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Full text of "Ueber die einwirkung des morphins auf die athmung. Aus dem Physiologischen institute zu Erlangen"

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in  2010  with  funding  from 
Columbia  University  Libraries 


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DIE  EINWIRKUNG  DES  MORPHINS 


AUF  DIE     «  * 


ATHMUNG. 


AUS  DKM  PHYSIOLOGISCHEN  INSTITUTE  ZU  ERLANGEN. 


VON 


Dr.  WILHELM  FILEHNE, 

A.    O.    PROFESSOR    AN    DER    UNIVERSITÄT    ERLANGEN. 


MIT  2  TAFELN. 


COLUMBIA  UNIvfRpiTY 

DEPARTMENT  OF  PUYSLOLOf 

College  of  Physicians  änd$u«geoi 
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NEW  YORK 


LEIPZIG, 
DRUCK  VON    J.  B.  HIRSCHFELD. 

1879. 


UEBER 

DIE  EINWIRKUNG  DES  MORPHINS 


AUF  DIE 


ATHMUNG. 


AUS  DEM  PHYSIOLOGISCHEN  INSTITUTE  ZU  ERLANGEN. 


VON 


Dr.  WILHELM  FILEHNE, 

A.    O.     PR0EE33OR    AN"    DER    UNIVERSITÄT     EKLAHGBN. 


MIT  2  TAFELN. 


LEIPZIG, 

DRUCK   VON    J.  B.   HIRSCHFELD. 

1879. 


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f4T 


Separatabzug 

aus  dem  Archiv  für  experimentelle  Pathologie  und  Pharmakologie.    X.  u.  XI.  Bd. 


U  eber  die  Wirkung  des  Morphins  auf  die  Athrnung  besteht  unter 
den  Autoren  und  in  den  Lehrbüchern  eine  fast  vollständige  Ueber- 
einstimmung.  Alle  geben  eine  Verlangsamung  der  Athmung  an, 
welche  auf  einer  Abnahme  der  Erregbarkeit  des  Athmungscentrums 
beruht.  Namentlich  ist  dies  von  Gscheidlen  l)  zuerst  betont.  Ihm 
schliessen  sich  Leichtenstern2),  von  Boeck  und  Bauer3),  so- 
wie in  neuester  Zeit  Witkowski4)  in  der  Hauptsache  an.  Leich- 
tenstern hatte  ausserdem  auch  eine  bedeutende  Abnahme  der 
Athemgrösse,  d.  h.  des  inspirirten  Volums  in  der  Morphinnarkose 
ermittelt  und  auch  diese  als  Folge  der  Erregbarkeitsverminderuug 
angesehen.  Im  Anschlüsse  an  diese  Erfahrung  und  an  die  Beob- 
achtung von  Boeck 's5),  dass  eine  wenn  auch  sehr  geringe  Ver- 
minderung des  Eiweissumsatzes  unter  dem  Morphineinflusse  statt- 
habe, konnte  man  daran  denken,  dass  durch  das  Morphin  eine  Ver- 
minderung des  Stoffwechsels  der  stickstofffreien  Substanzen  resp.  eine 
Verringerung  der  CO2- Bildung  verursacht  werde;  deshalb  prüften 
von  Boeck  und  Bauer  die  CO-2-Ausscheidung  während  der  Mor- 
phinwirkung; sie  fanden,  dass  diese  und  also  der  Stoffwechsel  der 
N-freien  Substanzen  überhaupt  durch  das  Morphin  nicht  direct  be- 
einflusst  würden.  Wo  sich  Abweichungen  von  der  Norm  zeigten, 
da  waren  sie  durch  das  Auftreten  oder  Fehlen  von  Muskelthätigkeit 


1)  Unt'  rs.  a.  d.  physiol.  Labor,  in  Würzburg.  II.  (1869)  S.  1. 

2)  '    itscbr.  f.  Biolog.  Bd.  VII.  ( 1871)  S.  197.  (S.  219  ff.) 

3)  7*  id.  Bd.  X.  (1874)  S.  336.  (S.  339  ff.) 

4)  Archiv  f.  experimeut.  Pathol.  u.  Pharmakol.  Bd.  VII.  (1877)  S.  247.  (S.  258). 

5)  Zeitscbr.f.  Biolog.  Bd.  VII.  (1871)  S.  418.  (S.  420  ff.) 

Filehne,  Einwirkung  d.  Morphins  auf  <i.  Atliuiung.  1 


verursacht  oder  es  stand  doch  dieser  Erklärung  wenigstens  nichts 
im  Wege.  Somit  schien  die  Einwirkung  des  Morphins  auf  die  Ath- 
mung  eine  äusserst  einfache  zu  sein.  Der  Stoffwechsel  resp.  der 
durch  denselben  bedingte  Athmungsreiz  wurde  nicht  geändert  und 
die  in  der  Athmung  zu  beobachtende  Veränderung,  —  die  Verlang- 
samung, —  war  ausschliesslich  auf  Erregbarkeitsverminderung  des 
Athmungscentrums  zu  beziehen.  Der  Gedanke,  dass  die  Einwirkung 
des  Morphins  auf  die  Athmung  den  erwähnten  Vorstellungen  wohl 
nicht  ganz  entsprechen  möchte,  kam  mir  bei  Gelegenheit  meiner 
Untersuchungen  über  das  Cheyne  -  Stokes'sche  Athmungsphänomen.1) 
Dort  hatte  ich  mitgetheilt,  dass  man  mittelst  grosser  Gaben  Morphin 
und  kleiner  Mengen  Aether  oder  Chloroform  bei  Kaninchen  und 
Hunden  eine  periodische  Athmuug  herbeiführen  könne. 

Für  das  Verständniss  der  Wirkung,  die  Morphin  und  Anaesthe- 
tica  auf  die  Athmung  ausüben,  erschien  es  wünschenswerth,  dieser 
Erscheinung  genauer  nachzugehen,  als  ich  es  damals  gethan  hatte. 
Sehr  bald  zeigte  sich,  dass  die  Darreichung  der  Anaesthetica  zur  Er- 
zeugung jener  Athmungsveränderung  überflüssig  sei  und  es  schränkte 
sich  daher  die  Untersuchung  auf  die  Morphinwirkung  ein.  Bald  er- 
kannte ich  auch,  dass  die  periodische  Athmung  nur  in  frühen 
Stadien  der  Vergiftung  zu  Stande  kommt,  dass  hierbei  die  Frequenz 
in  toto  vermindert  ist,  und  dass  zuweilen  in  diesen  frühen  Stadien 
nur  die  Frequenzabnahme  aber  keine  Periodicität  zu  beobachten  ist. 
In  späteren  Stadien,  resp.  nach  grösseren  Dosen,  nahm  die  Fre- 
quenz dann  wieder  zu  und  eine  etwa  bestehende  Periodicität 
verschwand.  An  dieses  Stadium  schloss  sich  später  die  Agone,  d.  h. 
ein  allmähliches  Erlahmen  der  Athmung  bis  zum  Tode  an. 

Dem  entsprechend  zerfällt  die  folgende  Mittheilung  im  Wesent- 
lichen in  drei  Hauptabschnitte :  1.  Die  Wirkung  des  Morphins  im  frü- 
hen Stadium  (verlangsamte,  periodische  Athmung);  II.  seine  Wirkung 
im  späteren  Stadium  (rhythmische  Athmung);  111.  die  Agone. 

I.   Frühes  Stadium  (periodische  resp.  verlangsamte  Athmung). 

In  den  Veröffentlichungen  über  das  klinische  Cheyne-Stokes- 
sche  Phänomen  hatte  ich  neben  anderen  Argumenten  jene  experi- 
mentelle Erzeugung  einer  periodischen  Athmung  als  Stütze  einer  von 
mir  aufgestellten  Theorie  aufgeführt  und  hatte  die  im  Experimente 
gefundene  Periodicität  auf  die  gleichen  Vorgänge  bezogen,  von  wel- 
chen meiner  Ansicht  nach  das  klinische  Phänomen  abhängig  war. 

