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Full text of "Ueber das farbige Licht der Doppelsterne und einiger anderer gestirne des Himmels. Versuch einer das Bradley'sche Aberrationstheorem als integrirenden Theil in sich schliessenden allgemeineren Theorie. Zur Feier seines hundertsten Geburtstages als erste Veröffentlichung des nach ihm benannten physikalischen Princips. Neu hrsg. von F.J. Studnicka"

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Doppler,  Christian 

Ueber  das  farbige  Licht 


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UEBER  DAS 

FARBIGE  LICHT  DER  DÖPPELSTEEIE 


UXD  EINIGER  ANDERER 


GESTIRNE  DES  HIMMELS. 

VERSUCH    EINER    DAS    BRADLEY'SCHE   ABERRATIONS- THEOREM   ALS  INTE- 
GRIREXDEN  THEIL  IN  SICH  SCHLIESSENDEN  ALLGEMEINEREN  THEORIE. 


CHRISTIAN  DOPPLER, 

PROFK&SOK    DEli   MATHKJIATIK    UND    PRAKTISCHEN    GEOMETRIE    AM   TECUXiSt'HEN    IXSTiTUTK 

UND    AUSSERORDENTL.    MITGLIED 

DER     KÖNIGL.    BÖUM.    GESELLSCHAFT     DER    WISSENSCHAFTEX. 


ZUR  FEIER 

SEINES  HUNDERTSTEN  GEBURTSTAGES 

ALS  ERSTE  VERÖFFENTLICHUXC,  DES  NACH  IHM  BENANNTEX 

"  PHYSIKALISCHEN  PRINCIPS  IZ: 


NEU    HERAUSGEGEBEN    VON 


DR.  F.  J.   STUDNICKA, 

K.    K.    HOFRAT,    PROFESSOR    DER    JCATHEMATIK    AX    DER    HÜIINt.    UXIVERSITÄT. 

(MIT  DOPPLER'S  PORTRÄT.) 


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PRAG  1903. 

VERLAG   DER   KÖNIGL.   BÖH.M.   GESELLSCHAFT  DER  WISSEXSCHAFTEX. 
DR.  ED.  GREGR  A  SYX,  BUCHDRUCKEREI  IX  PRAG. 


Vorwort. 


Bekanntlich  entliält  die  vorliegende  Abhandlung,  vor 
60  Jahren  im  Aktenband  der  kön.  böhmischen  Gesellschaft 
der  Wissenschaften  (V.  Folge  IL  Bd.)  veröffentlicht,  die  erste 
Stilisierung  des  nachtrtäglich  so  berühmt,  weil  für  die  moderne 
Astrophysik  unentbehrlich  gewordenen,  später  so  genannten 
Doppler'schen  Priucips. 

Da  auf  den  29.  November  1.  J.  der  hundertste  Geburtstag 
des  gefeierten  Autors  derselben  fällt,  welchen  festlich  zu  begehen 
die  genannte  Gesellschaft  über  meine  Anregung  beschlossen 
hat,  erhielt  ich  den  ehrenden  Auftrag,  einen  wortgetreuen 
Wiederabdruck  dieses  nunmehr  der  Geschichte  der  Physik  an- 
gehörenden Aufsatzes  zu  besorgen,  damit  er  allen  bequem  zu- 
gänglich gemacht  werde,  die  sich  um  die  Provenienz  eines  so 
folgenreichen  Priucips  kümmern,  und  zugleich  das  Andenken 
an  dessen  Entdecker  wach  erhalten  werde,  der  während  seiner, 
leider !  nur  kurzen  Lebenszeit  seinetwegen  vielfache  Kämpfe 
durchzufechten  hatte  —  wir  erinnern  hier  nur  an  Prof.  Petzval, 
der  sogar  sein  „Princip  der  Erhaltung  der  Schwingungsdauer" 
als  entscheidend  angesehen  wissen  wollte.  — 

Ausserdem  mag  hier  noch  angeführt  werden,  dass  die 
königliche  Hauptstadt  Prag,  wo  Christian  Doppler  als  Professor 
der  Mathematik  und  praktischen  Geometrie  am  ständischen 
Polytechnikum  seine  schönsten  Jahre  zubrachte  und  hier  auch 
von  der  Universität  zum  Ehrendoktor  der  Philosophie  promoviert 
wurde,  sein  Andenken  dadurch  zu  ehren  sich  über  meinen 
Antrag  entschied,  dass  ihr  Stadtrat  an  dem  Hause,  wo  Doppler 

1* 


sein  Princip  konzipiert  hat,  eine  entsprechende  Gedenktafel  an- 
bringen liess,  und  zugleich  hoffen  lässt,  dass  die  neue  Gasse, 
welche  die  Zukunftsbauten  der  naturwissenschaftlichen  Uni- 
versitäts-Institute verbinden  soll,  Dopplers'  klangvollen  Namen 
erhalten  werde,  adaequat  dem  Voigange,  wodurch  derselbe 
astrophile  Stadtrat  vor  zwei  Jahren  die  Erinnerung  an  den 
prager  Aufenthalt  Tychds  und  Keppler's  so  würdig  und  ein- 
fach stabilisierte. 

Dass  ich  zur  Feier  dieses  hundertsten  Geburtstages  auch 
Etwas  beizutragen  mich  bemüht  habe,  indem  ich  die  dritte 
Auflage  meiner  allseits  beifällig  aufgenommenen  astronomischen 
Causerien,  betitelt  .^Bis  ans  Ende  der  Welt'\  hiezu  widmete, 
wo  die  astrophysikalischen  Konsequenzen  des  Doppler'schen 
Princips  eingehend  erörtert  werden,  will  ich  nur  nebenbei 
erwähnen. 

Hoffentlich  wird  ihm  auch  die  so  reizend  an  den  Ufern 
der  reissenden  Salzach  sich  erhebende  Mozartstadt,  stolz  auf 
das  vor  100  Jahren  daselbst  zur  "Welt  gekommene  Bürgerkind, 
ebenfalls  ein  dauerndes  Denkmal  bei  diesem  Anlasse  widmen, 
zumal  sie  schon  im  J.  1897  auf  diesen  hundertsten  Geburtstag 
von  mir  aufmerksam  gemacht  worden  ist. 


Prag  den  1.  Januar  1903. 


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Dr,  F.  J.  Studnicka. 


Üeber  das  farbige  Licht  der  Do])|)elstenie  und 
einiger  anderer  (iestirne  des  ilimniels. 


(rielesen  bei  der  kr)nigl.  (iesellschaft  der  Wissenschaften  zu  Prag,   in  der  natur- 
wissenschaftlichen Scctionssitzung  vom  2ö.  Mai  1842.) 


§    1- 

Die  Undulationstheorie  des  Lichtes,  sowie  sie  Euler  und  Huygens 
allererst  aufstellten  und  mit  vielem  Scharfsinne  gegen  die  erklärtesten 
Gegner  derselben  vertheidigten,  ist  im  Verlaufe  ihrer  weitereu  Aus- 
bildung bekanntlich  auf  Schwierigkeiten  gestossen,  welche  spätere 
ausgezeichnete  Gelehrte,  wie  Young,  Fresnel,  Cauchy  u.  A.  dahin 
vermochten,  von  der  ursprünglichen,  wie  es  scheint  nur  allein  natur- 
gemässen  und  einfachen  Voraussetzung  sphärischer  oder  longitudi- 
naler  Aetherschwingungen  abzugehen  und  sich  zur  Annahme  blosser 
derartiger  transversaler  Schwingungen  zu  verstehen.  Die  glänzenden 
Erfolge  dieser  neuen  Voraussetzung  haben  seitdem  auch  mehrere  der- 
jenigen Physiker,  wenn  auch  nicht  eben  überzeugt  doch  vorläufig 
einigermassen  beruhigt,  welche  sich  von  allem  Anfange  her  nur 
höchst  ungern  und  mit  sichtlichem  Widerstreben  dieser  neuen  Ansicht 
über  die  Natur  des  Lichtes  hingaben.  Und  so  ist  es  denn  gekommen, 
dass  während  diese  Ansicht  den  feinsten  analytischen  Untersuchungen 
fortwährend  zum  Grunde  gelegt  wird,  und  zu  mehr  oder  minder 
glücklichen  Resultaten  führet,  man  die  Untersuchung  und  jegliche 
Discussion  über  die  Zulässigkeit  und  innere  Wahrscheinlichkeit 
dieser  neuen  Hypothese  vor  der  Hand  so  gut  wie  fallen  Hess.  Auf 
eine  vollständige    und    erschöpfende    Erklärung    sämmtlicher    bisher 


6  Doppler,  über  das  farbige  Licht  der  Doppelsterne 

bekannter  Lichterscheinungen  nach  diesem  Prinzipe,  scheint  es,  wolle 
man  es  ankommen  lassen,  diese  wolle  man  abwarten,  und  sodann  erst 
versuchen,  ob  man  sich  mit  wahrhafter  Ueberzeugung  dieser  neuen 
Voraussetzung  zuzuwenden  vermögen  wird. 

