenmark.
Aber ganz ausschließlich ist es nicht das Rückenmark, das dem
Tetanustoxin passende haptophore Gruppen darbietet. Roux & BorrelI)
konnten z. B. nachweisen, dass bei subduraler Einführung in die
Schädeldecke das Gift sich ausschließlich an die Gehirnzellen bindet
und einen cerebralen Tetanus erzeugt. Und schließlich deuten Versuche
von DöNiTz^) am Kaninchen und Miyamoto^) darauf hin, dass das
i) Roux & Borrel, T^tanos cerebral. Ann. Paßt, Xu, 225 (1898).
2) DöNiTZ, lieber das TetanuBantitoxin. Dtsch. med. Woch., 1897, 428.
3) MrsTAMOTO, Beiträge zur Tetanußvergiftung. Dtßoh. med. Woch., 1900, 479.
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Toxin unter Umständen von anderen haptophoren, nicht dem Zentral-
nervensystem angehörigen Gmppen so schnell gebunden werden kann,
dass das Tier ohne Krämpfe an einem »Tetanus sine tetano« zu Grunde
geht Beim Kaninchen beruht auf dieser Bindung des Giftes an weniger
lebenswichtige Organe, die es vom Zentrahiervensystem ableiten, sicher
zum Teil seine geringere Empfindlichkeit. Bei intercerebraler Injektion
wenigstens, wo also das Gift direkt mit dem Zentralnervensystem in
Berührung kommt, konnten Boux & Bobrel Kaninchen sehr viel
leichter vergiften, als bei subkutaner, was bei Meerschweinchen nicht
der Fall ist. Auch das sonst so wenig empfängliche Huhn lässt sich
durch intercerebrale Injektion vergiften. Unter noch nicht näher be-
kannten Umständen scheinen danach manche Gifte (Miyamoto ver-
wendete ein sehr altes Gift) die vorwiegende Affinität zum Zentral-
nervensystem zu verlieren. Man geht wohl nicht fehl, wenn man vor-
läufig annimmt, dass sich hier Stoffe aus dem ursprünglichen Toxin ge-
bildet haben, die zwar noch giftig sind, aber ihre eigenartige toxische
Wirkung auf das Zentralnervensystem verloren haben, vielleicht eine
Toxol'dbildung in eigenartigem Sinne. Bei refraktären Tieren, z. B.
Alligatoren, aber auch den nicht völlig refraktären Hühnern, fand
andererseits Metschnikoff (s. u.) eine geringftlgige Antitoxinbildung
ohne vorhergegangene Krankheitserscheinungen, die wohl auch durch
eine Bindung an zerstreute einzelne Rezeptoren zu deuten ist
Den aus dem Studium der Krankheitserscheinungen gezogenen
Schluss, dass die Substanz des Zentralnervensystems das Tetanusgift
bindet, konnte man auch experimentell bestätigen.
Fast gleichzeitig zeigten Wasserbiann & Takaki^), sowie Ransom^),
dass eine Emulsion aus frischem Meerschweinchengehim eine gewisse
Quantität Tetanustoxin binden und entgiften kann. Freilich ist die
Bindungsfllhigkeit nicht sehr bedeutend; nach Palt auf*) kann 1 cm*
Emulsion höchstens 100 letale Dosen binden, ein Punkt, den man nicht
aus dem Auge lassen darf, wenn man die Diskussion ttber diese Frage
richtig beurteilen will.
Dass es die Zellen des Gehirnes sind, die binden, zeigten Blumen-
THAL*) und Milchner*), die fanden, dass nach dem Aboentrifiigieren
die Flüssigkeit frei von Toxin ist.
1) Wassermann & Takaki, lieber tetannsantitoxiBche EigenBchaften des Gen-
tralnervensystems. Berl. klin. Woch., 1898, S. 6. — Wassermann, Weitere Mitt
ttber Seitenkettenimmunität Ebd., 209.
2) Ransom, oit. n. Behrino, D. med. Woch., 1898, 68.
3) Paltauf, DiskuBBion zu dem Vortrag von Grubbr. Wien. klin. Woch.,
1901, 61.
*) Blumenthal, Ueber die Veränderungen des TetannBgiftes im Tierkörper.
Dtsch. med. Woch., 1898, 185.
5) Milchner, Nachweis der chemiBchen Bindong von T.-G. dorch Nervenaub-
Btanz. Berl. klin. Woch., 1898, 369.
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Auch Ransom^) konnte zeigen, dass bei Injektion von Tetannsgift in
den sabarachnoMalen Baum die Nervensubstanz mehr Gift bindet, als
dem in ihr enthaltenen Blute zugeschrieben werden kann, dass es aber
nicht restlos gebunden wird, sondern ein Teil auch bei diesem Ein-
fiihmngswege in die Blutbahn gelangt. Die Gerebrospinalflttssigkeit da-
gegen fand Meyer wie vor ihm Blümenthal & Jacob 2) und Schultze*)
frei von Toxin.
Wassermann fasste diese Ergebnisse des Versuchs als eine experi-
mentelle Bestätigung der Seitenkettentheorie auf. Dieselben Rezeptoren,
die im Gehimbrei und auch im lebendem Gehirn das Gift zu binden im-
stande sind, sind es auch, die als freie Rezeptoren im Blute kreisen,
so dass Wassermann mit Recht den Begriff der Seitenketten-
immunität aus diesen Versuchen herleitete.
Gegen die Deutung seiner Versuche sind nun von verschiedenen
Seiten, besonders der MBTSCHNiKOFFschen Schule^) und von BEHRma &
KiTASHiMA^), Einwände erhoben worden. Auf die ganze Streitfrage hier
einzugehen, wttrde uns zu weit von unserem Thema abfuhren; ich
begnüge mich damit, auf die Arbeit von Marx^) hinzuweisen, der die
ganze Frage nochmal aufgerollt hat.
Marx fand bei mehr als 200 Versuchen an Mäusen, dass die anti-
toxische Wirkung des Gehirnes so ist, dass sie durch Zusatz von Serum
einfach ergänzt wird, dass nicht, wie Eitashima (1. c.) bei Anwendung
sehr großer Giftmengen gefunden hatte, die Gehimwirkung die Anti-
toxinwirkung stört.
Marx bestätigt also Wassermanns Ansicht, dass die gebundenen
Rezeptoren des Gehirnes qualitativ und quantitativ analog wirken wie
die freien Rezeptoren, die im Antitoxinserum enthalten sind.
Damit ist die EHRLiCHSche Anschauung, dass das Gift sich nur an
passende Rezeptoren binden kann, und dass diese Rezeptoren, wenn
losgerissen, giflmeutralisierend, im Verband der lebenden Zellen aber
giftzuftLhrend wirken, aufs neue gestützt.
Unverständlich ist der anfangs gegen diese Versuche gemachte Ein-
1) Raksom, Die Injektion von Tetannstoxin bezw. Antitoxin in den snbarach-
noidalen Raum. Z. f. phys. Gh., 31, 282, 1900/01.
^ Blumenthal & Jacob, Zur Sernmtherapie des Tetanos. Berl. klin. Woch.,
1898, 1079.
3) ScHüLTZE, Spinalpnnktion n. Einspritz. v. Antitoxinsenim bei Tet tran-
matieuB. Mitt. örenzgeb. d. Med. u. Chir., V, 169 (1900).
*) Metsohnikopp, Immunität Dentsch v. Meter. Jena 1902. — Ferner
speziell: Metsohmikoff , Inflnence de Torganisme sur les toxines. Ann. Fast,
XI, 801; XII, 81 (1897—98). — Makie, Fropriet6 antit^tanique des centres nerveux.
Ibid., XII, 91 (1898). — Besredka, De la fixation de la toxine tet Ibid., XVII,
139 (1903).
») Behring, Allg. Ther. d. Infekt-Kr., I, 1038.
«) Marx, Die Tet.-G. neutralis. Eigensch. d. Gehirns. Z. f. Hjg., 40, 231 (1902).
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wand, dass das Gehirn wenig empfänglicher Tiere, wie Hühner u. s. w.,
nicht schützt, denn selbstverständlich für den, der auf dem Boden der
EHRLiCHSchen Theorie steht, kann nur diejenige Nervensubstanz schützen,
die das Tetanustoxin wirklich bindet, die eben ihm adäquate hapto-
phore Gruppen besitzt. Und solche haptophoren Gruppen weisen natür-
lich nur die Gehirne u. s. w. derjenigen Tiere auf, die eben gegen Tetanus
nicht refraktär, nicht natürlich immun sind. Es ist doch eine der
schönsten Eonsequenzen der EHRLiCHSchen Theorie, dass sie das einst
so schwierige Problem der natürlichen Immunität mit einem Schlage in
das hellste Licht rückt. Sowohl die Infektion, als auch die relative
Bildung von Antikörpern kann nur da stattfinden, wo haptophore
Gruppen sich gegenseitig binden. Wo diese fehlen, bleiben sowohl In-
fektion als auch Neutralisierung des Giftes völlig aus.
Freilich ist das Zentralnervensystem durchaus nicht notwendigerweise
der einzige Produktionsort des Antitoxins. Wie wir oben erwähnt haben,
finden sich giftbindende Rezeptoren auch an anderen Stellen, wo die
Giftbindung gar keine schädlichen Folgen hat, z. B. im Bindegewebe u. s. w.
Wo aber Rezeptoren vorhanden sind, kann auch Antitoxin-
bildung auftreten. Die Antitoxinbildung, eine Funktion der hapto-
phoren Gruppe, hat mit der Giftwirkung an sich gar nichts zu thun.
So muss nach Ehrlich -Wassermann zwar das Zentralnervensystem
schützend wirken, aber nicht, weil es der toxophoren Gruppe als An-
grifispunkt dient, sondern weil es Rezeptoren enthält, die auch anderen
Geweben zukommen können.
Gegen diese Ansicht erhob Metschnikoff den Einwand, dass auch
das Gehirn der Frösche gar nicht schützt. Frösche sind zwar in der
Kälte absolut unempfindlich gegen Tetanus, bei über 20^ dagegen außer-
ordentlich empfindlich, wie das in geringerem Maße von anderen Am-
phibien und Reptilien gilt, sowie auch von Murmeltieren (Billinger*),
die im Winterschlaf, also bei niederer Temperatur, nicht sterben, sondern
erst nach dem Erwachen. Auch Fledermäuse zeigen in der Kälte, so-
lange sie schlafen, eine erhebliche Resistenz (Meyer & Halset 1. c).
Das Gehirn der Frösche zeigt nun keinerlei bindende oder schützende
Wirkung gegenüber dem Tetanustoxin, und ebenso tritt im Körper der
Frösche bei Tetanusvergiftung nie ein Antitoxin auf. So zweifellos
richtig diese Thatsache ist und so wenig das Ausfallen der Abstoßung
und Freibewegung der haptophoren Gruppen bis jetzt erklärt ist, so ist
doch die Auslegung, die Metschnikoff dieser Erscheinung giebt, dass
nämlich das Zentralnervensystem des Frosches das Tetanustoxin über-
haupt nicht binde, sicher nicht richtig. In einer sehr interessanten Arbeit
konnte Morgenroth 2) nachweisen, dass das Tetanusgift sich auch in
1) BiLLiNGEB, Winterschlaf und Infektion. Wien. klin. Woch., 1896, 769.
^ Morgenroth, Znr Kenntnis des Tetanos des Frosches. Arch. intemat d.
Pharmacodynamie, YIII (1900), 255, S. A.
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der Kälte, zwar langsamer, aber doch sicher an das Zentralnervensystem
des Frosches bindet, dass aber die toxophore Gruppe unwirksam ist.
Diese tritt sofort in Funktion, wenn man die Temperatur erhöht.
Die Bindung des Toxins an das Nervensystem geschieht bei Ein-
führung in die Blutbahn sehr schnell. Decrolt & Bonsse i) zeigten,
dass bei Kaninchen nach intravenöser Injektion einer tödlichen Dosis
Tetanusgift das Blut schon nach einer Minute ungiftig ist. So schnell
verschwindet das Toxin aus dem Blute 2). Aus dieser außerordentlich
großen Verwandtschaft des Giftes zum Nervensystem folgen nun prak-
tisch sehr wichtige Konsequenzen. So leicht es ist, das Tetanusgift,
bevor es in die Nervenbahnen eintritt, durch Antikörper unschädlich zu
machen, so viel schwerer gelingt es, die einmal vorhandene Bindung zu
zerreißen, das Toxin vom Receptor loszumachen, den Tetanus zu heilen.
Mit jeder Stunde wird die Bindung des Toxins fester und die Wirksam-
keit des Serums geringer. Wie schnell diese Beeinträchtigung eintritt,
hat DöNiTZ») gezeigt. Dieselbe Antitoxinmenge, die bei gleichzeitiger
Injektion ein Kaninchen vor einer vielfach letalen Dosis schützte, ver-
sagte völlig, wenn sie vier Minuten nach dem Toxin eingespritzt wurde
(beides bei intravenöser Injektion). Nach einer Stunde war schon die
40 fache Antitoxinmenge nötig. Nach Ablauf von 5 Stunden versagten
selbst kolossale Dosen, z. B. das 600fache der einfach wirkenden Dosis.
Ganz ähnlich, nur langsamer verschiebt sich diese Wirkung des Serums
zu seinen Ungunsten nach Morgenroth beim Frosche. Bei den Heil-
versuchen am Menschen hat es sich vielfach gezeigt, dass nach Ausbruch
der tetanischen Symptome, also nach Ablauf der Inkubationszeit, selbst
kolossale Dosen Immunserum meist nichts mehr nützen.
Ich bin auf diese Frage, deren genauere Ausführung nicht an diese
Stelle gehört, nur deswegen eingegangen, weil man aus diesen That-
sachen, und zugleich aus dem Vorhandensein einer mehr minder langen
Inkubationszeit (s. o.), Schlflsse über die Veränderungen des Tetanus-
giftes selbst im menschlichen Organismus ziehen wollte.
Einige Autoren haben nämlich angenommen (z. B. Coürmont & Doyon*),
1) Decroly & RoNSSE, Pouvoir toxique et antltoxique du sang etc. Arch.
intemat de pharmacodyn., VI, 211 (1899).
^ AllerdingB nimmt Dönitz (b. o.) an, dass beim Kaninchen auch in anderen
Organen Rezeptoren vorhanden sind, nm das außerordentlich schnelle Verschwinden
zn erklären; bei Meerschweinschen und Maus kreist es länger im Blute. Auf die
Wichtigkeit solcher zerstreuter Rezeptoren habe ich schon mehrfach hinzuweisen
Gelegenheit gehabt.
3) DÖNITZ, Ueber das Tetanusantitoxin. Dtsch. med. Woch., 1897, 428.
*] CouRMONT & DoYON, n. a., a] Mecanisme de prodnction des contractnres
da t^tanoB. Arch. de phys., 1893, 64. — b) La snbstance toxiqne qui engendre le
t^tanos. Sem. m6d., 1893, 122. — c) Du t6t. de la grenouille. Ibid., 1893, 302. —
d) De la prod. d. t. chez la poule. Ibid., 1893, 486. S. a. d. bereits citierten Ar-
beiten, sowie ihr Werk: Le T^tanos, Paris 1899. (Andere Arbeiten s. bei Blumen-
thal 1. c.)
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— 108 —
dass das Gift, das Bchließlich den Aasbrach des Tetanus herbei-
führt, nicht das primäre Toxin der Kdturen ist Dieses soll nur
als ein Ferment wirken, das unter den geeigneten Bedingungen aus
dem Protoplasma der angegriffenen Zelle das eigentliche Krampfgift
abspaltet, das nun ohne Inkubationszeit yergiftet Die Grttnde, die die
Autoren ftlr diese Anschauung ins Feld ftlhren, sind folgende:
Was zunächst die Inkubationszeit betrifft, so wird angenommen,
dass während dieser Zeit das eigentliche Gift erst entsteht und dann
erst wirkt Nötig ist hierftlr diese komplizierte Anschauung nicht, denn
durch eine langsame Wirkung der toxophoren Gruppe und die verschieden
lange Wanderung in der Nervenbahn nach Meyer & Raksom (s. o.) ist
sie mindestens ebenso einleuchtend erklärt. Auch spricht nicht dafttr,
dass die Inkubationszeit um so kürzer wird, je mehr Toxin dem Tiere
zugeftihrt wird, wenn auch, wie bei jedem Toxin, diese Verkürzung der
Inkubationszeit durch größere Dosen ihre Grenze hat.
Auch das komplizierte Verhalten der Inkubationszeit beim Frosch,
das man speziell als Grund ftlr diese Annahme ins Feld geftihrt hat,
ist einfacher zu erklären. Mobgenboth konnte zeigen, dass durch Er-
wärmen zunächst nur eine sehr schnelle und feste Bindung des Toxins
herbeigeführt wird, keine Gifliwirkung. Denn bringt man den Frosch
nach 24 Stunden Verweilens bei 32° wieder in den Eisschrank, so bleibt
er dauernd gesund, stirbt aber nach einer um 24 Stunden ge-
kürzten Inkubationszeit trotz Anwendung kolossaler Antitoxinmengen,
wenn man ihn nun wieder auf 32° bringt. Würde durch die Erwärmung,
wie CoüBMONT & DoYON annahmen, eine sekundäre Veränderung des
Giftes eintreten, so dürfte der Frosch auch im Eisschrank nicht dauernd
gesund bleiben. Die Wärme hat hier nur eine außerordentlich feste
Bindung herbeigefllhrt, die erst bei neuer Erwärmung durch Einwirkung
der toxophoren Gruppe zum Tode fllhrt Dass nach eingetretener
Bindung das Antitoxin mehr oder minder völlig versagt, eine That-
sache, die besonders ftlr die Theorie des sekundären Giftes ausgebeutet
worden ist, giebt ihr meines Erachtens gar keine Waffe. Die Ueber-
legenheit des im Blute kreisenden Antitoxins dem Toxin gegenüber, die
es verhütet, dass es sich an das Zentralnervensystem bindet, beruht nur
darauf, dass es eben im Blute kreist, das Toxin also sofort beim Ein-
tritt in die Blutbahn auffängt und mechanisch von den bedrohten G^
weben abhält, nicht aber etwa in einer größeren Affinität dem Toxin
gegenüber. Es ist nur wenig imstande, und nur bei Massenwirkung
wenn sehr viel Antitoxin angewendet wird, die einmal geschaffene
Bindung Nervenzelle — Toxin zu zerreißen. Es ist also ohne weiteres
klar, dass das Antitoxin eine Zeitlang nach der Vergiftimg, um wie
viel mehr erst nach dem Ausbrechen der Symptome, unwirksam sein
muss, und wir brauchen dazu durchaus nicht die Annahme der Existenz
eines neuen, dem Antitoxin nicht verwandten Giftes anzunehmen. Eben-
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sowenig kann es daftlr von Bedeutung sein, dass anch das Gehirn von
Tieren, die am Tetanns gestorben sind, noch Gift bindet.
Wenn aber diese Ausführungen die Frage naeh der Nichtbeein-
flussung des Toxins durch das Antitoxin nach einer gewissen Zeit noch
nicht durchaus erklären, so giebt der Nachweis von Meyer & Ransom
(1. c), dass das Tetanusantitoxin dem Gift auf seinem Wege in die
Nervenbahn nicht folgen kann, eine restlose Aufklärung dieser
Verhältnisse. Damit ist die Wirkungslosigkeit des Antitoxins völlig er-
klärt, und man braucht nicht mehr die Hilfshypothese eines sekundären
Giftes zu machen.
Indessen ist es damit auch noch nicht definitiv widerlegt.
Einen experimentellen Beweis versuchten Coürmont & Doyon da-
durch, dass sie zeigten, dass die Transfusion des Blutes von einem
tetanischen Hund bei einem anderen sofort tetanusähnliche Symptome
auslöste. Auch Ebaus^) konnte Mäuse mit dem Blutserum einer teta-
nischen rapide vei^ften, wie vor ihm Nissen*). Hier sollte also das
sekundäre Gift wirksam sein. Dies wollte man nun mehrfach in Or-
ganen gefunden haben.
Bluhenthal') stellte aus den Organen von am Tetanus gestorbenen
Tiere ein Gift dar, das ohne Inkubationszeit in einer Dosis von 0,35 cm^ in
17 Min. unter Krämpfen tötete und demgegenüber das Antitoxin wirkungs-
los war. Auch Buschke & Oergel^) haben aus Leber, Milz und
Bückenmark eines Tetanischen ein augenblicklich wirksames Krampf-
gift darstellen können, ebenso Tauber^) aus Rückenmark, Gehirn und
Leber in geringer Menge. Solchen Befunden von Giften aus Leichen-
organen gegenüber muss man sehr skeptisch sein; man kann absolut
nicht wissen, was man da eigentlich herausextrahiert, und was ftlr
giftige Stoffe sich während des Krankheitsprozesses mit seinen Ver-
änderungen im Protoplasma gebildet haben können, die mit dem Te-
tanustoxin überhaupt nichts zu thun haben, und gegen die das Anti-
toxin machtlos ist. Auch Blumenthal selbst, sowie in neuerer Zeit
CouRMONT & Doyon deuten jetzt diese Befunde sehr vorsichtig und
lassen es dahingestellt, wie weit dieses Organgift mit dem wirklichen
Tetanusgift zusammenhängt. Blümenthal hält es ftlr eine Verbindung
des eigentlichen Giftes mit Zellsubstanz. Ein Beweis lässt sich jedoch
mit solchen Mitteln nicht fähren. Um es zu rekapitulieren, die Cour-
1) Kraus, Beitrag zur Klinik des Tetanus. Z. f. klin. Med., 37, 247
2] Nissen , Ueb. den Nachweis von Toxin im Blute u. b. w. D. med. Woch.
1891, 775.
3) Blümenthal, Weit. Beitr. z. Kenntn. des Tet.-G. Z. f. klin. Med., 32, 326
(1S97). — Ders., üeber die Veränderungen des Tetanusgiftes im TierkOrper. Dtsch.
med. Woch., 1898, ISö.
4) Buschke & Oergel, Beitrag zur Kenntnis des Tetanus. D. med. Woch.,
1893, 149.
5} Tauber, Ein Beitr. z. Kenntnis d. Tetanus. Wien. klin. Woch., 1898, 747.
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MONTSche Fermenttheorie des Tetanostoxins ist bisher nicht erwiesen,
nnd sie ist bisher zu entbehren. Ob sie nicht trotzdem richtig ist, ist
bis jetzt nicht zu entscheiden. Aber man thnt gut, dieses so eminent
schwierige Gebiet nicht noch durch Hypothesen zu verdunkeln, solange
man nicht sicherere Stützen dafür hat.
Das Tetanusantitoxin.
Das Antitoxin des Tetanus verhält sich zu dem Toxin im wesent-
lichen ganz analog wie das der Diphtherie, d. h. seine antitoxische
Kraft lässt sich nach genauen zahlenmäßigen Verhältnissen zum Toxin
feststellen. Beide binden einander und eine spätere Trennung ist nicht
mehr möglich. Jedoch tritt die Bindung nicht so schnell ein, so dass
man nach Dönttz^) '/4 Stunden bei der Prüfung warten soll; außerdem
ist der Grad der Absättigung abhängig von der Konzentration: bei
größerer ist die Bindung schneller und vollkommener, so dass man stets
möglichst gleiche Konzentrationen vergleichen muss. Für die quantita-
tiven Verhältnisse gelten annähernd dieselben Beziehungen wie bei der
Diphtherie. Jedoch ist die Aufklärung hier nicht so weit voigeschritten.
was insbesondere der außerordentlichen Labilität des Toxins zuzuschreiben
ist. Die Bindung scheint femer eine sehr viel weniger feste zu sein
und eher zu Gleichgewichtszuständen zu flihren (über diese s. im Allg.
Teil). Das Serum lässt sich unter Zusatz von 1^ Chloroform oder
0,6 X Karbol im Dunkeln und kühl lange aufbewahren. Es verträgt
auch einen Zusatz von 1^ Karbol. Alkohol und destilliertes Wasser
sind unschädlich (Behring^).
Roux & Vaillard (1. c.) ließen Kuhserum im Vacuum ohne Verlust
trocknen und lösten es zum Gebrauch in der sechsfachen Menge Wasser.
Auch die Milch immunisierter Tiere enthält das Antitoxin. Nach
Brieger & CoHN^) kann es daraus in folgender Weise konzentriert
werden.
Man fällt die Milch analog wie bei der Gewinnung des Diphtherieantitoxins
durch Labferment. Die filtrierte Molke wird durch Chloroform geschüttelt,
absitzen gelassen und dekantiert. Dann fällt man durch Sättigung auf 32 ßi
Ammonsulfat Der Niederschlag wird wieder aufgelöst, mit basischem Bleiacetat
in geringer Menge gefällt, und mit ganz schwach alkalischem Wasser aus-
gewaschen. Filtrat und Waschwasser werden mit Ammonsulfat gesättigt
Der Niederschlag wird von dem überschüssigen festen Ammonsulfat durch
Aufschlemmen in reinem Chloroform mechanisch getrennt. Die Salze setzen
1) DöNiTZ, Bericht üb. d. Thätigkeit des Egl. Instituts l Serumforsch. u.b.w.
S. A- aus dem »Klin. Jahrb.«, VII, 1899.
2) Behring, Die Blntsemmtherapie. IIL Leipzig 1892.
3) Brieger & Cohn, Beitr. z. Concentr. d. geg. Wundstarrkrampf schützenden
Substanz. Z. f Hyg., XV, 439 (1893).
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sich ab, der leichte Antikörperniedersclilag schwimmt oben und wird abge-
hoben. Es ließ sich so eine Konzentriening auf das 300 — 400 fache der
ursprünglichen in der Milch erreichen. Noch weiter lässt sich das Antitoxin
reinigen, wenn man das entbleite Filtrat nicht mit Ammonsulfat, sondern erst
mit NaCl, dann mit phosphorsaurem Natrium fällt. Während der Kochsalz-
niederschlag fast nichts von dem Antitoxin mitfällt, wird es von dem Natrium-
phosphat zum größten Teile mitgerissen.
Mit den Eigenschaften des Antitoxins hat man sich natürlich viel be-
schäftigt. Es unterscheidet sich nicht wesentlich von dem Diphtherie-
antitoxin.
Bei 68^ wird es zerstört, aber selbst bei 80*^ nicht völlig. Ebenso
wirken Säuren (Salzsäure bei 1 : 15 Antitoxin, Milchsäure) zerstörend.
Ganz schwache Alkalien sind unschädlich, stärkere zerstören es schnell.
Es widersteht der Fäulnis (Behring).
Es dialysiert nicht und wird zum Teil in Chamberland- Kerzen
zurückgehalten. Tizzoni & CattaniI) schreiben ihm Fermentnatur zu,
wozu meiner Meinung nach gar keine Veranlassung vorliegt (s. b. Di-
phtherie). Sie schließen dies daraus, dass es durch Alkohol fällbar ist
und sich, allerdings sehr langsam, aus den Niederschlägen mit Glycerin
extrahieren lässt. Es wird wohl auch ein den Globulinen nahestehender
Körper sein, wie das Diphtherieantitoxin.
Dass es durch Magnesiumsulfat ausfällt, fanden Tizzoni & Gattani
bereits. Sie machten auch schon die Beobachtung, dass die Globuline, die
durch schwache Säuren (Essigsäure, Kohlensäure) ausgefällt werden, oder
die man durch Dialyse erhält, das Antitoxin nicht mitfuhren, sondern
nur die durch festes Magnesiumsulfat bei 30** gefällten Globuline.
Pick (1. c.) konnte mit Hilfe seiner feineren Methoden diese Angaben
bestätigen. Danach ist das Tetanusantitoxin genau so verteilt wie das
Diphtherieantitoxin; er fand es im Pferdeserum ebenfalls ausschließlich
an das Pseudoglobulin gebunden.
Die Berechnung des Wertes des Tetanusantitoxins geschah nach
Behring folgendermaßen: Ein »einfaches« Serum soll 1 gTier gegen
die sichere Dosis letalis schützen. So schützt ein cm' Serum von
1 : 1 Million 50000 Mäuse von je 20 g, also eine Maus braucht
V50000 cm' oder 0,00002 cm', ein Schaf von 50 kg also 0,05 cm', ein
Pferd von 400 kg also 0,4 cm'^).
1) Tizzoni & Cattani, Sur les propriet^s de Tantitoxine du t^tanos. Arch.
ital. de biolog., XVI, 394 (1891). (Bef.) — Ueber d. Eigenschaften des Tetanus-
Antitoxins. G. f. Bakt, IX, 685 (1891). — Fernere Unters, üb. das Tetanus-Anti-
toxin. Ebd., X, 33 (1891). — Tizzoni, üeb. d. experim. Immunität gegen Tetanus.
Festschrift für Virchow. Berlin 1892, III, 29.
3) Die Zahlen, die Behring (Die Blutserumtherapie , II, S. 20) giebt, stimmen
nicht genau. Wenn ein cm' öOCKX) Mäuse schützt, so braucht eine Haus nicht
0,00005, sondern 0,00002 cm», ebenso ein Pferd von 400 kg nicht 0,25, sondern
0,4 cm'. _
»NIVER3ITY // r^ T
OF JJ Digitizedby VjOOQiC
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Neuerdings aber wird im Egl. Institut ftar Seramforscbnng und
Senunprtifnng das Serum genau so geprüft wie das Diphtherieserum.
An einem unveränderlich aufbewahrten Testserum werden Testgifte ein-
gestellt und an diesen die zu prüfenden Sera gemessen.
Sehr wichtig ftlr die Beurteilung der Wirkung des Antitoxins im
Organismus ist die Feststellung von Hans Meyer & Ransom (1. c), dass
das Antitoxin im Gegensatz zum Toxin nicht imstande ist, in den
Achsencylinder einzudringen. Infolgedessen ist das Antitoxin gegenüber
dem einmal in den Nerven befindlichen Gift völlig machtios. Auch
in die Zentren selbst mit Hilfe der Lymph- und Blutbahn kann es nicht
eindringen. So kann es nur die überschüssigen Giftmengen der Ge-
webe neutralisieren. Auch hoch immunisierte Tiere erliegen deshalb
der Vergiflimg, wenn das Gift direkt in die Nerven gebracht wird.
Meter & Bansom hoffen, durch direkte Injektion von Antitoxin
in die Nerven Heilerfolge erzielen zu können.
Das Botulismustoxin.
Ein drittes echtes Toxin ist das wirksame Prinzip vieler Fälle von
Fleischvergiftung,
Auf die bis dahin ziemliche rätselhaflie Aetiologie des Botulismus
warf die Entdeckung van Ermengems ^) ein helles Licht, der aus einem
giftigen Schinken einen saprophytischen Bacillus botulinus isolierte,
den schon er selbst als den Erzeuger eines spezifischen, ungemein wirk-
samen Toxins erkannte. Nach Kempner ist er auch in den Schweine-
faeces aufzufinden und Schneidemühle) hält ihn auch für den Erreger
der sog. Geburtsparalyse bei Rindern. Zwar hatte man schon früher
aus giftigen Fleischproben Stoffe isoliert und als Träger der Vergiftung
angesprochen, so das von v. Anrep*) aus Störfleisch gewonnene, doch
erst das Botulismustoxin erwies sich als das spezifische Gift der
Fleischvergiftung und als ein echtes Toxin.
VAN Ermengem erhielt es durch Filtration der Kulturen seines
Bacillus botulinus. Es ist ungemein giftig. Für den Menschen
stellen 0,035 mg die tödliche Dosis dar. Schon dadurch reiht es sich
den wirklichen Toxinen an. Ebenso femer durch die Spezifizität seiner
Wirkung, die völlig dem Ej'ankheitsbilde des Botulismus entspricht
Es erzeugt dieselben Augensymptome, Aphonie, Obstipation, Urin-
retention. Fieber tritt nicht ein. Schließlich führt es unter Erschei-
nungen, die der Bulbärparalyse ähnlich sind, zum Tode.
1) VAN Ermengem, Ueber einen neuen anaSroben Bacülus n. s. Bezieh.
BotulismuB. Z. f. Hyg., 26, 1 (1897).
2) ScHNEmEMÜHL, Ueb. BotnliBrnns beim Menschen und die sog. Geburts-
paralyse bei Bindern. C. f. Bakt., 24, 619 (1898).
3) V. Anrep, Intoxication par les ptomaines. Arch. slavea de bioL, 1886, I,
341, cit. n. V. Ermengem 1. c.
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Seine Wirkung tritt erst nach einer gewissen Inkubationszeit ein.
Nach FoBSSHAN^) ist die Art der EinfUhmng nicht gleichgiltig; zwar
tritt bei intracerebraler Einführung keine eigene Erkrankongsform nnd
Intensität auf, Terglichen mit der subkutanen, wohl aber bei intraperi-
tonealer und vor allem intrapulmonaler Injektion. Dann ist das
Vergiftungsbild durch heftige Dyspnoe beherrscht. Auch ist bei intra-
pleuraler Injektion das Gift 5 — 9 mal giftiger, die Inkubationszeit bei
der einfachen Dos. let. jedoch länger. Andererseits ist aber die Minimal-
inkubation (bei massiven Dosen) bei subkutaner Injektion 6 St., bei intra-
pulmonaler 4 St.
Wie alle echten Toxine ist es sehr empfindlich. Luft und Licht
schwächen es schnell, desgleichen Temperaturerhöhung schon auf 58°
durch 3 Stunden. Auch Alkohol, Aether, oxydierende Substanzen ver-
nichten es schnell, während Reduktionsmittel relativ wenig schädlich
sind. Dagegen ist es merkwürdigerweise vom Darmkanal aus wirksam,
wie schon van Ermengem fand und Forssman bestätigte. Magen- und
Dünndarmsaft schaden ihm nicht, wohl aber wird es durch Diekdarm-
inhalt schnell zerstört.
Brieger & Kempner^) haben nach der BRiEGERSchen Methode das
Toxin in konzentriertem Zustande dargestellt.
Das keimfreie Filtrat der Kulturen wird mit Ammoniak etwas abgestumpft
und mit dem doppelten Volumen einer 3proz. Chlorzinklösung geMlt. Der
Niederschlag wird sorgfältig gewaschen. Dann setzt man vorsichtig eine
Iproz. Lösung von Ammoniumbikarbonat zu, bis die Mischung eben äußerst
schwach alkalisch reagiert, zersetzt mit Ammoniumphosphat, filtriert vom aus-
geschiedenen Zinkphosphat ab und Mit das Toxin mit Ammonsulfat aus.
Sie erhielten so sehr geringe Mengen festen Toxins in quantitativer
Ausbeute.
Das Botulismustoxin ist ein spezifisches Nervengift.
Kempner & Pollack 3) und gleichzeitig Marinesco*) haben seine
Wirkung anatomisch studiert, besonders die Veränderungen derVorder-
homzellen, Destruktion, Chromatolyse und Zerfall der NissLschen Granula,
worauf ich hier nicht eingehen kann.
Sehr wichtig ist aber, dass das Botulismusgift infolge dieser starken
Affinität zur Substanz des Zentralnervensystems ganz analog dem
Tetanusgift von ihr gebunden und unschädlich gemacht wird. Eempner
1) Forssman, Beitr. z. Eenntn. d. Bakt. d. Botnlismus. Antoref. G. f. Bakt,
29, 641 (1901).
2) Brieger & Kempner, Beitrag z. Lehre v. d. Fleischvergiftung. Dtsch. med.
Woch., 1897, 621.
9) Kempner & Pollack, Die Wirkung des Botuliemustoxins auf die Nerven-
zellen. Dtsch. med. Woch., 1897, 605.
^) Marinesco, L6sionB des centres nervenx prodaites par la toxine du bac.
botnlinns. Soc. Bioi.. 48, 31 (1896); Sem. m^d., 1896, 488.
Oppenheimer, Toxine und Antitoxine. g
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& ScHEPiLEWSKi^) fanden^ dass Gehirn und Rückenmark beträchtliche
Mengen Gift zn binden vermögen, und dass sich diese Eigenschaft anch
sowohl zn Präventivinjektionen von Gehimsnbstanz, als anch zur Be-
seitigung bereits in den Körper eingeführten Toxins bis 12 Stunden
nachher verwenden lässt. Diese letzteren Fähigkeiten unterscheiden die
Substanz des Zentralnervensystems von der Wirkung einiger einfacherer
chemischen Stoffe, die zwar ebenfalls in vitro Botulismusgift binden,
denen aber die immunisierende und heilende Kraft völlig abgeht; solche
Stoffe sind z. B. Lecithin und Cholesterin, nicht Cerebrin. Die
Fähigkeit der Gehimsubstanz wird durch Kochen zerstört.
Nach Charrin & Bardier^) wirkt es auch als Herzgift. Es ver-
langsamt die Herzaktion, und zwar schneller als Diphtheriegift.
KempnerS] stellte dann auch ein antitoxisches Serum gegen das
Botulotoxin her, indem er Ziegen immunisierte. Das Antitoxin wirkt
nach dem Gesetz der Multipla. Eine Therapie kann auch hier aber nur
binnen 12 St. einen Erfolg haben; besonders die dyspnoische Form ist
nach FoRSSMAN der Therapie unzugänglich. Die praktische Wirksamkeit
ist demnach hier so zweifelhaft wie beim Tetanus.
Das Pyooyaneustoxin.
Der Bacillus pyocyaneus, der ftlr viele Tiere sehr stark pathogen
ist, produziert ebenfalls ein echtes Toxin. Die giftige Wirkung dieses
Bacillus ist vielfach untersucht worden, nicht minder auch die Immunitäts-
erscheinungen , die bei seiner Einftlhrung in den Tierkörper eintreten.
Auch fanden sich in der Literatur zahlreiche Arbeiten über die > Giftig-
keit« des Bacillus pyocyaneus, wobei natürlich die Giftigkeit der Leiber
und der Filtrate nicht getrennt wurde*). Im wesentlichen ist jedoch die
Immunität gegen Pyocyaneus eine bactericide; nicht gegen das Gift
des Bakteriums wird im immunen Körper ein Gegengift produziert,
sondern die Bazillen selbst gehen durch ein spezifisch auf sie einge-
stelltes Agens zu Grunde. Wir finden also hier ähnliche Verhältnisse,
wie bei Typhus und Cholera, auf die wir unten eingehen werden.
Indessen liegt die Frage in einem wesentlichen Punkte anders wie
bei der Cholera. Während nämlich hier, wie wir unten sehen werden,
das supponierte Toxin nur sehr spärlich von den Vibrionen abgegeben
1) Eempner & ScHEPHiEWSKi, Ueb. antitoxlBohe Substanzen geg. d. Botolismas-
gift Z. f. Hyg., 27, 213 (1898).
S) Ghabbin & Bardier, Action cardiaque, propri6t6 speciale de la botoline.
See. Biol., 50, 60 (1898).
8) Kehpneb, Weit. Beitr. zur Lehre von der FleischvergiftuDg. Z. f. Hyg.,
26, 481 (1897).
4) Die wichtigste Litteratnr darüber s. Bretmann, Ueb. Stoffwechselprod. des
Bac. pyocyaneus. C. f. Bakt, 31, 841 (1902).
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wird, yielmehr im wesentlichen in den Leibern selbst haftet, lässt es
sich beim Pyocyanens fast restlos von den Leibern trennen, so dass hier
ähnliche, sekretorische Vorgänge anzunehmen sind, wie beim Diphtherie-
toxin.
Wie Wassermann ^) zeigen konnte, verhält sich der Pyocyanens sehr
eigenartig. Hänfig vermehrt er sich im Tierkörper, wirkt also infektiös,
nnd dann treten vorwiegend die bakterioiden Schatzkräfte in Aktion.
Andererseits aber produziert er in seinen Enltnren ein echtes Toxin,
das sich von seiner Leibessabstanz trennen lässt, und das im Organismus
ein echtes Antitoxin erzeugt.
Der Pyocyaneus nimmt also eine sehr interessante Mittelstellung
zwischen dem rein toxischen Diphtheriebacillus einerseits und den Bak-
terien vom Choleratypus andererseits ein, bei denen auch die Immunität
vorwiegend eine baktericide, nicht antitoxische ist, während die
supponierten Endotoxine sich in freiem Zustande bisher nicht haben
darstellen lassen.
Wassermann konnte zeigen, dass sich dieses Gift fast restlos von
den Bazillen trennen lässt, so dass die Leiber, gerade wie bei der Di-
phtherie, so gut wie gar kein Toxin mehr enthalten ; er zeigte aber vor
allem, dass man mit lebenden Bazillen in geringer, steigender Dosis
eine Immunität erzielt, die sich ausschließlich auf die Bazillen selbst
richtete, gegen das Gift ohne jeden Einfluss war.
Andererseits gelang es ihm aber, mit dem löslichen Gift eine echte
antitoxische Kraft zu erzeugen. Dabei war das Serum in vitro gar
nicht baktericid; trotzdem aber war das giftfest gemachte Tier auch
gegen die lebenden Bazillen immun, gerade wie bei der Diphtherie;
denn die ihrer schärfsten WaflFe, der Giftwirkung, beraubten Bazillen
sind im giftfesten Organismus harmlose Gäste, die bald zu Grunde gehen,
ohne Schaden zu stiften.
Wassermann zeigte damit, dass der Pyocyaneus ein echtesToxin
produziert, das sich somit unzweifelhaft an das Diphtherie- und Tetanus-
toxin anschließt. Es ist etwas beständiger als diese, besonders gegen
Erhitzen. Selbst durch Kochen wird es nicht gänzlich zerstört.
Infolgedessen zeigte sich beim Pyocyaneus eine theoretisch wichtige
Thatsache.
Es gelingt nämlich, aus einem neutralen Gemisch von Pyocyaneus-
toxin und Antitoxin durch Erwärmen das Antitoxin zu eliminieren, so
dass das vorher neutrale Serum nunmehr wieder giftig ist. Daraus er-
hellt mit völliger Sicherheit, dass auch bei den Bakterientoxinen, wie
Calmette schon vorher für die Schlangengifte gezeigt hatte, nicht etwa
eine Zerstörung des Giftes durch das Antitoxin eintritt, sondern dass es
sich nur um eine einfache Bindung handelt, die das Toxin unfähig
1) Wassermann, Unters, ttb. einige theoret Punkte d. Immnnitätslehre. Z.
f. Hyg., 22, 263 (1896).
8*
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macht, sich mit seiner haptophoren Gruppe an die IZelle zn heften und
sie zn vergiften.
Wassermann erhielt sein Toxin durch Züchten von Pyocyaneus auf
Rindfleischbonillon mit 2% Peptonznsatz und Sterilisieren mit Tolnol.
Nähere Untersnchnngen des Giftes nnd seines Antitoxins stehen noch
ans. Insbesondere besteht noch die Frage, ob das toxische Prinzip mit dem
Pyocyaneolysin, anf das wir später eingehen werden, identisch ist, oder
ob der Pyocyaneus, wie wahrscheinlich, wie der Tetanusbaoillus zwei
selbständige aktive Stofife, ein Toxin und ein Lysin bildet.
Es lässt sich durch Filtration mit CHAMBERLAND-Eerzen isolieren.
Seme Giftigkeit lässt sich bis jetzt wenigstens mit der des Tetanustoxins
z. B. nicht vergleichen. Wassermann fwd die Dosis letalis ftlr Meer-
schweinchen zu 0,5 cm^.
Die quantitativen Beziehungen zwischen Pyocyaneustoxin und Anti-
toxin zeigen eine sehr wichtige Besonderheit.
Das Gesetz der Multipla stimmt hier nämlich nur bis zu etwa der
10 fach tödlichen Dosis. Darüber hinaus schützen selbst große Antitoxin-
dosen nicht mehr.
Wie Wassermann wohl mit Recht annimmt, folgt sowohl aus der
relativ geringen Giftigkeit, als aus dieser begrenzten Antitoxinbildung,
dass das Pyocyaneustoxin sekundäre, aus dem Toxin entstandene,
nicht mehr haptoide Gifte entiiält, wie solche bei Cholera und
Typhus bisher allein außerhalb des Tierkörpers gewonnen sind. Auch
in dieser Beziehung würde also der Pyocyaneus eine Mittelstellung ein-
nehmen zwischen dem relativ beständigere, echte Toxine produzieren-
den Diphtheriebacillus und den Cholera- und Typhusbakterien.
Die Bakterienhämolysine.
An die echten Toxine schließen sich ganz eng diejenigen Bakterien-
stoffe an, die eine spezifische Wirkxmg auf die roten Blutkörperchen
entfalten, indem sie ihr Plasma so verändern, dass das Hämoglobin aus-
tritt: das Blut also lackfarben wird. Sie sind aber von einem Blutgift
gewöhnlicher Art, wie z. B. Phenylhydrazin n. s. w., dadurch prinzipiell
unterschieden, dass sie physiologisch als echte Toxine imponieren, d. h.
im Organismus Antikörper, Antilysine erzeugen. Sie schließen sich
also einerseits an die echten Toxine, andererseits aber an die anderen
hämolytischen Haptine: Bicin u.s.w., sowie die spezifischen Hämo-
lysine an, die bei der Einftlhmng körperfremder Erythrocyten und in
normalen Seris auftreten. Ob diese Lysine einfache Haptine sind oder
vielmehr aus Amboceptor und Komplement bestehen, ist nicht sicher
entschieden, doch spricht bis jetzt wenigstens beim Staphylolysin alles
dafbr, dass es einfache Haptine sind (Bobdet, Ehrlich & Morgen-
koth).