1)  Berl.klin.  Wochenschr.  lS7J.No.  13  u.  14.  Ebenda  No.  33  u.  35. 


Nach  meiner  wie  ich  glaube  genügend  begründeten  Auffassung 
beruht  das  klinische  Phänomen  auf  einer  periodisch  wiederkeh- 
renden dyspnoischen  Innervation  der  Hirngefässe.  Die  hierbei  ent- 
stehende Contraction  der  Hirngefässe  führt  eine  zuerst  zunehmende 
Auäniie  der  Medulla  oblongata  herbei,  wodurch  das  in  jenen  patho- 
logischen Fällen  schwer  erregbare  Athmungscentrum  in  zunehmendem 
Grade  erregt  wird;  die  auf  diese- Weise  veranlasste  Athmung  arte- 
rialisirt  dann  das  Blut,  und  in  Folge  davon  hört  die  Erregung  des 
vasomotorischen  Centrums  auf.  Jetzt  erschlaffen  die  Hirnarterien  all- 
mählich und  geben  dem  verhältnissmässig  gut  arterialisirten 
Blute  mehr  und  mehr  Zutritt  zum  Respirationscentrum,  und  daher 
nimmt  die  Athmung  allmählich  ab,  bis  endlich  Apnoe  eintritt.  Diese 
Apnoe  dauert  so  lange,  bis  wieder  der  Reiz  der  Venosität  so  weit 
angewachsen  ist,  dass  er  eine  Erregung  des  vasomotorischen  Cen- 
trums herbeiführt,  worauf  sich  das  Spiel  wiederholt. 

Der  Drehpunkt  der  ganzen  Theorie  ist,  wie  man  sieht,  folgende 
Voraussetzung:  die  Athmung  kommt  nicht  dadurch  zu  Stande,  dass 
die  Venosität  des  Blutes  direct  für  sich  allein  den  Reiz  liefert» 
sondern  letztere  provocirt  auch  noch  indirect  die  Athmung,  indem 
sie  zunächst  eine  Innervation  der  Hirngefässe  und  damit  Anämie  der 
Medulla  oblongata  herbeiführt.  War  diese  Voraussetzung  richtig,  so 
besagte  sie  mit  anderen  Worten,  dass  in  jenen  Fällen  das  Respira- 
tionscentrum im  Vergleich  zum  vasomotorischen  Centrum 
eine  Einbusse  seiner  Erregbarkeit  erlitten  habe  (wobei  die  abso- 
lute Höhe  der  Erregbarkeit  der  beiden  Centra  durchaus  gleichgültig 
bleibt).  Eine  so  vorgeschrittene  Venosität  des  Blutes,  die  eben  schon 
eine  Erstickungsinnervation  der  Hirnarterien  zu  veranlassen  im  Stande 
ist,  kann  sich  in  jenen  pathologischen  Fällen  entwickeln,  ohne  dass 
das  Athmungscentrum,  wie  dies  in  der  Norm  geschieht,  durch  recht- 
zeitiges In-Action-treten  die  Schädlichkeit  vorher  entfernte.  Es  rea- 
girt  also  der  Gefässapparat  prompter  als  das  Athmungscentrum. 

In  der  Beweisführung  für  die  Richtigkeit  meiner  Auffassung 
hatte  ich  angeführt,  dass  bei  Thieren  mit  periodischer  Athmung  am 
Ende  der  Athempause  ein  Steigen  des  Drucks  eintrete,  welches  bis 
zur  Akme  der  Athemperiode  andauere,  und  dass  der  Druck  von  da 
an  bis  zur  Pause  wieder  absinke.  Ein  solcher  Befund  entspricht, 
wie  man  sieht,  den  von  mir  behaupteten  Arterien-Innervationen.  Aber 
freilich  ein  wirklicher  Beweis  für  die  Richtigkeit  meiner  Theorie 
liegt  in  dieser  Erfahrung  nicht.  Denn  auch  ohne  Contraction  der 
Hirnarterien  könnte  sehr  wohl  eine  allgemeine  Drucksteigerung,  z.  B. 
durch  Contraction  anderer  Arterien  statthaben   und  dann  würde  im 


—    4    

Gegentheil  ein  vermehrter  Blutzufluss  zum  Hirn  stattfinden,  —  dann 
fiele  meine  Theorie.  Immerhin  war  aber  das  Stattfinden  einer  all- 
gemeinen Gefässinnervation  ein  ferneres  Indicium  dafür,  dass  die 
von  mir  angenommene  und  anderweitig  wohl  genügend  nachgewie- 
sene besondere  Innervation  der  Arterien  der  Medulla  oblongata  eben- 
falls Platz  greife.  Jene  Beobachtung  über  das  Verhalten  des  Blut- 
drucks periodisch  athmender  Thiere  hatte  ich  mittelst  eines  einfachen 
Quecksilbermanometers  gemacht;  der  graphischen  Methode  konnte 
ich  mich  damals  aus  äusseren  Gründen  nicht  bedienen.  So  blieb 
denn  eine  gewisse  Ungenauigkeit  und  Unvollständigkeit  bestehen, 
die  ich  jetzt  bei  erneuter  Untersuchung  beseitigt  habe. 

Zu  den  Versuchen  dienten  dies  Mal  ausschliesslich  grosse  Ka- 
ninchen. Als  die  zur  Herbeiführung  einer  periodischen  Athmung  ge- 
eignetste Dosis  erwies  sich  mir  nach  genauerem  Probiren  0,05  bis 
0,1  (salzsauren)  Morphins.  Die  beste  Applicationsweise  ist  Ein- 
spritzung in  die  Venen  (die  subcutane  Einführung  leistet  zwar  das- 
selbe, kostet  aber  mehr  Morphin).  Unmittelbar  nach  der  Einspritzung 
ist  die  Athmung  stets  eine  Zeit  lang  stark  verlangsamt.  In  weitaus 
der  grössten  Mehrzahl  der  Fälle  ist  sie  hierbei  von  vornherein  pe- 
riodisch, d.  h.  eine  Gruppe  auf  einander  (übrigens  auch  verlangsamt) 
folgender  Athemzüge  ist  von  einer  ähnlichen  vorhergehenden  und 
einer  folgenden  Gruppe  durch  eine  grössere  Pause  getrennt.  Diese 
Verlangsamung  resp.  Periodicität  der  Athmung  ist  eine  vorüber- 
gehende Erscheinung.  Meist  dauert  sie  nur  kurze  Zeit  etwa  10 
bis  15  Minuten,  die  längste  Dauer,  die  ich  sah,  betrug  etwa  eine 
Stunde.  Je  mehr  die  Dosis  0,1  übersteigt,  um  so  kürzer  ist  die 
Erscheinung.  Wenn  die  Respiration  wieder  regelmässiger  und  häu- 
figer zu  werden  beginnt,  so  kann  durch  fernere  Darreichung  von 
Morphin  das  Phänomen  nicht  mehr  hervorgerufen  werden. 

Am  häufigsten  zeigt  sich  die  periodische  Respiration  so,  dass 
auf  Pausen  von  etwa  5 — 15  —  20  Secunden  2 —  3  ziemlich  gleiche 
durch  kleinere  Pausen  von  2 — 3  Secunden  getrennte  Athemzüge  auf- 
treten. Uebergänge  bis  zu  wohl  ausgebildeten  Cheyne-Stokes'schen 
Phänomenen  (langsames  Zu-  und  später  Abnehmen  der  einzelnen 
Athemzüge  an  Tiefe)  finden  sich  oft.  Häufiger  tritt  unter  diesen 
Fällen  das  Decrescendo  als  das  Crescendo  deutlich  hervor.  Die 
Pausen  können  sich  bis  zu  3  Minuten  und  darüber  ausdehnen. 