Indessen  giebt  es  bekanntlich  sehr  viele,  die,  wiewohl  sie  den 
Werth  analytischer  Ergebnisse  in  vollem  Masse  zu  würdigen  wissen, 
gleichw^ohl  einen  derartigen  durchaus  glücklichen  Erfolg  noch  sehr 
bezweifeln  und  geradezu  auf  die  Schwierigkeiten  aufmerksam  machen, 
denen  in  steigendem  Masse  diese  neuere  Theorie  entgegen  gehet.*) 
—  Laplace  und  Poisson,  welchem  Letzteren  die  Lichttheorie  so  viel 
verdanket,  waren  bekanntlich  bis  zum  letzten  Augenblicke  ganz  ent- 
schieden gegen  diese  neue  Modification  der  Undu'ationstheorie,  und 
haben  diese  ihre  Ueberzeugung,  wo  sich  nur  immer  die  Gelegenheit 
hierzu  darbot,  mit  Offenheit  und  ohne  allen  Rückhalt  ausgesprochen. 
Auch  Herschel  d.  j.  hält  diese  Ansicht  über  die  Natur  des  Lichtes 
(man  sehe  dessen  Werk  über  das  Licht,  S.  540)  durchaus  noch  nicht 
für  die  richtige  und  wahre,  und  er  scheint  sie  nur  einstweilen,  ihrer 
Erfolge  wegen,  melir  dulden  als  vertheidigen  und  pflegen  zu  wollen. 
Dieser  Meinung  scheinen  auch  Brandes  und  viele  andere  höchst  acht- 
bare Physiker  der  Jetztzeit  zu  soyn,  und  es  ist  überhaupt  sehr  die 
Frage,  ob  nicht  selbst  die  eigentlichen  Vertheidiger  der  transversalen 
Schwingungen,  wenn  sie  von  den  glücklichen  Resultaten  ihres  Calcüls 
absehen,  eingestehen  müssen,  dass  man  zu  dieser  ihrer  Voraussetzung 
einen  etwas  starken  Glauben  mitzubringen  habe.  Es  ist  aber  hier 
nicht  an  der  Zeit,  zu  erörtern,  wie  hoch  überhaupt  der  Werth  einiger 
oder  auch  vieler  mit  der  Erfahrung  gut  stimmender  Rechnungsresul- 

*)  Das  Aberrations-Phänomen  als  solches  darf  wohl  heut  zu  Tage,  wo  es  bis 
auf  die  feinsten  Details  durchgeprüft  erscheint,  für  fast  eben  so  constatirt  ange- 
sehen werden,  wie  irgend  eine  andere  Erscheinung  in  der  Lehre  vom  Lichte. 
Unter  Voraussetzung  longitudinaler  Aetherschwinguugen  bietet  die  Erklärung  des- 
selben nicht  die  geringste  Schwierigkeit  dar,  ja  folgt  mit  Nothwendigkeit  aus  der 
Zusammensetzung  der  Aetherwellen  mit  der  eigenen  fortschreitenden  Bewegung 
der  Erde.  Nicht  aber  lässt  sich  ein  Gleiches  bei  Annahme  transversaler  Schwin- 
gungen behaupten.  Fresnel,  der  Mitbegründer  der  neueren  Undulationslehre,  hat 
dieses  bekanntlich  selbst  anerkannt.  Aber  nicht  nur  nicht  zu  erklären  vermag  man 
dieses  Phänomen  nach  dieser  Voraussetzung  ;  sondern  es  scheint  sogar  mit  der 
neueren  Undulationslehre  in  einem  offenbaren  und  directen  Widerspruche  zu 
stehen.  Sollte  hierin  für  die  eigentlichen  Vertreter  dieser  Lehre  nicht  eine  sehr 
bestimmte  Aufforderung  liegen,  die  Zulänglichkeit  ihres  Prinzipes  vor  Allem  an 
der  Erklärung  dieser  Erscheinung  zu  erproben?  —  Bis  dahin  aber,  wo  dieses 
geschehen  seyn  wird,  dürfte  wohl  auch  unserm  gegenwärtigen  Erklärungsversuche 
die  gleiche  billige  Beachtung  und  Prüfung  kaum  versagt  werden  können. 


und  einiger  anderer  Gestirne  des  Himmels.  7 

täte  gegenüber  einer  Voraussetzung  anzuschlagen  ist,  die,  wie  es 
wenigstens  dem  Verfasser  dieser  Zeilen  scheint,  den  Charakter  einer 
grossen  innern  Unwahrscheinlichkeit  an  sich  trägt.  Wie  immer  aber 
auch  in  der  Zukunft  der  Streit  hierüber  ausgetragen  werden  mag,  so 
kann  unter  so  bewandten  Umständen  wohl  niemand  sich  vorzugsweise 
aufgefordert  fühlen,  irgend  eine  optische  Naturerscheinung  eben 
gerade  nach  dem  Prinzipe  der  Lateral-Schwingungen  erklären  zu 
wollen. 

§2. 

Nach  der  ursprünglichen  Vibrationshypothese  ist  bekantlich  die 
Farbempfindung  eine  unmittelbare  Folge  der  in  gewissen  Zeitinter- 
vallen regelmässig  aufeinanderfolgenden  Pulsationen  oder  Wellen- 
schläge des  Aethers.  Die  Intensität  des  farbigen  Lichtes  dagegen 
hängt  lediglich  von  der  Grösse  der  Excursionen  jedes  einzelnen 
Aethertheilchens  oder  beziehungz weise  derjenigen  ab,  welche  unmit- 
telbar die  Retina  des  Auges  berühren.  Alles,  was  demnach  das  Inter- 
vall der  Zeit,  die  zwischen  den  einzelnen  Stössen  des  Aethers  verfliesst, 
ändert,  zieht  nothwendig  eine  Aenderung  der  Farbe  nach  sich,  und 
jeder  Umstand,  der  bewirket,  dass  die  einzelnen  Wellenschläge  mit 
verminderter  oder  vermehrter  Energie  erfolgen,  ändert  den  Intensi- 
tätsgrad des  farbigen  und  weissen  Lichtes.  Letzteres  hängt  wieder 
damit  zusammen,  dass  in  diesem  Falle  die  Grösse  der  Excursionen, 
welche  jedes  Aethertheilchen  macht,  sich  ändert.  Was  hier  von  den 
Lichtwellen  gesagt  und  behauptet  wurde,  gilt  natürlich  auch  voll- 
kommen strenge  von  den  Schallwellen,  und  man  hat  daher  auch  von 
jeher  bis  zu  dem  oben  bezeichneten  Zeitpunkte  die  verschiedenen 
Lichtphänomene  aus  jenen  des  Schalles  auf  dem  Wege  der  Analogie 
mit  vielem  Glücke  zu  erklären  gesucht.  —  Es  dünkt  mich  aber  sehr 
bemerkenswerth,  dass  man  sowohl  in  der  Licht-  und  Schall-Lehre, 
wie  auch  in  der  allgemeinen  Wellenlehre  meines  Wissens  wenigstens 
auf  einen  möglicher  Weise  sehr  wohl  vorkommenden  Umstand  bisher 
so  gut  wie  keine  Rücksicht  genommen  hat!  Es  scheint  nämlich,  man 
habe  völlig  unbeachtet  gelassen,  dass,  wenn  man  von  den  Licht-  und 
Schallwellen  als  Ursachen  der  Licht-  und  Schallempfindungen  und 
nicht  bloss  als  von  objectiven  Vorgängen  spricht,  man  nicht  sowohl 
darnach  fragen  müsse,  in  welchen  Zeiträumen  und  mit  welchen  Inten- 
sitätsgraden die  Wellenerzeugung  an  und  für  sich  vor  sich  gehe,  — 
als  vielmehr  darnach,    in  welchen    Zeitintervallen    und    mit  welcher 


g  Doppler,  über  das  farbige  Licht  der  Doppelsterne 

Stärke  diese  Aetlier-  oder  Luftschwingungen  vom  Auge  oder  vom 
Ohre  irgend  eines  Beobachters  aufgenommen  und  empfunden  werden. 
Von  diesen  rein  subjectiven  Bestimmungen,  nicht  aber  von  dem  ob- 
jectiven  Sachverhalte  hängt  die  Farbe  und  Intensität  einer  Lichtem- 
pfindung oder  die  Tonhöhe  und  Stärke  irgend  eines  Schalles  ab.  Er- 
eignet es  sich  daher  irgend  wie,  dass  eine  numerische  Verschieden- 
heit zwischen  dem  objectiven  Vorgange  und  dem  subjectiven  Ergeb- 
nisse sich  hierbei  herausstellt:  so  hat  man  sich  ganz  unzweifelhaft 
an  die  subjectiven  Bestimmungen  zu  halten.  Im  ersten  Augenblicke 
mag  es  nun  freilich  scheinen,  als  sey  das  Gesagte  mehr  für  eine 
bloss  gelehrte  Distinction,  denn  für  eine  von  wichtigen  praktischen 
Folgen  begleitete  Bemerkung  zu  halten.  Doch  hierüber  möge  der 
geehrte  Leser,  sobald  er  die  nachfolgenden  Zeilen  einiger  Erwägung 
gewürdiget,  selbst  entscheiden.  —  So  lange  man  nämlich  voraussetzet, 
dass  sowohl  der  Beobachter  als  auch  die  Quelle  der  Wellen  unver- 
ändert ihren  anfänglichen  Ort  beibehalten,  unterliegt  es  freilich  kei- 
nem weiteren  Zweifel,  dass  die  subjectiven  Bestimmungen  mit  den 
objectiven  numerisch  vollkommen  zusammenfallen  werden.  Wie  aber, 
wenn  entweder  der  Beobachter  oder  die  Quelle  oder  gar  beide  zu- 
gleich ihren  Ort  veränderten,  sich  von  einander  entfernten  oder  sich 
einander  näherten,  und  dieses  zwar  mit  einer  Geschwindigkeit,  die 
mit  jener,  nach  der  die  Wellen  fortschreiten,  in  einigen  Vergleich 
käme?  Dürfte  auch  in  diesem  Falle  auf  eine  solche  Uebereinstimmung 
beider  zu  rechnen  seyn?  Ich  glaube  kaum,  dass  der  Leser  sich  ge- 
neigt fühlen  dürfte,  diese  Frage  ohne  eine  vorgängige  Untersuchung 
geradezu  zu  bejahen !  —  In  der  That  scheint  nichts  begreiflicher,  als 
dass  der  Weg  und  die  Zwischenzeit  zweier  aufeinanderfolgender 
Wellenschläge  für  einen  Beobachter  sich  verkürzen  muss,  wenn  der 
Beobachter  der  ankommenden  Welle  entgegeneilt,  und  verlängern^ 
wenn  er  ihr  enteilt,  und  dass  auch  gleichzeitig  im  ersteren  Falle 
die  Intensität  des  Wellenschlags  grösser  werden,  im  zweiten  dagegen 
nothwendig  sich  vermindern  muss.  Bei  einer  Bewegung  der  Wellen- 
quelle selbst  findet  natürlich  eine  ähnliche  Veränderung  in  demselben 
Sinne  statt.  Hat  doch  auch  der  gemeinen  Erfahrung  zufolge  ein  auch 
nur  etwas  tiefgehendes  Schiff,  we'ches  den  andringenden  Wellen  ge- 
rade entgegensteuert,  in  derselben  Zeit  eine  grössere  Anzahl  und  viel 
heftigere  Wellenschläge  zu  erleiden,  wie  eines,  das  ruhet  oder  gar 
sich  in  der  Richtung  der  Wellen  mit  ihnen  fortbewegt.  Was  aber 
von  den  Wasserwellen  gilt,  warum  dürfte  dieses  nicht  mit  den  nö- 
thigen  Modificationen   auch    von   den   Luft-  und  Aetherwellen  ange- 


und  einiger  anderer  Geslirno,  des  Himmels.  9 

nommen  werden?  Es  scheint,  als  ob  sich  dagegen  etwas  Erhebliches 
kaum  vorbringen  lassen  dürfte!  —  Unter  diesen  Umständen  mag  es 
zweckdienlich  scheinen,  die  nöthigen  darauf  bezüglichen,  ganz  ein- 
fachen Formeln  aufzustellen,  und  indem  wir  dieselben  versuchsweise 
auf  die  Schallwellen  anwenden,  glauben  wir  zugleich  auch  der  Akustik 
einen  kleinen  Dienst  zu  erweisen. 


