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iLIOTIIEEK
S MUSEUM
/^y
tJeber den gegenwärtigen Stand
der
Cholera-Frage
und über
die nächsten Aufgaben
zur
weiteren ErgriLndnng ihrer Ursachen.
Von
Max V. Pettenkofer,
Dr. med., Obermedioinalrath and o. o. Professor der Hygiene an der UniyersitSt Hfinohen.
.^.
! J 'i
Mfinehen 1873.
B. Oldenbourg.
■-■- 4
mm
Druck Ton 0« B. Schur ich in Hündien.
uo oft ich auch schon das Wort in dieser Angelegen-
heit ergriffen habe, dass ich endlich dessen wohl müde sein
und die weitere Entwicklung sich selbst oder Anderen über-
lassen könnte, so halte ich es doch für meine Pflicht, ge-
rade jetzt wieder die Stimme zu erheben, wo uns in Europa
eine grössere Invasion der Cholera neuerdings bevorsteht.
Ich halte es für Pflicht, noch vor den möglichen Ereignissen
schon des nächsten Jahres einen Yersuch zu machen, eine
Klärung widerstreitender Ansichten herbeizuführen, um dann
vielleicht mit vereinten Kräften neue bessere Bahnen als
bisher verfolgen zu können« Der Mangel an Uebereinstimm-
ung der Anschauungen in wesentlichen Punkten ist nicht
nur ein Hinderniss für die Entwicklung und den Fortgang
der Forschung im Allgemeinen, sondern zugleich eine Ver-
anlassung zur Zerfahrenheit, zur nutzlosen Verschwendung
der Kräfte des Einzelnen in allen beliebigen unfruchtbaren
Richtungen.
Ich knüpfe diessmal an einen concreten Fall an, an
eine Schrift, welche die Bekämpfung meiner Anschauungen
sich zum Ziele gesetzt hat« Die jüngst erschienene, in vieler
Beziehung sehr gründliche Arbeit von Sander ^ enthält
1) XJnterauohiiiigen über die Cholera in ihren Beziehungen zu
Boden und Grundwasser, zu socialen und Beyölkerungsyerhältnissen.
Yen Dr. Fr. Sander, Arzt des städtischen Krankenhauses zu Barmen.
Köln 1872, Druck von du Mont-Sohauberg.
ivi375527
4 Ueber.den gegenwärtigen Stand der Cholerafrage
neben werthvollen Thatsachen auch eingehende Betracht-
ungen über die Verbreitungsart der Cholera, über die Zuläs-
sigkeit oder Unzulässigkeit der Annahme eines wesentlichen
Einflusses von Boden und Grundwasser u. s. w. Dieser Theil
der Arbeit enthält nichts Neues für mich, und erscheint mir
nur als eine Fortsetzung jener vorwiegend skeptischen Kritik,
wie sie auch von Andern schpn wiederholt geübt worden
ist; aber während ich nun darüber mit ihrem Verfasser
diskutire, bin ich mir wohl bewusst, dass ich nicht blos zu
ihm, sondern zu einem grossen Theil der praktischen Aerzte
überhaupt spreche, in deren Händen die öffentliche Meinung
über diese Fragen fast ausschliesslich ruht. Ich betrachte
daher Sander nicht im Geringsten als einen persönlichen
Gegner, sondern nur als den Mandaten einer Gegenpartei,
und auch er soll in mir ^ur den Anwalt einer Sache er-
kennen, die ich für ebenso gerecht, als praktisch wichtig halte.
Die Form der Streitschrift scheint mir für jetzt am
geeignetsten zu sein und am kürzesten Wege zum Ziele zu
führen, weil da jene Punkte, über die schon mehr oder
weniger Uebereinstimmung besteht, gar nicht erwähnt zu
werden brauchen, und eigentlich nur die streitigen Punkte
zur Sprache kommen.
Sander kom\nt nicht dazu, die Existenz einer ört-
lichen und zeitlichen Disposition für Choleraepidemieen ent-
schieden in Abrede zu stellen und die Cholera als gewöhn-
liche ansteckende Krankheit zu betrachten, er bezweifelt
nur, dass der Boden .einen wesentlichen Theil der ört-
lichen, und die Grundwasserverhältnisse einen wesent-
lichen Theil der zeitlichen Disposition ausmache, und
glaubt ferner, dass die Cholera manchmal sich auch ohne
diese Hilfsmittel epidemisch verbreite, und dann weder ört-
liche noch zeitliche Disposition, sondern nur einen Cholera-
keim und ansteckungsfahige Menschen oder individuelle Dis-
u. üb. d. nftchsten Aufgab, z. weiteren ErgrAnduiig ihrer UrBachen. 5
Position bedürfe, wie z. B. auf Schiffen, — kurz, er glaubt,
dass sich die Cholera zeit- und stellenweise wie eine ge-
wöhDÜche contagiöse Krankheit verhalte, und dann wieder
auch nicht so.
Sander hat seine Hauptbedenken gegen das Wesent-
liche eines Einflusses von Boden und Grundwasser Seite 39
seiner Schrift selbst zusammengestellt, und es wird wohl das
beste sein, diese Zusammenstellung der nachfolgenden Be-
sprechung zu Grunde zu legen.
1) Sander hält unter Umständen eine Mitwirkung des
Bodens bei der Verbreitung der Cholera allerdings
für sehr wahrscheinlich, aber er kann nur nicht zu-
geben, dass der Boden eine wesentliche, durch
nichts zu ersetzende Rolle bei der Cholera spiele.
Sander glaubt Thatsachen zu kennen, welche eine
Epidemie aus einer Yervielfältigung des Cholerakeimes
im menschlichen Körper und aus einer Ansteckung
durch die Excremente der Kranken am natürlichsten
erklären lassen.
2) Sander nimmt an, dass ich behauptete, der .Cholera-
keim vermehre sich nur im Boden.
3) Sander tadelt, dass es mir noch nicht gelungen ist,
für jeden einzelnen Fall giltige, ganz bestimmte und
untrügliche Kennzeichen eines Cholerabodens auf-
zustellen, und in einem solchen Boden auch jenen
Grundwassergrad anzugeben, der erkennen lässt, wann
es für den Ausbruch einer Choleraepidemie niclit zu
feucht und nicht zu trocken, sondern gerade recht
wäre.
Nebenbei wird mir mehrfach in's Gedächtniss gerufen,
dass ich 1856 manches noch anders angesehen und dar-
gestellt hätte, als 10 Jahre später, dass ich dadurch in
Widersprüche verfallen sei.
6 Ueber den gegenwArtigen Stand der Cholerafrage
In dem ersten Satze S anderes spricht sich jene üa-
entschiedenheit und Unklarheit aus, welche in einer weit
verbreiteten Meinung wurzelt, die ich aber thatsächlich nicht
für begründet erachten kann* Diese Meinung besteht haupt-
sächlich darin, dass man contagiose Krankheiten und ver-
schleppbare Krankheiten für identisch hält, dass man folgert,
wenn eine Krankheit durch den menschlichen Verkehr ver-
breitbar, verschleppbar ist, dann ist sie auch contagios. Ich
habe mich über diesen Punkt erst kürzlich bei einer Be-
sprechung der Aetiologie des Typhoids oder Abdominal-
typhus im Kreise des Münchner ärztlichen Vereines zu
äussern Gelegenheit gehabt, l) Was ich dort mit Bezug auf
das Typhoid gesagt habe, passt Alles auch auf die asiatische
Cholera und das Gelbfieber, und ich erlaube mir, die wesent-
lichsten Sätze hier zu wiederholen.
Zwei Vorstellungen über die Ursachen und das Auf-
treten epidemischer Krankheiten stammen aus uralter Zeit;
das sind Contagium und Miasma.
In diesen Vorstellungen lag anfänglich ein sehr richtiger
sachlicher Sinn und Kern. Man bezeichnete mit beiden Aus-
drücken specifische Ursachen von Volkskrankheiten, aber
von verschiedener lokaler Abstammung; mit Contagium die-
jenigen, welche ihr Entstehen innerhalb des Körpers des
Kranken selbst haben, mit Miasma diejenigen, welche ausser-
halb des Körpers des Kranken, in seiner Umgebung, ent-
stehen. — Man war nie zweifelhaft, dass das impfbare
Syphilis- und Blatterngift vom menschlichen Körper, von
Syphilis- und Blatternkranken erzeugt werde, und ebenso
war man nie zweifelhaft, dass das Malariagift nie vom Men-
1) üeber die Aetiologie des Typhus. Vorträge, gehalten in den
Sitzungen des ärztlichen Vereins zu München von Buhl, Friedrich>
Y. Qietl, Y. Pettenkofer, Bänke, Wolfsteiner. Manchen, 1872
bei J. A. Finster lin.
.1 . ..sKjl ... -r i^aia^HK-. - - ' ■-'■ -'■ — ^ '
u. üb. d. nftohsten Aufgab, z. weiteren ErgrÜndung ihrer Ursachen. 7
sehen stammt, sondern stets in dessen Umgebung von der
Oertlichkeit erzeugt wird^ den Menschen nur vergiftet, wie
ihn Arsenik oder ein anderes Gift vergiftet.
Den Begriff Umgebung des Kranken oder Oertlichkeit
beschränkt man im Hinblick auf die Malariakrankheiten
gewöhnlich gerne ausschliesslich auf den Boden, was aber
gewiss nur willkürlich und für viele Fälle irrig ist, denn
es kann Infektionsstoffe geben, welche sich durchaus nicht
im menschlichen Organismus, sondern nur in dessen Um-
gebung fortpflanzen und vermehren, ohne dass das gerade
im Boden geschehen muss. Der Boden ist nur ein Theil
der Umgebung des Menschen.
Ich halte es für wohlbegründet und nützlich, den alten
Gegensatz zwischen Miasma und Contagium wieder aufzu-
frischen und in dieser Weise festzustellen, dass man mit
Contagium die innerhalb, und mit Miasma die ausser-
halb des Organismus der Kranken entstehenden specifischen
Infektionsstoffe bezeichnen soll,
Nun ist möglich, dass irgend eine Bildung, irgend ein
Prozess, dessen Produkt eine solche Krankheitsursache, ein
Infektionsstoff ist, ebenso gut in uns, als ausser uns vor
sich gehen kann ; aber möglich ist zuletzt Alles, und da kann
nur die wirkliche Yerbreitungsart der Krankheit entscheiden,
es muss nachgewiesen werden können, dass sie sich wirk-
lich auf beide Arten verbreitet. Solche Krankheiten würde
man mit Recht contagiös-miasmatische Krankheiten heissen.
Wenn aber eine Krankheit diese doppelte Yerbreitungs-
weise einmal besitzt, dann hört alle die Willkür auf, welche
man sich gegenwärtig stets erlaubt und derentwegen allein
man die Annahme von contagiös-miasmatischen Krankheiten
gemacht zu haben scheint, nämlich beliebig zu sagen, in
diesem Falle hat sich die Cholera auf contagiosem und nicht
auf miasmatischem, in diesem Falle auf miasmatischem und
3 Ueber den gegenwärtigen Stand der Cholerafrage
nicht auf contagiosem Wege verbreitet, oder die miasmatisch
entstandene Krankheit ist nach einiger Zeit contagios ge-
worden, hat auf der Hohe der Epidemie ein Contagium ent-
wickelt u. s. w. Wenn eine Krankheit einmal eine contagios-
miasmatische ist, dann steht es nicht mehr in ihrem und
auch nicht mehr in unserm Belieben, sich bald den einen,
bald den andern Weg zu wählen, sondern die Krankheit
muss dann beide Wege zugleich gehen, so weit sie ihr offen
stehen, sie muss sich sowohl nach Art der contagiosen, wie
nach Art der miasmatischen Krankheiten zugleich yerbreiten*
Als contagiose Krankheit darf sie an keine Jahreszeit, an
keine Lokalität gebunden sein, sondern nur an das Vor-
handensein disponirter Menschen, wie Blattern und Syphilis:
an einem Orte, wo sich in der Umgebung des Menschen
auch die Bedingungen zur Fortpflanzung des Infektionsstoffes
auf miasmatischem Wege finden, muss sich eine solche
Krankheit sowohl durch Miasma, als auch durch Contagium
gleichzeitig fortpflanzen, mit andern Worten, eine Krank-
heit, die einmal eine contagios-miasmatische ist, kann nicht
blos in jenen Fällen contagios sein, wo sie keine Gelegen-
heit findet, sich miasmatisch zu verbreiten, und nicht wieder
aufhören contagios zu sein, sobald sie auch zu miasmatischer
Verbreitung Gelegenheit bekommt, sondern sie muss dann
beides immer zugleich bleiben. Da nun aber der Cholera nach
der Beschaffenheit des menschlichen Verkehrs die Verbreit-
ung auf contagiosem Wege immer offen steht, so könnte
es keine immunen Orte und keine immunen Zeiten geben,
welche thatsächlich doch so zahlreich sind.
Man könnte zwar versuchen, die örtliche und zeitliche
Immunität, welche sich bei der Ausbreitung der Cholera-
epidemieen stets so deutlich in den Vordergrund gedrängt
hat, aus dem Wechsel der individuellen Disposition der Be-
wohner eines Ortes zu erklären, wie man es bei den zeit-
n, üb. d. nächsten Aufgab* z. weiteren Ergründung ibrer Ursachen. 9
s
weise auftretenden Blatternepidemieen macht, aber jeder
derartige Versuch scheitert an den Thatsachen.
Cholera, Typhoid und Gelbfieber zeigen in ihrer Ver-
breitung viele Analogieen.
Wenn man z. B. eine Stadt wie Weimar betrachtet,
so stellt sich der Unterschied im Verhalten contagioser und
nicht contagioser Krankheiten recht deutlich heraus. Wir
wissen durch die Untersuchungen von Pfeiffer, l) wie ört-
lich scharf sich dort jederzeit die Typhusepidemieen begrän-
zen, und dass sich die Choleraepidemie von 1866 dort in
derselben Gränze gehalten hat. Weimar hat doch auch
schon Blatternepidemieen gehabt, — haben aber diese sich
je in solchen örtlichen Gränzen dort gehalten?
Als München im Jahre 1854 ein Cholerainfektionsherd
war, wurde die Krankheit von Besuchern zahlreich in Ort-
schaften stromaufwärts und stromabwärts verschleppt. Mit
Ausnahme von 5 am Hachingerbache gelegenen Ortschaften
zeigten sich stromaufwärts keine Epidemieen, während strom-
abwärts sich dieselben zahlreich entwickelten. Da kann
man doch nicht annehmen , dass die Bewohner der Ort-
schaften stromaufwärts keine, oder weniger individuelle Dis-
position gehabt hätten, als die stromabwärts, denn die von
beiden Richtungen nach München Kommenden holten sich
da die Krankheit gleichmässig , mussten also individuelle
Disposition besitzen, die stromaufwärts erkrankten und star-
ben zu Hause in keiner andern Weise, als die stromabwärts,
aber Epidemieen entwickelten sich nur in der Richtung
stromabwärts.
Ganz analoge Erfahrungen macht man bei jeder Typhus-
Epidemie in München mit den zahlreich nach auswärts ver- .
1) Zeitschrift f. Biologie Bd. III. S. 145. Die Choleraverhältniase
Thüringens von Dr. L. Pfeiffer.
10 Ueber den gegenwArtigen Stand der Cholerafrage
schleppten Fällen. Wenn Personen aus solchen Ortschaften
zur kritischen Zeit nach München kommen, so zeigen sie
in hohem Grade individuelle Disposition, ja man hält es
sogar für einen durch vielfache Erfahrung gestützten Satz,
dass Auswärtige viel häufiger erkranken, also eine grossere
individuelle Disposition besitzen, als Einheimische. Wenn
aber diese hoch disponirten Menschen die Krankheit von
München nach Hause schleppen, so bleibt sie sporadisch,
und die in München Angesteckten vermögen somit daheim
in der Regel Niemanden anzustecken, ^) Nur an gewissen
Orten und zu gewissen Zeiten nehmen dann heftige Orts-
Epidemieen von solchen eingeschleppten Fällen ihren Aus-
gangspunkt, wofür naturnothwendig örtliche und zeitliche
Ursachen angenommen werden müssen.
Hirsch hat schon vor einigen Jahren aufmerksam ge-
macht, dass das Gelbfieber ähnlichen Gesetzen folgt, und
sich erst jüngst sehr eingehend wieder darüber geäussert.^)
Nach den neuesten Untersuchung^en und Beobachtungen,
welche in dem Gesundheits - Berichte von New -York von
1871 3) enthalten sind, verhält sich das Gelbfieber genau wie
Cholera und Typhoid, wie eine verschleppbare, aber nicht
contagiose Krankheit Die Berichte von Dr. Moreau
Morris und Dr. N o 1 1 darüber verdienen die grösste
Beachtung. Im August 1870 erschien das Gelbfieber auf
Governor's Island, einer zwischen Brooklyn und New-York
gelegenen befestigten Insel. Die Bevölkerung dieser Insel
bestand aus OfQcieren, Soldaten, Beamten und deren Fami-
1) üeber die Aetiologie des Typhus. Vorträge im Sr Etlichen Yer-
eifio zu München. . Finster li nasche Buchhandlung 1872. Hauptsäch-
lich die Vorträge von Buhl, H. Bänke und Friedrich.
2) Zeitschrift für öffentl. Gesundheitspflege Bd. IV. 8. 353.
3) First annaal Beport of the Board of Health of the Health
Departement of the Gitj of New-York. April 11, 1870 to April 10, 1871.
u. üb d. nflohsten Aufgab, z. weiteren Ergründung ihrer Ursachen. 1 1
lien, mit einigen Wäscherinnen etc. und betrug 774 an Zahl.
Die Krankheit scheint durch ein aus dem Süden kommen-
des Fahrzeug eingeschleppt worden zu sein. Der erste Fall
auf der Insel ereignete sich am 13. August, der letzte am
26. Oktober, während welcher Zeit 152 Fälle vorkamen,
von denen 52 tödtlich endeten. Auf die letzte Woche des
Septembers und die erste des Oktobers fällt die Akme
der Epidemie.
In New- York kamen während dieser Zeit 11 Qelbfieber-
fälle vor, von denen 9 mit Tod endigten. Alle 11 Fälle
müssen in ihrem Entstehen auf Oovernor's Eiland zurückge-
führt werden. Die ersten 4 Fälle, welche vom 9.— 15. Sep-
tember sich in New - York ereigneten , waren Personen,
welche die Insel besuchten und dort dem Begräbniss eines
Wm. Har rington beiwohnten, welcher am 1. September
am gelben Fieber gestorben war und am 3. September be-
graben ^wurdo. Der fünfte, sechste und siebente Fall waren
nahe Verwandte eines Sergeanten* Herten, der auf der
Insel erkrankte, und den sie besuchten und pflegten, Fall 5
die Mutter, 6 der Schwager und 7 die Schwester. Der 8.
Fall war die Frau eines Soldaten, welche auf der Insel
wohnte, aber sich heimlich entfernt hatte, aus Furcht, in's
Quarantänehospital gebracht zu werden. Sie kam nun in^s
Bellevue - Hospital , wo ihre Krankheit anfangs unerkannt
blieb, bis sie starb, wo sie der behandelnde Arzt aber nach
dem Tode feststellte. Fall 9 war ein ausgedienter Soldat,
der schon unwohl die Insel verlassend im Hause seines
Vaters erkrankte. Die Fälle 10 und 11 waren beurlaubte
Soldaten von der Insel. Es wird hervorgehoben, dass von
diesen 11 Kranken, welche das gelbe Fieber auf der Insel
sich holten und in New- York erkrankten, und von denen
neun starben, in keinem einzigen Falle eine weitere
Mittheilung der Krankheit ausging, obschon sie
12 üeber den gegenwärtigen Stand der Cholerafrage
in überfüllten schmutzigen Theilen der StadtNew-
York wohnten.
Als ein weiterer schlagender Beweis für die Nichtcon-
tagiosität des Gelbfiebers wird mitgetheilt, dass am 1. Okt.
83 Gelbfieberkranke von der Insel in das Quarantainespital
dislocirt wurden, ohne dort die Krankheit einem ein-
zigen Individuum mitzutheilen, während unter den
auf der inficirten Insel zurückgebliebenen Personen darnach
noch 29 Fälle von gelbem Fieber vorkamen.
Bei dieser Einfachheit und Klarheit der Thatsachen
wird man sich nicht wundern, dass man auch in New-Tork
den Satz aufgestellt hat : „Das gelbe Fieber wird nicht i m
menschlichen Organismus durch den Krankheitsprozess er-
zeugt oder von Person zu Person übertragen, sondern sein
Keim oder das Gift wird ausserhalb des menschlichen
Organismus erzeugt, und nach Art des Malariagiftes (Miasma)
aufgenommen. Aber ungleich dem letzteren ist sdn Keim
verschleppbar, und kann in Schiffen, Kisten, - Gepäckwagen
auf Eisenbahnen u. s. w. von einem Punkte zum andern
getragen und so verbreitet werden."!)
1) Es ist von Interesse, a. a. 0. p. 351 zu lesen, wie Dr. Nott
contagiose und nichtcontagiose Krankheiten eintheilt:
1) Descases like Syphilis, which are communioable by oontact
or inoculation aloi^e.
2) Those like small-pox, whioh are intensely contagious, and
communicable by inoculation, by fomites, and through the air.
3) Those like scarlet fever, whioh are inooulable with difficulty
or not at all, and contagious in a less degree than small-pox,
but communicable through the air, and portable by fomites, etc.
Like Syphilis and small-pox, the poison is generated in the
human System, and eliminated in the same form in which it
entered.
4) YöUow fever, which is not generated in the humaa System,
or transmitted from one person to another in any way; but
whose germ or poison is generated out aide of the. human
u. üb. d. nächsten Aufgab, z. weiteren Ergründung ilirer Ursachen. 13
Bei Cholera, bei Gelbfieber und bei Typhoid kommt
also thatsächlich wirklich sehr viel auf Ort und Zeit an,
man sieht viel deutlicher, viel regelmässiger von inficirenden
Oertlichkeiten, als von inficirten Menschen eine Wirkung
oder Weiter Verbreitung der Krankheit ausgehen. Man könnte
nun sagen: diese Wirkung von Ort und Zeit steht zunächst
in keinem Zusammenhange mit der specifischen Krankheits-
ursache, welche contagioser ü^atur ist und vom Kranken
erzeugt wird, sondern mit der individuellen Disposition,
welche ja ebenso noth wendig ist, um an Blattern, wie an
Typhus oder Cholera zu erkranken. Hiernach wäre die
individuelle Disposition abhängig von Ort und Zeit, das
Wesentliche des örtlichen und zeitlichen Einflusses bliebe
bestehen, nur die nächste Beziehung wäre eine andere.
Damit ist aber für die Oontagibnisten nicht das geringste
gewonnen, wenn sie auf diese Art den Unterschied zwischen
contagiosen und verschleppbaren Krankheiten verwischen
zu können glauben, denn sie werden durch diese Annahme
nicht im geringsten der Mühe überhoben, die unbekannten
Grössen, aus denen der wesentliche örtliche und zeitliche
Einfluss sich zusammensetzt, aufzusuchen und näher zu
definiren.
Man findet allerdings, dass auch contagiose, impfbare
Krankheiten, wie die Blattern, ihre wechselnde zeitliche
Frequenz haben, aber es gehört auch bei diesen viel dazu,
ohne weiteres zu glauben, dass ihre Frequenz wesentlich
nur von der individuellen Disposition und unabhängig von
System, and is taken in after the manner of marsh malaria
poison. But, unUke the latter, its germ is portable, and
may be carried in yessels, trunks, baggage cars of railroads,
eto. from one point to another, and thus propagated.
5) Marsh malaria fevers, which are strictly endemic— of local
origin — not contagious and not portable.
14
Üeber den gegenwärtigen Stand d«t Cbolerafrage
allen aDdem örtlichen UBd zoitlicben VerhäUnissen bedingt
>)ei. Es scheint mir nicht unpassend, an dieser Stelle und
bei dieser Gelegenheit etwas an einigen althergebrachten
Meinungen und Yorstellungen zu rütteln, welche Ton Vielen
für imumstössUch gehalten werden, um zu probiren, wie
feüt sie stehen.
Maophersoni) hat die BlattemtodesföUe zusammen-
gestelll, welche in Calcutta während 29 Jahren in den ein-
zelnen Monaten registrirt sind. Die Abhängigkeit von der
Jahreszeit tritt bei den Blattern noch auffallender, als bei
der Cholera hervor: dort sind in 29 NoTembermonaten die
wentgstet), im Ganzen 132 Menschen, an Blattern gestorben,
in den Här.zmonaten die meisten, im Ganzen 4934, wäh-
rend im selben Zeiträume an Cholera die wenigsten in den
ÄuguMfraonaten 3440, die meisten in den Aprilmonaten
193^2 starben. Bei den Blattern verhält sich das monat-
liche Minimum zum Maximum wie 1 zu 37, bei der Cholera
wie 1 zu öVz-
Aber nicht nur die unterschiede der Monatsmittel,
äondoi-D auch die Unterschiede der einzelnen Jahre sind
bei den Blattern viel grösser, als bei der Cholera. Mac-
phei'son thcilt die Jahreasummen der Todesf^le an Cholera
und Blattern in Calcutta von 1841 bis 1860 mit.