Die  Versuche  wurden  nun  in  folgender  Weise  durchgeführt:  Es 
wird  eine  Canüle  in  die  eine  Vena  jugularis  geführt ;  Kymographion- 
Canüle  in  die  Carotis  der  anderen  Seite;  Tracheotomie  und  Ein- 
führen einer  gegabelten  Glascanüle  in  die  Trachea;  Herstellung  der 


Verbindung  der  Carotis  mit  einem  F  ick 'sehen  Federkymographion, 
dessen  Hebel  auf  einer  Trommel  mit  berusstem  Papiere  zeichnet: 
Umfang  der  Trommel  50  Centimeter,  Umdrehungsgeschwindigkeit 
1:1',  also  1  Centimeter  ==  1,2  Secunden.  Die  eine  Gabelung  der 
Trachealcanüle  wurde  mit  einer  Marey'schen  Trommel  (tambour  ä 
levier)  verbunden,  dessen  Hebel  genau  senkrecht  unter  dem  des  Ky- 
mographions  zeichnete.  Darauf  wurde  die  stets  frisch  bereitete  .Mor- 
phinlösung eingespritzt  und  alsbald  mit  der  Kegistrirung  begonnen. 
Aus  der  Zahl  der  so  gewonnenen  Curven  lege  ich  einige  vor.  Drei 
Keinen  sind  zu  unterscheiden: 

A.  Von  Thieren,  die  ausschliesslich  nach  der  vorher  besprochenen 
Weise  behandelt  waren; 

B.  Von  Thieren,  denen  ausserdem  noch  die  beiden  Vagi  vorher 
durchschnitten  waren; 

C.  Von  Thieren,  die  unmittelbar  vor  der  Morphininjection  eine 
Lösung  von  4  Mgrm.  Atropinum  sulphuricum  injicirt  bekom- 
men hatten. 

Beschreibung  der  Curven  der  Reihe  A  (Tafel  Vü  und  VEt.  Fig.  1-9). 

Fig.  1.  Im  Allgemeinen  zeigt  sich  Folgendes:  Während  der  Pause 
sinkt  der  Druck  zuerst  ab,  kurz  vor  dem  Ende  der  Pause  hebt  er 
sich  wieder  und  erreicht  erst  jenseits  der  Mitte  der  Athmung  sein 
Maximum,  um  von  dieser  wieder  zur  Pause  hin  in  der  vorigen  Weise 
abzusinken.  Die  Pulsfrequenz  ist  im  Allgemeinen  am  grössten,  3  in 
der  Secunde,  wann  der  Druck  am  niedrigsten  ist,  also  während  des 
grössten  Theiles  der  Pause;  kurz  vor  dem  Beginn  der  Athmung  sinkt 
die  Frequenz  auf  1,3  (in  der  zweiten  Periode);  während  des  ersten 
Athemzuges  findet  eine  weitere  Verlangsamung  auf  1,1  statt;  im 
zweiten  Athemzuge  steigt  die  Frequenz  auf  1,7,  im  dritten  auf  1,9 
und  zur  Pause  wieder  auf  3,0.  Die  geringste  Frequenz  fällt  auf 
den  Gipfel  der  Druckcurve.  Doch  ist  hier  zu  bemerken,  dass  auf 
dem  Gipfel  gerade  dort,  wo  die  stärkste  Verlangsamung  statthat, 
eine  sattelförmige  Einziehung  der  Curve  besteht.  Die  inspiratori- 
schen Einziehungen  der  Druckcurve  sind  ebenfalls  deutlich  ausge- 
prägt. Ferner  sehen  wir,  dass  die  absoluten  Höhen  des  Drucks 
in  der  gleichen  Phase  zweier  verschiedener  Perioden  durchaus  un- 
gleich sind.  Es  entsprechen  z.  B.  in  der  zweiten  Periode  die  abso- 
luten Höhen  des  höchsten  Drucks  zufällig  gerade  denjenigen  Höhen, 
welche  in  der  ersten  Periode  der  niedrigste  Druck  einnahm  —  kurz 
es  besteht  zwar  innerhalb  jeder  Periode  ein  bestimmtes  Verhältniss 
der  Höhen,  aber  jede  Periode  ist  unabhängig  von  der  anderen. 


6    — - 

Dort,  wo  die  Frequenz  am  geringsten  resp.  der  Druck  am  höch- 
sten ist,  sind  die  einzelnen  Herzelevationen  am  höchsten. 

Analoge  Verhältnisse,  wie  die  eben  erwähnte  Curve,  wenn  auch 
minder  ausgesprochen,  bietet  die  von  einem  anderen  Thiere  stam- 
mende Curve  Fig.  2.  Das  Absinken  des  Drucks  in  der  Pause,  die 
Erhebung  der  Curve  kurz  vor  Beginn  der  Athmung,  der  Gipfel  über 
der  ganzen  Athmuugsreihe ,  die  sattelförmige  Einziehung  auf  dem 
Gipfel  zur  Zeit  der  grössten  Pulsverlangsamung ,  die  Frequenzände- 
rungen des  Pulsschlages  —  Alles  ist  hier  ebenso  wie  in  der  ersten 
Curve,  wenn  auch  weniger  deutlich  charakterisirt.  Fig.  3  und  4 
stammen  von  einem  dritten  Kaninchen,  welches  zeitweilig  ausgespro- 
chener in  Cheyne  Stokes'scher  Form  athmete,  d.  h.  es  kamen  nach 
einer  längeren  Pause  (die  nicht  in  die  Figur  aufgenommen  ist)  zuerst 
kaum  wahrnehmbare  Athemzüge ;  die  Athmung  nahm  dann  an  Tiefe 
zuerst  zu  und  dann  wieder  allmählich  ab ;  in  Fig.  3  ist  dies  zum  Theil 
gut  ausgesprochen.  Auch  diese  Curven  zeigen  die  an  den  vorigen 
Curven  erörterten  Eigenthümlichkeiten.  Dass  die  Curven  nicht  immer 
ganz  nach  dem  erörterten  Schema  laufen,  zeigt  Fig.  5  (von  einem 
anderen  Thiere).  Hier  stellt  gewissermaassen  die  Athmungscurve  die 
zweite  Hälfte  einer  ganz  echten  Cheyne-  Stokes'schen  Periode  dar.  — 
Die  Athmung  beginnt  sehr  stürmisch  und  geht  dann  decrescendo.  Hier 
läuft  die  Blutdruckscurve  anders  als  in  den  bisherigen  Fällen.  (Wäh- 
rend einer  Pause  von  etwa  einer  Minute  hatte  die  Druckcurve  von 
gleicher  Höhe  und  Puslfrequenz,  wie  sie  auf  der  Figur  am  linken 
Ende  zu  sehen  ist,  allmählich  sich  gesenkt  während  ebenso  allmählich 
die  Frequenz  abnahm  bis  die  Curve  zu  dem  [rechten]  Anfangspunkte 
unserer  Figur  gelangte.)  Hier  sehen  wir  die  Curve  unter  fernerer  ge- 
ringer Frequenzabnahme  (bis  zu  1,7  Pulsschlag  in  der  Secunde)  sich 
um  ein  Geringes  senken,  dann  bleibt  sie  mit  einer  Frequenz  von  1,6 
Pulsschlag  in  der  Secunde  eine  kurze  Strecke  horizontal  und  steigt 
vom  ersten  Athemzüge  an  ziemlich  schnell,  während  sofort  die  Fre- 
quenz auf  das  Doppelte  geht;  kurz  nach  dem  dritten  Athemzüge  ist 
der  Druck  auf  seiner  höchsten  Höhe,  die  Frequenz  ist  auf  3,0  ge- 
stiegen; im  weiteren  Verlaufe  der  abnehmenden  Athmung  sinkt  die 
Curve  dann  wie  die  früheren  Curven,  während  die  Frequenz  schliess- 
lich auf  3,7  in  der  Secunde  steigt. 

Noch  stärker  ausgesprochen  sind  diese  Vorgänge  in  Fig.  6  und 
7,  welche,  von  einem  anderen  Thiere  geliefert,  eine  Form  zeigen, 
die  mit  zu  den  häufigsten  gehört. 