§3. 

Wenn  Beobachter  und  Wellenquelle  sich  einander  nähern  oder 
von  einander  entfernen,  so  kann  die  Richtung  ihrer  Bewegung,  falls 
sie  eine  geradlinige  ist,  in  ihre  Verbindungslinie  fallen,  oder  ihre 
Richtungen  schliessen  einen  Winkel  ein.  Alles,  was  dabei  eine  Aen- 
derung  erfahren  kann,  ist  die  Dauer  zwischen  den  aufeinander  fol- 
genden Wellenschlägen,  ihre  Intensität  und  die  Richtung,  in  der  sie 
dem  Beobachter  anzukommen  scheinen.  Der  letztere  Punkt  kömmt 
bei  unserer  gegenwärtigen  Untersuchung  nicht  in  Betracht,  und  ist 
überdiess  schon  duch  Bradley's  scharfsinniges  Aberrations-Theorem 
als  erledigt  anzusehen.  Es  bleibt  uns  demnach  nur  der  erstere  Fall 
einer  directen  Annäherung  oder  Entfernung  für  die  Betrachtung  übrig, 
wo  die  Frage  über  die  Richtung  nicht  zur  Sprache  kömmt.  Diesen 
vorliegenden  Fall  dagegen  müssen  wir  unter  einer  doppelten  Voraus- 
setzung betrachten;  das  einemal  nämlich,  wo  der  Beobachter  in  Be- 
wegung und  die  Quelle  in  Ruhe,  das  anderemal,  wo  gerade  das  Gegen- 
theil  davon  angenommen  wird. 

Fall  1.  Es  heisse  die  Geschwindigkeit;  mit  welcher  die  Wellen 
fortgepflanzt  werden,  a,  und  0  und  A  (Fig.  1  und  2)  bedeute  Anfang 
und  Ende  einer  Welle,  Q  dagegen  die  entfernte  Quelle  derselben, 
ferner  n  die  Anzahl  Sekunden,  die  eine  Welle  nöthig  hat,  um  von 
A  nach  0  zu  kommen,  d.  h.  um  eine  Wellenlänge  zu  durchlaufen, 
und  x"  die  Zeit,  die  sie  braucht,  um  den  gegen  oder  von  A  sich 
bewegenden  Beobachter  0  zu  erreichen.  Man  hat  daher  für  den  Fall 
der  Annäherung  sowohl  wie  der  Entfernung  des  Beobachters  von  oder 
an  die  Quelle,  wegen 

a  :r"  +  a  a?  :=  a  w"  ;   1 ,  x"  zii  ; 


oder  auch 


('-^^- 


10  Doppler,  über  das  farbige  Licht  der  Doppelsteme 

Fall  2.  Wenn  dagegen  der  Beobachter  unbeweglich  ist,  die 
Quelle  sich  dagegen  mit  der  Geschwindigkeit  a  zu  oder  von  dem 
Beobachter  bewegt:  so  hat  man  vor  Allem  den  Einfluss  dieser  Be- 
wegung auf  die  der  Quelle  nächste  Welle  zu  berücksichtigen,  da  die 
einzelnen  entstandenen  Wellen,  wie  Fig.  H  und  4  veranschaulicht, 
in  völlig  unveränderter  Weise  bis  zum  entfernten  Beobachter  in  0 
fortgepflanzt  werden.  Während  daher  die  erste  Welle  von  Q  nach  A 
gelangt,  wobei  sie  einen  Weg  gleich  an  durchläuft,  ist  die  Quelle 
Q  selbst  nach  Q'  gekommen,  wobei  sie  einen  Weg  gleich  a  n  macht, 
und  die  zw^eite  Welle  braucht  nur  noch  eben  so  viele  Zeit,  als  zum 
Durchlaufen  der  entsprechenden  Wellenlänge  O'A  nöthig  ist.  Man  hat 
daher  für  beide  Fälle,  wegen 

_                                     /  Q  +  «  \ 
an"  -\.  cc  n"  —  a  x'\  2,  x:=    ' 1  n\ 

oder  auch 

X 


a. 
n 

Aus  der  Verschiedenheit  der  beiden  Formeln  (l)und  (2)  ersieht 
man,  dass  es  keineswegs  selbst  unter  solchen  gleichen  Umständen 
einerlei  ist,  ob  der  Beobachter  oder  die  Wellenquelle  sich  bewegt.  — 
Rücksichtlich  der  Intensitätsänderung  müssen  wir  uns,  da  bis  jetzt  die 
Vibrationsgeschwindigkeit  der  einzelnen  Theilchen  sich  noch  nicht 
ermitteln  Hess,  mit  der  schon  im  Frühern  ausgesprochenen  allgemeinen 
Bemerkung  begnügen. 

§4. 

Entfernt  sich  der  Beobachter  von  dem  schallenden  oder  leuch- 
tenden Objecte  mit  einer  dem  a  selbst  gleichen  Geschwindigkeit,  so 
findet  man,  da  in  Formel  (1)  das  untere  Zeichen  zu  gelten  hat, 
a?  :=  OD,  d.  h.  die  einzelnen  Schallwellen  erreichen  niemals  das  Ohr 
des  Beobachters,  und  die  Tonerzeugung,  wiewohl  an  und  für  sich 
vorhanden,  ist  für  die  Wahrnehmung  des  Beobachters  so  gut  wie  gar 
nicht  da.  Entfernt  sich  aber  dagegen  die  Tonquelle  selbst  mit  derselben 
Geschwindigkeit  vom  Beobachter,  so  findet  man  (da  in  Formel  (2) 
das  untere  Zeichen  zu  gelten  hat)  x:=:2n\  d.  h.  der  Beobachter 
vernimmt  die  nächst  tiefere  Octav  desjenigen  Tones,  welchen  an  und 
für  sich  der  schallende  Körper  hervorbringt.  —  Nimmt  mau  endlich 
aUj  dass  sich  die  Quelle  dem  Beobachter   mit   einer   Geschwindigkeit 


und  einiger  anderer  Gestirne  des  Himmels.  11 

annähert,  die  jener  der  fortschreitenden  Wellen  selbst  gleichkömmt: 
so  hat  man,    da  im  Formel  (2)    das    untere    Zeichen  zu  gelten  hat, 

wegen  a  z^  a,  x^:  — '- —  =  0 ,    d.    h.    die    einzelnen    Wellenschläge 

treffen  alle  in  nämlichen  Augenblicke  beim  Beobachter  ein,  oder  was 
dasselbe  ist,  in  unendlich  kurzen  Zeitintervallen,  welcher  Umstand 
einen  unendlich  hohen  Ton,  der  gar  nicht  mehr  vernehmbar  wird, 
begründen  würde.  —  Um  auf  einige  ganz  spezielle  numerische  Bei- 
spiele überzugehen,  werde  vorausgesetzt,  die  Geschwindigkeit  des 
Schalles  bei  10*^  Reaumur,  d.  i.  a,  sey  1024  par.  Fuss,  und  man  frage 
z.  B.  um  die  Geschwindigkeit  a,  mit  der  sich  ein  Beobachter  gegen 
die  Schallquelle  bewegen  muss,  damit  er  das  sogenannte  grosse  C 
als  D  vernehme,  so  erhält  man  wegen 

—  i_     — J_ 
^-  64'-^-  72 

und  a  =:  1024  nach  Formel  (1);  a  :r:  128'  als  Geschwindigkeit  in  der 
Sekunde.  Umgekehrt  zeigt  die  nämliche  Formel,  dass  sich  der  Beob- 
achter mit  einer  Geschwindigkeit  von  114  Fuss  in  der  Sekunde  von 
der  Schallquelle  entfernen  müsste,  damit  das  D  als  grosses  C  ver- 
nommen würde.  Noch  viel  günstiger  für  die  Wahrnehmung  irgend 
einer  Tonänderuug  sind  andere  sich  näher  liegende  Töne,  da  sie  bei 
absoluter  gleicher  Fortpflanzungsgeschwindigkeit  des  Schalles  dennoch 
einander  näher  liegende  Schwingungszahlen  darbieten.  So  z.  B.  bedarf 
es,  wegen 

n  =:  -—jr-  und  X  ==  —^r^  und  a  =:  1024 

nur  einer  Geschwindigkeit  «  =  68'  von  Seiten  eines  Beobachters,  um 
den  Ton  H  als  c  zu  vernehmen.  Ein  geübtes  Ohr  unterscheidet  aber 
bekanntlich  Tonunterschiede  bis  auf  einen  Viertelton,  und  es  bedürfte 
daher  gar  nur  nach  Formel  (1)  einer  Geschwindigkeit  a  von  kaum 
17'  in  der  Sekunde,  um  bei  dem  Tone  H  eine  Erhöhung  oder  auch 
Erniedrigung  von  einem  Viertelton  zu  bewirken.  Berücksichtigt  man 
nun,  dass  die  Annäherung  oder  das  Entfernen  ein  wechselseitiges  seyn 
kann,  so  ist  der  Fall  gar  nicht  undenkbar,  wo  bei  einer  beidersei- 
tigen Geschwindigkeit  von  nur  wenigen,  höchstens  8  Fuss  in  der 
Sekunde,  für  einen  aufmerksamen  Beobachter  bereits  kleine  Tonver- 
änderungen wahrnehmbar  werden  können.  —  Doch,  ich  will  nun 
meinem  vorgesteckten  Ziele  näher  rücken,  indem  ich  sofort  die  oben 
aufgestellten  Formeln  auf  die  Erscheinungen  des  Lichtes  anwende. 