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Man kennt dieser bakteriellen Hämolysine bis jetzt genauer zwei,
das Tetanolysin und das Staphy lolysin. Ancb andere Bak-
terien zeigen bämolytisohe Wirkungen, doch ist es noch nicht völlig
sicher, ob diese auf spezifische Lysine zarttckznführen sind, obgleich
allerdings z. B. beim Colilysin Antikörper bekannt geworden sind.
Aber es spricht gegen ihre toxinähnliche Natur vor allem die Angabe,
dass sie bis 120^ thermostabil sind.
Interessant ist noch der Umstand, dass die Resistenz der Blutkörper
verschiedener Spedes gegen die verschiedenen Lysine eine auBerordent-
lich verschiedene ist, und dass gegen jedes von ihnen die Erythrocyten
einiger Arten eine natürliche mehr oder minder vollständige Immunität
besitzen.
Tetanolysin.
Das Tetanolysin wurde von Ehrlich^) in den Kulturen des
Tetanusbacillus aufgefunden.
Dass es sich hierbei um ein von dem eigentlichen Tetanusgifte, dem
krampferzeugenden Tetanospasmin verschiedenes Gift handelt, erwies
Ehrlich durch folgende Gründe:
Das Tetanolysin findet sich in den Kulturen und den daraus her-
gestellten Präparaten nicht in konstantem Verhältnis zum Tetano-
spasmin. Es giebt Giftlösungen, die reich an ersterem, relativ arm an
letzterem sind, und umgekehrt.
Das Tetanolysin ist gegen äußere Einwirkungen empfindlicher als
das eigentliche Toxin.
Das Tetanolysin bindet sich an die Erythrocyten, während das
Ej'ampfgift von ihnen in der Lösung gelassen wird.
In dem Maße, wie der Gehalt der Giftlösung an beiden Giften ver-
schieden ist, enthält auch das mit diesen Giften gewonnene Antiserum
verschiedene Relativmengen der entsprechenden Antikörper, so dass
es bald mehr antitoxisch, bald mehr antilytisch wirkt.
Die Untersuchung des Tetanolysins ist dann von Madsen*) im
EHKLiCHschen Institut in gründlicher Weise vorgenommen worden, dessen
Resultate von Kraus & Claibmont^) bestätigt wurden.
Madsen stellte sich durch Ausfällen mit Ammonsulfat aus einer
Tetanusbouillonkultur ein Präparat her, von dem 0,000001 g die Dosis
letalis ftlr eine Maus darstellte.
Dieses Gift löst die Blutkörperchen vieler Tiere; besonders empfind-
lich ist Kaninchenblut, das zu den Versuchen in 5proz. Aufschwemmung
in physiologischer Kochsalzlösung benutzt wurde.
i) Ehrlich, Ges. d. Charit6ärzte, 3. II. 1898. Berl. klin. Woch., 1898, Nr. 12.
2j Mausen, lieber Tetanolyßin. Z. t Hyg., 32, 214 (1899).
') Kraus & Glairmont, Ueber Hämolysine und AntihSmolysine. Wien. klin.
Woch., 1900, S. 49.
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Das Grad der Lösung wird mit Hilfe einer bekannten Blatlösnng
kolorimetrisch gemessen. Er ist ceteris paribns abhängig von der Menge
des zugesetzten Giftes.
Doch sind die einzelnen Blntkörperchen verschieden empfindlich,
auch wirkt das Tetanolysin in der Kälte viel schwächer als in der
Bruttemperatur y während andere hämolytische Gifte diese Eigenschaft
nicht haben.
Das Tetanolysin ist außerordentlich empfindlich. Schon bei Zimmer-
temperatur wird es, besonders in verdünnten Lösungen in weniger als
einer Stunde erheblich schwächer, aber auch konzentriertere Lösungen
verlieren bald einen Teil ihrer hämolytischen Kraft. Höhere Tempera-
turen, schon 50^ wirken stark schädigend. Auf Eis lässt es sich
24 Stunden unzersetzt aufbewahren, das trockene Präparat ist durch-
aus haltbar.
Besonders interessant ist es nun, dass es Madsen gelang, diese Ab-
schwächung auf eine Toxoidbildung zurttckzuftlhren.
Er verftihr bei diesen Untersuchungen genau nach den Methoden, die
Ehrlich bei der Aufhellung der Konstitution der Diphtheriegifte
angegeben hat, d. h. er prtiflie die Bindungsverhältnisse mit dem
spezifischen Antikörper des Tetanolysins. Dieses Antilysin ist in den
Antitoxinpräparaten gegen Tetanus enthalten. Madsen stellte nun zu-
nächst eine Einheit der Giftwirkung und eine Einheit der antilytischen
Kraft des Antikörpers fest, nach den EnBLiCHschen Methoden, wobei
natürlich an Stelle des Tierexperimentes der Beagenzglasversuch, die
Feststellung der blutlösenden Elraft, treten musste.
Untersuchte er dann die Verhältnisse, wie sie sich bei der partiellen
Sättigung des Giftes mit Antitoxin gestalten, so fand er, dass ganz
analog wie beim Diphtherietoxin sich die Absättigung nicht gleichmäßig
über die ganze Giftmenge erstreckt, sondern dass sich hier Zonen ver-
schiedener Bindungskraft gegenüber dem Antilysin nachweisen lassen.
Ein Zusatz von nur Vi3 der gesamten zur Sättigung der Gifteinheit
nötigen Antitoxinmenge setzt die hämolytische Wirkung bereits auf die
Hälfte herab; ein Zusatz von Y5 neutralisiert bereits '/lo des Giftes,
von der Hälfte bereits •Vioo-
Es folgt daraus, dass derjenige Teil des Giftes, der die größte
Affinität zum Antilysin hat, auch der Träger der wesentlichsten Wirkung
ist, dass dann eine zweite und dritte Zone geringerer Affinität folgt, die
auch geringere ly tische Ej'aft hat, und dass schließlich eine Zone ge-
ringer Affinität mit geringer Giftwirkung das Spectrum des Tetanolysins
abschließt.
Wir haben hier also, um uns der ftlr das Diphtheriegift aufgestellten
Terminologie zu bedienen, eine Zone höchst wirksamen Prototoxins,
der dann eine starke Zone weniger wirksamen Deuterotoxins (Hemi-
toxin?) folgt, dann folgt die Zone des Tritotoxins und schließlich die
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Toxone, die nur noch auf einzelne, besonders empfindliche Erythro-
cyten wirken und auch viel schwächer und langsamer an sie gebunden
werden.
In der Kälte wirken überhaupt nur Proto- und Deuter otoxin
(Madsen 1). Neutralisiert man ein Gift so weit mit Antilysin, dass diese
beiden Gruppen inaktiv gemacht sind, so bringt das noch frei gebliebene
Tritotoxin selbst in den größten Mengen bei 8® keine Spur von
Lösung hervor.
Wie Madsen zeigt, liegt das daran, dass bei dieser Temperatur die
toxophore Gruppe des Tritotoxins unwirksam ist, denn gebunden
wird es auch bei dieser Temperatur an die Erythrocyten, so dass nach
dem Abcentrifugieren einer solchen Mischung und Erwärmen eine Lösung
eintritt. Aehnliche Verhältnisse hat Morgenroth fUr den Tetanus des
Frosches nachweisen können (s. S. 108).
Die Analogie mit dem Diphtheriegift zeigt sich auch weiterhin in
der Art der Toxoidbildung. Es schwächt sich nämlich das Tetano-
lysin sehr schnell ab, und zwar hauptsächlich wie beim Diphtheriegift
auf Kosten der Prototoxinzone. Die Deuterotoxinzone ist relativ
beständiger.
Wie das Tetanusgift braucht auch das Tetanolysin, im Gegensatz
zum Diphtheriegift, einige Zeit, und zwar mehrere Stunden, um sich mit
dem Antitoxin zu binden.
Seine Wirkung auf die Erythrocyten tritt ebenfalls nicht sofort ein,
sondern erst nach einer gewissen Inkubationszeit, die mit der zunehmen-
den Menge des Giftes abnimmt.
Arrhenius & Madsen (L c.) haben diese Inkubationszeit genauer
untersucht und auf die Hemmung durch die Membran zurückgeführt
(s. im Allg. Teil).
Nach Arrhenius & Madsen ist nun die Annahme von Giftspektren
für das Tetanolysin in der eben ausgeführten Weise nicht unbedingt
nötig, es lassen sich vielmehr, wie wir im Allg. Teil ausftihrlich ge-
schildert haben, die quantitativen Beziehungen unter Annahme disso-
ziierter Gleichgewichtszustände erklären. Ich habe trotzdem die
MADSENSchen Untersuchungen auch in ihrer ursprünglichen Deutung^ in
der Beziehung zu den EHRUCHSchen Spektren, referiert, weil die Frage,
ob hier thatsächlich keine Pluralität der Gifte vorliegt, noch nicht un-
bedingt entschieden ist.
Dass auch die Toxoide immunisierend wirken können, wie bei der
Diphtherie, lässt sich aus Beftinden von Tizzoni & Centanni^) schließen,
die fanden, dass man durch Tetanospasmin, das scheinbar kein
Lysin enthält, auch einen Antikörper gegen das Lysin bekommt.
1) Madsen cit. n. Drbybr, Z. f. Hyg., 37, 274 (1901).
^ TizzoKi & Centakni, Real. Accad. Bologna 1900, cit. n. Neisser & Wecbs-
BERG 1. c.
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Sehr interessant und auch für die Frage nach der Heilwirkung
der Antitoxine, d. h. ihrer Fähigkeit, bereits gebundenes Gift
wieder von der angegriffenen Zelle loszureiBen, von großer Bedeutung
sind weitere Versuche, die Madsen^) mit dem Tetanolysin angestellt
hat; Er fand, dass durch Zusatz von Antilysin auch die bereits im
Blutkörperchen verankerten Lysinmengen wieder losgerissen, das bereits
angegriffene Blutscheibchen also >geheilt< werden kann. Nur wächst,
wie bei Diphtheriegift und Tetanospasmin, die nötige Dosis sehr schnell.
Nach 5 Min. ist bereits die doppelte, nach 15 Min. die dreifache und
nach 30 Min. die fünffache Menge der einfach schlitzenden Dosis notwendig.
Darüber hinaus sind genaue Messungen nicht möglich, da dann schon
vor dem Zusatz von Antilysin eine so starke Auflösung eintritt, dass die
Farbennuance sich nicht mehr mit Sicherheit feststellen lässt.
Pyooyanolyain.
Ein ähnliches blutlösendes Bakteriengift haben Bulloch & Hunter <)
aus Pyocyaneuskulturen gewonnen.
Sie fanden es in 8 verschiedenen Kulturen mit »fast konstantem
Erfolg«.
Die hämolytische Wirkung wurde auf die Blutkörperchen der ver-
schiedensten Tierarten ausgeübt und zwar meist in Dosen von 0,5 cm'
der nicht filtrierten, in Dosen von 1,5—2 cm* der durch Chamberland-
Kerzen filtrierten Kultur. Kaninchenblut zeigte sich etwas resistenter.
In sehr jungen Kulturen ist sehr wenig Pyocyanolysin vorhanden,
das Filtrat ist so gut wie frei davon. Bei 3—4 Wochen alten Kulturen
findet sich auch im Filtrat das Lysin, doch stets in verminderter Menge
gegenüber der Gesamtkultur.
Bulloch & Hunteb schließen daraus, dass das Lysin in den Leibern
der Bazillen verankert ist und erst in älteren Kulturen frei wird. In-
folge der Bindung an die Zellen ist es etwas vor der Zerstörung durch
Erhitzen geschützt, sodass die Gesamtkulturen ein kurzes (15 Min.) Erhitzen
auf 100° vertragen, während in den Filtraten das Gift durch Kochen
schnell zerstört wird. Das Antilysin ist noch nicht nachgewiesen.
Diese Befunde sind unmittelbar darauf von Weingeroff ^j im wesent-
lichen bestätigt worden. Er erhielt indessen das Lysin auch durch
Filtration der Kulturen. Marg. Breymann^) hat dann das Lysin nur
in den Filtraten gefunden, auch bei jungen Kulturen.
Weingeroff konnte dann direkt nachweisen, dass das Lysin sich an
1} Madsen, Ueber Heil^ersache im Beagenzglas. Z. t Hyg., 82, 239 (1899}.
2) Bulloch & Hunter, Ueber Pyocyanolysin. C. f. Bakt, 28, 866 (1900).
3} Weingeroff, Znr Kenntnis des Hämolysins des Bac. pyocyan. G. f. Bakt
29, Nr. 20 (1901).
^) M. Brbtmann, Ueb. Stoffwechselprod. d. Bac. pyocyaneas. C. f. Bakt., 31,
481 (1902).
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Blatkörperchen bindet, während das in derselben Lösnng befindliche Toxin
freibKeb. Damit wäre die Verschiedenheit des Lysins vom Toxin erwiesen.
LuBENAU^] fand ebenfalls, dass eine alte (21 Monate) Pyocyanens-
knltor sehr intensiv hämolysierte; sie erwies sich als stark alkalisch;
beim Neutralisieren wnrde die hämolytische Kraft merklich geschwächt,
blieb aber erhalten.
LoEW & EozAi^) fanden, dass Luftzutritt und Zusatz von Zucker die
Bildung des Pyocyanolysins fördern.
Nach Beetmann soll das Lysin thermostabil sein.
Golilysin.
Ein hitzebeständiges Blutkörperchen angreifendes Prinzip in den
Kulturen des B. coli fand Kayseb^).
Es bildet sich bei ganz schwach saurer Reaktion. Es wirkt am
stärksten auf Hundeblut, dann folgt Pferd, Rind, Kaninchen, fast gar
nicht wirkt es bei Mensch, Meerschwein, Schaf und bei Gans und Taube.
Die Wirksamkeitsreihe ist von der des Staphylolysins verschieden.
Das Gift ist in den filtrierten Kulturen vom 3. Tage an enthalten,
nicht in den Leibern. Der Hämolyse geht keine Agglutination voraus.
Nentralisierung der alkalischen Ktütur schwächt die Hämolyse.
Das Lysin erträgt 120^ Vs Stunde lang ohne Schaden. Es bindet
sich an die Erythrocyten in der Kälte wie ein echtes Toxin, beim Er-
wärmen tritt Lösung auf Die Haltbarkeit beim Aufbewahren ist eine
sehr wechselnde.
Bei subkutaner Injektion entsteht im Organismus ein Antilysin,
das bei 56° beständig ist. Auch »Heilungsversuche«, d. h. Hemmung
bereits eingetretener Hämolyse, kann durch Antilysinzusatz erreicht
werden (vgl. bei Tetanolysin). Auch normales Serum, besonders des
Pferdes enthält Antilysin.
Das Staphylolysin.
Die Geschichte der Untersuchung der Staphylokokkengifte und ihrer
Bedeutung weist im allgemeinen dieselben Irrgänge auf, wie die der
Bakterientoxine in der Regel. Glücklicherweise ist hier im Gegensatz
z. B. zu den Streptokokken durch die letzten Arbeiten Klarheit ge-
schaffen worden.
Von den filteren Ai'beiten haben eigentlich nur drei größere Bedeutung.
Rodet & Coxtbmgnt^) fanden in Staphylokokkenkulturen eine durch Alkohol
1) LuBENAu, Hämolyt. Fähigkeiten einzelner pathog. Schizomyceten. C. t
Bakt, 30, 356.
2) LoEw & KozAi, üeb. d. Bild, des PyooyanolysinB. Malys Jb., 31, 912 (1901).
8) Kaysbr, üeb. Bakterienhämolysine, bes. d. CoIUysin. Z. f. Hyg., 42, 118 (1903).
4) BonsT & CouRMOMT, De Texistence . . . dans des caltnres da staphylocoqne
d'une snbstance vaccinante. Compt rend. de I'Acad., 113, 432 (1891).
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— 122 —
ftllbare immimisierende Substanz. Genauer hat sich Reichel ^) mit dem Problem
befasst. Er konnte durch Filtration von Aureuskulturen ein spezifisches
Gift erzielen, das freilich nicht stark toxisch war und gegen das sich Immu-
nität erlangen ließ.
MosNT & Mabcano 2) fanden, dass Staphylokokkenfiltrate schwach toxisch
sind und bei Injektion ein Antitoxin erzeugen.
Jetzt wissen wir, dass der Staphylococcus pyogenes aureus zwei
spezifische Gifte bildet, von denen eins auf Leukocyten giftig wirkt, das
Leukocidin, das andere ein Lysin für die roten Blutscheibchen ist.
Auf die Existenz eines auf die roten Blutscheibchen wirkenden
Staphylotoxins neben dem Leukocidin haben zuerst van de Velde^)
und sodann Kraus & Clairmont^) kurz hingewiesen. Systematisch
wurde indessen dieses Lysin erst im EHRUCHSchen Institut yon Neisser
& Wechsberg *^) untersucht.
Der Staphylococcus pyogenes aureus' bildet ein blutkörperchen-
lösendes Toxin, das in Bouillonkulturen vom 3. — 4. Tage an nachweis-
bar ist, während das Optimum ca. am 10. — 14. Tage liegt. Es entsteht
am wirksamsten bei noch schwach saurer Reaktion der Bouillon, wenn
Vs — V2 der zur völligen Neutralisierung notwendigen Menge Normal-
alkali der Bouillon zugesetzt waren. Es lässt sich durch Filtration
abscheiden.
Die Produktionskraft der einzelnen Staphylokokkenstämme an Lysin
ist sehr verschieden und scheint, wie auch bei den echten Toxinen, in
keinem direkten Zusammenhang mit der Virulenz fbr den Menschen zu
stehen. Die echten pyogenen Albus- und Aureusstämme bilden es
zwar ausnahmslos; daneben giebt es aber zahlreiche andere nicht
pathogene Stämme, die kein Lysin produzieren. Die Menge des ge-
bildeten Lysins ist je nach den einzelnen Stämmen sehr verschieden,
ebenso der Zeitpunkt, bei dem das Maximum der Lysinproduktion ein-
tritt; nach LuBENAU^^) schwankt sie beträchtlich innerhalb weniger
Stunden. Bei Traubenzuckerzusatz zu den Kulturen wird die Lysin-
bildung herabgesetzt (Kayser^).
^] Reichel, Ueb. Immunität gegen das Virus von Eiterkokken. Arch. f. klin.
Chirurg., 42, 237 (1891).
^ MosNT & Marcano, De Paction de la toxine du staphyL pyog. Sem. m^d.,
IS^, 544.
8) * VAN DE Velde, ]6tude 8. 1. m^canisme de virulence du staphylococque pyo-
göne. La cellule, X. — Ders., Contribntion a Timmunit^ des lapins contre le
stapbylocoque. Ann. Fast, X, 580 (1896).
4) Kraus & Clairmont, Ueber Hämolysine u. Antibämolysine. Wien. klin.
Woch., 1900, S. 49.
5) Neisser & Wechsberg, Ueber das Staphyiotoxin. Z. f. Hyg., 36, 299 (1901).
0) LuBBNAü, Hämolytische Fähigkeit einiger pathogener Sohizomyceten. C.
f. Bakt, 30, 356 (1901).
T) Katser, Einw. d. Traubenzuckers auf Staphylococcus. Z. f. Hyg., 40, 21
(1902).
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— 123 —
Das Staphylolysin entspricht den echten Toxinen in seiner Beein-
flnssnng durch äuBere Faktoren. Während es im Eisschrank hei Earbol-
znsatz sich meist lange Zeit unverändert hält, wird es bei 56® in
20 Minuten zerstört, bei 48® geschädigt und verliert schon im Brut-
schrank in wenigen Wochen seine Wirksamkeit.
Gegen Alkalien, Säuren und Kochsalz ist es in ziemlich weiten
Grenzen beständig; doch wirkt namentlich bei Bruttemperatur stärkere
Alkalinität schädlich.
Die Blutkörperchen verschiedener Tiere sind gegen dasselbe Lysin
beträchtlich verschieden empfindlich; am empfindlichsten scheinen die
Erythrocyten des Kaninchens zu sein, während die des Menschen, der
Ziege, besonders aber der Gans, viel resistenter sind. Kompliziert
werden die Verhältnisse noch durch den Umstand, dass das normale
Serum der meisten Tierarten eine mehr oder minder ausgesprochene
Schutzkraft gegen das Lysin ausübt, so dass man, um vergleichbare
Werte zu erhalten, mit gewaschenen Blutscheibchen operieren muss.
Kaninchenblut ist auch abgesehen von seiner besonderen Empfindlichkeit
das beste Testobjekt, da das normale Kaninchenserum nur eine ganz
minimale Schutzkraft besitzt. Auch bei demselben Blut ist wie beim
Tetano lysin eine verschiedene Empfindlichkeit der Erythrocyten zu
konstatieren, so dass schon schwache Lysinlösungen einige Blutkörperchen
auflösen, während man zur völligen Lösung beträchtlich stärkere
Giftlösungen anwenden muss.
Das Antistaphylolyain.
Die Schutzkraft, welche einzelne normale Sera in verschieden hohem
Grade gegen Staphylolysin besitzen, ist auf die Gegenwart eines nur auf
das Staphylolysin gerichteten spezifischen Antikörpers zurückzufbhren.
Besonders das normale Pferdeserum enthält ihn bisweilen in so reich-
licher Menge, dass schon 0,01 cm' gegen eine kompakt lösende
Staphylolysindosis schützen«
Das normale Pferdesemm schützt häufig auch gegen Tetanolysin. Daraus
haben Kraus & Clairmont (1. c.) Rückschlüsse auf die Identität beider
Lysine und ihrer Antikörper gezogen. Neisseb & Wechsbebg konnten aber
zeigen, dass einerseits Immunsera, die gegen Staphylolysin schützen, auf
Tetanolysin ohne jede Wirkung sind, und dass andererseits Tetanussera, die
gegen Tetanolysin energisch schützen, unter Umständen sogar wesentlich
schwächer gegen Staphylolysin schützen, als normales Pferdeserum.
Das Staphylolysin zeigt sich also auch insofern als echtes Toxin, als
es einen spezifischen Antikörper besitzt, der schon in manchen normalen
Seris, auch im Meuschenserum, in verschiedener Menge vorhanden ist,
und der regelmäßig sich bildet, wenn man ein Tier gegen das Lysin
immunisiert. Man erreicht dies durch zwei- bis dreimalige Injektion von
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— 124 —
kleinen Dosen, bei Ziegen oder Kaninchen, subkutan oder intravenös,
nicht intraperitoneal.
Sehr interessant ist der Schutz, den das Lysin durch seine Bindung
an den Antikörper findet Obwohl nämlich sein Antikörper gegen Tem-
peraturen von 58° resistent ist, bei denen das Lysin bald zerfällt, ge-
lingt es nicht, aus einem normalen Gemisch durch Erhitzen das Toxin
zu entfernen, so dass freies Antitoxin zurückbleibt.
Alle Lysine verschiedener Herkunft geben dasselbe, gegen alle wirk-
same Antilysin, so dass es sich wohl um ein einheitliches Haptin handelt.
Wie oben erwähnt, findet sich das Antistaphylolysin konstant im mensch-
lichen Serum, wenn auch in sehr verschiedener Quantität. Ob es sich
hier um Produkte der Thätigkeit von Staphylokokken oder um sensu
strictiori normale Seitenketten handelt, ist vor der Hand nicht zu ent-
scheiden. Doch ist das Vorkommen von Antikörpern der verschiedensten
Art im normalen Serum etwas so häufiges, dass es den Anschein ge-
winnt, als ob thatsächlich normale Rezeptoren eine Affinität zu den
betreffenden Giften besitzen können, die in diesem Falle vielleicht freie,
den Blutkörperrezeptoren ähnliche Ambozeptoren darstellen.
Die Konstitution des Staphylolysins.
Das Staphylolysin zeigt in seiner Konstitution groBe Analogieen mit
dem Tetanolysin. Es ist nicht nach dem Typus der Bordet-
EHRLiCHSchen Hämolysine gebaut; d. h. es besteht nicht aus zwei
Teilstücken, dem »Amboceptor« und dem »Komplement« wie jene;
denn es ist nach dem Erwärmen auf 56^, wo es inaktiviert wird,
durch kein normales Serum und durch kein anderes Mittel zu aktivieren;
ebensowenig erzeugt dies inaktivierte Lysin noch einen Antikörper, wie
es bei den Hämolysinen die wärmebeständigen Zwischenkörper thun.
Es ist also nach dem Schema des einfachen Toxins gebaut: an
einem Kern sitzen die haptophore und die toxophore Gruppe.
Wie bei jenen vermag sich die haptophore Gruppe schon in der Kälte
zu verankern, ohne dass wegen der Unwirksamkeit der toxo-
phoren Gruppe Lösung eintritt. Behandelt man Kaninchenerythro-
cyten bei 0° einige Stunden mit Staphylolysin, so tritt keine Lösung
ein; wäscht man nun die Erythrocyten sorgfältig ab und erwärmt dann
auf 37^, so tritt Lösung ein. Ganz analoge Bindungs- und Wirkungs-
verhältnisse haben Morgeneoth (1. c.) beim Tetanus des Frosches,
Madsen beim Tetanolysin nachgewiesen. Das Staphylolysin schließt
sich also eng an die echten Toxine an.
Diese Analogie geht noch weiter. Auf Grund der EHEUCHschen
Methode zur Aufstellung der Giftkonstitutionen haben Neisser & Wechs-
BERG eine bestimmte Toxinmenge mit steigenden Bruchteilen der Anti-
toxineinheit versetzt und so Spectra erhalten, die viele Aehnliohkeiten
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— 125 —
mit denen des Diphtherietoxins und des Tetanolysins zeigen. Genauer
auf diese Details an dieser Stelle einzugehen, dttrfte sich erübrigen.
Auch von anderen Bakterien sind Hämolysine dargestellt worden, so
z. B. von LuBENAu (1. c.) und Kraus & Clairmont (1. c.). U. a. finden
sich hlutlösende Agentien bei Cholera- und choleraähnlichen Vibrionen.
Levt^) erhielt ein Lysin aus Typhuskulturen, das am besten auf
Hxmdeblut wirkte.
Durch Immunisieren mit Typhnskulturen konnte er ein antilytiscbes
Serum erhalten. Das Typhuslysin ist ebenfalls wärmebeständig. Ein
ziemlich wärmebeständiges Streptolysin hat Besr&dka ^) beschrieben.
Es findet sich nur in jüngeren Kulturen und zeigt je nach der Art
des Nährbodens verschiedene Eigenschaften. Es wird erst bei 70° in
2 Stunden zerstört und ist indiffusibel.
Es bildet unter keinen Umständen einen Antikörper, scheint also
überhaupt kein Haptin zu sein. Aus diesem Grunde gehe ich hier
nicht näher darauf ein.
Ein Hämolysin aus den Kulturen des Pneumococcus ist von Casa-
GRANDi^) beschrieben worden. Eigentümlich ist dabei, dass nur die
nichtpathogenen Spielarten dieses Diplococcus ein Lysin bilden sollen.
Es ist den anderen Toxinen. analog konstituiert und bildet einen Anti-
körper. Außerdem sollen einige Stämme noch ein spezifisches Leuko-
cidin produzieren.
SchlieBlich sind neuerdings von Kraus & Ludwig^) spezifische
Hämagglutinine aus Bakterienfiltraten beschrieben worden, z.B. aus
Staphylococcus und verschiedenen Vibrionen. Sie werden bei 58° zer-
stört und bilden spezifische Antikörper. Von den spezifischen Hämo-
lysinen sollen sie ganz getrennt werden.
Das Lenkocidin der Staphylokokken.
Ganz parallel mit der Produktion von Lysin geht bei den typischen
pyogenen Staphylococcus-Arten die Bildung eines löslichen zweiten
Toxins, desLeukocidins, das ebenfalls von van de Velde (1. c.) ent-
deckt und von Bail^), Neisser & Wechsberg •) genauer untersucht
wurde. Es richtet seine spezifische Wirkung hauptsächlich auf Leuko-
cyten, die es tötet und auflöst, sowie auch einige andere Zellen, wie
1) E. & P. Levy, üeber die Hämolysine des Ty.-B. C. f. Bakt., 30, 405 (190J).
2) Besbedka, De rh^molysine streptococcique. Ann. Fast, XV, 880 (1901).
3) Casagrandi, UEmolisina e la Leucolisina Diplococcica. Bnll. Soc. Lancis.
Born 27, 2. Bioch. Centr. I, 402 (1903).
*) Kraus&Ludwig, üeb. Bakteriohämagglutinine. Wien. klin. Woch., 1902, 120.
^) Bail, Ueber lenkocide Substanzen in den Stofifwechselprodnkten d. Staph.
pyog. aureus. Arch. f. Hyg., 32, 133 (1898).
0) Neisser & Wechsberg, Ueber eine neue einfache Methode z. Beob. von
Schädigungen leb. Zellen und Organismen. Münch. med. Woch., 1900, 1261.
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— 126 —
Hämatoblasten, Ganglienzellen u. 8. w. Dadurch, dass es die Leukocyten
auch im lebenden Organismus zu yemichten scheint, erzeugt es Nieren-
infarkte und ähnliche Nierenveränderungen. Eine spezifische Wirkung
auf das Nierenepithel scheint es dagegen nicht zu besitzen. Neisser &
Wechsberg prüften seine Wirksamkeit mit Hilfe ihrer »bioskopischen
Methode«, indem sie die reduzierende Kraft der Leukocyten als Maß
für ihre Lebensfähigkeit benutzten. Als Loidicator diente yerdttnnte
Methylenblaulösung. War das Leukocidin wirksam, so blieb die Ent-
färbung des Methylenblaus aus. Dabei muss natürlich die Menge der
vorhandenen Leukocyten mit in Rechnung gezogen werden; dies wurde
dadurch erreicht, dass für jedes Exsudat an den lebenden Zellen die
einfach reduzierende Dosis Lr vorherbestimmt und auf Grund dieser
Feststellung gearbeitet wurde.
Das Leukocidin bildet sich in Bouillonkulturen ca. vom 4. Tage
an und erreicht etwa am 8. Tage sein Maximum. In Bezug auf den Ein-
fluss der Alkalinität der NährbouUlon scheinen für das Leukocidin un-
gefähr dieselben Bedingungen zu herrschen, wie für das Staphylolysin.
Das Leukocidin tritt stets mit dem Lysin verbunden auf. Dieselben
Stämme, die Lysin bilden, erzeugen auch Leukocidin, wenn auch durch-
aus nicht immer in korrespondierender Quantität. Wie beim Lysin
steigern Tierpassagen die Giftproduktion. Trotzdem ist es ein von
dem Lysin zweifellos verschiedenes spezifisches Toxin,
das eigene haptophore und toxophore Gruppen besitzt Das Lysin bindet
sich nicht an Leukocyten. Es geht in die sterilen Filtrate über,
ist also ein lösliches Gift.
Es ist etwas empfindlicher als das Lysin. Bei 50*^ wird es in
20 Minuten zerstört, bei 58° in 10 Minuten. Beim Aufbewahren mit
Karbol im Eisschrank schwächt es sich sehr schnell ab, nach 16 Tagen
um das 25 fache bis 60 fache. Schließlich wird es ganz unwirksam.
Es wirkt ziemlich langsam, so dass man die Beobachtung auf
2 Stunden ausdehnen muss. Dass es ein echtes Toxin ist, zeigt seine
Fähigkeit, ein Antitoxin zu bilden. Denys & vak de Velde *) hatten
zuerst durch Injektionen von Eultnrfiltraten ein Antileuko eidin er-
halten. Neisser & Wechsberg fanden zunächst Autileukocidin im nor-
malen Pferde- und Menscheuserum, nicht aber in dem des Kaninchens;
ebenso erhielten sie durch Lnmunisierung von Kaninchen und Ziegen
stets ein einheitliches Autileukocidin.
Wir haben also in dem Leukocidin der Staphylokokken ein echtes,
spezifisch auf Leukocyten wirkendes Toxin vor uns, das in seiner
eigenartigen Wirkung bisher ein Analogon nur in dem von Casa-
GRANDi (1. c.) aufgefundenen Leukocidin des Pneumococcus hat (s. oben).
^) Dents & VAN DB Velde, Sur la prodaction d'ane antileucocidine etc. La
cellnle, XI, cit n. Neisser & Weohsbero.
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— 127
IL Die Endotoxine.
Das Gholeragift.
Die Frage nach der Natur des Gholeragiftes und seiner Stellang zu
den echten Toxinen ist noch weit davon entfernt, zn einer definitiven
Klärung gekommen zu sein. Abgesehen von den direkten Wider-
sprüchen in den experimentellen Resultaten, denen wir leider begegnen,
erschwert den Ueberblick über diese Frage und vieler ganz ähnlicher,
wie die nach dem Gift des Typhus, des Pneumococcus u. s. w., ein sehr
wichtiger Umstand. Die früheren Forschungen über Immunität konnten
noch nicht den fundamentalen Unterschied zwischen der antitoxischen
und der baktericiden Immunität machen, und so hat man denn anfangs
nie zielbewusst nach der Existenz eines Choleratoxins und -antitoxins
gesucht. Aber auch jetzt noch ist das sehr erschwert, da zweifellos
die Choleraimmunität im wesentlichen eine baktericide ist, und die
antitoxische, wenn sie überhaupt existiert, außerordentlich dagegen in
den Hintergrund tritt. Auch bei der Einimpfung toter Leiber tritt
augenscheinlich eine rein antibakterielle Immunität ein.
Die Geschichte des Choleragiftes beginnt mit K Koch ^), der bereits
die Cholera als eine Intoxikationskrankheit ansah, doch gelang es ihm
erst nach mühevollen Versuchen, eine schnelle Intoxikation, aber auch
nur mit lebenden Bazillen zu erzielen. Dagegen erhielten Nicati &
RiETSCH^) giftige Filtrate ohne spezifische Wirksamkeit, ebenso van
E^MENGEM^). Dann folgten, wie überall, die Untersuchungen der aus
den Kulturen gewonnenen löslichen, krystalloMen Stofife ptoma'inartiger
Natur, die aber bald als nicht verantwortlich ftlr die toxische Wirkung
der Vibrionen erkannt wurden. Auch die Toxalbumine, die Brieger &
Fränkbl nach ihrer Methode aus Cholerakulturen isolierten, ervnesen
sich ihnen selbst bereits als nur in geringem Maße giftig wirkende, aber
keine spezifischen Wirkungen hervorrufende Stoffe. Speziell war
ihr Choleratoxalbumin in Wasser unlöslich und ftlr Kaninchen ungiftig.
Der erste Erfolg, ein giftiges und annähernd spezifisch wirksames
Produkt aus dem Vibrio Koch zu isolieren, war Petri^) vergönnt. Er
fand in den Peptonkulturen ein lösliches Gift, das, allerdings in ziem-
lich großen Dosen (2cm3), Meerschweinchen unter Hypothermie und
i) E.KOCH, Vortr. über die Cholera. Berl. klin. Woch., 1884, S. 498. — Ders.,
Zweite Conferenz z. Er ort d. Cboleraftage. Ebd., 1895, 37», S. 8.
^ Nicati & Bibtsch, Effets toxiqnes des produitB etc. Compt. rend. de Tacad.,
99, 929 (1884).
^ VAN Ermenoem, Sur rinocnlation des prodnits de coltiire du bacille virgnle.
Bali Acad. m6d. belg., III, 18, 1221 (1884).
«) Petri, UnteiB. üb. die d. d. Wachstum der Cholerabakt entstehenden che-
mischen Umsetzungen. Arb. Kais. Ges.-Amt, VI, 374 (1890).
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— 128 —
anderen Erscheinnngen der Choleraintoxikation tötete. Freilich weicht
sein »Toxopepton« insofern stark yon den echten Toxinen ab, als
es das Kochen verträgt. Er bestätigte auch die weittragende Be-
obachtung, die zuerst Cantani ^) gemacht hatte, dass die abgetöteten
Leiber stets noch reichlich Gifte enthalten, so dass die filtrierte Eoltnr
niemals die Giftigkeit der sterilisierten Gesamtkaltor aufwies. S^lempebeb^)
fand auch, dass die toten Leiber noch giftig nnd bei Abstampfdng der
Magensänre und Bnhigstellung des Darmes auch per os wirksam sind.
Es folgen dann Versuche von Hijeppe^) und Scholl^) aus ana€roben Kul-
turen in Eiern und Fällung mit Alkohol ein »Toxin« zu erhalten, die aber
von Gbübeb & WiBNEB*^), Wesbbook«) und Dönitz') widerlegt wurden, die
wirksame, spezifische Gifte auf diesem Wege nicht erhalten konnten.
GamaleU^) nahm eine Duplizität von Gholeragifl;en an. Er kulti-
vierte die Vibrionen 15 Tage m Bouillon aus Kalbsfllßen und sterilisierte
bei 120^. Das so erhaltene Gift tötet unter starkem Temperatnrabfall
und Lähmungen, sowie Hyperämieen der Bauchorgane. Eine Gewöhnung
an dieses Gift tritt absolut nicht ein. Es stammt aus den Leibern
der Vibrionen und ist nukle'inähnlich. Die Kulturen enthalten aber
außerdem ein wärmelabiles Gift, ein Nukleoalbumin, das in den bei
58^ sterilisierten Kulturen sich findet, während die Filtrate sehr wenig
toxisch sind. Es bewirkt sehr heftige Durchfälle und andere cholera-
ähnliche Symptome.
Wassermann») fand, dass die toten Leiber in der 8 — 12 fachen
Menge wie die lebenden Vibrionen ein Meerschweinchen unter typischen
Erscheinungen töten. Durch Eindampfen der Kulturen und Ausfällen
mit Alkohol erhielt er ein Gift, das in einer Dosis von 0,02 g töd-
lich auf Meerschweinchen wirkte, aber keine antitoxische Immunität aus-
löste. Pfeiffer & Wassermann ^ö) und Jssaepp^^) geben an, dass das
i) Cantani, Giftigkeit der CholerabaKillen. D. med. Woch., 1886, 789.
2) Klemperer, Ueb. kttuBtlichen Impfschutz gegen Choleraintoxikation. Berl.
klln. Woch., 1892, 789.
3) HuEPPB, Ueb. d. Aetiologie u. Toxikologie der Cholera asiatica. D. med.
Woch., 1891, 417.
4} Scholl, Unters, üb. giftige Eiweißkörper bei Cholera asiatica. Arch. f.
Hyg., 172 (1892).
S) Gruber & Wiener, Ueb. d. intraperiton. Cholerainfektion. Wien. klin.
Woch., 1892, 643.
») Wesbrook, Contrib. & T^tude d. toxines du Cholera. Ann. Fast., VIII, 318
(1894).
7) DÖNiTZ, Ueb. d. Verhalten d. ChoL-Vibr. im Hühnerei. Z. f. Hyg., 20, 31 (1895).
8) GamaleYa, Becherches exp6r. snr les poisons dn chol^ra. Arch. de m^d.
exp^r., 1892, 173.
9} Wassermann, Unt üb. Immnn. geg, Chol, asiatica. Z. f. Hyg., XIV, 36 (1893).
10) Pfeiffer & Wassermann, Unt üb. das Wesen d. Choleraimmnnität Z. f.
Hyg., XIV, 46 (1893).
11) IssAEFF, Unt. üb. d. künstl. Imm. geg, Cholera. Z. f. Hyg., XV, 287 (1894).
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— 129 —
Serum immnner Tiere keine Antitoxinimmunität überträgt. Elemperer^)
fand die filtrierten Eoltoren schwacli giftig.
Wesbrook hat dann die Frage einer weiteren Untersuchung unter-
zogen. Er züchtete die Vibrionen auf Alkalialbuminat, das keine Biuret-
reaktion gab. Nach 3 Wochen trat deutliche Biuretreaktion auf.
Das durch Porzellan filtrierte Gift hatte eine ftlr Meerschweinchen töd-
liche Dosis von 0,5 — 1,5 cm' und immunisierende Kraft.
Er versuchte es dadurch zu isolieren, dass er das Alkalialbuminat
durch Neutralisieren mit HCl fällte, bei 40^ das Filtrat im Vacuum
eindampfte und unter Zusatz von etwas Alkohol dialysierte. Sowohl
das geftUlte Albuminat, als auch die im Filtrat gebliebene Albumose
waren toxisch.
Auch auf eiweißfreien Nährböden nach Uschinskt erhielt er bei
Zusatz von etwas NaOH bei reichlichem Wachstum ein Gift, das nach
oberflächlicher Reinigung eine braune Substanz ergab, die keine Biuret-,
nur schwache XanÜioprotelinreaktion zeigte. Sie wirkte giftig und
immunisierend. Er schließt daraus, dass das Choleragift an die
Eiweißstoffe nur gebunden ist, selbst aber kein EiweißkOrper ist.
Immerhin aber fand sich dieses Gift nur spärlich in den Kulturen
und war zudem von sehr geringer Toxizität im Vergleich zu Diphtherie-
und Tetanustoxin, so dass Pfeiffer^} ftlr das Choleragift eine ganz
andere Natur und Entstehungsweise proklamierte, wie fttr diese echten
Toxine. Er vertritt nämlich die Auftassung, dass das Choleragift
nicht ein Sekretionsprodukt der Vibrionen ist, sondern ein im
normalen Zustand innerhalb der Leiber festgebundener Stoff (ein
»Endotoxin«), der nur dann den Bakterienleib verlässt, wenn die Zelle
abstirbt. So erklärt sich die relativ geringe Toxizität filtrierter Kul-
turen gegenüber der hohen Giftigkeit der lebenden und auch, wie
Pfeiffee nachwies, der toten Bazillen.
Pfeiffer führt zur Bekräftigung seiner Ansicht folgende von ihm
geftmdene Thatsachen ins Feld:
Das keimfreie Filtrat der Bouillonkulturen ist nur etwa halb so giftig
als die gesamte Kultur nach dem Kochen. Filtriert man die gekochten
Kulturen, so ist das keimfreie Filtrat giftiger als vor dem Kochen.
Kocht man dagegen das Filtrat der unveränderten Kulturen, so geht
die Giftigkeit verloren.
Tötet man die Vibrionen durch Chloroform oder Thymol, so bleibt
die Giftigkeit erhalten, dagegen wirkt Alkohol und Ausfällen mit Ammon-
sulfat schädlich. Lässt man die Vibrionen langsam eintrocknen, wobei
sie absterben, so bleibt ihre Giftigkeit erhalten. Erhitzt man sie dann und
1) Klemperer, Schutzimpf. d. Menschen geg. asiat. Cholera. Berl. klin. Woch.,
1892, 970.
2) Pfeiffer, ünterfl. üb. d. Choleragia Z. f. Hyg., XI, 393 (1892).
Oppenheiiner, Toxine and Antitoxine. 9
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— 130 —
filtriert die Aufschwemmnng durch Chamberland- Filter, so ist das
Filtrat ungiftig, ebensowenig lässt es sich durch Glycerin aus den Leibern
extrahieren. Pfeiffer nimmt ein primäres, sehr empfindliches Gift
an*), das durch Erhitzen in ein zwar ähnlich wirkendes, aber 10 — 20mal
schwächeres übergeftlhrt wird, das sekundäre Gift, wie es Scholl
u. a. dargestellt haben. Aehnlich sollen sich Vibrio MetschnikoflF und
andere Vibrionen verhalten.
Pfeiffer 3} hält auch an seiner Auffassung fest, nachdem Ran-
SOM^) angegeben hat, ein stark wirksames immunisierendes Cho-
leragift aus den Kulturen dargestellt zu haben, und vorher schon
SoBERNHEiM^) aus altcu, in ausgiebigem Zerfall begriffenen Kul-
turen ein auch per os wirkendes Gift durch Filtration gewonnen hatte,
das auch Immunität erzengt. Ransom selbst hatte nähere Details über
die Bereitung seines Giftes nicht gegeben, doch hat Behring^) später
angegeben, dass dies RANSOMSche Gift aus 6 — lOtägigen Kulturen durch
kurzea Erhitzen auf 100°, Filtration durch PüKALL-Filter und Fällung
mit Alkohol gewonnen wurde.
Dieses feste Gift soll die Versuchstiere unter heftigen, choleraähn-
lichen Erscheinungen töten. Es soll im Organismus des Versuchstieres
eine geringe Antitoxinbildung (Festigung gegen die 4 — 6fache Dosis
letalis) auslösen, und wäre demzufolge als echtes Toxin anzusehen.
Dagegen spricht die Beständigkeit gegen Erhitzen, die ihm nach Ransom
innewohnt und seine relativ geringe Giftigkeit (0,07 g des festen Giftes
sind flir Meerschweinchen tödlich). Pfeiffer hielt demgemäß das Ran-
soMSche Gift ftir ein sekundäres Produkt, und meint, die antitoxi-
schen Fähigkeiten, die es auslösen soll, seien nicht höher als die des
normalen Serums.
Metschnikoff, Roüx & Taürelli-Salimbeni«) bekämpfen die
PFEiFFERSche Annahme mit folgenden interessanten Versuchen:
Sie bringen in sterile Kollodiumsäckchen 3 — 4 cm' einer Pepton-
lösung, die sie zum Teil mit lebenden, zum Teil mit durch Chloroform
abgetöteten Vibrionen beschickt haben, schließen die Säckchen herme-
tisch zu und bringen sie in die Bauchhöhle von Meerschweinchen. Das
mit toten Vibrionen auf diese Weise behandelte Tier erkrankt leicht,
1) S. 8. Pfeiffer, Studien zar Cbolera-Aetiologie. Z. f: Hyg., XV, 268 (1894).
2) Pfeiffer, üeber die epezifischen Antikörper der Cholera. Z. f. Hyg., 20
217 (1895). — Derß., Ein neues Grundgesetz der Immunität D. med. Woch., 1896,
Nr. 7 und 8.