Todesfälle an
Cholera
fibttero
1841
5177
56
1842
6545
32
1848
3739
335
1844
6811
2840
1845
6240
67
1846
6427
78
I) Cholera in ita home p. 4 and 15.
u. üb. d. nächsten Aufgab, z. weiteren Ergründung ihrer Ursachen. 15
Jahr
Todesfälle in
M^ 9^ *A A
Cholera
Blattern
1847
8041
38
1848
2502
107
1849
3867
1724
1850
3848
4430
1851
4374
32
1852
4189
59
1853
5632
19
1854
3082
113
1855
3744
61
1856
4540
178
1857
883^
3177
1858
5195
123
1859
4676
54
1860
6553
64
Hienach beträgt für die Todesfälle an Cholera das
jährliche Minimum 2502 im Jahre 1848, das Maximum
6553 im Jahre 1860; für Blattern das Minimum 19 im
Jahre 1853, das Maximum 4430 im Jahre 1850, also für
Cholera ein Yerhäliniss zwischen Minimum und Maximum
annähernd von 1 zu 2^/2, für Blattern hingegen von 1 zu
233. Der Unterschied in der jährlichen Frequenz ist somit
bei den Blattern in Calcutta fast hundertmal grösser, als
bei Cholera.
Ich bewundere Jeden, der Angesichts dieser Tabelle
die wechselnde Frequenz der Blattern ohne weiteres Be-
sinnen blos aus dem stets vorhandenen Contagium und
dem üblich angenommenen Wechsel' in der individuellen
Disposition der Bevölkerung zu erklären den Muth hat.
Mein Glaube ist nicht stark genug, das auszusprechen zu
wagen, ich würde befürchten, eine grosse Unwahrscheinlich-
keit zu behaupten. Dem felsenfesten Glauben der meisten
Aerzte, dass in diesen beiden Momenten die ganze Er-
16 Ueber den gegenwftrtigen Stand der Cholerafrage
klärung zu suchen sei, liegen nur. zwei Thatsachen zu
Qrunde: 1) dass die Blattern yon einem Organismus auf
einen andern durch Impfung übertragbar sind, 2) dass die
Impfung nicht bei allen Geimpften gleich anschlägt und
dass ein überstandener Blatternanfall für längere Zeit, oft
für das ganze Leben, die individuelle Disposition dafür tilgt,
oder Nicht-Disposition herstellt. Diese beiden Thatsachen
(Contagium und individuelle Disposition) bleiben übrigens
un verrückt stehen, auch wenn man annimmt, dass die Blat-
tern möglicherweise nicht blos eine contagiose, sondern
auch eine miasmatische Krankheit (Contagium und Miasma
in dem Eingangs erläuterten Sinne genommen), also eine
contagios-miasmatische Krankheit sind, d* fa* dass dem spe-
cifischen Infektionsstoffe nicht blos der menschliche Orga-
nismus, sondern zeitweise auch seine Umgebung als Wirth
dient. Daraus würde sich noch ungezwungener erklären,
warum zeitweise die Blatternfälle so vereinzelt bleiben, zu
andern Zeiten aber zu grossen Epidemieen anwachsen ;
ersteres würde eintreten, solange die Blattern nur auf con-
tagiosem Wege sich fortpflanzen können, letzteres, sobald
ihnen auch der miasmatische Weg sich öffnet. Die An-
schauung der contagios - miasmatischen Krankheiten passt
viel ungezwungener auf die Blattern, als auf Cholera und
Gelbfieber, denn dass die Blattern impf bar sind, ist kein
Grund zur Annahme, dass sich der Infektionsstoff nur im
menschlichen Organismus, und zeitweise nicht auch ausser-
halb desselben, in Substraten seiner Umgebung (d« i. mias-
matisch) fortpflanzen und vermehren könnte.
Man könnte einwerfen, ich verweise da auf etwas ganz
Unbekanntes in der Umgebung des Menschen, während die
individuelle Disposition doch eine bekannte Thatsache sei,
an die man sich vorläufig allein halten dürfte. Darauf
liesse sich erwidern, dass der unbekannte nur zeitweise
-^ — "^»i 1 1—1— I r
u. üb. d. nächsten Aufgab, z. weiteren Ergründung ihrer Ursachen. ] 7
vorhandene miasmatische Blattern wir th in der Umgebung
des Menschen nicht dunkler ist, als der dunkle Grund der
auch nur zeitweise gegebenen individuellen Disposition uns
vorläufig auch noch ist. Die Annahme einer individuellen
Disposition bleibt unverändert stehen und ist immer noch
nothwendig, es mögen sich die Blattern nur contagios, oder
auch miasmatisch fortpflanzen.
Ich, wenn ich die Blatternfrequenz in Calcutta nach
allen Richtungen hin überblicke, komme in grosse Verlegen-
heit, sie aus der blossen Thatsache der Contagiosität und
Impfbarkeit allein, auch nur annähernd zu erklären. Dem
menschlichen Verkehr, welcher die Contagion vermittelt,
bleibt jedes Jahr so ziemlich der gleiche Spielraum offen,
, und doch diese gewaltigen Unterschiede ! Nach unseren
bisherigen Vorstellungen bleibt zur Erklärung nichts übrig,
als ein Wechsel in der individuellen Disposition, die Durch-
seuchung. Hienach wäre das zeitweise Vorhandensein der
individuellen Disposition, die doch auch wieder von örtlichen
und zeitlichen Momenten abhängig gedacht werden müsste,
ein viel mächtigerer Faktor, und spielte eine viel grössere
Rolle, als das beständige Vorhandensein des Contagiums.
"Wenn es in Calcutta Jahre gibt, in welchen nur 20 Per-
sonen, und solche, in welchen 4000 an Blattern sterben,
und man annimmt, dass nur die Gegenwart von nicht
schon durchseuchten Individuen dem Blatterngifte zeitweise
diese Kraft verleiht, so darf man sich nicht verhehlen, dass
dieser Annahme ganz erhebliche Bedenken entgegen stehen.
Für die Zeit, welcher die Blatternstatistik von Macpher-
son entnommen ist, muss die Einwohnerzahl von Calcutta
wenigstens zu 400,000 durchschnittlich angenommen werden.
Dazu kommt eine ab- und zugehende, sogenannte flottirende
Bevölkerung, welche bei der Grösse des Platzes und des
Verkehrs jährlich wohl mindestens 50,000 beträgt. Auf die
13 Ueber den gegen wältigen Btaud der Cholerafffigc
sesshafte Bevölkerung darf man jährlich mindesten? 2 Procent
Zuwachs durch Geburten rechnen. Wenn man also nach
einem Jahre mit 4000 Blattern todten auch alle Einwohner
als völh'g durchseucht annimmt, so liefert der Zuwachs und
die äottirende Bevölkerung doch jedes Jahr eine so grosse
Anzahl noch nicht Durchseuchter, dass es unerklärlich bleibt,
wie es Jahre gehen kann, in denen nur 20 bis 30 Personen
an Blattern sterben, vtrenn die Gegenwart des Contagiunis
und der Verkehr disponirter Menschen die zwei alleinigen
Haupterfordernisse der Blatternfrequenz sind.
Wenn ich darauf aufmerksam mache, dass sich aus
unseren Begriffen von Contagium, Durchseuchung und Dis-
position keine Erklärung für die Blattern frequenz construiren
lässt, welche nur annähernd zu d«n Thatsachen passt, so
will ich damit weder gesagt haben, dass die Blattern nicht
contagios seien, noch dass die individuelle Disposition nicht
eine grosse Rolle spiele, oder dass diese durch einen Blatfl^rn-
anfall und durch Vaccinationen nicht wesentlich abgeschwächt
werde; ich gebe sogar zu, dass bei weiterer und näherer
Erforschung des Wesens der individuellen Disposition für
Blattern sich möglicherweise herausstellt, dass die wechselnde
Frequenz durch sie allein zu erklären ist; — ich behaupte
nur, dass man das beim gegenwärtigen Stand unseres
Wissens noch nicht kana, und dass man jetzt auch noch
nicht verneinen kann, dass die Blattern eine auch con-
tagios-miasmatische Krankheit sein könnten. '
Hingegen bin ich der bestimmten Ansicht, dass Cholera,
Gelbfieber, Typhoid u. s. w. weder contagiose noch contagios-
miasmatische Krankheiten sind, sondern transportfähige,
verschleppbare miasmatische Krankheiten. Wenn wir das
Merkmal festhalten, welches allein die Blattern mit Sicher-
heit zu einer contagiosen Krankheit stempelt, die Impfbar-
u. üb. d. nächsten Aufgab, z. weiteren Ergrun^ung ihrer Ursachen. 19
keit, 80 müssen wir von vornherein sofort zugestehen, dass
dieses Merkmal der Cholera mangelt. Die Cholera ent-
wickelt sich zwar mit Hilfe des menschlichen Verkehrs
aber nur die sorgloseste und oberflächlichste Beobachtung
und Betrachtung kann diese Verschleppbarkeit für gleich-
bedeutend mit Contagiosität halten. Wenn man die Ver-
breitungsweise der Cholera weiter verfolgt und näher be-
trachtet, so verleugnet gerade sie in der grossen Mehrzahl
der Thatsachen auf das Entschiedenste den Charakter der
contagiosen Krankheiten. Es giebt cholerainficirte Orte und
choleraimmune Orte und diese Thätsache ist weder aus dem
persönlichen Verkehr, noch aus der individuellen Disposition
der Menschen zu erklären. So oft z. B. die Cholera schon
nach Lyon geschleppt worden ist, noch nie hat sie dort
eine grössere epidemische Verbreitung gewinnen können.
Die Thätsache von örtlicher Immunität ist von viel grösserer
fundamentaler Bedeutung, als die der zeitlichen Immunität«
Zeitweise Immunität kann, wie es bei Blattern üblich ist und
geschieht, immer noch zur Noth von der individuellen Dis-
position, von den Folgen einer vorausgegangenen Durchseuch-
ung abgeleitet werden; aber nicht so die reine örtliche.
Wann sind die Einwohner von Lyon oder anderer immuner
Orte je von Cholera so durchseucht gewesen, dass ihre
Disposition dafür hätte als vesloren oder erschöpft ange-
sehen werden können? Nie! Aber wenn die Einwohner
von Lyon zur Zeit einer Choleraepidemie nach Marseille
oder^ Paris kommen, dann zeigen sie sich nicht minder
empfänglich für Cholera als die Pariser und Marseiller,
Aus den Untersuchungen von mir über die Verbreitung
der Cholera in Bayern, von Pfeiffer in Thüringen, von
Günther in Sachsen etc. geht mit aller Bestimmtheit her-
vor, dass die epidemisch ergriflfonen Orte eines Landes sich
nicht nach den Verkehrslinien aneinander reihen und grup-
9*
20 lieber den gegenwärtigen Stand der Cholerafrage
piren, sondern lediglich nach Drainagegebieten und Boden-
beschaffenheit. i)
Die Erfahrung hat ferner von jeher gezeigt, dass die
Behandlung und Pflege Cholerakranker nicht die Gefahr
für Aerzte und Wärter hat, wie bei ansteckenden Krank-
heiten gewöhnlich. Es giebt Choleraspitäler, in denen hie
und da auch Wärter zahlreich erkranken, aber es wäre
ein Trugschluss, zu glauben, weil sie von den Cholera-
kranken angesteckt werden, sondern sie erkranken, weil
sie in einem Hause leben, welches zu einem Infectionsheerde
geworden ist. Diesen Choleraspitälern steht eine viel grössere
Zahl anderer gegenüber, in welchen die Wärter trotz der
Pflege von zahlreichen Cholerakranken nicht inficirt werden.
Das schlagendste Beispiel ist wohl das allgemeine Kranken-
haus zu Caicutta, welches trotz beständiger Gegenwart von
Cholerakranken noch nie zu einem Infectionsheerde für
Wärter und andere Patienten geworden ist. — Ebenso ist es
mit dem Vorkommen der Cholera auf Schiffen. 2) Die ge-
naueste und unbefangenste Prüfung derselben ergiebt, dass
die Cholera auf Schiffen eigentlich keine Heimath findet,
so oft sie auch dahin gebracht wird, und so sehr auf über-
füllten Schiffen alle Umstände für eine Ausbreitung auf
dem Wege der Ansteckung von Person zu Person, durch
Excremente u. s. w. günstig wäre. Die Erfahrung lehrt
im Gegentheil, dass in den ostindischen Gewässern die
schmutzigsten und überfülltesten Kulischiffe nicht mehr
von Cholera zu leiten haben, als die vortrefflich einge-
1) Hauptberioht über die Cholera 1854 in Bayern 8. 307— 3S2.
Die Gholeraverbältnisse Thüringens von Pfeiffer. — Zeitschrift für Bio-
logie. Bd. III. S. 145. — Die indische Cholera in Sachsen 1866 Ton
Günther. Leipzig bei Brockhaus 1869.
2) Ueber Cholera auf Schiffen. Vierteljahresschrift fQr öffentl.
Ges.-Pflege, Bd. IV. S. 1. — Zeitschrift für Biologie. Bd. VIII. S. 1.
f "T*-- j» aaaj— M— fc»«...^J>M^jfcj^^ n-^ti
u. üb. d. näohstea Aufgab, z. weiteren Ergrfindoiig ihrer Ursachen. 21
richteten, sauberen und geräumigen Schiffe der englischen
Marine« Aber ausnahmsweise, hie und da erfolgt ein hef-
tiger Choleraausbruch, eine wirkliche Epidemie sowohl auf
Kulischiffen, wie auf englischen Truppenschiffen. Durch
diese Ausnahmsfälle nun lassen sich Manche zu der un-
logischen Schwäche hinreissen, zu glauben, in diesen Fällen
dürfe der Bequemlichkeit der Erklärung halber ein Moment
herbeigezogen werden, was gar nicht erst in diesen Fällen
auftritt, oder neu hinzukommt, sondern was bereits auch
schon in der grossen Mehrzahl aller entgegenstehenden
Fälle ebenso vorhanden ist, aber ohne dass es da für ge-
wohnlich die geringste Wirkung auszuüben im Stande ist.
Jedem, der sich näher und eingehender mit dem Yorkommen
der Cholera auf Schiffen beschäftigt, drängt sich eine Frage
auf, auf welche der Contagionist nicht die geringste Ant-
wort zu geben vermag, nämlich warum für gewöhnlich
cholerakranke Kuli und Matrosen auch auf den überfiilltesten
Schiffen Andere nicht anstecken? Wenn nach der Mein-
ung Sand er 's der Kohlenarbeiter auf dem Franklin in
Halifax nicht nur selbst von einem Stoffe angesteckt wurde,
welcher auf dem Schiffe von Cholerakranken erzeugt war,
sondern wenn er diesen Stoff auch in sich selbst wieder
Vervielfältigte, so dass er 22 Meilen von Halifax entfernt,
in Chezet Cook damit seine Pflegerin und ausser dieser
auch noch zwei seiner Schwestern anstecken konnte, so
muss man doch fragen, woher gerade dieser Kohlenarbeiter
sein ausnahmsweises persönliches Privilegium zur Selbst-
bereitung von Cholerainfectionsstoff hatte, welches doch er-
fahrungsgemäss sowohl auf dem Lande wie auf Schiffen
gewöhnlichen Sterblichen versagt ist. Sander führt blos
an, dass es ihm natürlicher, er hätte richtiger gesagt, be-
quemer scheine, diesen Fall durch die Annahme zu er-
klären, „dass der Cholerakeim sich im menschlichen Körper
22 Üeber den gegenwärtigen Stand der Gholerafrage
vervielfältiget und an die Excremente (im frischen oder
nur im zersetzten Zustande muss dahingestellt bleiben) g'e-
bunden ist/^
Wenn Sander fortfahren wird, sich mit den That-
Sachen der Gholeraverbreitung noch länger ernstlich zu be-
schäftigen, so bin ich überzeugt, dass es ihm ergehen wird,
wie es mir ergangen ist ; auch er wird zuletzt die Annahme
der Contagiosität der Cholera nicht blos in der Mehrzahl
der Fälle, sondern überhaupt als unbegründet erkennen
und sie dann auch nicht mehr für einzelne Fälle behaupten
wollen, wo es ihm gerade zur Erklärung passen würde.
Ich habe im Laufe der Zeit, d. h. im Laufe der Erfahr-
ungen und Beobachtungen, meine Ansichten mehrfach ändern
müssen, um wieder Fortschritte machen zu können. Ich stand
anfangs gleich so vielen Anderen mit Vorliebe auf con-
tagionistischer Seite, wurde aber allmälig durch den Druck
•der Thatsachen immer weiter davon entfernt, es wurde mir
immer klarer, dass gerade die gewöhnliche contagionistische
Anschauung das grösste Hinderniss in der Erkenntniss der
Natur der Cholera ist, dass diese Theorie unsere Blicke
nicht auf die rechten Punkte fallen lässt, sondern sie nach
Richtungen ablenkt, in welchen das nicht liegt, was wir
suchen; es wurde mir immer klarer, dass die Cholera wohl
eine durch den Verkehr verschleppbare, aber deshalb durch-
aus noch nicht eine contagiose Krankheit sei, dass die
Ursache der Vermehrung des Cholerainfectionsstoffes in der
Umgebung des Menschen zu suchen sei, und nicht im
Menschen selbst.
Warum ich aus der ganzen Umgebung des Menschen
gerade dem Boden eine wesentliche Bolle beimesse, hat
folgende Gründe. Die Thatsachen wiesen mich unausgesetzt
darauf hin, dass nicht jede beliebige Umgebung des Men-
schen den Cholerakeim zu entwickeln und zu vervielfältigen
u. üb. d. nScIisten Aufgab, z. weiteren Ergründung ihrer Ursachen. 23
vermag, wenn er wohin gebracht wird. Unter allen Mo-
menten sprach sich zuerst und am deutlichsten der Unter-
schied zwischen Orten aus, welchen der Verkehr mit Cholera-
orten heftige Epidemieen bringt, und zwischen solchen,
welchen gleichzeitig der nämliche Verkehr keine bringt.
Das zwang zunächst zur Annahme örtlicher Hilfsursachen,
und zwar nicht blos zußllliger, sondern wesentlicher. Dazu
gesellte sich später auch noch die Nothwendigkeit der An-
nahme zeitlicher Momente, zeitlicher Hilfsursaehen.
Da ich sah, dass die für Cholera empfänglichen Orte,
die ich mit a bezeichnen will, sich nicht durch eine andere
Bauart, oder anderes Baumaterial, nicht durch andere häus-
liche Einrichtungen oder eine andere Art der Benützung
derselben von den für Cholera unempfänglichen Orten, welche
b heissen sollen, unterschieden, dass sie auch keine andere
Klasse von Menschen mit anderen Gewohnheiten oder an-
derer individueller Disposition beherbergten, indem sich oft
zeigte, dass die Einwohner von b ebenso an Cholera er-
krankten, wie die von a, sobald sie sich von b nach a be-
gaben, während da die Krankheit herrschte, aber ohne sie
dann in b verbreiten zu können, wenn sie auch krank nach b
zurückkehrten und da starben, so blieb für mich kein an-
derer Schluss zulässig, als der, an dem ich auch gegenwärtig
noch festhalten muss, dass nämlich bei der Epidemie in a
etwas Wesentliches mitwirken muss, was im Boden liegt
oder wenigstens vom Boden stammt.
Dafür giebt es grosse Reihen der unzweideutigsten That-
Sachen, aber vielleicht kein einziger einzelner Fall lässt das
deutlicher hervortreten, als einer, welchen ich*) schon vor
ielen Jahren mitgetheilt habe. Im Krimmkriege bei der Be-.
1) Cholera und Bodenbeschaftenheit in Krain. Aerztliches In-
'telligenzblatt. München 1861. Nr. 7—9.
JL:-
24 üeber don gegenwärtigen Stand der Cholerafrage
lagerung von Sebastopol zeichnete sich im eDglischen Lager
eine Reihe von Hütten, welche nacheinander von Theilen des
79. Hochländerregimentes, dann des 31. Regimentes und zu-
letzt eines Artillerieregimentes bezogen wurden, stets durch
eine unyerhältnissmässig grosse Anzahl von Oholerafallen
aus. In dem Berichte darüber heisst es: „Da man auf
diese Weise fand, dass die Cholera keine Neigung zeige,
diese Hütten zu verlassen, so wurden sie abgebrochen
und in einer höheren Lage wieder aufgeschlagen.
Sie wurden in dieser neuen Lage von der Mannschaft
wieder bezogen, es ereignete sich noch ein Cholerafall,
worauf die Krankheit ganz aufhörte." Viele geben auch gerne
zu, dass eine Mitwirkung des Bodens unter Umständen für
die Verbreitung von Cholera von hoher Wichtigkeit sein
könne, aber sie vermögen nicht anzuerkennen, dass die
Rolle des Bodens eine wesentliche, durch nichfs Anderes
zu ersetzende sei, d. h. mit andern Worten, sie können sich
noch nicht von der contagionistischen Anschauung los machen.
Dass die Rolle des Bodens immer nothwendig und
durch nichts zu ersetzen sei, fasse ich ganz in dem Sinne
auf, wie man etwa zu sagen pflegt, dass der Boden für un-
seren Ackerbau und unsere Getreidepflanzen wesentlich und
unentbehrlich sei. Dieser Satz bleibt richtig, trotzdem dass
die neuere Agrikulturchemie bewiesen hat, dass man Mais
und anderes Getreide ohne jede Spur Ackererde, ganz im
Wasser keimen, wachsen und reifen lassen kann, wenn man
dem Wasser alle Nahrungsstoffe, welche sonst der Acker-
boden den Wurzelfasern abliefert, regelmässig beimischt,
und die saure Reaktion, welche die Wurzeln dem Wasser
ertheilen, täglich neutralisirt. Nur der Gedankenlose kann
dameinen, es sei dadurch bewiesen, dass auch das Wasser
die Rolle der Ackererde übernehmen könne und diese
keine wesentliche sei; der Denkende sieht sofort ein, dass
u. üb* d. nilchsten Aufgab, z. weiteren Ergründuog ihrer Ursachen. 25
das Wasser für sich diese Rolle nie übernehmen kann,
wenn nicht alle wesentlichen Bedingungen des Wachs-
thums, welche sonst gewöhnlich in der Ackererde liegen,
jede einzeln und sämmtlich zuvor in's Wasser hineingethan
werden.
Man nehme statt Mais- oder Roggen-Eörnern Cholera-
keime X, anstatt fruchtbarer Ackererde örtliche und zeitliche
Disposition y, anstatt Wasser, in welchem Getreide wächst und
Frucht bringt, ein Schiff, auf dem die Cholera epidemisch
wird, und man versteht mich vielleicht besser als bisher.
So wenig eine Roggenpflanze an und für sich im Wasser
wächst und reift, wie im Boden, so wenig vervielfältigt sich
der Cholerakeim auf einem Schiffe, und wenn es geschieht,
so ist nur der eine Schluss gerechtfertigt und vernünftig,
dass dann auch die Bedingungen, welche für gewöhnlich
vom Boden ausgehen, in allen wesentlichen Einzelheiten —
wenn vielleicht auch unter ganz anderen Formen — vom
Lande auf's Schiff gelangt sein oder gebracht worden sein
müssen. Wenn Choleraexcremente und disponirte Menschen
zum Entstehen von Choleraepidemien auf dem Lande nicht
ausreichen, dann können sie auch auf dem Meere und auf
*
Schiffen nicht ausreichen.
Das ist meine einstweilige Grundanschauung vom Wesen
des Choleraprozesses und vom Einfluss des Bodens dabei,
der ich schon lange huldige und über die ich noch nie
hinauszukommen vermochte. Lediglich durch Thatsachen,
über die ich vielleicht etwas mehr als Andere nachgedacht
habe, wurde ich schon früh zu dieser Anschauung gezwungen,
welche ich auch bei der Cholera-Conferenz in Weimar im
April 1867 schon mit aller Bestimmtheit ausgesprochen habe,
wenn auch in einer damals für die Meisten, wie es scheint,
noch unverständlichen Weise. Ich sagte gegen den Schluss
26 lieber den gegenwärtigen Stand der Cholerafrage
der Verhandlungen:^) „Ich habe die volle Ueberzeugung, dass
das, was im Allgemeinen uothwendig und richtig ist,
auch in jedem einzelnen Falle so sein muss, es hängt
nur oft auf Umwegen zusammen. Wir wissen , dass die
Cholera durch den Verkehr verbreitet werden kann , >Yir
wissen/ dass auch noch andere Umstände dazu nothwendig
sind, damit eine Epidemie entsteht und mehrere Menschen
an einem Orte erkranken. Wenn nur in einem einzigen
Falle die Mitwirkung des Bodens etwas Gleichgiltiges ist,
80 muss man es auch für alle übrigen Fälle zugeben« Ich
denke mir nun, dass diese Fälle, die so aussehen, als wäre
der Boden entbehrlich, nicht gehörig analysirt sind ....