Bei  Fig.  6  sieht  man  vor  der  ersten  Respirationsphase,  die  nur 
aus   einem  Athemzüge   besteht,    den  Druck   steigen   und   hinter  der 


Respiration  fallen.  Bei  der  zweiten  Athmungsphase  ist  dies  Ver- 
halten schon  nicht  mehr  zu  erkennen  und  bei  der  dritten,  sehr 
dyspnoischen  „Solitär"-Respiration  hat  sich  das  Verhältniss  umge- 
kehrt: hier  steigt  der  Druck  hinter  der  Inspiration.  Von  da  ab  fällt 
der  Druck  stetig  bis  zur  nächsten  Inspiration,  hinter  welcher  er  — 
was  jedoch  nicht  mehr  auf  diese  Figur  gelangte  —  wieder  beträcht- 
lich stieg.  Am  auffallendsten  gestaltet  sich  die  Pulsfrequenz.  Sie 
ist  überall  sehr  stark  vermindert.  Nur  2 — 4  Secunden  hinter  jeder 
Respiration  zeigt  der  Puls  einige  Beschleunigung  und  an  diesen  Stellen 
sieht  man  jedesmal  ein  Ansteigen  des  Blutdrucks.  Gegen  Ende  der 
Pause  und  über  den  solitären  Athemzügen  ist  die  Verlangsamung  am 
grössten.  In  der  Pause  nach  der  dritten  Athmung  ist  dies  am  meisten 
ausgesprochen;  dort  kommt  es  zu  Herzstillständen  von  2  Secunden 
Dauer.  Wie  die  Curve  sich  nach  einer  solchen  Verzögerung  gestaltet, 
davon  liefert  Fig.  7  ein  Bild.  Hinter  der  ersten  grösseren  Pause 
mit  sinkendem  Drucke  und  mehr  und  mehr  angehaltener  Herzaction 
kommt  ein  einziger  tiefer  Athemzug;  alsbald  beschleunigt  sich  die 
immer  noch  stark  verzögerte  Herzaction  etwas  und  der  mittlere 
Druck  hebt  sich  etwas.  Ohne  dass  der  mittlere  Druck  sänke  tritt 
aber  im  weiteren  Verlaufe  der  neuen  Pause  eine  neue  sehr  starke 
Verzögerung  des  Herzschlages  ein,  die  mit  dem  Eintritte  einer  zuerst 
stark  dyspnoischen  allmählich  aber  decrescendo  verlaufenden  Ath- 
mungsperiode  eine  Unterbrechung  erfährt.  Gleichzeitig  mit  dieser 
hebt  sich  dann  die  Frequenz  in  ziemlich  schnell  zunehmendem  Maasse, 
und  es  steigt  der  Druck  bedeutend  an;  gegen  Ende  der  Athmung 
(dieses  Stück  der  Curve  ist  nicht  mehr  wiedergegeben)  sank  der 
Druck  wieder  ab. 

Fig.  8  stellt  die  von  demselben  Thiere  in  dem  späteren  Sta- 
dium der  Vergiftung  gelieferte  Curve  dar,  von  der  im  Abschnitte  II 
(späteres  Stadium)  unserer  Mittheilung  noch  die  Rede  sein  wird. 

Eine  Vermittlung  zwischen  diesen  zwei  letzten  Experimenten  und 
den  früheren  bildet  die  Fig.  9,  welche  von  einem  anderen  Thiere 
stammt.  Die  Athmung  hat  hier  denselben  Decrescendocharakter  wie 
in  der  vorigen  Figur.  Die  Druckcurve,  die  nur  äusserst  geringe 
Schwankungen  zeigt,  lässt  diese  Schwankungen  ganz  im  Sinne  un- 
serer ersten  Curven  verlaufen,  d.  h.  vor  Beginn  der  Athmung  sieht 
man  ein  geringes  Steigen,  ausgedrückt  durch  ein  vermindertes  Ein- 
sinken der  Curve  in  den  dem  Athmungseintritt  (der  zweiten  Periode) 
vorhergehenden  Diastolen;  ebenso  sind  die  Diastolen  während  der 
Athmungsperiode  abgeflacht,  und  zwar  entsprechend  der  decrescendo- 
verlaufenden Athmung  erst  mehr  dann  weniger  abgeflacht ;  die  inspi- 


ratorische  Druckerniedrigung  ist  über  jeder  Inspiration  durch  ein 
Tieferwerden  der  diastolischen  Einschnitte  ausgedrückt.  Das  —  aller- 
dings sehr  geringe  —  Ansteigen  des  Drucks  kennzeichnet  sich  auch 
dadurch,  dass  an  den  drei  Herzelevationen ,  welche  der  ersten  In- 
spiration vorhergehen,  die  Fusspunkte  derselben  eine  aufsteigende 
Linie  bilden.  Das  Verhalten  der  Pulsfrequenz  ist  ebenfalls  nach 
unserem  früheren  Schema;  nur  ragt  die  Verlangsamung,  die  vor  Be- 
ginn der  Athmung  ähnlich  wie  in  der  vorigen  Figur  ausgesprochen 
ist,  auch  wie  in  unseren  ersten  Curven  noch  in  die  Athemperiode 
hinein.  Auch  die  Veränderungen  der  Pulsfrequenz  sind  keine  sehr 
bedeutenden:  1,7  (in  der  Secunde)  vor  und  ebensoviel  während  des 
Beginns  der  Athmung  und  von  da  ab  bis  zur  Pause  zunehmend,  wo 
die  Frequenz  2,1  (in  der  Secunde)  beträgt.  Ich  würde  bei  der  Ge- 
ringfügigkeit aller  Veränderungen  diese  Curve  gar  nicht  vorgelegt 
haben,  wenn  sie  nicht,  wie  vorher  bemerkt  wurde,  den  Uebergang 
zwischen  den  vorigen  und  den  früheren  Curven  zu  bilden  geeignet 
wäre,  und  wenn  mir  nicht  daran  gelegen  wäre  zu  zeigen,  neben  wie 
äusserst  geringfügigen  Veränderungen  im  Gefässsysteme  eine  perio- 
dische Athmung  ablaufen  kann. 

Reihe  B  (von  vagotomirten  Thieren).     (Tafel  VTII.  Fig.  10—15.) 

Diese  Versuchsreihe  wurde  angestellt,  weil  ich  schon  früher  ge- 
funden hatte  l),  dass  jene  Pulsverlangsamung  kurz  vor  oder  inmitten 
der  Athmung  auf  einer  Erregung  des  Vaguscentrums  beruhe  und 
ausbleibe,  wenn  man  die  Vagi  durchschneidet,  während  die  Periodi- 
cität  der  Athmung  auch  nach  dieser  Operation  fortbesteht. 

Zwar  sinkt,  wie  ich  früher  (1.  c.)  schon  bemerkte,  der  Werth 
dieser  Blutdruckuntersuchungen  in  Anbetracht  der  Thatsache,  dass 
diese  vagotomirten  Thiere  sich  meistens  sehr  ungeberdig  während 
der  periodischen  Athmung  benehmen,  ja  häufig  sogar  während 
der  Athmungsperiode  heftige  Erstickungskrämpfe  haben,  wo- 
durch schon  an  und  für  sich  Blutdrucksteigerung  herbeigeführt  wird. 
Indessen  gibt  es  doch  Fälle  (und  zwar  besonders  solche  mit  kurzen 
Pausen),  in  denen  diese  Uebelstände  sich  nicht  geltend  machen  und 
solchen  sind  die  folgenden  Curven  entnommen. 

Fig.  10  und  11  von  ein  und  demselben  Thiere.  Fig.  10  zeigt 
Pausen  von  6  Secunden  und  Athemperioden  von  zwei  oder  drei 
Athemzügen ;  die  Dauer  einer  ganzen  Athmungsperiode  ist  meist  eben- 


1)  Berliner  kiin.  Wochenschr.  1874.  No.  13.  auf  S.  449. 