3) Raksom, Choleragift u. Choleraantitoxin. D. med. Woch., 1895, 457.
4) SoBERNHEiM, Experim. Unters, üb. Choleragift nnd Choleraschatz. Z. f.
Hyg., XIV, 485 (1893).
^) Behring, Untersuch. Bansoms ttb. die Agglutination der Choleravibrionen.
D. med. Woch.. 1898, 294.
ö) Meschnikoff, Roux & Taurelli-Salimbeni, Toxine et Antitoxine chol6-
rique. Ann. Past, X, 267 (1896,.
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— 131 —
während das mit lebenden vergiftete nach 3 — 5 Tagen unter typischen
Choleraerscheinongen zu Grunde geht Die Sektion ergiebt die der
Cholera zukommenden Veränderungen, aber in keinem Organ finden
sich Vibrionen, wohl aber lebend in dem Säckchen.
Einige der Tiere blieben am Leben, und zeigten nun eine erhöhte
Resistenz.
Das eindeutige Resultat dieser Versuche ist folgendes:
In den Kulturen, die dieses abgeschlossene Säckchen enthält, das
gewissermaßen das Modell einer Darmschlinge darstellt, bildet sich ein
lösliches, durch die Kollodiumwand hindurchdiffundierendes Gift, das
entstanden ist, während die Vibrionen in dem Säckchen kräftig ge-
deihen. Dagegen spaltet sich aus den toten Leibern nur wenig Gift
ab, gerade genug, um eine leichte Erkrankung hervorzurufen.
In den Säckchen wachsen die Vibrionen zuerst vorzflglich, nehmen aber
bald andere Formen an und vermehren sich nicht mehr; sie sind aber
nicht abgestorben, sondern wachsen auch nach Monaten noch auf Nährböden.
Passagen durch Tierkörper nach intraperitonealer Injektion liefern wieder
Kulturen von hoher Virulenz.
Sie versuchten nun auch dieses Gift aus den Kulturen der so viru-
lent gemachten Vibrionen zu erhalten. Alte Kulturen sind relativ wenig
giftig, sie benutzten deshalb ganz junge, von 2 — 48 Stunden bis 3 bis
4 Tagen.
Sie waren, filtriert, giftig mit einer Toxizität von durchschnittlich 0,3 cm^
pro 100 g Tier. Zusatz von Serum zur Nährflttssigkeit steigert die Toxi-
zität, ebenso das Wachstum auf der Kultur einer Tornlaart.
Auch das so von ihnen dargestellte Gift ist unempfindlich gegen
Kochen, wird dagegen durch Luft und Licht bald unwirksam. Her-
metisch abgeschlossen hält es sich lange. Alkohol und Ammonsulfat
ftUlen es aus. Es ist ganz analog dem RANSOMSchen Gift. Durch In-
jektion steigender Dosen kann man eine antitoxische Immunität
herbeiftlhren, die allerdings größer ist als die des normalen Serums,
aber doch äußerst geringwertig im Verhältnis zu Diphtherie- und
Tetanusantitoxin. Im günstigsten Fall neutralisierte 1 cm^ die 6 fache
tödliche Dosis! Es steht im Gegensatz zu dem baktericiden Antiserum
Pfeiffers, das man durch Immunisierung mit toten Vibrionenleibem
erhält, und das ohne jede neutralisierende Wirkung auf das Toxin ist.
Das spricht dagegen, dass die toten Leiber nennenswerte Mengen des
immunisierenden Toxins freigeben, denn sonst mtisste dies beim Frei-
werden auch seine antitoxinbildende Kraft beweisen.
Auch CoüRMONT & DoYON*) erhielten lösliche filtrierbare Gifte von
freilich geringer Toxizität (4 cm» (!) Dosis letalis ftlr ein Kaninchen). Es
1) CouRMONT & DoYON, Effets de la toxine chol6r. Aroh. de phys., 28, 785 (1896).
9*
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bewirkt Hypothennie und Hämorhagieen sowie schlaffe Lähmungen und
peripherische Neuritis. Es ist äußerst empfindlich gegen Licht und
Luft. Bei 53^ sterilisierte Kulturen erwiesen sich als etwas giftiger.
Hahn^) dagegen erhielt nach Buchiyer aus lebensfrischen Eultnren mit
Hilfe der Zermalmung und Auspressung bei 4 — 500 Atmosphären Druck ein
C holer aplasmin, in Gestalt einer gelbbraunen Flüssigkeit, das in Dosen
von 0,5 — 0,6 cm* Meerschweinchen nach 8 Tagen gegen die zehnfache Dosis
letalis schützte. Besonders interessant dabei ist, dass erstens diese Piasmine
sehr wenig toxisch sind, und dass die von ihnen verliehene Immunität
scheinbar eine echt baktericide ist; es ist nicht von der Hand zu weisen,
dass hier Stoffe aus der Zelle ausgepresst und wirksam sind, welche die Ent-
stehung von baktericiden Zwischenkörpem auslösen. Diese Frage ist prinzipiell
von großer Wichtigkeit und wird ans besonders beim Tuberkulin (siehe
dieses) beschäftigen. Für die Frage nach den Giften und Antitoxinen der
Cholera sind die BucHNBBSchen Piasmine nicht zu verwerten.
Es ist nicht ganz leicht, aus diesen scheinbar widersprechenden Ver-
Suchsresultaten ein geschlossenes Bild von der Art und Wirksamkeit
des Gholeragiftes zu entwerfen.
Dazu muss zunächst die Fragestellung im Sinne unserer theoretischen
Vorstellungen über die bakteriellen Toxine in anderer, schärferer Weise
präzisiert werden.
Es heißt nicht mehr: »Produzieren die Vibrionen ein lösliches
Gift, das choleraähnliche Erscheinungen auslöst«, sondern man muss
fragen, ob sie ein Toxin produzieren, das heißt ein Gift, das sich
spezifisch bindet und eventuell spezifische, antitoxische Immunität
erzeugt.
Wenn vrir die Frage so stellen, so scheint sich aus den Resultaten
mit einiger Wahrscheinlichkeit folgender Schluss ziehen zu lassen.
Die Vibrionen scheinen thatsächlich ein echtes Toxin zu produ-
zieren, das sehr empfindlich gegen alle Einflüsse ist und schon beim
Altem der Kulturen sich weiter umwandelt in noch näher zu unter-
suchender Weise. Jedoch zeigt dieses Toxin insofern eine wesentliche
Abweichung von dem Diphtherietypns, als es nicht wie die Toxine
dieser Art frei und £EU3t restlos von den Vibrionen sezerniert wird,
sondern intra vitam von ihnen energisch festgehalten zu werden scheint
Es liegen danach hier ganz ähnliche Eigentümlichkeiten vor, wie sie
sich bei den echten Fermenten finden. Während z. B. die Hefezelle nur
ein Enzym, die Hefendiastase sezerniert, enthält sie außerdem noch
andere, z. B. die Invertase und die Maltase, die aus der lebenden
Hefezelle nicht herausgehen, sondern erst nach dem Abtöten derselben
oder nach der Zerreißung ihrer Membran durch Glaspulver extrahier-
bar sind.
^) Hahn, ImmuniBierungs- u. Heilversuche mit den plasmat Zellsäftien u. s. w.
Münch. med. Woch., 1897, 1344.
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— 133 —
Außerdem enthält die Hefezelle noch die Zymase E. Büchners,
die erst nach einer ganz gewaltigen Einwirkung durch Zerreiben und
Auspressen mittelst hoher Drucke freigemacht werden kann.
Ganz ähnlich yerhält sich auch das invertierende Enzym der Monilia
Candida, das auch bei Toluolzusatz wirksam ist, aber bisher auf keine
Weise aus dem Zellleib des Pilzes herauszubringen ist^).
Dass auch gerade der Choleravibrio solche fest gebundenen, aber
doch durch eingreifende Mittel isolierbaren Fermente in sich birgt, haben
Geret und Hahn durch die Isolierung eines proteolytischen Fermentes
bewiesen. In ähnlicher Weise scheint nun auch das Toxin fest an
die lebende Zelle gebunden, ein Endotoxin im Sinne der Endoenzyme
zu sein. Nach dem Absterben derselben tritt es dagegen, zum Teil
wenigstens, gerade wie bei der Hefeninvertase in die Medien über, so
dass, wie Pfeiffer gezeigt hat, durch Thymol u. s. w. oder Austrocknen
getötete Kulturen ihre volle Giftigkeit kund geben ; dass das Toxin aber
beim Absterben der Vibrionen wirklich frei, in dem Medium gelöst
und difihindierbar wird, das zeigen wieder die Versuche von Metsch-
NiKOFF, Roüx & Taurelli-Salimbeni, dass sie aus den mit lebenden
Vibrionen beschickten EoUodiumsäckchen heraus ihre Giftwirkung ent-
falten. Denn zweifellos wird bei dieser Versuchsanordnung, dem üppigen
Wachstum auf beschränktem Nährboden, dem Neubildungsprozess von
Vibrionen ein Absterbungs- und Zerfallsprozess parallel gehen. Und
da nun hier das Toxin sofort nach dem Entstehen, geschützt vor jeder
schädlichen Einwirkung, seine Wirksamkeit auf den Organismus ent-
falten kann, so werden wir in diesem Fall eine Wirkung des primären,
echten Choleratoxins mit einiger Wahrscheinlichkeit annehmen können.
Wahrscheinlich wird dieses supponierte echte Toxin auch bei der wirk-
lichen Choleravergiftnng im lebenden Organismus wirksam sein. Und
dieses Toxin soll dementsprechend auch eine antitoxische Reaktion
im Organismus auslösen. Dass diese so geringftlgig ist, darf nicht
wundernehmen, denn erstens kann die Menge des so frei gewordenen
Toxins nur sehr gering sein, so dass ein hoher Immunisierungsgrad
nicht zu erwarten ist, und außerdem misst man diesen Grad der anti-
toxischen Wirkung dann an einem fertigen Gift; das sekundär verändert
ist, und wie wir unten sehen werden, wahrscheinlich viele Toxoüde ent-
hält, so dass die antitoxische Kraft des Serums dadurch als zu klein
erscheinen muss. Beim Absterben und Zerfallen geben also die Cho-
leravibrionen einen Teil ihres Endotoxins an die Medien ab; dass sie
aber einen anderen, größeren Teil auch dann noch festhalten, wie die
Hefe die Zjnmase, ist sehr wahrscheinlich.
1) Näheres über dieie »Endoenzyme« siehe in meinem Bache: »Die Fermente
und ihre Wirkungen«, II. Aufl., Leipzig 1903.
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— 134 —
Vielleicht gelingt es nach dem Verfahren von Conbadi^), das dieser
an Typhusbazillen erprobt hat, nämlich dnrch die aseptische
Autolyse, das primäre Gholeragift darzustellen.
Dieses primäre Gift, ein echtes Toxin, ist außerordentlich sensibel,
auch darin der Zymase gleichend, und deshalb nur unter so günstigen
Bedingungen in voller Wirksamkeit zu demonstrieren, wie es Mbtsch-
NiKOFF u. s. w. in dem oben geschilderten Versuche gethan haben.
Sonst entzieht es sich der Beobachtung: abgetötete Kulturen werden
nur noch sehr wenig davon enthalten, und so erklärt sich der Miss-
erfolg, es als chemischen Stoff zu isolieren und auch die nur geringe
Giftwirkung der mit toten Leibern beschickten Eollodiumsäckchen.
Mit der Schwächung der Vitalität der Zelle schwächt sich auch ihr
Gehalt an echtem Toxin sehr schnell, und so findet man denn in ab-
getöteten, oder in alten Kulturen fast nur noch jenes sekundäre,
hitzebeständige Gift, das die verschiedenen Autoren beschrieben
haben. Dies ist sicherlich kein echtes Toxin mehr, da es das Kochen
verträgt und relativ wenig giftig ist. Auch dieses Gift wird nur wenig
sezemiert, aber es ist wenigstens so beständig, dass man es wirklich
darstellen kann, getrennt von dem Zellleib der Vibrionen. Er hat eben,
falls noch eine geringe antitoxinbildende Kraft; es zeigt also alle
Charaktere, die den EHRLiCHschen Toxoiden zukommen: stark ver-
minderte Giftigkeit, größere Beständigkeit und Fähigkeit,
Antitoxin zu bilden und zu binden.
So können wir aus dem Gesagten mit einiger Wahrscheinlich-
keit den Schluss ziehen, dass der Choleravibrio primär ein echtes
Toxin und zwar ein der Hefeninvertase vergleichbares Endotoxin,
das er intra vitam kaum in die umgebenden Medien sezemiert, er-
zeugt, dass dieses Toxin außerordentlich labil ist und sehr leicht in
eine sekundäre toxo'idreiche Giftmischung übergeht.
Daneben ist es freilich sehr wahrscheinlich, dass auch der Cholera-
vibrio außer diesen, von ihm sehr widerwillig sezemierten Giften noch
in seinem Protoplasma, wie wohl alle Bakterien, ein einfaches, nicht
spezifisches Bakterienprote'in enthält, das entzündungserregend
wirkt, wie auch das z.B. des Diphtheriebacillus. Nur kann man
hier die enzymatischen Gifte nicht so quantitativ entfernen, wie bei der
Diphtherie, so dass eine objektive Entscheidung, ob hier neben den
spezifischen Giften noch ein solches giftiges Protein enthalten ist, schwer
zu erbringen ist.
Das Gholeraantitoxin.
Wir haben in dem eben Gesagten auseinandergesetzt, dass es wahr-
scheinlich ein in geringer Menge antitoxinerzeugendes Choleratoxin giebt
1) CoNRADi, Ueber lösliche, durch Antolyse erhaltene Giftstoffe. D. med.
Woch., 1903, Nr. 2.
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— 135 —
Freilieb ist der hierfUr ausschlaggebende Nacbweis, dass das Serum
der Versuebstiere eine antitoxiscb wirksame Substanz entbält, durch-
aus nicht einwandsfrei erbracht. Solange aber das Choleraantitoxin in
den Eörperflüssigkeiten nicht wirklich nachgewiesen ist, muss die ganze
Frage, ob der Vibrio Koch ein echtes Toxin produziert, als eine offene
angesehen werden.
Die Frage, ob das Serum der Versuchstiere antitoxische Immunität
verleiht, fällt nicht unbedingt mit der theoretisch allein wichtigen
zusammen, ob es nicht doch Antitoxin enthält. Dieses Antitoxin
könnte einerseits sehr unbeständig sein, es könnte andererseits bei seiner
geringen Menge und der großen Verdiinnung bei der Einflthrung in den
Tierkörper unwirksam sein. So sind die negativen Resultate, die
Pfeiffer, Kolle, Wassermann, Issaepf u. a. an Versuchstieren,
Lazarus^) an Cholerarekonvaleszenten erhielt, auch dann noch zu ver-
stehen, wenn es wirklich ein Choleraantitoxin giebt, wofür ein Beweis
bisher allerdings nicht erbracht ist
Das Typhusgift.
Fast genau dasselbe, wie beim Choleragift, hätten wir vom Typhus
zu berichten, nur ist das experimentelle Material hier weitaus geringer
und die Frage nach der Existenz eines Toxins und Antitoxins noch nicht
über die ersten Anfänge hinaus.
Sicher ist nur, dass der Typhus unter Umständen eine echte In-
toxikationskrankheit sein kann, dass also die Bakterien ein wirksames
Gift produzieren müssen. Andererseits ist es aber ebenso sicher, dass
die Immunität gegen Typhusbazillen im wesentlichen gerade wie bei
der Cholera nicht eine antitoxische, sondern eine baktericide ist,
und eine antitoxische Immunität, wenn überhaupt, nur in geringer Be-
deutung existiert.
Auch hier beginnt die Geschichte der Giftforschung mit den Arbeiten
BniEGEBS, der zuerst das Typhotoxin^j und späterhin sein Toxalbumin
darstellte.
Diese und ähnliche Präparate sind nicht das spezifische Typhnsgift.
Dagegen sind, wie zuerst Beümer & Peiper^], dann Chantemesse &
WiDAL*) fanden, die bei 100 bis 120° un Autoklaven sterilisierten Kul-
turen giftig, und zwar in der 5 — 6 fachen Dosis der lebenden; sie sind
um so giftiger, je älter sie sind.
1) Lazarus, Ueb. antitoxische WirkBamkeit des BlntBemms. Berl. klin. Woch.,
1892, 43/44.
^ Brieoer, Weiteres über Ptomaine. Berlin 1885.
3) Beümer & Peiper, Bakt Stud. üb. Typhusbaz. Z. f. Hyg., II, 110 (1887).
^) Chantemesse & Widal, L'immanit^ contre le virus de la fi^vre typhoide.
Ann. Fast, II, 1888, 54. — Der s., it. exp^rim. etc. de Tinfection typhiqne. Ibid.,
VI, 765 {1892).
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— 136 —
Lösliche Gifte haben Brieger, Kitasato & Wassermann (1. c.) durch
Erhitzen auf 80 — 90° und Fällen mit Alkohol erhalten, ebenso beim
Einengen der Kulturen bei 37° und Fällen mit Alkohol. Es wirkte
schwach toxisch und immunisierend. Filtrate erwiesen sich als absolut
unwirksam. SmonNiN^) erzielte ein spezifisch (?) wirksames Gift
durch Filtration, was von Pfeiffer & Kolle*) durchaus geleugnet
wird. Bitter 3) durch Extraktion mittels konz. Glycerins und Ein-
dampfen im Vacuum bei 36°.
Sanarblu^) hat sehr giftige Typhuskulturen, die mehrfach durch
intraperitoneale Einimpfung in Mäuse giftiger gemacht waren, auf Gly-
cerinbouillon einen Monat bei 37° gezüchtet und sterilisiert; aus ihnen
erhielt er durch mehrtägige Mazeration bei 60° ein sehr schwaches,
beim Meerschweinchen und Affen spezifisch auf die Schleimhäute
besonders des Darms wirksames lösliches Gift Die tödliche Dosis ftlr
Kaninchen betrug 10 cm^ pro kg. Die Erscheinungen boten aber
bei diesem Tier nichts Spezifisches.
Rodet '^j fand in filtrierten Typhuskulturen eine geringe Toxizität
mit Temperatursteigerung und lokalen Nekroseerscheinungen ; die Leiber
sollten kaum mehr giftig sein. Besonders wichtig sind die Angaben
von Chantemesse®), der auf einem Milzextrakt, der durch Pepsin
angedaut und wieder neutralisiert war, ein sehr energisch wirksames
Typhustoxin erhielt, das sich an der Luft schnell zersetzt. Auch hier
finden wir wieder dieselbe Angabe wie bei der Cholera, dass das Gift
bei 100° nicht völlig zerstört, d. h. also wohl in eine weniger giftige,
aber beständigere Modifikation übergefiihrt wird. Möglicherweise handelt
es sich auch hier um Toxolde.
Es bewirkt bei empftlnglichen Tieren Erschlaffung, Lähmungen, ferner
besonders bei intravenöser Injektion Pulsbesdüeunigung und Sinken des
Blutdruckes.
Per OS ist es unschädlich.
Hühner und Tauben sind fast refraktär, andere Tiere sehr verschieden
empfänglich. Kaninchen sind dreimal empfindlicher als Meerschweinchen.
Auch Martin^) fand in filtrierten Typhuskulturen lösliche Gift«; er
1) SmoTiNiN, Die üebertrag. von Typhusbazillen auf Versuchstiere. Z. f. Hyg.,
I, 465 (1886).
2) Pfeiffer & Rolle, Ueb. d. spez. Reaktion d. Typhusbasillen. Z. f. Hyg.,
21, 203 (1896).
8) Bitter, üeb. Festig, v. Versuchstieren geg, d. Intoxikation durch Typhus-
baziUen. Z. f. Hyg., XII, 298 (1892).
^) Sanarelli, :ätudeB sur la fiövre typhoide exp^rim. Ann. Fast., VIII, 193 (1894).
^) EoDET, Sur les propriet^s toxiques des cultures des baciUes d'Ebert. Soc.
Bio!., 50, 774 (1898).
0) Chantemessb, Toxine typhoide soluble. Frogr. m6d., 1898, 245. — Ders.,
Lösliches Typhustoxin. Wien. med. Blätter, 1898, 18flf.
7) Martin, Die ehem. Frod. path. Bakt. Wien. med. Blätter, 1898, Nr. 25£
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— 137 —
nimmt an, dass das in den Leibern haftende mit diesem identisch ist.
Er züchtet die Bazillen anf einer Alkalialbaminat enthaltenden Bouillon,
die er auch zum Teil ans Milzextrakten gewann.
Die Kollodiumsäckchenmethode ist mit sehr geringem Erfolg von
Rodet & Güächopp*) angewendet worden.
CoNBADi^) erhielt Typhusgift durch aseptische Autolyse der Ba-
zillen, indem er dieselben in 0,8 proz. Na Gl aufschwemmte und höchstens
48 St. in den Brutschrank stellte. Er gewann auf diese Weise ein ge-
löstes, zellfreies Gift, das in einer Dosis von 0,2 cm' ein Meerschwein-
chen in 24 St. tötete.
Diese Methode und auch die von Macfadten & Bowland ') bieten
ftlr die zukünftige Entwicklung großes Interesse. Macfadten zerreibt
die Bakterien bei der Temperatur der flüssigen Luft und erhält so
akut wirkende Gifte, die nach seiner vorläufigen Angabe auch anti-
toxische Immunität verleihen.
Ob nun diese löslichen Gifte echte Toxine resp. Toxoide sind, d. h.
ob sie Antitoxine im Körper bilden, ist noch zweifelhafter wie bei der
Cholera. Pfeiffer & Kolle leugnen die Sekretion eines frei gelösten
Toxins und die Antitoxinbildung völlig, Bitter nimmt eine geringe
Antitoxinerzeugung an. Dagegen fand Ghantemesse eine deutliche und
energische Antitoxinproduktion nach Injektion seines Typhustoxins,
speziell beim Pferde.
Wir haben also wie bei der Cholera ein sehr fest an die Bazillen-
leiber gebundenes Gift, das schwer herauszubringen ist Die theore-
tischen Vorstellungen müssen sich also mit allem Vorbehalt denen, die
wir beim Choleragift gegeben haben, nähern, dass also ein Typhus-
endotoxin vielleicht existiert, aber kaum frei sezemiert wird, und dass
die dargestellten Gifte stark veränderte sekundäre Gifte sind.
Bacterium coli.
Angaben, dass der Colibacillus ein Toxin produziert, sind scheinbar
nur die von Babba-Morrihy^), die mir nur in dem sehr kurzen Referat
zugänglich waren, wo über die Natur des Giftes gar nichts angegeben ist ;
und die von Rodet, der sie gleichzeitig auch beim Typhus fand
(s. dort). Nach den Angaben von Martin (1. c.) scheinen sich der
1) BoDET, A. & G. Gu^CHOFF, Versuche, die Methode der KoilodiomBäckchen
auf die Eenntnis der toxlBchen Produkte des Eberthschen BaciUaB und des B.
coli anzuwenden. Soc. Bio!., 52, 962, 966 (1900).
3) GoNRADi, Ueber IMiche, dnrch aseptische Autolyse erhaltene Giftstoffe. D.
med. Woch., 1903, Nr. 2.
3) Macfadten & Bowlakd, An intracellolar toxin of the typhoid-baciUoB.
Proc. Boy. Soc, 71, 77 (1902), femer C. f. Bakt, 34, 618 (1903).
*) Barba-Mobriht, Baurogartens Jb., 1897, 4ßß,
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Colibacillus und ebenso der BacilluB enteritidis Gärtner in ihrer
Giftproduktion ganz analog dem Typhasbacillas zn erhalten.
Aus dem Zellkörper erhielt durch Erhitzen mit 1 ^ HjS04 Vaughan^)
einen giftigen Stoff, der aber jedenfalls kein Toxin ist
üeber das Colilysin s. o.
Euhr.
Die Methode der aseptischen Autolyse hat Conradi (1. c.) die
Darstellung eines löslichen Rnhrgiftes ermöglicht.
Durch 18 sttindige Autolyse erhielt er Gifte, die zu 0,1 cm^ intravenös
große Kaninchen töteten.
Es trat heftiger Durchfall ein, dann Kollaps, Lähmungen, Temperatur-
abfall u. s. w.
Bei chronischer Vergiftung durch kleinere Dosen traten auch Darm-
geschwüre und das ganze pathologisch-anatomische Bild der Ruhr auf.
Das Festtozin.
Auch der Pestbacillus bildet lösliche Gifte, deren Zugehörigkeit zu
den echten Toxinen noch zweifelhaft, aber wahrscheinlich ist.
Die Filtrate ganz junger Kulturen sind nach den übereinstimmenden
Angaben der Deutschen Kommission 2), Webnicke'), Albrecht &
Ghon*) ohne toxische Wirkung.
Dagegen tritt bei älteren Kulturen (schon vom fünften Tage ab)
Giftwirkung auf, die mit dem Alter zunimmt. Der Tod erfolgt unter Ab-
magerung und Degenerationserscheinungen an der Leber, sowie Herz-
schwäche. Am ausführlichsten hat Markl das Pesttoxin untersucht
Mabkl^) fand zunächst auch mit Chloroform abgetötete Bazillenleiber
sehr toxisch, ging dann aber dazu über, Filtrate von Bouillonkulturen
zu verwenden, die sich sämtlich als giftig erwiesen.
Die Giftigkeit war besonders in alten Kulturen eine hochgradige,
wenn dieselben bei niederer Temperatur gewachsen waren (ca. 20°), und
nahm bis ungefähr zum zweiten Monat zu, um dann nicht mehr zu
steigen, dann abzunehmen, bis schließlich das Toxin verschwindet Sehr
nötig ist reichliche Lüftung der Kulturen.
Bruttemperatur wirkt schädlich auf die Toxine.
Die Dosis letalis der wirksamsten Gifte betrug für Mäuse 0,006—
0,01 cm»; für Ratten ca. 0,1 cm».
^) VauohaN) The intracellnlar tozins of some of the pathogenic baet Joum.
Amer. med. asBOC., 1903, p. 828. Bloch. Gentr., I, Nr. 1056.
3) Bericht der deutschen Pest-Comm. Arb. Kais. Ges.-Amt, 16 (1899).
3) Webmicke, Ueb. Immun. Vera. b. d. Benlenpest C. f. Bakt, 24 (1898).
4) Albrecht & Ghon, Bakt Unters, ttb. d. Pestbao. Wiener Akad., 66 (1898).
^) Markl, Beitrag z. Kenntnis der Pesttoxine. 0. f. Bakt, 24, Nr. 18/20, 1898.
(Utteratnr). — Ders., Weit. Unters, üb. Pesttoxine. Z. f. Hyg., 37, 401 (1901).
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Bei diesen Tieren verläuft die Vergiftung schnell unter EoUapser-
seheinungen ohne anatomischen Beftind, außer fettiger Metamorphose der
Leber; bei Kaninchen und Meerschweinchen verläuft sie nur bei sehr
großen Dosen ähnlich, sonst mehr protrahiert, in mehreren Wochen; es
bildet sich zuweilen ein Milztumor und Pigmentatrophie der Leber aus.
Bei einer Katze beobachtete er neben Marasmus Ausfallen der Haare
und ausgedehnte Hautnekrosen. Bei Meerschweinchen Schüttelfrost und
enormes Sinken der Temperatur (25°).
Das Gift ist sehr empfindlich. Schon bei gewöhnlicher Temperatur
verlieren die Lösungen schnell an Giftwert, rascher bei hoher Sommer-
temperatur (25°), sofort bei 70°. Zwar bleiben die so erhitzten Filtrate
für Meerschweinchen und Kaninchen in großen Dosen toxisch, doch in
ganz anderer Weise, wohl durch Toxoi'dbildung.
Markl hat auch versucht, das Pesttoxin zu reinigen, doch sind seine
Versuche (Alkoholfällung) nicht über die allerersten Anfänge hinaus-
gelangt. Er fand, dass es, wie alle echten Toxine, an den Eiweißstofifen
hängt.
Es dürfte sich hauptsächlich um sekundäre Gifte handeln, welche in
solchen alten Kulturen vorhanden sind. Sie zeigen eine wenn auch
geringe Antitoxinbildung.
Auch KossEL & VERBECK 1) konnten mit Kulturfiltraten, die auf 60°
erwärmt waren, eine Immunität erzielen.
Das Fneumotoxin.
Sehr ähnlich, wie bei Cholera und Typhus, scheinen die Dinge bei
dem Pneumococcus , dem Erreger der krupösen Pneumonie zu liegen.
Die ersten wichtigen Versuche, uns über das Gift dieses Diplococcus
zu informieren, haben die Gebrüder Klemperer^) angestellt.
Sie haben zwar auch mit abgeschwächten oder getöteten Kulturen,
die aber die Leiber der Kokken noch enthielten, experimentiert, um
Immunität zu erzielen; sie haben aber auch keimfreie Lösungen dazu
benutzt.
Dazu dienten ihnen einerseits einfache Kulturfiltrate, femer aber auch
ein eitriges Pleuraexsudat, das durch den Pneumococcus veranlasst, aber
bei der Aussaat keimfrei war, sowie erhitztes pneumonisches Sputum
und Glycerinextrakte von Agarkulturen , die keimfrei filtriert wurden.
Sie erhielten dabei ziemlich schwach wirksame Giftstofife, die keine
spezifische Wirksamkeit ausübten; durch Erwärmen auf 60° konnten
1] KossEL & OvERBECK, BaktOF. Unters, über Pest. Arb. Eaiserl. Ges.- Amt,
18 (1901).
^ G. & F. EIlempeber, Vers, über Immanisiening n. Heilung bei der Pneumo-
kokkeninfektion. BerL klin. Woch., 1891, Nr. 34/35. — G. Elemperer, Die Bezieh,
versch. Bakteriengifte z. Immunität n. Heilnng. Z. f. klin. Med., 20, 165 (1892).
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— 140 —
sie die Giftigkeit fast ganz beseitigen, ohne die immunisierende Kraft
aufznheben ; das Serum der Versuchstiere enthielt ein spezifisches Anti-
toxin, das in vitro und bei vorheriger Injektion das gelöste Gift paraly-
sierte. Toxizität und Antitoxinbildung bleiben freilich in geringen Grenzen.
Ganz ähnlich sind die fast gleichzeitigen Resultate von Foa & Cab-
BONE^) ond ScABiA^), die ebenfalls mit keimfreien Filtraten und mit
Glycerinextrakten des pneumonischen Blutes antitoxische Immunität er-
zeugen konnten. Auch Belpanti*) erzielte mit keimfrei filtriertem Aus-
wurf eine freilich sehr geringe Immunität.
Fol gelang es auch, durch Fällung mit Alkohol oder mit Ammon-
sulfat das immunisierende Prinzip abzuscheiden.
Pake 4) fand die filtrierten Kulturen sehr schwach giftig. Wash-
BOURN ^) giebt an, dass er mit filtrierten Kulturen ebenfalls immunisieren
konnte.
Isaepp «) fand, dass Pneumokokken auf den gewöhnlichen Nährböden
nur wenig toxische Produkte bilden, wohl aber kann durch häufige,
mindestens zwölftnalige, Passagen durch Kaninchen die Toxizität be-
trächtlich erhöht werden. Aus dem Herzblut solcher Kaninchen erhielt
er durch Zusatz von 1 % Glycerin und etwas Natriumkarbonat und Fil-
tration durch CHAMBERLAND-Filter ein Gift, das zu 1^ des Körperge-
wichtes Kaninchen tötet, bei 70° stark geschwächt, bei 100° vernichtet
wird. Durch Erhitzen sterilisierte Peritonealflttssigkeit solcher Tiere
wirkt stark toxisch^ aber nicht tödlich. Obwohl auch er durch keim-
freie Filtrate etwas Immunität erzielte, giebt er doch an, dass er absolut
keine antitoxische Immunität beobachten konnte, sondern ausschließ-
lich eine antibakterielle.
Mennes^) erhielt Toxine, die in großen Dosen unter Fieber, Diarrhöen
und Gewichtsabnahme zum Tode ftlhrten; durch Einimpfung von bei
56° geschwächten Kulturen vnll er eine antitoxische Immunität erzielt
haben; das Serum soll in vitro das Toxin neutralisieren.
Caenot®) konnte durch intrapulmonale Injektion von 2 — 6 Tropfen
Pneumotoxins eine typische krupöse Pneumonie um die Injektions-
1) FoA & Carbonb, SoUa immunitä verso il diplococco pneumonico. Gazz. med.
di Torino, 1891, 1. (C. f. Bakt, X, 768.)
2} FoA & ScABiA, Sulla immnnit& della puhnonite. Ibid., 1S92, 13/15. C. f. Bakt,
XI, 616.
3) Belfakti, Sulla immuniBazione per mezzo di filtrati di spnto pneamonico.
Rif. med., 1892, 126. C f. Bakt, XII, 401.
4) Pake, üeber d. Heilkraft d. antipneumon. Serums. C. f. Bakt., 21, 664 1897}.
&) Washbourn, Experiments with the pnenmococcnB. Joum. of path., III, 142.
Banmg. Jahresb., 1895, 62.
6) IssAEFP, L'immnnit^ contra le pneumocoqne. Ann. Fast., VII, 259 (1893.
"7) Menkes, Das Antipneumokokkeniernm. Z. f. Hyg., 25, 413 (1897).
8) Carnot, Reprod. exp^rim. de la pneumonie fibiinense. Soc. Biol., 51, 927
(1899).
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— 141 —
stelle erzeugen. Carnot & Foubnier^) konDten Pneumokokken lange
lebend and virulent erhalten, wenn sie als Nährboden Blut, Serum, oder
noch besser frische Gehimsubstanz, weniger gut daraus hergestellte
sterilisierte Nährböden verwendeten. Sie ließen die gebildeten Toxine
sofort abdialysieren, und bekamen so toxische Dialysate, die sie durch
Einengen im Vacuum oder durch Ausfällen mittelst Calciumphosphat
in statu nascendi konzentrierten. Die Erscheinungen waren der Ver-
giftung mit lebenden Kokken ähnlich. Dieselben >) fanden bei ihrem
Gift eine sehr intensive Wirkung auf die Muskulatur des Herzens und
der Gefäße; es treten schon nach kleinen Dosen sehr intensive Ent-
zündungen und Rupturen auf
Nach alledem ist die Existaiz eines sezemierten echten Pneumotoxins
nicht sicher festgestellt.
Das Qonokokkengifk.
Auch der Gonococcus erzeugt ein Gift, das sich an die Gruppe
der Cholera-Typhusgifte insofern anzuschließen scheint, als es nur wenig
in die Eulturflttssigkeiten übergeht, vielmehr im wesentlichen an die
Zellen gebunden bleibt, und wahrscheinlich erst bei ihrem Zerfall in
geringer Menge in die flüssigen Medien gelangt. Die ersten Mitteilungen
über dieses Gift machte A. Wassermann ^j.
Es gelang ihm, die Gonokokken auf einem Nährboden zu züchten,
der Peptone und Serumalbumin als notwendige Bestandteile enthielt,
und den er unter Zusatz von 2 ^ Nutrose aus Schweineserum herstellte.
Während er nun konstatierte, dass der lebende Gonococcus, in phy-
siologischer Kochsalzlösung aufgeschwemmt, gar keine Virulenz für die
Versuchstiere besitzt, zeigte die sterilisierte Kultur eine ziemlich ener-
gische Giftwirkung, die bei intraperitonealer Einverleibung die Tiere
durch Peritonitis tötete, aber auch z. B. an den Augen Hypopyonkera-
titis u. s. w. erzeugte.
Das Filtrat soll sehr wenig toxisch sein. Man nimmt daher an, dass
das Gift ganz analog wie bei der Cholera sich in den Leibern vorfindet.
Auch die Resistenz gegen Erhitzen, selbst zum Sieden teilt es mit
den sogenannten Choleragiften.
Ganz ähnliche Befunde erhob unabhängig von Wassermann Nico-
LAYSEN'^), der durch sterilisierte, nicht filtrierte Kulturen eine purulente
Gonitis bei den Versuchstieren erzeugen konnte.
1) Gabnot & Fourmier, Sor le pneomocoque et ses toxines. Aroh. m^d. exp6r.,
1900, 357.
2] Carnot & Fournier, L^bIoiib oardiaques et moBcalaireB par la toxine
pnenmon. Soc. BioL, 52, 143 (1900).
3) A. Wassermann, Gonokokkenkoltur und Gonokokkengift Berl. klin. Woch.,
1897, 685. — Weitere Mitteilongen über do. Z. t Hyg., 27, 298 (1896).
4) Nicolatsen, Zur Pathogenität und Giftigkeit der Gonokokken. C. f. Bakt,
22, 305 (1897).
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— 142 —
Er fand die tödliche Dosis fttr die Maus zu 0,3 cm'. Aach er ist
der Ansicht, dass das Gift in den Leibern festsitzt. Er konnte es durch
Auslaugnng mittelst destilliertem Wasser oder schwacher Natronlauge
nicht daraus extrahieren.
Fast gleichzeitig gelang es Schäffer^) aus einer viertägigen, auf
Ascites-Fleischwasser gezüchteten Kultur ein Gift zu gewinnen, das
nach Filtration durch Porzellanfilter auf der ürethralschleimhaut
heftige eitrige Entzündungen erzeugt, die schnell vorübergehen. Zu der-
selben Zeit hat sich Chmstmas*) mit der Frage des Gonotoxins be-
schäftigt. Er gewann aus 10—15 Tage alten Ascites-Bouillonkulturen
durch keimfreie Filtration ein Gift, das er durch Ausfällen mit Alkohol
konzentrieren konnte. Auch durch Eindampfen der Kultur mit Glycerin
bei 50° gewann er ein Gift.
Es ist bei 50—70° beständig, und lässt sich im Dunklen durch
6 Monate lang aufbewahren. Es wirkt heftig toxisch auf Versuchstiere,
indem es außer lokaler Entzündungserregung durch Kachexieen zum Tode
ftlhrt. Auf die ürethralschleimhaut wirkt es nur beim Menschen.
Christmas 3) hat später die Frage von neuem aufgenommen. Die
lebenden Gonokokken enthalten Gift, dagegen liefern die toten Leiber
bei der Mazeration bei 20° kein Gift. Er züchtete die Gonokokken auf
einem Nährboden von 75 ^ Ascites und 25 % Bouillon. Dann filtriert
er durch Talk auf Filtern oder durch Infusorienerde, da Porzellanfilter
das Gift zurückhalten. Am 20. Tage ist das Maximum der Giftigkeit
erreicht. Er fällt dann mit Alkohol oder Ammonsulfat. Dialysiert man
darauf, so nimmt zwar die Vergiftung andere Formen an, aber die letale
Dosis bleibt unverändert.
Das Gift wird bei 75—80° völlig zerstört, erträgt dagegen 60°
Seine Wirkung ist subkutan recht schwach. Die letale Dosis ist
für Meerschweinchen 5—10 cm^. Dagegen wirkt es, intercerebral ein-
geführt, sehr energisch, erzeugt Krämpfe und Dyspnoe und tötet bereits
in einer Dosis von 0,002 cm^ ein Meerschweinchen in 6 Stunden.
Intercerebral wirkt es angeblich kräftig immunisierend, bis zu
einer hundertfachen Giftfestigkeit, subkutan sehr viel schlechter. Diese
antitoxische Immunität ist von den anderen Untersuchem völlig
vermisst worden.
Moltschanoff ^) gewann ein Toxin auf Hydrocelenflüssigkeit und
Hefepeptonbouillon. Er arbeitete mit nicht filtrierten Kulturen, die er
bei 70° sterilisierte. Er hat besonders die Wirkungen des Giftes auf
1) ScHÄFFER, Beitr. z. Frage d. Gonokokkentoxine. Fortachr. d. Med., 1897, 813.
2) Christmas, Le Gonocoque et ses toxines. Ann. Fast, XI, 609 (1897).
3) Christmas, Contrib. k Tötude du Gonococcuß. Ann. Fast, XIV, 331 (1900).
^) MoLTSCHANOFF, üebsr das Gonokokkentoxin und seine Wirkung auf das
Centralnervensystem. Münch. med. Woch., 1899, 1013.
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— 143 —
das Zentralnervensystem untersucht, worauf ich hier nicht näher
eingehen kann.
Grosz & Kraus 1) und Scholtz^) leugnen überhaupt die Spezifizität
des Gonotoxins, sprechen es yielmehr einfach als nicht spezifisches, eiter-
erregendes BakterienproteKn an; zum mindesten soll die Urethritis
Schaffers auch durch lebende oder tote Leiber anderer Bakterien
(Pyocyaneus, Coli u. s. w.) entstehen.
Es gelten demnach ftlr das Gonokokkengift wiederum dieselben Er-
wägungen. Die Existenz eines spezifischen antitoxinbildenden Gono-
toxins ist nicht erwiesen.
Das Streptotoxin.
Dieselben Unklarheiten wie bei dem Gonotoxin treten uns auch bei
den Stoffwechselprodukten der Streptokokken entgegen; die Existenz
eines echten, antitoxinbildenden Toxins ist auch hier noch nicht zur Evi-
denz nachgewiesen.
Einige Autoren leugnen überhaupt jede Bildung eines spezifischen
Giftes durch die Streptokokken.
Aronson^) fand nicht nur die sterilen Filtrate von Streptokokken-
kulturen ohne toxische Wirkung, sondern er konnte auch in den durch
Chloroform getöteten, sedimentierten Leibern der Kokken keine Gifte
nachweisen ; nur lokale Infiltrate waren das Ergebnis seiner Impftmgen.
Auch DE GiAXA & Pane^) leugnen die Existenz eines Streptokokken-
giftes vollkommen.
Indessen haben doch eine so große Anzahl von Untersuchen! wenig-
stens Gifte in den Streptokokkenkulturen geftmden, dass man diese
radikale Anschauung doch nicht ohne weiteres acceptieren kann.
Eins der allerersten Gifte überhaupt, das in filtrierten Kulturen
sich demonstrieren ließ, fanden Manfredi & Traversa^} in Erysipel-
Streptokokkenkulturen , am besten bei 28—30®. Sie beschreiben es
als ein leicht oxydables, an der Luft bald verschwindendes Gift, das
Krämpfe und Lähmungen erzeugte. Ebenfalls giftige Streptokokken-
stoffwechselprodukte in filtrierten Kulturen fanden Roger«), Marmo-
1) Grosz & Kraus, Bakteriol. Stadien über den GonococonB. Arch. f. DermatoL,
49, 3 (1^.
^ ScHOLTZ, Beitr. z. Biologie d. Gonococcns. Arch. f. Dermatol., 49, 3 (1899).
^ Arokson, Ueber AntiBtreptokokkensemm. Berl. klin. Woch., 1896, 717.
*) DE GiAZA & Pake, Gontribnto alle cognizione Bnlla immnniB. contra la infez.
da Btreptococco. Riform. med., 12, 4, p. 5 (Baumgart Jb. , 1896, 23).
5) ^Manfbedi&Trayebsa, Soll* azione dei prodotti di cnltnra dello Btrepto-
cocco. Giom. intern, delle Bcienze mediche, 1888.
^ Roger, Action des prodnits solnbles du Btreptocoqne d'eryBipöle. Soc.
Bio!., 43, 638 (1891).
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— 144 —
BEKi), HoMÄN^), Friedrich 3), Laitinen^), Claude*), Parascandalo«),
Schenk 7).
lieber die Art des Giftes aber ist noch so gut wie nichts bekannt
Roger hat sein Gift aus den Kulturen mit dem zehnfachen Volum Alko-
hol gefällt, dann in Kochsalzlösung wieder gelöst, nnd in diesem alko-
holunlöslichen Präparat die typischen Allgemeinwirkungen der lebenden
Kulturen wiederfinden wollen; doch war sein »Gift« sehr wenig toxisch
(13— 20 cm 3 pro kg Körpergewicht!), bei 104° wurde es nur sehr ge-
schwächt, aber nicht vernichtet.
Die meisten aber haben sich einfach begnügt, die Toxizität an fil-
trierten Kulturen oder nach Sterilisierung bei 65—70° oder mit
0,5^ Karbol zu untersuchen.
Nur Schenk (1. c.) hat sich bemüht, durch Ausfällen mit Zinkchlorid
(Iproz. Lösung) und Verarbeiten nach Brieger zu einem reineren Prä-
parate zu gelangen.
Marmorek giebt an, dass das Toxin schon bei 58° geschwächt wird.
Die Hauptfrage aber besonders, ob das so erzeugte Gift, das supponierte
Toxin eine antitoxische Immunität gegen den Streptococcus bewirkt, ist
noch gar nicht sicher entschieden.
Roger (1. c.) fand, dass sein Gift nicht nur keine Immunität bewirkt,
sondern sogar die Empfänglichkeit gegen die Infektion erhöht
SiEBER-ScHOüMOWA») hat mit filtrierten Kulturen keine Immunität
erzielen können.
Dagegen konnte Laitinen (1. c.) aus seinen Streptokokkenkulturen
auf einer 5proz. Pepton-Bouillon, die er noch mit 2^ Glycerin und
0,3^ Kochsalz versetzte, und die eine Alkalinität von 2— 20%q haben
muss, duch Ammonsulfat oder Amylalkohol Toxinpräparate gewinnen,
die intraperitoneal zu 0,1 — 0,4, in die Nerven direkt eingespritzt schon
zu 0,01 große Kaninchen töteten, und die eine gewisse Immunität gegen
eine Infektion gewährten.
Mit besonderem Nachdruck aber betont Parascandalo (1. c), dass
1) Marmobbk, Le streptocoqae et le B^nim antiBtreptoooecique. Ann. Fast,
IX, Ö93 (18%).