\2  Doppler,  über  das  farbige  Licht  der  Doppelsterne 


Setzt  man  die  Gescl 'windigkeit  des  Lichtes  a  =  42000  Meilen 
in  der  Sekunde,  und  fragt  man,  mit  welcher  Geschwindigkeit  ein  im 
weissen  oder  violetten  Lichte  leuchtendes  Object  sich  von  einem  Be- 
obachter entfernen  müsse,  damit  es  für  ihn  völlig  unsichtbar  werde, 
so  hat  man  für 

—  =:  727  Billionen  und  für  —  =:  458  Billionen  zu  setzen, 
n  X 

und  man  findet  für  a  aus  Formel  (2)  die  Geschwindigkeit  von  19000 
Meilen  in  der  Sekunde.  Bei  einer  solchen  Geschwindigkeit  des 
leuchtenden  Gegenstandes  würden  daher,  falls  er  sich  von  uns  ent- 
fernte, die  äussersten  violetten  und  um  so  mehr  alle  übrigen  farbigen 
Strahlen,  folglich  auch  das  aus  ihnen  zusammengesetzte  weisse  Licht 
wäre  es  selbst  noch  so  intensiv,  für  jede  Beobachtuug  völlig  ver- 
löschen, llücksichtlich  der  übrigen  Farben  reicht  übrigens  schon  eine 
bedeutend  geringere  Geschwindigkeit  zum  völligen  Verlöschen  desselben 
hin.  Die  Formel  (2)  gibt  nämlich  für  gelbes  Licht  die  Geschwindig- 
keit von  5007  Meilen  in  der  Sekunde,  für  rothes  gar  nur  1700  Meilen. 
Bei  den  hier  namhaft  gemachten  Geschwindigkeiten  würde,  da  immer 
je  eine  oder  gar  zwei  der  prismatischen  Hauptfarben,  sey  es  nun 
aus  dem  untern  (beim  Entfernen)  oder  aus  dem  obern  (beim  An- 
nähern) des  Spectrums  ganz  austritt,  das  zurückbleibende  farbige 
Licht  stets  ein  vollkommen  homogenes  seyo,  ein  Umstand,  der  hier 
sehr  wohl  zu  beachten  ist. 

Ganz  anders  dagegen  stellt  sich  der  Calcül,  sobald  wir  von  der 
Voraussetzung  ausgehen,  dass  das  beobachtete  farbige  Licht,  weit 
entfernt,  ein  homogenes  zu  seyn,  vielmehr  ein  mit  vielem  Weiss  ge- 
mischtes ist,  welcher  Fall  eben  bei  den  vorliegenden  Betrachtuogen 
eintritt.  Herschel  d.  j.  spricht  es  selbst  aus,  dass  alles  mit  besonders 
lebhaftem  Glänze  und  grossem  sogenannten  Feuer  leuchtende  farbige 
Licht  stets  ein  mit  ziemlich  vielen  weissen  Strahlen  gemischtes  sey, 
und  an  einem  andern  Orte  seines  vortrefflichen  Werkes  über  das 
Licht  nimmt  er  an,  dass  das  menschliche  Auge  noch  Faibunterschiede 
gewahr  zu  werden  vermag,  welche  durch  ein  Entziehen  von  nur  dem 
hunderten  Theile  derjenigen  rothen,  gelben  oder  blauen  Strahlen  her- 
vorgehen, die  mit  den  übrigen  zu  weissem  Lichte  sich  zusammen- 
gesetzt finden.  Ein  weiterer  sehr  bemerkenswerther  Umstand  ist  fol- 
gender. Da  nämlich  die  Intensität  oder  Menge  der  verschiedenfarbigen 


und  einiger  anderer  Gestirne  des  Himmels.  13 

Lichtstrahlen  mit  itiren  Schwingungszahlen  nicht  im  gleichen  Ver- 
hältnisse steht,  indem  die  im  weissen  Lichte  enthaltenen  blauen  die 
rothen  um  vielleicht  dreimal,  die  gelben  sie  gar  um  mehr  als  zehn- 
mal übertreffen,  und  da  es  ferner  gerade  die  gelben  Strahlen  sind, 
die  einerseits  (bei  einer  Annäherung)  in  blaue,  andererseits  dageg^'n 
(bei  einem  Entfernen)  in  rothe  übergehen  :  so  ist  klar,  dass  selbst 
bei  einer  Verminderung  von  nur  einem  Hundertel  der  äussersten 
rothen  oder  blauen  Strahlen  eine  wenigstens  dreimal,  im  andern  Fall 
sogar  zehnmal  grössere  Anzahl  von  farbigen  Strahlen  wirksam  auf- 
treten und  eine  schon  sehr  merkliche  Färbung  zu  bewirken  vermögen 
werden.  Aus  eben  diesem  Umstände  folgt,  dass  die  rothe  und  orange 
Färbung  unter  übrigens  gleichen  Umständen  intensiver  und  dem  ho- 
mogenen gleichnamigen  Lichte  näher  kommen  werde,  wie  die  blaue 
und  grüne,  und  ebenso  dass  zur  grünen,  orangen  oder  violetten  Färbung 
keineswegs  nothwendig  alle  blauen,  rothen  oder  gelben  Strahlen, 
sondern  nur  einige  wenige  derselben  auszutreten  haben,  da  die  übrigen 
wieder  zu  weissem  Lichte  sich  vereinigen. 
Diess  vorausgesetzt  findet  man,  wenn 

X  =:  -r^^  und  n 


458  458-37 

gesetzt  wird,  wobei  also  die  rothen  Strahlen  von  der  Schwingungszahl 
458"37  PJillionen  auf  458  Billionen  herabgebracht  werden,  also  der 
hundertste  Theilder  rothen  Strahlen  austreten,  a  =:  33  Meilen  für  die 
Sekunde,  d.  h.  wenn  ein  im  weissen  Lichte  leuchtender  Stern  sich 
einem  Beobachter  mit  einer  Geschwindigkeit  von  33  Meilen  in  der 
Sekunde  annähert  oder  sich  von  ihm  entfernt,  so  erscheint  er  dem- 
selben im  ersteren  Falle  schon  merklich  grün,  im  anderen  dagegen 
orange  gefärbt.  Dieser  Zahlwerth  dürfte  auch  so  ziemlich  als  die 
untere  Grenze  gelten.  Bei  der  Voraussetzung,  dass  ein  ganzes  Zehntel 
der  rothen  oder  blauen  Strahlen  austreten,  wodurch  zu  Folge  der 
oben  ausgesprochenen  Umstände  eine  sehr  starke  Färbung  eintreten 
muss,  erhält  man  wegen 

und  n  =1  — TT^TT-,  für  k  —  187  Meilen  in  der  Sekunde. 


458  '  460 

Dem  Gesagten  zufolge  gehen  daher  bei  einem  Entfernen  die  im  weissen 
Lichte  enthaltenen  Strahlen  in  solche  von  längerer  Schwingungsdauer 
also  die  violetten  in  blaue,  die  blauen  durch  grün  in  gelbe,  die  gelben 
durch  orange   in  rothe  über,    und   die  rothen    treten  endlich  bei  zu- 


14  Doppler,  über  das  farbige  Licht  der  Doppelsterne 

nehmender  Geschwindigkeit  ganz  und  gar  aus,  d.  h.  werden  insensibel. 
Im  umgekehrten  Falle  dagegen,  wo  zuerst  die  blauen  Strahlen  aus- 
scheiden, erscheint  das  weisse  Licht  anfänglich  grün,  hierauf  blau 
und  endlich  violett.  — 


§6. 


Das  bisher  über  den  Einfluss  der  Bewegung  auf  die  Lichter- 
scheinungen Vorgebrachte  lässt  sich  übersichtlich  in  nachfolgende 
Punkte  zusammenfassen : 

I.Wenn  ein  leuchtendes  Object,  gleichviel  ob  selbstleuchtend  oder 
bloss  beleuchtet,    sich  mit  einer  gegen  die  Geschwindigkeit  des 
Lichtes  in  Betracht  kommenden  Schnelligkeit  in  directer  Richtung 
dem  Auge  eines  Beobachters  nähert  oder  sich  von  ihm  entfernt, 
so  hat  diese  Bewegung  nothwendig  eine  Aenderung  in  der  Farbe 
und  Intensität  des  Lichtes  zur  Folge  und  zwar: 
ß)   Bei  einer  Annäherung  nimmt  die  Intensität  jedenfalls  zu,  die 
Färbung    dagegen    geht   bei    steigender    Geschwindigkeit  von 
Weiss    in    Grün,    von    da    in    Blau    und    endlich   in    Violett 
über. 
ß)   Bei  einem    Entfernen    vermindert    sich    dessen    Intensität  in 
jedem  Falle    und    das  weisse    Licht  geht  allmählig   in  Gelb, 
Orange  und  endlich    in   Roth  über.     Hat  indessen  das  Licht 
bereits  schon  eine  gewisse  Färbung,  z.  B.  eine  gelbe,  so  be- 
ginnt   die    Veränderung    von    dieser    an  und   steigt  auf-  und 
abwärts  nach  den  in  a  und  ß  ausgesprocheneu  Bedingungen. 
y)   Ist  die  Geschwindigkeit  gross  genug,  so  kann  in  beiden  Fällen 
das  weisse  oder  farbige  Licht  völlig  insensibel  werden,  indem 
im  ersteren  Falle  die  Zeitintervalle  der  einzelnen  Pulsationen 
zu  klein,    im  zweiten   dagegen    zu   gross  ausfallen;    um  noch 
empfunden  werden  zu  können.    Die  Intensität  nimmt  mit  der 
Farbänderung   übereinstimmend    zu  und  ab,    und  trägt  somit 
noch  dazu  bei,    dass    der  genannte  Erfolg   des  völligen  Ver- 
schwindens  bedeutend  früher  eintritt. 
d)   Zum  völligen  Verschwinden  eines  im  weissen  Lichte  glänzenden 
Gestirnes  reicht  ohne  Rücksichtsnahme  auf  diesem  Ereignisse 
sehr  günstige    Intensitätsverminderung    eine   Geschwindigkeit 
von  19000  Meilen    in    der  Sekunde  hin.   Für  Sterne,    die  im 
homogenen  gelben  oder  rothen  Lichte  leuchten,    ist    dagegen 


lind  einiger  anderer  Gestirne  des  Himmels.  15 

schon  eine  Geschwindigkeit  von  beziehungsweise  5007  und 
1700  Meilen  zum  völligen  Verlöschen  ausreichend. 