9    

falls  6  Secunden  (einmal  12  Secunden).  Jedesmal  während  des 
ersten  Athemzuges  und  zwar  nach  Beginn  der  Inspiration  l)  steigt  der 
Druck  steil  an  und  erreicht,  bald  vor,  bald  nach  dem  zweiten  Athem- 
zuge,  sein  Maximum,  um  dann  zur  Pause  hin  abzusinken.  Die  Puls- 
frequenz bleibt  überall  gleich.  Sattelförmige  Einsenkungen  sind  nir- 
gends zu  bemerken. 

In  Fig.  1 1  ist  die  durchschnittliche  Dauer  der  Pausen  5—6  Se- 
cunden, die  der  Athmungsperioden  verschieden:  die  erste,  aus  zwei 
Athemziigen  (von  denen  der  erste  der  bedeutendere)  bestehend,  dauert 
5,  die  zweite  und  dritte,  aus  je  drei  decrescendoverlaufenden  Re- 
spirationen zusammengesetzt,  dauern  10  Secunden.  Auch  hier  steigt 
jedes  Mal  mit  dem  ersten  Athemzuge  der  Druck.  Kurz  hinter  dem 
stark  dyspnoischen  ersten  Athemzuge  erreicht  der  Druck  sein  Maxi- 
mum und  fällt  während  der  decrescendo  gehenden  Athmung  und 
während  der  Pause.  Ausserdem  lässt  sich  überall  die  inspiratorische 
Druckerniedrigung  erkennen.  Während  auch  hier  die  Pulsfrequenz 
im  Allgemeinen  durchaus  ungeändert  bleibt,  sehen  wir  über  dem 
Beginne  der  zweiten  Pause  zur  Zeit  einer  noch  bestehenden  Druck- 
steigerung eine  Arrhythmie,  wie  sie  bekanntlich  bei  hohem  Druck 
auch  nach  Vagusdurchschneidung  gelegentlich  zu  beobachten  ist.  An 
der  Stelle  dieser  Arrhythmie  geht  der  Druck  auf  ganz  kurze  Zeit 
etwas  herunter. 

Fig.  12  von  einem  anderen  vagotomirten  Thiere  zeigt  dieselben 
Verhältnisse,  auch  hier  fehlen  jene  sattelförmigen  Vertiefungen,  welche 
die  Curven  der  ersten  Reihe  an  den  Stellen  der  Pulsverlangsamung 
boten;  auch  hier  ist  eine  kleine  Arrhythmie  mit  schnell  vorüber- 
gehender, geringer  Drucksenkung.  Wenn  schon  in  den  vorigen  Cur- 
ven der  im  Vergleich  zu  den  Curven  der  Reihe  A  späte  Eintritt 
der  Blutdrucksteigerung  auffiel,  so  gilt  dies  noch  mehr  von  der  fol- 
genden Curve,  Fig.  13,  eines  anderen  Thieres.  Dies  zeigte  Respi- 
rationspausen von  1 — 2  Minuten,  also  sehr  lange  Pausen. 

Zum  Verständniss  dieser  Curve  sei  bemerkt,  dass  dieselbe  die 
Zeit  von  mehr  als  einer  Trommelunidrehung  wiedergibt,  so  dass 
sie  rechts  eine  Strecke  weit  doppelt  ist.  Bei  0  ist  der  Beginn  der 
Registrirung,  nachdem  die  Athempause  bereits  eine  halbe  Minute  ge- 
dauert hatte.    Von  0  bis  *  lief  die   Athmungslinie   als   Horizontale, 


1)  In  den  Figuren  10  —  12  ist  in  Folge  ungünstiger  Einstellung  des  Apparates 
der  Beginn  der  Inspirationen  nur  schwer  oder  gar  nicht  zu  erkennen ,  trotzdem 
sie  dyspnoisch  waren  Der  Uegiun  ist  l — 2  Ctm.  nach  rechts  von  den  exspira- 
torischen  Erhebungen  zu  setzen. 


10 

(d.  h.  die  Pause  dauerte  fort);  zu  dieser  Strecke  gehört  die  untere 
der  beiden  über  ihr  verzeichneten  Druckcurven.  Nach  weiterer  An- 
dauer  der  Pause  über  das  Zeichen  *  hinaus  beginnt  im  letzten  Drittel 
eine  zuerst  zu-  später  abnehmende  Athmung,  deren  Fortsetzung  dann 
wieder  rechts  zu  suchen  ist,  wo  sie  bis  *  decrescendo  verläuft  (es 
handelt  sich  in  unserer  Figur  ja  um  einen  abgerollten  Cylinder- 
mantel);  zu  dieser  Strecke  gehört  die  obere  Druckcurve. 

Bezogen  auf  die  Athmungscurve  sehen  wir  nun  an  der  Blut- 
druckcurve  Folgendes:  Die  Frequenz  der  Pulsschläge  (der  Herzele- 
vationen)  ist  überall  die  gleiche.  Gegen  das  Ende  der  Pause  senkt 
sich  die  Curve  etwas;  über  der  ersten  schon  bedeutend  dyspnoischen 
Inspiration  sieht  man  kein  Steigen,  aber  auch  keine  inspiratorische 
Drucksenkung,  wie  sie  bei  so  angestrengten  Inspirationen  sonst  sich 
zu  zeigen  pflegt;  dagegen  kommt  mit  der  nun  folgenden  forcirten 
Exspiration  eine  starke,  vorübergehende  exspiratorische  Druckstei- 
gerung; sobald  diese  abgelaufen  ist,  liegt  die  Druckcurve  etwas 
höher  als  vorher.  Die  nächste  Inspiration  gibt  wieder  keine  Einzie- 
hung der  Druckcurve,  im  Gegentheil,  diese  steigt  sogar  sanft  an; 
sie  wird  durch  die  nächste  Exspiration  in  die  Höhe  getrieben  und 
steigt  von  hier  an  bis  über  die  nächsten  zwei  Athemzüge  allmählich 
an  um  von  da  mit  der  descrescendo  gehenden  Respiration  nach  und 
nach  zur  Pause  hin  wieder  abzusinken. 

In  dieser  Curve  dauerte  es  6  Secunden  ehe  auf  den  ersten  Athem- 
zug  die  ausgesprochene  und  andauernde  Drucksteigerung  eintrat. 

Noch  auffallender  gestaltete  sich  die  Sache  bei  einem  anderen 
Thiere  in  den  Curven  Fig.  1 4  und  1 5.  Es  handelt  sich  hier  um  ein  Thier, 
welches  ganz  ungewöhnlich -lange  Pausen  in  seiner  Athmung  zeigte, 
Pausen  zwischen  3  und  4  Minuten.  Auch  hier  folgt  erst  etwa  6  Se- 
cunden nach  der  ersten  Inspiration  eine  deutliche  Drucksteigerung. 
Die  Sache  wird  hier,  obwohl  die  Verspätung  die  gleiche  ist,  auf- 
fallender als  in  der  vorigen  Curve,  weil  hier  in  diesem  Zeitpunkte 
die  kurzdauernde  Athemperiode  bereits  vorüber  ist.  Der  Druck  steigt 
hier  sehr  bedeutend  und  steil  und  die  Stellen  des  höchsten  Drucks 
zeigen  in  den  ersten  15 — 30  Secunden  zum  Theil  nicht  unbeträcht- 
liche Arrhythmie;  im  weiteren  Verlaufe,  während  meist  der  Druck 
etwas  zu  sinken  beginnt  (die  zwischenliegenden  2  —  3V2  Minuten 
konnten  auf  die  Trommel  nicht  mit  aufgenommen  werden)  regelt  sich 
die  Herzaction  wieder  und  erreicht  dann  die  A  n  f ä  n  g  e  unserer  Cur- 
ven auf  der  rechten  Seite,  d.  h.  der  Druck  ist  gesunken,  die  Herz- 
action wieder  regelmässig.  Ueber  der  Athmungsperiode  bleibt  die 
Linie  horizontal;  inspiratorische  Einziehungen  sind  nicht  zu  sehen. 