2) HoM^N, De Taction da streptocoqae et de ses toxines aar les nerft. Sem.
m6d., 1896, 211. (Soc. Biol, 1896, 23. V.)
^ Friedrich, Beobacht üb. d. Wirkang von sabkatan einverleibten Strepto-
kokken-Toxinen a. 8. w. Berl. klin. Woch., 1895, 1065.
4) Laitikex, Das Streptokokkentoxin a. seine Wirkang auf das Nervensystem.
C. f. allg. Pathol, 1896, 368.
5) Claude, Myelite aYgae par toxines streptocoq. Soo. Biol., 48, 122 (1896).
^ Parascandalo, E. neae Versaohsreihe ttb. d. Serotherapie bei Infektionen
mit pyogenen Mikroorg. Wiener klin. Woch., 1897, 861.
T) Schenk, Ueb. Streptok.-Seram and Streptok.-Toxine. Wien. klin. Woch.,
1897, 937.
S) Sieber -ScHOUMOWA, Les s^rams th^rapeatiqaes antioocciqaes. Arch. des
Sciences biol., IV (1896), 416.
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— 145 —
man mit löslichen Toxinen am allerbesten gegen Streptokokken immu-
nisieren könne.
Er zttchtet sie auf Znckerbonillon, und sterilisiert erst mit 0,5^ Karbol-
Zusatz, um dann naob 24 Stunden durch Papier zu filtrieren. Er hatte näm-
lich gefanden, dass das einfache Filtrieren durch Porzellanfilter nicht alle
lebenden Keime entfernt, ebensowenig das Erwärmen auf 60 — 70°. Erwärmt
man aber höher, wird das Toxin geschädigt. Indem er erst die Filtrate junger,
noch wenig toxischer Kulturen einimpfte, konnte er die Versuchstiere all-
mählich auch gegen große Dosen alter, sehr giftiger Kulturen immunisieren,
und erhielt auch auf diese Weise ein wirksames Heilserum.
Doch sind auch seine Resultate schon deshalb zweifelhaft, weil
Schenk (1. c.) fand, dass 0,5 % Karbol auch nicht hinreicht, um alle
Keime zu töten. Er fand zwar die Kulturen dann steril, doch im Herz-
blut der vergifteten Tiere einzelne lebende Keime, so dass es sehr
möglich ist, dass Parascandalo mit vereinzelten, abgeschwächten, aber
doch lebenden Erregem immunisiert hat. Auch das Streptotoxin ist
also bisher nicht nachgewiesen, die Diuge liegen ganz ähnlich wie beim
Gonotoxin.
Die Qifte des Taberkelbacillos.
Die giftigen StoflFe, die der Tuberkelbacillus produziert, verlangen
eine gesonderte Besprechung, und zwar aus folgendem Grunde : Bei den
anderen giffcproduzierenden Bakterien sind die echten Toxine resp. die-
jenigen spezifischen Gifte, die man mit mehr oder minder großer Sicher-
heit als toxinähnliche zu bezeichnen in der Lage ist, einer gesonderten
Besprechung zugänglich und von den nach Abzug dieser produzierten
Gifte im Bazillenleib selbst zurückbleibenden sog. Bakterienprote-
i'nen im weiteren Sinne zu scheiden. Diese scharfe Trennung ist aus
historischen Gründen bei der Tuberkulose nicht angängig, denn seitdem
man sich ernstlich mit den Giften des Tuberkelbacillus beschäftigt, hat
man fast stets diese beiden Arten von Giften, ohne sie zu trennen,
untersucht.
Die ersten Tuberkelgiftpräparate, so vor allem das Tuberkulin von
R. Koch waren also Gemenge aller spezifischen und unspezifischen
Giftstoffe dieses Bakteriums, und die Frage nach der Existenz eines
echten Toxins wurde gar nicht geprüft. In jener Zeit war auch eine
derartig präzise Fragestellung noch gar nicht möglich, da die Definition
des echten Toxins und der mit ihm zusammenhängenden echten anti-
toxischen Immunität noch nicht in genügender Schärfe gegeben war.
Diese Giftpräparate bestehen also zum Teil aus den mehr oder
weniger veränderten Stoffen des Zellleibes selbst.
Daneben enthalten sie indessen wohl noch andere Giftstoffe, die man
zum Teil vielleicht als primäre Sekretionsprodukte, eventuell als echte
Toxine aufzufassen hätte, zum Teil als sekundäre Produkte einfacherer
Natur, die uns ebenfalls später beschäftigen werden.
Oppenheimer, Toxine and Antitoxine. 10
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— 146 —
Hier soll zunächst die Frage geprüft werden, ob es ein echtes
Tuberkulosetoxin giebt.
Bis auf die jüngste Zeit waren es eigentlich nur die von Maragli-
ANO 1) dargestellten Präparate, die nach dieser Richtung Prüfung fanden.
Er erhielt durch keimfreie Filtration von frischen bei Zimmertemperatur
gewachsenen Kulturen eine giftige Bouillon, die in großen Dosen unter
Hypothermie und Schweißerregung durch Kollaps tötete. Bei 100° wird
das Gift zerstört. In analoger Weise erhielt Bernheim 2) ähnliche ge-
ringfügige Resultate in durch KiTASATO-Filter filtrierten Kulturen.
Maragliano und seine Schüler erhielten auch Heilsera und Anti-
toxine gegen die Tuberkulose, doch nimmt er selbst an, dass das Anti-
toxin nicht direkt auf das »Toxin« neutralisierend wirkt, sondern nur
als Stimulans anderer Heilkräfte, womit sein »Antitoxin« für uns jedes
Interesse verliert.
Diese Versuche schienen von großer Wichtigkeit und wurden nament-
lich ihre Resultate in therapeutischer Beziehung sehr eingehend geprüft,
ohne dass man wesentlichen Erfolg davon gesehen hätte. Aber die
Toxinfrage selbst wurde wenig dadurch gefördert.
Außerdem fanden Ledoux & Lebard ^) in ihren Kulturen nach Filtration
durch CHAMBERLAND-Filter zwar Stoffe, die bei intraperitonealer Einverleibung
pyrogen und toxisch, zumal bei tuberkulösen Meerschweinchen, wirkten, jedoch
so schwach, dass sie die Wirkungen ausschließlich auf das Kulturmedium
zurückführen wollten.
Nun liegt aus neuerer Zeit eine Arbeit von Frenkel & Bronstein^)
vor, die sich mit dem Tuberkulosetoxin befasst. Sie züchten Tuberkel-
bazillen auf einer fünfprozentigen Glycerinbouillon und erhalten durch
keimfreie Filtration eine Giftlösung, von der 1,5 — 2 cm^ ein Meer-
schweinchen nach wenigen Tagen töten.
Das Gift wird durch Licht und Luft schnell geschwächt. Sie erhielten
es durch Alkoholfällung in konzentriertem Zustande.
Durch Impfung mit diesem Gift wollen sie eine Immunität erzielt
haben, und zwar wieder gegen alle Tuberkelgifte, auch gegen die
Proteine.
Gegen die Ergebnisse dieser Arbeiten macht vor allem der Umstand
skeptisch, dass die Filtrate der Kulturen so wenig giftig wirken. Im
wesentlichen hatten die Autoren doch nichts weiteres, als das Tuber-
1) Maragliano, Heilang d. Liingentnberkiilose durch HeilBernmtherapie. Berl.
klin. Woch., 1895, 689. — DeiB., üeber das tuberkulöse Heilserum u. seine Anti-
toxine. Ebd., 1896, 773. — Ders., üeb. d. Tuberkelantitoxin. Malys Jb., 1900, 1044.
2) Bernheim, Immun, tuberc. et sörumth^rapie. See. Biol., 48, 291 (1896).
s) Ledoux & Lebakd, De raction sur la temp^r. du bouillon des cultures
tubero. Arch. d. m6d. exp6r., X, 601 (1898).
^) Frenkel & Bronstein, lieber Tuberkulosetoxin und Antitoxine. Berl. klin.
Woch., 1901, 861.
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— 147 —
knlin vor sich, das aber ziemlich giftig ist bei gleicher Anwendnngs-
weise. Keiner der Autoren hat geprüft, ob man ein spezifisches Toxin
vor sich hat, das im Organismas ein Antitoxin erzeugt, und zwar nur
gegen das Toxin selbst. Eine antitoxische Immunität gegen die Proteine
ist a priori kaum denkbar, kann aber jedenfalls nicht durch das suppo^
nierte echte Toxin erzeugt werden, und gerade diese Omnipotenz der
»Antikörper« dieser Heilsera macht gegen die Richtigkeit der Befunde
überhaupt die schwersten Zweifel rege. Es ist zweifellos durch diese
Arbeiten die Existenz eines echten haptophoren Toxins des Tuberkel-
bacillus nicht erwiesen.
Im Gegenteil gewinnt es immer mehr den Anschein, als ob die
Tuberkelbazillen ein wahrhaftes echtes Toxin im Sinne unserer Defini-
tion überhaupt nicht erzeugen. Infolgedessen können wir das Thema
der Tuberkelgifte trotz seiner an sich sehr großen Wichtigkeit an dieser
Stelle nur sehr kurz behandeln.
Das Tuberkulin.
Unter diesem Namen fasst man Präparate verschiedener Art zu-
sammen, deren gemeinsame Eigentümlichkeit es ist, dass sie aus Kulturen
der Tuberkelbazillen gewonnen sind, und deren Leibessubstanz in wenig
verändertem Zustande enthalten.
Diese Stoffe sind wahrscheinlich zum größten Teil keine echten
Toxine. Es sind nach der Art ihrer Darstellung hitzebeständige Eiweiß-
stoffe, den Albumosen sehr nahestehend, die vielleicht eine irgendwie
spezifische physiologische Wirksamkeit besitzen. Ihre chemische Natur und
ihre Beziehungen zu den Albumosen sind eingehend von Kühne ^) unter-
sucht worden. Für den gesunden Organismus sind sie sehr wenig toxisch ;
dagegen erzeugen sie beträchtliche Reaktionen im tuberkulös erkrankten.
Das alte Tuberkulin von Robert Koch wird hergestellt ans einer
Kultur von Tuberkelbazillen bei möglichstem Luftzutritt und 38°, (Ober-
flächenkultur) , auf 4proz. Glycerinbouillon, die nach 6 — 8 Wochen auf
i/io ihres Volums eingedampft, und durch Thonfilter filtriert wird. Der
so hergestellte 40 ^ Glycerin enthaltende Extrakt ist sehr beständig.
Auf eine weitere Reinigung hat Koch nach vielen frachtlosen Versuchen
verzichtet. Sein Verfahren ist mannigfach modifiziert worden. Nocabd^) er-
hitzte die Kultaren erst auf 110°, um sie dami in derselben Weise weiter zu
behandeln; er begnügt sich mit Papierfiltration, da seine Präparate naturgemäß
i) Kühne, Erfahrongen über Albumosen u. Peptone. Z. f. BioL, 29, 24 (1892),
30, 220 (1894).
^ R. Koch, Mitt. über ein Heilmittel gegen Tnberk. Deutsche med. Woch.,
1891, 101, 1189.
3) NocAKD, Des injections rev^latrioes de la tnbercoline. Recneuil de m^d.
v6ter., 72, 369. Baumg. Jb., 1895, 706.
10*
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— 148 —
schon steril sind. Makagliano^) nnd nach ihm Fseneel & Bronstein (L c.)
benutzten Kochen mit Wasser, eventnell im Autoklaven, zur Darstellung ihrer
dem Tuberkulin sehr ähnlichen Präparate.
Behring^] hat aus dem Tuberkulin durch Sodalösung einen mucin-
ähnlichen Stoff, durch Aether Fette extrahiert; dadurch hat er angeblich
ein etwa 20mal giftigeres Präparat erhalten.
Auch Niemann ^) hat sich, freilich ohne besonderen Erfolg, bemtiht, hoch-
wertige Tuberkulinpräparate durch AlkoholfäUung zu gewinnen.
Ueber den Giftwert dieser Präparate haben außer diesen Autoren
noch Gramatschikoff*) gearbeitet, der das Tuberkulin als Blutgift
nachweist, und v. Lingelsheim*), der vorschlägt, durch intercerebrale
Injektionen eine Normaleinheit der Giftwirkung zu erzielen.
Carriäre«) hat nach Tuberkulinii\jektion ziemlich wesentliche Ver-
änderungen der Leber und der Nieren gefunden.
E p ER^) fand es bei Nichttuberkulösen zwar erheblich pyrogen, aber
nur schwach toxisch. Selbst Dosen von 0,01 g erzeugten nur unbedeu-
tende Symptome, wie Kopfschmerzen, Gliederschmerzen u. s. w.
Auf eine neue Basis wurden alle diese Versuche dadurch gestellt,
dass man davon absah, aus den Tuberkelbazillen in unveränderter Form
Giftstoffe zu extrahieren, vielmehr dazu überging, die Bazillen selbst zu
verarbeiten.
Koch ®) ging von der Beobachtung aus, dass abgestorbene Tuberkel-
bazillen sehr lange im Körper unzerstört bleiben, und infolgedessen nicht
resorbiert werden. Solange sie aber ihre Form behalten, ist nach Koch
eine Immunität gegen die Bazillen nicht zu erzielen; erst bei ihrem
Zerfall tritt, aber fUr eine heilsame Wirkung zu spät, eine geringe bak-
tericide Immunität ein. Koch versuchte nun durch Zermalmen der
Bazillen und Einverleibung der Emulsion ihrer Zellbestandteile dem
Ziele näher zu kommen. Zu diesem Zwecke trocknete er erst die Ba-
zillen scharf und zermalmte sie dann mechanisch. Diese Massen werden
in destilliertem Wasser aufgeschwemmt und mehrfach centrifugiert. Das
erste Gentrifugat ist in Glycerin löslich, zwar ungiftig, aber auch ohne
1) Maragliano, Extrait aqueux des bacilles de la tnberc. Soc. Biol., 50, 94
(1898).
^ Behring, Bekämpfung der Tuberkulose. Münch. med. Woch., 1898, 580.
3} Niemann, Ueber Tuberkuloseheilserum. Münch. med. Woch., 1897, 59.
*) Gramatschikopf, Ueber einige physiolog. Wirk, des EocHschen Tuberkulins.
Arb. patholog. Inst. Tübingen, I, 287. Baumg. Jahrb., 1897, 548.
s) V. LiNGELSHEDf, Ueber die Wertbestimmung der Tbo.-Giftpräparate. Dtsoh.
med. Woch., 1898, 583.
^ CARRiiiRE, £tude exp^r. des alt^rations histolog. du foie etc. Areh. m^d.
exp6r., IX, 65 (1891).
"7) Peiper, Ueber die Wirkung des Kocnschen Mittels auf Gesunde. Deutsche
med. Woch., 1891, 160.
^) R. Koch, Ueb. neue Tuberkulinpräparate. Deutsche med. Woch., 1897, 209.
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Immnnisieningswert (TO). Erst die zweiten and folgenden Gentrifogate
enthalten die spezifisch wirksame Substanz. Diese Präparate bezeichnet
Koch als TR. Sie sollen ohne besondere Toxizität, insbesondere ohne
Abszess- und Infiltratbildnng immunisierend und heilend wirken. Man
soll junge Kulturen verwenden, im Vacuum trocknen, und möglichst
die Präparate vor Licht schtttzen.
H. Buchner 1) hat dann selbst und mit Hahn>) mit Hilfe der Methode
von E. Büchner durch Anwendung gewaltiger Drucke aus den Bazillen
Presssäfte isoliert, »Piasmine«, mit denen er spezifische Wirkungen
erzielen wollte, obwohl er selbst die Frage noch nicht für abgeschlossen
erklärte.
Behring <) erwähnt ein aus zerkleinerten entfetteten Bakterien durch
Glycerinwasser bei 150° gewonnenes Gift, von dem 1 g 1250 Mäuse
töten soll. Es wird durch das Serum einer geheilten tuberkulösen Kuh
neutralisiert (Antitoxinbildung?).
Landmann 4) will eia wirksames Tuberkelgift, das in eiaer Dosis von 0,1
eui Meerschweinchen von 250 g tötet, in seuiem »Tuberkulol« gefunden
haben.
Er mazeriert Tuberkelbazillen längere Zeit bei 40° mit physiologischer
Kochsalzlösung, destilliertem Wasser und Glycerin; dann dekantiert er die
Flüssigkeit ab und behandelt die Bazillen in derselben Weise nacheinander bei
50^, 60^ u. 8. w. bis 100^. Dann vereinigt er sämtliche Flüssigkeiten, auch
die Eulturflflssigkeit, dampft sie (37^) im Vacuum ein und filtriert durch
Thonzellen. Auf diese Weise erhält er ein Gemisch sämtlicher Produkte des
Tuberkelbacillus, sowohl eventuelle wärmelabile Toxine, wie die Helßwasser-
extrakte mit den Proteinen. Damit will er nun therapeutische Effekte erzielt
haben.
Zur Förderung unserer theoretischen Kenntnisse können diese Gemische
natürlich nicht dienen.
In einer späteren Arbeit hat dann Koch'^) ein neues Verfahren zur
Darstellung von Tuberkulinpräparaten angegeben.
Er verreibt 0,1 g staubtrockene TuberkelbaziUen im Achatmörsier mit einer
Lösung von 0,5 Elarbolsäure und 0,85 NaCl in 100 Wasser, erst mit wenigen
Tropfen, dann mit Zusatz von mehr Flüssigkeit, bis zu 100 cm'. Dann wird
6 Miauten centrifugiert, vom Bodensatz abgegossen und mit der zehnfachen
1) H. Buchner, Zu R. Kochs Mitt über neue Taberknlinpräparate. Berl. klin.
Woch., 1897, 322. — Ders., Die Bedeutung d. aktiven lösl. Zellprodokte u. b. w.
Münch. med. Woch., 1897, 12.
^ Hahn, Immania. n. Heilungsvers. mit den plasmat Zellsäften. MUnch. med.
Woch., 1897, 1344.
9) Behring, Autoreferat Über den Vortrag in Madrid. Deutsche med. Woch.,
1896, 293.
^) Landmann, Ueb. eine neue Meth. der Taberknlosetoxin-Behandlung. Hyg.
RundBchan, X, Nr. 8. G. f. Bakt., 27, 870 (1900).
&) Koch, Ueb. d. Aggiutinat. d. Tuberkelbazillen. D. med. Woch., 1901, 829.
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— 150 —
Menge der LöBung verdünnt, so dass schließlich die Flüssigkeit in einem
Liter das Extrakt von 0,1 g Tnberkelbazillen enthält.
Diese Flüssigkeit wird durch Znsatz von agglutinierendem Serum getrübt
Sie dient an sich nur diagnostischen Zwecken.
Von RüPPEL*) ist die Frage nach der Natur der Gifte des Tuberkel-
bacilluB genau untersucht worden. Er fand zunächst die Filtrate
absolut unspezifisch, konnte außer Albumosen, hauptsächlich
Deuteroalbumose, nichts Toxisches in ihnen auffinden. Ebenso gelang
es ihm nicht, aus den unveränderten Bazillen durch Extraktion irgend
ein spezifisches Gift zu isolieren. Damit ist eigentlich die Frage nach
einem löslichen, spezifischen Toxin nach der Art des Diphtherietoxins
definitiv als negativ entschieden.
Dagegen hat er aus den zermalmten Bazillen einerseits eine Nuklein-
säure mit 9,42^ Phosphor, die Tuberkulinsäure, und andererseits
ein Protamin, das er durch Fällen mit Pikrinsäure als solches erkannt
hat, als giftigen Stoff isoliert, dem er den Namen Tuberkulosamin
gab. Von zerkleinerten Bazillen lösten sich beim Centrifugieren 50^;
die Lfösung gab keine Eiweißreaktion und enthielt augenscheinlich nur
eine Verbindung der Nukleinsäure mit dem Protamin. Nach Neüpeld *)
ist aber die Tuberkulosaminwirkung durchaus unspezifisch, und die
V. LmGELSHEiMsche Methode der Wertbestimmung (s. o.) unbrauchbar.
Kuppel & Kitishima«) haben die Tuberkulinsäure näher untersucht
Sie ist 3V2 — 4:mal so giftig als trockenes Alttuberkulin. Intercerebral
ist sie sehr viel giftiger, besonders ftlr tuberkulöse Meerschweinchen
(1 g tötet 40000 kg). Andere Nukleinsäuren sind weniger giftig.
Stellt man die Tuberkulinsäure nach der älteren, etwas eingreifenderen
Methode Kossels her, so ist sie 5 mal weniger giftig. Rüppel & Kitishima
haben dann aus Tuberkulinsäure weiterhin nach der EossELSchen
Methode eine der Thyminsäure ähnliche Substanz, die Tuberkulo-
thyminsäure, abgespalten, »die in 1 g so viel spezifisches Gift fllr
tuberkulöse Individuen enthält wie 20 cm^ KocHsches Tuberkulin«
(Behring), sowie einen noch einfacheren Giftstoff bisher unbekannter
Natur, das Tuberkulosin, das in 1 g 25 — 30 cm' KocHschen Tuber-
kulins entspricht.
Nach Behhing soll dies der »Gift kern« sein, um den sich dann
irgendwie andere Stoffe gruppieren, und ohne den ein Gift mit der spe-
zifischen Tuberkulinwirkung nicht existieren kann.
So wichtig diese Arbeiten für die Giftwirkung der Tuberkelbazillen
sind, so können sie uns doch hier weniger beschäftigen, da es sich bei
1) RuppEL, Zur Chemie der Tuberkelbazillen. Z. f. phys. Gh., 26, 218 (1898).
S) Neufeld, Zur Wertbestimmuog der Tuberkulosegiftpräparate. Deutsche med.
Woch., 1899, 13.
3) Behring, Die Diphtherie. Berlin 1901, S. 91. — S. a. Behring, Ueber die
spez. giftigen Eigensch. d. Tuberkalinsäure. Berl. klin. Woch., 1899, 537.
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— 151 —
diesen durch eingreifende chemische Methoden gewonnenen StoflFen
zweifellos nicht um echte Toxine handeln kann.
Infolgedessen sind Vergleiche dieser Gifte mit dem Diphtheriegift
nm so weniger zu ziehen, als diese Stoffe, für den gesunden Organismus
wenigstens, relativ wenig giftig sind.
Eine Antitoxin bildung findet bei diesen Giften niemals statt.
Das Tuberkulin ist tür den gesunden Organismus überhaupt wenig
toxisch, und diese Toxizität kann unbeschadet der spezifischen Wirk-
samkeit durch Reinigungsprozesse noch vermindert werden.
Andererseits hat man mehrfach (Römern, Buchner ^ u. a.) die Wirk-
samkeit des Tuberkulins in toxischer Beziehung als nicht spezifisch
nachgewiesen. Man konnte diese pyrogenen und lokal entzündungs-
erregenden Wirkungen auch mit den auf analoge Weise dargestellten
Proteinen anderer Mikroben (Pyocyaneus, Prodigiosus, Pneumobacillus)
in derselben Qualität und Quantität erzeugen.
An eine spezifische toxische Wirkung der alten Tuberkulin-
präparate ist also kaum zu denken.
Ihre spezifische schützende Wirksamkeit ist also auch wohl kaum
auf antitoxische Prozesse zurückzuftlhren. Es scheint sich vielmehr um
Auslösung spezifisch bactericid'^r Schutzkräfte durch diese spezifischen
Eiweißkörper zu handeln, sei es in dem Sinne, dass durch diese Be-
handlung ähnliche Stoffe frei werden und angewendet werden können,
wie sie die spezifisch bakteriolytischen Vorgänge bei der Cholera u.s. w.
auslösen, also die Rezeptoren der Bakterien, die auf die Zwischen-
körper im Sinne Ehrlichs eingestellt sind; oder aber es handelt sich
um spezifische Eiweißkörper, eingestellt auf die Präzipitine resp.
Agglutinine, die auf die Bazillen wirken, und im erkrankten Or-
ganismus spezifische Reaktionen schützender resp. heilender Art auslösen
könnten. Dass im Serum Tuberkulöser spezifische Agglutinine sich
finden, ist ja durch Arloing & Coürmont bekannt geworden und neuer-
dings von Koch auf anderem Wege bestätigt worden (s. o.). Es wäre
also denkbar, dass* hier durch aus den Bazillen herausextrahierte Stoffe
ähnliche bakteriolytische Vorgänge ausgelöst werden konnten, wie sie
bei Cholera, Typhus, Rinderpest u. s. w. durch ganze Bakterien hervor-
gerufen werden. Bei diesen Immunisierungsmaßnahmen hat man bisher
keine rechte Veranlassung gehabt, von der Einimpfung unzerkleinerter
Mikroben Abstand zu nehmen, da diese zarten Gebilde leicht resorbiert
werden und bei ihrem Zerfall im Organismus die heilungbringenden
Iramunisierungövorgänge auslösen. Und die einzigen Versuche, bei der
Cholera mit »Piasminen« zu immunisieren (Hahn 1. c), sprechen auch
1) RÖMER, üeb. d. formativen Reiz d. ProteYno Büchkbrs. Berl. klin. Woch.,
1891, 886. — Tuberkulinreaktion d. BaziUenextrakte. Wien. klin. Woch., 1891, 836.
2) BucHKER, Tnberkulinreakt. d. Proteine nicht spezifischer Bakt. Münch. med.
Woch., 1891, 841.
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— 152 —
dafür, dass hier nicht antitoxische, sondern baktericide Phänomene eine
ausschlaggebende KoUe spielen. Die derben, durch eine dichte HttUe
von fettähnlichen Substanzen (s. b. Ruppel 1. c] geschützten Tuberkel-
bazillen dagegen werden, wie Koch zeigte, gar nicht oder sehr schwer
im Organismus angegriffen, können also auch keine baktericiden
Immunisierungsvorgänge auslösen. Dass aber andererseits bei ihrem
schließlichen Zerfall geringe Erscheinungen baktericider Immunität ein-
treten, hat, wie wir oben bemerkten, Koch gezeigt. Es scheint nun,
als ob durch eingreifende Maßnahmen, besonders die mechanische Zer-
malmung der Bazillen und Einführung der daraus gewonnenen Extrakte,
Stoffe frei werden, die schneller zur Ausbildung einer antibakteriellen
Immunität führen. Noch wirksamer ist das Zermalmen der Bazillen und
das Auspressen ihres Zellinhaltes, bei dem dann in noch reichlicherer
Menge jene spezifischen Rezeptoren frei werden, um ihre spezifischen
Reaktionen im Organismus zu entfalten. Diese Zwischenkörper sind ja
wärmebeständig, können also wohl hohe Temperaturen aushalten, bei
denen ein echtes Toxin, das also antitoxische Immunität auslöst, sicher
zerstört werden würde.
Wenn wir diese Annahme machen, so hätte die spezifische Tuberkulin-
wirkung beim tuberkulösen Menschen als eine Reaktion baktericider
Natur mit der toxisch-pyrogenen beim gesunden Menschen nichts zu
schaffen; diese giftigen Prinzipien wären nur störende Beimengungen,
und wir sehen ja auch in der That, dass Koch und andere mit Erfolg
bemüht waren, ein fast atoxisches und doch spezifisch wirk-
sames Tuberkulin darzustellen. Auch die neuesten Arbeiten von
Koch (1. c), aus denen hervorgeht, dass das Serum Tuberkidöser mit
seinem neuen Tuberkulinpräparat einen Niederschlag giebt, scheinen
diese Annahme spezifisch wirksamer Eiweißstoffe und ihrer Präzipitine
zu unterstützen. Mit dieser Annahme, dass es freigewordene spezifische
Ambozeptoren sind, die die Tuberkulinwirkung in ihrer neuesten Form
bedingen, sind die Probleme wesentlich geklärt und vereinfacht. Das
Tuberkulin scheidet, wie Büchner es will, aus der Reihe der
spezifischen Bakteriengifte aus und bleibt doch als spezi-
fisches Heil- und Immunisierungsmittel zu Recht bestehen,
so gut wie jene toten Zellleiber, die die antibakterielle Immunität bei
Cholera u. s. w. veranlassen.
Daneben muss natürlich die Frage nach den Tuberkelgiften weiter
verfolgt werden. Es ist mit dieser Annahme über die Tuberkulinwirkung
dafür noch gar nichts vorweggenommen; es kann sogar nebenher, wie
bei den anderen Bakterien, ein echtes Toxin existieren, das auch spe-
zifische antitoxische Immunität auslöst.
Dass ein solches Toxin bisher nicht aufgefunden worden ist, liegt
vielleicht an der Methode; es ist aber andererseits, wie bereits oben er-
wähnt, nicht unwahrscheinlich, dass die Tuberkelbazillen ein echtes
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— 153 —
Toxin überhaupt nicht produzieren. Sie bilden vielleieht zwar
nicht toxinartige, aber doch spezifische Gifte anderer Natur.
Darauf weisen ja die Resultate der BEHEiNGSchen Schule über die
Erzeugung sehr toxischer Taberkelgifte hin, und dafür ist auch als
schätzenswertes Material die Auffindung des Tuberkulosamin resp.
seiner Verbindung mit der Nuklernsäure zu acceptieren, obwohl hier
sicherlich nicht die spezifischen Gifte des Tuberkelbacillus vorliegen.
Denn Rufpel nimmt selbst an, dass wir hier Abkömmlinge des Zell-
kernes vor uns haben. Diese sind sicher nicht die spezifischen Bak-
teriengifte, die wir doch als protoplasmatische resp. paraplasmatische
Produkte aufzufassen haben. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass man
ganz analoge Substanzen auch aus den Zellkernen resp. Leibern anderer
Bakterien wird auffinden können.
Dagegen kann man als die spezifischen Gifte die Produkte von Aüclaib^j
nicht anerkennen, der durch Aetherextrakt der Kulturen ein Gift erhalten
haben will, das intratracheal eingeführt käsige Degeneration der Lungen; durch
Chloroformextrakt ein zweites, das fibröse Pneumonie erzeugen soll.
So muss man denn leider konstatieren, dass die Frage nach einem
spezifischen Tuberkelgift noch nicht entschieden ist, selbst dann, wenn
man die Tuberkulinwirkung im oben angedeuteten Sinne ganz von dieser
Diskussion ausschließt.
Das Malleln.
Das MalleKn enhält in ähnlicher Weise die Zellbestandteile der Rotz-
bazillen, wie das alte Tuberkulin die der Tuberkelbazillen. Die
Malle'mfrage ist fast ausschließlich von Tierärzten zu praktischen Zwecken
bearbeitet worden, so dass wissenschaftlich für eine Erkenntnis des
Wesens des Malleüns so gut wie nichts bekannt ist. Bis auf weiteres
wird man wohl gut thun, für das Mallem ähnliche Erwägungen gelten
zu lassen, wie für das alte Tuberkulin.
Helman^) stellte zuerst im Jahre 1890 ein Extrakt aus Rotzkidturen
her, nach ihm Ealkino, der die Reinkulturen im Autoklaven mehrfach
mit Wasser kochte und durch CHAMBERLAND-Kerzen filtrierte. Peeüsse
und nach ihm Pbeisz verwendeten Glycerinextrakte von Kart off Öl-
kulturen.
Johne & Pearson verwandten zuerst Bouillon als Kulturmedium, in-
dem sie 14tägige Kulturen bei 37^ filtrierten, dann sterilisierten; oder
erst bei 80° eindampften und dann filtrierten (Pearson).
Roüx sterilisierte sehr virulente Bouillonkulturen bei 110°, dampfte
ein und filtrierte.
^ AucLAiR, La Scl^rose polmonaire etc. Arch. de m^d. exp^r., 1900, 189. —
S. a. Banmg. Jahr., 1898, 476, 476.
^ Ich schöpfe alle diese mir im Original kaum zngänglichen ÄDgaben ans der
Arbeit von Foth, Das Malletn n. s. w. Fortschr. d. Med., 1895, 637.
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— 154 —
Ganz ähnlich verfuhr Foth (1. c). Er lässt Kotzbazillen mehrfach
durch Tiere passieren, um ihnen höchste Virulenz zu verleihen. Er
züchtete sie 20 Tage als Oberflächenkultur auf 4,5 proz. LöFFLERScher
Fleischbrühe; dann wurde bei 80^ auf Vio eingedampft und filtriert.
Dnrch Fällen mit dem 30 fachen Volumen Alkohol erhielt er einen
weißen Niederschlag, der sich im Vacuum über Ghlorcalcium zu einer
nicht hygroskopischen weißen Masse trocknen ließ.
GüiNABDi) hat die toxische Wirkung des Malleins genauer studiert
Er findet, dass nach vorangehender Anregung des Herzens die Herzkraft
sinkt, und dass ebenso die nervösen Organe erst gereizt, dann gehemmt
werden. Femer beobachtete er Schweißabsonderung.
ScHATTENFROH^) hält andererseits das Mal lein ftir durchaus un-
spezifisch wirkend.
Die Frage nach einer spezifisch toxischen Wirkung des Mallel'ns
ist ebensowenig entschieden, wie die des Tuberkulins. Es handelt sich
möglicherweise auch hier ausschließlich um nichtspezifische Symptome,
wie sie die körperfremden Proteine stets hervorbringen.
Das Milzbrandgifk.
Die Frage nach der Existenz eines echten Milzbrandtoxins ist auch
noch durchaus nicht gelöst. Wie überall, so wird auch die Beantwor-
tung dieser Frage außerordentlich erschwert dadurch, dass vielen Unter-
suchen! es nur darauf ankam, gegen den Milzbrandbacillus zu immu-
nisieren, gleichviel auf welchem Wege, dass sie also mit lebenden
Bazillen resp. Bazillenleibem arbeiteten, ohne sich um die Existenz eines
etwaigen spezifischen, antitoxinbildenden Giftes zu kümmern. In der
ersten Zeit konnte eine so präzise Problemstellung gar nicht erwartet
werden; und auch für viele spätere Autoren überwog die praktische
Frage der Immunisierung durchaus; sie suchten, wie auch Sobebnheim
in seinen Arbeiten über Milzbrandimmunisiernng, mit allen Mitteln nach
dem ersehnten Impfschutz, ohne zu untersuchen, ob dieser Schutz auf
einer wirklichen antitoxischen Immunität beruhe. Dieses erschwerende
Moment finden wir auch bei allen anderen Untersuchungen über weniger
bekannte Gifte; nirgends allerdings ist das Toxinproblem so versteckt
geblieben, die Resultate so widerspruchsvoll, wie hier. Ich muss mich
deshalb begnügen, die wichtigsten Arbeiten, die sich mit dem suppo-
nierten Toxin in mehr oder minder ausgesprochener Absicht beschäftigt
haben, zu besprechen, wobei mir die ungemein sorgfältige Litteratur-
zusammenstellung bei Cokradi^) naturgemäß wertvolle Dienste leistete.
1) GuiNARD, Efifets phyBiolog. da malleYne. Jonm. m^d. v^t, 46, 464. Baumg.
Jb., 1895, 311.
«) SoHATTBKFROH, üebör die Wirkung von Bakterien-ProteYnen. Z. f. Hyg.,
XVni, 466 (1894).
8) CoMRADi, Z. Frage d. Toxinbild. bei d. Milsbrandbakt Z. f. Hyg., 37, 287 (1899;.
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— 155 —
Die ersten Versuche, aus Milzbrandkulturen durch Filtration Gifte
zu isolieren, «teilte Pasteür^) mit völlig negativem Ergebnis an. Die
Filtrate waren völlig indififerent, die von W. Koch^) erzeugten nur
Temperatursteigerung und Dyspnoe.
Die erste Angabe ttber eine aus Milzbrandkulturen gewonnene Substanz,
die schützend wirken soll, machte Wooldridge 5). Er züchtete Milzbrand-
bazillen auf einer Bouillon von Thymus oder Hodenextrakt 2 — 3 Tage bei
37^. Die so erhaltene Flüssigkeit wirkt nach dem Filtrieren nicht toxisch,
aber immunisierend. Er machte auch ganz analoge Versuche^) mit einer durch
Kochen sterilisierten Lösung seines Gewebsfibrinogens, die aus Hoden u. s. w.
dargestellt war und nur schwach alkalisch reagieren durfte; denn in stark
alkalischen Lösungen gaben die sehr lebhaft wachsenden Pilze gar kein Gift
oder Immuuisierungsstoff an die Lösung ab. Wohl aber enthielten die Filtrate
der auf schwach alkalischen Gewebsfibrinogenlösungen wachsenden Kulturen
einen immunisierenden nicht toxischen Stoff, der nur bei intravenöser Injektion
schützt Doch giebt er fast analoge Resultate an, wenn er den Versuchstieren
einfach seine Lösung ohne vorherige Züchtung von Milzbrand injizierte; es
soll einfach das Gewebsfibrinogen auch gegen Anthrax schützen. Dadurch
wird der Gesamtwert seiner Arbeit für die Aufsuchung eines eventuellen Toxins
völlig wertlos.
Ebenso ist der theoretische Hinweis von Chauveau^), dass Milzbrandgifte
in löslichem Zustand existieren müssten, da die bakteriendichte Placenta keine
Bazillen durchließe und doch der Embryo milzbrandkranker Schafe immun
sei, ohne Belang gewesen, besonders da in seltenen Fällen doch Anthraxbazilien
die Placenta durchbrechen können.
Hankin hat in einer Reihe von Arbeiten«) seine Milzbrandalbumosen
als Hauptgiftprinzip hinzustellen versucht. Er züchtete Bazillen auf einer
Bouillon mit Voo Flßiö<^textrakt und reichlichem Fibrinzusatz (10—50^).
Nach dem Sterilisieren wird geimpft und 8 Tage stehen gelassen. Dann
wird filtriert und mit Ammonsulfat gefällt; darauf bei 42^ dialysiert,
im Yacuum eingedampft oder mit Alkohol gefällt. Es resultiert eine
Albumose, die abgeschwächte Bakterien nicht geben sollen. Von
dieser Substanz sollen nun bestimmte, sehr kleine Dosen, 1:1 Million pro
Kilo bei Mäusen, sofort gegen Anthrax immunisieren, größere Dosen aber
nicht, die nur toxisch, aber nicht immunisierend wirken.
ij Pasteur & JouBERT, J^tudo Bur la maladie oharbonnenBe. Gomptes renduB
de racadto., 84, 900 (1877).
2) W. Koch, Milzbrand und Ranschbrand. Stuttgart 1886. Cit n. Conradi (1. c).
8) WoOLDRiDöE, Note on the protection in Anthrax. Proc. Roy. Soc, 42, 312
(1887).
^) WooLDRiDGE, Vors. ti. Sohutzimpfhug auf chemiBchem Wege. Du BoIb
Arch., 1888, 527.
S) Chauveau, Sur le m^oaniBme de Timmun. Ann. Pasteur, III, 66 (1888).
0) Haneik, On immunity ]>roduced by an albumose isolated from Anthrax cul-
tnres. Brit. med. Joum., 1889, II, 66. — DerB., On the confliot between the or-
ganism and the.miorobe. Ibid., 1890, n, 810. — Hankin & Wesbrook, AlbumoBes
et toxalbumines du baoilie charbonnenx. Ann. Pastenr, VI, 633 (1892).
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— 156 —
Ebenfalls toxische Albomosen ans Anthraxknltaren und ans Organen
gewannen fast zn gleicher Zeit Martin^) und Bbiboeb & Fbankel^), die
eine gewisse Aehnlichkeit mit der Vergiftung durch lebende Bazillen zeigten.
Doch sind die definitiven Resultate aUer dieser Toxalbuminforschungen'] sehr
gering geblieben, wie es ja mit allen Toxalbuminen schließlich ging. Die
MABTiKsche Albumose z. B. musste in Dosen von 0,3 g pro Maus (!) gegeben
werden, um tödlich zu wirken.
Dass hier keine Toxinwirkung vorliegen kann, ist nach unseren
heutigen Begriffen sicher. Die Anthraxbazillen haben natürlich die Ei-
weiBkörper der Nährböden zersetzt nnd an den entstandenen Albumosen
sind entweder Spuren von Gift hängen geblieben, oder die entstandenen
körperfremden Eiweißkörper haben an sich schwach toxische Wirkungen,
wie andere auch.
Jedenfalls konnte Petermann ^) bei einer Nachprüfung der Hankin-
schen Arbeiten an seiner Albumose keine Spur einer toxischen oder
immuniBierenden Wirkung entdecken, während Hankin & Wesbrook
(1. c.) unter Angabe genauerer Yersuchsbedingungen, besonders Vermei-
dung von Temperaturen über 20°, weiter daran festhielten und auch
weiterhin zwar nicht inmier, aber doch manchmal kurzdauernde Immu-
nisierung erzielten.
Wichtig ist an der Petermann sehen Arbeit noch der Hinweis darauf,
dass Milzbrandkulturen, einfach filtriert, eine schwache und vorüber-
gehende, aber deutliche antitoxische Immunität bewirken; das spräche
für ein wirkliches Toxin, das freilich in sehr geringer Menge vorhanden
sein müsste.
Ganz entsprechend sind gleichzeitige Befunde von Arloing^): er
ließ Milzbrandbouillonkulturen einfach abstehen, heberte dann von der
verfilzten Bakterienmasse mehrfach ab und erzielte ein keimfreies Filtrat,
in dem allerdings die möglicherweise sehr beträchtliche Zurückhaltung
des Giftes in den sonst verwendeten Filtern ausgeschlossen war. Anderer-
seits konnte sich aber wieder bei dem langen Stehen das Toxin sehr
leicht zersetzen. Er erhielt ein Filtrat, das in großen Dosen immuni-
sierend wirkte.
^ Martin, The chemical producta of the growtb of baoiUus authracis. Proc
Royal Soc, 22, V, 1890.
2} Brieger & Fräneel, Untersuch, über Bakteriengifte. Berl. klin. Wocb.,
1890, 11/12.
S) Aehnlicbe Arbeiten mit ebenso spärlichen Resultaten sind auch von anderen
um dieselbe Zeit gemacht worden, so von Balp & Garbone (1891), Lakdi (1891),
G. Elemperer (1891), Maltzew (1891); ich kann ihretwegen mich hegnUgen, auf
(yONRABi (L c.) zu verweisen.
^) Petermakn, Rechercbes sur Timmun. contre le charbon au moyen des albu-
moses extraites des oultures. Ann. Pasteur, VI, 32 (1892).
3) Arloino, Sur la pr^sence de la substance pbylacogöne dans les liquides
du bac. anthr. BuU. m^dic, 1892, 1038. Cit. n. C. f. Bakt, 13, 661 (1892).
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~ 157 —
Dann liegen noch Befände vor von Sclavo^) und Mabchoux^), die mit
lebenden Bazillen eine Immunität erzielen, die aber, wie es scheint, mit der
Toxinfrage nichts zu thnn hat. Wenigstens giebt Mabchoux an, dass sein
Serum durch Phagocytose wirkt
Ernsthaft nach dem Toxin gesucht hat dann erst wieder Marmier^)
der auf Pepton-Glycerinkulturen (1 Liter Wasser, 40 g Pepton 16 NaCl,
40 Glyzerin 0,5 Na2HS04 0,2 K2HSO4), am besten bei 20^ einen Stoff
erhielt, den er durch Fällen mit Ammonsulfat und Dialyse oder Extrak-i
tion mit Glycerin und Fällung mit Alkohol als pulFrige, braune Masse
darstellen konnte, die weder Eiweiß- noch AlkaloKdreaktionen zeigte und
keine Enzymwirkung darbot.
Es war bei 0,08 pro kg Tier toxisch, (doch nicht konstant) unter
Temperatursteigerung, Diarrhöe, Abmagerung, Ei^ünpfen, verlangsamter
Atmung und Erstickung. 0,2 g pro kg wirkten unbedingt tödlich.
Die Erscheinungen sind nach Marmier denen der Infektion mit lebenden
Bakterien ähnlich genug, um hier ein spezifisches Milzbrandgift an-
zunehmen.
Zwei Dinge sind es jedoch, die der Annahme, dass hier ein wirk-
liches echtes Toxin yorliegt, widerstreiten, ganz abgesehen davon, dass
die tödliche Dosis doch ein wenig zu hoch ftlr echtes Toxin ist:
Erstens bleibt nach Marmier das Gift beim Kochen stundenlang un-
verändert, kann selbst 5 Min. auf 120^ erhitzt werden, kann also kein echtes
Toxin sein. Goldchlorid, Platinchlorid und Chlorkalk schwächen das Gift.
Zweitens aber scheint es nur sehr geringe, und nicht immer erreich-
bare Immunisierung zu erzielen. Jedenfalls ist es also kein etwa ab-
geschwächtes Toxoid, da hier bei geringerer Toxizität eine um so
energischere Immunisierung eintreten mttsste.
GoNRADi (1. c.) hat neuerdings nochmals die Frage geprüft, ob die
Anthraxbazillen ein lösliches diffusibles Gift bilden und ist, um es vor-
wegzunehmen, zu einem durchaus negativen Besultat gelangt. Er
geht von dem Standpunkt aus, dass grade die Mannigfaltigkeit der Nähr-
snbstrate, die von den bisherigen Untersuchem angewendet wurden, zu
den vielfach sich diametral widerstreitenden Angaben geführt habe.
Infolgedessen entschloss er sich, das Milzbrandgift im Tierkörper zu
suchen. Er verwandte das Peritonealexsudat und die Organextrakte
(Leber und Milz) vergifteter Tiere, die er durch KiTASATO-Filter resp.
durch Chamberland-E erzen keimfrei filtrierte und fand beide stets
ohne jeden giftigen Effekt.