Wenn wir in einem einzigen Falle den Einfluss
des Bodens preisgeben, so brauchen wir ihn für
alle übrigen Fälle auch nicht mehr.'^
Meiner Grundanschauung von Cholera und Bodeneinfluss
entspricht von allen contagionistischen Theorien nur die
Trinkwasserhypothese, welche in vielen Beispielen so weit
passt, als man überhaupt pars pro toto, einen Tdeil der
Oertlichkeit für's Ganze nehmen kann. Ich wandte mich
derselben daher gleich anfangs mit Vorliebe zu, sie liess mich
aber bei näherem und längerem Studium wegen ihrer falschen
contagionistischen Grundlage bald gänzlich im Stiche. Ich fand
zahlreiche und heftige Ortsepidemieen, bei welchen das Trink-
wasser unmöglich als betheiligt angenommen werden konnte,
welche anders erklärt werden mussten, aus noch unbe-
kannten örtlichen Einflüssen. Wenn ich mich nun in die-
sen Fällen zu einer anderen Erklärung als durch Trink-
wasser gezwungen sah, so verlor ich damit auch alle Be-
rechtigung, in jenen Fällen, wo der Einfluss des Trink-
wassers nicht geradezu ausgeschlossen erschien und einer
1) Verhandlungen der Choleraconferenz in Weimar S. 88.
u. üb. d. nächsten Aufgab, z. weiteren Ergrundung ihrer Ursachen. 27
Herbeiziehung zur Erklärung nichts im Wege gestanden
hätte, mehr Gewicht darauf zu legen, als in den Fällen,
welche unter sonst gleichen Umständen ohne jeden Einfluss
des Trinkwassers stattgefunden hatten und ohne Trinkwasser-
Einfluss erklärt werden mussten. Immer sah ich mich zu-
letzt nur auf den jßoden als Sitz des örtlichen Momentes
verwiesen.
Und so vermag mich auch gegenwärtig das Vorkommen
der Cholera auf Schiffen nicht im geringsten in meiner
Ueberzeugung von der Nothwendigkeit des Bodens für
Choleraepidemieen zu erschüttern, im Gegentheil, mich be-
stärkt gerade das Verhalten der Cholera auf Schiffen, mit
dem ich mich mehr vertraut gemacht habe, als alle meine
contagionistischen Gegner, in meiner Ansicht. Gerade wer
die Cholera auf Schiffen genauer studirt, findet, dass sie
keine contagiose Ifrankheit sein kann, weil ihre Verbreitung
nirgend eine grössere Seltenheit ist, als auf Schiffen, ob-
schon gerade da die Verhältnisse zur Verbreitung auf con-
tagionistischem Wege günstiger sind, als irgendwo. Ich bin
allerdings vorläufig noch nicht im Stande, anzugeben, wie
die in jenen seltenen Fällen und so ausnahmsweise vor-
kommenden Schiffsepidemieen entstehen, oder die Gegen-
stände zu bezeichnen, mit denen der Cholerainfektionsstoff
vom Lande auf's Schiff gebracht wird, wie er sich dort er-
hält und vertheilt wird, und so kann ich auch nicht sagen,
wie der Kohlenarbeiter in Halifax auf dem Franklin inficirt
wurde, und wie er auch noch Infektionsstoff 22 Meilen
weiter tragen konnte; diese Dinge müssen eben erst noch
erforscht und aufgedeckt werden: aber die Pflicht und die
Mühe des Suchens vermag uns keine beliebige Annahme, und
wenn sie zur Erklärung von Ausnahmsfällen noch so bequem
wäre, zu ersparen, selbst die Annahme nicht, dass die Cho-
lera in jenen Fällen, wo ihr Beobachter keinen Boden unter
28 Ueber den gegenwärtigen Stand der Cholerafrage
seinen Füssen f&hlt, zur contagionistischen Krankheit werde.
Wenn sie das wäre, so müsste ihre Verbreitung auf den
Schiffen die Regel und nicht eine so seltene Ausnahme sein.
Die Contagiosität der Cholera blos deshalb anzunehmen
oder beizubehalten, weil sie in gewissen noch dunklen Fällen
zur Erklärung bequem wäre, halte ich nicht blos für ganz
ungerechtfertigt, sondern sogar für sehr schädlich. So lange
man sich, dieses erlaubt, bleibt die Forschung in dem alten
unfruchtbaren Stillstande. Wie es Sander ergangen ist,
wird es Allen gehen , man wird sich über einzelne Fälle
nicht lange den Eopf schwer machen, verwickelte Fäden
durch mühsame und zeitraubende Untersuchungen verfolgen
und zu entwirren suchen, sondern man wird immer einfach
die Excremente der Menschen als Yerbreiter der Krankheit
im Rückhalte haben. Und nichts ist ja den Meisten lieber
und bequemer und scheint ihnen daher auch praktischer zu
sein, als ein Mittel, zu dem man zuletzt jederzeit greifen
kann, was nie im Stiche lässt. Ein solches promptes Mittel
der Erklärung ist die Annahme, dass der Cholerainfektions-
stoff hie und da sich auch unabhängig von örtlicher und
zeitlicher Disposition im menschlichen Körper vervielfältigt
und an die Excremente gebunden ist. Damit reicht man
in allen Nothfällen aus, man wird nie die Antwort schuldig
bleiben ; denn wohin käme die Cholera ohne Menschen und
wo gäbe es l^enschen ohne Excremente?
Auch scheint mir Sander im grossen Ganzen und für
gewöhnlich von der Contagiosität der Cholera nicht sehr
überzeugt zu sein, wenn er die Immunität von Lyon und
von vielen andern Orten unbedenklich zugibt. Mir scheint,
auch er hält die Cholera im Grunde doch nur sehr aus-
nahmsweise für contagios und will sich diese ausnahmsweise
Contagiosität nur für Erklärungsnothfalle , namentlich für
die Cholera auf Schiffen, reserviren. Das Vorkommen der
u. üb. d. nächsten Aufgab, z. weiteren Ergründung ihrer Ursachen. 29
Cholera auf Schiffen scheint auch der wesentlichste Umstand
zu sein, der ihn über den wesentlichen Einfluss des Bodens
stutzig macht ; denn wo findet sich auf einem Schiffe Boden
und Grundwasser P während Menschen und ihre Excremente
nie fehlen. Hier komme ich wieder auf den Punkt zu
sprechen, in welchem ich mich von den Voll- und Halbblut-
Contagionisten schon seit länger wesentlich unterscheide.
Ich glaube, am deutlichsten zu werden, wenn ich noch-
mal unter ganz besonderem Hinblick auf das Yorkommen
der Cholera auf Schiffen meinen Standpunkt, gegenüber
dem contagionistischen, entwickle.
Ich betrachte es vor Allem als einen Grundsatz, der
keines Beweises bedarf, dass die Cholera auf den Schiffen
wesentlich dieselben Ursachen hat, wie auf dem Lande.
Die specifische Ursache der Cholera wird durch den mensch-
liehen Verkehr von Indien oder anderen endemischen Sitzen
aus zeitweise nach Europa verbreitet, wiep ist noch nicht
gefunden. Bei Verbreitung der Cholera auf dem Lande
macht sich neben der individuellen Disposition auch noch
eine örtliche und zeitliche Disposition geltend, denn es gibt
Orte,, welche sich bei jeder Einschleppung von Cholera,
deren noch unbekannten Eeim ich der Kürze wegen x nenne,
bis jetzt unempfänglich erwiesen haben; aber auch die für
Cholera empfänglichen Orte haben stets gezeigt, dass sie
nur zu gewissen Zeiten empfanglich sind.
Was sich auf dem Lande als örtliche und zeitliche
Disposition kundgibt, und was ich der Kürze halber y nenne,
ruht im Boden, oder geht vom Boden aus, oder hängt in
irgend einer Weise jedenfalls mit dem Boden zusammen
oder vom Boden ab. Die Art und den Ort der Wechsel-
wiskung zwischen x und y kennt man vorläufig noch eben
so wenig, wie die beiden Faktoren selbst, man weiss nicht,
wie weit sie sich im Boden, oder über dem Boden, ob im
-^
1
30 Uebcr den gegenwärtigen Stand der Cholerafrage
Hause oder im Menschen selbst begegnen, aber ohne y yer-
ursacht x keine Epideibieen.
Es ist selbstverständlich, dass alle Momente, welche an
infektionsfahigen und immunen Orten wesentlich die gleichen
und nämlichen sind, die Rolle von y nicht übernehmen können.
Auf die Schiffe wird die Cholera immer vom Lande
aus gebracht Man kann die Schiffe auf der See gleich
Orten auf dem Lande betrachten. Eine nähere Unter-
suchung der Cholera auf Schiffen ergibt' nun , dass in der
überwiegend grossen Mehrzahl der Fälle die Schiffe auf
der See, wenn Cholerafälle, die von Infektion auf dem
Lande stammen, darauf vorkommen, sich wie die cholera-
'f immunen Orte auf dem Lande verhalten , also wie Orte,
welche kein y besitzen oder erzeugen. Dass nach Abfahrt
eines Schiffes aus einem inficirten Hafen oder nach Verkehr
eines Schiffes mit einem solchen einige Cholerafälle ^uf dem
Schiffe vorkommen, wird häufig beobachtet, aber in der
Regel beschränken sich die Fälle auf Personen, welche
aller Wahrscheinlichkeit nach nicht auf dem Schiffe, sondern
auf dem Lande inficirt worden sind, welche schon inficirt
das Schiff bestiegen haben und da erkranken. Die Krank-
heit verbreitet sich in diesen Fällen aber nicht in der übri-
gen Schiffsmannschaft, sondern begränzt sich oft in der aller-
auffallendsten Weise auf diejenigen, welche zuvor mit be-
stimmten Lokalitäten auf dem Lande in Berührung waren ;
sie geht z. B. häufig nicht von den Matrosen auf die Ma-
rinesoldaten oder Truppen , oder Passagiere ein- und des-
selben Schiffes, oder umgekehrt, über, ja selbst nicht von
einer Abtheilung Soldaten auf eine andere, wenn die Ab-
theilungen unmittelbar vom Lande von verschiedenen Oert-
lichkeiten her auf's Schiff gekommen sind. So etwas wider-
streitet der Contagiosität einer Krankheit, denn für die Ver-
breitung derselben auf contagiosem Wege ist gerade
u. üb. d. nächsten Aufgab, i, weiteren ErgrOndung ihrer Ursachen, ß]
wegen der beständigen, unmittelbaren Nähe des Contagiums
und wegen der innigen Berührung und des innigen^ Ver-
kehrs zwischen den ergriffenen und frei bleibenden Ab-
theilungen der SchifiPsbeTÖlkeruDg das Schiff günstiger, als
jeder Ort auf dem Lande.
Ausnahmsweise kommen aber auf Schiffen doch auch
wirkliche epidemische Ausbrüche von Cholera von grosser
Heftigkeit und langer Dauer vor und es fragt sich, wenn
man consequent bleiben und nicht den allerersten ätiolo-
gischen Satz von der Identität der Choleraursache auf dem
Lande und auf den Schiffen wieder preisgeben will, wie in
diesen seltenen Ausnahmsfiällen der aus x und y entstehende
Infektionsstoff vom Lande auf's Schiff kommt, an welchen
Dingen er haftet, wie er sich da erhält und mittheilt.
Solche seltene Fälle von Schiffsepidemieen Hessen sich aller-
dings am leichtesten als Folgen der persönlichen Ansteckung
auf dem Schiffe erklären , wenn der Cholera die Eigen-
schaft der Contagiosität überhaupt zukäme und sich auch sonst
auf den Schiffen geltend machte» Da sich aber gerade das
gewöhnliche und durchschnittliche Verhalten der Cholera
auf den Schiffen durchaus nicht mit der Annahme der Con-
tagiosität verträgt, so mangelt jeder vernünftige Grund,
diese Eigenschaft zur Erklärung der Ausnahmsfalle herbei-
zuziehen. Ehe man die Verbreitung d^r Cholera auf Schiffen
genauer kannte, und so lange man nur von den epidemischen
Ausbrüchen darauf hörte , konnte man noch an die Ver-
breitung auf contagiosem Wege glauben, aber Angesichts
der jetzt bekannten Thatsachen kann man die Cholera weder
auf dem Lande, noch auf der See mehr für contagios halten.
Ich verstehe gar nicht, wie Sander Seite 32 seiner
Schrift zu der Behauptung kommt, dass ich für die Ver-
breitung der Cholera auf Schiffen eine besondere Verbreit-
ungsweise geltend zu machen suchte während das gerade
32 Ueber den gegenwärtigen Stand der Cholerafrage
Gegentheil der Fall ist I^iemand hält 'fester an der Einheit
des Prozesses als ich, und meine Gegner sind es, die glauben,
ihn bald so, bald so erklären zu dürfen, wie es eben besser
passt und leichter geht, ohne gegen herkömmliche und ein-
gefleischte Annahmen und Yorurtheile zu Verstössen. Mit unse-
rem winzigen Wissen schon Alles erklären zu wollen, darauf
müssen wir vorerst verzichten; wir kennen vorläufig keinen
einzigen Faktor des Choleraprozesses isolirt für sich, wir kennen
weder x noch y, noch individuelle Disposition, wir schliessen
blos auf sie, als auf unbekannte Grössen, aus ihren Wirk-
ungen. Wir wissen, dass x an den menschlichen Verkehr
sich heftet, dass j vom Boden stammt und die individuelle
Disposition im Menschen liegt. Wir wissen auch, dass es
nur sehr selten und ausnahmsweise vorkommt, dass einem
Schiffe der Verkehr mit einem cholerainficirten Orte eine
Epidemie verursacht, dass in der Regel die Schiffe zu den
cholerasichersten Orten gehören. Alles Weitere ist erst
noch durch genaue und umfassende Untersuchungen zu er-
mitteln , und gerade die Schiffe halte ich für die dank-
barsten Objekte , um gewisse Erkenntnisse über die Ver-
breitungsart der Cholera zu erwerben, die von fundamenta-
ler , praktischer Bedeutung sein werden. Wissen wir einmal,
wie in seltenen Fällen der Cholerainfektionsstoff auf Schiffe
kommt, dann lässt sich dieses Wissen auch auf dem Lande
unmittelbar verwerthen. Denn so, wie die Cholera auf einzelne
Schiffe gebracht wird, wird sie gewiss auch in manches
Haiis und in manche Anstalt auf dem Lande gebracht.
Auch auf dem Lande hat es von jeher Fälle gegeben, wo
das epidemische Auftreten der Cholera ebenso ausnahms-
weise erfolgte und nicht weniger von Boden und Grund-
wasser unabhängig zu erfolgen schien, wie auf Schiffen.
Durch ein genaueres Studium der Cholera auf Schiffen
werden auch viele dunkle Fälle auf dem Lande ihre Auf-
u. üb. d. nächsten Aufgab, z. weiteren Ergründung ihrer Ursachen. •SS
klärung finden. Man wird dann nicht blos verhindern,
dass die Cholera auf ein Schiff gebracht wird, sondern
auch auf dem Lande die entsprechende Nutzanwendung
machen.
Ich begreife nicht, woher man den Muth nehmen kann,
das Resultat einer genaueren Zergliederung alles dessen,
wodurch sich jene Schiffe, welche ausnahmsweise Cholera-
infeklionsstoff an Bord führen, von jener grossen Mehrzahl
unterscheiden , welche dieses unter anscheinend gleichen
Umständen nicht thut, von vorneherein als hoffnungslos hin-
zustellen. Welche Versuche sind denn schon gemacht
worden, aus welchen die Unmöglichkeit oder auch nur die
Schwierigkeit eines entscheidenden Resultates hervorgeht?
Ich wage es nicht, so hoffnungslos zu sein, sondern ich
fühle mich in meinem Gewissen verpflichtet, neuerdings
mit allem Nächdruck es auszusprechen, dass gerade eine
genaue Beobachtung der Cholera auf Schiffen zu den Auf-
gaben gehört, welche die Forschung zunächst in Angriff
zu nehmen hat, und welche allerdings viel genauer und
schärfer behandelt werden muss, als solche Dinge bisher
besorgt worden sind, welche aber auch naheliegende, und
für die Praxis wichtigste Resultate in Aussicht stellt. Dieser
Ueberzeugung bleibe ich, wenn man auch wiederholt ver-
sichert, in der von mir vorgeschlagenen Richtung sei weder
etwas Absonderliches zu suchen, noch zu finden. Dass ein
Schiff hie und da eine Epidemie erleidet, ist einmal etwas
Ausnahmsweises und Besonderes, und muss' auch besondere
Gründe haben, die sich nie von selber anmelden werden,
sondern die aufgesucht werden müssen , und wofür man
nicht schon bekannte Dinge nehmen darf, die auch auf allen
übrigen Schiffen regelmässig und ohne Ausnahme vorkommen.
Um nochmals auf den Irrthum aufmerksam zu machen,
in dem noch so Viele befangen sind, frage ich — vielleicht
* 3
34* Veber den ge^enwltrtigfen ^tand der Clioleraffng©
•
zum letzten Male: Wenn die Cholera auf einem Schiffe
ausnahmsweise eine contagiose Krankheit ist, wenn z. B.
die Cholerakranken auf dem Franklin selber Infektionsstoff
erzeugten, was hindert die Cholera, auf allen Schiffen immer
oder doch in der Regel contagios zu sein?
Sehr kurz kann ich mich über den zweiten Einwurf
fassen, der mir gemacht wird, dass nach meiner Ansicht der
Cholerakeim sich nur im Boden vermehren könnte. Gegen
diese Ansicht habe ich mich schon so oft verwahft, dass
mir ganz und gar unbegreiflich ist, wie man immer wieder
damit daherkommen mag. Von Sander ist es mir umi so
unbegreiflicher, als er selber mehrfach meine Erwiderung
gegen Virchow citirt, in der ich mich gerade darüber,
wie ich meine, deutlich ausgesprochen habe,^) wo ich sagte:
„Zwar bei der Unbestimmtheit meines Wissens und des-
halb auch meiner zufälligen Aeusserungen über die noeh
völlig dunkle Art des Zusammenhanges zwischen Boden,
Grundwasser und Cholerakeim kann ich mir viel gefallen
lassen, weil da ja allerlei- möglich ist; aber Yirchow
scheint mir sich doch eine etwas sehr unwahrscheinliche
Vorstellung zu machen, der ich nie beipflichten möchte . . .
Man kann sagen, dass ich darüber besser ganz geschwiegen
hätte; aber nie habe ich gesagt, dass der Cholerakeim ins
Grundwasser gelangen müsse, es war stets nur meine An-
sicht, dass organische Prozesse im Boden auf irgend eine
Art die örtliche und zeitliche Disposition veranlassen und
bedingen, dass, so bestimmt die Thatsachen der Verbrei-
tung der Cholera mich einen wesentlichen Einfluss des
Bodens und seiner Grundwasserverhältnisse anzunehmen
zwingen, sie uns noch gar nichts darüber sagen, wo x und
y zusammentreffen, ob in oder ausserhalb des Organismus,
-1) Zeitschrift für Biologie Bd. V. S. 191.
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u. üb. d. nächsten Aufgab, z weiteren Ergründung ihrer Ursachen. 35
ob im Haus, oder im Boden, viel weniger in welcher
Schichte, und so ist es unmöglich, dass ich je die Vorstel-
lung gehabt habe, die V i r c h o w an die Spitze seiner Kritik
stellt/^ Ich brauche nur den Namen Sander an die Stelle
von Virchow zu setzen, dann ist auch der Einwurf des
ersteren widerlegt.
Ich habe übrigens auch in neuester Zeit in meiner
Verbreitungsart der Cholera in Indien, Seite 113, erst
wieder mit der nämlichen Unzweideutigkeit das Gleiche
gesagt: „Ich möchte namentlich warnen, sich über die Be-
ziehung des Cholerakeiraes zum Boden schon jetzt zu be-
stimmte Vorstellungen zu machen, z. B. dass der importirte
Cholerakeim ein Pilz sein müsse, erst von der Oberfläche
mehrere Fuss tief in den Boden, vielleicht gar bis ins
Grundwasser hinabzusteigen, sich dort zu vermehren habe,
dann vertausendfacht wieder aus dem Boden heraussteigen
soll, um die Menschen anzufallen und zu erwürgen. , . .
y kann ein organisch.es Ding seiq, wie x selbst, dem es zur
Nahrung dient; es kann verschiedene Stadien der Entwick-
lung durchlaufen müssen, und dann in einem reifen oder
unreifen Zustande an die Oberfläche und was auf ihr steht,
gelangen oder abgeliefert werden. Die menschlichen Woh-
nungen sind vielleicht Sammelplätze, eine Art von Scheunen
dafür, in denen sich stellenweise mehr oder weniger y
anhäuft, und wo dann auch der Cholerakeim x mehr oder
weniger Nahrung vorräthig findet u. s. w. wenn er ge-
bracht wird."
Diese Nachweise dürften hinreichend sein, um mich
von der Anklage freizusprechen, dass ich gesagt hätte, der
Cholerakeim könne sich nur im Boden vermehren. . lieber
die Art des Zusammenhanges und den Ort der Begegnung
von X und y können nur weitere Beobachtungen und
3»
HP
36 üeber den gegenwärtigen Stand der Cholerafragc
Studien entscheiden. Einstweilen ist der Spielraum auch
für die lebhafteste und unruhigste Phantasie leider noch
weit und breit genug*
Mehr habe ich über einen dritten. Punkt zu sagen.
Man macht mir den Vorwurf, dass ich noch nicht bestimmf-
tere und untrüglichere Kennzeichen für einen Choleraboden
aufgestellt, und auch jenen Grund wassergrad noch nicht
genauer angegeben habe, wann ein bestimmter Boden die
für eine Epidemie gerade nöthige Menge Wasser hat,
wann es zu trocken, und wann zu feucht ist, und wann
nicht. Leider, dass ich nicht sagen kann, dass dieser Vor-
wurf ebenso ungerecht sei, wie die vorigen. Es ist wirk-
lich so wie man sagt, und da hilft auch die von Sander
mir viel zu freigebig nachgerühmte logische Schärfe der
lutherischen Dogmatiker des 17. Jahrhunderts nichts, —
da bleibt mir nichts übrig, als mit Pio IX. zu sprechen:
Non possumus. Ich rede da etwa nicht im Pluralis Ma-
jestatis, wie es bei grossen Schriftstellern hie und da noch
üblich ist, sondern ich meine wirklich, dass wir, sowohl
ich, als auch Sander und all unsere Freunde und Feinde
zusammen das noch nicht können, dass wir bis dahin noch
viel zu lernen und viel zu vergessen haben. Ich weiss
nicht, ob man damit sagen will, dass man von Dingen, die
man noch nicht strenge definiren kann, überhaupt gar nicht
reden soll; oder dass man sich mit solchen Dingen wissen-
schaftlich nicht' früher beschäftigen soll, als bis sie definirbar
sind? Das wäre ein grosser Irrthum, und müsste zu einer
chinesischen Stagnation unseres Wissens führen.
Nichts kommt fertig auf die Welt, und wer die hilf-
losen Kinder nicht pflegen und aufziehen will, der verdient
auch die Stütze und den Schutz nicht, welchen die Er-
wachsenen zu gewähren im Stande sind. Die Kenntnisse
über den Einfluss von Boden und Grundwasser auf Krank-
u. üb. d. nRchsten Aufgab. 2. weiteren ErgründuDg ihrer Ursachen. 37
heiten sind erst im Entstehen begriffen und daher nätur-
gemäss noch sehr unentwickelt und wachsen langsam. Die
Hauptfrage bleibt immer, ob dieser Einfluss überhaupt
thatsächlich besteht, und so lange diese Frage bejaht wer-
den muss, darf man das Kind nicht mit dem Bade aus-
schütten, man darf die Unvollkommünheiten der Entwick-
lung und den Mangel praktischer Anwendbarkeit nicht für
einen Beweis der Nicht-Existenz oder Gleichgiltigkeit einer
Sache nehmen und brauchen.
Das embryonale Stadium unserer Kenntnisse über die
Aetiologie der epidemischen Infektionskrankheiten lässt sich
mit den ersten skizzenhaften Versuchen eines Kindes ver-
gleichen, welches etwas nachbilden oder abzeichnen will.
Alles ist höchst unvollkommen im Einzelnen, höchstens
im Ganzen betrachtet errathet man, was ein Mensch, ein
Pferd, ein Baum sein soll, und mit wenig Strichen lässt
sich oft eine solche Zeichnung von einem Pferde in die
eines Vogels verwandeln und doch ist dieses unvollkom-
mene Stadium der Anfang aller Kunst und Kunstfertigkeit.