€)  Sterne,  die  im  weissen  Lichte  leuchten,  zeigen  schon  bei 
einer  Geschwindigkeit  von  33  Meilen  in  der  Sekunde  eine 
deutliche  Färbung,  und  bei  einer  solchen  von  187  Meilen 
eine  sehr  bedeutende  und  auffallende,  die  jedoch  noch  immer 
mit  vielen  weissen  Strahlen  vermischt  ist. 

(p)  Aendert  sich  die  Geschwindigkeit  eines  bewegten  Sternes, 
so  erleidet  auch  seine  Farbe  und  Intensität  eine  Aenderung, 
und  so  kann  es  immerhin  geschehen,  dass  ein  Stein  im  Ver- 
laufe der  Zeit  alle  Farben  des  Spectrums  uns  zu  durchlaufen 
scheint. 

2.  [st  dagegen  das  leuchtende  Object  in  Ruhe,  der  Beobachter  da- 
gegeri  in  einer  direct  gegen  oder  von  demselben  gerichteten, 
bedeutend  schnellen  Bewegung  begriffen,  so  erfolgen  zwar  alle 
Veränderungen  in  demselben  Sinne,  d.  h.  entsprechend  der  An- 
näherung oder  dem  Entfernen,  die  numerischen  Daten  jedoch 
weichen  von  jenen,  den  unter  1  und  2  aufgeführten  Fällen  ent- 
sprechenden Bestimmungen  melir  oder  weniger  ab. 

3.  Geschieht  das  Annähern  oder  das  sich  Entfernen  nicht  wie  es 
in  1  und  2  vorausgesetzt  wird,  directe,  d.  h.  in  der  Richtung 
ihrer  anfänglichen  Verbindungslinie,  sondern  geht  es  in  einer 
Richtung  vor  sich,  die  mit  jener  einen  Winkel  einschliesst;  so 
ändert  sich  nebst  der  Farbe  und  Intensität  auch  noch  die  Richtung 
und  der  Stern  erleidet  zugleich  eine  scheinbare  Ortsveränderung. 

Erkennt  man  die  bisher  aufgestellten  Grundsätze  für  richtig  an, 
so  wird  man  gerne  auch  zugestehen,  dass  sie  gleichsam  die  Grund- 
lage einer  neuen  Theorie  bilden,  von  welcher  das  berühmte  Bra- 
dley'sche  Aberratious-Theorem  nur  einen  Theil  vorstellet.  Dem  gemäss 
wird  man  sich  schon  a  priori  zu  nachfolgenden  Behauptungen  für 
berechtiget  halten  dürfen.  Wenn  als  die  natürliche  Farbe  der  Sterne 
die  weisse  oder  schwachgelbliche  angenommen  wird,  und  es  unter  der 
unzählbaren  Menge  derselben  solche  gibt,  die  sich  mit  einer  Geschwin- 
digkeit von  33  Meilen  bis  zu  19000  Meilen  in  der  Sekunde  bewegen, 
80  muss  der  gestirnte  Himmel  ims  die  Erscheinung  einzelner  Sterne 
jeder  Farbe  darbieten  und  es  müssen  einige  von  ihnen  sogar  zeit- 
weilig ganz  verschwinden,  andere  dagegen  scheinbar  entstehen ;  und 
umgekehrt,  wenn  uns  eine  genaue  Beobachtung  des  Himmels  wirklich 
solche  Erscheinungen,  wie  sie  so  eben  aufgezählt  wurden,  ganz  un- 
zweifelhaft zeiget,  so  Hesse  sich  hieraus  der  Schluss  ziehen,  dass  es 


IQ  Doppler,  über  das  farbige  Licht  der  Doppelsterne 

unter  den  Gestirnen  des  Himmels  einzelne  Sterne  geben  dürfte,  die 
sich  mit  einer  Geschwindigkeit  von  33  Meilen  bis  19000  Meilen  im 
Welträume  bewegen.  Wenn  aber  endlich  nicht  nur  die  erwähnten 
Erscheinungen  am  Himmel  mit  Gewissheit  beubachtet,  sondern  es 
auch  durch  genaue  Beobachtungen  und  aus  mechanischen  Gründen 
als  erwiesen  anznsehen  wäre,  dass  einige  dieser  Himmelskörper 
wirklich  eine  Geschwindigkeit  von  33  bis  19000  Meilen  besitzen,  ja 
noch  überdiess,  dass  gerade  eben  nur  an  diesen  schnellbewegten 
Körperü  nach  Massgabe  der  oben  aufgestellten  Grundsätze  sich  jene 
Farben-  und  Intensitäts-Erscheinungen  zeigen:  so  würde  dieses  hin- 
wieder für  die  Richtigkeit  der  hier  aufgestellten  Theorie  und  weiter 
zurück  sogar  für  das  Stattfinden  der  Longitudinal-Schwingungen  ein 
sehr  beachtenswerthes  und  gewichtiges  Zeugniss  ablegen.  —  Unter 
diesen  Umständen  fühlt  man  sich  aufgefordert,  sich  nach  den  Angaben 
der  beobachtenden  Astronomie  umzusehen. 


Bekanntlich  ist  es  bisher  den  Bemühungen  der  Ästronomen  und 
Physiker  noch  keineswegs  gelungen,  die  höchst  merkwürdige  und 
wahrhaft  räthselhafte  Erscheinung  der  mit  farbigem  Lichte  leuchtenden 
sogenannten  Doppelsterne  und  einiger  anderer  Gestirne  des  Himmels 
auf  eine  auch  nur  halbwegs  befriedigende  Weise  zu  erklären.  An  und 
für  sich  und  im  ersten  Augenblicke  mag  es  wohl  scheinen,  als  hätte 
man  um  so  weniger  einen  Grund,  sich  über  farbige  Fixsterne  im 
Allgemeinen  zu  wundern,  als  sich  ja  auch  auf  unserer  Erde  selbst 
und  im  Bereiche  der  täglichen  Erfahrung  leuchtende  Körper  jeder 
Farbe  genug  vorfinden.  Allein  eine  genauere  Erwägung  aller  dabei 
obwaltenden  Umstände  muss  wohl  jeden  von  dieser  anfänglichen  Mei- 
nung, falls  er  sie  gefasst,  gar  bald  wieder  zurückbringen.  Denn  ab- 
gesehen selbst  von  anderem,  muss  es  schon  in  hohem  Grade  auffallen, 
dass  wir  unter  der  unzählbaren  Menge  der  eigentlichen,  d.  i.  derje- 
nigen Fixsterne,  an  denen  wir  keinerlei  Bew^egung  wahrnehmen,  ohne 
Ausnahme  nur  solche  bemerken,  die  im  weissen  oder  schwach  gelb- 
lichen und  nur  einige  wenige,  die  im  röthlichen  Lichte  glänzen ;  keinen 
einzigen  dagegen,  welcher  im  blauen,  grünen  oder  violetten  und  keinen 
auch  der  im  schön  orangen  oder  intensiv  blutrothen  Lichte  uns  er- 
schiene. Alle  Doppelsterne  dagegen  lassen  sich  übersichtlich  in  zwei 
Classen  bringen,  in  solche,  bei  denen  der  eine  von  ihnen  sich  durch 


und  einiger  anderer  Geitirae  des  Himmels.  17 

seine  in  die  Augeu  fal laude  grössere  Intensität  seines  Lichtes  als 
Haupt-  oder  Centralstern  beurkundet,  und  sodann  in  solche,  deren 
Einzelnsterne  eine  ziemlich  gleiche  scheinbare  Grösse  besitzen,  und 
die  sich  daher  auch  höchst  wahrscheinlich  um  einen  unsichtbaren 
Centralkörper  oder  um  ihren  gemeinschaftlichen  Schwerpunkt  bewegen. 
—  Bei  den  Doppelsterueu  der  ersteren  Art  leuchtet  der  Hauptstern 
stets  im  weissen  und  nur  bei  wenigen  im  schwach  gelblichen  Lichte, 
und  zeiget  somit  eine  vollkommene  Übereinstimmung  mit  den  übrigen 
unbeweglichen  Fixsternen  des  Himmels,  während  dagegen  die  dazu 
gehörigen  Begleiter  entweder  im  grünen,  blauen  oder  violetten,  bei 
andern  dagegen  im  intensiv  orangen,  schön  blut-  oder  wohl  auch 
dunkelrothen  Lichte  glänzen.  —  Doppelsterne  der  zweiten  Classe  be- 
stehen dagegen  fast  immer  aus  solchen  Einzelnsternen,  die  im  ver- 
schiedenfarbigen Lichte  schimmern,  und  merkwürdig  ist  es  dabei, 
dass  die  Farben  entweder  wirklich  einen  complementären  Gegensatz 
zu  einander  bilden,  oder  dass  wenigstens  die  Farbe  des  einen  dem 
obern,  die  des  anderen  dem  untern  Theile  des  Farbenspectrums  ent- 
nommen ist.  Man  hat  zwar  versucht,  wiewohl  mit  wenig  Glück,  die 
genannten  Erscheinungen  aus  den  Wirkungen  des  Contrastes  zu  er- 
klären. Allein  abgesehen  davon,  dass  diese  Erklärung  im  günstigsten 
Falle  höchstens  nur  auf  jene  Doppelsterne  angewendet  werden  könnte, 
bei  denen  das  vorkommende  farbige  Licht  in  einem  complementären, 
nicht  aber  in  einem  anderen  Gegensatze  sich  befindet,  wie  dieses 
doch  bei  allen  der  eisten  und  bei  sehr  vielen  der  zweiten  Classe 
der  Fall  ist,  —  haben  noch  überdiess  directe  Versuche  das  Unhalt- 
bare dieser  Ansicht  seither  zur  Genüge  dargethan.  Diese  Versuche 
bestanden  bekanntlich  darin,  dass  man  den  einen  der  farbigen  Doppel- 
sterne durch  einen  im  Fernrohre  ausgespannten  Faden  völlig  ver- 
deckte und  somit  dem  Auge  gänzlich  entzog.  Da  nun  hiedurch  die 
angebliche  Ursache  des  Contrastes  wegfiel,  so  hätte  auch  die  Wirkung 
davon,  nämlich  das  Erscheinen  der  complementären  Farbe  ausbleiben 
sollen.  Dieses  aber  geschah  nicht  und  der  Stern  leuchtete  vor  wie 
nach  mit  demselben  farbigen  Lichte.  —  Damit  das  Mass  des  Wunder- 
baren endlich  voll  werde,  hat  eine  Vergleichung  der  älteren  Angaben 
Herschels  d.  ä.  mit  den  neuesten  Struves  noch  überdiess  bis  zur 
Evidenz  es  herausgestellt,  dass  die  Farben  vieler  dieser  Doppelsterne 
im  Verlaufe  dieser  Zeit  sich  sehr  bedeutend  und  zwar  auf  eine  Weise 
geändert  haben,  die  der  Vermuthung  keinen  Raum  gewährt,  als  wäre 
der  Grund  dieser  Verschiedenheit  in  der  Beschaffenheit  der  hier  und 
dort  angewandten  optischen  Instrumente  zu  suchen.  Sterne,  die  ehe- 