Femer führte er Meerschweinchen virulente Bouillonkulturen in die
Bauchhöhle ein, die er in keimdichte Säckchen aus den inneren Membranen
^) ScLAvo, lieber d. Bereitung des SemmB gegen den Milzbrand. G. f. Bakt.,
18, 744 (1895).
2) Marchoux, S^ram anticharbonneux. Ann. Paateur, IX, 9 (1895).
3] Marmier, Sur la toxine charbonnense. Ann. Paetenr, IX, 633 (1895).
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— 158 —
von Schilf blättern (Phragmites communis) eingeschlossen hatte, und sah
auch hier das Ausbleiben jeder Giftwirkung.
Gegen die Conbadi sehen Befunde kann man zwei Einwände erheben.
Die Schilfsackversuche beweisen nur, dass kein lösliches und di f f u-
sibles Gift des Milzbrandes existiert, schließen aber das Vorhandensein
eines indiffusiblen Toxins nicht aus; auch andere Haptine, z. B. einige
Fermente sind nicht diffusionsfähig. Und grade die Angaben von
Arloing (s. 0.), dass er in nicht filtrierten Kulturen ein Gift fand, dass
aber andererseits die meisten Untersucher in filtrierten Kulturen nichts
fanden, machen es nicht unwahrscheinlich, dass das Milzbrandgift leicht
durch Filter und Membranen zurückgehalten werden könnte.
Wichtiger scheint mir der zweite Einwand. Grade wenn ein echtes
haptophores Toxin des Milzbrandes existierte, könnte es unter Umständen
in den Organen und Säften des vergifteten Körpers empfänglicher
Tiere nicht wiedergefunden werden, da es von den Rezeptoren fest ge-
bunden wird; auch Tetanusgift und Diphtheriegift kann man ja normaler-
weise im Blut und den Organen vergifteter Tiere nur nach Einftlhrung
großer Dosen wiederfinden.
Allerdings waren ja in den Exsudaten lebende Keime vorhanden,
jedoch hatten sie ihre toxinerzeugende Kraft in ihnen erstens nicht lange
entfalten können, und außerdem wtlrden in diesen Exsudaten entstandene
Toxine doch wieder in den Stoffwechsel gelangen und von den Rezep-
toren gebunden werden, so dass nur sehr geringe Mengen in ihnen
zurückbleiben dürften. Außerdem würden in diesem Falle die Exsudate
zweifellos Antitoxine enthalten, die das Bild noch mehr trüben würden.
Vielleicht aber ließen sich solche Exsudate als gleichmäßige, natur-
gemäße Nährböden verwenden, auf denen sich eventuell Toxine nach-
weisen ließen.
Jedenfalls lässt sich aus diesen Versuchen Conradis kein Rückschluss
auf die Nichtexistenz grade eines echten Toxines ziehen. Ueberhaupt
sind solche Versuche nicht geeignet, die Frage der Giflproduktion eines
Bakteriums zu entscheiden; denn auch anders geartete Gifte einfacherer
Natur können sehr wohl nach Ausübung ihrer Schädigungen oder grade
durch ihre physiologische Aktion so verändert resp. zerstört werden,
dass eine nachweisbare Quantität in den Gewebssäften nicht zurück-
bleibt. Selbst manche Alkalo'ide, wie das Cytisin verschwinden spur-
los im Organismus. Es ist nicht sicher, bei den mannigfachen Angriffen,
denen ein Gift im Körper ausgesetzt ist, negative Schlüsse zu ziehen
auf die Nichtexistenz dieses Giftes; hier wären nur positive Resultate
beweisend. So tragen denn auch die Versuche von Cokradi nur nega-
tiv zur Entscheidung der Frage bei: wieder ein Weg zur Auffindung
des hypothetischen Giftes hat sich als ungangbar erwiesen : ob es nicht
doch existiert, bleibt dabei offen. Und dabei darf nicht unbeachtet
bleiben, dass eigentlich das Milzbrandgift ein ätiologisches Postulat
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— 159 —
ist; denn es giebt viele Fälle von Milzbrand mit tödlichem Ansgaiage,
wo eine bazilläre Allgemeininfektion auszuschließen ist, wo es nur mit
Muhe oder gar nicht gelingt, lebende Bazillen in den Organen zu finden.
Solche Fälle kann man doch nur als Intoxikations fälle erklären.
Das Gift muss also trotz Conradi weiter gesucht werden.
Einwandfrei sind dagegen die Versuche, die Conradi angestellt hat,
um zu erfahren, ob der Milzbrandbacillus etwa spezifische Endotoxine
bildet, die er erst beim Absterben und Zerfallen der Zellen, analog'der
Hefeninvertase und Zymase bildet. Er tötete die Bazillen mit Toluol
oder darch Erfrieren, oder er zermalmte sie nach der Buchner sehen
Methode. In allen Fällen war das Resultat völlig negativ. AuchTox-
albumine aus den Organen konnte er weder mit Hilfe der Brieger-
FRÄNKELschen, noch der MARMiERschen Methode erhalten.
Es liegt also die Sache heute folgendermaßen:
Ein einwandsfreier Beweis für die Existenz eines echten Toxins,
sei es eines freien Sekretes oder eines an die Zellen gehefteten Endo-
toxins, ist für den Milzbrand nicht erbracht, letzteres so gut wie aus-
geschlossen. Außer geringen pyrogenen Wirkungen, die von den Bak-
terienproteinen des Zellleibes selbst ausgehen, wie bei allen — pathogenen
und harmlosen — Bakterien sind Milzbrandgifte nicht bekannt. Es ist
wohl anzunehmen, dass sich Gifte bilden, die die Elrankheitserscheinungen
auslösen; doch scheinen diese so subtiler Natur zu sein, und sich bei
dem fortdauernden Wachstum der Bazillen im angriffenen Körper jeweils
nur in so geringer Menge zu bilden, dass sie sich dem Nachweis ent-
ziehen. Conradi hat über Immunisierung mit seinen sterilen Filtraten
keine Versuche gemacht; es wäre denkbar, dass sie Toxoide enthielten
an Stelle des äußerst empfindlichen Toxins, die nicht mehr toxisch,
aber immunisierend wirken und dadurch Hanrins Befunde möglicher-
weise erklären. Lauter Fragezeichen, die einer Antwort harren.
Sonstige lösliche Bakteriengifte vielleicht toxinähnlicher Natur.
Sind schon die Forschungen nach den spezifischen Giften bei einigen
der wichtigsten pathogenen Mikroben meist noch in den Anfängen,
so werden wir uns nicht wundem, wenn wir über lösliche Toxine anderer
weniger wichtiger Bakterien nur recht spärliche Angaben finden, die
ich hier nur ganz kurz referieren will. Es ist sehr gut möglich, dass
man hier bei genauerer Untersuchung noch ein oder das andere echte
Toxin finden möge, doch sind sichere Anzeichen dafür bisher nicht
vorhanden.
Für die Mehrzahl dieser infektiösen Mikroben, die sich im Orga-
nismus vermehren, wird wohl dasselbe gelten, was wir fllr Cholera,
Streptokokken u. s. w. annehmen können, dass die Zellen, wenn über-,
haupt, echte Toxine nur in ganz geringen Mengen sezemieren, dass
diese außerdem äußerst zersetzlich sind, dass dagegen die Gifte vor-
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— 160 —
wiegend als festhaftende Endotoxine aufzufassen sind. Die Immunität
wird bei allen infektiösen Mikroben ganz vorwiegend durch bakterio-
lytische Prozesse bewirkt, eine eventnelle Antitoxinbildnng ist unbe-
deutend und tritt praktisch und theoretisch stark in den Hintergrund.
Hogcholera.
Metschnikoff ^) fand wie Selandeb^) steriles Blut erkrankter Tiere
sehr giftig. Gegen die Bakterien ist außerordentlich leicht zu immuni-
sieren, doch ist dadurch die Resistenz gegen das sterile Gift nicht er-
höht. Die Eokkobazillen wachsen im Immunserum, aber ihre
Virulenz ist schwächer, wird aber bei ümimpfung auf frische Bouillon
regeneriert. Danach scheint das Serum doch Antitoxin zu enthalten,
das die Toxinproduktion des wachsenden Bakteriums neutralisiert
Malignes Oedem.
Roüx & Chamberland*) fanden keimfreie Kulturen des Vibrio sep-
tique schwach giftig, keimfreie Peritonealflttssigkeit stark giftig und
immunisierend. Indessen erhielten sie auch bei 110 — 120° noch sehr
schwache, etwas immunisierende > Gifte«. AuchBESSON*) erhielt schwache
Gifte in filtrierten Kulturen (6 — 10 cm^ für Meerschweinchen tödlich),
besonders auf Fleisch.
Baoschbrand.
Roux^) erhielt durch Filtration der Kulturen und aus Muskelsaft ein
schwaches, nicht tödlich wirkendes, immunisierendes Gift, das aber auch
teilweise noch bei 115° erhalten bleiben soll.
DuBNSCHMANN<^) züchtetc RauschbrandbaziUcn auf Fleischmazeration
oder Rinderserum unter Luftabschluss und erhielt nach 7 Tagen im
Filtrat ein spezifisch wirkendes Gift, das in Dosen von 5—6 cm^ Meer-
schweinchen tötet. Es wirkt gegen lebende Bazillen nicht schützend.
Seitdem scheint über ein eventuelles Rauschbrandtoxin nicht mehr
gearbeitet worden zu sein. Auch Arloing^) in seinen letzten Arbeiten
über Immunisierung gegen Bauschbrand erwähnt kein Wort über ein
Gift desselben.
1) METScmaKOFF, Zur ImmanitätBlehre. Gongr. f. inn. Med., 1892, 282. —
Etudes Bur rimmunit6 V. Ann. Fast., VI, 289 (1892).
^) Selander, La maladie infectiense des porcs. Ann. Fast, IV, 545 (1890;.
3} Roux & Chamberland, Immunit^ contre la septic^mie. Ann. Fast, II,
561 (1887).
*) Besson, Contribut ä F^tude du vibrion s^ptique. Ann. Fast, IX, 179 (1895).
^) Roux, Immnnit^ contre le charbon symptomatique. Ann. Fast, II, 49 (1888;.
6) DüENSCHMANN, l^tüde exp^rim. but le charbon symptomatique. Ann. Fast,
Vm, 403 (1894).
T) Arloing, Seroth^rapie du charbon symptomatique. Compt rend. Acad. d.
sciences, 130, 548 (1900), 131, 319 (1900).
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161
Schweineseuche.
SiLBEBSCHMiDT ^) fand ein schwaches Gift im Filtrat der Kulturen,
das spezifisch wirkt; bei 120° wird es nicht völlig zerstört, aber schon
bei 60° langsam angegriflfen. Die Filtrate erzeugen Immunität.
Selbebg^) fand in Schweineseuchenbazillen wenig spezifische Gift-
stoffe, die an die Leiber gebunden sind.
Vibrio Metsohnikoff.
Ueber diesen Vibrio liegt eine sehr interessante Arbeit von Sana-
BELLi^) vor. Er wächst nach anfänglichem scheinbaren Absterben
kräftig auf Immunserum, ist aber dann völlig atoxisch, erlangt jedoch
seine Giftigkeit beim Umzttchten auf frische Bouillon wieder. Ebenso
kann man aus dem immunen Tier heraus Vibrionen züchten. Nimmt
man das vibrionenhaltige Serum infizierter Tiere und entfernt das Serum
von den Vibrionen, so sind sie viel virulenter als mit dem Serum.
Daraus folgt: Der Vibrio an sich ist imstande, sich im Tierkörper zu
vermehren. Er bildet dort aber Toxine, die schädlich sind. Im immunen
Tier aber oder im Immunserum und auch im Serum des erkrankten
Tieres sind Antitoxine, die das Gift binden, den Vibrio unschädlich
machen, der sich dann im immunen Tier weiter vermehrt. Entfernt
man das Antitoxin, tritt wieder Giflrwirkung ein, ebenso bei Umzüch-
tung auf neuen Nährböden.
Sanabelli hat nur leider gar nicht versucht, das hier wahrschein-
lich vorhandene Toxin durch Filtration zu finden. Er hat nur ge-
tötete Kulturen (bei 60^ und bei 120^) giftig befunden, und natürlich
gegen das sekundäre Gift, das er bei 120^ erhielt, keinerlei antitoxische
Immunität erzielen können. Das ist sicher kein Toxin, wohl aber scheint
hier ein wirkliches Toxin gebildet zu werden, das man vielleicht durch
vorsichtiges Arbeiten demonstrieren kann.
III. Die pflanzliohen Toxine (Phytotoxine).
Das Bicin.
In den Samen der Bicinuspflanze, Bicinus communis, ist ein außer-
ordentlich heftiges Gift vorgebildet, das sich in jeder Weise eng an
die Bakterientoxine anschließt. Es ist enthalten im Embryo und Endo-
1) Silberschmidt, Contrib. k T^tnde de la swine plague. Ann. Fast., IX, 65,
(1895).
2) Selberg, Beitr. z. Eeuntn. d. Giftwirkung d. Schweinesenchenbakterien u.b.w.
Diss., Berlin 1896.
3) Sanabelli, Defense de rorganlBme contre las microbes. Ann. Pasteur^
VI, 226 (1892).
Oppenheimer, Toxine und Antitoxine. H
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sperm, nicht in der Schale (Werner). Ein ganz analog wirkendes
Gift findet sich nach Stillmark i) noch in 10 anderen Bicinnsarten,
nämlich sangninens, africanns, gnyanensis nanus, altissimns, communis
maior, philippinensis , brasiliensis, borboniensis arborens, spectabilis,
jamaicensis. Auch die Samen von Jatropha Curcas, einer westindischen
Enphorbiacee, die man als Pulgueranüsse oder Barbados seeds be-
zeichnet, liefern ein vielleicht mit dem Eicin identisches toxisches Pro-
dukt (Stillmark).
Das Ricin wurde zuerst von Dixson^) untersucht. Er stellte ein
giftiges Präparat her, durch Extraktion der Samen entweder mit Salz-
säure und Fällung mit Sodalösung, oder durch Fällung des wässrigen
Auszuges mit Alkohol. In reinerem Zustande erlangte er es, indem er
den Wasserauszug mit Bleiessig und Ammoniak fällte, in Wasser sus-
pendierte, mit HjS entbleite und dann mit Alkohol fällte. Daneben
fand er im Samen noch ein ungiftiges Glukosid.
Genauer beschäftigte sich dann mit dem Bicin, dem er auch den
Namen gab, Stillmark ^) unter Leitung' Budolf Roberts. Er ex-
trahierte den Samen mit lOproz. Kochsalzlösung, fällte dann mit
Natrium- oder Magnesiumsulfat und entfernte die Salze mittelst Dialyse.
Die Ausbeute betrug 2,8 % der enthülsten, lufttrocknen Samen.
Cruz 3) wäscht die zerriebenen Samen mit Chloroform und Alkohol,
trocknet, löst in Wasser und fUllt mit Alkohol.
Ein großes theoretisches Interesse gewann das Bicin, als Ehrlich^)
es zum Ausgangspunkt seiner grundlegenden Arbeiten über die anti-
toxische Immunität machte. Er gewann es ebenfalls aus den Samen
mit lOproz. Chlomatriumlösung und reinigte es genau wie Stillmark.
Das MBRCKSche Präparat ist aus der Kochsalzlösung mit Ammonsulfat
gefönt.
Chemisohe Natur des Bioins.
Während die älteren Untersucher das Bicin für einen Eiweißkörper
hielten, scheint siqh auch beim Bicin der bei den Bakterientoxinen ge-
schilderte Entwicklungsgang zu wiederholen, dass man mit fortschrei-
tender Genauigkeit der Untersuchungen immer mehr zu der Ueberzeu-
gung gelangt, dass auch dieses Toxin zwar ein hochmolekularer Körper,
aber kein Eiweißkörper im engeren Sinne ist.
Stillmark hielt ihn nach der Darstellung für ein Globulin. Cüshny*^)
hat viele mühevolle Untersuchungen angestellt, um das Bicin entweder
ij Stillmark, Ueb. Ricin. Arb. pharm. Inst. Dorpat III, (Stuttgart, £nke\
S. 59 (1889). (Dort die ganze ältere Litterator über die RicinuBpflanze.)
2 DixsoN, Australian Med. Gaz., 1887, lö6, cit n. Cushny s. u.
3 Cruz, La ricine. Ann. d'bygi^ne publique, 40, 344 (1898).
4) Ehrlich, Exper. Unters, über Immunität. Dtfich. med. Woch., 1891, 976,
1218. — Zur Kenntnis d. Antitoxinwirkg. Fortschr. d. Med., 1897, 41.
5; Cushny, Ueb. das Ricinusgift. Arch. exper. Pathol., 41, 439 (1898).
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wirklich als Eiweißkörper zu demonstrieren oder es von den verunreini-
genden Eiweißsubstanzen zu befreien, ohne dass er sichere Resultate
erzielt hätte. Die Trennung des wirksamen Prinzipes von den Eiweiß-
stoflFen gelingt nach den gewöhnlichen Methoden durchaus nicht, ent-
weder weil die Fällungs- und Wiederlösungsbedingungen die gleichen
sindy oder wahrscheinlicher, weil das Bicin, wie so viele kolloide Sub-
stanzen, von manchen fallenden Niederschlägen, besonders aber Eiweiß-
koagulaten u. s. w. mitgerissen wird.
Schließlich erwies sich die Besistenz des Ricins gegen Tryp sin als
ein Mittel, um wenigstens mit großer Wahrscheinlichkeit die Eiweiß-
natur von ihm abzustreifen. Von Stillmark geleugnet, von Cüshny
und Müller^) nachgewiesen, diente sie den schönen Versuchen von
Jacoby^} wieder als Ausgangspunkt.
Er wies zunächst nach, dass selbst wochenlange Digestion mit Tryp-
sin den Giftwert des Ricins unverändert lässt, ebenso mit Papain.
Daraus allein will er nun allerdings noch keinen bindenden Schluss
ziehen, da ja auch Eiweißkörper möglicherweise gegen Trypsin resistent
sein könnten. In sehr eleganter Weise modifizierte er nun aber seinen
Versuch.
Ricin fällt bereits aus, wenn die Lösung zu 60 ^ mit Ammon-
sulfat gesättigt ist, während das wirksame Prinzip des Trypsins erst
bei voller Sättigung mit Ammonsulfat ausgeschieden wird. Jacoby
entfernte nun durch fraktionierte Ammonsulfatfällung aus einem Pan-
kreasextrakt die bei 60 ^ fällbaren Eiweißkörper, und mit diesem ge-
reinigten Trypsinpräparat digerierte er Ricin, das bei einer Sättigung
unter 60° gewonnen war.
Nun hatte diese Mischung vor der Einwirkung des Trypsins fol-
gende Zusammensetzung:
bei 60^ fällbar: Ricin und die damit verbundenen Eiweiß-
körper,
bei 100 % fällbar: Trypsin.
Nach der Einwirkung des Verdauungsfermentes aber sieht es anders
aus: die dem Ricin beigemengten Eiweißkörper werden durch das Tryp-
sin verdaut, also jedenfalls schwerer, vielleicht gar nicht mehr durch
Ammonsulfat fällbar; dann ist das Schema also:
bei 60^ fällbar: Ricin,
bei 100 X fällbar: Trypsin und ein Teil der angedauten Proteide.
Unter diesen Bedingungen also muss die Fällung bei 60 % theoretisch
ein reines Ricin ergeben.
In der That erhielt Jacoby nach fUnfwöchentlicher Verdauung bei
1) Müller, Beiträge z. Toxikol. des Ricins. Arch. exper. PathoL, 42, 302 (1899).
2) Jacoby, üeb. d. ehem. Natur des Ricins. Arch. exper. Pathol, 46, 28. S. A.
11*
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60^ nur einen sehr geringen Niederschlag, den er durch Umfallen
reinigte.
Die Eiweißreaktionen waren verschwunden, die Giftigkeit quantitativ
erhalten. Damit ist also der Beweis geführt, dass das reine Ricin kein
Eiweißkörper ist. Es ist also wieder eines der letzten »Toxalbumine«
verschwunden, und damit dürfte wohl dieser Begriff auch nur noch
historisches Interesse haben. Er hat in der Entwicklung dieser Fragen
seine große Bedeutung gehabt, besonders indem er zuerst darauf hin-
wies, dass diesen Giften ganz andere Eigenschaften zukommen, als den
krystallolfden Giften; aber nun dürfte es wohl an der Zeit sein, ihm ein
ehrenvolles Begräbnis zu bereiten, da er jetzt nur noch Verwirrung
stiften kann. An seine Stelle soll ganz allgemein der Begriff »Toxin«
in seiner präzisen Fassung treten, wie wir ihn aufgestellt, und der alle
Beziehungen dieser eigenartigen Eörperklasse umfasst.
Eigenschaften des Bicins.
Das Ricin zeigt, gerade wie die Bakteriengifte, eine sehr weit-
gehende Analogie mit den Enzymen, so dass es schon von Stillhark
diesen zugeschrieben wurde, obwohl es wirkliche fermentative Prozesse
(Diastase- u.s.w. Wirkung) nicht ausübt. Zu diesen Analogieen gehört
die schon erwähnte Fällbarkeit durch alle möglichen Niederschläge; be-
sonders leicht wird es durch fallende Eiweißstoffe mitgerissen. Auf ein
Mitreißen, nicht aber auf eine eigenartige Reaktion des Ricins selbst,
dürfte wohl auch die Fällbarkeit durch Nukleinsäure zu beziehen
sein, die Tichomiroff *) am Ricin, wie an anderen Toxinen, ge-
funden hat.
Mit den Enzymen teilt es auch seine Empfindlichkeit gegen physi-
kalische und chemische Einflüsse.
Siedetemperatur schädigt intensiv, hebt allerdings nach Jacoby
die Giftigkeit nicht ganz auf, bei dem gereinigten Gift noch weniger
als bei dem mit Eiweiß vermengten. Jacoby scheint es ^eilich nicht
für ausgeschlossen zu halten, dass beim Kochen ein qualitativ verschie-
dener Giftstoff entsteht, vielleicht ein Toxoid. Gegen trockene Hitze
(110°) ist es unempfindlich (Stillmark). Gegen Pepsinsalzsäure ist das
toxische Prinzip fast unempfindlich (Müller).
Das Verhalten gegen Trypsin haben wir bereits besprochen; sehr
interessant ist dabei die Feststellung von Jacoby, dass sein reines
Ricin durch Trypsin schnell zerstört wird, dass dies dagegen
nicht eintritt, wenn man zu dem verdauten Gemisch des ungereinigten
Ricins neue Trypsinmengen zusetzt. Es scheinen also die Eiweißspal-
tungsprodukte hier eine schützende Wirkung auszuüben.
^ TiCHOMiROFF, Ueber die Fällg. v. Toxalbuminen durch NnkleYnsäure. Z. f.
physioL Gh., 21, 90 (1895).
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Hydroperoxyd wirkt auf das reine Ricin energisch, auf das un-
gereinigte nur schwacli schädlich ein.
Alkohol löst Bicin nicht und ist unschädlich.
Das Ricin scheint absolut indiffusibel zu sein, wie schon Still-
MABK feststellte.
Wirkungen des Bieins.
Das Ricin zeigt zwei der wichtigsten Eigenschaften der Toxine: die
außerordentlich große Wirksamkeit und die Inkubationszeit. Da-
gegen ist die strenge Spezifizität nicht vorhanden; bis jetzt kennt
man kein Tier, das gegen Ricin völlig immun ist: die Empfindlichkeit
ist zwar nicht bei allen untersuchten Tieren die gleiche: indessen > sind
die Differenzen nicht größer, als man sie auch bei krystalloiden Giften
beobachtet.
Die Toxizität ist eine ganz enorme. Nach Ehelich ist subkutan
0,03 mg pro kg tödlich ; 0,18 g per os wtlrden die fttr den erwach-
senen Menschen tödliche Dosis darstellen. 1 g würde subkutan ca.
IV2 Millionen Meerschweinchen töten, jedoch schwankt die Dosis letalis
minima etwas. Mäuse sind weniger empfindlich, Kaninchen etwas mehr.
Zur Messung der Toxizität bedient sich Ehrlich stets der Injektion
von 1 cm3 ftlr 20 g Körpersubstanz; dann wäre eine Verdünnung von
1 : 200000 für Mäuse sicher tödlich.
Aehnlich fand Cushny die Dosis letalis zu 0,04 mg pro kg bei
Kaninchen. Jacob y findet fUr MEBCKSches Ricin 0,5 mg als Dosis
letalis für 1 kg Kaninchen.
Mit den Toxinen teilt es auch die Eigenschaft vom Verdauungskanal
aus viel schwächer zu wirken. Immerhin aber ist seine Wirkung auch
auf diesem Wege deutlich zu erweisen; nur bedarf man hundertfach
größerer Dosen (Stillmark p. 133). Es liegt diese Eigenschaft an der
viel beträchtlicheren Resistenz gegen Verdauungsfermente, die die Bak-
terientoxine nicht aufweisen.
Die Wirkungen des Ricins lassen sich in vier Gruppen sondern : die
lokale Wirkung an der Applikationsstelle, die Allgemeinwirkung,
die Wirkung auf die Conjunctiva und schließlich auf die Blut-
körperchen.
Das Ricin erzeugt wie viele Bakterientoxine an der Impfstelle häufig
schwere Indurationen, Entzündungen, Abszesse und Nekrosen. Ob diese
pathologischen Veränderungen dem Ricin selbst oder aber Beimengungen
zuzuschreiben sind, ist noch nicht sicher zu entscheiden; es spricht in-
dessen einiges dafUr, dass es vielleicht nur die mitgeftlhrten körper-
fremden EiweißstoflFe sind, die diese Erscheinungen hier wie auch sonst
häufig auslösen.
Die allgemeinen Veränderungen bei der Ricinvergiftung haben auch
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schon die älteren Autoren, dann aber speziell Flexner^) und Franz
Müller (I. c.) untersucht.
Das erste Symptom ist eine Steigerung der Temperatur und rapide
Abnahme des Körpergewichts, während sonst in den ersten 24 Stunden
keine abnormen Erscheinungen zu beobachten sind.
Die Abnahme des Gewichts ist viel größer, als dass sie einfach durch
den Hungerzustand zu erklären wäre. Hungernde Kaninchen verlieren
in 24 Stunden nur ca. Vi 4 ihres Gesamtgewichtes, nach 48 Stunden Vg?
nach 72 Stunden Y;, während Kicinkaninchen schon nach 24 Stunden
V: — Ys ihres Gewichtes verlieren. Auch durch erhöhten Eiweißzerfall
allein ist die Abnahme nicht zu erklären. Nach Müller sind die Ver-
hältnisse ganz ähnlich wie beim fiebernden Tier. Blutige Stühle und
Eiweiß, manchmal auch Blut im Harn treten auf.
Nach 24 — 30 Stunden zeigen sich ganz plötzlich die tödlichen Ver-
giftungserscheinungen. Sie beginnen mit klonischen Krämpfen, Flucht-
bewegungen, Abschwächung der Reflexe. Dann tritt eine schlaffe Läh-
mung auf; nach 15 Minuten wiederholen sich die Krämpfe und unter
Dyspnoe und krankhafter Inspiration erfolgt ca. Y2 Stunde nach dem
ersten Anfall der Exitus.
Die Krämpfe fehlen bisweilen. Eine Erhöhung der Dosis ändert
das Bild nicht; nur die Inkubationszeit wird verkürzt.
Zum Schluss treten schwere zentrale Störungen der Medulla ob-
longata auf: Vasomotoren- und schließlich Respirationslähmung. Der
Blutdruck sinkt erst ganz zum Schluss ; dann ist das tödliche Ende nah.
Auf das Herz ist Ricin ohne Einfluss.
Der Sektionsbefund ist sehr charakteristisch. Schwellung und
Rötung der subkutanen Lymphdrüsen, starke Stauung im Gebiet der
Bauchgefäße; starke Vergrößerung und fleckige Rötung der mesente-
rialen Lymphdrüsen und der PEYERschen Plaques, zahlreiche Ekchy-
mosen im Darm, keine ülzerationen. Milz stark geschwollen, weich.
Histologisch ergeben sich charakteristische Veränderungen des Blutes,
besonders starke Leukocytose, Zellzerfall im Knochenmark und nekro-
tische Herde in zahlreichen Organen, besonders der Leber. Thrombosen
sind nicht aufzufinden. Der Herzmuskel ist meist fettig degeneriert.
Cruz (1. c.) fand besonders schwere Veränderungen in den Nieren,
doch konnte Stepanoff 2) es im Harn nicht auffinden. Charakteristisch
sind auch die Hämorrhagieen der Nebennieren.
DerRicintod erfolgt also in erster Linie auf Grund der zentralen
Lähmungen, daneben sind aber auch lokale Reizerscheinungen des
Giftes durch die Zellnekrosen evident; auch die Darmekchymosen u. s. w.
sind dadurch zu erklären, da Stepanoff 2) die Ausscheidung des Ricins
1) Flexner, The pathology of toxalbumin intoxication. Johns Hopkins Hos-
pital Record, 1897. S. A.
2) Stepanoff, l^tudes sur la ricine et Fantiricine. Ann. Fast, X, 663 (1896).
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in den Darm gezeigt hat, und Cüshny (1. c), dass bei Fröschen Ricin
einen Blutergnss in den Magen hervorruft, der das Gift enthält.
Auf das isolierte Froschherz, auf den Nerven ist Ricin ohne jeden
Einfiuss, auf den Muskel wirkt es schwach lähmend (Stillhark).
Eine charakteristische Wirkung hat das Ricin auf die Bindehaut
des Auges. Es erzeugt schwere Conjunctivitis, ähnlich der durch
Abrin (s. d.) bedingten, auch häufig zu dauernden Störungen der Horn-
haut führend. Auch Panophthalmitis ist nicht selten.
Die Wirkung des Bioins auf das Blut.
Das Ricin hat eine ganz eigenartige Wirkung auf die roten Blut-
körperchen, die schon von Kobert und Stillmark (1. o.) beobachtet
wurde. Sie ist sowohl am frischen Blut, wie an den mehrfach ge-
waschenen Erythrocyten erkennbar. Die Erythrocyten ballen sich unter
dem Einfluss des Ricins zusammen, und sinken als zusammenhängende,
fiockige Masse zu Boden, dem Blutkuchen sehr ähnlich, so dass das
Serum klar darübersteht.
Nach Kobert^) entsteht eine Verbindung des Agglutinins mit dem
Arterin des Blutes; diese Verbindung ist klebrig; deshalb die Verklum-
pung. Die Wirkung ist sehr intensiv, noch eine 600 000 fache Verdün-
nung soll sie erkennen lassen. Jedenfalls hat diese Agglutination mit
dem Hämoglobin nichts zu thun, da sie auch mit gelösten Blutkörperchen
resp. dem Stroma allein vor sich geht. Im Serum scheinen Stoffe
vorhanden zu sein, die einen hemmenden Einfluss auf die Ricinwirkung
ausüben; wenigstens ist sie im verdünnten Blut energischer.
Diese Ricingerinnung ist von der echten Blutgerinnung ganz ver-
schieden. Dass es etwa eine einfache Gerinnung sein könnte, ist ja
schon dadurch ausgeschlossen, dass sie an defibriniertem Blute zu er-
kennen ist; aber auch der Vorgang an sich ist dadurch von der Ge-
rinnung unterschieden, dass er durch Kochsalz, Kaliumnitrit und chlor-
saures Kalium nicht beeinflusst wird. Die Fibringerinnüng wird
sogar durch Ricin verlangsamt. Auch ist das sog. Ricinfibrin, d. h. die
farblos gewaschene RicinMlung von echtem Fibrin durchaus verschieden.
Bei größeren Ricindosen folgt auf die Agglutination ein Austreten
des Blutfarbstoffes, das Ricin wirkt dann also auch hämolytisch.
Diese Hämolyse ist nach Jacoby nur eine gesteigerte Form der Agglu-
tination, nicht eine besondere Wirkung.
Die agglutinierende Wirkung beschränkt sich nicht auf das Blut.
Lau fand, dass Ricin auch Eiterzellen und Organzellen konglutiniert,
Milch zum Gerinnen bringt, in Hühnereiweiß- und Plasmonlösungen Ge-
rinnsel bildet, Myosinlösungen und Menschenserum dagegen nicht be-
1) KoBERT, lieber vegetabilische Blntagglutinine. Sitzungsb. d. naturf Ges.,
Rostock, 26. V. 1900. S. A.
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einflusst, während Stillmakk bei den Seris von Hund, Katze, Bind und
Halm einen Niederschlag durch Ricin beobachtet hat.
Die Blutkörperchen verschiedener Arten zeigen, wie bei den bakte-
riellen Lysinen, eine verschiedene Empfindlichkeit.
Das Blut hochimmuner Tiere, z. B. Ziegen, ist gegen ßicin noch
vollständig empfindlich, eine Immunität durch Rezeptorenmangel, ver-
gleichbar der natürlichen, tritt also nicht ein.
Lau*) hatte für die Blutkörperchen der Fische eine vollständige
Resistenz gegen Ricin gefunden, doch zeigte Fbänkel^), dass diese
nur relativ ist, dass aber bei größeren Ricindosen auch das Barbenblut
(Barbus fluviatilis) agglutiniert wird. Es liegt diese Resistenz an dem
Vorhandensein eines normalen Antikörpers im Fischserum. Auch Ricin-
antitoxin aus Ziegenserum hat schützende Wirkung. Dagegen hat um-
gekehrt das normale Barbenserum keine antitoxische Wirkung gegen
die Ricinwirkung auf Katzenblut.
Sehr interessant ist nun die Frage, inwieweit diese Blutwirkung in
vitro eine Bedeutung fUr das Zustandekommen der allgemeinen Ri-
cinvergiftung hat. Die älteren Beobachter, speziell Stillmark
neigten dazu, die Hämorrhagieen und Nekrosen durch einen ähnlichen
Gerinnungsvorgang innerhalb der Gefäßbahn zu erklären. Nun hat man
aber einerseits Thrombosen nie gefunden; andererseits sind, wie oben
gezeigt, diese Erscheinungen auch als Reizwirkungen des Giftes in loco
zu deuten. Ebensowenig sprechen die zentralen Symptome etwa für
eine Verstopfung der Himarterien.
Vor allem aber wird diese Annahme, dass die Blutwirkung des Ri-
cins als Todesursache verantwortlich gemacht werden könnte, dadurch
hinfällig, dass Müller zeigen konnte, dass diese Konglutination im
lebenden Blut überhaupt nicht eintritt. Ferner machte er darauf auf-
merksam, dass Pepsinsalzsäure zwar die Giftwirkung nicht tangiert,
die Blutwirkung aber aufhebt, was allerdings von [Lau wieder ge-
leugnet wird, andererseits aber von Jacobt (s. u.) doch zur Evidenz
nachgewiesen ist.
Diese Frage ist deshalb von besonderer Wichtigkeit, weil damit ein
Argument für die Entscheidung gegeben werden soll, ob das Ricin ein
einheitlicher Stoff ist, oder ob man die Blutwirkung völlig von der
toxischen zu trennen hat, in der Weise, dass es zwei verschiedene Be-
standteile des Ricinussamens sind, die hier in verschiedener Weise
wirksam sind, ein Standpunkt, der z. B. von Cushny und Müller ver-
treten wird.
Indessen ist es sehr wahrscheinlich, dass diese Fragestellung keine
präzise ist. Es ist nach der EHRLiCHSchen Theorie durchaus denkbar,
1) Lau, Ueb. vegetabil. Blntagglntinine. Dias. Rostock, 1901.
2) Prankel, Ueb. d. Wirkg. d. RicinB auf Fischblut HofoQ. Beitr., IV, 224
(1903).
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dass das Rioin ein etwas komplizierter gebauter Receptor zweiter Ord-
nung ist, der zwar nur eine haptophore, aber zwei ergophore Gruppen
besitzt: nämlich eine toxophore, die die Giftwirkung, und eine andere,
die die Agglutination auslöst, und für die man den Terminus: »agglu-
tinophore« Gruppe gebildet hat.
Mit dieser Annahme lässt es sich leicht vereinigen, dass diese bei-
den ergophoren Gruppen yerschieden leicht zerstörbar sind, wie es bei
der Pepsin-HCl-Verdauung thatsächlich geschieht, so dass auch dann
eine Trennung in zwei Substanzen nicht nötig ist
Andererseits ist aber doch eine größere Mannigfaltigkeit der Ricingifte
nicht von der Hand zu weisen. Wie Frankel zeigte, ist das Antitoxin des
normalen Barbenserums ohne schützende Kraft einerseits gegen die Wirkung
des Ricins auf Eatzenblut, andererseits aber auch gegen die toxische Wir-
kung auf Kaninchen und auf die Barben selbst, so dass hier ein Hinweis
auf ein eigenes Fischblutagglutinin und Fischgift gegeben ist.
Wir können diese Frage erst dann genauer besprechen, wenn wir
die Berechtigung, die Ricinwirkung mit Hilfe der Seitenkettentheorie zu
bewerten, dargethan haben.
Wie bei den echten Toxinen sind es stets vier Punkte, die die
Zusammengehörigkeit zu den Haptinen in sich schließen:
Die niedrige letale Dosis, die Inkubationszeit und das abweichende
toxikologische Verhalten haben wir bereits gestreift. Aber die Haupt-
sache ist die Antitoxinbildung im Organismus, das Auftreten einer
aktiven und passiven erworbenen Immunität.
Auch in dieser Hinsicht schließt sich das Ricin vollkommen den
Bakterientoxinen an. Sind es doch gerade Versuche mit Ricin, die
Ehrlich zu seinen epochemachenden Arbeiten über die antitoxische
Immunität geführt haben.
Bioinimmunitat«
Ehrlich 1) gelang es, weiße Mäuse und Kaninchen gegen Ricin zu
immunisieren, indem er ihnen erst kleine Dosen per os gab (Kaninchen
auch vom Konjunktivalsack aus), und dann, wenn eine gewisse Immunität
erreicht war, durch vorsichtige Steigerung der Dosen bei subkutaner
Injektion die Immunität ziemlich hoch treiben konnte, was ca. 4 Monate
dauert. Nach 8 Wochen vertrugen auf diese Weise vorbehandelte Mäuse
die tödliche Dosis für den Menschen. Während für Kontrolltiere 1 cm^
per 20 g Körpergewicht bei einer Verdünnung von 1 : 200000 sicher
tödlich war, konnte Ehruch bei immunisierten Tieren auf 1 : 500, ja
sogar 1 : 250 heraufgehen, so dass eine 400 — 800 fache Immunisierung
erzielt wurde. Die Erzeugung von Panophthalmitis war bei immunen
>) Ehrlich, Exper. Unters, üb. Immunität Dtsch. med. Woch., 1891, 976, 1218.
— Zur Kenntnia d. antitox. Wirkg. Fortschr. d. Med., 1897, 41.
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Tieren selbst durch große Dosen nicht mehr zu bewirken, dagegen traten
die lokalen Nekrosen auch bei diesen noch häufig ein.
Das Serum dieser immunisierten Tiere enthält nun ein Antiricin,
welches genau wie die Bakterienantitoxine das Eicin in vitro in der
Weise zu binden vermag, dass sowohl die toxische, als auch die agglu-
tinierende Wirkung nach bestimmten zahlenmäßigen Verhältnissen auf-
gehoben wird. Besonders wichtig ist dabei die ebenfalls schon von
Ehrlich aufgefundene Thatsache, dass die gleiche Serummenge in
gleicher Weise beide Wirkungen beeinflusst. Dass auch hier eine
einfache Bindung von Toxin mit Antitoxin vorliegt, dafür hat
Danyscz^) noch den Grund angeführt, dass man aus einem neutralen
Eicin -Antiricingemisch durch proteolytische Fermente das Antitoxin
zerstören kann, so dass die Toxizität wieder hervortritt; Tiere, denen
rein neutrale Mischung per os gegeben wird, sterben an typischer Eicin-
vergiftung.
Die EHRLiCHSchen grundlegenden Versuche sind nun in neuester
Zeit von M. Jacob y 2) in einer sehr exakten und theoretisch weittragenden
Arbeit bestätigt und ausgebaut worden.
Jacoby nimmt mit Ehrlich an, dass bei der Einwirkung von
Antiricin auf Eicin eine wirkliche quantitative Bindung eintritt, und
dass das Antiricin aus abgestoßenen normalen Eezeptoren besteht.
Eine sehr interessante Abweichung von dem Verhalten der Bakterien-
toxine hat er hierbei beobachtet. Bringt man nämlich wirksames Immun-
serum mit Eicinlösungen zusammen, so entsteht ein deutlicher Nieder-
schlag, ebenso wenn man gereinigte Antiricinlösungen (s. u.) verwendet
Er bleibt dagegen ebenso aus, wenn man wirksames Eicin mit normalem
Serum, oder mit zerstörtem Antiricin, wie wenn man durch Kochen
inaktiviertes Eicin mit Antiricin zusammenbringt.
Danyscz ^) hat gleichzeitig diesen Niederschlag beobachtet und giebt an, dass
es stets ein Optimum der Mischung giebt, wo die Fällung am stärksten ist.
Auf die Schlüsse, die er daraus zieht, kommen wir unten zurück.
Wie Jacoby wohl mit Eecht annimmt, ist hierbei die Bindung
Eicin- Antiricin das Primäre. Der entstandene neutrale Doppelkörper
ist nun aber in diesem Falle schwer löslich und bewirkt einen Nieder-
schlag, in den nun auch, wie üblich, andere Eiweißstoflfe des Serums
mit hineingerissen werden; denn nur dadurch ist die Menge des
Niederschlags zu erklären. Es handelt sich aber nicht etwa um eine
Ausfällung der Eiweißstoflfe an sich durch ein etwa entstandenes Präzi-
pitin, die nun sekundär das Eicin -Antiricingemisch mitreißt; denn
auch eiweißfreies Eicin erzeugt im Organismus ein Serum, das diese
Eeaktion giebt. Außerdem spricht die strenge quantitative Bindung
1) Danyscz. M^langes des toxines avec les antitox. Ann. Fast., XVI, 331 (1902 .
2) Jacoby, lieber Ricinimmunität Hofm. Beitr. z. Cham. Physiol. u. PathoL,
I, öl (1901).
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gegen die Auffassung, dass etwa das Ricin nur durch Adsorption bei
einer Mitausf äliung der Eiweißstoffe entgiftet würde, denn die auf andere
Weise, z. B. durch NukleKnsäure (s. o.) erzeugten ricinhaltigen Eiweiß-
fäUnngen sind giftig, dieser Niederschlag aber nicht. Sobald dagegen
etwas Ricin im Ueberschuss vorhanden war, blieb das Filtrat gerade
so giftig, wie es dem Ueberschuss entsprach. Eine so quantitativ
geregelte Entgiftung kann durch eine Adsorption nicht erklärt werden.
Ein scheinbar paradoxes Phänomen findet durch die Theorie eine
einfache Erklärung. Es sind nämlich die gewaschenen Erythrocjten
hochimmuner Tiere mindestens so empfindlich, ja scheinbar noch
empfindlicher, als normale. Theoretisch ist denkbar, dass die Rezeptoren-
bildung sich zeitweise erschöpfen kann, so dass die Erythrocyten nur
wenig oder gar keine enthalten, so dass ihre Empfindlichkeit sehr
gering oder Null sein könnte; das scheint beim Aalblut (s. d.) häufig
einzutreten.
Umgekehrt lässt die Theorie aber auch den Fall voraussehen, dass
die Erythrocyten grade in einer sehr lebhaften Bildung von Rezeptoren
begriffen sind, dass sie also mehr als die normale Zahl enthalten; und
dass deshalb ihre Empfindlichkeit deutlich gesteigert ist.
Andererseits ist es selbstverständlich, und ist durch die Thatsachen
bestätigt, dass die Erythrocyten immuner Tiere in ihrem natürlichen
Serum durch den Gehalt dieses Serums an Antikörper ganz beträchtlich
geschützt werden. Jacoby brauchte bei einem Versuch die zehnfache
Menge zur maximalen Agglutination, wie bei normalem Blut.
Diese Erscheinung, dass die Haptine sich überall lieber an freie
Seitenketten, als an gebundene anhaften, ist für alle Toxine beob-
achtet. Die freien Rezeptoren scheinen fast durchweg eine größere
Avidität zu besitzen wie die an den Zellen sitzenden.
Diese Thatsache ist die Grundlage für jede »Heilung« einer In-
toxikation, d. h. Zerreißung der bereits eingetretenen Bindung an
die Zelle durch das Antitoxin. Dass diese Heilung bei Diphtherie und
besonders beim Tetanus nur noch sehr kurze Zeit nach der Bindung
möglich ist, haben wir gegebenen Ortes gezeigt; ganz ähnlich liegen
auch bei den Blutgiften die Dinge, indem Madsen beim Tetano-
lysin (s. d.) und Jacoby beim Ricin ein Sistieren der Agglutination
durch nachträglichen Zusatz von Antiricin beobachten konnte.
Trotz der geringeren Avidität bindet sich aber die haptophore Gruppe
des Ricins bei Abwesenheit von freien ebenso quantitativ an die an
den Erythrocyten festhaftenden Rezeptoren; gerade wie Tetanusgift
vom Zentralnervensystem, so wird durch Erythrocyten das Ricin quan-
titativ verankert, das Gemisch wird gegenüber einer neuen Blutprobe
wirkungslos.