Ganz in der Nähe besehen ist Alles falsch und unvollkommen^
und wer ein solches Machwerk gar mit der Lupe oder dem
Mikroskop betrachtet, der siebt gar nichts mehr von dem,
was es darstellen soll, für den löst sich Alles in indiffe-
rente gleichwerthige Punkte aut — So ist es auch Sander
ergangen, der selber angibt, dass im Verlaufe der Arbeit
seine Stellung zu meinen Untersuchungen aus einer zu-
stimmenden sich in eine zweifelnde umgewandelt hat, und
das lässt mich hoffen, dass er seine alte Stellung wieder
einnehmen wird, wenn er entweder noch mehr in die Sache
sich vertieft, oder wenn er meine Untersuchungen wieder
etwas mehr aus der Ferne und in etwas günstigerer Be-
leuchtung sieht.
Ich wage dies um so zuversichtlicher zu hoffen, als
38 lieber den gegenwärtigen Stand der Gholerafrage
Band er selbst bereits sehr lebhaft das Unangenehme semer
Situation empfunden hat, für sein kritisches Bestreben, mit
der Bodentheorie tabula rasa zu machen, nicht durch ein
bestimmtes Resultat belohnt worden zu sein. Dieser Zu-'
stand wird von gesunden Menschen nicht lange ertragen,
man muss immer etwas haben, auch wenn man nicht das
Beste, was man wünscht, haben kann. Sander hat nun
die Cholerazeichnungen, welche ich mir mit kindischer Hand
mühsam auf meine ätiologische Schiefertafel hingekritzelt
hatte, allerdings mit seinem reich genetzten und stellen*
weise fest aufgedrückten Schwämme überfahren, aber er
hat mich nichts Neues gelehrt, mir nichts Besseres vor-
gezeichnet. Wenn ich mich nun wieder hinsetzen muss, um
neuerdings die vor mir stehende Cholera besser abzuzeich-
nen, so wird so ziemlich wieder das alte Bild herauskommen,
das Mancher schon so schlecht gefunden hat, das er aber
doch nicht besser machen kann.
Vieles in der Weit, und namentlich in der Medizin,
ist Oeschmacksache, oft findet einer gut, was dem andern
widerlich ist, und so scheint es mir mit der Bodentheorie
auch nicht einmal so schlimm zu stehen, wie sich so Yiele
einbilden, denen Alles wackelig vorkommt. Sie hat ihre
fixen Punkte, auf die man jederzeit wieder sicher zurück-
treten kann, wenn man auch von ihnen ausgehend und
weiterschreitend vielfach auf Stellen gelangt, die vorläufig
noch unter den Füssen schwanken* Zwei der festesten
Punkte sind wohl die unzweifelhaften Thatsachen von der so
ungleichen Empfänglichkeit verschiedener Orte für Öholera-
epidemieen und von der Beschränkung dieser Empfänglich-
keit auf gewisse Zeiten.
Jeder Yersuch der Erklärung dieser beiden Thatsachen
wird mit einer unbarmherzigen Consequenz durch die That-
B. üb, d. nächsten Aufgab, z. weiteren Ergrflndung ihrer Ursachen. 39
bestände auf einen noch nicht näher bekannten Einfluss des
Bodens hingewiesen. Ich habe schon S. 19 u. 23 erwähnt, wie
wenig diese beiden Thatsachen aus der Contagiosität der
Krankheit und aus der individuellen Disposition erklärt wer-
den können, d.h. aus der Einschleppung der Krankheit durch
den Verkehr und aus den Menschen, welche einen gewissen
Ort zu dieser Zeit bewohnen. Ebensowenig kann aus den
"Wohnstätten und den häuslichen Gewohnheiten und Ein-
richtungen eine Erklärung versucht werden, denn diese sind
in cholerabefallenen Orten die nämlichen, wie in cholera-
freien. Kein Mensch weiss anzugeben, wodurch sich die Häu-
ser auf der Sebalder Seite in Nürnberg von denen auf der
liOrenzer Seite unterscheiden, oder die Häuser von Nürnberg
von denen von Fürth u. s. w., um die Empfänglichkeit und
Unempfänglichkeit für Cholera zu erklären. Man kann auch
nicht sagen, so gut ein unbekannter Einfluss im Boden zur
Erklärung herbeigezogen wird, ebenso könnte auch ein un-
bekannter Eintiuss von Wohnungen, Schiffen, Menschen u. s. w.
abgeleitet werden. Diese Annahme ist deshalb unzulässig,
weil die Häuser auf der Sebalder und Lorenzer Seite in
Nürnberg, die Häuser in Nürnbierg und Fürth u. s. w. aus
den gleichen Materialien, nach denselben Plänen, von den-
selben Arbeitern hergestellt worden und gleich eingerichtet
von derselben Menschenart bewohnt sind, so dass ihr ver-
schiedenes Verhalten gegen die Choleraverbreitung doch
wieder nur aus der verschiedenen geographischen Oertlich-
keit, aus dem Grund und Boden erklärt werden kann, auf
dem sie stehen. Selbst wenn man annehmen oder zugeben
würde, dass gewisse häusliche Einrichtungen, schlechte Ab-
tritte, Kanalisirung etc. das Zustandekommen des entschei-
denden örtlichen und zeitlichen Momentes im Hause selbst
oder einem Theil desselben besonders begünstigen und gleich
dort der importirte Krankheitskeim damit in Wechselwirkung
40 Ueber den gegenwärtigen Stand der Cholerafrage.
trete — eine Annahme, die vorläufig gar nicht unstatthaft
wäre, — so würde man für das Haus oder den besonderen
Theil des Hauses doch wieder das örtliche und zeitliche
Moment nur von der geographischen Oertlichkeit, von dem
Grund und Boden ableiten können, auf dem es steht, weil
die nämlichen Einrichtungen z. B. in Fürth und Nürnberg
sind, aber nicht die gleichen Folgen haben.
Wenn nun die Cholera in Nürnberg auf dem linken
und rechten Pegnitzufer so verschieden auftritt, wenn in
den Menschen rechts und links der Pegnitz, ihren Häusern,
ihren Gewohnheiten u. s. w. gar kein wesentlicher Unter-
schied aufzufinden ist, wenn aber die BodenbeschafFenheit
grosse Unterschiede zeigt, z» B. das linke befallene Ufer
aus losem Sande, das rechte Ufer vorwaltend aus festem
Eeupersandstein besteht, so liegt es doch weit näher an-
zunehmen, der Fels- und Sandboden habe irgend einen
noch näher zu definirenden Einfluss, als anzunehmen, links
der Pegnitz sei die Cholera eine ansteckende Krankheit und
rechts der Pegnitz nicht.
Die beiden Ufer unterscheiden sich allerdings auch
noch durch viele andere Umstände von einander, das linke
sandige Ufer ist eine ebene Fläche, das rechte felsige eine
steile Anhöhe, auf deren Gipfel die Burg steht. Nicht blos
wegen verschiedener Bodenbeschaffenheit, sondern auch wegen
verschiedener Niveauverhältnisse wird manches anders sein,
z. B. die Imprägnirung des Bodens mit Wasser und Luft
und anderen Stoffen. Also wenn auch nicht die Boden-
beschaffenheit für sich das entscheidende ist, so könnte sie
es in Yerbindung mit anderen Yerhältnissen sein, die gleich-
falls am Boden haften, einen Theil der Bodenbeschaffenheit
ausmachen, — im Boden muss unter allen Umständen die
Erklärung der örtlichen Disposition gesucht werden.
u. üb. d. nftchsten Aufgab, z. weiteren Ergründiuig ihrer Ureachen. 41
Die Bodenverhältnisse sind etwas vielfaches und ver-
wickeltes, und ein einziges Moment derselben, z. B. der
Qrad der Porosität, gewiss nicht die einzige Bedingung zur
Entwicklung der örtlichen Disposition für eine Choleraepi-
demie, und so etwas ist von mir auch nie behauptet worden.
Yiele meinen ferner, weil in einigen Fällen, die ich für
den Einfluss gewisser Bodenverhältnisse angeführt habe, der
Boden ein anderer ist, als ich ursprünglich angenommen hatte,
so falle damit auch der Bodeneinfluss überhaupt. Sander
wählt als ein Beispiel Fürth, *) dessen Bodenbeschaifenheit
ich im Jahre 1854 folgendermaassen schilderte : 2) „Fürth ist
auf einer Sandsteinplatte gelegen und viele Häuser haben
dort, obwohl sie auf einer Ebene ruhen, Felsenkeller. Nach
einer Mittheilung des Bektors Beg geht der Sandstein in
Fürth durchschnittlich bis gegen zwei Fuss unter das Pflaster
herauf, — die oberste Schichte soll jedoch so zerreiblich
sein,- dass sie nicht als Baustein benützt werden kann, was
aber bei tieferen * Lagen der Fall ist»" Dr. Langhans
gibt hingegen 3) in seiner Abhandlung zur Hydrognosie der
Stadt Fürth an: „Die Bodenschichten haben nach von an-
derer Seite angestellten Beobachtungen folgende ungefähre
Mächtigkeit :
obere humushaltige Erde . . 1 1/2 Fuss,
Sand 10 „
Lehm . ♦ 2 „
Keuperfelsen.
Weder ich noch Junghans haben eigene Untersuch-
ungen über den Boden von Fürth angestellt, sondern jeder
hat sich auf die Angaben anderer verlassen.
1) a. a. O. S. 33.
2) Untersuchungen etc. S. 91.
3) Vierteljahrsschrift für öflFentl. Gesundheitspflege Bd. IIL S. 18.
42 üeber den gegenwärtigen Stand der Oholerafrage
Ich habe 1854 meinen Oewährsmann genannt — der
von Junghans ist nicht bekannt. Ich nehme aber an, Jung«
bans hat einen richtigen, ich einen falschen Bericht em«
pfangen. Was folgt daraus P Dass die Immunität von Fürth
nicht von seiner geographischen Oertlichkeit abhing, dass
die Bodentheorie in eine falsche Richtung führt? Gewiss
nicht. Es folgt nur daraus, dass zur Erklärung der Immu-
nität von Fürth von mir nicht das richtige örtliche Moment
erkannt wurde, deren es noch mehrere giebt, ausser einer ver-
bal tnissmässigen Impermeabilität des Baugrundes für Wasser
und Luft.— Gleichwie ich für Lyon bereits zwei örtliche Gründe
der Immunität annehme, so könnte das auch per analogiam
für Fürth geschehen, welches ganz ähnlich zwischen zwei
Flüssen am Yereinigungspunkt der ßednitz und Pegnitz
liegt, wie Lyon zwischen Rhone und Saone. Und so kann
es noch viele andere örtliche Gründe der Immunität geben,
ohne dass die beiden genannten aufhören, es zu sein.
Dass aber Fürth im Jahre 1854 wirklich wegen Mangels
an örtlicher und zeitlicher Disposition trotz mehrfacher Ein-
schleppungen keine Choleraepidemie bekommen hat, geht
aus den Thatsachen auf das Schlagendste hervor, denn alles,
worauf sonst Gewicht gelegt wird, wenn man Choleraepi-
demieen ohne Bodeneinfluss erklären will, war in Fürth in
reichlichster Menge vorhanden.
Ich erlaube mir zur Bequemlichkeit des Lesers einiges
aus meinen Untersuchungen und aus dem Hauptberichte zu
wiederholen: „Der Verkehr zwischen Fürth und München
im Monate Juli und August (1854) ist nicht geringer ge-
wesen als zwischen Nürnberg und München; der Verkehr
zwischen Nürnberg und Fürth ist aber Jahr aus Jahr ein
ein ganz ungewöhnlich lebhafter. (Stündliche Eisenbahnzüge.)
In Fürth sind viele Fabriken mit ihrem sehr zahlreichen
Proletariate, ferners zahlreiche Judenfamilien, der ärmeren
a. üb. d. nftchsien Aufgab, z. weiteren Ergri&ndung ihrer ürBaohen. 43
Klasse angehörig; die socialen und diätetischen Verhältnisse
sind in Fürth der Art, dass die Cholera dort eine zahl*
reichere Ernte erwarten liess als in München: aber siehe
da, es entsteht keine Epidemie. Vier der in Fürth vor-
gekommenen Fälle sollen nachweisbar aus Nürnberg und
München eingeschleppt gewesen, zwei ohne nachweisbare
derartige Ursache entstanden sein. Die Häuser, in denen
die beiden letzteren vorgekommen waren, besuchte ich in
Begleitung des dortigen Gerichtsarztes (Dr. Wolf ring).
Diese Häuser sind allerdings ungünstig situirt, das eine am
Abhänge hinter dem Armenhause, nach der Pegnitz zu, -i—
das andere (einem Bäcker gehörig und nicht fern vom
ersteren) hatte einen hochgelegenen Hof mit Abtritt und
Schwindgrube nebst einem Schweinstalle auf dem höchsten
Punkte. — Man möchte annehmen, dass es dem nach Fürth
gebrachten Cholerastoffe an allen Lebensbedingungen ge-
mangelt haben müsse, weil er sich von diesem Bäckerhofe
aus nicht weiter entwickelt hat/^
„Interessant war mir in Fürth auch eine eben schwe-
bende sanitätspolizeiliche Tagesfrage, nämlich: ob man das
auf den nächsten Sonntag fallende Fürther Eirchweihfest
abhalten soll oder nicht. Dieses Fest ist ein Erntetag von
grossßr Bedeutung und Tragweite für viele kleinere Fami-
lien der Stadt: es versammelt mehrere Tage lang einen
grossen Theil der umliegenden Bevölkerung, auch von Nürn-
berg, auf diesem Platze, wo dann das der Lebsucht und'
Heiterkeit geopferte Geld- in vielen bedürftigen Händen
zurückbleibt. Es wäre ein harter Schlag für Viele gewesen,
das Fest nicht abzuhalten. — Von der andern Seite aber
musste hervorgehoben werden, dass Fürth durch einen solchen
Zusammenfluss von Menschen möglicherweise die Cholera
als Epidemie bekommen konnte, und dass auch die Sani-
tätsinteressen von Nürnberg gefährdet erschienen, indem die
44 Ueber den gegenwärtigen Stand der Cholerafr»ge
Bewohner dieser Stadt, in deren einer Hälfte die Cholera
als Epidemie herrschte, verleitet würden, ihrer jährlichen
Gewohnheit zu folgen und sich in Fürth Diätfehlern und
Erkältungen auszusetzen. — Zuletzt überwog das Lokal-
interesse, Fürth beschloss, sich als eine Stadt ohne Cholera-
epidemie zu geriren und keine Furcht* vor der Krankheit
zu zeigen, das Eirchweihfest wurde in üblicher Weise in
aller Heiterkeit abgehalten, Fürth erhielt auch danach
keine Epidemie und der Zustand in Nürnberg, dessen Be-
wohner gleichfalls sehr zahlreich sich eingefunden hatten,
blieb völlig unalterirt durch die Vorgänge in Fürth."
Dr. Wolf ring, damals Gerichtsarzt in Fürth, be-
richtete: 1)
„Unsere engen, sehr ungesunden Wohnungen, schlechten
Brunnenwässer, da die Brunnen in den engen Gehöften
häufig nahe bei Senk- und Abtritt - Gruben angelegt sind,
die noch ziemlich mangelhafte Strassenreinigungspolizei, die
grosse Armuth eines Theils der Bevölkerung und ziemlich
grosser Leichtsinn von Seiten des andern Theiles, die häu-
figen Strassenpromenaden bis tief in die Nacht, Excesse im
sexuellen Umgange, kümmerliche, oft schlechte Obst- und
KartofFelnahrung, die geistigen Bedrängnisse des Kummers,
die leiblichen einer exorbitanten Anstrengung der physischen
Kräfte — waren gewiss veranlassende Ursachen genug, welche
starke Breschen für das Eindringen der Cholera darbieten
'konnten. Und doch . . . war es der günstige Sandboden,
welcher alles in sich aufnimmt und schnell begräbt, war
es die freie Lage unserer Stadt, ihre von der Atmosphäre
leicht durchdringbarefh offenen Strassen, oder waren es diese
Momente vereint? — unsere Stadt blieb so gut wie ver-
schont. Die Vorläufer der Krankheit waren angelangt, in
1) Hauptbericht S. 131.
u. üb. d. nächsten Aufgab, z. weiteren Ergründung ihrer Ursachen. 45
wenigen Fällen erhob sie ihr deutlich kennbares livides Ge-
sieht, zum verheerenden Gange vermochte sie sich aber nicht
zu erheben."
Erankenhausarzt Dr. Fronmüller berichtet:
^, Fürth steht zunächst auf feinem Eeupersande und mit-
telbar auf Sandstein. Ersterer saugt alle Flüssigkeiten rasch
ein, daher auch eine Ansammlung und Aufstauung schäd-
licher Flüssigkeiten auf die Dauer unmöglich ist. Fürth
hat eine den Winden stark ausgesetzte Lage auf einer
zwischen zwei Flussthälern liegenden Höhe. * Der. Mangel
einschHessender Mauern kommt ihr hiebei zu Gut.^^
Auch die gute Trinkwasserversorgung hat Fürth 1854
gewiss nicht vor Cholera behütet. Junghans schreibt noch
im Jahre 1871 darüber: l) „Es besteht hier die Eigenthüm-
lichkeit) dass die sogenannte untere Stadt mit ihren roman-
tischen Höfen und Winkeln vorzugsweise der Sitz des Klein-
handwerks und des Proletariats, eine Menge von öffentlichen
Pumpbrunnen besitzt, während diese in der von der wohl-
habenderen Klasse bevölkerten oberen Stadt fast gänzlich
fehlen, dagegen durch zahlreiche Privatpumpbrunnen ver-
treten sind. Man werfe nun einen Blick in das von der
Kultur noch wenig* beleckte Gewinkel der unteren Stadt,
wo Miststätte und Pumpbrunnen, durch eine dünne poröse
Erdschichte getrennt, in traulicher Eintracht nebeneinander
existiren ; man sehe sich aber auch in der oberen Stadt um,
wo man in den feinsten Krystallgefässen ein Trinkwasser
Torgesetzt bekommen kann, das der allerersten Anforderung,
trinkbar zu sein, eben nicht entspricht ..."
Em ganz lokaler Einfluss irgend einer Art bleibt hier
jedenfalls zu suchen, — und von Allem, was vorläufig denk-
bar ist, — bleibt nur der Boden, die geographische Oertlichkeit.
1) Vierteljahraschrift etc. Bd. III. S. 18.
4ß Ueber den gegenwärtigen Stand der Cholerafrage
Die Bodenverhältnisse sind etwas sehr Vielfaches, Ver-
wickeltes, uns noch grösstentheils Unbekanntes. Da ihr Ein-
fluss auf die Ausbreitung der Cholera sich von jeher so auf-
fallend bemerkbar gemacht, schien es mir längst an der Zeit, an
eine Untersuchung darüber zu gehen. Um vorwärts zu kommen,
muss man mit irgend etwas anfangen, mit irgend einer Eigen-
schaft unter den vielen, welche die geographische Oertlich-
keit zusammensetzen. Man beginnt am besten mit dem,
was einem zunächst und wiederholt auffällt, ohne zu glauben,
dass dieses die einzige Bedingung zur Entwicklung der ört-
lichen Disposition sei« In nur theilweise ergriffenen Orten
ist das Zusammentreffen eines Unterschiedes in der Boden-
beschaffenheit zwischen den ergriffenen und freigebliebenen
Ortstheilen vor und nach mir so oft beobachtet worden,
dass man vernünftigerweise an einem causalen Nexus nicht
zweifeln kann. Unter diesen Fällen macht sich wieder sehr
häufig )mn Unterschied zwischen lockerem Alluvialboden und
festem Felsen bemerkbar. Die Begränzung der Epidemieen
in Traunstein, Kienberg, Nürnberg, Weimar, Gotha und
anderen Orten nach diesen Oesichtspunkten ist doch etwas
so Beacfatenswerthes, dass es trotz mancher Ausnahmen fest-
gebalten und weiter verfolgt zu werden verdient. Jeden-
falls spricht sich eine fast immer zutreffende Regel aus, und
jede. solche Regel ist Folge eines Gesetzes und auch Aus-
nahmen von der Regel vermögen das Gesetz nicht aufzu-
heben , die Regel und deren Ausnahmen können uns ver-
nünftigerweise nur eine Aufforderung sein, in der Richtung
weiter zu forschen, um die Ursachen sowohl der Regel, als
der Ausnahmen zu finden.
Ich habe den unbestreitbaren schützenden Einfluss der
felsigen Lage weiter zu zergliedern gesucht und habe den
Unterschied der Permeabilität für Wasser und Luft zwischen
Geröllboden und compaktem Felsboden zum Ausgangspunkte
■wMa
mn
1
u. üb. d. Tiifchsten Aufgab z. weiteren lürg^ündnog ihrer ÜMftcben. 47
und zur Richtschnur genommen. Das hat für eine Anzahl
von Fällen in überraschender Weise gepasst, so z. B. auch
auf die so häufig gegen mich angeführten Orte Malta und
Gibraltar. Viele haben zwar schon gemeint, es sei ganz über-
flüssig gewesen, dass ich mir die Mühe gegeben habe, nach
Malta und Gibraltar zu reisen, aber ich erlaube mir doch,
gegentheiliger Ansicht zu sein. Abgesehen von dem Nutzen
und der Belehrung, die ich aus der unmittelbaren An-
schauung von Choleraorten in einem ganz anderen Klima
und in ganz anderer geographischer Lage gezogen, habe
ich doch 80 viel bewirkt, dass Malta und Gibraltar nicht
mehr länger als Beweise gegen die Giltigkeit der Boden-
theorie angeführt werden können. Wäre ich nicht in Malta
und Gibraltar gewesen, so hätte Sander sich wohl schwer-
lich auf Anführung des Sandsteines und des trockenen Lösses
im Tauberviertel in Wertheim und des compakten Kalk-
steines der Klippe in Barmen als seine einzigen zwei Gegen-
beweise beschränkt.
Ich halte die von Sander über jeden Zweifel erhobene
grössere Empfänglichkeit der von der Stadt Barmen einge-
nommenen Seitenthäler der Wupper für eines der schönsten
Kesultate seiner auch sonst verdienstvollen Arbeit, aber
nicht, weil ich in der Bodenbeschaffenheit der Klippe eine
abschliessende Thatsache gegen weitere Verfolgung des
Bodenein Husses erkenne, sondern im Gegentheil eine sehr
lockende Aufforderung, die begründete Thatsache in dieser
Richtung weiter zu verfolgen. So wenig, als mich das Vor-
kommen der Cholera auf Schiffen gegen den wesentlichen
und unentbehrlichen Einfluss des Bodens bei der Cholera-
genese zweifelhaft macht, Tioch viel weniger ihr Vorkommen
in der Klippe zu Barmen. Solche Ausnahmen von der Regel
werden von einem vermehrten Wissen über Bodeneinflüsse
früher oder später in der einfachsten Weise aufgeklärt
48 Ueber den gegenwärtigen Stand der Cholerafrage
werden. Vielleicht ist die örtliche Disposition der Klippe in
jenen Erdschichten zu suchen, welche die Wände der
Schlucht überlagern, so dass das y schon von oben mit dem
Wasser in die Schlucht herabkommt.
Von den Bodenverhältnissen ist aber bisher nicht blos
Felsen und Nicht - Felsen , durchlässig und undurchlässig,
sondern auch bereits manches andere nicht ohne Erfolg in^s
Auge gefasst worden: z. B. die Lage auf Lehm über Kies,
die Lage an Steilrändern, in Mulden etc., wie aus den
Untersuchungen über den Verlauf der Cholera in Bayern
von mir, in Sachsen von Günther, in Thüringen von
Pfeiffer, in Wien von Creutzer, in Lübeck von Cor-
des etc. oft so deutlich hervorgeht. Ich fürchte, die Leser
zu ermüden, wenn ich die hier einschlägigen Beobacht-
ungen von mir und Andern auch nur kurz der Reihe
nach rekapituliren wollte. Wer nach dem, was ich -bis jetzt
vorgetragen habe, den Einfluss des Bodens bei der Cholera-
genese entbehrlich findet, der würde ihn auch dann noch
nicht unentbehrlich finden, wenn ich noch viel mehr Beweise
dafür beibrächte, und wer in Folge der bis jetzt gemachten
Beobachtungen von dem Einfluss des Bodens überzeugt ist,
für den ist jeder weitere Beweis ohnehin überflüssig und
der wird ohnehin nur mehr bestrebt sein, unser noch so
dürftiges und unsicheres Wissen darüber durch eifrige und
ernste Studien zu vervollständigen und zu vervollkommnen,
um nicht immer die Antwort auf so viele naheliegende
Fragen schuldig bleiben zu müssen.
Ich will nun zu einigen Bemerkungen über das Grund-
wasser und die zeitliche Disposition für Cholera übergehen.