2 


18  l»oi)pler,  ülier  das  farbige  Licht  der  Doppelstcrne 

mals  als  gelb  beobachtet  wurden,  werden  heut  zu  Tage  als  orange 
und  roth  und  umgekehrt  beschrieben  und  solche,  die  Herschel  als  voll- 
kommen weiss  bezeichnet,  findet  Sfruve  goldfarbig,  rothgrün  oder  aucb 
blaugrün!  —  Kein  Wunder  also,  wenn  sich  neuere  Beobachter  (siehe 
Mädlers  pop.  Astronomie,  S.  493)  zu  der  Frage  aufgefordert  fühleu 
„ob  sich  denn  in  der  That  die  Farben  der  Doppelsterne  während 
der  letzten  50  Jahren  so  gar  bedeutend  sollten  geändert  haben?" 

§  8. 

Eine  andere,  nicht  minder  interessante  und  bisher  ebenso  un 
aufgeklärte  Erscheinung  des  Himmels  sind  die  sogenannten  periodiscL 
veränderlichen  Sterne.  Sie  kommen  nach  den  bisherigen  Beobachtungen 
mit  alleiniger  Ausnahme  des  Sternes  Algol  im  Mednsenhaupte  (vor 
dem  später  noch  die  liede  seyn  wird)  insgesammt  darin  überein 
dass  sie  von  Farbe  roth  sind,  nach  ihrem  grössten  Glänze  eine  Kupfer- 
farbe annehmen,  und  indem  diese  allmählig  sich  mehr  und  mehi 
verdunkelt,  endlich  völlig  unsichtbar  werden  und  verschwinden,  bis 
sie  nach  einiger  Zeit  ihren  periodischen  Lichtwechsel  wieder  vor 
vorne  beginnen.  Auch  darin  kommen  sie  ferner  miteinander  übereil 
dass  die  Zeit  ihrer  Unsichtbarkeit  meisteutheils  3-  bis  4mal  längei 
währt,  als  jene  ihres  grössten  Glanzes,  und  endlich,  dass  ihre  Licht 
zunähme  viel  rascher  vor  sich  gehet  und  weniger  Zeit  erfordert,  wi( 
ihre  Abnahme  und  ihr  Verschwinden.  Die  Art  und  Weise  der  Lichtzu 
und  Abnahme  ist  mit  der  Voraussetzung  unverträglich,  dass  diesei 
zeitweilige  Verschwinden  in  einer  Achsendrehung  und  ungleiche] 
Lichtvertheilung  auf  der  Oberfläche  dieser  Himmelskörper,  oderaucl 
in  einem  periodischen  Verdecktwerden  durch  einen  umkreisendei 
dunkeln  Planeten  seinen  Grund  habe.  —  Auf  den  ersten  Augenblicl 
scheint  es,  als  ob  die  beiden  erwähnten,  so  verschiedenartige] 
Erscheinungen,  nämlich  jene  der  farbigen  Doppelsterne  und  die  de 
sogenannten  veränderlichen  Sterne,  nur  mit  einigem  Zwange  ein  \\m 
demselben  Erklärungsprincipe  untergeordnet  wei'den  könnten.  Alleii 
die  Beobachtung  hat  uns  noch  mit  einer  dritten  Classe  von  merk 
würdigen  Sternveränderungen  bekannt  gemacht,  die  gleichsam  zwische: 
beiden  mitten  innestelien  und  als  wahi'e  Vermittlungsglieder  diese 
Erscheinungsgruppen  betrachtet  werden  können.  Es  sind  dieses  di 
verschwundenen  und  neuen  Sterne. 

Hieher  nun   gehört    vorzüglich    der    i]n    Jahre  1572    im  Stern 
bilde  der  Cassiopeia  erschienene  neue  St^rn,  welchem  man  eine  Um 


Und  einiger  anderer  Gestirne  dos  Himmels.  ]Q 

laufszeit  oder  Periodicität  seines  Lichtwechsels  von  etwa  300,  viel- 
leicht gar  nur  von  150  Jahren  beilegen  zu  müssen  glaubt.  Als  man 
auf  ihn  aufmerksam  wurde^  hatte  er  bereits  nahe  schon  das  Maximum 
seiner  scheinbaren  Grösse  und  der  Intensität  seines  Lichtes  erreicht 
und  überstrahlte  mit  blendend  weissem  Lichte  deü  Sirius  und  selbst 
die  Venus.  Bald  darauf  nahm  er  an  Grösse  schnell  ab  und  sein  Licht 
ging  gleichzeitig  und  allmählig  von  Weiss  in  Gelb  und  von  diesem 
in  Roth  über,  welches  immer  dunkler  wurde  und  endlich  für  dis 
Beobachtung  ganz  erlosch,  (Richter  s  Astronomie,  S.  684.)  —  Noch 
auffallender  waren  die  Erscheinungeu  bei  dem  im  Jahre  1604  von 
Kepler  im  Fusse  des  Schlangenträgers  entdeckten  neuen  Stern.  Nach- 
dem sein  Licht  durch  alle  Farben  des  Regeubogens  niedersteigend 
abgenommen  hatte,  verschwand  er  nach  etwa  einem  Jahre  und  ist 
seitdem  niemals  wieder  gesehen  worden.  Endlich  erwähuea  auch 
Schriftsteller  früherer  Zeiten  ähnlicher  Erscheinungen,  und  vom  Sirius, 
der  gegenwärtig  in  blendend  weissem  Lichte  strahlt,  soll  es  keinem 
Zweifel  unterliegen,  dass  er  ehemals  ein  rothes  Licht  hatte  u.  a.  m. 
—  Es  haben  demnach  diese  Gestirne  mit  deu  Doppelsternen  das 
Farbenspiel  und  mit  grosser  Wahrscheinlichkeit  die  schnelle  Bewegung 
so  wie  die  meistentheils  auf  Jahrhunderte  sich  erstreckende  lange 
Periodicität,  —  mit  den  sogenannten  veränderlichen  Sternen  dagegen 
das  völlige  Verschwinden  und  gänzliche  Unsichtbarwerden,  so  wie 
auch,  dass  sie  ungleich  länger  unsichtbar  wie  sichtbar  sind,  und 
endlich,  dass  die  Lichtabnahme  von  längerer  Dauer  ist,  wie  die 
Lichtzunahme  und  noch  mehreres  andere  gemein.  —  Wir  sehen  daher 
alle  diejenigen  Erscheinungen  an  den  verschiedenen  Objecten  des 
Himmels  wirklich  durch  Beobachtungen  nachgewiesen,  die  wir  oben 
unter  Voraussetzung  einer  ihnen  zukommenden  grossen  Geschwindig- 
keit ihrer  Bewegung  bis  ins  Detail  prognostizirten.  Wir  wollen  uns 
daher  noch  weiter  umsehen,  was  die  unmittelbare  Beobachtung  und 
Berechnung,  wie  auch  die  Wahrscheinlichkeit  uns  rücksichtlich  ihrer 
Bewegung  selbst  lehrt. 

§  9. 

Die  Geschwindigkeit  der  Planeten  unseres  Sonnensystems,  selbst 
wenn  sie  sich  im  Perihelio  befinden,  ist  vergleichungsweise  noch 
nicht  sehr  bedeutend.  Die  Erde  bewegt  sich  mit  einer  Geschwindigkeit 
von  beiläufig  4-7  Meilen,  bei  der  Venus  beträgt  sie  6*7  und  beim 
Merkur  SS  Meilen  in  der  Sekunde.  Kein  Wunder  also,    dass  wir  an 