11 


Reihe  C  (atropinisirte  Thiere).  (Tafel  Vm.  Fig.  16—18.) 
Die  Durchschneidung  der  Vagi  hat  uns  zwar  in  den  Stand  ge- 
setzt die  Pulsverlangsamung  zu  vermeiden  und  deren  Einfluss  auf 
den  Blutdruck  zu  umgehen;  sie  bot  aber  die  zu  Beginn  des  vorigen 
Abschnitts  erörterten  Unbequemlichkeiten  und  hat  ausserdem  die  un- 
nöthige  Complication,  dass  gleichzeitig  mit  dem  Herzvagus,  an  dessen 
Eliminirung  uns  ausschliesslich  gelegen  ist,  auch  der  Lungenvagus 
durchschnitten  wird,  wodurch  oft  jene  uns  unbequemen  dyspnoischen 
Krampfanfälle  hervorgerufen  wurden.  In  der  dritten  Versuchsreihe 
sollte  dieser  Uebelstand  vermieden  werden.  Zwei  Wege  standen 
uns  hierzu  offen.  Entweder  benutzten  wir  die  neuerdings  von  Stei- 
ner1) angegebene  Methode  den  Herzvagus  isolirt  zu  durchschneiden, 
oder  wir  lähmten  den  Herzvagus  durch  (das  für  unsere  Zwecke  am 
meisten  geeignete)  Atropin.  Ich  wählte  wegen  ihrer  absoluten  Zu- 
verlässigkeit die  letztere  Methode.  Ueberdies  war  ich  auch  begierig 
zu  erfahren,  wie  bezüglich  der  durch  Morphin  bewirkten  periodischen 
Athmung  das  Atropin  sich  verhalten  würde,  welches  ja  sonst  in  so 
vielfacher  Beziehung  antagonistischen  Einfluss  auf  Morphinvergiftung 
ausübt. 

Fig.  16  und  17  von  demselben  und  Fig.  18  von  einem  anderen 
Thiere,  die  beide  mit  4  Milligramm  Atropinum  sulphuricum  unmittel- 
bar vorher  vergiftet  waren,  zeigen,  dass  das  Atropin  jene  Morphin- 
wirkung auf  die  Athmung  nicht  verhindern  kann.  Namentlich  Fig.  1 7 
zeigt  sehr  hübsch  decrescendo  verlaufende  kurze  Respirationsperioden 
(3.  und  4.  Periode).  Die  Druckschwankungen  sind  zwar  nicht  sehr 
ausgesprochen  aber  doch  unverkennbar.  Namentlich  deuten  schon 
bei  flüchtiger  Betrachtung  die  verschieden  hohen  Herzelevationen  die 
Zeiten  an,  in  denen  das  Herz  gegen  niedrigeren  Druck  mit  normaler 
und  in  denen  es  gegen  erhöhten  Druck  mit  verstärkter  Kraftent- 
wicklung ankämpft.  Dass  das  Atropin  seine  Schuldigkeit  gethan 
hatte,  bewies  der  Umstand,  dass  selbst  noch  nach  Beendigung  des 
Versuchs  die  Pupille  ad  maximum  erweitert  und  der  Herzvagus 
gegen  die  stärkste  faradische  Reizung  unempfänglich  war. 

In  Fig.  16  ist  daher  über  der  2.,  3.  und  4.  Exspiration  eine 
Arrhythmie  (während  Drucksteigerung)  zu  statuiren  (wofür  auch  die 
Niedrigkeit  der  Elevationen  spricht)  und  nicht  etwa  eine  auf  Vagus- 
wirkung beruhende  Pulsverlangsamung.  In  Fig.  1 7  kommt  es  ein- 
mal zur  Drucksteigerung,  ohne  dass  die  Athmuug  eintritt.    Betrachten 


1)  E.  du  Bois-Reymond's  Aren.  f.  Physiol.  1878.  S.  218. 


12    

wir  den  Gang  der  in  den  vorliegenden  drei  Curven  ausgedrückten 
Druckschwankungen  genauer,  so  ergibt  sich,  das  jedesmal  vor  dem 
Beginn  der  Athmung,  also  zum  Schlüsse  jeder  Pause,  der  Druck  zu 
steigen  beginnt.  Während  der  Athmung  nimmt  der  Druck  zuerst 
zu,  dann  ab  und  sinkt  zur  Pause  weiter  ab.  Sattelförmige  Vertie- 
fungen kommen  nur  bei  eintretender  Arrhythmie  sonst  aber  nicht  zu 
Stande.  Die  Fälle  der  Arrhythmie  abgerechnet  bleibt  hier,  wie  nach 
Vagusdurchschneidung ,  die  Pulsfrequenz  bei  erhöhtem  wie  niedri- 
gerem Drucke  stets  die  gleiche. 

Vergleichende  Erörterung  der  Curven. 

Den  Curven  der  Reihen  A  und  C  ist  gemeinschaftlich  das  Steigen 
des  Drucks  im  Beginne  der  Athmung  und  das  Absinken  desselben 
im  Beginne  der  Athmungspause.  Alle  Curven  der  Reihe  A  bieten 
das  Maximum  der  Pulsfrequenz,  sobald  die  Athmung  aufgehört  hat, 
während  entweder  kurz  vor  oder  gerade  zur  Zeit  der  stärksten  Ath- 
mung eine  mehr  oder  weniger  beträchtliche  Pulsverlangsamung  zu 
Tage  tritt.  An  den  Stellen  der  Pulsverlangsamung  ist  die  Druck- 
curve  jedesmal  verhältnissmässig  erniedrigt.  Wenn  diese  Frequenz- 
verminderung auf  dem  Gipfel  der  Druckcurve  sich  zeigt,  so  resultirt 
eine  sattelförmige  Einziehung;  tritt  sie  vor  Ansteigen  der  Curve,  also 
vor  Beginn  der  Athmung  schon  ein,  so  fehlt  jene  sattelförmige  Ein- 
ziehung ;  dafür  kann  dann  die  Curve  am  Orte  der  Pulsverlangsamung 
kurz  vor  dem  Beginne  der  Athmung  tiefer  zu  liegen  kommen  als 
sie  sonst  sich  präsentirt.  In  vielen  Fällen  trotz  dieser  Verlangsamung, 
namentlich  aber  wo  kurz  vor  Beginn  der  Athmung  keine  oder  we- 
nigstens eine  nur  unbedeutende  Pulsverlangsamung  zu  Stande  kommt, 
steigt  die  Curve  schon  vor  dem  Beginne  der  Respiration. 

Es  kann  von  vornherein  für  Jemand,  der  öfter  kymographische 
Curven  gesehen  hat,  keinem  Zweifel  unterliegen,  dass  die  Einzie- 
hungen und  Erniedrigungen  der  Druckcurve  im  Gebiete  der  Puls- 
verlangsamung ausschliesslich  auf  die  Verminderung  der  Herzarbeit 
zu  beziehen  ist.  Bewiesen  wird  die  Richtigkeit  dieser  Auffassung 
durch  die  Curven  der  zweiten  und  dritten  Reihe.  Sobald  der  Vagus 
durchschnitten  ist  oder  seine  Endigungen  durch  Atropin  gelähmt  sind, 
so  sehen  wir  erstens  die  Pulsverlangsamungen  ausbleiben  und  zweitens 
jene  Einziehungen  und  Erniedrigungen  ebenfalls  fehlen.  Jene  Ein- 
ziehungen waren  also  dadurch  entstanden,  dass  das  seltener  schla- 
gende Herz  eine  geringere  Arbeit  leistete,  und  die  Pulsverlangsamung 
war  durch  eine  Erregung  des  Vaguscentrums  entstanden.     Ueber  die 


13    

Ursache   dieser    centralen  Erregung  des   Vagus  werden   wir   weiter 
unten  zu  sprechen  haben. 