Die agglutinierende Wirkung wird also dadurch völlig paralysiert,
dass ihr Prinzip sich restlos an die Erythrocyten bindet. Man musste
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— 172 —
nun a priori annehmen, dass in dem Fall der Einheitlichkeit des Ricins
anch die toxische Wirkung solcher Mischnngen aufgehoben ist. Das
ist aber nicht der Fall. Müller fand die Filtrate von durch Ricin
hervorgerufenen Niederschlägen zwar ohne agglutinierende Kraft, aber
toxisch, wenn auch in erheblich abgeschwächtem Maße und mit nicht
ganz typischem Sektionsbefiind.
Diese Versuche hält Jacoby nicht für völlig einwandsfrei. Er hält
es für möglich, dass in dem Ricinblutniederschlag sich noch mechanisch
mitgerissenes Ricin befindet, das bei der langsamen Filtration wieder
frei wird^). Aber auch die Versuche von Jacoby selbst, die er mit
ungerinnbar gemachten, nicht filtriertem Blut anstellte, gaben das gleiche
Resultat Das Gemisch war von quantitativ gleicher Giftigkeit Er macht
sich indessen selbst den sehr wichtigen Einwand, dass auf diese Weise
zwar das Gift in gebundener Form an die Gewebszellen gelangt; dass
diese aber wohl die Fähigkeit besitzen können, diese Bindung zu zerreißen
und zu ihrem eigenen Unheil das Gift an sich zu ziehen. Denn ebenso
wie die freien Rezeptoren, so können auch die Gewebsrezeptoren
eine größere Avidität zum Toxin besitzen, als die der Erythrocyten,
wenngleich die ihre wieder geringer sein muss, als die der freien Re-
zeptoren; sonst könnte ja eine Immunität gegen die toxische Wirkung
nicht zustande kommen.
Diese Ansicht wird übrigens meines Erachtens durch einen von Jacoby
übersehenen Grund gestützt. Wenn wir nämlich annehmen, dass die Gewebs-
rezeptoren die haptophore Gruppe des Ricins leichter binden, als dies die Re-
zeptoren der Blutkörperchen thun, so ließe sich damit erklären, warum bei
der Vergiftung mit Ricin im lebenden Tier die Bluterscheinungen gegenüber
der Allgemeinwirkung so in den Hintergrund treten, eine Thatsache, die sonst
kaum zu erklären ist.
Auch durch diese Versuche ist also die Frage, ob das Ricin aus
zwei getrennten Körpern besteht, nicht zu entscheiden.
Jacoby hat dann in einer weiteren Arbeit 2) die EmtLiCHSche Tren-
nungsmethode für Hämolysine derart angewendet, dass er Mischungen
von Ricin mit Blutkörperchen centrifdgierte. Die agglutinierende Wir-
kung war aus der centrifugierten Flüssigkeit stets verschwunden,
dagegen schwankte der Giftgehalt zwischen 25 und 90)|^ des ur-
sprünglichen. Jedenfalls war das Gift nie quantitativ an die Rezep-
toren der Blutkörper verankert. Die Giflrwirkung war auch qualitativ
unverändert
Mit diesem vom Agglutinin befreiten Gift hat dann Jacoby Tiere
immunisiert. Das erhaltene Immunserum zeigte nicht nur an ti toxische,
1) 1. c. S. 68. So wenigstens glaube ich den Sinn des Satzes , der etwas gar
zu kurz aosgesprochen ist, verstanden zu haben.
2) Jacoby, üeb. Ricinimmunität Hofm. Beitr., II, 635 (1902).
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— 173 —
sondern auch antiagglntinierende Wirkung, jedoch braucht das
agglutininfreie Plasmagift erheblich weniger Antitoxin, als das gewöhn-
liche fiicin.
Genau so verhielt sich fiicin, das mit Pepsin- HCl vorbehandelt
war. Auch dieses agglutininfreie Gift erzeugte ein Antitoxin gegen
beide Funktionen des fiicins. Die Wirkung der Pepsin- HCl auf Ricin
hatte Jacobt schon in seiner ersten Arbeit studiert. Zwar konnte er
den Beftind Müllers bestätigen: thatsächlich nahm die Agglutinations-
kraft ganz beträchtlich ab, und zwar bis auf V^o-
Aber es war nach wie vor die gleiche Antitoxinmenge nötig,
um die stark verminderte Agglutinationswirkung, wie die unverändert
gebliebene toxische Wirkung aufzuheben. 1 cm^ Antitoxin neutralisierte
die an sich außerordentlich geringe agglutinierende Kraft von 5 cm^
Pepsinricin; dieselbe Menge reichte aber auch hin, um die toxische
Wirkung derselben Menge, entsprechend mindestens 15 mg Ricin (30 letale
Dosen) zu paralysieren. Aber auch darüber hinaus kann man noch
enorme Giftmengen zusetzen , bis zu 8 cm^ Pepsinricin ; die Tiere ma-
gerten zwar ab, starben aber nicht.
Man wird bei diesen Dingen lebhaft an die Verhältnisse bei Bak-
teriengiften, speziell Tetanus- und Diphtheriegift erinnert Auch hier
fand Ehrlich, dass man zu völlig neutralen Gemischen (L^) viel mehr
als die einfache letale Dosis zusetzen muss, um Lf zu erzielen (s. die
Größe D im Allg. Teil).
Noch ein sehr interessantes Ergebnis haben die jACOBYSchen Ver-
suche gezeigt. Während nämlich vor der Pepsinbehandlung 1 cm^
Antitoxin 0,26 cm^ der Ricinlösung neutralisierte, war diese Menge
nach der Wirkung fUr 5 cm* ausreichend. Dabei war die Giftigkeit an
sich unverändert geblieben, so dass an eine Zerstörung von Ricinmole-
ktQen in toto nicht zu denken ist.
Wohl aber geht aus diesen Versuchen hervor, dass eine ganze Menge
von haptophoren Gruppen verschwunden ist, die sich in dem
unbehandelten Ricin an die Rezeptoren des Serums gebunden hatten,
nun aber keine Ansprüche mehr an das Antiricin stellen. Diesen hapto-
phoren Gruppen können aber toxophore nicht entsprochen haben, da
die Giftwirkung unverändert geblieben ist. Wir werden also mit Not-
wendigkeit zu dem Schluss gedrängt, dass in dem Rohricin ungiftige,
haptophore Komplexe vorhanden sein müssen. Jacoby formuliert
also mit Recht seine Ansicht, dass es Ricintoxo'lde giebt, die durch
Pepsinsalzsäure zerstört werden. Und zwar müssen es Syn-
oder Protoxo'ide sein, da sie bei der Neutralisation mit abgesättigt
werden.
Umgekehrt liegen die Verhältnisse bei der agglutinierenden Funk-
tion. Hier nimmt zwar auch die Menge der haptophoren Gruppen ab,
aber noch mehr die der ergophoren.
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— 174 —
Nehmen wir nun an, dass die haptophoren Gruppen die gleichen
sind, so bilden sich hier also wahrscheinlich neue, eigenartige
Toxoide, die nur noch aus haptophorer und toxophorer Gruppe
bestehen, die agglutinophore dagegen verloren haben.
Und dass die haptophoren Gruppen thatsächlich identisch sind, dass
das Bicin also ein einheitliches, aber kompliziert gebautes Haptin ist,
dafür spricht vor allem das völlige Gleichbleiben der antitoxischen und
antiagglutinierenden Wirkung nach der Pepsinbehandlung und das Er-
gebnis der Immunisierungsversuche mit agglutininfreiem Bicin (s. o.).
Bei sicher verschiedenen Haptinen, wie z. B. Tetanospasmin und
Tetanolysin konnte Ehrlich von einem derartigen Parallelismus nichts
bemerken.
Jedoch spricht, wie wir oben sahen, auch manches gegen eine
Identität, so dass die Frage noch nicht als definitiv geklärt zu gelten
hat. Nehmen wir aber die Identität an, so besteht das käufliche
Bicin aus Vollkomplexen:
toxophore ^W^^"^ agglutinophore
T
der Form / 7 gebildet.
.haptophore
sowie aus Toxoiden entweder ohne jede ergophore Gruppe ^), oder nur
mit der agglutinierenden, also: uj Diese werden durch Pepsin
beseitigt und dabei möglicherweise noch aus Vollkomplexen Toxoide von
Das frische Bicin scheint wie das Diphtheriegift weniger Toxoide zu
enthalten, denn wie Jacoby angiebt, nimmt das MERCKSche Präparat
allmählich an Wirksamkeit ab.
Außer diesen notwendigerweise als Pro- resp. Syntoxoide aufeu-
fassenden Körpern scheint es aber auch, worauf Jacoby nicht hinweist,
Toxone des Bicins zu geben; darauf lassen wenigstens die oben an-
gegebenen Verhältnisse von D (L^. — Lo) schließen, die djirchaus an die
Verhältnisse beim Diphtheriegift erinnern.
Aehnlich wie bei den Bakteriengiften hat man jetzt auch beim Bicin
in Zweifel gezogen, ob nicht hier auch dissoziierte Gleichgewichtszustände
vorkommen. Danyscz (1. e.) fand thatsächlich sehr auffallende Verhält-
1
Dies ist eigentlich wahrscheinlicher; dass es ToxoYde gerade mit der so
empfindlichen aggintinophorcn Grappe geben sollte, ist schwer vorzostellen. Diese
Frage ist im übrigen von ganz sekundärer Bedeutung.
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— 175 —
nis8e. Dass die Stärke des NiederBchlags bei der Mischung (s. o.) ein
Optimum hat, ist wohl nur ziemlich gewaltsam so zu deuten; wichtiger
ist aber, dass es eine absolut neutrale Mischung nach Danyscz Über-
haupt nicht giebt. Er fand, dass diese Gemische stets gleichzeitig
toxische und antitoxische Wirkung besitzen: d. h. zwar selbst
schwach giftig wirken, aber doch bei Zusatz einer vollen letalen Dosis den
Tod verzögern oder ganz hindern. Seine darauf basierten Spekulationen
sind ganz ähnlich denjenigen Bordets (s. im AUg. Teil). In Wirklich-
keit durfte es sich hier wahrscheinlich um dissoziierte Gleichgewichte
nach Art der von Madsen & Arrhenius am Tetanolysin gefundenen
handeln.
Das Antiricin.
Jacobt hat auch Versuche zur Isolierung des Antiricins angestellt
Von vornherein sei bemerkt, dass eine Trennung etwa eines Antitoxins
von einem Antiagglutinin in keiner Weise möglich ist, und dass wir
also unbeschadet der theoretischen, oben behandelten Fragestellung mit
einem einheitlichen Stoffe zu rechnen haben.
Das Antiricin geht beim Aussalzen mit Ammonsulfat quantitativ in
die Fraktion über, die bei V4 — Vs Sättigung ausfällt. Dadurch konnte
es schon von einem großen Teile der anderen Kolloide getrennt werden.
Versuche mit Trypsin, die in derselben Weise, wie oben beim
Ricin geschildert, durchgeführt wurden, zeigten eine völlige Resistenz
gegen dieses Ferment.
Zweistündiges Erhitzen auf 60°, halbstündige Digestion mit gleichen
Teilen Yio Normalschwefelsäure und Yio Normalnatronlauge bei 37°,
Pepsinsalzsäure während einer Stunde bei 35° ließen das Antiricin un-
verändert. Dagegen wird es durch Säuren bei 60° zerstört.
Das Antiricin scheint also ein ähnlich beständiger Körper zu sein,
wie die bakteriellen Antitoxine; es ist ein einfacher Receptor erster
Ordnung; nur mit einer haptophoren Gruppe versehen.
Stepanofp (1. c.) konnte 24 Stunden nach Injektion von antiricin-
haltigem Serum noch Antitoxin im Blut von Kaninchen finden. Nach
7 Tagen war das Antitoxin und auch die Giftfestigkeit verschwunden.
Er fand es weder im Harn noch im Darmkanal, seine Ausscheidung ist
also nicht nachweisbar; es wird vermutlich verbrannt.
Das Abrin.
Das Abrin ist ein dem Ricin sehr ähnliches Toxin aus dem Jequirity-
samen, dem Samen von Abrus precatorius, einer in Ostindien, vielleicht
auch in Brasilien heimischen Papilionacee. Es findet sich fast in der
ganzen Pflanze (Hexseval*)
1) Henseval, L'abrine. La Cellule, XVII, 139. Malys Jb., 31*, 910.
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— 176 —
Es wurde von Britxlants & Vennemann^) entdeckt, die zuerst an-
gaben, dass das wirkende Prinzip der Jequiritysamen nichts mit Bak-
terien zu schaffen habe, sondern ein Enzym, ein toxischer Eiweißstoff
sei. Zu denselben Resultaten gelangten Warden & Waddell ^) unter
Robert Kochs Leitung in Calcutta. Sidney Martin 5) konnte zeigen,
dass das Abrin aus einem Globulin und einer Albumose besteht. Die
Albumose wirkt ähnlich, aber viel schwächer als das Globulin ; d. h.
nach unsrer heutigen Anschauung bindet sich mehr Gift an das Glo-
bulin als an die Albumose, von denen beiden das eigentlich toxische
Prinzip verschieden ist.
Seine hämolytische Ejraft fand Eobert 1889 und ließ sie durch
seinen Schüler Hellin ^) genauer untersuchen.
Seine Wirkung ist der des Ricins so ähnlich, dass Ehrlich (1. c.)
es nochmals für notwendig erachtete, seine Sonderexistenz zu prüfen.
Es sind thatsächlich einige Unterschiede zu konstatieren, die es un-
zweifelhaft machen, dass das Abrin ein zwar dem Ricin sehr ähn-
licher, aber doch selbständiger Stoff ist.
Es ist viel weniger toxisch als das Ricin, zumal per os. Ehrlich
fand, dass dieselbe Verdünnung (1 : 100000) subkutan in 6 Tagen Mäuse
tötete, die beim Ricin schon nach 60 St. zum Exitus führte. Dagegen
fand Calmette (s. u.) für Kaninchen 0,5 mg pro kg in 48 St tödlich,
bei Mäusen 0,001 mg pro Tier. Römer** fand für 1 g Maus die Dos. let.
zu 0,0005 mg.
InlSltrationen treten zwar ebenfalls auf, doch sind Nekrosen selten.
Dagegen ist es eine spezifische Wirkung des Abrins, dass es um die
Injektionsstelle herum einen starken Haarausfall, bis zur völligen
Eahlheit bewirkt.
Der Sektionsbefund ist fast derselbe wie beim Ricin; außerdem
findet sich eine eigentümliche hydropische Degeneration des Herzmuskels
(Werhofsky «). Es wirkt im Gegensatz zu Ricin auch in kleinen Dosen
auf Fischblut (Lau 1. c).
Entscheidend aber ist der Umstand, dass sich gegen das Abrin eben-
falls eine Immunität erzeugen lässt, die gegen Ricin nicht schützt;
ebenso sind ricinfeste Tiere gegen Abrin nicht immun.
*) Brüylants & Yennehann, Le Jequirity. Bull. acad. m6d. Belgiqne, IH,
18, 147 (1884).
2) * Warden & Waddell, Non-bacillar nature of Abrus poison. Calcutta 1884.
3) Martix, The proteids of the seeds of Abrus. Proc. Roy. Soc., 42, 331 (1887).
— Martin & Wolfbnden, Physiolog. action of the seeds of Abrus prec. Ibid., 46,
94 (1889/90). — Martin, The toxic action of the albumose ftom seeds of Abrus
prec. Ibid., 46, 100 (1889/90).
«) Hellin, Der giftige Eiweißkörper Abrin. Diss. Dorpat, 1891.
^) Römer, Ueber Abrinimmunität. Arch. f. Ophthalm., 52, 90 (1901).
ö) Werhofsky, Beitr. z. pathol. Anat. der Abrinvergiftung. Zieglers Beitr. z.
pathol. Anat, XVIII, S. 116 (1895).
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-^ 177 —
Wirkung auf das Auge.
Die Wirkung auf die CoDJunctiva ist viel energischer als die des
Eicins: es treten nach AbriniDJektionen auch dauernde schwere Schä-
digungen der Cornea oder Panophthalmitis auf. Infolge der energisch
reizenden Wirkung wird das Abrin bisweilen in der Augenheilkunde
angewendet; die heftige Entzündung bringt häufig Gefäßbildungen
und Narben in der Hornhaut zum Schwinden. Die therapeutisch zu-
lässige Anfangsdosis ist nach Römern] für Kaninchen ca. 0,01 mg.
Man kann nach Ehrlich die Abrinwirkung dadurch regulieren, dass
man die Conjunctiva selbst mit steigenden Dosen immunisiert; Eöm£R^)
hat zu praktischen Zwecken diese Immunisierung sehr hoch getrieben,
da man dadurch schwerere Erscheinungen vermeiden kann, ohne die
therapeutische Wirkung zu beeinträchtigen. Dabei bildet sich in der
Conjunctiva selbst Antitoxin.
Ein Teil des Giftes wird femer von dort aus resorbiert und erzeugt
eine allgemeine Antitoxinbildnng und Immunität, wenn auch nicht so ener-
gisch, wie bei der subkutanen Injektion. Es wurde höchstens 500 A.E.
erreicht, die lokale Immunität tritt schneller ein als die allgemeine.
Passive Immunisierung der Bindehaut mit Antiabrinserum schützt nur so
langC; als das Antitoxin selbst noch vorhanden ist. Dagegen ist bei subku-
taner Einführung reichlicher Mengen Antitoxin auch das Auge geschützt.
Eine ausgebrochene Abrinophthalmie kann mit Heilserum lokal bekämpft
werden, selbst in sehr schweren Fällen. Auch subkutane Anwendung
großer Dosen wirkt heilend.
Eigenschaften des Abrins.
Versuche, über die Konstitution des Abrins eine Aufklärung zu
erlangen, sind von Hausmann 2) angestellt worden, der die Jacob vsche
Methodik für das Ricin (s. dort) auf das Abrin übertrug.
Abrin fällt bei 60proz. Sättigung mit Ammonsulfat, und lässt sich
durch mehrfaches Umfallen von einem Teil des beigemengten Eiweißes
befreien. Das so gereinigte Abrin wirkt sehr intensiv toxisch, häufig
so schnell, dass die Tiere sterben, ehe es zu Nekrosen und Darm-
erscheinungen kommt.
Dem Trypsin gegenüber ist Abrin wie Ricin beständig. Infolgedessen
gelang es wie beim Ricin, ein Präparat zu gewinnen, das bei sehr
hoher Giftigkeit keine Biuretreaktion mehr zeigte.
Dagegen ist die agglutinierende Wirkung gegen Pepsin- HCl sehr
viel resistenter als die des Ricins (s. d.), bei energischer Einwirkung
verschwinden schließlich die toxische und die agglutinierende Funktion
fast gleichmäßig.
1) Römer, üeber Abrinimmunität. Arch. f. Ophthalm., 52, 72 (1901).
2) Hausmann, Zur Kenntnis des Abrins. Hofm. Beitr., II, 134 (1901).
Oppenheimer, Toxine und Antitoxine. 12
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— 178 —
Sonst ist Über die chemische Natur des Abrins noch nichts Spezielles
auszusagen; soweit man weiß, verhält es sich in diesen Beziehungen
genau wie Kicin. Nach Calmette^) wird es durch Jodtinktur, Gold-
ehlorid und Hypochlorite unwirksam.
Es scheint wenig empfindlich gegen Verdauungssäfte zu sein. Nur
Hellin fand, dass es durch die Fermente des Darms zerstört wird.
Dagegen ist nach Nencki & Schoumow-Simanowski*) Pepsin auf
Abrin ohne Einfluss.
Ebenso fand Repin^), dass die verdünnten Verdauungssäfte und auch
die lebende Schleimhaut des Magens und Darmes, sowie die Darm-
bakterien unwirksam sind. Er nimmt vielmehr an, dass die geringere
Schädlichkeit bei Darreichung per os, die nach Henseval (1. c.) 200 bis
250mal kleiner ist als subkutan, dadurch bedingt ist, dass das Abrin
einerseits sehr empfindlich gegen Säuren ist, also wohl im Magen zum
Teil zerstört wird; andrerseits aber ist es außerordentlich schwer diflFu-
sibel. Er fand, dass nach 48 St. noch nicht 1 : 250 gegen Wasser
herausdialysiert war. Es bleibt also deshalb im Darme, und er konnte
es in den Faeces wiederfinden. Doch giebt Henseval (1. c.) an, dass
es von Dttnndarm und Rectum auch absorbiert wird, sowie von der Blase
und dem Peritoneum.
Calmette & D^l^arde haben die Ausscheidung des Abrins unter-
sucht. Das Herzblut der vergifteten Tiere erwies sich nach großen
Dosen (10 mg intravenös) als toxisch; der Harn dagegen als völlig frei.
Andererseits aber fanden sie, dass das Abrin unverändert im Darmtractus
wiedererscheint, wenn man es Kaninchen intravenös giebt. Sowohl
Herzblut wie Darminhalt immunisierter Tiere enthielt das eingeführte
Gift nicht.
Interessant ist, dass Calmette^) mit Hilfe der spezifischen Antitoxine
nachweisen konnte, dass die vergifteten Holzspänchen, mit denen die Inder
aus böswilliger Absicht Haustiere vergiften, mit Jequiritykömchen gespickt
sind; auch mit Schlangengift imprägnierte Lappen, die Rindern in das Rectum
gestopft werden und sie so vergiften, konnten auf diesem Wege als solche
erkannt werden.
Einige Versuche über das Antiabrinserum, die Calmette & Del]£ardb
angestellt haben, mögen hier noch erwähnt werden.
Das Antiabrin verliert bei 58" seine Wirksamkeit. Chlorkalk und
Goldchlorid sind ohne Wirkung.
Nach Hausmann (1. c.) wird durch sehr geringe Antiabrindosen die
^] Calmette & Delearde, Sur les toxines non microbiennes. Ann. Fast, X,
675 (1896).
2) Nencki & Schoumow-Simanowski, Die Entgiftung d. Toxine d. d. Ver-
dauungskanal. C. f. Bakt, 23, 840 (1898).
3) Repin, Sur TabBorption de Tabrine par les muqueuBes. Ann. Fast, IX, 617 (1895).
4) Calmette, Sur le s^rum antiv^nimeux. Compt. rend. de TAc, 122, 203 (1896).
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— 179 —
Agglutinienmg erheblich beschleunigt, was wohl durch die Beseitigung
hindernder, an sich unwirksamer Proagglutinoide (Protoxoide) zu er-
klären ist.
Bei der Mischung von Abrin und Antiabrin entsteht wie beim Ricin
ein starker Niederschlag, auch wenn man biuretfreies Abrin verwendet
Das Erotin.
Ein drittes, dem ßicin nahestehendes Toxin findet sich in den
Samen von Groton tiglium, einer ostindischen Euphorbiacee, aus denen
das Krotonöl, das stärkste uns bekannte Drasticum dargestellt wird.
Stillmarck (1. c.) hat zuerst mit analogen Methoden wie zur Ricin-
bereitung das toxische Prinzip dieser Samen dargestellt.
Einer genaueren Untersuchung wurde das Krotin von Elfstrand i)
unterzogen. Er extrahierte die mit Alkohol und Aether entölten Samen
mit Wasser, lOproz. Kochsalzlösung oder Glycerin, fällte den wirksamen
Bestandteil mit Alkohol oder Ammonsulfat, und reinigte ihn durch
Dialyse.
Es zeigt eine weitgehende Analogie mit den anderen Toxinen. Bei
70° wird es in Lösung zerstört, die trockenen Samen bei 110® ent-
giftet. Pepsinsalzsäure soll es zerstören.
Toxische Wirkungen des Kretins.
Für Frösche fand Elfstrand die letale Dosis zu etwa 0,23 g pro
kg. Die Tiere starben unter progressiver Lähmung, Abnahme der
Reflexerregbarkeit und der faradischen Erregbarkeit, die erst das Gehirn,
dann Rückenmark, Nerven und schließlich auch die Muskeln befällt.
Hyperämie und Ekchymosen der Darmschleimhaut finden sich auch
hier wieder. Auf das Herz hat auch das Erotin nur geringen Einfluss,
auch die Endorgane der motorischen und sensiblen Nerven werden
nicht beeinträchtigt.
Hechte sterben nach 0,04—0,1 pro kg unter Dyspnoe und
Lähmung.
Bei Warmblütern (Kaninchen, Hunde, Katzen, Ratten, Hühner
u. s. w.) treten lokale Infiltrationen und Nekrosen auch beim Krotin auf,
wenn auch geringfügiger Natur. Es ist weit weniger giftig als Ricin
und Abrin (letale Dosis ca. 0,05 — 0,1 pro kg), und auch wieder per os
sehr viel weniger wirksam.
Die Allgemeinwirkungen sind denen des Ricins sehr ähnlich: Krämpfe,
Sinken des Blutdruckes, Herabsetzung der Temperatur, Respirations-
lähmung u. s.w. Auch eine geringe Augenwirkung ist nachzuweisen.
Der Sektionsbefund ist ebenfalls ganz ähnlich.
*) Elfstrand, üeber blutkörperchenagglutinierende Eiweiße. Görbersdorfer
Veröffentlichungen, herausg. von R. Kobert. Stuttgart, F. Enke, 1898, 1.
12*
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180
Die Wirkung auf das Blut.
Elfstrand fand, dass Erotin auf das Blut von Rindern, Schafen,
Schweinen, Hechten und Fröschen agglutinierend wirkt, sehr wenig auf
das Blut von Katzen, fast gar nicht auf Menschenblut, gar nicht auf
das Blut von Hunden, Meerschweinchen, Ratten, Huhnem, Gänsen und
Tauben.
Lau (1. c.) ergänzte diese Befunde insofern, als er Agglutination beim
Barschblut, keine dagegen bei der Katze und dem Igel fand. Beide
fanden beim Kaninchenblut keine agglutinierende, sondern eine
hämolytische Wirkung. Die präzipitierende Wirkung auf Serum soll
beim Krotin fehlen. Auf gewaschene Erythrocyten und Stromata wirkt
es ebenfalls agglutinierend. Sauerstoff soll die Krotinwirkung befördern,
dagegen im Serum antitoxische Stoffe vorhanden sein, die die Wirkung
hemmen. Auf Eiterzellen und andere Zellen hat es gar keinen oder
einen viel geringeren Einfluss als Ricin, dagegen koaguliert es Milch.
Mit der modernen Methodik der Hämoljsinforschung haben Ehrlich &
Morgenroth ^) sowie Jacoby^) die Wirkungsart des Krotinhämolysins
genauer untersucht
Morgenroth stellte fest, dass das Krotin ein Haptin ist, da er bei
Ziegen ein Immunserum erzielen konnte.
Jacobt fand für die Zusammensetzung des Krotinolysins aus Am-
boceptor und Komplement keine Anhaltspunkte, neigt vielmehr dazu,
es als Haptin erster Ordnung wie das Ricin aufzufassen.
Nach seinen Versuchen mit partieller Absättigung (vergl. im Allg.
Teil) konstatierte er, dass das Krotin eine ähnlich komplexe Natur be-
sitzen muss, wie das Diphtherietoxin, nur ist zu bemerken, dass minimale
Dosen von Antitoxin die Giftwirkung in geringfügiger Weise steigern,
also gänzlich ungiftige Prototoxoide fortschaffen, die einen Teil der
Zellrezeptoren in Anspruch nehmen, und dadurch die Giftigkeit sogar
verringern. Dann wird sehr schnell bei steigenden Antitoxindosen
der Hauptteil des Giftes neutralisiert und dann folgt eine breite Zone
sehr geringer Avidität, also Toxone, die nicht mehr zur kompletten
Hämolyse führen, mit denen Jacoby aber immunisieren konnte.
Wie bei anderen Blutgiften (s. z. B. b. Arachnolysin) geht auch hier
die Unempfindlichkeit mit der Unfähigkeit, Gift zu binden, parallel.
Hunde und Meerschweinblutscheiben binden fast gar kein Krotin.
Ein thermostabiles Antikrotin, das scheinbar nach quantitativen Gesetzen
die Krotinwirkung henmit, fand Jacoby in dem Extrakte von Magenschleim-
haut.
1) Ehrlich, Verb. Ges. Charit^-Aerzte , Febr. 1898. Berl. klin. Woeb., 1898,
Nr. 12.
2} Jacoby, lieber Crotin-Immunität Hofm. Beitr., IV, 212 (1903).
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— 181 —
Das Bobiü.
Ein viertes, dem Ricin ähnliches pflanzliches Toxin, das zuerst von
Power & Gambier^ 1890 entdeckt und als Phytalbumose beschrieben
wurde, ist das Robin. Seine blutagglutinierende Eigenschaft wurde
ebenfalls von Robert aufgefunden. Es findet sich in der Rinde der
sog. Akazie, Robinia pseudacacia.
Seine Giftigkeit hat schon häufig zu Vergiftungen bei Menschen und
Tieren geftihrt, wofür Lau (1. c.) mehrfache Daten angiebt.
Es wirkt auf das Blut ganz analog wie das Ricin, nur ist die
Wirkung beträchtlich schwächer, und versagt bei Hunde-, Katzen- und
Menschenblut ganz.
Ebenso ist seine Toxizität ungleich geringftlgiger als die des Ricins
und Abrins. Erst die durch Ferrocyankalium von Beimengungen be-
freite, und mit Essigsäure wieder ausgefällte gereinigte Masse von 10 g
Robin (käufl. Merck.) tötet ein 1-Kilo-Kaninchen in 4 Tagen. Sektions-
befund: Nephritis, sonst nichtp Besonderes.
Ehrlich gelang es, gegen Ro bin zu immunisieren, und er fand die
Thatsache, dass hochimmunisierte Tiere auch gegen Ricin festwerden;
er neigt also dem Gedanken zu, dass das Robin ein Toxoüd des
Ricins ist; dass derartige Ricintoxoide existieren, hat ja, wie wir sahen,
Jacoby wahrscheinlich gemacht.
Eine genauere Untersuchung des Robins wäre dringend zu wünschen,
da diese Frage von größter prinzipieller Wichtigkeit ist.
IV. Die tierischen Toxine (Zootoxine).
Die Schlangentoxine.
So lange auch die Giftschlangen schon in den breitesten Volks-
schichten Furcht und Interesse erweckt haben, so jung ist die Geschichte
der Erforschung ihrer Gifte. Merkwürdigerweise, muss man woh
sagen, denn eigentlich hätte doch wohl kaum etwas den Gelehrten näher-
liegen sollen, als die neugefundenen Erkenntnisse auf dem Gebiet der
Giftlehre, speziell der alkaloidähnlichen Pflanzengifte nun auf das Stu-
dium dieser ftlr den Forscher ebenso interessanten, wie ftlr die Volks-
hygiene wichtigen Gifte zu tibertragen. Sterben doch allein in Indien
über 20000 Menschen jährlich durch den Riss der Naja tripudians, der
Brillenschlange. Und trotzdem blieb dies Gebiet fast völlig unbe-
kannt, bis durch die Arbeiten ttber die Gifte der Bakterien, die be-
sonders von Metschnikopf, Roüx und Yersin inauguriert wurden, sich
das Interesse auf diese Stoffe, die eine ähnliche märchenhafte Giftigkeit
1) Power & Cambier, Pharmac. Journal , 1890, 711. Pharm. Rdach., Febr
1890, S. 30.
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— 182 —
besitzen, lenken musste. Dazu kamen noch äußere Gründe. Das Ma-
terial für diese Arbeiten ist, soweit es wenigstens die wichtigsten Gift-
schlangen betrifft, kaum in Europa zu erhalten gewesen; erst als einer-
seits die amerikanische Medizin ihren gewaltigen Entwicklungsgang be-
gann, und andererseits das Aufblühen der Tropenmedizin mit der
Gründung der modernen Kolonialreiche einsetzte, trat auch das Studium
der tropischen Giftschlangen in den Vordergrund. Damit soll natürlich
nicht gesagt werden, dass nicht die Giftigkeit des Schlangengiftes viel-
fach untersucht wurde; dies ist namentlich an den südeuropäischen
Vipern geschehen, und wir werden diese älteren Arbeiten gelegentlich
streifen. Aber eine zielbewusste chemische und pharmakologische Unter-
suchung der eigentlichen Giftstoffe setzte erst relativ spät ein, als durch
die Bakteriengifte ganz neue Horizonte erschlossen wurden. Von den
älteren Arbeiten seien vor allem die von Fontana^), Faybeb & Brünton^)
und Wall 5) erwähnt, deren einzelne Angaben uns noch beschäftigen
werden.
Natürlich richtete sich, wie fast überall in der Geschichte der Toxine,
die Aufmerksamkeit zunächst auf alkaloYdähnliche, den Ptomalnen vergleich-
bai-e Stoffe. So stellte dann zuerst Gautiee 1881 aus dem Gift von Naja
einerseits und Trigonocephalus (der amerikanischen Lanzettschlange) zwei
alkak)][dähnliche Stoffe her, das Nalfn und Elaphin; er musste indessen
selbst erkennen, dass diese Stoffe relativ harmlos sind ; und so blieb hier der
Wissenschaft die Enttäuschung erspart, die sonst fast überall der anfänglichen
üeberschätzung der Ptomalne folgte.
Gaütieb erklärt demzufolge, dass das »wirklich wirksame Prinzip
des Schlangengiftes zwar stickstoffhaltig, aber nicht alkalo'idähnlich« ist.
Um dieselbe Zeit nahmen in Amerika Weib Mitchell & Reichebt*)
das genauere Studium der Schlangengifte auf
Etwas intensiver hatte man sich schon früher mit den Giften der
europäischen Vipern (Pelias berus) beschäftigt (Fontana, Valentin*)
u. a.}. Mit diesen Arbeiten beginnt das eigentliche Entwicklnngsstadium
dieses neuen Zweiges der Biologie. Es folgen dann die grundlegenden
Arbeiten von Calmette, denen wir neben Mabtin, Fbaseb und Phisalex,
sowie den ganz modernen Untersuchungen von Flexneb, Eyes und
Sachs, fast alles Wesentliche verdanken.
1) ♦Fontana, Trattado del veleno deUa vipera 1787.
^ Faybeb & Bbunton, On the Natnre of the Poison of Naja tripudians etc.
Proc. Roy. Soc, 22, 68 (1874).
^ Wall, On the poisons of certain species of Indian snakes. Proc. Boy.
Soc, 32, 333 (1881).
^) Weir Mitchell & Reichert , Researches upon the venoms of poisoneons
serpents. Smithsonian Contrib., Nr. 647. Philadelphia 1885. Washington 1886.
Cit. n. Flexner 1. c.
s) Valentin, Einige Beobachtg. tib. d. Wirkg. des Vipemgiftes. Z. f. BioL,
Xni, 80 (1877).
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~ 183 —
Durch einen glttcklichen Zufall bekam Calbiette i), damals Chef des
bakteriologischen Instituts zu Saigon, im Oktober 1891 22 frische
Giftdrüsen der Brillenschlange in die Hand, und er nahm diesen Um-
stand als Ausgangspunkt seiner klassischen Untersuchungen.
Die eigentliche Giftquelle sind die den Speicheldrüsen ähnlich ge-
bauten Giftdrüsen der Schlangen; indessen fand Galmette 2) auch
das Blut der Cobra ziemlich giftig. 2 cm^ töteten ein 1500 g schweres
Kaninchen intravenös in 3 Minuten. Leber und Galle dagegen sind
nicht giftig. Auch das Blut sonst ungefährlicher Sehlangen (Tropidonotus)
ist nach Phisalix & Bertrand ^j giftig. Dieses Blutgift zeigt einige
Eigentümlichkeiten, auf die wir noch zurückkommen werden.
Die Giftdrüse der Naja entleert beim Ausdrucken ca. 3 g eines
durchscheinenden fadenziehenden Saftes, der sich an der Luft zu Klum-
pen zusammenballt. Calmette*) behandelte nun diese Drüsen mit Gly-
cerin, mit destilliertem Wasser und mit lOproz. Kochsalzlösung und er-
hielt stets Extrakte von sehr groBer Giftigkeit. Am energischsten wirkt
das Toxin direkt intravenös injiziert, weniger subkutan, von dem Peri-
toneum und der Trachea; vom Darm aus wirkt es gar nicht.
Die Menge des sezernierten giftigen Speichels fand Calmette (1895)
durchschnittlich zu 0,135 g , entsprechend ca. 30 — 45 mg Trockensub-
stanz, wenn er 8 — 14 Tage zwischen den einzelnen Bissen verstreichen
ließ. Nach 2 Monaten dagegen lieferte jeder Biss bis ca. 0,22 g Spei-
chel. Die größte Menge, die er aus 2 Giftdrüsen eines toten Tieres
extrahieren konnte, war 1,136 g = 0,48 Trockensubstanz. Aehnliche
Zahlen ergaben Untersuchungen anderer Giftschlangen.
Es findet also durchwegs eine beträchtliche Erhöhung der sezernier-
ten Menge und damit der Gefahr eines Bisses statt, wenn die Schlange
längere Zeit nicht gebissen hat. Bei winterschlafenden Schlangen, z. B.
den europäischen Vipern ist also im Frülyahr der Biss am gefährlichsten.
Darstelliing des giftigen Prinzips.
In auch nur annähernd reinem Zustande sind Schlangentoxine nicht
dargestellt. Die Methoden der Eonzentrierung sind stets dieselben wie
bei allen Toxinen und Enzymen.
Wässrige, Kochsalz- oder Glycerinextrakte enthalten das giftige
Prinzip, das nun durch verschiedene Fällungen, Dialyse u. s. w. gereinigt
wird.
Martin konnte einen Teil des inaktiven Ballastes durch fraktionierte
Koagulation entfernen, da aus seinem in0,9proz. NaCl-Lösung gelösten
^) Calmette, l^tude exp^rimentale da venin de niga tripudians. Ann. Fast,
VI, 160 (1892).
2) Calhette, Snr la toxieit^ da sang de cobra. Soc. Biol., 46, 11 (1894).
3) PmsALix & Bertrand, S. 1. pr^Bence des glandes yenimeases ohez les coa-
leuvres. Soc. Biol., 46, 8 (1899).
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— 184 —
Hoplocephalusgift bei 85® ein fremder Bestandteil sich ausschied,
während das eigentliche Gift bei 90° noch wirksam blieb.
Calmette^) verfährt neuerdings zur Gewinnung eines beständigen,
ziemlich von Eiweißstoflfen befreiten Giftes folgendermaßen: Er filtriert
eine Lösung von 1 g Cobragift in 100 Teilen Wasser durch sterilisiertes
Filtrierpapier, schließt luftdicht in ein Glasrohr ein und erhitzt ^/^ Stunde
auf 75*^, nach 24 Stunden auf 80°, dann filtriert er durch Papier die
ausgeschiedenen Stoffe ab und dialysiert. So erhielt er 42 mg eines
trockenen Rückstandes, der noch Biuret- und MiLLOxsche Reaktion
giebt, sonst aber keine Eiweißreaktionen. Das Gift passiert glatt durch
CHAMBERLAND-Filter.
Chemische Natur des Toxins.
Nachdem die Alkalo'ide sich als unwirksam erwiesen hatten, kam
nun, wie überall, die Periode der Toxalbumine, die bei den Bakte-
riengiflien heute so gut wie überwunden ist. Auch die Schlangengifte
sind wahrscheinlich keine Eiweißkörper im engeren Sinne und so haben
denn die Versuche, die mit ihnen verbundenen Eiweißstoffe näher zu
untersuchen, vorwiegend nur noch historisches Interesse.
Weib Mitchell fand im Gift von Crotalus durissus (Klapperschlange)
Albumine, Wolfenden 2) verschiedene Eiweißstoffe (Globuline, Albumin, Al-
bumosen) bei Naja und Daboia, kein Pepton. Kanthack 3] hält das Gift
fttr eine Protalbumose. Mabtin & Smith ^ fanden bei Pseudechis porphy-
riacus und Hoplocephalus curtus ein ungiftiges Albumin, kein Pepton, aber
zwei giftige Albumosen, eine Hetero- und eine Protalbumose.
lieber die Konstitution der Toxine selbst ist noch nichts bekannt.
Eigenschaften des Toxins*
Das Schlangengift zeigt alle Eigenschaften, welche den noch nicht
reinen Toxinen zukommen, in Bezug auf Fällbarkeit u. s. w. Nur soll
das Cobragift nach Calmette nicht mit fi'isch gefälltem Calciumphos-
phat mitgerissen werden, was sonst eine allgemeine Eigenschaft aller
dieser Kolloide ist. Es ftlUt auch nicht mit Magnesiumsulfat, enthält
also keine Globuline.
Es dialysirt langsam, aber merklich. Vipemgift wird beim Passieren
durch Porzellanfilter geschwächt (Phisalix*). Gegen Erwärmen ist es
weniger empfindlich als die anderen Haptine. Cobragift lässt sich
1) Galmetie, Sar le yenin des serpents etc. Ann. Fast, XI, 214 (1897;.
2) Wolfenden, The venom of the indian cobra. Jonrn. of phys., VII, 327
(1886. — Der 8., The venom of the indian viper (Daboia). Ibid., 367.
3) Kanthack, The Nature of Cobra poiaon. Jonrn. of phys., XIII, 272 vl893).
^) Martin & Smith, The venom of the anstralian black snake. Proc. B. S.
New-South- Wales, 1892, 240. Malys Jb., 1894, 404.
5) Phisalix, Soc. BioL, 48, 233, 666 (1896).
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eine Stunde lang anf 90° erhitzen und tagelang auf 38°, wird bei
97° in einer halben Stunde wenig geschädigt, yerliert aber bei 98° in
Y2 Stunde völlig seine Wirkung. Dagegen ist gereinigtes Gift
{Calmette 1897) schon gegen 80° recht empfindlich, in destilliertem noch
mehr als in kochsalzhaltigem oder Glycerinwasser. Diese Erscheinung
findet sich auch bei allen Haptinen wieder. Wichtig ist, dass das
Blutgift der Cobra beträchtlich empfindlicher ist als das Speichelgift,
da es schon bei 68° in 10 Minuten zerstört wird (Calmette & D6-
LEARDE^).
Faradische Ströme sind einflusslos, dagegen wirken in Kochsalz-
lösung konstante Ströme durch Elektrolyse und Chlorerzeugung
schädlich. Viperngift soll dagegen darch Ströme hoher Spannung
geschädigt werden (Phisalix).
Es erscheint resistent gegen: schwache Karbolsäure, Sublimat 1 : 1000,
Kupfersulfat, Jod, Jodkalium, Alkohol, Aether, Chloroform, ätherische
Oele. Ammoniak schädigt selbst in großen Dosen erst nach längerer
Zeit (Kanthack). Dieses vielgepriesene Heilmittel hat also wenigstens
auf das Gift selbst gar keine Wirkung. Gift von Vipera aspis hielt
sich 20 Jahre lang in einem Spiritusexemplar der Schlange (Maison-
NEÜVE^).
Dagegen erwies sich Permanganatlösung (Iproz.) als schädlich für
das Gift und rettete die Tiere auch noch bei unmittelbar nach der
Vergiftung an derselben Stelle vorgenommener Injektion fast stets;
aber schon nach ganz kurzer Zeit war die Injektion erfolglos, ebenso
bei Einführung an anderer Stelle, auch intravenös oder in nächster
Nachbarschaft der Intoxikationsstelle. Auch Chlorkalk wirkt schäd-
lich (Phisalix & Bertrand ^j. Noch intensiver wirkt Goldchlorid,
während Platinchlorid wirkungslos ist.
Eine Iproz. Goldchloridlösung vernichtet schon in geringer Menge die
Wirksamkeit des Giftes. Es schützt auch bei Einführung an anderen Stellen,
auch gegen ziemlich große Dosen, und auch noch kurze Zeit nach der Ver-
giftung. Calmette wollte diese Eigenschaft des Goldchlorids zu therapeu-
tischen Zwecken benutzen, doch sind diese Versuche durch seine eigenen Ent-
deckungen einer wirksamen Immunisierung und Serumtherapie bedeutungslos
geworden.
Sehr interessant sind Versuchsreihen, die eine große Empfindlichkeit
der Schlangengifte gegen einige an sich völlig indiflferente Stoffe er-
^) Calmette & Del^arde, Sur les toxines non microbiennes. Ann. Fast,
X, 676 (1896).
^ Maisonkeuve, Longue couBervation de la yimlence du venin des SerpentB.
Compt. rend. de PAcad., 123, 513 (1896).
3) Phisalix & Bertrakd, Soc. Biol, 47, 443 (1895).
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— 186 —
weisen, auf die besonders von Phisalix^) in mehreren Arbeiten hin-
gewiesen wurde.
Als solche erwiesen sich Tyrosin und Cholesterin.
Auch Pilzextrakte mit Chloroformwasser sollen schützen, die auch
bei vorheriger Injektion immunisierend wirken , und zwar bis
25 Tage lang, beginnend 24 Stunden nach der Einführung, speziell
gegen Viperngift.
Eine Unwirksammachung giftiger Haptine durch diese Stoflfe, die
auf einer Bindung des giftigen Prinzips beruht, ist auch bei manchen
anderen Toxinen (Tetanus, Botulotoxin) berichtet worden.
Wirkung von Organextrakten und Sekreten.
Ausgehend von der Thatsache der Resistenz der Schlangen, auch
der harmlosen, suchte man femer nach Gegengiften gegen die Schlangen-
toxine in Organextrakten.