Sander zählt seinen Lesern eine grosse Beihe darauf bezüg-
licher Angaben und Beobachtungen von mir und Andern auf,
bespricht aber merkwürdigerweise bei dieser Gelegenheit ge-
rade jene Beobachtung nicht näher, welche mich zur Annahme
— I
u. üb. d. nächsten Aufgab, z. weiteren Ergründang ihrer Uriaehen. 49
eines Einflusses des Grundwassers überhaupt bestimmt hat,
nämlich die Yertheilung der Ortsepidemien in Bayern im Jahre
1854 nach Fluss- und Entwässerungsgebieten. Wer die diese
Yertheilung zeigende Landkarte vor sich hinlegt i) und vor-
urtheilsfrei betrachtet, dem kann nichts anderes einfallen,
als dass die Erscheinung mit den Wasserverhältnissen der
Gegenden in irgend einer Weise zusammenhängen müsse.
Da von allen Bestandtheilen des Bodens keiner so grossen
Schwankungen unterliegt, als das Wasser, so lag der Ge-
danke sehr nahe, den wechselnden Wassergehalt des Bodens
zum Ausgangspunkt für Aufsuchung der örtlich wechselnden
zeitlichen Disposition zu wählen. Ich versuchte nun auch
hier, die ersten Schritte zu einer weiteren Zergliederung
und Beobachtung zu thun. Da es sich nicht um das Wasser
für sich, oder um das Wasser in Flüssen und Bächen handelte,
sondern um das Wasser im Grunde und Boden, auf dem die
menschlichen Wohnorte stehen, so nannte ich es Grundwasser
und betrachtete 'den Wechsel in der Menge desselben als
ein wechselndes zeitliches Moment, wie mir die Boden-
beschaffenheit als ein gleichbleibendes örtliches Moment galt.
Es können nun meine einzelnen "Versuche, den Grund-
wassereinfluss zu formuliren, verfehlt und alle meine Sätze
grundfalsch sein, deshalb bleibt die Thatsache, von der ich
ausgegangen bin, doch unverändert stehen und verlangt ihre
Erklärung aus den Wasserverhältnissen des Bodens. Man
kann wohl meine Anschauung über die Art des Einflusses
bekämpfen, aber nicht die Thatsache selbst in Abrede stellen.
Es wird mir eine grosse Freude sein, wenn ein Anderer
die Sache richtiger und schärfer ansieht, als ich, — aber
sie gar nicht anzusehen, als ob sie gar nicht existirte, kann
keinen Nutzen bringen. Eine Aufgabe ignoriren ist nicht
gleichbedeutend mit Ansfrengungen zu ihrer Lösung,
1) Hauptberioht S. 307 bis 332 nebst Atlas.
50 Ueber den gegenwärtigen Stand der Cholerafrage
Sander handelt beim Qrundwasser zuerst von der
Arbeit von Buhl über Grundwasser und Typhoid in Mün-
chen ; für deren ursächlichen Zusammenhang Seidel die
Wahrscheinlichkeit von 36000 zu 1 berechnet hat. Sander
meint nun, dass daraus für die Cholera zunächst nichts folge,
und hat ebenso unrecht, als wenn ein hyperkritischer Land-
wirth oder Oärtner behaupten wollte, aus dem, was der
Gerste oder dem Apfel nützt oder schadet, folge nichts für
den Weizen und die Birne. Buhl hat mit seinem richtigen
diagnostischen Blicke früher als Andere erkannt, dass Cho-
lera und Abdominaltyphus oder Typhoid verschiedene Species
ein und derselben Gattung, von Krankheiten sind ui)d des-
halb, in diesem Falle für ihr Entstehen vieles gemeinsam
haben müssen, gleich Gerste und Weizen, und Aepfeln und
Birnen. Die Sätze von Buhl und Seidel über Typhoid
und Grundwasser in München haben sich nun schon 16 Jahre
hindurch unter den wechselndsten Umständen stets gleich
bewährt. Ich weiss daher nicht, warum Sander seine Be-
trachtungen über den Typhus mit einer Bemerkung von
Jessen schliesst: „erst längere und an vielen verschiedenen
Orten angestellte Beobachtungen können allgemeiner giltige
Prooentsätze ergeben," und nicht lieber mit dem Satze, mit
welchem auch Jessen seine Abhandlung i) wirklich ge-
schlossen hat: „Wer hätte vor wenigen Jahren geglaubt,
dass der Zusammenhang einer Krankheit mit meteorolo-
gischen Verhältnissen sich mathematisch würde beweisen
lassen? Und doch ist dieser Beweis durch die gemeinsame
Thätigkeit der Münchener Forscher jetzt wirklich und un-
zweifelhaft gelungen." Welche Stelle man citiren will, wird
immer Liebhaberei bleiben, aber bemerken will ich doch,
dass Jessen damals, als er seinen Aufsatz schrieb, blos
1) Zeitschrift für Biologie Bd. III. S. 136.
u. üb. d. nftchsten Aufgab, z. weiteren Ergrundung ihrer Ursachen. 51
8 Jahre vorlagen, während es jetzt, wo Sander sohreibt,
bereits 16 Jahre mit unverändertem Ergebniss sind. Wenn
also Jessen schon damals schliesslich den Zusammenhang
für erwiesen hielt, so muss er ihm jetzt nach den Gesetze der
Wahrscheinlichkeit viel mehr als doppelt erwiesen erscheinen.
Den Leser, der sich näher für Typhoid interessirt,
verweise ich auf die Reihe von Vorträgen, welche die
letzte Epidemie in München 1872 im Kreise des ärzt- ,
liehen Vereins veranlasst bat, wo namentlich auch in einem
populären Beispiele von Sei de 11) gezeigt ist, was eine
Wahrscheinlichkeit von 36,000 gegen 1 sagen will. Ebenso
verweise ich auf die gleichzeitig mit dieser meiner Schrift in
der Zeitschrift für Biologie erscheinende, genaue und lehr-
reiche Darstellung des Vorkommens von Typhoid im bayeri-
schen Heere, welches Stabsarzt Dr. Port zum Gegenstand
eingehender Studien nach den einzelnen Garnisousorten
und Kasernen gemacht hat. In dieser vortrefflichen Arbeit
findet man neben der Mortalität auch die Morbilität be-
rücksichtiget, und kann daraus die Beruhigung schöpfen,
dass in München das Bild von der wechselnden Typhoid-
frequenz wesentlich kein anderes wird, man mag die Mor*
talität oder die Morbilität zu Grunde legen.
Die Anwendung der Grundwasserbewegung zur Er-
klärung der zeitlichen Disposition für Cholera wird nun
noch viel mehr angezweifelt, als für Typhoid, weil noch
für keinen Ort, in dem die Cholera so endemisch ist, wie
das Typhoid in München, Beobachtungen für längere Zeit
vorliegen. — Beobachtungen, wie sie in München über
Typhoidfrequenz und Grundwasserbewegung angestellt wor-
den sind, können für Cholera nur in Indien, und auch dort
nur in den Distrikten angestellt werden , in welchen die
Cholera endemisch ist. Da man nicht hoffen kann, dass
1) a. a» O. Seite 44,
4*
I — l'l
52 Ueher den gegenwärtigen Stand der Cholerafrage
in Bezug auf Cholera das Yonirtheil gegen neue Anschau-
ungen und das Festhalten am Hergebrachten schwächer
sein wird, als in Bezug auf Typhoid, oder dass die Aerzte in
Calcutta leichter zu überzeugen sein werden, als in deutschen
Städten, so muss ich mich jedenfalls noch einige Jahre ge-
dulden, bis der Einfluss des Grundwassers auf die Cholera-
frequenz in Calcutta und anderen Orten Indiens ebenso als
eine Thatsache anerkannt wird, wie beim Typhoid in München.
Die Beobachtungen an verschiedenen Orten mit ver-
schiedenen Cholera -Zeiten (Calcutta und Lahor) werden
auch allmälig Aufscbluss über die Frage geben, wann und
wo es zu trocken und zu feucht für die Cholera ist, über-
haupt darüber, warum im Panjab der Regen die Cholera
bringt und warum er sie in Bengalen verscheucht und
warum Madras zwei Cholerazeiten im Jahre hat.
In Indien ist vorläufig noch eine Schwierigkeit zu
überwinden, nämlich sich den geeignetsten und besten
Maassstab für den Wechsel in der Durchfeuchtung des
Bodens zu suchen. Bisher schienen mir die Regenmengen
eines Ortes im Zusammenhalt mit der BodenbeschafFenheit
noch die besten Anhaltspunkte zu sein. Am zuverlässigsten
aber wäre vielleicht der Vergleich der örtlichen Regenmengen
mit der örtlichen Yerdunstungsmenge. So wenig einstweilen
aus Indien noch bekannt ist, so viel sieht man doch schon,
dass auch dort der Einfluss des Bodens und seiner Orund-
wasserbewegung sich nicht anders als bei uns verhält. Auch
dort findet man in. nur theilweise ergriffenen Orten zwischen
den freien und befallenen Ortstheilen fast nur Unter-
schiede in der Bodenbeschaifenheit, wie z, B. in dem Falle
von Kassim Bazaar und Naya Bazaar in Rajmahal, den
Douglas Cunningham mitgetheilt hat. Bei Besprechung
dieses Falles habe ich angeführt, i) dass nach meiner An-
1) Yerbreitungsart der Cholera in Indien S. 84.
u. üb. d. nächsten Aufgab, z. weiteren Ergründnng ihrer Ursachen. 53
sieht Naya Bazaar nur einer sogenannten Monsun - Cholera
fäUg sein würde/^ Diese Möglichkeit ist schneller zur
Wirklichkeit geworden, als ich gedacht hatte.i) Im Septbr«
1871 brach die Cholera wieder aus in Bajmahal. Diesmal
und zu dieser Zeit kamen in Kassim Bazaar nur 2 Fälle
vor, hingegen 22 in l^aya Bazaar, welcher ein Jahr vorher
nur 2 Fälle hatte. Die Bodenuntersuchung von Dr. Cun-
ningham wurde diesmal von dem Assistenzarzte des Ge-
fängnisses wiederholt, welcher darüber berichtet: „Der
Boden der beiden Orte wurde untersucht und wesentlich
in demselben Zustande befunden, wie er von Dr. Cunning-
ham in seinem Berichte beschrieben ist, der einzige Unter-
schied ergab sich im Stande des Grundwassers, welches
etwa 4V2 Fuss unter der Oberfläche in Naya Bazaar und
51/2 Fuss in Kassim Bazaar war. Das Lager von undurch-
lässigem Thone, welches als 5 Fuss unter der Oberfläche
liegend zu Naya Bazaar angegeben wird, war daher unter
dem Spiegel des Grundwassers zu dieser Zeit. Zu Kassim
Bazaar fand sich, wie Dr. Cun ningham angibt, kein
Thonlager selbst bis zur Tiefe von 7 oder 8 Fuss unter
der Oberfläche, sondern der Boden war locker und sandig
und zum grössten Theil aufgefüllt/'
Aenderungen in der Zeit und Reihenfolge der atmo-
sphärischen Niederschläge coiucidiren auch in Calcutta mit
entsprechenden Aenderungen in der Cholerafrequenz, ähn-
lich, wie ich es schon in meiner Verbreitungsweise der
Cholera in Jndien für Bombay aus den Mittheilungen von
Macpherson nachgewiesen habe. Gleichwie in Zwischen-
räumen München typhusimmune Zeiten hat,' so haben Calcutta
und Bombay solche choleraimmune Zeiten. Namentlich das
Jahr 1871 war ein solches für Calcutta, und auch noch das
1) The Indiau Annais of Medioal Science Bd. XXIX. p. 258.
54
Deber den gegenwBrtigen St«nd' der Cholerarrage
gegenwärtige Jahr 1872. lob will die mittlere Sterblichkeit
an Cholera in Caleutta und die der Jahre 1870 und 1871
nach Monaten nebeneinander stellen.
""
Chol
"Mittel" "
Bratodes
»lle
»
187«
1871
Jann&r . . .
275
171
53
Febiaar
359
259
98
März .
see
257
07
April .
745
381
76
Hai . .
513
166
29
Juni . .
243
118
28
Jnli . .
153
50
19
AugMt .
132
40
38
September
151
30
74
Oktober
239
37
83
Die geringe Frequenz hat aich auch bis zum September
des Jahres 1872 ziemlich unTerändert fortgesetzt. Die Begen-
verhältniaae der Jahre 1870 und 1871 waren unregelmässige,
und führten dem Boden mehr Feuchtigkeit als gewöhnlich
zu, theils durch ungewöhnliche Tertheilung, theile durch
ungewöhnliche Stärke der Niederschläge.
Regen
in engl.
Zollen
Mittel
1870
1871
Januar . . .
0.21
0.77
„
Februar
0.42
—
0.76
März .
1.13
0.03
Ml
April .
2.40
4.30
5.65
Mai . ,
4.29
0.92
11.15
Juni . .
10.1
16.2
25.35
Juli . . .
13.9
lO.SO
16.93
Anguft .
14,4
12.92
12.11
September
10,4
9.01
9.93
Oktober
4.1
3.95
7.03
0,9
l.fiß
—
Dezember
0.1
-
u. üb. d. nächsten Aufgab, z. weiteren Ergründung ihrer Ursachen. 55
Im Jahre 1870 erstreckte sich die Begenzeit schon
von Anfang April bis November, anstatt wie gewöhnlich
von Mitte Mai bis Oktober, und die Begenzeit des Jahres
1871 begann ausnahmsweise gar schon im März, wo es
sonst am trockensten und heissesten ist, und erreichte eine
ganz abnorme Höhe. Ja, dem Jahre 1870 war ein Ereigniss
im Jahr 1869 schon vorausgegangen, was nach meiner An-
sicht in das Jahr 1870 hinüberwirkte. Für Orte in Indien
wird es nicht genügen, blos die monatlichen Regenmengen
in's Auge zu fassen, sondern es wird nöthig sein, auch die
täglichen Begenmengen in Betracht zu ziehen, weil dort
an einem Tage oft Dinge vorkommen, die unmöglich gleich-
giltig sein können. Am 9. «liuni 1869 fielen dort 11 Zoll
Bogen binnen 24 Stunden. Acht bis zehn Tage nach diesem
Wolkenbruch ging die Cholera auf einen sehr niedrigen
Stand herab und hielt sich darauf bis Januar 1870, von
wo an sie wieder stieg bis April. Der in diesem Monat
vorzeitig sich einstellende Bogen trieb sie aber leicht wie-
der herab auf den niedrigen Grad, den ich vorhin schon
erwähnt habe.
Schon im Jahre 1868 war ein sehr heftiger Begenfall
(8 Zoll an einem Tage) am 12. August gewesen, der aber
noch nicht diese Wirkung zu äussern vermochte, wie der
im Juni 1869. Dem Bogen im August 1868 folgte sogar eine
Steigerung der Cholera für einige Tage. Die Contagionisten
werden natürlich darin einen Widerspruch mit der be-
haupteten Wirkung des 11 Zoll betragenden Niederschlages
am 9. Juni 1869 erblicken, aber vielleicht mit nicht mehr
Becht, als wenn man behaupten wollte, wenn nach mehreren
Hammersehlägen etwas beim letzten Schlage zerspringt, so
könne das nicht Ursache des Zerbrechens sein, weil voraus-
gehende Schläge nicht dieselbe Wirkung gehabt hätten. Die
Wirkung der Grundwasserverhältnisse scheint oft nicht nur
•-«•»>-
T
56
Ueber den gegenwärtigen Stand der Gholerafrage
keine momentane, sondern eine sehr lang sich erstreckende
zu sein. In Bombay tritt dasselbe, wie in Calcutta hervor.
Das choleraimmune Jahr 1853 in Bombay folgte da nicht der
unmittelbar vorausgehenden grössten Begenmenge von 1851
mit 97 Zollen, sondern dem Jahr 1852, dessen Regenmenge
70 Zoll d. i. wenig über dem Mittel betrug. Ferner ist zu be-
denken, dass eine so plötzliche und kurz dauernde Zunahme
der Frequenz, wie sie nach dem 12. August 1868 vorge-
kommen ist, durchaus nicht immer ihren Grund in einer
Vermehrung der specifischen Krankheitsursache haben muss,
sondern ebenso gut in einer Vermehrung oder Steigerung
der individuellen Disposition, oder in von aussen kommen-
den Zuzügen oder Einwand^ungen und anderen Disloka-
tionen und ihren Folgen begründet sein kann. Ehe man
die Zunahme der Frequenz vom 19. bis zum 26. August
1868 auf Rechnung einer Vermehrung der specifischen Ur-
sache durch den Regen schreiben dürfte, müsste zuvor noch
manches andere näher untersucht und festgestellt werden.
Ich stelle zur Veranschaulichung die monatliche !Fre-
quenz von Choleratodesfällen in Calcutta für die Jahre 1869
und 1870 und 1871 nebeneinander.
1869
1870
1871
Januar . . .
1
264 '
171
53
Februar
428
259
98
März . .
760 ;
257
07
April
746
381
76
Mai . .
698 ,
165
29
Juni . , ,
331
UÖ
28
Juli ♦ .
78 '
50
1
. 19
August .
53 ;
40
38
September .
41 i
30
74
Oktober
57 ,
37 i
83
November .
78
22
Dezember .
58 r
30
u. üb. d. xrftohsteu Aufgab, z. weiteren Ergründang ihrer Ursaoheu. 57
Dem Wolkenbruch im JudI 1869 folgt eine ungewöhn-
liche Abnahme der Cholerafrequenz. In der heissen und
trocknen Zeit des Jahres 1870 von Januar bis April ver-
mehrt sie sich zwar wieder, aber die hier schon eintretenden
Regen treiben sie auf einen noch niedrigeren Grad herab
und die vorzeitig und in ungewöhnlicher Stärke fallenden
Regen des Jahres 1871 lassen sie nicht wieder aufkommen
und wirken auch noch in das Jahr 1872 hinüber, welches
sich wiedejp durch geringe Regenmenge auszeichnet.
Aller Wahrscheinlichkeit nach wird in der kommenden
trocknen und heissen Zeit des Jahres (März und April)
1873 wieder eine gesteigerte Cholerafrequenz folgen. Ich
bin allerdings noch nicht jpi Besitz von genauen Zahlen
vom Jahre 1872, es ist mir aber mit aller Bestimmtheit
mitgetheilt, dass in der ersten Hälfte des Jahres während
der Haupt-Choleramonate sehr wenig Cholera in Calcutta
gewesen sei, die nur am Schluss der heissen Witterung
oder im Beginn der Regenzeit sich wieder zu zeigen an-
fing. Sie hat sich in diesem geringen Grade die Regen-
zeit des Jahres 1872 hindurch fortgesetzt. Die Regen-
menge von 1872 war bis zu Anfang September, von wann
meine letzten Nachrichten sind, unbedeutend (very deficient)
und man ist jetzt sehr gespannt darauf, was nach Schluss
der Regen und während des nächsten heissen Wetters
(März und April 1873) geschehen wird.
Die schon 2 Jahre dauernde vergleichsweise Immunität
von Calcutta ist um so auffallender, als in anderen Theilen
Indiens die Cholera mit ungewöhnlicher Heftigkeit auftritt.
Der Norden von Indien ist in diesem Jahre 1872 so arg von
Cholera heimgesucht, wie schon seit längerer Zeit nicht
mehr. Bryden wurde von der Regierung in Calcutta
dahin beordert und er hat von Simla aus unterm 7. Sep-
tember 1872 einen vorläufigen Bericht erstattet, der mir
58 Ucber den gegonwftrtigen Stand der Cholcrafrugc
bereits am 2. November in München zukam und von
grossem Interesse ist. Das starke Auftreten der Cholera
im Pandschab während der Sommermonate 1872 stimmt
ganz mit dem sonstigen Gegensatze zwischen dieser Gegend
und Nieder bengalen überein. Dem trocknen und heissen
Pandschab bringt der Monsun die Cholera, während er sie
in dem nassen und heissen Niederbengalen gleichsam er-
säuft Bryden theilt die Menge der Niederschläge mit,
welche an mehreren Orten des nordwestlichen Indiens vom
April bis Mitte August 1872 gefallen sind und vergleicht sie
mit dem Durchschnitt für diese Orte und Zeiten, und da ergibt
sich, dass z. B. in Umbällah 38.4 Zoll Bogen gefallen sind,
während der Durchschnitt \l% ist, in Ludiänah 37.4 bei
einem Durchschnitt von 13.8, in Eohät 18.2, wo der Durch-
schnitt 8.3 und in PesBäur 11.8, wo gewöhnlich in dieser
Zeit nur 4.2 Zoll fallen. Die einzige Conclusion, welche
Bryden einstweilen in seinem Berichte gezogen hat, lautet:
„Durch ganz Oberindien ist der Monsun übermässig ge-
wesen und von, demselben Charakter, welcher in früheren
Jahren, wie 1856 und 1861, mit dem allgemeinen Herr-
schen der epidemischen Cholera verbunden war."
Solche verhältnissmässig cholerafreie Zeiten, wie sie
von Macpherson in Bombay nachgewiesen worden sind,
kommen also auch in Calcutta zeitweise ebenso vor, und es
ist natürlich, dass sich auch die Leute in Calcutta ihre
Gedanken darüber machen, woher das komme. Ich kann
constatiren, dass die grosse Mehrzahl der Aerzte in Cal-
cutta nicht im geringsten an Boden und Grundwasser denkt,
oder bereits der Bodentheorie anhinge, sondern wie bei
uns auch entweder Contagium, Abtritte, Kanalisirung und
Trinkwasser herbeiziehet, oder ein Miasma in der Luft und
Cholerawellen in der Atmosphäre annimmt Die Boden-
theorie findet in Indien bei der Mehrzahl denselben leiden*
u. üb. d. nächsten Aufgab, z. weiteren Ergründung ihrer Ursachen. 59
schaftlichen Widerstand, den sie auch in Europa noch nicht
überwunden hat Dr. Douglas Cunningham, über dessen
Untersuchungen in der Präsidentschaft Madras kürzlich ein
Bericht in der Zeitschrift für Biologie erschienen ist, tritt
gewiss nicht als mein unbedingter Anhänger in Indien auf,
seine höchst vorsichtig gestellten, sehr abwartenden Schluss-
folgerungen beweisen es, — aber nur, dass er zu dem Re-
sultate gelangt ist, man dürfe die Bodentheorie nicht von Torn-
herein verwerfen, sondern müsse sie noch weiter verfolgen,
hat ihn schon missliebig gemacht. In der von Macnamara
redigirten Indian Medical Gazette i) schliesst eine Bespre-
chung der Arbeit von Cunningham mit den Worten:
„Wir hoifen in allem Ern^e, dass dies die letzte Probe
von dieser Art von Cholerauntersuchung sein wird*', und
man spöttelt auch dort über x, y und z, da jene Klasse
von Geistern natürlich auch in Indien ihre Vertretung hat,
denen jede ihnen unbekannte Grösse gleich Null ist.'
Die Anhänger der Trinkwassertheorie sind natürlich
^ch in Indien ziemlich zahlreich, namentlich in officiellen
Kreisen. Diese suchen die gegenwärtige geringe Cholera-
frequenz in Calcutta, welche schon seit 1. Juni 1870 anhält,
damit in Verbindung zu bringen, dass zu Anfang dieses
Jahres einige Theile von Calcutta mit gutem Trinkwasser
versorgt worden sind. Das erklärt aber nicht, warum die
Cholera auch in allen jenen Theilen von Calcutta so nach-
gelassen hat, welche ihr altes Trinkwasser aus Teichen und
Flussarmen fortgebrauchen, und dass auch im übrigen Nieder-
bengalen und in Centralindien so wenig Cholera vorkommt.
Wenn im kommenden Jahre 1873 wieder mehr Cholera in
Calcutta vorkommt, wird hoffentlich das Trinkwasser der
neuen Leitungen nicht schlechter geworden sein. Mich
erinnert's viel an Trinkwasser und Typhoid in München.
1) VoL VII. Nr. 1. p. 23.
60 lieber den gegenwärtigen Stand der Cholerafrage
Dem sei nun, wie ihm wolle, die Zukunft wird manches
lehren und aufklären , wenn man nicht die Hände in den
Schooss legt und sich mit Annahmen begnügt, welche jede
weitere Forschung und Beobachtung ausschliessen oder über-
flüssig erscheinen lassen. So weit ist die Boden theorie jeden-
falls doch schon entwickelt und thatsächlich begründet, dass
sie, trotz all' ihrer Schwächen und Mängel, welche ihr vor-
läufig noch anhaften, mit der contagionistischen und der
Trinkwasser - Theorie kühn in die Schranken treten kann.
Ich rechte nicht mit den Gegnern der Bodentheorie, wenn
sie darauf aufmerksam machen, wie viel noch fehlt, bis
einmal alles so fest steht und so bekannt ist, dass man
nirgend mehr ein Hinderniss der Erklärung findet, oder über
gar nichts mehr nachzudenken und zu forschen braucht;
ich verwahre mich nur dagegen, dass es mir mit der Wahr-
heit nicht ebenso Ernst sei, wie meinen Herren Gegnern.