Welche  Deutung  haben  wir  aber  dem  Absinken  des  Drucks  * 
nach  Aufhören  der  Athmung  zu  geben,  und  wie  ist  das  Ansteigen 
des  Drucks  vor  oder  mit  Beginn  der  Athmung  aufzufassen  V  Vom 
Standpunkte  meiner  im  Eingange  dieser  Mittheilung  recapitulirten 
Theorie  aus  ist  die  Erklärung  ja  eine  sehr  einfache:  das  Absinken 
erfolgt  hier  (wie  bei  jeder  Apnoe)  in  Folge  der  vorhergegangenen 
Ventilation;  durch  die  Arterialisation  des  Blutes  lässt  die  Erregung 
des  vasomotorischen  Centrums  allmählich  nach  und  darum  erschlaffen 
die  Gefässe,  sinkt  der  Druck.  Das  Ansteigen  des  Drucks  vor  oder 
gleichzeitig  mit  dem  Beginne  der  Athmung  und  bis  zur  oder  über  die 
Mitte  der  Athmung  hinaus  ist  der  Ausdruck  der  von  mir  behaupteten 
oder  gar  erwiesenen  dyspnoischen  Gef ässinnervation ,  welche  durch 
die  zunehmende  Venosität  des  Blutes  veranlasst  wird,  da  das  schwer 
erregbare  Athmungscentrum  jene  Venosität  aus  eigenem  Antriebe  nicht 
beseitigt  und  erst  indirect  durch  den  Hirnarterienkrampf  dazu  ver- 
anlasst wird.  Wo  gleichzeitig  mit  der  Athmung  der  Druck  steigt, 
da  würde  ein  Anhänger  meiner  Theorie  die  Erregung  des  respirato- 
rischen Centrums  und  die  Erzeugung  der  dyspnoischen  Gefässinner- 
vation  als  gleichzeitig  entstehend  sich  vorstellen:  die  verhältniss- 
mässige  Einbusse  des  respiratorischen  Centrums  an  Erregbarkeit 
im  Vergleiche  zur  Erregbarkeit  des  Gefässsystems  würde  er  in  diesen 
Fällen  als  gering  annehmen.  Ist  aber  einmal  gleichzeitig  mit  der 
Erregung  der  Athmung  auch  eine  dyspnoische  Innervation  der  Hirn- 
arterien erfolgt,  so  wird  —  nach  der  Ansicht  des  Anhängers  meiner 
Theorie  —  das  Thier  nach  dem  ersten  Atbemzuge  noch  so  lange 
fortathmen  bis  der  Gefässkrampf  vorüber  ist  und  dann  käme  Apnoe 
mit  Absinken  des  Drucks. 

Keinem  kann  diese  Erklärung  plausibler  als  mir  selbst  erschei- 
nen. Und  doch  kann  ich  einen  derartigen  Cirkelschluss  nicht  gelten 
lassen.  Denn  wenn  diese  Beobachtungen  eine  wirksame  Stütze  meiner 
Theorie  abgeben  sollen,  so  darf  das  Erkennen  der  nächsten  Ursachen 
nicht  aus  der  Theorie  abgeleitet  werden.  Die  eben  erörterte  Erklä- 
rung muss  sich  entweder  thatsächlich  als  richtig  erweisen  lassen, 
oder  aber  es  steht  misslich  mit  der  Verwerthung  uuserer  Beobach- 
tungen für  meine  Theorie.  Für  die  vorliegende  Untersuchung  wäre 
eine  derartige  Uebertragung  doppelt  unzulässig;  denn  die  physiolo- 
gische Gleichwerthigkeit  der  durch  Morphin  herbeigeführten  periodi- 
schen Athmung  und  des  klinischen  Cheyne  -  Stokes'schen  Phänomens 
wäre  gerade  erst  zu  beweisen,  wenn  es  erlaubt  sein  soll  die  Theorie 


14    

dieses  auf  jene  anzuwenden.  Und  dies  wäre  zu  verlangen  selbst  unter 
dein  Zugeständniss,  dass  jene  Theorie  unantastbar  richtig  sei.  Unsere 
Beobachtungen  vertragen  sich  mit  der  eben  auseinandergesetzten 
Erklärung,  aber  es  fragt  sich,  ob  sie  uns  zur  Annahme  dieser  Er- 
klärung zwingen.  Auf  die  Gefahr  hin  unsere  eigene  frühere 
Arbeit  zu  zerstören,  wollen  wir  daher  jetzt  unparteiisch  an  eine  ex- 
perimentelle Kritik  unserer  Curven  gehen. 

Jenes  Absinken  zur  Pause  erfolgt,  obwohl  (bei  intacten  Vagis) 
die  Pulsfrequenz  sogar  zunimmt  und  auch  sonstige  Zeichen  oder  Ver- 
anlassungen einer  abnehmenden  Herzarbeit  nicht  vorliegen,  und  be- 
deutet also  eine  Abnahme  des  Gefässtonus.  An  eine  Ermüdung 
des  vasomotorischen  Apparates  kann  nicht  gedacht  werden:  kann 
man  ja  doch  bei  curarisirten  und  gleichzeitig  morphinisirten  Thieren 
durch  Athmungsuspension  anhaltende  Drucksteigerungen  1—4  Minuten 
hindurch  hervorrufen. 

Aber  auch  im  concreten  Falle  lässt  sich  experimentell  das  un- 
richtige jener  Annahme  einer  Ermüdung  des  Gefässapparates  nach- 
weisen. 

Bei  einem  Thiere,  welches  längere  Zeit  eine  periodische  Ath- 
mung  mit  kurzen  Perioden  gezeigt  hatte,  wird  während  der  Respi- 
ration die  Trachealcanüle  verstopft  und  es  resultirt  eine  Curve,  in 
welcher  weder  das  vasomotorische  noch  das  respiratorische  Centrum 
ermüdet.  Trotzdem  die  Herzaction  seltener,  die  geleistete  Arbeit 
also  kleiner  wird,  hält  sich  der  Druck  minutenlang  hoch,  ja  er  steigt 
sogar  später  noch.  Dem  Thiere  wird  wieder  Luft  zugeführt  und  als- 
bald sind  wieder  die  kurzen  Athmungsperioden  mit  den  sie  beglei- 
tenden Druckschwankungen  da.  Dem  Thiere  werden  beide  Vagi 
durchschnitten;  die  noch  stärker  verlangsamte  Athmung  bleibt  pe- 
riodisch; nach  dem  ersten  Athemzuge  einer  solchen  aus  zwei  bis 
drei  Athemzügen  bestehenden  Periode  wird  die  Trachealcanüle  wieder 
verschlossen,  worauf  eine  Curve  entsteht,  die  unter  minutenlanger 
Fortdauer  einer  äusserst  heftigen  unperiodischen  Athmung  ein  enorm 
starkes  continuirliches  Steigen  des  Drucks  zeigt,  welches  nur  durch 
die  besonders  stark  ausgeprägten  inspiratorischen  Einziehungen  vor- 
übergehende Unterbrechungen  erleidet.  Weder  das  Athmungscentrum 
noch  das  vasomotorische  Centrum  ermüden  hier;  sie  lassen  nicht 
eher  (bis  zu  einer  gewissen  Grenze)  in  ihrer  Thätigkeit  nach,  als 
bis  sich  das  Thier  für  seine  Bedürfnisse  satt  athmen  kann. 
Es  war  also  das  Absinken  im  Beginne  der  bisherigen  (bei  freiem 
Luftzutritt)  Pausen  (und  ebenso  das  Aufhören  der  Athmung)  keine 
Folge  der  Ermüdung. 


15    

Da  das  Nachlassen  des  Drucks  und  das  Aufhören  der  Athmung, 
so  lange  die  Athmung  nicht  von  uns  behindert  war,  stets  parallel 
erfolgten  und  beide  in  Wegfall  kamen,  als  wir  den  Luftzutritt  ver- 
hinderten, so  muss  wohl  ein  Causalnexus  zwischen  beiden  bestehen. 
Aber  welcher?  Drei  Möglichkeiten  liegen  vor:  Entweder  Hess  das 
Sinken  des  Drucks  die  Athmung  aufhören,  oder  das  Aufhören  der 
Athmung  erniedrigte  den  Druck  oder  drittens  waren  beide  von  einem 
dritten  Momente  abhängig.  Wir  wollen  diese  drei  Möglichkeiten 
prüfen,  und  zuerst  zu  ermitteln  suchen,  ob  Sinken  des  Blutdrucks  an 
sich  eine  bestehende  Athmung  vermindern  oder  gar  sistiren  kann. 