20  Doppler,  über  das  farbige  Licht  der  Doppelsterne 

ihnen  bisher  noch  keine  Farben  an  derung  und  noch  weniger  ein  zeit- 
weiliges völliges  Verschwinden  beobachtet  haben.  Wäre  die  Geschwin- 
digkeit unserer  Erde  wenigstens  zehnmal  so  gross  als  sie  wirklich  ist, 
so  müssten  uns  alle  Fixsterne  in  den  östlichen  Gegenden  der  Ecliptik 
ohne  Ausnahme  mit  blauer  oder  grünlicher  Färbung,  auf  der  entge- 
gengesetzten westlichen  Seite  dagegen  orange  oder  roth  erscheinen. 
Durch  eine  so  auffallende,  auf  alle  Fixsterne  in  gleicher  Weise  sich 
erstreckende  Regelmässigkeit  eines  solchen  Phänomens  aufmerksam 
gemacht;  würde  man,  wie  einstens  bei  jenem  der  Aberration,  die 
Ursache  davon  in  der  Bewegung  der  Erde  suchen  und  finden.  So 
aber,  wo  diese  Erscheinungen  nur  vereinzeint  auftreten,  da  sie  auch 
nur  in  den  vorzugsweise  schnellen  Bewegungen  einzelner  Fixsterne 
ihren  Grund  haben,  muss  es  schon  viel  schwieriger  seyn,  dieselben 
bis  ins  kleinste  Detail  zu  erklären,  und  höchst  wahrscheinlich  gehören 
absichtlich  zu  diesem  Zwecke  veranstaltete  Beobachtungsreihen  dazu. 
—  Die  Monde  bewegen  sich  bekanntlich  bald  langsamer,  bald 
schneller  wie  ihre  Planeten,  und  es  mag  dahin  gestellt  bleiben,  ob 
nicht  einige  an  ihnen  wahrgenommene  Eigeuthümlichkeiten  hieher  zu 
zählen  seyn  dürften?  —  Viel  bedeutender  dagegen  ist  schon  die  an 
den  Kometen  beobachtete  Geschwindigkeit  ihrer  Bewegung.  Der 
Halleysc^ie  Komet  hat  im  Perihelio  nahe  18  Meilen  Geschwindigkeit 
in  der  Sekunde,  und  jener  vom  Jahre  1680  bewegte  sich  in  der 
Sonnennähe  mit  einer  Geschwindigkeit  von  74  Meilen  in  der  Sekunde 
und  somit  nahe  ITmal  so  geschwind  wie  unsere  Erde.  Es  ist  ga 
nicht  daran  zu  zweifeln,  dass  es  selbst  schon  unter  den  bisher  be- 
obachteten aber  nicht  berechneten  Kometen  früherer  Zeit  einen  oder 
den  anderen  gegeben  haben  mag,  dessen  Geschwindigkeit  mehre 
hundert  Meilen  in  der  Sekunde  erreichte.  Bei  diesen  nun  ist  eine 
schwache  Färbung  in  Folge  ihrer  schnellen  Bewegung  nicht  unwahr- 
scheinlich, und  soll  auch  wirklich  bei  einigen  derselben  beobachtet 
worden  seyn.  Dass  es  hierbei  auf  die  Richtung  ihrer  Bewegung  und 
auf  die  Lage  ihrer  Bahnen  gegen  unsere  Erde  ankömmt,  versteht  sich 
fast  von  selbst,  und  es  wäre  interessant,  die  damalige  Stellung  unserer 
Erde  gegen  die  Bahnen  jeuer  Kometen  wo  möglich  zu  ermitteln.  Da- 
durch aber,  dass  wir  unserer  Erde  die  Fähigkeit  absprechen,  für  sich 
allein  merkbare  Färb-  und  Intensitätsänderungen  an  den  verschiedenen 
Himmelskörpern  in  Folge  ihrer  fortschreitenden  Bewegung  zu  bewirken, 
wollen  wir  keineswegs  zugleich  behaupten,  dass  dieselbe  nicht  auf  das 
frühere  oder  spätere  Eintreffen  jener  Erscheinungen  und  auf  den  Grad 
derselben   einen   sehr   merkbaren    Einfluss   ausüben  werde,   ja    sogar 


und  einiger  anderer  Gestirne  des  Himmels.  21 

notbwendicferweise  ausüben  müsse.  Höchst  wahrscheinlich  haben  einige 
an  den  periodisch  veränderlichen  Sternen  beobachtete  Anomalien,  von 
denen  weiter  unten  noch  die  Rede  seyn  wird,  hierin  ihren  erklärenden 
Grund.  —  In  Betreff  dt- r  Fixsterne  ermangelt  es  eines  jeden  Grundes 
anzunehmen,  das?  unsere  Sonne  sie  alle  insgesaramt  an  Masse  und 
Grösse  übeitreöe.  Es  kann  vielmehr  für  eine  stehende  Ansicht  in  der 
Astronomie  gelten,  dass  es  höchst  wahrscheinlich  Fixsterne  geben 
dürfte,  welche  unsere  Sonne  im  Durchmesser,  um  vielleicht  mehrere 
Hundertmal,  an  Masse  sie  um  eben  so  viele  Millionenmal  übertreffen 
mögen.  Nun  hängt  aber  die  Geschwindigkeit,  mit  welcher  sich  Satel- 
liten um  ihre  Centralkörper  bewegen,  unter  gleichen  Umständen  direct 
von  der  Masse  derselben  ab.  und  man  hätte  daher  unter  so  bewandten 
umständen  keinen  Grund,  sich  sehr  darüber  zu  wundern,  wenn  uns 
die  Beobachtung  wirklich  an  einigen  dieser  Himmelskörper  Bewegungen 
zeigte,  deren  G«5;chwindigkeit  selbst  die  des  Lichtes  übertreffen.  In 
der  That  hat  man  an  den  sogenannten  Doppelsternen  und  höchst 
wahrscheinlich  auch  an  den  veränderlichen  und  neuen  Sternen  derlei 
schnell  bewegte  Gestirne  kennen  gelernt.  Ich  begnüge  mich  dasjenige 
anzuführen,  was  ein  geachteter  Astronom  (siehe  Liftreu's  W.  d.  H. 
S.  4T<.'i  rücksichtlich  des  Doppelsterns  ;■  in  der  Jungfrau  berichtet. 
-Merkwürdig.-'  sagt  er.  _ist  die  grosse  Geschwindigkeit  dieses  Satelliten 
zur  Zeit  seines  Periheliuras,  wo  er  in  einem  Tage  einen  Weg  von 
349C'  Millionen  Meilen  und  somit  in  einer  Sekunde  nahe  au  40.0CK3 
Meilen  zurücklegt,  und  somit  fast  genau  ebenso  schnell  sich  bewegt, 
wie  das  Licht  selbst."  Mag  man  daher  immerhin  in  diesem  specielien 
Falle  diesen  mehr  auf  einer  ungefähren  Schätzung  als  auf  genauen 
Beobachtungen  beruhenden  Angaben  keinen  grossen  Grad  von  Genauig- 
keit zuschreiben :  so  geht  doch  jedenfalls  aus  selben  so  viel  hervor,  dass 
die  Annahme  einer  Geschwindigkeit  von  33  bis  190O3  Meilen  in  der 
Sekunde,  mit  welcher  ein  oder  der  andere  der  Fixsterne  sich  bewegen 
mag.  weder  für  unwahrscheinlich,  noch  für  im  mindesten  übertrieben 
zü  halten  ist. 

§.  10. 

Es  ist  gewiss  im  höchsten  Grade  auffallend,  dass  wir  gerade  nur 
an  jenen  Himmelskörpern  so  bedeutende  Veränderungen  in  Farbe  und 
Intensitär  des  Lichtes  wahrnehmen,  bei  denen  wir  entweder  zufolge 
unmittelbarer  Beobachtung  eine  ganz  ausserordentlich  grosse  Ge- 
schwindigkeit ihrer   Bewegung  vorauszusetzen   berechtigt  sind,   oder 


2'2  Doppler,  über  das  farbige  Licht  der  Doppelstertle 

aber,  bei  welchen  wir  diese  vermöge  aller  Analogie  voraussetzen 
können,  während  bei  allen  übrigen  Gestirnen  des  Himmels,  die  wir 
vergleichungsweise  für  ruhende  oder  wenigstens  für  viel  minder  schnell 
sich  bewegende  anzunehmen  genüthigt  sind,  solche  Erscheinungen  ohne 
Ausnahme  nicht  vorkommen.  Man  fühlt  sich  daher  sehr  zu  der  Mei- 
nung hingezogen,  dass  sämmtliche  Gestirne  des  Himmels  an  und  für 
sich  im  weissen  oder  schwach  gelblichen  Lichte  schimmern,  und  dass, 
wenn  dieses  bei  einzelnen  anders  gefunden  wird,  ein  Grund  dafür 
bestehen  müsse,  welcher  mit  der  grossen  Geschwindigkeit  ihrer  Be- 
wegung höchst  wahrscheinlich  in  einem  nicht  bloss  zufcälligen,  sondern 
nothwendigen  Zusammenhange  steht.  Es  war  der  Zweck  der  gegen- 
wärtigen Abhandlung,  nicht  etwa  bloss  die  allenfallsige  Möglichkeit, 
sondern  die  Nothwendigkeit  eines  solchen  Einflusses  der  ungemein 
schnellen  Bewegung  der  Himmelskörper  auf  ihre  Farbe  und  auf  die 
Intensität  ihres  Lichtes  darzuthun,  und  es  gewährt  dem  Verfasser 
derselben  eine  erfreuliche  Genugthaung,  die  vollkonmienste  Ueber- 
einstimmung  der  Beobachtungen,  insoweit  sie  ihm  bekannt  sind,  mit 
den  oben  aufgestellten  Grundsätzen  oft  selbst  bis  ins  Detail  wahr- 
zunehmen. Es  möge  daher  gestattet  seyn,  auf  einige  derselben  hier 
aufmerksam  zu  machen.  Es  erklärt  sich  hieraus  ganz  einfach  : 

1.  Warum  von  den  beiden  Doppelsternen  der  grössere  und  somit 
wahrscheinlich  beziehungsweise  unbewegliche  Central-  oder  Haupt- 
stern fast  ausnahmslos  weiss,  der  beigegebene  dagegen  meisten- 
theils  farbig  erscheint! 

2.  Warum  in  jenen  Fällen,  wo  beide  ziemlich  gleich  gross  erscheinen, 
beide  gefärbt  sich  zeigen! 

3.  Wesshalb  in  diesem  letzteren  Falle  der  eine  fast  immer  mit 
einem  Lichte  glänzt,  welches  dem  obera  Theile  des  Farben- 
spectrums  zugehört  (also  grün,  blau,  violett),  der  zugehörige  da- 
gegen mit  einer  Farbe  aus  dem  untern  Theile  desselben  (also 
roth,  orange  oder  gelb).  Denn  bei  gleichgrossen  Doppelsternen 
kann  füglich  angenommen  werden,  insbesondere,  wenn  sie  sich 
um  ihren  gemeinschaftlichen  Schwerpunkt  bewegen,  dass  der  eine 
in  der  Annäherung  begriffen  ist,  während  sich  der  andere  von 
uns  entfernt. 

4.  Es  erklärt  sich  hieraus  äusserst  einfach,  warum  die  Farben  der 
einzelnen  Doppelsterne  mit  der  Zeit  sich  so  bedeutend  ändern. 
So  z.  B.  bezeichnet  Herschel  d.  alt.  den  schönsten  Doppelstem 
des  Nordens,  nämlich  y  Leonis,  den  einen  schön  weiss  und  den 
dazu   gehörigen    weissröthlich,    während   Stnive   den   Hauptstern 


uud  einiger  anderer  (iestinie  des  Hiinnieis.  23 

goldfarbig  und  den  Nebensteru  rothgiüii  findet.  X(3ch  auflfallender 
ist  dieses  bei  dem  Doppelstern  y  Delphiui.  Bei  den  so  auffal- 
lenden und  deutlichen  Farben,  goldgelb  und  blaugrün  (sagt  Mädler^ 
p.  Astronomie,  S.  50C)  ist  es  sehr  zu  verwundern,  dass  sie 
Herschel  ausdrücklich  beide  weiss  nennt.  —  Wir  aber  müssen 
zufolge  unsers  Erklärungsprincipes  noch  hinzufügen,  dass  eine 
Zeit  kommen  wird,  wo  diese  Doppelsterue  sogar  dieses  ihr  farbiges 
Licht  wechselseitig  austauschen  werden.  Die  Doppelsterne  durch- 
laufen also  während  jeder  ihrer  Revolutionsperioden  die  Farben- 
scala  des  Sonnenspectrums,  zum  wenigsten  einen  Theil  der- 
selben. 