Letzteres könnte so scheinen, wenn man liest, was mir
Sander bezüglich Zürich und Lyon vorhält, nämlich dass
ich einmal etwas für giltig, das anderemal für ungiltig e^
klärte, geradeso wie es mir passtf^-wie ich^s brauchen kann,
also ganz willkürlich..
Bei Zürich handelt es sich darum, ob der Epidemie
von 1867 abnorme Durchf euch tungs Verhältnisse vorausge-
gangen sind, oder nicht. Diese Grundwasserverhältnisse sind
gemessen 1) an dem Wasserstande einer Anzahl von Brun-
nen, deren Stand vom See und der Limat abhängt, dann
2) an einigen Brunnen, welche höher liegen, um vom See
und der Limat beeinflusst zu werden, 3) an der Wassermenge
einiger Quellen, welche Zürich mit Trinkwasser versorgen,
und endlich 4) an sogenannten Lysimetern. Da habe ich
nun den ersten Maassstab ganz verworfen und Sander
meint, das bringe mich nothwendig in Collision mit einer
früheren Annahme bezüglich Lyon und des Bhaneistandes.
n
u. üb. d. nächsten Aufgab, z. weiteren Ergründung ihrer Ursachen. 61
Ich habe die Stimmfähigkeit der Brunnenspiegel in Zürich
übrigens nicht weiter beanstandet, als ich das von jeher
auch in München in Bezug auf die Typhoidfrequenz gethan
habe. Ich habe in München die Erfahrung gemacht, dass
alle jene Brunnen, deren Spiegel im Bereich der Stauhöhe
des Isarflusses liegen, die Coincidenz mit der Typhoidfre-
quenz nicht entfernt so deutlich und fortlaufend anzeigen,
wie diejenigen, deren Spiegel wesentlich höher liegt, als
der Spiegel des Flusses. Der Grund ist einfach der, dass
die Brunnen der ersteren Kategorie nicht blos in Folge der
örtlichen Durchfeuchtung und Austrocknung des Bodens,
sondern auch mit dem Flusse steigen und fallen. So weit
also der Stand des Flusses nicht von dem Grade der
nächsten örtlichen Drainageverhältnisse abhängig ist, oder
dmnit harmonirt, so weit sind auch die davon abhängigen
Brunnenstände keine richtigen Anzeigen für letztere. Die
Grundwasserverhältnisse von Zürich sind insoferne denen von
München ganz analog, als dort der See und sein Ausiluss
den Ufern, d. h. dem Boden und der wasserdichten Unter-
lage von Zürich gegenüber genau dieselbe Stellung ein-
nehmen, wie der Isarfluss den Isarufern, dem Boden des
Isarthales gegenüber in München. See und Limat sind der
tiefste Punkt der Drainage des Bodens, von beiden Ufer-
seiten her fällt das Grundwasser gegen den Fluss und den
See. Wenn also der Fluss steigt, so steigt das Wasser in
diesen Brunnen, aber nicht weil das Wasser des Flusses in
sie eindringt, oder weil der Fluss eine wesentliche Menge
seines Wassers an die Uferseite verliert, sondern weil der
Fluss das Grundwasser, welches nicht vom Fluss6 kommt,
zurückstaut und dieses nicht abfliessen lässt. In Lyon sind
ganz andere Yerhältnisse. Da empfangt der Fluss eigentlicli
von keiner Seite Grundwasser. Rechts sind die Granitberge,
links di^ Ebene von Lyon, deren Grundwasserspiegel, so-
02 üeber den ^genwBrtigen Sttuid der Cholerafrage
weit Lyon darauf steht, constant tiefer liegt, als äer Spiegel
der Rhone. Die Bbone muss daher beständig Waaser an
das linke Ufer in Lyon verlieren, sie mag steigen oder
fallen. Bas Grundwasser von Lyon, ganz abgesehen von
den örtlichen Niederschlägen, ist sozusagen ein Ann oder
Altwasser der Rhone, während das ron Zürich und München
Quellen oder Nebenflüssen gleich zu achten ist, welche sich
in Litnat und Isar ergiessen. In München ist der Fluas ein
Mittel der Entwässerung, in Lyon der Bewässerung des
Bodens.
Ich glaubte, dieses Yerhältniss in meiner Abhandlung
über Lyon durch Holzschnitte S. 454 und 480 meiner Ab-
handlung hinreichend versinnlicht zu haben. Ich werde mich
gleich weiter darüber aussprechen, warum ich ein Recht
zu haben glaubte und es noch zu haben glaube, den Rhone-
pegel auch als Maassstiib für das Grundwasser einiger Stadt-
theilo von Lyon zu nehmen, ich will zuerst nur noch einige
Worte über die zeitliche Disposition von Zürich im Jahre
18ß7 sagen.
Die Maassstäbe 2, 3 und 4 für Grundwasser in Zürich
widersprechen meinen Ansichten nicht mehr, sind aber we-
niger dazu geeignet, zu entscheiden, ob man es wirklich
mit ungewöhnlichen Grundwasserverhältnisaen im Jahre 1867
zu thun hatte, weil die betreffenden Beobachtungen erst im
Jahre 1867 ihren Anfang genommen haben. Ich habe mir
deshalb noch einen andern Maassstab zu verschaffensgesucht.
Herr Bezirksarzt Dr. Zehnder war so freundlich, mir auf
meine Bitte die Regenmengen in Zürich von 1864 bis 1868
mitzuth eilen.
u. üb. d. nächsten Aufgab, z. weiteren Ergrfindang ihrer Ür3«chen. 63
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64 Ueber den gegenwKrtigen Stand der Cholerafrage
Daraus geht auf dos Deutlichste hervor, daes die Jahre
1864 und 1865 ebenso weit unter, wie die beiden folgenden
Jahre 1866 und 1867 über dem Regen-Mittel waren und
daas erat das Jahr 1868 aich wieder dem Mittel nähert.
Für die Durchfeuchtung des Bodens kommen bekanntlich
am meisten die Niederschläge in Betracht, welche in den
kälteren Monaten mit gei-inger Yerdunetung fallen. Aus
eirunden, welche ich bei Besprechung der Lyoner Verhält-
nisse namhaft machen werde , stelle ich die Regenmengen
in Zürich vom November 1866 bia April 1867 zusammen,
um sie mit dem Mittel zu vergleichen.
November
I0».8
r,4.1
Dezember
122A
«5.0
Januar
123.5
55.Ü
Februar
72.8
56.2
März
107.2
()3.ß
April
146.C
7C.7
681.2 38 IJ)
Daraus geht hervor, dass die der Cholera vorausgehende
Periode, welche für die Orundwaaserverhältnisse von 1867
entscheidend ist, 78 Procent über dem Mittel Niederschlüge
hatte. Der üchluss, den ich aus der Ergiebigkeit der Quellen
zog, erscheint daher jetzt gewiss vollkommen berechtigt.
Für diejenigen, welche mehr verlangen, als unsere
Kenntnisse von Boden und Grundwasser verschiedener
Länder, Gegenden und Orte gegenwärtig schon zu lei-
sten vermögen, liegt es sehr nahe, wieder zu sagen, dass
hier nur ein Widerspruch mit sonstigen Behauptungen vor-
liege, dass das vereinzelte epidemische Auftreten derCholern
18G7 in Zürich mohr gegen als. für einen Einflu^s von Bo-
u. üb. d. nächsten Aufgab, z. weiteren firgrilndung ihrer Ursachen. 65
den und Grundwasser spräche, dass namentlich die grosse
Durchfeuchtung des Bodens in Zürich v^m November 1866
bis April 1867 gerade als eine Ursache angesehen werden
könnte, derentwegen Zürich von der Cholera noch eine
Zeit lang hätte verschont bleiben sollen u. s. w., wenn
man in andern Fällen z. B. in Lyon annimmt, dass dort
die Cholera wegen zu grosser Durchfeuchtung des Bodens
nicht aufkommen könne. Basel, welche Stadt etwa ähnlich
im westlichen Theile der Schweiz am Rhein, wie Zürich
östlicher davon am See und an der Limat liege, und früher
auch schon für Cholera sich empfänglich gezeigt habe, sei
verschont geblieben. Man könnte versucht sein, die Epi-
demie von 1867 in Zürich einfach dadurch zu erklären,
dass das spezifische Contagium eben nur nach Zürich ge-
bracht worden sei, und sich dort mit einem gewissen Theil
der Bevölkerung begnügt habe u. s. w. — Dagegen be«
merke ich, dass das so vereinzelte Auftreten der Cholera
1867 am Nordabhang der Alpen auch durchaus nicht die
Grundlage gewesen ist, auf welcher die Ansicht vom Ein-
fluss von Boden und Grundwasser entstanden ist, oder
hätte entstehen können, dass aber aus diesem Ausnahms-
falle auch kein Recht abgeleitet werden kann, jene That-
sachen gering zu schätzen, oder unbeachtet zu lassen, auf
welchen die Ansicht ruht und entstanden ist. Gerecht finde
ich nur, in solchen Ausnahmsfällen eine Aufforderung zu
erblicken, weiter und näher zu forschen, wie die Ausnahme
mit der Regel zusammenhängt. Es ist allerdings eine
höchst merkwürdige Thatsache, welche dringend eine Er-
klärung fordert, dass 1867 die Cholera von Zürich aus weder
über die nächste Umgebung hinaus in der Schweiz, noch
im Süden und Westen von Deutschland trotz ungehinderten
Verkehrs und mehrfacher Yerschleppungen Epidemieen ver-
ursacht hat, aber dieses Yerhalten genügt auch noch nicht,
6
Olj tTeber den geg«nwSrligon Stftnd der Cbolerofragd
ilio Cholera als contagiose Krankheit zu betrachten, wo-
gogcn nicbta mehr spricht, als gerade die Thatsache selbst,
tlitsa sie von Zürlob aus nicht weiter verbreitet werden
kunnto. Ich befürchtete damals ernstlich, Zürich möchte
1S67 für Süddoutschland ein ebenso unheilverkündender
Vorbote sein, wie ea 18G5 Älfenburg und Wordau für
Norddeutschland im Jahre 1866 gewesen waren. Solche
l'Villo, warum 1866 von ganz London nur Ostlondon, warum
1SG7 auf dem ganzen Nordabhang der Alpen nur Zürich,
warum 1871 in ganz Nord- und Ost - Deufachland nur
Königsberg Epidemieen hatten, verdienen künftig schärfer
ins Auge gefasst zu werden, als es bisher geschehen ist.
F. 3 braucht nicht überall ein und dieselbe Ursache zu
haben; gleichwie es mehrere Gründe der Immunität, so
^ibt es auch mehrere Gründe der Disposition, und da k.inn
flio Summe der Faktoren an einem Orte durch diesen, an
einem andern durch einen andern Faktor vollzählig werden,
wenn auch die Summe der wesentlichen Faktoren immer
und überall gleich ist. Bisher aber hat man geglaubt, es
brauche nichts, als die Einschlcppung eines Cholorafalles ;
alles übrige sei schon vorhanden. Die Bedingung der Ein-
sdileppung ist 1871 in Berlin so oft erfüllt worden, dass
CS zum Entateheu der grossten Epidemie hingereicht hätte,
und doch entwickelte sich keine.
Wenn man sich um eine Erklärung für das Auftreten und
(be Entwicklung der Epidemie 1867 in Zürich zu der be-
stimmten Zeit umsieht, so bietet sich der Anhaltspunkt, dass
diu Cholera Ende Juli (25. Juli) von Rom, vielleicht gleich-
zeitig auch vom Tessin aus eingeschleppt wurde und sich
h\ der zweiten Hälfte des August zur Epidemie entwickelte. *)
Dvr ganze Monat Juli zeichnete sich in Zürich durch eine
1) Bericht aber die Cbolera 1S07 in ZQricIi von Dr. Zebnder.
u. üb. d. näcbsten Auf|g;ab. z. weiteren Ergründung ihrer Ursoclien. G7
abnorme Trockenheit aus, und es ist nicht undenkbar, dass
dieser Umstand eine wesentliche Rollo für die im August
folgende Epidemie gespielt hat und dass die Epidemie nicht
ausgebrochen wäre, wenn im Juli einige Gewitter mehr über
Zürich niedergegangen wären. Es wäre interessant, die
gleichzeitigen Regenverhältnisse anderer schweizerischer
Städte von ähnlicher Lage und Bodenbeschaifenheit mit
Zürich daraufhin zu vergleichen. In Zürich fielen im Juli
nur 52 Millimeter Regen, während das Mittel aus mehreren
Jahren 121 ist. In München, dessen durchschnittliche Regen-
menge viel kleiner, als die von Zürich ist, fielen im Juli 18G7
84 Millimeter ^Niederschläge. Dass in Zürich die im August
und September das Mittel wieder überschreitenden Nieder-
schläge das im Juli möglicherweise erzeugte y nicht sofort
wieder zerstört haben, wie sich viele der Gegner der Boden-
theorie so gerne vorstellen und einbilden, ist gar kein Grund
gegen meine Annahme.
Es ist ja überdies auch möglich, und ich habe darauf
auch schon wiederholt aufmerksam gemacht, dass das unter
Mitwirkung des Bodens entstehende y im Hause oder ge-
wissen Theileh desselben abgelagert und aufgespeichert
sein kann, so dass darnach die Verhältnisse in der Um-
gebung des Hauses sich für das Entstehen von y sehr un-
günstig gestalten können, während es im Hause doch bereits
vorhanden ist, darin allmälig weiter sich entwickelt und
verwandelt, gleich wie manche Frucht erst im Keller reift,
wann sie schon vom Baume gepflückt ist. — Ich will mit
diesem Gleichniss durchaus nicht sagen, dass es so ist, aber
nach unserem vorläufigen Wissen kann es so oder ähnlich
sein, und ich möchte nur darauf aufmerksam machen, was
uns.nqth thut. Wenn wir mehr wissen wollen, als bisher,
so müssen wir auch auf viel mehr aufmerken, als bisher.
Wenn wir blos immer annehmen, die Cholera ist contagios
5*
ßg Üeber den gegonwSrllgen Stand de^ Choleiatrege
■ani\ verbreitet sicli durch die Excremoote, so kommen wir
in unserer Einsicht auch in tausend Jahren nicht weiter,
ala wir aeit 1830 gekommen sind und da die Maassregeln
gegün Cholera von der Einsicht in ihre Verbreitungaweise
itijhiingen, so werden wir auch praktisch keinen Schritt
vorwärts machen.
Lyon betreffend, werde ich zun|chst aufmerksam ge-
mnclit, dass ich für diese Stadt den Stand des Flusses als
Miiassstab für die Grundwasscrverhältnisae des Alluvialbodena
gL-Itcn lasse, in Zürich aber nicht. Ich habe den eigent-
liclii^n Qrund bereits mitgetheilt, und habe nun nur noch
wenig beizufügen, wie ich mir den Einflusa der Rhone in
Lyun vorstelle. Entsprechend dem Gofäl) des Orauits,
weloher dort die wasserdichte Unterlage der Saone und
Rhone bildet, wird die Ebene von Lyon durch die Rhone
licwäseert, ähnlich wie man durch oberflächlich gezogene
Grüben eine "Wiese bewässert, nämlich dadurch, dass man
das Wasser zum Versitzen bringt. Je dürrer und trockner
die Wiese ist, oder wird, desto mehr Waaaer werden die
IJuwääserungsgräben verlieren, desto mebr wird daa Wasser
in den Gräben sinken. Und ao dachte ich mir, je weniger
Grundwasser von den atmosphärisohen Niederschlägen her-
riilireod im Boden der Lyoner Ebene sich 6ndet, desto
mcilir wird bei den eigenthflmlichen, ausnahmsweisen Qefälls-
verliilltn lasen dem Flusse entzogen. Wann in München die
Isiir oder in Zürich die Limat steigt, so bewusscrn diese
FlüFtse nicht ihre Umgebung mit ihrem Wasser, sondern
sie lassen nur das Gb-undwasscr der Umgebung nicht mehr
aliHiossen, stauen dieses zurück und bringen es dadurch
zum Steigen, Ebenso wenn sie sinken, ist es kein untrüg-
liciies Zeichen, dass die über dem Grundwasser liegende
Bodensobichte wesentlich trockener geworden ist, sondern es
Hiebst nur das durch den Flusa zurückgestaute Grundwasser
u, üb. d. nächsten Aufgab, z. weiteren Ergründang ihrer Ursachen. g9
in den Fluss ab. Bei der Rhone in Lyon ist es ganz
anders. Diese mag steigen oder fallen, nie staut sie das
Grundwasser der Lyoner Ebene zurück, noch empfängt sie
je Wasser von dieser Seite her, sondern der Bhonefluss
gibt beständig Wasser nach der Lyoner Ebene hin ab.
Ich konnte also mit demselben Rechte den Rhonestand
bei der Brücke Morand als Index für den Grundwasser-
stand der linken Uferseite nehmen, soweit Lyon darauf
steht, als man etwa den Wasserstand eines Flusses auch
als Index für den Stand seiner Arme und Altwasser
nehmen kann»
Wollte man diese Betrachtungsweise auf München oder
Zürich anwenden, so würde man den Fehler begehen,
welchen derjenige beginge, welcher aus dem Wasserstande
eines Hauptstromes auch auf die Wassermenge einzelner
besonderer Nebenflüsse oder Zuflüsse schliessen wollte.
Was mich fast in Erstaunen gesetzt hat, sind die drei
Gründe, welche Sander gegen die Richtigkeit meiner Auf-
fassung der Lyoner Verhältnisse überhaupt vorbringt. Er
sagt.-i) „Dieser Auffassung steht meines Erachtens entgegen
einmal, dass Pettenkofer den Beweis schuldig geblieben
ist, dass wirklich die Bodenfeuchtigkeit Lyons die anderer
von der Cholera häufig befallener Städte auf Alluvialboden
und mit einem von benachbarten Flüssen abhängigen Grund-
wasser erheblich übertrifft, und sodann, dass in dem einzi-
gen Cholerajahre 1854 zwar Winter und Frühling trockener
waren, als gewöhnlich, der Pegelstand des Monates Juli
aber, in welchem die Cholera anfing, höher ist (nämlich
1.96 Meter) als das 10 jährige Mittel (von 1.58 Metern);
unerklärt lässt er ferner, dass von 1857 — 1866 sich der
Spiegel der Rhone im Mittel um einen Meter gesenkt hat
1) S. 37.
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70 üober den gcgenwüriigen Stand der Cholerafrage-
und trotzdem 1865 und 1866 die Cholera nicht um sich
griflf, während ihm ein geringeres Fallen im Jahre 1854
genügt, um die eingetretene Choleraempfänglichkeit zu be-
gründen."
Den ersten Vorwurf anlangend, glaube ich, kann ich
mich sehr kurz fassen. Ich bitte meinen Gegner, mir eine
Stadt zu bezeichnen, die wie Lyon gelegen, solche Boden-
und Grundwasserverhältnisse hat und häufig von Cholera
befallen ist. Wenn die Stadt nicht gerade auf der andern
Erdhälfte, sondern in Europa liegt und nicht allzuschwer
hinzukommen ist, kommt mir^s nicht darauf an hinzureisen
und ebenso wie in Lyon Erhebungen an Ort und Stelle zu
machen. Jeder könnte sich ein Verdienst erwerben, der so
ein zweites Lyon, aber mit wiederkehrenden Choleraepi-
demieen, ausfindig machte.
Nicht viel länger werde ich über den zweiten Vorwurf
sprechen, dass der abnorm trockene Winter und Frühling
von 1854 nichts zu bedeuten gehabt habe, weil der Rhone-
stand im Juli, als die Cholera in Guillotiere und Perrache
ausbrach, schon wieder 0.38 Meter über dem Mittel stand.
Darauf genügt es, mit einem Gleichniss zu antworten. Wie
die Cholera mit dem Grundwasser im Boden, so hängt etwa
der Wein mit der Wärme der Luft zusammen, es ist auch
eine von vielen wesentlichen Bedingungen. Man stelle sich
vor, es wäre nicht schon immer als Erfahrungssatz anerkannt
gewesen, dass je heisser der Sommer, desto besser der Wein,
und es träte unter den Weinbauern einer zuerst mit dieser
Behauptung hervor. Auch er würde viele Gegner finden,
der eine würde sagen; „Warum nicht gar! Der Mist macht
den Wein; in den Jahren, wo ich gut gedüngt habe, habe
ich auch viel Trauben bekommen.'* Ein anderer würde es
wieder besser wissen und sagen: „Alles kommt auf den
Boden und die Lage an." Es würde unter den Weinbauern
u. üb. d. nSchsten Aufgab, z. weiteren Ergründung ihrer Ursachen. 71
natürlich auch kritische I^aturen geben, die sagten: „Gar
nichts weiss man, wovon ein gutes Weinjahr herkommt,
jeder bildet sich was anderes ein« Aber eines kann ich euch
beweisen, aus meiner eigenen Erfahrung, was ich mit eige-
nen Sinnen wahrgenommen habe und .was ich mir von euch
Allen nicht abstreiten lasse: von der Wärme kommt's
nicht her. Ich habe im Juli und August zur Zeit der
grössten Hitze die Trauhi^n gekostet, — sie waren ganz
sauer. Im September wurde es schon kühl, aber die Trau-
ben fingen an süss zu werden. Im Oktober hatten wir
schon ganz kalte Tage, trotzdem wurden die Trauben immer
noch süsser, und Ende Oktober und Anfangs iNfoyember, als
es schon reifte und schneite, da wurden sie erst ganz aus-
gezeichnet. Wie mögt ihr so einfältig sein und glauben,
die Süssigkeit der Trauben komme von der Wärme her,
da ihr euch doch selber leicht überzeugen könnt, dass die
Trauben jedes Jahr um so süsser werden, je mehr die
Wärme abnimmt?"
Was endlich den dritten Vorwurf anlangt, so wird die
Zurückweisung auch dieses nicht viel Zeit in Anspruch
nehmen, denn ich habe diesen bei einer früheren Gelegen-
heit schon sehr eingehend besprochen, in meinen Bemerk-
ungen zu einem Vortrage Dr. Buchanan's^) über Ver-
breitung der Cholera und des Abdominaltyphus. Alles, was
ich dort mit Bezug auf „Tieferlegung des Grund-
wassers durch Eanalisirung^' gesagt habe, ist auch
auf Tieferlegung des Grundwassers von Lyon
durch Flusscorrektion anzuwenden; In beiden Fällen
ändert sich an den eigentlichen Grundwasserverhältnissen,
wie sie aus der Beobachtung des Steigens und Fallens dazu
geeigneter Brunnen bemessen werden, eigentlich gar nichts
1) Zeitschrift für Biologie Bd. VI. S. 526.
72 lieber den gegenwärtigen Stand der Cbolerafrege
ddcL' (loch nur sehr wenig, wie ich an einem Beispiele aus
München nachgewiesen habe, wo im Winter I8^^/to der
GriindwafiscrBpiegel eines Stadttheiles durch eine Flusscor-
i'i'ktion um mehr als einen Meter tiefer gelegt wurde, ohne
(I.ass diese Verrückusg des Nullpunktes sich ii^endwie in
der Typhusfrequenz auegeeprochen hatte. Und eo ist durch
dio Senkung des Rhonespiegela von 1857 bis 1866 an der
W.assermasse der Rhone und an der Menge, welche davon in
dji' Ebene von Lyon hineinflieest, nichts geändert worden, als
di'i Fispunkt, von dem aus die Schwankungen erfolgen und
geinossen werden. Dieser Ausgangspunkt der Messung liegt
Hin einen Meter jetzt tiefer, als vor der Correktion. Etwas
stnderes wäre es, wenn sich der Fluss nicht tiefer einge-
gralitin hatte, sondern wenn das Wasser der Bhone um
<?iiii II Meter Wasserhöhe in Folge grosser und anhaltender
TiDckenheit abgenommeD hätte; — aber das kann keinen
Mesontlicheu Einfiuss haben, wenn dieselbe Wassennenge
wie sonst, nur um einen Meter tiefer, an Lyon vorbeige-
fiihi'l wird. Nach wie vor ei^ieest sich ein Theil der Rhone
in {lio Ebene von Lyon hinein und je trockner diese wird,
nni so mehr, In Folge der Correktion hat die Rhone am
l'iMir Morand, wo der Pegel steht, einen Meter Geröll aus
iht'L'iii Bette fortgeführt und kann jetzt einen Meter höher
an »eil wellen, als sonst, ehe sie über ihre Ufer tritt; das ist
reche wichtig für Ueberechwemmungen, aber aller Wahr-
tjchcinlichkeit nach ebenso gleichgiltig für die Grundwasser-
vot'h^iltnisse der Lyoner Ebene, als ob man längs dem be-
kcfTonden Ufer der Rhone einen Damm von 1 Meter Höhe
aufgeführt hätte. Ich habe in meiner Abhandlung über
Lyon des Umstandes nur erwähnt, um diejenigen aufmerk-
EHia zu machen, welche nach 1860 den Pegel am Pont
Morand zum selben Zweck benutzen wollen, wozu ich ihn
von 1826 bis 1858 benützt habe. Ich habe deshalb in
u. üb. d. nächsten Aufgab, z. weiteren Ergrfindung ihrer ür?achen. 73
einer Anmerkung Seite 481 meiner Abhandlung deutlich
gesagt: „Vom Jahre 1858 beginnt in Folge grosser Fluss-
correktionen eine Senkung des Nullpunktes am Pegel von
Pont Morand um etwa 1 Meter, welcher von da an den Ables-
ungen beizuzählen ist, wenn man die Wassermenge der Rhone
mit vorausgehenden Zeiten richtig vergleichen will.^' Sander
hat diesen meinen wohlweisen Rath unbeachtet gelassen.