Besonders die Galle ist in vitro ein wirksames Antitoxin. Wie die
Bakteriengifte, so werden auch im allgemeinen die Schlangengifte durch
Galle angegriflfen. Ob die Galle nur einfach zerstörend wirkt, wie z. B.
auf Diphtherietoxin, oder auch ein spezifisches Antigift enthält, ist noch
nicht sicher; wir werden darauf noch zurückkommen. Eine rein che-
mische Beeinflussung ist indessen anzunehmen, denn nach Calmette^
wirkt auch das glykocholsaure Natrium derartig, so dass man wohl die
allgemeine Gallenwirkung darauf zurückführen kann. Diese Eigen-
schaft behält die Galle auch nach dem Erhitzen auf 100°, verliert sie
dagegen bei 120°.
Bezugnehmend auf die Seitenkettenimmunität beim Tetanus suchte
Myers^) nach einer anti toxischen Funktion der Organe, fand aber eine
solche nur im Extrakt der Nebennieren. Auch dieser soll aber nur
in vivo resistenzsteigemd , nicht aber spezifisch antitoxisch wirken.
Auch Calmette^) fand, dass Nervensubstanz nicht bindet, ebensowenig
Leberextrakt.
Flexner & NoGüCHi^) haben verschiedene Organe auf ihren Neu-
tralisationswert gegenüber einer dreifach tödlichen Dosis von Copper-
headgift geprüft, die das Kontrollmeerschwein in 45 Minuten tötete.
*) Phisalix, La tyrosine Vaccine cbimiqne du venia du vip^re. Compt rend.
de TAcad., 126, 431. — Ders., Lee sncB de Champignons vaccinent contre le venin
de vip6re. Ibid., 127, 1036 (1898).
2) Calmette, Sor le m^canisme de rimmunisation contre les venins. Ann.
Paßt, XII, 343 (1898).
3) Myers, Cobra poison in relation to Wassermanns new theory of immunity.
Lancet, 1898, II, 23.
*) Flexner & Noguchi, Snake venom in relation to haemolysis etc. Journ.
of exper. med., VI, 277, (1902). S. A.
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Nur das Gehirn zeigte eine energisch schützende Wirkung. Das Tier
starb erst nach 19 Stunden und ein anderes überlebte die zweifache
Dos. let, die das Kontrolltier in 5 Stunden tötete. Die anderen Organ-
breie bewirkten nur erhebliche Verzögerungen.
Das Hämolysin wird gar nicht gebunden.
WirkungBart der Schlangengifte.
Wie wir später ausführlich zeigen werden, bestehen die Schlangen-
gifte neben den beiden spezifischen auf Blutkörperchen wirkenden
Agentien, die gesondert besprochen werden sollen, ans zwei giftigen
Komponenten, dem Neurotoxin und dem Hämorrhagin. Da letzteres
hauptsächlich beiCrotalns eine Rolle spielt, bei der Cobra fast ganz
fehlt, so beziehen sich die folgenden Angaben zunächst auf das Neuro-
toxin der Cobra und anderer Schlangen.
Dieses Gift ist von ungeheurer Wirkungskraft. Calmettes erstes
Glycerinextrakt tötete in einer Dosis von einem Tropfen Satten und
Tauben in weniger als einer Stunde, Hühner und Kaninchen in wenig
mehr Zeit.
Maetin^j fand bei Hoplocephalus curtus (Tigerschlange) die Dosis
letalis für 1 kg Kaninchen zu 0,03 mg. Dies Gift soll das wirksamste
sein. Valentin fand bei der Vipera aspis = ca. 0,5 mg für den Frosch.
Flexneb & NoGüCHi (1. c.) bei der Copperheadschlange (Ancistrodon con-
tortrix) für Meerschweinchen zu 0,3 mg.
Calmette^) giebt an, dass bei einer Naja, die während 8 Monaten
keinerlei Nahrung zu sich nahm, das Gift sich in seiner Wirksamkeit
beträchtlich steigerte. Töteten zuerst 0,7 mg trockenen Gfiftes ein
Kaninchen Ton 1700 g, so genügten nach 2 Monaten 0,25 mg und nach
dem Tode des Tieres 0,1 mg (für ein Kaninchen von 2000 g). Aehn-
liches beobachtete er bei einer andereren Cobra während 3 Monaten.
Eine vergleichende Bestimmung der Giftigkeit ergab folgende Tabelle:
Dos. let. Kaninchen
do. Meerecbwein
3—4 Stunden
1600—2000 g
460— ßöOg
Naja tripudians (1—3)
0,3—0,6 mg
0,05 mg
Naja haje (4—6)
0,3-0,7 >
0,07 .
Cerastes (Homviper) (7—8)
1,5 2,0 .
0,1 »
Crotalus
3,5 >
0,3 .
Trigonocephalus
2,5 >
0,2 .
Hoplocephalus
2,5 »
Acantophis (Todesschlange)
1,0 .
0,08 .
1) Martin & Cherrt, Tbe natura of the antagonism between toxins and anti-
toxin. Proc. Roy. See, 63, 420 (1898). — Martin, Relation of tbe toxin and anti-
toxin of snake yenom. Ibid., 6i, 88 (1899).
2j Calmbtte, Contrib. ä Pötude des venine. Ann. Past, IX, 226 (1895).
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— 188 —
Das Meerschweinchen ist also ca. doppelt so empfindlich wie das
Kaninchen. Der Hund ist noch weniger empfindlich. Das Schwein,
der Igel nnd die Manguste, (Herpestes) eine kleine Viverridee der An-
tillen, sind fast refraktär. Eine Mangaste starb erst nach 8 mg Cobra-
gift. Der Igel ist wenigstens gegen den Biss der Viper wenig empfind-
lich. Nach Phisalix & Bertrand i) braucht man die 40fache für
Meerschwein tödliche Dosis. Das Blut des Igels ist dann selbst giftig,
diese Giftigkeit verschwindet beim Erwärmen.
Fast refraktär, aber auch nicht absolut, sind die Schlangen selbst,
seien es Giftschlangen oder harmlose, wie die Ringelnatter (Dos. letalis
0,03 g) (Fräser 2), Phisalix & Bertrand*}.
Auch Fische, Eidechsen, Würmer sind nicht völlig refraktär.
Die meisten Schlangengifte erzeugen zunächst wie andere Toxine
auch schwere Lokalerscheinungen. Heftige Entzündung, Oedeme, Hä-
morrhagieen, selbst Nekrosen treten auf.
Jedoch scheinen diese lokalen entzündungserregenden Wirkungen
des Schlangentoxins kein integrierender Bestandteil der Gesamtwirkung
zu sein, wie wir es ganz analog bei den anderen Toxinen gefunden
haben. So wird nach Calmette (1895) die lokale Wirkung durch Er-
wärmen auf 80° sehr geschwächt, die allgemein toxische nicht. Nach
Kaufmann 3) wirken Chromsäure und Permanganat ganz ähnlich.
Sie sind femer bei den Schlangengiften verschiedener Herkunft
sehr verschieden intensiv. Cobragift zeigt sie wenig, Crotalus sehr
heftig. Wie schon Mitchell «Sc Reichert annehmen, und die neueren
Arbeiten (s. u.) stützen, sind diese pyrogenen StoflFe von dem eigentlichen
neurotoxischen Prinzip durchaus zu trennen. Wohl aber hängt
ihre Wirkung mit dem zweiten Hauptbestandteil, dem Hämorrhagin
(s. u.) zusammen.
Die Resorption des Giftes ist eine ungeheuer rasche. Eine an der
Schwanzspitze geimpfte Ratte ist nach einer Minute durch Amputation
nicht mehr zu retten (Calmette 1. c), und stirbt bei einer DiflFerenz
von 5 Min. zu gleicher Zeit wie das Versuchstier.
Die Vergiftung verläuft auch beim Menschen höchst akut
Das gebissene Glied schwillt an, es folgt Zusammenziehung des
Mundes, Zusammenpressen der Zähne, Ohnmächten, der Tod erfolgt im
tiefsten Koma.
Die Mortalität schwankt zwischen 25 und 45 j^. Sie ist sehr abhängig
von der Menge des eingeftlhrten Giftes. Hat die Schlange kurz vorher
gebissen oder wirken Kleidungsstücke schützend, so ist der Biss relativ
1} Phisalix & Bertrand, Glandes venimeuses cbez les conleuvres. Soo. Bio!.,
46, 8 (1894); 47, 639 (1895).
2) Fräser, Immanity against Buake poiBon. Brit med. joam., 1895, I, 1309.
3) Kaupmann, Sur le venin de la vip^re. Soc. Bio!., 46, 113 (1894).
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ungefährlich; furchtbar dagegen, wenn er eine gefäßreiche Stelle trifft.
Eine Injektion in die Venen ist fast stets tödlich.
Die AUgemeinerscheinnngen setzen ein mit Schwäche, Erbrechen,
Atemnot, Ptosis. Verlust der faradischen Erregbarkeit der Muskeln.
Unter Stillstand der Respiration erfolgt der Tod. Infolgedessen sind
Frösche, die die Lungenatmung länger entbehren können, eine Zeit-
lang zu erhalten (bis 30 St.).
Aehnlich wie bei der Cobra ist die Giftwirkung des Speichels von
Vipern (Vipera ßedii u. s. w.). A. Mosso^) fand beim Hund nach In-
jektion von 0,0077 g pro kg intravenös Steigerung der Atemfrequenz
mit bald darauffolgender (15Min.) Inspirationslähmung. Verminderung der
Herzaktion, die nach Aufhören der Atmung fortdauert. Durch künst-
liche Respiration lässt sich das Leben noch ca. 2 St. erhalten; auch
spontane Atmung stellt sich wieder ein; schließlich erlischt sie wieder
und das Tier stirbt ruhig nach leichten Kontraktionen.
Nach Phisalix & Bertrand^) töten 0,3 mg des Giftes von Vipera
aspis ein Meerschweinchen unter Hypothermie, Gefäßdilatation und
Hämorrhagieen.
Valentin fand eine Herabsetzung der SauerstoflFaufnahme.
Das Herz wird direkt nicht tangiert. Bei Naja egiziana stellten
schon Panceri & Gasco^) fest, dass das entblößte Herz eines Axolotl
in ihrem Gift unverändert weiterschlägt.
Der Blutdruck ändert sich bei künstlicher Atmung nicht. Sonst
allerdings tritt nach anfänglicher Steigerung ein Fallen des Blutdruckes
auf, wie schon Albertoni ^) angiebt. Auch Kaufmann'^) fand für Pelias
berus Herabsetzung.
Valentin«) beobachtete beim Frosch eine nach fünf Stunden mani-
feste Unerregbarkeit der Muskeln und Nerven. Das zentrale Nerven-
system wird früher unerregbar, als das Htiftgeflecht.
Es handelt sich also bei der Allgemeinvergiftung mit Schlangen-
toxinen vorwiegend um eine Wirkung auf das Zentralnervensystem,
und zwar vor allem auf die motorischen Kerne der MeduUa. Die peri-
pherischen Nerven dagegen sind beim Frosch wenigstens unempfind-
lich (Calmette). Bei dieser Wirkung tritt hauptsächlich die neuro-
1) A. Mosso, Die giftige Wirkung des Serum der Moreniden. Arcb. f. exper.
Path., 25, 111 (1888).
2) Phisalix & Bertrand, Toxicit6 du sang de la vip^re. Compt. rend. de
TAcad., 117, 1099 (1893).
3) Panceri & Gasco, Agli effetti del veleno della naja egiziana. Atti Acad.
Reale Napoli, 1873, p. 73. Cit n. Mosso 1. c.
^] Albertoni, Sali* azione del veleno della vipera. Lo eperimentale , 1879.
Cit n. Mosso.
5) Kaupmann, Soc. Biol., 48, 860 (1896).
«) Valentin, Einige Beobachtungen über die Wirkungen dea Vipemgiftes.
Z. f. Biol., XIII, 80 (1877).
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toxische Komponente in Aktion. Wir werden unten sehen, dass dies
nicht bei allen Schlangengiften so ist, vor allem nicht bei Crotalns, wo
die hämorrhagisch wirkende Komponente das Vergiftungsbild beherrscht.
Die hämolytische Komponente bleibt dabei ganz außer Betracht und
wird gesondert besprochen werden.
Da es sich bei dem Neurotoxin um ein spezifisches Gift ftlr das
Zentralnervensystem handelt, das nirgend wo anders gebunden wird,
monotrop nach Ehrlich*) ist, so ist seine intercerebrale Injektion
nicht wirksamer als die anderweitige.
Cobragift, das frei von Hämolysin und Hämorrhagin war, wurde
von Flexneb & Nogüchi (1. c.) intercerebral injiziert. Die Dos. let. war
nicht kleiner als bei subkutaner Injektion.
Ganz anders verhielt sich Crotalusgift, bei dem die Dos. let. 20 mal ge-
ringer war, wenn intercerebral injiziert wurde. Dieses Gift enthält nur wenig
Neurotoxin, es wird hauptsächlich anderweitig verankert. Die große Wirk-
samkeit der intracerebralen Injektion beruht hier thatsächlich auch nur auf der
hämorrhagischen Wirkung des Crotalusgiftes, und verschwindet deshalb mit
dem Erwärmen auf 75^, wobei das Hämon'hagin zerstört wird. Mokassin-
gift und das von Ancistrodon stehen in der Mitte, da bei ihnen beide Kom-
ponenten reichlich vorhanden sind.
Auf die Conjunctiva hat das frische Cobragift eine sehr heftige
Wirkung, ähnlich wie das Abrin. Jedoch lässt sich dem Gift diese
Eigenschaft durch Erwärmen auf 90° nehmen, ohne die Toxizität
wesentlich zu beeinträchtigen.
Eine Resorption von dieser Stelle aus scheint nicht stattzufinden,
wie sie andererseits beim Ricin beobachtet wird. Ganz dasselbe hatte
Valentin beim Vipemgift gefunden.
Die zwischen der Wirkung der einzelnen Schlangentoxine aufge-
fundenen Differenzen lassen sich zum allergrößten Teil auf den ver-
schiedenen Gehalt an den einzelnen Komponenten zurückfuhren, indem
bald das Neurotoxin, bald das Hämorrhagin tiberwiegt. Mitunter spielt
wohl noch das hämolytische Prinzip eine toxigene Rolle.
Besonders in Bezug auf die lokalen Erscheinungen (Oedeme, Nek-
rosen u. s. w.) unterscheidet sich das Gift der Crotalus, Trigonocephalus,
Cerastes durch eine viel erheblichere Wirksamkeit als das Cobragift.
Während man femer nach Calmette durch Erwärmen dem Cobragift
seine lokal reizende Wirkung ganz nehmen kann, geht beim Crotalusgift
nach Mc Farland^) bei gleichem Verfahren auch die Toxizität zum
großen Teile verloren. Farland konnte infolge der enormen Sehädi-
^) Ehrlich, Ueb. d. Bezieh, von cbemiacber Konetitution, Verteilg. u. pharm.
Wirkg. Festschr. f. Leyden, 1902. S. A.
2) Mc Farland, Immunization of animals to rattle-snake venom. Ref. C f.
Bakt, 29, 496 (1901;.
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- 191 —
gnogen subkutan überhaupt nicht immunisieren, sondern gelangte nur
durch intrayenöse Injektionen zum Ziel.
Wie Flexner & Nogüchi fanden, ist nämlich bei den Krota-
liden das eigentliche Gift ausschließlich das Hämorrhagin, die
nenrotoxische Komponente tritt gänzlich zurtlck, während sie beim Cobra-
gift das Bild völlig beherrscht. Mokassinschlange und Gopperhead (An-
cistrodon) enthalten beide Komponenten.
So kommt es, dass das Crotalnsgift und anderer verwandter
Schlangen (Pseudechis u.s.w.)Hämorrhagieen verursacht, die beim Cobra-
gift fehlen, worauf schon Mitchell & Reichert näher eingegangen
sind. Das Hämorrhagieen erzeugende Gift wird bei 75° zerstört und
damit ein Teil der Giftigkeit, so dass erst 10—20 Dos. let. unter Er-
scheinungen zum Tode führen, die der Vergiftung mit Cobragift ähneln,
also dem Neurotoxin zuzuschreiben sind.
Man könnte danach zunächst daran denken, dass hier das Hämolysin
die allgemeine Toxizität bedingt.
Nun kann man aber das Hämolysin, auf das wir sogleich näher
eingehen werden, durch Bindung an empfängliche Erythrocyten ent-
fernen: dabei bleibt aber die allgemeine Giftigkeit erhalten.
Daraus geht hervor, dass das Hämorrhagieen erzeugende Gift auch
nicht mit dem eigentlichen Hämolysin identisch ist, ebenso-
wenig wie mit dem Neurotoxin, sondern dass hier ein drittes selb-
ständiges Gift vorhanden ist, dem Flexner & Nogüchi den Namen
Hämorrhagin gegeben haben.
Dieses Gift ist auch im Cobragift enthalten, jedoch in lOfach ge-
ringerer Menge als bei der Mokassinschlauge und in hundertfach ge-
ringerer als bei der Klapperschlange.
Infolge des sehr verschiedenen Gehaltes der einzelnen Gifte an den
drei Komponenten Neurotoxin, Hämolysin und Hämorrhagin ist auch
das Verhältnis der letalen Dosis zu der gerade noch nachweisbaren
Hämorrhagindosis ein sehr wechselndes. So entspricht bei der Cobra
die Dos. let. (0,1 mg) einer hämorrhagischen Dosis, bei der Mokassin-
schlange (0,2) : 20, bei der Gopperhead 60 und bei der Klapperschlange
(1,0) der tausendfachen Dosis.
Die histologischen Veränderungen, die das Hämorrhagin an den
Gefäßen verursacht, sind von Flexner & Nogüchi genauer unter-
sucht worden.
Es handelt sich nicht um Diapedesis, sondern um Risse in der
Wand der Gefäße, die geradezu Löcher bekommen. Dabei tritt Stase in
den Gefäßen auf, femer Riesenzellen, die die kleinen Gefäße verstopfen.
Rote und weiße Blutkörper wandern gleichmäßig aus.
Sie fllhren diese Durchlöcherung der Gefäßwände zurück auf ein
spezifisches Cytolysin ftlr die Endothelien der Gefäßwand.
Andererseits findet Wall (1. c.) zwischen dem Gift der Colubridee
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~ 192 —
Cobra und der Viperidee Daboia Ilusseli doch recht beträchtliche
DiflFerenzen, die durch den verschiedenen Gehalt an den Einzelkompo-
nenten nicht ohne weiteres erklärt sind.
Das Daboiagift erzeugt sehr schnell heftige Konvulsionen, während deren
häufig der Tod eintritt, dann folgt erst Paralyse, die aber nicht, wie bei dem
Cobragift, speziell die Atmungswerkzeuge lähmt. Ueberhaupt wu-kt das
Daboiagift nicht so schnell auf die Atmung. Es bewirkt konstant Mydriasis,
dagegen fehlt die fttr Cobragift charakteristische Salivation. Cobragift erzeugt
nie, Daboiagift stets Albuminurie. Letzteres ist ein sehr heftiges Blutgift;
infolgedessen sind die Vergifteten auch dann noch in großer Gefahr, wenn
sie das erste Stadium der Konvulsionen und Paralysen überstanden haben;
wähi'end bei der Cobravergiftung die Entscheidung über Leben und Tod in
wenigen Stunden fällt, sterben bei der Daboia die Gebissenen noch bis zum
Ende der zweiten Woche.
In der That konnte Lamb^) für das Hämolysin der Daboia nach-
weisen, dass es einen von dem des Cobrahämolysins durchaus ver-
schiedenen Amboceptor besitzt (s. u.].
Tozoide des Sohlangentoxins.
Die Existenz von ungiftigen resp. schwächer giftigen, aber immuni-
sierenden Toxo^den des Schlangentoxins ist zwar nicht sichergestellt,
aber wahrscheinlich.
Phisalix & Bertrand 2) beobachteten, dass das giftige Serum der
Viper und Natter beim 15 Min. langen Erwärmen auf 58*^ zwar seine toxische,
aber nicht seine immunisierende Kraft einbüßt, ähnlich auch das Gift
von Vipera aspis nach einigen Minuten langem Erwärmen auf 75 — 90°.
Dieselben fanden, dass durch hochgespannte Ströme geschwächtes Gift
(s. 0.) noch immunisiert.
Auf Grund genauerer quantitativer Untersuchungen nach der Ehr-
LiCHschen Methodik hat Myers^) für das Cobrahämolysin Toxoide
nachgewiesen.
Flexner & NoGUCHi (1. c.) fanden unverkennbare Toxo^dbildung beim
Stehenlassen von Cobragift während drei Wochen. Die Dos. lei stieg
von 0,1 auf 0,4 mg, ohne dass die neutralisierende Antitoxindosis merk-
lich geringer vnirde, wenn 4 letale Dosen als Testgift benutzt wurden;
es bilden sich also Protoxoi'de aus. Noch schneller ging derselbe Prozess
im Brutschrank vor sich, wobei in 19 Tagen die Dos. let. auf das Zehn-
fache stieg, wobei allerdings außer Toxoidbildung auch eine partielle
1) Cit. n. Kyes, Berl. klin. Woch., 1903, Nr. 43.
2) Phisalix & Bertrand, Att^nnation da venin de vipere par la chaleur.
Compt. rend. de FAcad., 118, 288 (1894).
3) Myers, The interaction of toxin and antitoxin. Joum. of pathol., VI, 415
(190O).
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— 193 —
Zerstörung eintritt. Dagegen zerstören Pepsin und Papain das Gift ohne
Toxoldbildung ganz.
Aehnlich verhält sieh Cobrahämolysin. Dagegen ist das Hä-
morrhagin der Crotalus viel beständiger, während auch hier Neuro-
toxin und Hämolysin in Toxoide übergehen.
Das Hämolysin der Schlangengifte.
Die Analogie der Schlangengifte mit den pflanzlichen Toxinen und
femer besonders mit dem Gift des Aalblutes zeigt sich auch in seiner
in vitro wirksamen hämolytischen Funktion.
Auch fehlt bei vielen Schlangengiften die Wirkung in vivo nicht,
indem schon Fontana bei intravenöser Infektion von Vipemgift bei
Kaninchen Koagulationen u. s. w. beobachtet hatte, und andererseits das
Blut gestorbener Tiere ungerinnbar wird, wie Fayrer & Laüder-
Brünton^), Albertoni (1. c.) u. a. fanden, und Mosso (L c.) für das
Vipemgift bestätigte.
Beim Viperngift tritt als sekundäre Erscheinung, auf der Wirkung
einer Oxydase beruhend, Methämoglobinbüdung ein, die beim Cobra-
hämolysin fehlt (Phisalix2).
Die Blutwirkung der Schlangengifte ist dann von Flexner & Nogüchi^)
eines genaueren Studiums gewtlrdigt worden.
Sie arbeiteten mit den Giften von Naja tripudians, Crotalus adaman-
teus (Klapperschlange), Ancistrodon piscivorus (Mokassinschlange) und
Ancistrodon contortrix, die nur geringe Unterschiede zeigten.
Angewendet wurde Blut vom Hund, Kaninchen, Meerschwein, Schaf,
Rind, Schwein, Necturus und Frosch. Die B. K. wurden gewaschen;
dann trat reine Agglutination ohne Hämolyse auf. Am empfindlichsten
zeigte sich Kaninchen, dann Meerschwein, Hund, Schaf, Schwein und
Rind.
Die in defibriniertem Blute zu beobachtende Hämolyse steht in keinem
konstanten Verhältnis zur Agglutination der gewaschenen B. K. Bei 0*^
lassen sich die Hämolyse und die Agglutination getrennt beobachten,
da diese letztere von der Temperatur nicht abhängt.
Bei der Hämolyse ist Cobragift das stärkste, das der Klapper-
schlange das schwächste Agens. Hundeblut ist am empfindlichsten,
Rinderblut am wenigsten, wenn man von dem fast absolut refraktären
Froschblut absieht.
Die Hämolysine sind gegen Erwärmen recht beständig. 70 — 80°
schaden gar nichts, selbst 100° in 15 Min. wirken nur schwach schädigend.
*) Fayrer & Lauder-Brünton , On the Natare of the Poiacn of Naja tripu-
dians etc. Proc. Roy. See, 21, 371 (1873), 22, 68 (1874).
2) PmsALix, Action du venin de vip6re. Soo. Biol, 54, Nr. 27, 1902.
3) Flexner & Noouchi, Snake venom in relation to baemolysis. Joum. of
exper. Med., VI, 277 (1902). S. A.
Oppenheimer, Toxine und Antitoxine. 13
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Sie erinnern also an die wännebeständigen Bakterienlysine, dagegen
werden die Agglutinine bei 75— 80 in 30 Min. zerstört. Anch mit Vi g Norm.
HCl kann man das Hämolysin V2 St. auf 100° erhitzen. Dagegen wird
das Lysin durch dieselben chemischen Einflüsse wie die toxische Eom-
ponente zerstört (Ktes & Sachs s. n.).
Das hämolytische Prinzip ist von dem eigentlichen Nervengift durch-
aus verschieden. Die durch Gehimbrei atoxisch gemachte Giftlösung
hat alle lytischen Eigenschaften behalten und wirkt dadurch noch giMg.
Behandelt man es dann noch mit B. K., so wird es bei der Cobra, wo
kaum Hämorrhagin vorhanden ist, fast völlig entgiftet. Bei der Immu-
nisierung entsteht aber neben dem Antitoxin auch das Antilysin, so dass
AntiSchlangenserum auch die Hämolyse aufhebt.
Die Hämolyse tritt nur bei Gegenwart von frischem Serum auf,
dies ist auch fiir das Hämolysin des Viperngiftes von Phisalix*) be-
stätigt worden. Das Serum enthält ein Komplement, das Schlangen-
gift einen (hitzebeständigen) Amboceptor. Das Schlangenhämolysin
ist also kein einfaches Lysin, wie Ricin, Staphylotoxin u. s. w., sondern
ein Haptin zweiter Ordnung.
Es enthält eine Reihe verschiedener Ambozeptoren, die sich an ver-
schiedene B. K., nach der EHRLiCHschen Methodik, binden, aber niemals
wird das Gift dadurch gänzlich erschöpft. Diese Ambozeptoren zeigen
wieder verschiedene Affinität gegen verschiedene normale Komplemente,
so dass die mannigfachsten Kombinationen bald voll, bald schwach oder
gar nicht wirksam sind.
Wird das Blut erst durch Ricin agglutiniert, so wirkt das Schlangengift
doch hämolytisch, indem die farblosen Stromata agglutiniei*t bleiben.
Das Gift hat femer noch die Eigenschaft, die baktericide Funktion der
normalen Sera aufzuheben, wenn Y20 °^g &^f 1 cm^ Serum kommen. Nur
beim Nectnrusserum ist diese Wirkung inkonstant, die beruht auf einer In-
anspruchnahme der Komplemente, die beim Nectnms sich nicht stets binden.
In einer späteren Arbeit haben dann Flexner & Nogüchi^) das
Studium des Schlangenhämolysins fortgesetzt. Das frische Schlangen-
gift selbst enthält kein Komplement, es bewirkt also bei gewaschenen
B. K. nur Agglutination, nie Hämolyse.
Wohl aber enthalten die Schlangensera selbst bisweilen passende
Komplemente. Die Schlangengifte enthalten verschiedenartige Ambozep-
toren, die bald mehr Verwandtschaft zum Komplement des eigenen, bald zu
denen fremder Sera haben. Sie sind verwandt mit den Ambozeptoren der
Schlangensera, doch nicht stets identisch; letztere sind u. a. stets isokom-
plementophil.
1) Phisalix, Action du venin de vip^re etc. Soc. Biol., 54, Nr. 27 (1902).
2) Flexner & Noguchi, The Constitution of snake venom and enake sera.
üniv. of Pennaylv. Med. Bull., Nov. 1902. S. A.
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Während also die andern Gifte nnr mit Hilfe der Semmkomplemente
lösen, bewirktCobragift stets, auch nach noch so sorgfältigem Waschen,
teilweise Lysis. Dieser Umstand nnd femer, dass Cobragift auch von
erwärmten, also komplementfreiem Serum aktiviert wird, führte zu der
Annahme eines in den B. E. selbst sich befindenden Endokomple-
mentes für das Cobragift. Diese Annahme ist gleichzeitig vouEyes*)
und Kyes & Sachs 2) im EnRucHschen Institut bestätigt, und es sind
dabei außerordentlich interessante neue Beziehungen des Schlangengiftes
zu chemischen Stoffen der Blutkörper aufgefunden worden. Etes fand
zunächst, dass es zwei Arten von B. E. giebt, nämlich einerseits solche,
die an sich von Cobragift gelöst werden, wie z. B. Meerschwein, Hund,
Mensch, Eaninchen, Pferd, und andere, die nur unter Beihilfe eines
Eomplements gelöst werden, wie Rind, Hammel, Ziege. Für diese fand
nun Eyes passende Eomplemente und konnte so Flexners Annahme
einer komplexen Struktur des Cobralysins bestätigen.
Für die an sich löslichen konnte Etes die Annahme eines einfachen
Lysins nach dem Schema des Bicins dadurch ausschließen, dass in konz.
Giftlösungen die Hämolyse ausblieb, während sie in verdünnten eintrat,
was bei einfachen Giften natürlich ausgeschlossen ist. Eine derartige
Abnahme der Wirkung überschüssiger Gifte ist eben nur durch die An-
nahme der Eomplementablenkung durch überschüssige Ambo-
zeptoren zu erklären, wie sie zuerst von Neisser & Wechsberg*) ge-
zeigt worden ist.
Es zeigte sich, dass die B. E. selbst ein Eomplement enthalten,
das von überschüssigen Ambozeptoren gebunden und abgelenkt werden
kann. Dieses Endokomplement geht beim Auflösen der B. E. in Wasser
über und dann sind auch die an sich nicht lösbaren B. E. dem Cobra-
gift zugänglich.
Dieses Endokomplement wird bei 62° in VaSt. zerstört. Bisweilen
lässt es sich auch durch phys. NaCl zum großen Teil aus den B. E.
auswaschen. Die Feststellung solcher Eomplemente in roten B. E. ist
sehr interessant im Hinblick auf die Ansichten der französischen Schule,
dass stets die Leukocyten die Quelle der Eomplemente sind.
Eyes versuchte femer die Thatsache zu erklären, warum erhitztes
Serum doch noch aktiviert, wo also von Eomplementen keine Rede ist;
sogar stundenlanges Eochen schadet nichts. Dieser aktivierende
Stoff ist Lecithin, das auch in methylalkoholischer Lösung als
»Eomplement« für das Cobragift fungiert. Beide binden sich so fest
1) Kyes, üeb. d. WirkuDgsweise des Cobragiftes. Berl. klin. Woch., 1902^
Nr. 38/39. S.A.
2) Kyes & Sachs, Zur Kenntn. d. Cobragift aktivierenden Sahst. Berl. klin.
Woch., 1903, Nr. 2—4. S. A.
3) Neisser & Wechsberg, Ueb. d. Wirkungsart baktericider Sera. Miinch.
med. Woch., 1901, Nr. 18. S.A.
13*
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miteinander, dass zugesetzter Aether fast kein Lecithin anfiiimmt. Diese
Verbindung wirkt intensiv hämolytisch schon bei 0^ Das Lecithin der
Sera ist mehr oder weniger fest an Eiweiß gebunden, so dass man
verschieden lange erhitzen muss, um wirksames freies Lecithin za
erhalten. Mit dem eigentlichen thermolabilen Komplement der Sera hat
das Lecithin gar nichts zu thün, wie Etes & Sachs noch ausführlicher
beweisen.
Sie fanden z. B. das eigentliche Komplement als durch Papaün und
Aether zerstörbar; femer zeigen aktive komplettierende Sera hemmende
Aktion gegen Lecithin.
Wohl aber sind die sogenannten Endokomplemente auch nichts
weiter als Lecithin, dessen Thermolabilität in den B. K. durch Bindung
an das Hämoglobin vorgetäuscht wird; Ausschwemmungen aus hämoglobin-
befreiten Stromata zeigen die Labilität nicht.
Durch ihren Lecithingehalt wirken auch Galle und erhitzte Milch aktivie-
rend, femer das ähnliche Kephalin. An sich wirken beide Stoffe sehr
schwach hämolytisch. Wahrscheinlich ist der Fettsäurerest die schließlich
wirkende, hämolytische Gruppe.
Als Gegenmittel gegen die Lecithinaktivierang erwies sich das Cho-
lesterin, das auch in den normalen Seris schützend wirkt, und das,
wie oben erwähnt, auch die toxische Komponente des Schlangengiftes
beeinträchtigt (Phisalix). Es wirkt also ähnlich antihämolytisch wie
gegen Saponin (Ransom^).
Dagegen hat das Cholesterin keine Wirkung auf die echten Kom-
plemente der aktivierenden Sera.
Die Ambozeptoren des Cobragiftes und das Lecithin binden sich nach
quantitativen Gesetzen.
Die von FIexner & NoGUCm angegebene Nichtauflösung aller ge-
waschenen B. K. scheint auf einer Ausschwemmung des Lecithins durch zu
reichliches Waschen zu bemhen.
Kyes2) gelang es sogar, diese »Lecithide* der Cobraambozeptoren
zu isolieren.
Die Iproz. Lösung des Cobragiftes wurde mit einer Lösung von
reinstem Lecithin in Chloroform 2 Stunden geschüttelt. Wird dann die
Chloroformschicht scharf abcentrifugiert, und die Lecithinlösung mit Aether
versetzt, so fällt das Cobragiftlecithid aus, während das Lecithin in
Aether löslich bleibt.
An dieses Lecithid ist nun die hämolytische Funktion des Cobragiftes
quantitativ gebunden, während die neurotoxische dadurch nicht im ge-
1) Ransom, Saponin und sein Gegengift. Dtsch. med. Woch., 1901, 194.
2] Kyes , üeber die iBoiierung von Schlangengiftlecithiden. Berl. klin. Wocb.,
1903, Nr. 42/43.
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- 197 —
ringsten beeinflusst wird. Das Lecithid hat nnr hämolytische Funktion,
während das zurückbleibende Gift ausschließlich die neurotoxische
Kraft behalten hat.
Das Lecithid ist unlöslich im Aeiher und Aceton, löslich in Chloro-
form, Alkohol und Toluol, sowie sehr leicht in Wasser. Es unterscheidet
sich also auf das schärfste von den Eigenschaften der beiden Kompo-
nenten. Beim Stehenlassen der Wasserlösung wird es allmählich un-
löslich, ohne seine hämolytische Kraft zu verlieren. In warmem Wasser
bleibt es löslich. Es giebt keine Biuretreaktion. Das Lecithid löst
alle B. K. gleichmäßig, und zwar ohne Inkubationszeit, im Gegen-
satz zu der Wirkung des Giftes selbst. Das Lecithid ist gegen 100°
fast unempfindlich. Cholesterin hemmt seine Wirkung gerade wie die
des frischen Giftes. Ganz analoge Lecithide ergaben sämtliche unter-
suchten hämolytischen Schlangengifte, u. a. Bothrops, Naja Haje, Bun-
garus, Trimeresurus und Crotalus. Es findet sich also überall die gleiche
lecithinophile Gruppe, wenn auch sonst die Ambozeptoren verschieden
sein mögen.
Leukooidin der Schlangengifte.
Sterile Exsudate, die 20 — 2b ßü Lymphocyten enthielten, wurden
durch intrapleurale Injektion von abgetöteten Leibern von Bac. Mega-
therium erhalten (Flexner & Noguchi).
Cobragift wirkt bei 0,002^, die anderen schwächer. Die Beweg-
lichkeit der Leukocyten hört auf; dann zerfallen die Zellen, am letzten
die Lymphocyten. Bei gewaschenen Leukocyten tritt wieder fast nur
Agglutination auf. Die Agglutinine sind, wie Flexner & Noguchi aus
Bindungsversuchen entnehmen, identisch, die Lysine verschieden von
den entsprechenden Agentien der roten B. K. Auch das Leukolysin ist
komplex gebaut.
Zusammenfassung.
Wir haben also in den Schlangengiften 4 unabhängige, an Menge
stark wechselnde aktive Prinzipien.
1. Hämagglutinine. Durch 0,2 j^ HCl in 24 St., durch Erwärmen
auf 75° in kurzer Zeit zu zerstören.
2. Hämorrhagin (hauptsächlich bei Crotalus). Erst durch 2^
HCl und Pepsin-HCl nach ca. 2 Tagen zerstört, im Brutschrank beständig.
3. Hämolysin. 0,3 j^ HCl zerstört sehr langsam, Pepsin-HCl schnell
Brutschranktemperatur zerstört ca. 80 j^.
4. Neurotoxin. Gegen HCl bis 3^, gegen Pepsin und PapaXn
ziemlich beständig; beim einfachen Stehenlassen in 19 Tagen zu 90 j^
entgiftet
Das Hämagglutinin und Hämolysin greifen ausschließlich die Blut-
körperchen an, das Hämorrhagin die Endothelien der GefUßwände, das
Neurotoxin die Zellen des Zentralnervensystems.
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— 198 —
Die Immunisierung gegen Sohlangentozin.
Das Antischlangentoxin.
Die enge Zusammengehörigkeit der Schlangentoxine mit den echten
Toxinen zeigt sich vor allem in der Fähigkeit, ein Antitoxin zu er-
zeugen. Die erste Angabe über eine Immunisierung gegen Schlangen-
gift rührt von Sewall*) her, der mit Crotalusgift immunisierte.
Calmette konnte zeigen, dass schon nach der einmaligen Injektion
von Y2 Dosis letalis das Serum der Tiere eine deutliche antitoxische
Wirkung in vitro hat. Auch Fräser 2) gelang die Erzeugung von Anti-
toxin gegen die Gifte der Cobra, Crotalus, Diemeuia (Sttdaustralien) und
Sepedon (Afrika). Er erhielt Resistenz bis gegen die 50 fach tödliche
Dosis.
Calmettes Verfahren war ungefähr folgendes:
Man beginnt mit ca. V20 der tödlichen Dosis und giebt dann alle
2—3 Tage ganz langsam steigende Dosen (bis Vio)j unter sorgfältiger
Eontrolle des Gewichtes. Sobald die Tiere abmagern, muss man die
Injektionen suspendieren. Auch mit chemisch geschwächten Giften
(durch Goldchlorid oder Chlorkalk) gelingt es (Calmette «).
Nach 4 — 5 Wochen vertragen die Tiere die doppelte Dosis letalis.
Nun kann man ihnen alle 8 — 10 Tage größere Dosen applizieren. So
kann man die Immunität recht hoch treiben. Calmette hat in einem
Jahre ein Kaninchen so weit gebracht, dass es 80 tödliche Dosen
(40 mg) Cobragift ohne jede Reaktion vertrug. Das Serum dieses Tieres
war so reich an Antitoxin, dass 5 Tropfen (ca. 0,25 cm^) 1 mg Cobra-
gift neutralisierten. Ein Esel bekam 0,2 g Cobragift in 3 Monaten,
ein andrer 0,16 in 2 Monaten. Das Serum neutralisierte zu 0,5 cm^
1 mg Gift.
4 cm^ dieses Serums schützten bei Injektion 4 Stunden vorher gegen
die doppelte tödliche Dosis. Nach Phisalix & Berttand*) ist das
Antitoxin dagegen (beim Vipemgift) erst 36 — 48 St. nach der Einführung
in den Körper wirksam. Wenn man eine sicher tödliche Menge injiziert
und 1 Stunde darauf 4—5 cm^ dieses Serums, bleibt das Tier in der Regel
leben, jedoch ist IV2 Stunde das Maximum der Zeit, wenn die Heilung
einigermaßen sicher sein soll.
Dieses Anticobraserum schützt nun aber auch in derselben
Weise gegen die neurotoxische Komponente der anderen
^) Sewall, Exper. on the preventive inoculation of rattle-snake venom. Journ.
of PhyB., VIII, 203 (1887).
2) Fräser, Immnnity agaiBst snake poison. Brit. Med. Jonrn., 1895, I, 1309.
3) Calmette, Propri^t^s da s^rom des animanx immunis^B contre le venin
dOB Berpents. Compt. rend. de PAcad., 118, p.l20, 1004 (1894).
*) Phisalix & Bbrtrand, Snr la propriöt^ antitoxiqae da sang des animaax
vaeoin^B contre le venin de vipere. Compt rend. de FAcad., 118, 356 (1894).
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Schlangen, außerdem aach gegen das Skorpionengift und das
Aalblut, sowie etwas gegen Abrin, ist unwirksam dagegen gegen
Bicin, Diphtherie- und Tetanusgift.
Das Serum wirkt wohl gerade so antitoxisch, wie die echten
Antitoxine, doch beobachtete andererseits Chatenay (cit. n. Calm£tt£
1. c.) eine Hyperleukocytose bei Einführung des Giftes in immunisierte
Tiere, während bei Kontrolltieren eine Hypoleukocytose zu konsta-
tieren ist.
Diese Beobachtungen wurden von Oalmette und D^earde bestätigt.
Sie fanden, dass mit Abrin vergiftete Tierkohle, in die Peritonealhöhle ein-
geführt, bei immunen Tieren massenhaft von Leukocyten aufgenommen wird,
bei Kontrolltieren so gut wie gar nicht. Sie nehmen an, dass die Leukocyten
Antitoxin bilden und aufspeichern.
Nach PfflSALix & Bertrand 1) sollen außer dem Kaninchen auch
Meerschweinchen, Pferd, Igel normale Antisera geben, das Huhn da-
gegen nicht.
Die passive Immunität verschwindet schnell, die aktive um so lang-
samer, je höher sie war. Die Immunität ist vererbbar.
Jede der drei Giftkomponenten (Hämolysin, Neurotoxin, Hämorrha-
gin) erzeugt bei der Immunisierung seinen spezifischen Antikörper. In-
folgedessen sind die verschiedenen Antisera sehr verschieden wirksam.
Dass es gegen das Hämolysin Antisera giebt, resp. dass die ge-
wöhnlichen Antisera auch Antihämolysine enthalten, fanden Stephens &
Myers^), doch sind auch hier noch nach Flexner & Nogüchi (1. c.)
die Antisera verschieden wirksam, da die Hämolysine noch wieder ver-
schiedenartige Ambozeptoren besitzen und das Antigift durch Antiambo-
zeptoren wirkt.
Das Anticobragift enthält Antitoxin gegen das Neurotoxin, und zwar
das Neurotoxin der verschiedensten Schlangengifte (Mc Farland*),
und das Hämolysin, dagegen fehlt ihm der Antikörper gegen das Hä-
morrhagin der Crotalus völlig; da nun das Crotalusgift hauptsäch-
lich dadurch wirkt (s. o.), so ist Calmettes Antivenin gegen Crotalus-
gift machtlos.
Umgekehrt enthält dementsprechend das Anticrotalusserum haupt-
sächlich Antihämolysin und Antihämorrhagin, kein Antineurotoxin ; dem-
zufolge hebt es zwar die hämolytische, nicht die neurotoxische Funktion
des Cobragiftes, also nicht seine allgemeine Giftigkeit auf.
Bei denjenigen Giften, die beide giftige Hauptkomponenten ent-
halten, wie die Mokassin- und Copperheadschlange, enthalten nattlrlich
auch die Antisera beide spezifische Antikörper.
i) Phisalix & Bertrand, Soc. Bio!., 48, 3% (1896).
2) Stephens & Myers, Proc Patb. Soc. Lancet, 1898, I, 644.
3) Mc Farland , Some investigationB npon antivenene. Joom. Amer. Med.
Association, Dec. 1901. Ref C. f. Hakt, 31, 792.
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— 200 —
Das Antischlangengiftserum scheint, nach allem, was darüber bekannt
geworden ist, ganz analog den anderen Antitoxinen zu wirken, d. h.
es bindet, neutralisiert das Gift, ohne es zu zerstören. Einen sehr
interessanten Beleg für diese Annahme liefert der schon im allgemeinen
Teil gestreifte Versuch von Calmette (1895). Er fand nämlich, dass
aus einem physiologisch neutralen Gemisch von Schlangentoxin und
Antitoxin durch Erwärmen auf 68° das Antitoxin fortgenonunen werden
kann, ohne das Toxin zu schädigen, so dass die ursprüngliche Gift-
wirkung wieder hervortritt. Nach dem Erwärmen verhielten sich die
Gemische völlig gleich toxisch, ob er Antiserum oder normales Serum
zugesetzt hatte. Umgekehrt konnte er in dem Gemisch durch Chlorkalk
das Toxin entfernen, so dass das vorher neutrale Serum wieder schützend
wirkte (1896). Diese Thatsachen, die eine große theoretische Bedeutung
besitzen, sind von Martin & CherbyI) bedingt bestätigt worden, die
durch Erwärmen auf 68° eine Trennung des Giftes von Hoplocephalus
curtus von dem Antitoxin unter bestimmten Bedingungen erzielen konnten.
Wenn man nämlich das Gemisch nur kurze Zeit aufeinander wirken
lässt, oder relativ viel Gift anwendet, dann ist Calmettes Versuch
richtig; das Antitoxin wird zerstört, die Giftwirkung stellt sich beim
Erwärmen wieder her. Nach 15 Minuten indessen ist die Bindung schon
so fest, dass sie sich nicht mehr trennen lässt. Dagegen lässt sich eine
Trennung durch Filtration durch Gelatinefilter unter Druck, die sonst
das freie Toxin, nicht aber das Antitoxin passieren lassen, nicht er-
zielen, da aus dem Gemisch nichts hindurchfiltriert.
Die Annahme einer einfachen Bindung wird auch dadurch nicht be-
einträchtigt, dass nach Martin die Dosis, die in vitro eine bestimmte
Menge Schlangengift bindet, viel geringer ist als diejenige, die man zur
vorherigen Immunisierung braucht, wenn man subkutan injiziert. Die
Menge ist beträchtlich größer, einmal sogar war die tausendfache Menge
erforderlich. Dagegen ist bei intravenöser Injektion nur etwa die-
selbe Menge erforderlich.