Es  erklärt  sich  hieraus  ferner  das  merkwürdige  Verhalten  der 
periodisch  veränderlichen  Sterne,  und  warum  namentlich  die  Farbe 
dieser  Sterne  gerade  die  rothe  ist.  Denn  entweder  sind  sie  an 
und  für  sich  für  uns  unsichtbare  Sterne  (vielleicht  wegen  zu 
geringer  Intensität  oder  zu  langer  Schwingungsdauer),  die  nur 
durch  ihre  gegen  uns  gerichtete  schnelle  Bewegung  die  erste 
Stufe  der  Wahrnehmbarkeit  erreichen,  d.  h.  uns  mit  rothem 
Lichte  erscheinen.  Vielleicht  aber  sind  sie  in  der  That  von  röth- 
lichem  Lichte  und  verschwinden  uns  in  Folge  der  von  uns  weg- 
gerichteten Bewegung. 

Auch  noch  der  Umstand  der  kurzen  Zeit  ihres  Sichtbarseyns  im 
Vergleiche  zu  ihrer  Periodicität  findet  durch  den  Hinblick  auf 
Fig.  5  und  6  eine  genügende  Erklärung,  ja  folgt  gewissermassen 
mit  Nothwendigkeit  aus  derselben.  Dem  ungefähr  während  voller 
drei  Viertel  seines  Umlaufs  und  oft  viel  mehr  noch,  je  nach  der 
Lage  und  Form  der  Ellipse  gegen  den  Beobachter,  muss  ein 
solcher  nur  durch  sein  Annähern,  also  immer  nur  während  der 
Zeit  seines  Periheliums  uns  sichtbar  gewordener  Stern  uns  unsicht- 
bar bleiben.  Dieses  tritt  besonders  auffallend  hervor,  wenn  man 
als  Bahn  eine  Ellipse  von  bedeutender  Excentricität  und  von  einer 
Lage  gegen  den  Beobachter  voraussetzt,  wie  die  in  Fig.  6  dar- 
gestellte ist. 

Die  früher  erwähnte  Erscheinung,  dass  die  veränderlichen  Sterne 
meistentheils  eine  viel  kürzere  Zeit  zur  Zunahme  als  zur  Ab- 
nahme des  Lichtes  bedürfen,  findet  gleichfalls  in  Fig.  7  eine 
genügende  Erklärung.  Bis  kurz  vor  dem  Eintritt  ins  Perihelium 
hat  der  Stern  bei  schon  sehr  bedeutender  absoluter  Geschwindig- 
keit noch  eine  so  ungünstige  Richtung  seiner  Bewegung,  dass 
sich  derselbe  Beobachter   in  0  gar  nicht  oder   nur  sehr   wenig 


24  Doppler,  über  das  farbige  Licht  der  Doppelsterne 

annähert,  bis  er  in  m  angelangt,  plötzlich  in  die  günstigste 
Richtung,  bei  nahe  noch  grösster  absoluter  Geschwindigkeit, 
deren  er  fähig  ist,  eintritt.  Noch  günstiger  für  das  Eintreffen 
dieses  Ereignisses  ist  eine  beziehungsweise  Lage,  wie  jene  in 
Fig.  8  vorgestellte,  und  man  begreift  demnach  leicht,  wie  Sterne 
innerhalb  weniger  Stunden  plötzlich  sichtbar  werden  und  dieses 
durch  einige  Zeit  verbleiben,  dann  aber  allmählig  abnehmen  und 
nach  einigen  Jahren  völlig  wieder  verschwinden  konnten. 

8.  Ebenso  eiklärt  sich  auch  daraus,  warum  die  sogenannten  neuen 
und  verschwuodenen  Sterne  alle  Farben  des  Regenbogens  durch- 
laufend mit  kupferrothem  Lichte  endlich  verschwinden.  Höchst 
wahrscheinlich  dürfte  keine  geringe  Anzahl  derjenigen  Sterne, 
die  wir  gewöhnlich  für  unbeweglich  und  unveränderlich  halten, 
einem  ähnlichen  Farben-  und  Lichtwechsel  unterworfen  seyn, 
wie  ja  dieses  in  Bezug  auf  Sirius  ausser  Zweifel  gestellt  scheint. 

9.  Endlich  dürfen  sich  höchst  wahrscheinlich  die  bei  verschiedenen 
periodisch  veränderlichen  Sternen  wahrgenommenen  Anomalien 
aus  der  Bewegung  unserer  Erde  erklären  lassen.  So  z.  B.  zeigt 
der  Stern  Mira  am  Halse  des  Wallfisches  bald  eine  Periode  des 
Lichtwechsels  von  328'  ..  Tagen,  bald  wieder  eine  von  335'  2  Tagen, 
also  einen  Unterschied  von  7  Tagen.  Da  nun  die  Umlaufszeit 
unserer  Erde  365V  4  Tage  währt,  so  befindet  sich  die  Erde  zur 
Zeit,  wo  jener  Stern  zu  seinem  grössten  Glänze  gelangt,  in  jedem 
Jahre  in  einem  andern  Zeichen  und  die  Richtung  ihrer  Bewegung 
gegen  oder  von  jenem  Sterne  ist  somit  in  verschiedenen  Jahren 
eine  verschiedene.  Aber  da  die  Bewegung  der  Erde  auf  das  Ein- 
treten in  die  Phase  ihres  grössten  Glanzes  ganz  unzweifelhaft 
einen  Einfluss  ausüben  muss,  so  wird  dieselbe  das  eiuemal  um 
etwas  früher,  das  anderemal  um  eben  so  viel  später  erfolgen. 
Eine  Geschwindigkeitsdifferenz  von  9*4  Meilen  würde  daher  das 
Verschwinden  oder  die  Erlangung  des  grössten  Glanzes  um  volle 
7  Tage  verzögern  oder  beschleunigen.  Ist  diess  richtig,  so  müsste 
sich  beim  Stern  Mira  eine  Periodicität  dieser  scheinbaren  Ano- 
malie von  beiläufig  12  Jahren  nachweisen  lassen,  und  fände  es 
sich  wirklich  so,  so  wäre  dieses  eine  überraschende  Bestätigung 
der  vorliegenden  Theorie.  In  den  mir  gegenwärtig  zu  Gebote 
stehenden  Werken  habe  ich  hierüber,  und  dass  diese  Anomalie  in 
eine  Periode  eingeschlossen  sey,  nichts  erwähnt  gefunden. 


und  einiger  anderer  Gestirne  des  Himmels.  25 

§.   11. 

Bevor  Olauf  Eoemer  uns  die  Geschwindigkeit  des  Lichtes  kennen 
lehrte  und  selbst  noch  viele  Jahre  nach  ihm  hielt  man  an  der  Mei- 
nung fest,  dass  keine  Bewegung  am  Himmel  und  auf  Erden  mit  jener 
des  Lichtes  in  irgend  einen  Vergleich  kommen  könne  und  bei  einer 
Gesichtswahrnehmung  einen  auch  noch  so  geringen  Einfluss  auf  die- 
selbe auszuüben  vermögen  werde.  Die  scharfsinnige  Erklärung  des 
Aberrations-Phänomens,  diesem  Wahne  entgegentretend,  verdankte  es 
ganz  der  unwiderstehlichen  Kraft  der  Wahrheit  ihrer  Lehre,  wenn 
sie  gleichwohl  in  nicht  gar  langer  Zeit  sich  allgemeine  Anerkennung 
erwarb,  Ist  aber  eine  Geschwindigkeit  von  47  Meilen  hinreichend, 
die  Kichtung  des  Lichtstrahls  um  20"  abzulenken,  warum  sollte  nicht 
eine  nachweisbar  ungleich  grössere  eine  Aenderung  in  Farbe  und 
Intensität  des  Lichtes  bewirken?  Nichts  kann  einen  Forscher  hindern, 
sich  und  andern  eine  solche  Frage  vorzulegen  und  in  deren  Beant- 
wortung sich  zu  versuchen.  Ob  uns  die  dermalen  vorliegenden  Be- 
obachtungen schon  in  den  Stand  setzen  werden,  diese  Frage  zu  einer 
definitiven  Beantwortung  zu  bringen  und  dieser  Theorie  den  Stempel 
einer  apodiktischen  Gewissheit  aufzudrücken,  will  ich  der  Entschei- 
dung der  eigentlichen  Sachkenner  anheimstellen.  So  viel  indessen 
scheint  gewiss,  dass,  das  hier  durchgeführte  Raissonement  als  richtig 
vorausgesetzt,  hiermit  einer  Theorie  eine  Grundlage  gegeben  ist,  von 
welcher  die  berühmte  BracUey'sche  Aberrations- Lehre,  da  sich  diese 
nur  allein  auf  die  Richtung,  jene  aber  auch  noch  überdies  auf  die 
Farbe  und  Intensität  des  Lichtstrahls  bezieht,  nur  als  ein  integrirender 
Theil  derselben  anzusehen  ist,  und  es  ist  fast  für  gewiss  anzunehmen 
dass  dieselbe  in  nicht  ferner  Zukunft  den  Astronomen  ein  willkom- 
menes Mittel  darbieten  dürfte,  die  Bewegungen  und  Entfernungen 
selbst  solcher  Gestirne  zu  bestimmen,  welche  wegen  ihrer  unermess- 
lichen  Entfernungen  von  uns  und  der  damit  zusammenhängenden 
Kleinheit  der  paralaktischen  Winkel  bis  zu  gegenwärtigem  Augen- 
blicke kaum  die  Hoffnung  zu  solchen  Messungen  und  Bestimmungen 
darboten.  — 


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829       Ueber  das  farbige  Licht 

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