So leicht diese drei Vorwurfe von Sander abzuweisen
sind, in so grosse Yerlegenheit hätte mich eine andere
Frage bringen können, wenn er sie gestellt hätte. Das
Unke Ufer der Rhone wird auf zweifache Art bewässert,
einmal vom Wasser des Flusses, dann von den örtlichen
Niederschlägen. Meine Auffassung setzt voraus, dass der
Rhonestand im Winter 1853 auf 54 so niedrig war, nicht
blos weil so wenig Wasser aus dem Genfer See und den
Alpen kam, sondern hauptsächlich auch weil die Ebene
von Lyon, welche eine Aufschüttung des Flusses ist, durch
die er sich selber aufgestaut, seinen geraden Weg aus den
Alpen von Nord nach Süd sich verlegt hat, und um die
er jetzt in westlicher Richtung einen weiten Bogen machen
muss, bis er mit der Saone vereint seine Richtung wieder
von Nord nach Süd zu nehmen vermag, — ich sage, dass
damals der Rhonestand auch deshalb so niedrig war, weil
die Ebene von Lyon so trocken und durstig war. Es wäre
aber ja auch denkbar, dass es ausnahmsweise auf der
Ebene von Lyon viel geregnet hätte und nur in den
Alpen nicht, dass sich in Folge davon trotz des niedrigen
Rhonestandes im Boden der Ebene von Lyon viel Grund-
wasser gebildet hätte. Dieses wäre natürlich nicht berg-
auf in die Rhone abgeflossen, dass es der Pegel am Pont
Morand hätte anzeigen können, es wäre also immer mög-
lich, wenn auch nicht sehr wahrscheinlich, dass ich aus
dem einen Faktor, aus dem niedern Rhonestand, einen
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74 Ueber den gegenwärtigen Stond der Cholerafrage
falschen Schluss auf die geringe Durchfeuchtung des Bodens
von . Brotcaux , Quilloti^re und Perracho gemacht hätte.
Obwohl diese Frage nicht gestellt wurde, so halte ich sie
doch für wichtig genug, eine Antwort darauf zu suchen.
Wenn man sich nach Beweismitteln in dieser Richt-
ung umsieht, so bietet sich wohl nichts dar, als die atmo-
sphärischen Niederschläge in Lyon selbst. Wenn diese vom
Jahre 1853/54 und einige Jahre zavor und danach auf-
zutreiben sind, so muss sich zeigen, ob der dem Cholera-
jahre 1854 vorausgegangene Winter und Frühling ähnliche
Abnormitäten und in einem ähnlichen Sinne zeigt, wie der
Rhonepegel. Im bejahenden Falle würde es einer Probe
über meine Rechnung gleichkommen. Ich fand nun in den
Memoires de l'Academie de Lyon auf der Staatsbibliothek
in München regelmässige Beobachtungen der dortigen meteo-
rologischen Station, welche Regenmenge und Verdunst-
ungsmenge von 1852 bis 1868, also von 16 Jahren, ent-
halten. Leider fand ich für frühere Jahre keine Angaben.
(Siehe beiliegende Tabelle.)
Man kann auf dieser Tabelle 16 Jahre hindurch ver-
gleichen, wie viel Wasser in Lyon auf eine horizontale
Fläche (Ombrometer) gefallen ist, und wie viel davon
wieder verdunstet wäre, wenn diese Fläche (Atmidomcter)
stets mit Wasser bedeckt gewesen wäre. Diese beiden
Voraussetzungen sind allerdings ideale, nicht in der Wirk-
lichkeit erfüllte, denn der Boden von Lyon ist weder eine
ebene horizontale Fläche, noch vollständig mit Wasser be-
deckt, sondern es wird der fallende Regen von einer sehr
unregelmässigen Oberfläche und sehr verschiedenem Boden
aufgenommen und dem Gefälle entsprechend sehr verschie-
den vertheilt. Ein grosser Theil dringt in den Boden ein,
und was im Boden bleibt und darin nicht weiter fliesst,
u. üb. d. nächsten Aufgab, z. weiteren ErgrilDdung ihrer Urtftchen. 75
verdiinstet daraus in ganz anderer Weise, als wenn das
Wasser auf der Oberfläche stehen bliebe. Aber selbst
wenn diese idealen Bedingungen erfüllt wären, so wurde
— die Richtigkeit der beiden Bestimmungen vorausgesetzt —
Lyon jedes Jahr aus der Atmosphäre mehr Wasser em-
pfangen, als an sie abgeben , was auch die zahlreichen
Weiher und Sümpfe von la Brease ausserdem thatsächUch
beweisen. Die Differenz zwischen dieser Einnahme und
Ausgabe, von Niederschlag und Yccdunstung kann man als
relativen Maassstab für Nüsse und Trockenheit der Jahre
und Jahreszeiten nehmen.
Man sieht, dass sich die einzelnen Jahre in dieser Be-
ziehung sehr TOD einander unterscheiden. Das Maximum
fallt ins Jahr 1852, in welchem 2213.78 Millimeter mehr
AVasser auf dem Ombrometer fiel, als vom Atmidometer
verdunstete, das Minimum ins Jahr 1863 mit einer Differenz
von nur 3.9 Millimetern. Im Mittel fallen im Jahre auf
dem Ombrometer etwa 150 Millimeter (genau 148.9) Wasser
mehr, als vom Atmidometer verdunsten.
Die letzte Rubrik der Tabelle enthält die Mittel des
beobachteten Niederschlags und der Verdunstung in den
einzelnen Monaten, und daraus lässt sich der durchschnitt-
liche jährliche Gang der beiden Faktoren erkennen. Dezem-
ber bis März überwiegt der Niederschlag über die Ver-
dunstung. Im April, Mai und Juni herrscht fast Gleich-
gewicht, aber im Juli und August und namentlich im Juli
überwiegt beträchtlich die Verdunstung. Der, Mehrbetrag
der Niederschläge im September und Okiober gleicht das
Deficit der heissen Monate vollständig wieder aus, ja liefert
sogar einen kleinen Ueberschuss.
Es wird daher gerechtfertigt erscheinen und befindet
sich auch ganz in Ucbereinstimmung mit den Erfahrungea
der Landwirthe, wenn ich die Differenz zwischen Nieder-
76 Ueber den gegenwärtigen Stand der Cholerafrage
schlag und Verdunstung vom November bis April, also das
Winterhalbjahr, als entscheidend für die Bodenfeuchtigkeit
des Jahres und auch des Sommerhalbjahres annehme. Für
das Jahr 1852 fehlt die Beobachtung für den vorausgehen-
den November 1851 , und für das Jahr 1868 fehlt die
Beobachtung der Verdunstungsmenge, es kommen daher
nur die Jahre 1853 bis 1867 in Betracht. Diese aber er-
geben folgendes merkwürdige Resultat:
Jahr
Niederschlag
Verdunstung
Differenz
Niederschlag
vom November bis April
plus oder minus
1853 .
1854 . .
1855 . .
1856 .
1857 .
1858 .
1859 . .
1860 . ,
1861 . .
1862 . .
1863 . .
1864 .
18(i5 . .
1866 . .
Ifc67 . .
\
241.9
131.6
290.4
324.2
368.9
186.9
292.1
273.5
322.6
233.9-
267.1
196.9
281.8
• 333.4
311.5
•
100.3
144.4
125.2
109.4
112.6
114.6
116.1
86.6
126.3
126.6
129.1
107.3
93.9
101.8
78.9
+ 141.6
— 12.8
+ 165.2
+ 214.8
+ 256.3
+ 72.3
+ 176.0
4- 186.9
+ 196.3
+ 107.3
+ 138.0
+ 89.6
+ 187.9
+ 231.6
+ 232.6
Mittel . .
r 1
•
264.4
111.4
+ 153.0
Man sieht, wie sehr die verschiedenen Winterhalbjahre
sich von einander unterscheiden, wenn man die Verdunst-
ungsmenge von der Niederschlagsmenge abzieht. In allen
Jahren bleibt ein plus auf Seite des Niederschlags, nur das
ominöse Jahr 1854 allein macht eine Ausnahme und zeigt
L-
ti. üb. d. nächsten Aufgub. z. weiteren türgründung ihrer Ursachen. 77
ein minus. Die Abnormität des Jahres 1854, welche sich
schon im Stand der Rhone so deutlich ausgesprochen hat,
spricht sich in dem Niederschlag und der Verdunstung,
gemessen auf der Ljoner Ebene selbst, noch viel deutlicher
aus. Ich glaube dadurch den Beweis zu liefern, dass mein
früherer Maassstab zur Beurtheilung der Lyoner Orund-^
wasserverhältnisse, wenn auch kein untadelhafter, so doch
kein unbrauchbarer war, dass wirklich von 1826 bis 1868
kein Jahr so abnorm trocken war, als das kritische 1854.
Wichtig und lehrreich scheint mir ausserdem die mitt-
lere Differenz zwischen Niederschlag und Verdunstung von
I^ovember bis April zu sein: sie beträgt 153 Millimeter.
Nimmt man die mittlere Differenz aller Jahre (694.1 — 544.5),
so erhält man 148.9, oder wie ich oben schon sagte, 150
in runder Zahl. Die Zahlen 150 und 153 liegen sich so
nahe, dass man darin unbedenklich eine volle Bestätigung
des alten Erfahrungssatzes erblicken darf, dass in unserer
Zone die Regen- und Verdunstungsmengen von November
bis April wirklich entscheidend für die Feuchtigkeit des
ganzen Jahres sind.
Ueber den Schluss der San dorischen Arbeit: Maass-
regeln gegen die Cholera, habe ich vorläufig nichts zu
sagen. Jeder Arzt und jede Gemeindeverwaltung wird mit
Sander und Scharnhorst übereinstimmen, dass, so oft
eine Epidemie ausbricht, etwas geschehen muss, und dass es
nicht gerade immer nöthig ist, dass das Beste geschehe,
gleichwie jeder einzelne Kranke nach Hilfe verlangt und
Heilung sucht,^und auch nicht immer den besten Arzt da-
für haben kann. Mögen also immer noch die alten Mittel
in Qebrauch bleiben, bis die Ausbildung unseres Wissens
uns auf neue und bessere leitet. Ich habe hier nur eine
historische XJngenauigkeit zu berichtigen, welche bei San-
der vorkommt. Er stellt die Haus-zu-Haus-Besuehe durch
78 TTcber den gegen würti gen Stanü der Choleratrage
angestellte Aerzto als eine engÜache Erfindung aua den
Jahren 1848 — 19 hin, während eio eine äclit deutsche
ist, dii3 meines Wisäciia zuerst bei der Choleraopidemie von
1836—37 in München in voller Wirksamkeit war, und zwar
mit dem besten Erfolge. In dem Generalbericht über die
Cliolcraepidemie in München im Jahre 183C/iJ7, verfasat
von Dr. Frana Xaver Kopp, kgl. bayeriachem Kreia-
lind Stadtgorichtaphysikua und Polizeiarzte der Haupt- und
Kesidenzatadt Manchen — mit zwei illuminirten Karten und
zehn Uehersichtatabellen , gedruckt in München 1837 —
heisst ea Seite 55: „Zweck und Wirkungskreis der ärzt-
lichen Besuchs-Anstaltcn. Ihre Aufgabe .war: 1) Die recht-
zeitige Entdeckung der Krankheitsvorboten, sowie der ersten
Stadien der Brechrubr selbst, durch den täglichen Besuch
der Aerzte in den Wohnungen der Gesunden ihres
Diatrikt«s, namentlich in Fabrikhäusern, in den Hüusern
lind Familien der ärmeren und dürftigen Klaaao, wie nicht
Illinder in jenen, die eines eigenen Hausarztes entbehrten
II. B. w." In dem Berichte wird die Erfindung „der Weis-
heit 8r. Durchlaucht des Herrn Füraten von Oettingon-
Walleratein, kgl. Btaataminister dea Innern" zugeschrieben,
.ludenfalls also existirte diese Einrichtung in Bayern schon
12 Jahre früher als in England.
Das Wichtigste schemt mir jetzt, dass man sich dar-
über klar werde und einige, was zu thun sei, um wieder
doch eine kleine Stufe höher in unserm ätiologischen Wis-
sen zu steigen. Nach meiner Ansicht kann man sich
wesentlich nach drei Hauptrichtungen hiu beschäftigen,
wülche bestimmte Reihen von Tbatsachen wie natürliche
Wegweiser una kenntlich machen. In der ersten Reihe
stehen alle Thatsachen, in welchen der Einfluas des mensch-
lichen Verkehrs auf die Verbreitung der Cholera sich kund
gibt. Wir wissen einstweilen darüber noch gar nichts, als daaa
Q. fib« d. nriehsten Anrgab. z. weiteren ErgrflndoDg ihrer Ursachen. 7<J
sich der Cholerakeim x^ eine gewisse Menge Infektionsstoff
an den menschlichen Verkehr heftet oder heften \ann. An
welchem Theile, oder an welchen Thcilen er haften kann,
darüber wissen wir, etwa mit Ausnahme der Cholerawäsche,
noch gar nichts, wir haben blos Yermuthungcn und haben
auf diese hin einstweilen, aber wie ich fürchte sehr vor-
schnell und irrig, den wesentlichen Einfluss des Verkehrs
in den Darmentleerungen lokalisirt« Wir müssen uns in
Zukunft die Frage etwa in der Art stellen: Was bringt
der Mensch, welcher aus einem Choleraorte a nach einem
bisher von der Krankheit freien Orte b kommt, und von
dem in b die nächstfolgenden Choleraerkrankungen sich
ableiten lassen, ausser seiner Person noch alles mit, oder
was hat er noch alles an sich, woran der Infektionstoff
haften könnte? Das wird sich ergeben, wenn man unter-
sucht, wodurch sich dieser Mensch, und was er aus a mit
fortnimmt, von andern Fällen unterscheidet, in denen auch
andere Personen a verlassen, aber ohne an andern Orten in
ihrer nächsten Umgebung infictrend zu wirken. Zu Unter-
suchungen der Art werden sich am besten jene Verschlepp-
ungen von einem Choleraheerde a aus eignen, welche an
andern Orten 6 keine Epidemieen, sondern nur einzelne
Fälle hervorrufen, ähnlich wie 1854 in Stuttgart und im
Krankenhause zu Erlangen, in Carisbrook und Wührenlos:
aber weitaus die beste und sicherste Ausbouto dafür ver-
spreche ich mir von genauen Untersuchungen der Ver-
breitung der Cholera auf Schiffen bei ihrem Verkehr mit
inficirten Seehäfen. Ich verweise in dieser Beziehung auf
meine 1872 erschienene Abhandlung über die Cholera auf
Schiffen. Aber ich wiederhole und hebe laut hervor, dass
man bei künftigen Untersuchungen sich vor einem einge-
fleischten Fehler hüten muss, nämlich nur immer an solche
Fälle zu denken und in den Kreis der Untersuchungen zu
80 üeber den gegenw&rtigen Stand der Ctiolerafrage
ziehen, in welchen der Verkehr mit Choleraortcn Folgen
hatte : auch alle andern Fälle, in denen der nämliche Ver-
kehr keine Folgen hat, gehören zur Sache, auch darüber
muss man sich klar werden. Es wird Gründe haben, wann
der Verkehr Folgen hat, und ebenso wann er keine hat. —
Eine bessere Zergliederung und schärfere Beobachtung des-
sen, was wir bisher unter der Bezeichnung Einfluss des
Verkehrs zusammengefasst haben, ist eine der dringlichsten
Nothwendigkeiten für den Fortschritt, eine der brennend-
sten Fragen, Mir ist geradezu unbegreiflich, mit welcher
Zuversicht sich Manche mit unserm gegenwärtigen Wissen
über die Verschleppung der Cholera und namentlich über
die Cholera auf Schiffen zufrieden geben und auszusprechen
wagen, dass man da nach nichts Absonderlichem zu suchen
brauche, dass man da das !Nöthige schon wisse.
Nach dem Einfluss des Verkehrs kommt in zweiter
Richtung der Einfluss der geographischen Oertlichkeit oder
des Bodens in Betracht. Hier ist ein genaues Studium,
eine genauere Zergliederung der Constanten und der Va*
riabeln im Boden, womit zusammenhängt, was ich einst-
weilen y genannt habe, unsere nächste Aufgabe. Was ich
bisher in dieser Richtung gethan, betrachte ich nur als
Vorstudien und wir können wahrscheinlich noch eine Zeit
lang angestrengt zu arbeiten haben, bis wir über daa
Stadium der Vorstudien hinauskommen werden. Als lehr-
reiche Objekte für solche Versuche betrachte ich namentlich
möglichst genaue Vergleiche von Oertllchkeiten , sowohl
von solchen, welche sich für Cholera sehr empfänglich,
als auch von solchen, welche sich unempfänglich erwiesen
haben. Sander beklagt sich mit Recht, dass bei all sei-
ner Neigung, für die Immunität örtliche Ursachen anzu*
nehmen, er irgend ein greifbares Moment, worin diese
örtlichen Ursachen bestehen, überall nicht sehe. Er fragt:
u. üb. d. näohsten Aufgab, s. weiteren Ergrflndong ihrer UrsacheD. gl
•
,,Worin unterscheidet sich der alluviale Boden des immu-
nen Frankfurt a. M. von dem Eöln's? Was bedingt die
Immunität Grefelds und anderer bevölkerten Städte in der
Rheinniederung P Münster, die Hauptstadt Westfalens, blieb
trotz der durch die Truppenbewegungen gesteigerten Möglich-
keit einer Infektion frei, auch bei dem allgemeinen Zuge
der Cholera im Jahre 1866."
Ich frage entgegen, was hat man bisher gethan, um
den Unterschied zwischen empfanglichen und unempfäng-
lichen Orten herauszubringen P Sander hat nach Münster
einen Brief geschrieben an Professor Ho sius, der die Freund-
lichkeit hatte zu antworten, dass es auch in Münster ver-
schiedenerlei Boden und auch Grundwasser gebe : aber wei-
ter konnte er ihm auch nichts \nittheilen.
Diese Topographie und Hydrographie von Münster
aber findet Sander hinreichend, um ein absprechendes
Urtheil über meine Untersuchungen von Lyon zu fallen.
Wenn wir auf das Eichtige des Bodeneinflusses kom-
men wollen, so müssen wir beständig und systematisch
suchen. Der Boden besteht aus mineralischen, organischen
und atmosphärischen Bestandtheilen, wir haben diese in
ihrer Wechselwirkung zu beobachten. Die Bodenbeschaflfen-
heit setzt sich ferner aus constanten und variablen Grössen
zusammen, wir müssen unser Augenmerk auf beide Reihen
richten. Zu den Constanten gehört neben geognostischer
Formation chemische Beschaffenheit und physikalische
Aggregation des Bodens sowie Niveau der Oberfläche, zu
den Variablen gehört Temperatur, organische Substanzen,
Wasser und Luft im Boden. Ich glaube vorläufig, dass
die Constanten von keinem oder nur von geringem Eii^fluss
an und für sich sein werden, sondern nur insoferne sie von
Einfluss auf die Variablen sind. Die Cholera kommt auf
82 tJeber den gegenwäi tigan Siand der Cholerafrogd
Kalkboden und auf Quarzboden vor, aber vielleicbt in dem
Grade yerschiedcn, als manche organische Prozesse , die
von Organismen abhängen, durch die Gegenwart ron Kalk
odör Quarz becinflusst worden. Es ist bereits beobachtet
worden, dass z. B. ein eisenschüssiger Quarzsand die Ver-
wesung viel mehr begünstiget, als Kalksand vom gleichen
oder selbst gröberem Korn. Professor Fleck in Dresden
theilt mir mii;, dass der Dresdener Sand gewisse Mengen
Sauerstoff auf seiner Oberfläche condensirt halte. Wenn
wir den Thonboden bei der Cholera eine Rolle spielen
sehen, so sind aller Wahrscheinlichkeit nach nicht sowohl
die chemischen Bestandtheilo dabei betheiliget, sondern
seine Eigenschaften gegenüber den Variabein Wasser und
Luft. Dieselben mineralischen Stoffe in der Form eines
compakten Gesteines werden eine ganz andere Wirkung
haben.
Von grossem Einfluss unter den Variablen im Boden halte
ich auch die Temperatur, deren Beobachtung Delbrück und
Pfeiffer neuerdings angeregt haben. Nach den Untersuch-
ungen über die Boden- oder Grundluft in München und
Dresden fallt die grösste Menge Kohlensäure mit der höch-
sten Temperatur des Bodens zusammen. Ausserdem haben
aber auch noch andere Umstände Einfluss, denn es ist auch
bei gleicher Temperatur der Kohlensäuregehalt der Örund-
luft in den gleichen Monaten verschiedener Jahre ein sehr
verschiedener.
Analogo Differenzen hat Fleck in neuester Zeit
auch für den Sauerstoffgehalt der Grundluft constatirt, die
oft 5 und 6 Procent weniger Sauerstoff enthält, als die
atmosphärische Luft. Die Untersuchungen in dieser Richt-
ung haben erst begonnen, verdienen aber nicht nur fort-
gesetzt, sondern noch ausgedehnt zu werden. Wir haben
Q. fib. d, nächsten Aufgab, z. weiteren firgrundong Ihrer ÜrBacheo. g3
bisher immer von Imprägnirung des Bodens, von ver-
schiedener Imprägnirung in verschiedenen Theilen eines
Ortes mit organischen Substanzen ge:.prochen, ohne dass
wir unsere Annahmen experimentell prüfen konnten. Durch
Eohlensäurebestimmungen der Grundluft allein schon kann
man auf die mit Kohlensäurebildung verbundenen Pro-
zesse der Fäulniss und Verwesung im Boden jetzt einen
Schluss machen, ähnlich, wie man aus dem vermehrten
Kohlensäuregehalt einer Zimmerluft auf die Ueberfüllung
des Wohnraumes mit Menschen schliesson kann. Wie
sehr die Bodenverhältnisse in diese Prozesse eingreifen,
ersieht man aus der alten Erfahrung, wie verschieden
lang eine Leiche in verschiedenem Boden zur Verwes-
ung braucht.
Von hervorragendem Einflüsse erscheint mir bekannt-
lich auch der Wechsel im Wassergehalte des Bodens, was
ich mit Grundwasser- bezeichnet habe. Aber das Grund-
wasser ist nur ein einzelner Faktor, wie die Wärme auch
nur ein einzelner ist, während ausserdem noch mehrere zu
einem- Prozesse nothwendig und wesentlich sind. Es kön-
nen in einem Falle die nöthigen Temperatur- und Grund-
wasserverhältnisse gegeben sein und doch geht der Prozess
nicht vor sich, weil es an andern wesentlichen Beding-
ungen fehlt. — Die Grundwasserverhältnisse eines Ortes
lassen sich durch Beobachtung der atmosphärischen Nieder-
schläge, dann durch Beobachtung der Verdunstungsmenge
und durch Beobachtung des Wasserstandes geeigneter Brun-
nen bestimmen. Am besten ist es, wo möglich die drei
Beobachtungen an jedem Orte fortlaufend nebeneinander
zu machen»
Was die Anstellung von Qrundwasserbeobachtungen
betrifft^ verweise ich auf die Arbeit von Dr. Schnitzer
im
g4 üeber den gogcnwSrtigen Stand der Cholerafragd
„Zur Hydrographie der Stadt Erlangen", welche bei Besold
in Erlangen eben erscheint.
Dass die Grundwasserverhältnissp mit der zeitlichen
Frequenz des Typhoid in München in irgend einer Weise
zusammenhängen, kann jetzt wohl als erwiesen betrachtet
werden ; dass die zeitweise in Gegenden auftretenden Orts-
epidemieeu von Cholera sich mehr nach Fluss- und Drainage-
gebieten, als nach irgend andern Momenten natürlich grup-
piren, ist die noch immer unverändert dastehende That-
sache, welche auf die Grundwasserverhältnisse als zeitliches
Moment überhaupt zuerst aufmerksam gemacht hat ; ebenso
zeigt die zeitliche Frequenz der Cholera in ihrer Heimat,
in Indien, von allen bisher der Untersuchung zugänglichen
Yerhältnissen noch am meisten eine Abhängigkeit von den
Regenverhältnissen, welche im Verein mit der Bodenbe-
schaffenheit die Grundwasserverhältnisse zunächst bedingen.