Martin führt dies darauf zurück, dass bei subkutaner Einftlhrung
das Antitoxin viel langsamer diffundiert, als das Toxin, das auch bei
unterbundenen Lymphwegen sich sehr schnell im Körper verbreitet.
Merkwürdig sind die Angaben von Calmette (1895), dass auch
Antitetanustoxin und Antiabrin eine gewisse Wirkung auf das Schlangen-
toxin ausüben, so dass das Serum also nicht absolut spezifisch wäre.
Dagegen erwiesen sich die Sera von Tieren, die mit Strychnin, Curare
und verschiedenen Bakterien behandelt waren, als absolut machtlos
gegenüber dem Gift, ebenso normales Menschenserum.
Das Antischlangengiftserum wird erst bei 68° unwirksam. Chlor-
3) Martin & Cherry, The natnre of antagonism between toxins and antitoxiiiB.
Proc. Roy. Soc, 63, 420. — Martin, Relation of the toxin and antitoxin of snake-
venom. Ibid., 64, 88 (1899).
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kalk und Goldchlorid beeinträchtigen seine schützende Wirkung nicht.
Es ist auch ohne Fhenolzusatz lange haltbar.
Calmette^) hat für die Wertbestimmung des Schlangenserums fol-
gende Methode vorgeschlagen:
Das Gift wird getrocknet, in destilliertem Wasser gelöst; die Dosis
letalis für ein kg Kaninchen bestimmt. Dann giebt man einem 2 kg
schweren Kaninchen steigende Mengen des zu prüfenden Serums und
bestimmt die schützende Dosis gegen die einfache Dosis letalis. Als
Einheit gilt ein Serum, von dem 1 cm^ lg Tier gegen die einfache
Dosis letalis schützt. Schützt 1 cm^ also 2 kg, so ist das Sernm also
ein 2000faches. Das mindeste muss nach Calmette 1000 fach sein;
für die Tropen wird mindestens 4000faches angewendet.
Diese echte antitoxische Eigenschaft des Immunserums hat nichts zu
thun mit der Unschädlichmachung des Toxins durch Tyrosin, Chole-
sterin, Galle u. s. w., denn alle diese Stoflfe wirken genau wie beim
Tetanustoxin nur in vitro giftbindend, niemals aber immunisierend.
Sie haben also mit dem echten Antitoxin nichts zu thun.
Etwas anders ist die Frage, ob nicht vielleicht das Serum und die
Galle der Giftschlangen Antitoxin enthält. Wie Fräser 2) fand, ist es
ja besonders die Galle der Cobra, aber auch der Klapperschlange u.s. w.,
die ganz unvergleichlich größere giftzerstörende Kraft besitzt, als die
Galle anderer Tiere; aber auch die Galle ungiftiger Schlangen besitzt
immer noch eine stärkere Schutzkraft. Auch Alkoholfällungen dieser
Gallen besitzen noch die Schutzwirkung. Andererseits ist jedoch zu
bedenken, dass, wie Fräser 5) selbst fand, das Antigift nicht gerade
spezifisch ist, sondern auch auf Bakterientoxine wirkt.
Wir finden auch andererseits häufig, dass die Galle auf Toxine
gerade so einfach zerstörend einwirkt, wie die anderen Verdauungs-
säfte, so dass die Frage, ob die Galle ein echtes Antitoxin enthält, noch
nicht entschieden ist.
Deshalb kann man wohl auch kaum die Resistenz der Schlangen
auf diese Funktion allein beziehen. Es wäre ja denkbar, dass die
natürliche Immunität dieser Tiere auf einer konstanten Neubildung
reichlicher Antitoxinmengen beruht, als einer ständigen Reaktion auf
resorbierte Giftmengen. Im wesentlichen wird dieser Zustand aber doch
wohl auf angeborenen Mangel an Rezeptoren beruhen; denn wir sehen
ja, dass auch das Blut der Giftschlangen toxisch ist.
1) Calmette, Snr le venin des serpents. Ann. Fast., XI, 214 (1897].
^ Fräser, The treatment of snake poiBoning with antivenene. Brit. Med.
Joum., 1895, II, 417. — AntivenemouB properties of the bile of serpents. Ibid.,
1897, II, 12Ö.
3) Fräser, Antitoxic qnalities of the bile of serpents. Brit Med. Joorn.,
1897, II, 596.
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Auch der Igel, der ja einigermaßen refraktär ist, scheint dies
hauptsächlich dadurch zu sein, dass er wenig Rezeptoren besitzt; auch
sein Blut ist nach Gifteinfuhr toxisch. Beim Igel liegen hier die
Dinge ähnlich, wie für den Alligator beim Tetanus; denn der Igel, ob-
gleich wenig empfänglich, bildet doch ziemlich beträchtliche Mengen
Antitoxins. Er scheint also zwar Rezeptoren zu besitzen, aber wohl
zum groBen Teil an minder lebenswichtigen Organen. Andererseits fand
Calmette (1895), dass das Serum des Schweines und das der Man-
guste äußerst wenig Antitoxin enthält, obgleich beide Tiere fast völlig
refraktär gegen Schlangengift sind.
So wird denn wohl auch bei den Schlangen selbst die Sachlage sein.
Die Hauptursache ihres refraktären Verhaltens dürfte angeborener Re-
zeptorenmangel, resp. Vorhandensein zerstreuter Rezeptoren sein; da-
neben ist es allerdings nicht unwahrscheinlich, dass sie auch Anti-
toxin produzieren, und dies mit der Galle ausscheiden.
Das Krötentoxin (Phrynolysin),
Einige Kröten enthalten in ihrer Haut und im Blute neben den ge-
nauer bekannten alkaloidähnlichen Giften (Bufotalin u. s. w.) noch ein
anscheinend echtes hämolytisch wirkendes Toxin.
Phisalix & Berteand^) haben wohl zuerst auf das Vorhandensein
eines zweiten GiftstojGFes hingewiesen und Pügliese^) hat die Hämolyse
beobachtet.
Genauer untersucht wurde das »Phrynolysin* von Pröscher^).
Pröscher benutzte vor allem Extrakte aus der Haut der Feuer-
kröte, Bombinator igneus, daneben auch die Gartenkröte, Bufo cinereus.
Das Phrynolysin zeigt alle Eigenschaften der Toxine, besonders ihre
große Empfindlichkeit, und dialysiert nicht. Es wird ziemlich schnell
unwirksam.
Es hämolysiert, und zwar in neutraler und ganz schwach saurer
Lösung gleichmäßig, am besten Hammelblut, dann folgt Ziege, Kanin-
chen, Hund, Ochse, Huhn, Meerschweinchen, während es auf Taube,
Frosch und Kröte fast gar nicht wirkt.
Bei Hammelblut genügen ca. 0,3 mg um einen Liter komplett zu
lösen.
Ein Grund, flir das Phrynolysin eine komplexe Struktur anzunehmen^
liegt bisher nicht vor.
Normale Sera enthalten keinen Antikörper. Durch Immunisierung
lässt sich hingegen ein Antilysin erzeugen, das in einer Dosis von
0,025 cm 3 gegen die für 1 cm^ 5 ^ Hammelblut lösende Dosis schützt.
1} Phisalix & Bertrano, Becherch. b. la toxicit6 da sang du crapaud commun.
Arch. d. phye., 25, Ö17 (1893).
2) PüQLiESE, Arch. d. farm., 1898. Cit n.
3) Pröscher, Zur Kenntnis des Erötengiftes. Hofm. Beitr., I, 675 (1901).
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Salamandergift.
Einen antitoxinbildenden GiftstoJOT fand Phisalix^) auch in dem
japanischen Salamander (Sieboldia maxima), und zwar ebenfalls in der
Rttckenhaut.
Das Gift ist in Wasser mid Glycerin löslich, mid sehr wenig be-
ständig. Bei 60® wird es in 20 Min. komplett zerstört, ebenso durch
Alkohol.
Seine Wirkungen am Frosch sind Oedeme, Hämorrhagieen, bei
Warmblütern auch Nekrosen. Ferner treten Lähmungen ein, die Reiz-
barkeit erlischt langsam; unter Bespirationslähmung tritt der Tod ein.
Durch Erwärmen auf 50° wird das Gift geschwächt, behält aber
seine immunisierende Kraft. Die so behandelten Tiere vertragen dann
weit größere Dosen des Giftes, aber auch von Vipergift und Aalgift
(Phisalix^), woraus auf eine gewisse Verwandtschaft dieser Toxine ge-
schlossen werden darf.
Das Spinnengift.
Die giftigen Spinnen spielen in dem Volksglauben eine große Rolle.
Eine große Anzahl von Spinnen ist der Giftigkeit angeklagt worden, so
besonders die Tarantel u. a.
Dagegen war wissenschaftlich über die Spinnengifte bis auf die um-
fassende Monographie von Kobert^) nur wenig bekannt.
KoBEBT konnte nachweisen, dass grade den am meisten beschuldigten
Spinnen, besonders den Taranteln, kein spezifisches Gift zukommt.
Es fanden sich eigentlich nur in zwei Spinnengattungen wirkliche Gifte,
und zwar in Lathrodectes und Epeira (Kreuzspinne).
Die Lathrodectes sind über den ganzen Erdball verbreitet. Am
wichtigsten sind die Arten von Italien (L. tredecimgattatus, Malmignatte)
und von Südrussland (L. Erebus, Karakurte), sowie Neuseeland (L. scelio
und Hasseltii, Katipo), und Südamerika (L. mactans). Die Giftigkeit
der Malmignatte ist schon 1765 von Valmont de Bomabe beschrieben,
und seitdem häufig beobachtet worden. Auch Tierversuche wurden
angestellt.
Ueber die russische Spinne stellt Kobekt eine Reihe von Berichten
zusammen, aus denen hervorgeht, dass die Lathrodectes nicht nur bei
Rindern, Pferden und Kamelen viel Schaden stiftet, sondern auch
Menschen tötet. Die Erscheinungen sind sehr schwere: heftige
^ PuiSALix, Act phys. du venin du Salamandre. See. Bio!., 49, 723 (1897).
2) PmsALix, Propr. ImmunisanteB da venin du Salamandre. See. Biol, 49,
823 (1897).
3) KoBERT, Beitr. z. Kenntn. d. Giftspinnen. Stattgart 1901. (Dort die ganze
ältere Litteratur von den frühesten Zeiten ab.) Und: Giebt es für den Menschen
gefahrliche Spinnen? Die Medic. Woche, 1902, S. 154.
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Schmerzen, Priapismus, Schlaflosigkeit, große Prostration, kalter Schweiß,
Fieber, Dyspnoe. Die Erscheinungen ähneln im großen und ganzen sehr
denen der Vergiftung durch Bakterientoxine. An der Bissstelle finden
sich keine auffallenden Veränderungen. Die Rekonvaleszenz dauert
sehr lange. Todesfälle sind immerhin selten.
KoBERT hat mit Auszügen von taurischen Katakurten eigene Ver-
suche angestellt.
Er benutzte dazu wässrige Extrakte teils frischer, teils schonend ge-
trockneter Tiere.
Die Extrakte erwiesen sich als sehr giftig; die Wirkung entsprach
genau der an Menschen beobachteten. Einige mg pro kg organischer
Substanz intravenös führten bei Hunden und Katzen schnellen Tod her-
bei, unter Dyspnoe, Konvulsionen, Lähmung der Respiration und des
Herzens. Auch Kaninchen, Ratten und Vögel sind zu vergiften. Der
Igel ist etwas resistenter. Auch Frösche und Blutegel sind empfindlich.
Vorder- und Hinterteilextrakte wirken ziemlich gleichmäßig. Neuge-
borene Spinnen sind giftiger als ausgewachsene, auch die Eier sind
giftig. Auf das isolierte Froschherz wirkt das Gift schon bei
1 : 100000 deletär.
KoBERT konnte femer bei seinen Versuchstieren bei vorsichtiger
Eingabe eine Immunität erzielen, so dass das Karakurtengift that-
sächlich ein Toxin zu sein scheint. Kochen macht das Gift völlig
unwirksam, ebenso Alkohol. Per os ist es wirkungslos. Das
Gift wirkt auch hämolytisch und gerinnungsbefördemd.
Die Lathrodectes enthält demnach ein echtes Toxin, das auf
Herz und Zentralnervensystem manchmal erst erregend, dann
jedenfalls lähmend einwirkt.
AraohnolyBin.
Von einheimischen Spinnen scheint Chiracanthium nutrix ein Gift zu
enthalten, das aber noch nicht untersucht ist.
Dagegen fand Kobert in der gewöhnlichen Kreuzspinne, Epeira
diadema, ein dem Lathrodectesgift völlig anologes Toxin, das ebenfalls
sehr giftig ist, und gegen das man immunisieren kann. Es ist etwas
weniger wirksam, aber beständiger als das Karakurtengift.
Die Extrakte anderer einheimischer Spinnen sind wirkungslos.
Das Gift der Kreuzspinne hat nach Kobert auch hämolytische
Eigenschaften, die von Hans Sachs i) dann mittelst der EHRLiCHschen
Methodik genauer studiert worden sind.
Das Arachnolysin löst sehr schnell und intensiv, doch sind
die B. K. der einzelnen Tierarten sehr verschieden resistent. Am em-
pfindlichsten ist Ratten- und Kaninchenblut. 0,028 mg lösen 0,05 cm^
^} Sachs, Zar Kenntnis des Erenzspinnengiftes. Hofm. Beitr., II, 125 (1902).
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Blut komplett. Dagegen sind Meerschwein, Pferd, Hammel und Rind
völlig resistent.
B. E. ganz junger Hühner sind nach Sachs ^) infolge totalen Rezep-
torenmangels völlig unempfindlich. Erst wenn diese ersten B. K. all-
mählich verschwinden, tritt Wirkung ein, bis nach 2 — 4 Wochen die
normale Empfindlichkeit des Hühnerblutes erreicht ist.
Das Toxin ist gegen Erwärmen nicht sehr empfindlich, wird erst bei
70° in 40 Min. zerstört.
Die unempfindlichen B. K. binden das Gift nicht, so dass dieses
Lysin sich durchaus den anderen Haptinen anschließt. Damit stimmt
ttberein, dass das Arachnolysin von den Stromata empfindlicher
B. K. gebunden wird. Durch Immunisierung von Meerschweinchen und
Kaninchen konnte Sachs ein hochwertiges antitoxisches Serum her-
stellen, das bei Mischung mit dem Gift auch die Hämolyse hindert.
Da nun Meerschweinchenblut unempfindlich ist, keine Rezeptoren ent-
hält, so muss das Antiarachnolysin aus anderen Rezeptoren gebildet
sein. Da es trotzdem auch antilytisch wirkt, so gelten fllr seine Kon-
stitution vermutlich dieselben Erwägungen, wie für das Ri ein (s. d.), mit
dem es große Aehnlichkeit besitzt.
Skorpionengift.
Valentin^) untersuchte 1874 einen tunesischen Skorpion (Androctonus
occitanus Claus) auf die Giftigkeit seines Schwanzendes.
Kleinere Frösche starben meist an dem Stich, größere nicht. Es
traten tetanische Krämpfe auf, femer fibrilläre Zuckungen, allmählich
schwindet die Reflexerregbarkeit von hinten nach vom.
Später liegen u. a. Befunde von Bert 3) vor, die ganz ähnliche Be-
obachtungen über das Gift enthalten.
Calmette fand (1895) bei Scorpio afer im Schwanzsegment ein
Gift, das er aus den zerriebenen Leibern mit Wasser extrahierte und im
Vacuum eintrocknete.
Das Gift tötet Mäuse zu 0,05, Meerschweinchen zu 0,5 unter ganz
ähnlichen Erscheinungen wie das Schlangengift.
Es verhält sich auch in jeder anderen Beziehung, besonders aber
auch gegen das Antitoxin so völlig analog dem Schlangentoxin, dass
man wohl anzunehmen berechtigt ist, dass das Skorpionengift sich nicht
anders von den Schlangengiften unterscheidet, wie diese untereinander,
dass es also wohl auch das Neurotoxin der Schlangen neben gering-
fllgigen fremden Beimengungen enthält, wie die verschiedenen Schlangen-
1} Sachs, lieber Differenzen der BlntbeBchaffenheit in verschied. Lebensaltern.
C. f. Bakt, 34, 686 (1903). S. A.
2} Valentin, üeb. d. Giftw. d. nordafrik. Skorpiones. Z. f.Biol, XII, 170 (1876;.
3] Bert, Soc. Biol, 37, Ö74 (1885).
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gifte. Dies wird auch dadurch noch gestützt, dass Eyes (1. c.) aus dem
Skorpioueugift ein ganz analoges sofort blutlösend wirkendes Lecithid
isolieren konnte, wie aus Gobragift. Für den Menschen ist der Skor-
pionenbiss nur deshalb wenig gefährlich, weil die Menge bei dem
Einzelbiss zu gering ist.
Fischgifke.
Ein anderes scheinbar echtes Toxin aus der Giftdrüse des T ra-
chin us draco (Petennännchen) hat Briot^) isoliert, dessen Existenz
schon vorher bekannt war. Er extrahierte die Giftdrüse mittelst
chloroformhaltigen Glycerins und filtrierte die neutrale Lösung.
Das Gift wirkt auf Frösche unter Erregung von Krämpfen und
Lähmungen, der Tod tritt unter Prostration auf (Geessin, Bottard, das
Herz wird auch direkt schwer geschädigt (Pohl*).
Auf Meerschweinchen wirkt es, besonders bei intraperitonealer In-
jektion, ganz ähnlich energisch, wie auch Phisalix bei Trachinus
vipera gefunden hatte, auf Kaninchen weniger heftig. Charakteristisch
ist die rapide Lähmung der injizierten Extremität. Bei intravenöser
Injektion tritt der Tod fast momentan ein, bei schwächeren Dosen er-
holt sich das Tier sehr schnell. Das Gift macht bei subkutaner Injek-
tion auch schwere Lokalerscheinungen.
Erhitzen zerstört das Toxin, bei 100^ in Yj St., ebenso Chlorkalk
und Goldchlorid.
Das Gift wirkt auch hämolytisch. Normales Serum vom Pferde
enthält wie gegen Schlangenhämolysin, auch ein Antihämolysin gegen
das Trachinuslysin, das bei 50° zerstört wird. Das Lysin ist bei 100^
kurze Zeit (20 Min.) beständig.
Das Trachinusgift ist vom Schlangengift verschieden, da es anders
wirkt und da ein Antischlangengiftaernm weder auf die toxische, noch
auf die lytische Funktion einen hindernden Einfluss besitzt.
Man kann Kaninchen gegen das Gift immunisieren, am besten, wenn
man mit dem Serum bereits immuner Tiere gemischtes Gift vorsichtig
injiziert.
Das Serum enthält ein spezifisches Antitoxin, das allerdings gegen
die lokalen Erscheinungen nicht konstant schützt.
ij Briot, Stades aar le venin de la vive (Trachinns draco). Jonrn. de phjB.
et pathol., 1903, 271. S. A.
Briot giebt dort folgende Qnellen über giftige Fische:
Gressik, Contrib. k T^tade de Tappareil k venin chez les pofsons dn genre
vive. Th6se Paris, 1884.
Bottard, Les poisons v^nimeux. Thdse Paris, 1884.
Phisalix, Ball, du maseum d'histoire natar., 1899.
CoNTiÄRE, Les poisons y^nimenx. Th^se Paris,
Weiteres s. b. Robert, 1. c.
2) Pohl, Prager med. Woch., 1893, S. 31.
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Es scheinen anch noch andere Fische toxinähnliche Gifte zn enthalten,
die noch nicht untersucht sind, z. B. Neunaugen (Petromyzon),
Meersau (Scorpaena), Pterois, Serranus (Schriftbarsch), Plotosus, Synanceia
u. a. (Koberti).
Ob hier wirkliche Toxine eine Rolle spielen, muss späteren Unter-
suchungen vorbehalten bleiben.
Bei anderen giftigen Fischen, z. B. bei den japanischen Tetrodon-
arten (Fugu) scheinen die giftigen Protamine die entscheidende Rolle
zu spielen. Näheres über die Giftfische im allgemeinen mitzuteilen,
liegt nicht im Plane dieses Buches ^j.
Das Qift des Aalblutes (Ichthjotoxin).
Eine eigentümliche Sonderstellung nimmt ein giftiger Stoff ein, der
sich in dem Serum des Aales und einiger verwandter Fische (Muraena,
Conger) vorfindet. Durch sein Vorkommen als normales Produkt des
tierischen Lebens schließt es sich einerseits an die Schlangengifte an,
die sich ja auch im Blute der Giftschlangen vorfinden; andererseits
aber erinnert es durch das Hervortreten der hämolytischen Wirkung
auch an die agglutinierenden Toxine des Pflanzenreiches und zeigt
drittens in dieser Eigenschaft auch eine gewisse Verwandtschaft mit
den Hämolysinen der normalen Sera verschiedener Tiere, die nach
Ehrlich ja auch nicht einfache >Alexine«, sondern Rezeptoren zweiter
Ordnung, mit Amboceptor und Komplement, darstellen.
Wohin also das Ichthyotoxin schließlich zu stellen ist, lässt sich
vorderhand noch nicht entscheiden. Aus äußeren Gründen ist es vor-
läufig wohl am zweckmäßigsten, es im Anschluss an die anderen Zoo-
toxine zu besprechen.
Ein ähnliches Gift scheinen die Seeaale (Muraena) auch in ihren
Giftdrüsen zu enthalten, doch ist darüber wenig bekannt^).
Die Giftigkeit des Aalblutes ist von A. Mosso*) entdeckt worden,
der die toxischen Wirkungen genauer untersuchte. Er fand auch, dass
das Blut der vergifteten Tiere seine Gerinnungsfähigkeit einbüßt, was
von Delezenne*^) bestätigt wurde, der seine Wirkung mit der der Pro-
Peptone verglich. U. Mosso*) hat dann die Eigenschaften dieses Gifties
näher untersucht.
1) KoBERT, lieber Giftfische n. Fiscbgifte. Vortrag i. Bostocker Fischereiverein,
1902. Die Med. Woche, 1902.
2} Man findet Näheres außer bei Robert noch bei Yaughan & Novv, 1. c,
p. 188flf.
3) Anatomische und toxikologische Daten s. b. Robert (1. c).
4] A. Mosso, Die giftige Wirkung des Semms der Mnreniden. Arch. f. exper.
Pathol, 25, 111 (1889).
^) Delezenne, Action du s^rum d'angnille snr la coagnl. du sang. Arch. d.
phys., 29, 646 (1897).
0) U. Mosso, Recherches snr la natnre du venin, qni se tronve dans le sang
de Tanguille. Arch. ital. d. Biol., XII, 229
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Dann waren es vor allem Kossel^) und Camus & Gley^), die sieh
mit dem Aalblutgifk beschäftigten, seine blutlösende Wirkung entdeckten
und zeigten, dass man dagegen immunisieren kann, dass es ein Anti-
toxin bildet.
Darstellung und Eigensohaften des Qiftes.
Camus & Gley gewinnen das giftige Serum, indem sie das Blut
mittelst sterilisierter Pipette aus der Aorta des Aales entnehmen und in
sterilisierte Glasgefäße bringen. Dann lässt man entweder einfach ab-
setzen oder centrifugiert. Sie gewinnen so etwa 0,6 com Serum auf
100 g Tier.
Das Serum hat eine schwach grünliche Färbung, manchmal gelblich.
Es hält sich lange unverändert, wenn man es vor Licht schützt.
Eine Reindarstellung des toxischen Prinzips aus dem Serum ist noch
nicht versucht worden.
U. Mosso stellte fest, dass es genau dieselben physikalischen und
chemischen Eigenschaften hat, wie alle Toxine; dass es durch Hitze,
Säuren, Alkalien u. s. w. zerstört wird, dagegen das Trocknen im Va-
cuum verträgt, sowie schließlich, dass es nicht dialysiert. In 90proz.
Alkohol ist es unlöslich.
Wirkungen des Aalblutes.
Das Serum verschiedener Aale zeigt häufig beträchtliche Schwan-
kungen im Giftwert, wobei außer der Herkunft der Fische auch die
Jahreszeit eine Rolle spielt, wie wir dies auch bei den Schlangengiften
finden (Wehrmann 3).
Der Flussaal der Ostseeküste enthält nach Springfeld*) ein sehr
viel schwächer giftiges Serum.
Auch die einzelnen Tierarten sind bei gleicher Art der Einführung
(intravenös) verschieden empfindlich. Hunde scheinen am empfänglich-
sten zu sein (Dosis letalis nach Mosso 0,02 cm^ pro kg). Der Igel
ist fast refraktär. Vom Magen aus wirkt es nach A. Mosso gar nicht,
wohl aber bei Injektion in den Dünndarm. Doch soll nach Pennavauia^}
ein schwerer Vergiftungsfall beim Menschen nach Genuss des Aalblutes
1) KossEL, Zur Kenntnis der Antitoxinwirkung. Berl. klin. Woch., 1898, 7.
2) Camus & Gley vor allem: Recherchea sur Taction physiolog. de s^rum
d'anguille. Arch. Internat, de pharmacodynamie, V, 247 (1898:. S. A.
Ferner: De la toxicit^ du s^rum d^an^uille pour des animaux des especes
differents. Soc. BioL, 1898, 129.
Immunis. contre Taction globulicide etc. Compt. rend., 126, 428 (1898).
Nouvelles recherches sur rimmanit6 contre le s^rum d'angnille. Ann.
Fast, XIII, 779 (1899).
3) Wehrmann, Sur les propr. toxiques du sang etc. Ann. Fast, XI, 810 (1897).
*) Springpeld, üeb. d. gift. Wirkung des Blutserums des Flussaals. Diss.
Greifswald 1889.
5) Fennavaria, Farmacista italiano, XII, 1888, p. 328. Cit. n. Kobert, 1. c.
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Yorgekommen sein. Subkutane Injektionen machen Nekrosen und Abs-
zesse. Die Vergiftung verläuft je nach der Dosis in zwei verschiedenen
Formen. Kaninchen, die 0,1 cm^ pro kg eines sehr wirksamen Serums
erhalten, sterben in wenigen Minuten unter Krämpfen, die bisweilen von
Speichelfluss und Blut im Urin begleitet sind. Miosis fehlt fast nie,
bisweilen tritt Exophthalmus auf.
Es lassen sich die Erscheinungen nach Mosso auf eine einer vor-
übergehenden Reizung folgende Vagusparalyse zurttckführen.
Bei kleinen Dosen oder schwachen Giften bilden sich dagegen
Lähmungszustände aus, mit fibrillären Zuckungen, Anästhesieen, Dyspnoe,
Speichelfluss, Schreien u. s. w., die erst in Stunden oder gar Tagen
(Kossel), dann unter starkem Gewichtsverlust zum Tode führen. Aehn-
lich verhalten sich Meerschweinchen. Bei letzteren tritt bei sehr großen
Dosen der Tod so schnell ein, dass mitunter sogar die Krämpfe fehlen.
Im ersteren Fall treten also die bulbären Symptome, besonders
schnelle Lähmung des Atmungscentrums, im zweiten die spinalen
mehr in den Vordergrund. Die peripherischen Nerven der Atmung
bleiben reizbar.
Beim Frosch konnte A. Mosso zeigen, dass die Beizbarkeit der
Nerven und Muskeln schnell abnimmt; es schwindet die Sensibilität,
besonders der hinteren Gliedmaßen, vor der Motilität, wahrscheinlich
durch Störung der Leitungsbahnen vom Rückenmark zum Gehirn. Das
isolierte Froschherz wird nicht tangiert.
Beim Warmblüter steigt der Blutdruck gleich nach der Injektion
an, um dann zu sinken. Die Herzaktion verlangsamt sich und wird
unregelmäßig; das Herz schlägt aber nach dem Tode noch fort (Bab-
DiER ^). Bei sehr großen Dosen aber fand A. Mosso, dass das Tier sehr
schnell an Herzlähmung stirbt, während die Atmung noch minutenlang
fortdauert. Auch bei künstlicher Atmung sterben die Tiere (Hunde) an
Herzlähmung. Die Autopsie ergiebt Kongestion des Darmtractus, der
Lungen, der Nebennieren; schwere Nierenläsionen selbst bei rapidem
Tode (Pettit^); hyaline Degeneration, Aufquellung der Zellen.
In der Blase findet sich blutiger Harn.
Am Nervensystem fand Westphal«) mit Hilfe der NissLschen Me-
thode schwere Veränderungen, denen beim Tetanus sehr ähnlich.
Wir sehen also, dass im großen und ganzen die Vergiftung ähnlich
der mit Bicin, Schlangengift u. s. w. verläuft.
Erhitztes Serum (58^) wirkt in sehr großen Dosen (lOOfach der sonst
tödlichen) noch schwach auf die Tiere ein, die bedeutend an Gewicht verlieren.
1) Baroier, Action oardiluiue dn s^ram d^angnille. See. Biol, 50, 548 (1896].
2; Pettit, Alt^rations renales cons^cntives k Finjection du s^min d'angville.
Soc. Biol, 50, 320 (1808).
3) Cit bei Kossel (1. c).
Oppenheimer, Toxine and Antitoxine. 14
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Wirkung auf das Blut.
Das Aalblut übt schon im Körper eine energische hämolytische
Funktion aus (Camus & Gley). Die Iris färbt sich rot; es bilden sich
Hämorrhagieen, blutige Exsudate im Peritoneum, Erythrocyten und Hämo-
globin treten im Harn auf. Das arterielle Blut enthält Hämoglobin.
Die Resistenz der Erythrocyten wurde durch Zusatz von Viooo — Vioooo
Aalserum meist so geschwächt, dass sie noch an 0,7^ NaCl -Lösung
ihr Hämoglobin abgaben, während normale Kaninchenblutkörperchen erst
bei 0,48 — 0,50 nachgeben. Aehnlich verhielten sich Meerschweinchen,
während die Erythrocyten des Igels sich als refraktär erwiesen, ebenso
die der Hühner und Tauben, Schildkröten, Frösche, Kröten, Fledermäuse.
Besonders interessant ist der Umstand, dass nach H. Sachs neugeborene
Kaninchen eine hohe relative Widerstandsfähigkeit zeigen, und sich erst
später passende Rezeptoren in größerer Menge bilden (vergl. dazu auch
bei Arachnolysin). Die Eigenschaft des Aalserums wird durch vor-
sichtige Neutralisierung mit Salzsäure nicht tangiert.
Durch Zusatz anderer Sera wird sie ebenfalls nicht beeinflusst, da-
gegen durch Erwärmen auf 55" vernichtet. Bei 0° geht die Auflösung
nicht vor sich, bei 23° sehr gut.
Nach Wendelstadt*) wird die Hämolyse durch Zusatz kleiner
Mengen Glykogen beeinträchtigt.
Immunisierung gegen das Aalblut.
Das Gift des Aalblutes zeigt sich auch insofern als echtes Toxin,
als man empfängliche Tiere damit immunisieren kann.
Nach KossEL, Camus & Gley, Wehrmann und Tchistovitch 2) be-
nutzt man dazu am vorteilhaftesten Kaninchen. Man injiziert zuerst
0,05 — 0,1 cm^ subkutan oder intravenös; die Tiere vertragen diese Dosis
meist gut, und sind dann leicht höher zu immunisieren. Meerschwein-
chen sind schwer zu immunisieren, da sie meist eingehen; Hunde ver-
tragen die Behandlung gut, geben aber nur schwache Antisera. Ziegen
scheinen sich dagegen gut zu eignen. Hühner und Tauben geben nur
Spuren von Antikörpern, und auch nur gegen die blutlösende Wirkung
in vitro. Tauben sind sehr empfindlich gegen das Gift., obwohl ihre
Erythrocyten fast gar nicht vom Aalserum angegriJGFen werden.
Die Antitoxinbildung geht sehr schnell vor sich, schon nach 3 — 4
Injektionen erhält man ein Serum von etwa Vio — V20 Stärke; d. h. man
braucht 10 — 20 cm^ Serum, um Icm^ Aalserum zu neutralisieren.
Tchistovitch bestimmt den Wert seines Serums in folgender Weise:
1) Wendelstadt, Einw. v. Glykogen a. hämolyt. Vorgänge. C. f. Bskt.. 34,
831 (1903).
2) TcmsTOviTCH, lätndes snr rimmunisation contre le s^rnm d'angnüle. Ann.
Fast. XIII, 406 (1899).
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— 211 —
5 Tropfen Aalblut (1 : 10 7%o NaCl) werden mit steigenden Antitoxin-
dosen behandelt. Als Reagens dienten einige cm^ Kaninchenblnt auf
20 cm^ verdünnt, sowie die Prüfung der toxischen Wirkung. Beide
Reihen liefen gewöhnlich parallel. Hierbei stellten sich jedoch eigen-
tümliche Ergebnisse heraus.
Während nämlich die Kaninchen selbst immer resistenter wurden,
immer größere Giftmengen vertrugen, nahm der Antitoxingehalt ihres
Serums nicht in derselben Weise zu; er wurde im Gegenteil immer
geringer.
Gleichzeitig zeigten auch die Erythrocyten dieser Tiere besondere
Eigenarten.
KossEL, Camus & Gley hatten gleichzeitig darauf aufmerksam ge-
macht, dass die Erythrocyten immunisierter Tiere unter Umständen an
sich (d. h. gründlich vom Serum befreit) refraktär gegen die Hämo-
lyse durch Aalblut sind. Tchistovitch fand nun, dass die Blut-
körperchen an sich grade dann besonders leicht löslich sind, wenn
der Antitoxingehalt des Serums hoch ist; dass sie dagegen mehr
oder minder refraktär sind, wenn sich der Antitoxingehalt des Serums
vermindert.
Es zeigt sich hier ein gewisser Parallelismus der Erscheinungen, der,
die Richtigkeit der Thatsachen vorausgesetzt, auf ein Versiegen der
Rezeptoren für das Aaltoxin sowohl in den Körperzellen, als auch in
den Erythrocyten hinzudeuten scheint. Wenn wir annehmen, dass
toxisches und hämolytisches Prinzip des Aalserums identisch sind, so
müssen wir auch passende Rezeptoren dafür sowohl in den Körperzellen,
wie in den Erythrocyten annehmen; ein Versiegen der Rezeptoren-
bildung unter dem Einfluss der Immunisierung würde dann thatsächlich
eine Giftfestigung trotz verminderter Antitoxinbilduug einerseits, eine
Unempfindlichkeit der Erythrocyten andererseits erklären.
Es ist nun allerdings die Frage, ob beide Prinzipien wirklich iden-
tisch sind. Wir stoßen hier auf dieselben Schwierigkeiten wie beim
Ricin. Auch dort lässt sich die Blutwirkung leicht aufheben, ohne die
toxische zu vernichten; auch dort ist unter normalen Bedingungen der
schützende Einfluss auf die Erythrocyten das Mass auch für die anti-
toxische Kraft. Und doch ist auch hier, wie wir oben sahen, die Frage,
ob das Ricin zwei aktive Stoflfe enthält, noch nicht abgethan; wenn auch
freilich viel ftlr die JACOBYSche Ansicht, dass es sich um einen ver-
zweigten Receptor handeln möge (s. d.), spricht.
Beim Aalblut liegt die Sache noch etwas anders.
Hier ist die Frage, ob nicht die blutlösende Wirkung des Serums
insofern ganz von der toxischen zu trennen ist, als es sich hier um ganz
analoge hämolytische Vorgänge handeln kann, wie sie zahlreiche andere
normale Sera auf fremde Erythrocyten ausüben. Wie Ehrlich und
Morgenroth in zahlreichen Arbeiten nachwiesen, handelt es sich hier
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— 212 —
um Reihen von eigenen Haptinen mit yersebiedenen spezifischen Ambo-
zeptoren und Komplementen.
Nachgewiesen ist bis jetzt freilich nicht, dass nicht doch auch hier,
wie Jacoby für das Ricin annimmt, an einem Amboceptor zwei ver-
schiedene ergophore Gruppen sitzen, deren eine hämolytisch, die
andere toxisch wirkt.
Dagegen spricht auch nicht der von TcmsTOviTCH hervorgehobene
Umstand, dass Erwärmen auf 55° die hämolytische Fähigkeit ver-
nichtet, ohne die spezifisch toxische zu zerstören (was übrigens von
Camus & Gley strikte geleugnet wird), und dass das so partiell in-
aktivierte Aalserum nach wie vor Antitoxin erzeugt. Alle diese That-
sachen lassen sich ebensogut durch eine partielle Toxoüdbildung, wie
durch die Annahme zweier spezifischer Haptine mit verschiedenen
haptophoren Gruppen erklären.
Hier könnten allenfalls nur exakte Bindungsversuche nach der
EHRLiCHSchen Methodik Klarheit schaffen. Man müsste zu entscheiden
versuchen, ob das Aalserum noch dann seine toxische Kraft behält,
wenn man die für Blutkörperchen passenden Rezeptoren durch spezi-
fische Bindung entfernt hat.
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Nachtrag.
Von den zahlreichen Arbeiten, die während der Drucklegung er-
schienen sind, und nicht mehr berücksichtigt werden konnten, sei doch
die Monographie von Grassbeeger & Schattenfroh (lieber das Raasch-
brandgift, Franz Deuticke, 1904) referiert, da sie ein sonst kaum be-
kanntes Gift ausführlich behandelt.
Nach den Darlegungen der Verfasser handelt es sich beim Rausch-
brandbacillus um ein echtes Toxin, das aber durch die bisherigen
Arbeiten nicht recht bekannt geworden war. Grassberger & Schatten-
froh führen nun aus, dass die Toxinbildung des Rauschbrandbacillus
nur unter ganz bestimmten Kulturbedingangen vor sich geht, nämlich
besonders dann, wenn sich der Bacillus als typischer Buttersäurebacillus
erweist. Dazu ist vor allem die Anwesenheit von gärfähigem Zucker
oder noch besser von milchsaurem Kalk in der Eulturflüssigkeit not-
wendig. Sehr häufig versagt die Toxinbildung ganz; die > denaturierten«
Stämme vermögen die Milchsäure nicht mehr zu vergären und erzeugen
gar kein Toxin; die Sporulationsfähigkeit kann dabei eingeschränkt
oder lebhaft erhalten sein.
Dagegen tritt nun bei einer stillen Nachgärung, bei der vorwiegend
die Milchsäure zersetzt wird, energische Toxinbildung auf, die während
der ersten stürmischen Gärung fehlen kann, und dementsprechend auch
bei Aussaat aufzuckerfreien, Milchsäure enthaltenden Kulturen. Von
weiterer ausschlaggebender Bedeutung ist die Reinheit der Kulturen,
da andere Bakterien das sehr labile Gift anscheinend schädigen. Femer
ist eine Temperatur von ca. 37° zur Toxinbildung notwendig.
Die Toxinbildung durch den Rauschbrandbacillus ist eine echte,
freie Sekretion.
Die keimfreie Filtration gelang durch Verwendung von Klärpulvern,
da feste Filter zuviel Toxin absorbieren.
Die Wirkung bei Meerschweinchen ist der Rauschbrandinfektion
ähnlich: Oedeme, Hämorrhagieen, Temperaturabfall, Lungenödem, also
eigentlich ganz das allgemeine Bild der Toxinvergiftung. Die Inkuba-
tionszeit beträgt nur wenige Stunden , die Krankheitsdauer 2 — 4 Tage,
bei massiven Dosen 6 — 7 Stunden.
Als Einheit wurde eine Giftlösung gewählt, von der 0,01 cm^ sub-
kutan ein Meerschweinchen von 200 — 300 g tötete. Bei Kaninchen
tritt nach intravenöser Injektion der Tod auch bei 1000 let. Doe. erst
Oppenheimer, Toxine und Antitoxine. 15
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— 214 —
nach einer Stunde ein, für sie ist subkutan 0,1 — 0,2 Nonnalgift die
tödliche Dosis. Aehnliche Mengen p. K. töten auch Aflfen, Hunde, Igel,
Mäuse, Hühner, Tauben, Schafe und Rinder. Für ein Jungrind war
40 cm^ Normalgift die Dos. let, bei Schafen ca 2 cm^ Frösche sind
refraktär, bewahren aber das Gift in ihrem Körper auf
Das Gift passiert sehr schwer Thonfilter, besonders Pukall, und
dialysiert kaum. Gegen Einfrieren und Auftauen ist es beständig, Licht
schädigt wenig, wohl aber Erwärmen schon auf 30°; dagegen lässt es
sich in der Kälte im Vacuum eintrocknen. 50° in 1 Stunde zerstört es
fast völlig, so dass nur bei großen Dosen (7 — 10 cm^ bei Meerschwein-
chen) noch Schwellungen auftreten. Auch bei luftdichtem Aufbewahren
wird es schnell geschwächt, noch schneller an der Luft.
Permanganat zerstört bei 1,5 ^/oo, Phenol bei Ißij auch Formaldehyd
(l%o)} sowie Aussalzen mit Ammonsulfat und Fällen mit Alkohol und
Aether schädigen erheblich. Chloroform ist völlig indifferent.
Das Rauschbrandgift zeigt sich als echtes Toxin auch dadurch,
dass man ein Antitoxin erzeugen kann. Bei Meerschweinchen gelingt
es nicht, da sie überempfindlich werden, leicht aber bei Kaninchen
und Rindern. Namentlich letztere sind sehr leicht zu immunisieren
und ergeben hochwertige Sera (bis 400 fach), während selbst hoch-
immune Kaninchen nur schwach antitoxinhaltige Sera ergeben. Die
Beziehungen zwischen Toxin und Antitoxin zeigen ganz analoge Zahlen-
erscheinungen wie z. B. beim Diphtherietoxin (ausgesprochener Wechsel
der Größe D, Schwellungen bei Injektion von Mischungen in der DifiFe-
rentialzone u. s. w.), die also auf Toxone deuten. Dagegen scheint
Toxoi'dbildung nicht einzutreten, da mit der Abnahme der Giftigkeit
auch das Bindungsvermögen parallel abnimmt. Die Bindung scheint
femer eine sehr langsame zu sein.
Das Antitoxin scheint sehr beständig zu sein (Aufbewahrung durch
2 Jahre); es ist nicht dialyeierbar, lässt sich zur Trockne bringen und
verträgt 60—65° eine Stunde lang.
Bei Meerschweinchen sind übemeutralisierte Toxin- Antitoxingemische
häufig noch giftig, andere Tiere lassen sich damit immunisieren, so dass
auch hier Gleichgewichtszustände um den neutralen Punkt herum zu
existieren scheinen, die näherer Untersuchung bedtlrfen.
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Alphabetisches Litteraturverzeichnis
zugleich Namenregister.
Die knrsiy gesetzten Zahlen bedeuten die Seitenzahlen. Die mit * bezeichneten
Citate habe ich nicht im Original eingesehen.
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Sachregister.
Aalblut^ft 207
Abrin 17ö
Antiricin 175
AntiBoblangentoxin 198
AntiBtapbylotoxin 125
Antitoxin 4
Antitoxine 26
Antitoxineinheiten 31
Arachnolysin 204
BakterienproteYne 58
Bindung, spezifische 28
Botnlismnstoxin 112
Choleragift 127
Choleralysin 125
Coligift 137
Colilysin 121
Diphtherieantitoxin 81
Diphtherietoxin 62
Endokomplemente 195
Endotoxine 5. 55
Epeira 203
FiBchgifte 206
Gebnrtsparalyse 112
Gesetz der Maltipla 30
Giftspectra 41
Gleichgewichte 49
Globuline 90
GU)notoxin 141
Hämagglutinine d. Bakt.
125
Hämolyse (Messung) 45
Hämorrhagin d. Schlangen
187
Haptine 21
I haptophore Gruppe 27
I Hogcholera 160
I Ichtbyotoxin 207
Immunität, antitoxische 16
' Inkubationszeit 3. 21
I Inkubationszeit (Tetanus)
! 99
Jequirity 175
Krötengift 202
Krotin 179
Lathrodectes 203
Lecithide d. Schlangen-
gifte 1%
Leukocidin 125
Leukocidin d. Schlangen-
gifte 197
MaUeYn 153
Maßeinheiten 32
Milzbrandgift 154
Nährböden 6
Nährböden f Diphtherie 64
Neurotoxin d. Schlangen
187
Oedem, malignes 160
Pestgift 138
Phrynolysin 202
Pneumotoxin 139
ProtoxoMe 36
Pyocyaneuslysin 120
I^ocyaneustoxin 114
Rauschbrand 160. 213
Receptor 16
Ricin 161
Robin 181
Ruhrgift 138
Salamandergift 203
Schlangengifte 181
Schlangenhämolysin 193
Schweineseuche 161
Seitenkettentheorie 4
Skorpionengift 205
Spezifizität 4
Spinnengift 203
Staphylotoxin 121
Streptolysin 125
Streptotoxin 143
SyntoxoYde 36
Tetanolysin 117
Tetanusantitoxin 110
Tetanustoxin 92
Toxalbumine 11
Toxin 3
Toxine, Allgemeinwir-
kung 22
Toxine, Schicksal im Or-
ganismus 14
Toxine , Zerstörung d.
äußere Einflüsse 12
ToxoTfde 24. 35
Toxone 24. 36
toxophore Gruppe 27
Trachinusgift 206
Tuberkelnfte 145
Tuberkulin 147
Tuberkulinsäure 150
Tuberkulosamin 150
Thymusbouillon 68
Typhusgift 135
Typhuslysin 125
Vibrio Metschnikofif 161
Wärmetönnng 55
Draclf
irtel in Leipsig.
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