Die Annahme eines Einflusses derselben dürfte daher nicht
mehr voreilig erscheinen, wenn sie auch die Aetiologie der
Cholera noch lange nicht abzuschliessen , und uns alles
weitere Bemühen uird Nachdenken zu ersparen vermag.
Obwohl das Grundwasser nur ein einziges Moment ist, mit
dem man für sich allein ebenso wenig eine Choleraepidemie
hervorrufen kann, als etwa mit der nöthigen Wärme allein
ein Getreidekorn oder eine Weintraube, so ist sein Einfiuss
doch ein sehr allgemeiner und wesentlicher. Es ist z. B.
eine Thatsache, die sich aus den Grundwasserverhältnissen
erklären wird, dass in jedem Lande Choleraepidemieen
in den Ebenen weit häufiger, in den Gebirgen und schon
in der Nähe derselben und in der Nähe des Ursprungs
von Gewässern viel seltener sind, als ferner davon. Aus
der Bodenbeschaffenheit allein lässt sich dieses constante
Verhalten, welches auf der ganzen Erde sich gleich bleibt,
nicht erklären. Viel besser stimmt damit der meteoro-
^1
t
u. üb. d. nächsten Aufgab« z. weiteren Ergründung ihrer Ursachen. g5
logische Satz, den ich Mal 1er 's kosmischer Physik ent-
nehme: yJDie Begenmenge nimmt mit der Höhe der Orte
über der Meeresfläche zu, weil die Berge einen Nieder-
schlag veranlassen, wenn sie von einem Strome feuchter
Luft getroffen werden: daher die bedeutende Regenmenge
in den Alpen.** In München z. B. fallen jährlich im Durch-
schnitt 380 Pariser Linien Regen, in Tegernsee bereits 538,
d. i. 46 Prozent mehr.
Es ist auffallend, dass Städte wie Salzburg und Inns-
bruck, welche grossentheils auf Flussall uvionen liegen, wie
sie in der Ebene nicht anders vorkommen, bisher noch
immer gleich Lyon von Choleraepidemiecn verschont ge-
blieben siod. Das ist um so auffallender, da beide Städte
nicht unbeträchtliche Garnisonen haben, und Garnisonen
zur Einschleppung und zur Entwicklung der Cholera sonst
überall leicht Veranlassung geben. Ausnahmsweise könnten
aber Theile von Salzburg oder Innsbruck wahrscheinlich
ebenso eine Epidemie haben, wie 1837 Mittenwald im
Oberisarthale oder 1854 ein Theil von Lyon eine hatte,
und seither keine mehr. In diesen 'Fällen wird nicht blos
die Menge Regen im Jahre, sondern in den einzelnen Monaten
entscheidend sein, also auch die Zeit, zu welcher sie
fällt, und der Boden, auf den sie fällt. Es wäre interes-
sant, nur einmal die Regenmengen nach Monaten von einer
Reihe von Jahren von Elberfeld und Barmen einerseits,
und von Münster und Crefeld anderseits zu vergleichen ; es
stellen sich vielleicht schon da nicht uiibeachtenswerthe
Unterschiede heraus, welche Fingerzeige für fernere Unter-
suchungen geben. Aber allen derartigen Unternehmungen
tritt vorläufig noch der Unglaube an den Einfluss des
Grundwassers hindernd entgegen. Man macht zwar vielleicht
zu kritischen Zwecken wieder einige derartige Zusammen-
stellungen, um zu beweisen, dass die Zusammenstellungen nicht
gfi UebeT den ge^CDwBrrigen Btsnd der Cbolemfrage
mit der theoretiecUen Annahme stimmen, — denn um eine
Disliarmonie auf einem Instrumente hervorzubringen, brauchte
iiiclit viel TJehung erst, — aber das MissÜDgen der ersten
Versuche und Anstrengungen darf nie als ein Beweis gegen
i]\e Möglichkeit des Gelingens angesehen werden, so lange
bonst eine Anzahl von Gründen dafür spricht.
Eine dritte Richtung, in welcher man mit systemati*
sehen Beobachtungen und Untersuchungen vorgeben sollte,
ist die individuelle Disposition, welche auch hei der Cholera-
Irequenz eine so grosse EoIIe spielt, wie bei fast allen
Krankheiten. Eine feststehende Thatsache ist 'bereits die
grosse Verschiedenheit der Empfänglichkeit verschiedener
Altersklassen, und dann auch wieder verschiedener Indi-
\iduen ein und derselben Altersklasse. Die AVissenschaft
JKit die Aufgabe, nicht nur darnach zu fragen, warum so
viel Menschen an Cholera erkranken, sondern auch, warum
80 viele nicht erkranken, obschon sie ganz den nämlichen
EinBQssen ausgesetzt sind, wie diejenigen, welche erkranken.
Die Untersuchungen in dieser Kichtung sind auch von
grosser praktischer Bedeutung, und die Resultate wahr-
prheinlicb sofort praktisch zu verwerthen. Das Verhalten
der Blattern in dieser Hinsicht kann unsern Eifer anspor-
nen. Die Erfahrung hat gelehrt, dass, um den Blattern
oiitgegon zu treten, es vorläufig noch kein besseres Mittel
gibt, als auf die individuelle Disposition zu wirken, und
dass ihre Verheerungen durch keine Sperrmaassregeln, welche
gegen die Verbreitung des Giftes zielen, wohl aber durch
Vaccination and Kevaccination eingeschränkt werden kön-
nen, welche nur auf die individuelle Disposition wirken.
Die grosse Verschiedenheit in der Empfängliohheit ver-
schiedener Altersklassen, ebenso der verschiedenen Standes-
V: lassen (arm und reich) in epidemisch ergriffenen Orten
geben da sehr gute sachliche Ausgangspunkte für Unter-
u. üb. d. nächsten Aufgab, z. weiteren Ergrundung ihrer Ursachen. Q^
suchungen der verschiedensten Art (Ernährung, Haut-
pficge etc.). Ich habe schon früher darauf aufmerksam ge-
macht, dass Alles, was den Wassergehalt der Organe über
das Normale erhöht, zur Cholera zu disponiren scheint.
Wir müssen die Körperzustände genau zu definiren suchen,
welche im einzelnen Individuum den Ausbruch der Krank-
heit, das Zustandekommen eines Anfalles begünstigen oder
verhindern. Wenn in einer Oarnison, in einem Gefängnisse,
in einer Erziehungsanstalt ein Theil der unter sonst gleichen
Verhältnissen Lebenden erkrankt, der andere nicht, so
*
muss man sich mehr als bisher bemühen, herauszubringen,
was die Disponirtcn von den Nichtdisponirten wesentlich
unterscheidet. Die Steigerung der Anzahl der Cholera-
anrälle unter inficirten Truppen in Indien, sobald sie sich auf
dem Marsche befinden, ist eine höchst merkwürdige That-
sache, die sich wahrscheinlich durch Veränderungen im
peripheren Kreislauf und durch Störungen in der Wärme-
ökonomie des Körpers erklären wird.
Neuere Untersuchungen machen es immer zweifelhafter
und unwahrscheinlicher , dass der Choleraanfall durch eine
im Darme sitzende Ursache ausgelöst wird, sein Wesen
scheint mehr in einer abnormen Thätigkeit vasamotorischer
Nervenparthien zu liegen und von Nervencentralorganen
auszugehen, so dass die Wirkung des Choleragiftes auf die
Durchschwitzung im Darme vielleicht ebenso sekundär ist,
wie die des Malariagiftes auf den Gefässkrampf in der
Haut beim kalten Fieber.
'^ In den drei genannten Kichtungen gibt es so viel zu
beobachten, festzustellen und weiter zu untersuchen, dass
die Kraft und der Ueberblick Einzelner dazu nicht mehr
ausreicht, die Arbeit sollte organisirt und getheilt werden.
Was kann der Einzelne denn thun, wenn es sich um eine
gg Ueber den gegenwärtigen Stand der Cbolernfrage
systematische , fortlaufende BeobaohtuDg z. B. des Scbiffs-
verkebrs gewisser Distrikte und Linieo handelt? was kann
er thun, um gewisse topographische, hydrographische, me-
teorologische und statistische Erhebungen in einer auszu-
wählenden Zahl von Orten verschiedener Gegenden (wir
wollen vorläufig nur an Deutschland denken) zu sammeln,
oder gar erst einzurichten oder vorzuschreiben!'' Wir werden
aller Wahrscheinlichkeit nach schon nächsten Sommer in
einem grösseren Tbeile Europas wieder Gelegenheit haben,
mit der Cholera in ausgedehntere Berührung zu kommen.
Dann wird der ärztliche Stand und die Staatsverwaltung
auch wieder mit derselben Opferwilligkeit und Berufstreue,
wie bisher , in allen Gboleraorten thatig sein , es werden
Ton den Erkrankten dann wieder durchschnittlich die Hälfte
genesen , die Hälfte sterben , gleichviel ob gar nicht, oder
alle-, oder homöopathisch bebandelt, und endlich wird auch
diese Choleraheimsucbung wieder vorübergehen. Die Ueber-
lebenden werden sich zum Scbluss auch diesmal wieder
beglückwünechen und beloben, froh, so viel Notb und Elend
hinter sich zu haben,
Eine ausgebrochene Cboleraepidemie kann von den
Aerzten nach dem gegenwärtigen Stande unseres Wissens
ebenso wenig unschädlich gemacht werden , als eine vor
sieb gehende Schlacht auch durch die besten Ambnlancen
wesentlich unblutiger wird. Eine solche Epidemie rafft,
wie der Krieg die Soldaten, tausende von Uenscben jeden
Alters und Geschlechts in ihrer vollen Thätigkeit und
Schaffen dahin, tauscndo von Kindern, Jünglingen und Jung-
frauen in ihrer schönsten Blütbe, und die Gesellschaft wird
der Frfiobte ihrer viel versprechenden Zukunft ohne jeden
denkbaren ^Nutzen beraubt. Das Leben ist allerdings der
Güter höchstes nicht, aber doch eines der höchsten, welches
wir nie unter seinem Wertbe, daher nur für noch höhere
u. üb. d. nftch&ten Aufgab, z. weiteren Ergrfinduog ihrer Ursachen. g9
ideale Güter hingeben dürfen. Das Sterben in der Schlacht
hat einen Zweck, wir opfern unser Leben für die Unsrigen,
für Interessen des Vaterlandes, der Menschheit: aber was
hat die Welt für einen Gewinn, wenn noch soviel Tausende
an Cholera oder andern Krankheiten sterben ? So wenig
dem Arzte politischer und strategischer Einfiuss auf das
Entstehen und den Verlauf einer Schlacht zukommt, son-
dern nur die Blessirten, sp gross wäre sein Einfluss, wenn
er wüsste und angeben könnte, wie Choleraepidemieen ent-
stehen und was auf ihren Verlauf Einfluss hat. Hier läge
im Wissen auch allein schon eine Macht.
Was thut man aber, um dieses Wissen zu erwerben
und zu vermehren? Soviel wie nichts: man überlässt —
abgesehen von der sorgfaltigen Behandlung und Pflege
der Kranken (der Blessirten) — lieber Alles sIBh selbst,
der Zukunft und dem Zufall, und handelt dadurch nicht
viel besser, als der Proletarier, welcher um seinem Noth-
stand zu entkommen, spielt oder in die Lotterie setzt, anstatt
dass er anfängt, mehr zu arbeiten und zu verdienen. In andern
Fächern macht man's anders. Die Astronomen veranlassen
gegenwärtig alle civilisirten Eegierungen des Erdkreises zu
einem Aufwand von Millionen, blos um den nächsten
Durchgang der Venus durch die Sonnenscheibe auf ver-
schiedenen Punkten der Erde genauer zu beobachten, als
das sonst schon geschehen ist. Die Regierungen gewähren
in richtiger Erkenntniss des hohen Werthes exakter, wissen-
schaftlicher Ergebnisse gerne die grossen Mittel für einen
Forschungszweck, der durch ungünstige Witterung zur be-
stimmten Stunde leicht vereitelt werden kann, und der
ihnen schwerlich näher liegt, als die Cholera; man setzt
Commissionen zusammen, welche voraus eingehend zu be-
rathen und festzustellen haben, was geschehen kann und
soll, wenn die Erscheinung am Firmamente eintritt. War-
r
I ■
90 Uebcr den gegenwartigen Stand der CholerAfr.ige
um thuu das die Regierungen? Weil es nicht ein Einzelner,
sondern die Fachleute insgesammt verlangen, und ihr Ver-
langen zu begründen wissen. Wenn einer oder zwei Astro-
nomen auf den Gedanken kämen, eine Expedition auszu-
rüsten, die übrigen aber sich gleichgiltig dazu verhielten,
so würde wohl keine Regierung auch nur einen Pfennig
dafür bewilligen. Die Cholera ist ein grosses, humanes
und sociales Interesse, sie bei ihrem Durchgang durch die
Länder wissenschaftlich genauer zu beobachten und zu er-
forschen .als bisher, ist gewiss ebenso wichtig, wie der
Durchgang der Venus durch die Sonnenscheibe, oder wie
eine Nordpolexpedition, die man ausrüstet, um Punkte im
Eismeer zu erreichen, die vorher noch kein Schiff erreicht hat.
Aber es scheint, die Cholera muss noch ebenso oft durch
Europa ziehen, ah schon die Venus durch die Sonne ge-
gangen ist, bis man es einmal der Mühe werth findet, auch
dafür Observatorien einzurichten und zwar schon bevor der
Durchgang beginnt. Die nächste Choleraheimsuchung
Europa^s wird unserm Wissen nicht mehr einbringen, a!s
die bisherigen, wenn man nicht mehr dafür thut, als bis-
her. Leider muss ich bezweifeln, ob diesmal mehr vor-
bereitet werden und geschehen wird, als sonst, und ich
spreche aus Erfahrung. Ich habe zu Anfang dieses Jahres
den Vorschlag gemacht, man möchte wenigstens sich einst-
weilen einen Plan über die Beobachtung der Cholera auf
Schiffen machen, — habe aber keinen Anklang gefunden.
Das Einzige, was ich erzielt habe, ist der Bescheid einer
hohen Stelle, dass dieselbe zur Zeit nicht in der Lage sei,
etwas in dieser Richtung zu thun. Ob diese Zeit wohl
kommen wird? Am guten Willen der Regierungen ist
gewiss nicht zu zweifeln, aber die Zeit kann nicht kommen,
wenn von den Vertretern der Medicin nichts geschieht,
um sie herbeizuführen.
n. üb. d. nächsten Aufgab, z. weiteren Ergrfindung ihrer Uraachen. gl
Was lässt sieb aber tbun, um diese Zeit berbeizufübren?
Sie kann nur kommen, wenn die Vertreter der Medicia
ihren Regierungen gegenüber mit einem motivirten Pro-
gramme auftreten, welches diejenigen Punkte bezeicbnet,
auf deren Feststellung es zunächst ankommt, und welches
angiebt, was weiter zu bearbeiten ist. Und das ist nicht
möglich ohne vorausgehende Berathung durch Commissionen
von Sachverständigen. Die internationale Choleraconferenz in
Konstantinopel hat ihrerzeit nach vielen Seiten hin nützlich
gewirkt, manche Arbeiten und Beobachtungen hervorgerufen
und an vielen Punkten neues Leben erweckt. Auch die
Choleraconferenz in Weimar war nicht ohne alle Wirkung,
aber beide beschäftigten sich viel zu wenig mit dem ätio-
logischen Theile, den sie eigentlich schon vorausgesetzt
haben, um ihr Hauptziel zu erreichen, Maassregeln zur
Abwehr der Cholera aufzustellen. So lange die Aetiologie
so unentwickelt ist, wird man mit den Mitteln zur Abwehr
stets Gefahr laufen, die Rechnung ohne den Wirth zu
machen, während aus der Entwicklung der Aetiologie die
rechten Mittel sich wie von selbst ergeben werden.
Warum aber macht man die Cholerafrage nicht schon
längst auch von Seite der Regierungen zum Gegenstände
eines bestimmten, wissenschaftlichen Untersuchungs- Pro-
grammesP Aus dem Grunde, weil wir schon alles Nöthige
wissen und uns nichts mehr abgeht, gewiss nicht. Auch aus
dem Grunde nicht, dass man den Gegenstand für zu gleich-
giltig hält. Ich kann mir nur zwei Gründe denken: ent-
weder glaubt man, alle Wege, welche die Forschung bis-
her betreten hat und zunächst betreten könnte, führen zu
keinem Ziele, seien lauter Irrwege und keiner werth, weiter
und mit grösseren Mitteln als bisher verfolgt zu werden ; oder
man glaubt an die Unmöglichkeit, auf diesen Wegen mit
den gegenwärtig zu Gebote stehenden Mitteln der Forschung
92 Ueber den gegenwärtigen Stand der Ckolerafrage
weiter als bisher zu kommen und häU deshalb vorläufig
allen ferneren und besonderen Aufwand für hoffnungslose
Kraft- und Zeitverschwendung. Ob Jemand das Recht und
den Muth hat, den. ersten Qrund geltend zu machen, will
ich einstweilen dahingestellt sein lassen« Bei aller Bescheiden-
heit, mit welcher unsere Epidemjologie noch aufzutreten
hat, kann man ihr doch kein so vollständiges Armuths-
zeugniss ausstellen. Wenn auch nur weniges, aber einiges
steht doch unzweifelhaft fest, und wenn es weiter nichts
wäre, als dass sich die Cholera durch den Verkehr ver-
breitet, dass Ort und Zeit auf das Entstehen von Epidemieen
einen grossen Einfluss haben, ebenso dass sich die einzelnen
Menschen der specifischen Choleraursache gegenüber sehr
verschieden verhalten, die einen daran schwer, die andern
leicht, und die Mehrzahl gar nicht erkranken. Diese drei
feststehenden Thatsachen bilden ebenso viele Ausgangspunkte
oder Angelpunkte für die Forschung, und müssen in An-
griff genommen werden , dürfen nicht unbeachtet liegen
bleiben, so wenig als man einen Kranken liegen lassen darf,
selbst wenn man ihn unheilbar, ja sogar sterbend auf der
Strasse findet. Manche scheinen zu denken, dass alle Be-
mühungen, diese drei Cardinalpunkte weiter zu zerlegen,
vorläufig erfolglos seien, dass man von allen weiteren Ver-
suchen abstehen müsse, weil doch nichts dabei herauskomme.
Damit träfe die Cholerafrage ein schweres Geschick, der Fluch
der Thatlosigkeit, unter dem alles verkümmert Gleichwie
Sander vom Standpunkt des praktischen Arztes aus es für
nothwendig hält, zu sagen: „Uebertriebener Skepticismus
darf nicht lähmend in den Weg treten, es ist ja nicht immer
nöthig, dass gerade das Beste geschieht, die Hauptsache
ist, dass nur überhaupt etwas geschieht," — so darf man
gewiss auch vom ätiologischen Standpunkte aus mit dem-
selben Rechte sich gegen eine solche Stagnation verwahren,
u. üb. d. näcliBten Aufgab, z. weiteren SrgrÜndung ibrer tJrsacbett. 93
wie sie der Skepticismus auch auf diesem Gebiete herbei-
führen würde. Dazu haben wir nicht die geringste Ver-
anlassung. Wenn Einem nach den bereits vorliegenden
Erfahrungen der Muth nicht zu sinken braucht, in den
Excrementen der Gholerakranken noch immer das Haupt-
mittel der Verbreitung der Krankheit zu erblicken, und
deshalb die Excremente noch immerfort wie bisher zu
desinficiren, dann darf man noch viel mehr auf den Ein-
fluss des Bodens pochen; — wenn schon die blosse Mög-
lichkeit, dass Trinkwasser- ,und Bodenverunreinigungen zur
Choleraverbreitung beitragen konnten, zur Eechtfertigung
hinreicht, um in den Städten so viele Millionen für Eana-
lisirung und Wasserleitungen auszugeben, dann dürfen auch
Boden-, Grundwasser- und Grundluft- Verhältnisse einen klei-
nen Bruchtheil der Aufmerksamkeit und der Pflege für
sich von den Behörden und Gemeinden beanspruchen ; wenn
sich die Regierungen einmal dazu hergeben, auf den blossen
Glauben an die Gontagiosität der Cholera hin Maassregeln
durchzuführen, welche z. B. den Verkehr in einer Weise
belasten und so theuer sind, wie die Quarantänen, dann ist
es auch Pflicht dieser Regierungen, alles aufzubieten, um
den Beweis zu liefern, dass dieser Glaube kein falscher ist,
auf den sich so viele Maassregeln gründen ; dass die Cholera
sich wirklich durch die Excremente der Kranken verbreitet,
und dass jede weitere Zergliederung des menschlichen Ver-
kehrs überflüssig ist; denn sonst würden sie ja durch ihre
Autorität und Macht nur dazu beitragen, Irrthümer zu ver-
ewigen, falsche Standpunkte festzuhalten, anstatt neue,
bessere aufsuchen zu helfen* Mir scheint, es sei Pflicht
der Regierungen, sich ebenso nach Kräften daran zu bethei-
ligen, was uns in der Erkenntniss der Ursachen einer Epi-
demie fordert, als sie sich betheiligen, um deren Wirkungen
entgegen zu treten, und das um so mehr, als die Mittel
94 Ücbrr den gcgCnwSi tigeo Stanil der Cholerafrage e(<i.
dagegen, die sogenannten praktischen Uaasaregeln, ganz vom
jeweiligen Stande des theoretischen Wissens abhängig sind,
wie namentlich die Erfahrungen bei der Cholera seit mehr
ab 40 Jahren gelehrt haben. Die Regierungen versäumen
ihre Pflicht, wenn sie die Entwicklung unseres ätiologischen
Wissens nuch ferner so ganz, wie bisher sich selbst, d. h.
dorn Zufalle überlassen, in dem ralsclion Qla|iben, die Theorie
sei in solchen Dingen glcichgiltig für die Praxis.
Im Verlage von R. Oldenbourg in München ist ferner
erschienen :
Cholera-Regulativ.
Den Sanitätsbehörden, den Aerzten und dem
Publikum vorgelegt
Yon
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ßriesiuger, v. Pettenkofer u. v. Wanderlieb.
Zweite Auflage.
32 Seiten gn &ö. broscliirt.
Preis 8 Sgr. oder 24 kr*
Die Cholera in Lübeck.
Von
I>r. E« Cordes.
(Separat-Abdruck aus der Zeitschrift für Biologie.)
Mit l Karte von Lübeck und l Bodenprofil.
6 t Seiten gn 8^. cartonnirt.
Preis 1 Thir. 6 Sgr. o.Ur 2 fl.
Boden ^ Grundwasser
in ihren Beziehungen zu Cholera und Typhus.
Er^vldefung
auf, Rudolph Virchow's hjgionische Studie .^ranalisalioii oder Abfuhr".
Von
Dr. Max von Pettenkofer
(Separat-Abdr. aus der Zeitschr. für Biologie, Band V, Heft 2.)
IV u. 160 Seiten gr. S^. broschirt.
Preis 1 Thlr. 2 Sgr. oder 1 fl. 48 kr.
1
Die Cholera-Verhältnisse Thüringens.
Von
Dr. L Pfeiffer.
(Separat- Abdruck aus derZeitschrift für Biologie, Jahrg. 1867.)
96 Seiten gr. 8^ mit 7 Karten und Plänen, cartonnirt.
Preis 1 Thlr. 10 Sgr. oder 2 fl. 24 kr.
Verhandlungen derCholera-Conferenz
zu W eimai* ^
am 28. und 29. April 1867-
Nach den stenographischen Aufzeichnungen
redigirt ron
i ^ Dr. Thomas.
Mit einem Vorworte
von
Dr. Max v, Pettenkofcr.
(Supplement zur Zeitschrift für Biologie, Jahrg. 186Z.)
VIII u. 92 Seiten gr. 80.
Mit 12 Plänen von London und St. Petersburg, cartonnirt.
Preis 1 Thlr. 10 Sgr. oder 2 fl. 12 kr.
Preis für Abnehmer der Zeitschrift für Biologie 1 Thlr.
oder 1 fl. 45 kr.
Zeitschrift für Biologie.
Von
L Bah], H. T. Pettenkofer, L. Radlkofer u. C. Voit,
Professoren an der Universität MQnchen.
Gross 80. Erscheint seit 1865. Jedes Jahr ein Band von
4 Heften (jedes Heft ca. 144 Seiten) mit vielen Karten,
Stadtplänen und Tabellen.
Preis per Jahrgang 4 Rthlr. 20 Sgr. oder 8 fl.
Bei Abnahme von mehr als 5 Jahrgängen sind die Bnchhandlnngen
ui den Stand gesetzt, eine entsprechende rreisredoktion zu gewähren.
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