Den    Blutdruck   schnell    zu   erniedrigen   haben  wir  viele  Mittel. 

Bei  einem  Kaninchen  comprimire  ich  ganz  sanft  und  allmählich 
die  Bauchorta.  Hierbei  steigt  der  Blutdruck  allmählich  und  das  Thier 
athmet  nach  einiger  Zeit  ganz  gleichmässig.  Wenn  ich  dann  (ohne 
das  Thier  zu  erschüttern  oder  durch  plötzliches  Fortnehmen  der  com- 
primirenden  Hand  zu  erschrecken)  die  Passage  durch  die  Aorta  wieder 
freigebe,  so  sehe  ich  am  Kymographion  ein  Sinken  des  Drucks,  das 
ich  beliebig  steil  und  beträchtlich  herstellen  kann  —  und  jedesmal 
werden  bei  Sinken  des  Drucks  die  Athmungen  häufiger  und  stär- 
ker. (Die  Erniedrigung  des  Drucks  ist  keine  bleibende;  schon  nach 
etwa  2—5  Secunden  kommt  eine  Reaction  gegen  die  Erniedrigung, 
wobei  der  Druck  über  den  Mitteldruck  hinaus  steigt.  Die  Erklärung 
hierfür  liegt  nahe:  es  wird  das  vasomotorische  Centrum  durch  das 
plötzliche  Absinken  des  Drucks  ebenso  erregt  wie  das  respiratorische.) 
Dass  bei  Abnahme  des  Blutdrucks  durch  Verbluten  eine  Zunahme 
der  Athmung  verursacht  wird,  ist  ja  allseitig  bekannt. 

Ich  habe  ferner  durch  Depressorreizung  bei  Kaninchen  Druck  - 
Senkung  erzeugt  und  fand  dieselbe  stets  von  Zunahme  der  Athmung 
selbst  von  Dyspnoe  begleitet.  (Auch  von  S.  Mayer  schon  ange- 
geben.) 

So  viel  geht  aber  aus  den  angeführten  Versuchen  hervor:  eine 
Druckabnahme  sistirt  nie  die  Athmung,  sondern  verstärkt  sie;  —  so 
wäre  denn  die  erste  der  oben  ausgesprochenen  Möglichkeiten  erledigt. 

Die  zweite  Möglichkeit,  einen  Causalnexus  zwischen  Absinken 
des  Drucks  und  Aufhören  der  Athmung  herzustellen,  besteht  in  der 
Annahme,  dass  das  Aufhören  der  Athmung  den  Druck  erniedrige. 
Auch  der  Gedanke  hieran  muss  fallen  gelassen  werden.  Wenn  man 
bei  Thieren,  die  aus  irgend  einem  Grunde  spontan  nicht  athmen  und 
die  mau  künstlich  respirirt,  die  künstliche  Athmung  suspendirt,  so 
fällt  bekanntlich  der  Druck  nicht  nur  nicht,  sondern  er  steigt  sogar. 
Jede  Methode  ferner,   die  Athmung  zu  hemmen  (faradische  Reizuug 


—    16    

des  centralen  Vagusendes,  Trigeminusreizung  durch  Elektricität  oder 
durch  reizende  auf  die  Schleimhaut  der  Nase  treffende  Dämpfe  u.  s.w.) 
sind  stets  von  Drucksteigerung  begleitet.  Das  Aufhören  der 
Athmuug  kann  also  in  unseren  Curven  die  Drucksenkung  nicht  ver- 
ursacht haben.  So  bleibt  denn  nur  noch  die  dritte  oben  erwähnte 
Möglichkeit  übrig:  Die  Druckerniedrigung  ist  abhängig  von  einem 
dritten  Factor,  der  gleichzeitig  auch  das  Aufhören  der  Respiration 
bedingte.  Aber  das  einzige  Gemeinsame,  was  periodisch  wiederholt, 
in  den  Experimenten  der  drei  Reihen  sich  zwischen  dem  vorgän- 
gigen Erheben  und  dem  nunmehrigen  Absinken  des  Drucks  ereignet 
hat,  —  war  die  Athmung.  Die  vorgängige  Athmung  muss 
also  die  Ursache  sein  sowohl  für  das  Absinken  des  Drucks, 
als  auch  für  das  Aufhören  der  Athmung. 

Einen  solchen  Zustand,  der  aus  dieser  Veranlassung  eintritt, 
nennt  man  aber  Apnoe.  In  jeder  Apnoe  hört  in  Folge  vorher- 
gegangener Athmung  erstens  die  Athmung  auf  und  wird  zweitens  der 
Blutdruck  erniedrigt  —  Beides,  weil  diejenige  Venosität  des  Blutes, 
welche  zur  Erregung  des  respiratorischen  und  des  vasomotorischen 
Centrums  hätte  hinreichen  können,  durch  die  vorgängige  genügend 
reichliche  Ventilation  beseitigt  worden  ist.1) 

Es  bleibt  also  nichts  weiter  übrig:  wir  müssen  sowohl  das 
Aufhören  der  Athmung  als  auch  die  sich  hieran  schliessende  Druck- 
senkung für  eine  apnoische  Erscheinung  erklären.  Diese  Erklärung 
ist  allerdings  identisch  mit  der  oben  vom  Standpunkte  meiner  Theorie 
aus  angedeuteten  Erklärung. 


1)  Selbstverständlich  ist  hier  der  Ausdruck  „Apnoe"  nicht  zu  identificiren 
mit  „vorzüglicher  Arterialisation  des  Blutes".  Je  niedriger  die  Erregbarkeit  des 
Athmungscentrums  ist,  um  so  geringere  Grade  von  Arterialisation  des  Blutes  ge- 
nügen schon,  um  das  Centrum  unerregt  zu  lassen.  Wir  verstehen  also  unter 
Apnoe  denjenigen  Zustand  eines  Warmblüters,  in  welchem  er  aus  Mangel  an 
Reiz  nicht  athmet.  Durchaus  zu  verwerfen  aber  ist  es,  wenn  einzelne  Kli- 
niker den  Ausdruck  Apnoe  bald  in  diesem  Sinne,  bald  aber  auch,  und  zwar  ohne 
irgend  welche  Unterscheidung,  promiscue  für  Athmungshemmung  (in  Folge  ein- 
wirkender hemmender  Reize)  und  für  Asphyxie  (Fehlen  der  Athmung  in  Folge 
erloschener  Erregbarkeit)  gebrauchen.  Wenn  also  von  Boeck  (Lehrb.  d.  In- 
toxic.  von  Ziemssen's  Handbuch  S.  539)  sagt:  „Diese  Abnahme  der  Thätigkeit 
des  Respirationscentrums  kann  bis  zu  völliger  Apnoe  führen  und  dadurch  Er- 
stickungstod herbeiführen",  so  ist  dies  durchaus  unzulässig;  Apnoe  kann  nie  Er- 
stickung herbeiführen.  —  Ferner  sei  hier  ein-  für  allemal  bemerkt,  dass  wir  den 
Reiz,  welcher  im  Respirations-,  Vasomotions- ,  Vaguscentrum  u.  s.  w.  zur  Ent- 
stehung kommt,  sobald  das  Blut  einen  gewissen  Grad  von  Venosität  erreicht,  der 
Kürze  wegen  öfters  „Blutreiz"  nennen  werden,  womit  keineswegs  gesagt  sein 
soll,  dass  ich  dem  venösen  Blute  eine  direct  reizende  Wirkung  zuschreibe. 


—    17     — 

Welches  kann  aber  die  Ursache  der  Drucksteigerung  sein,  welche 
kurz  vor  oder  gleichzeitig  mit  dem  Beginne  der  Athmung  sich  zeigt 
und  eine  Zunahme  des  Gefässtonus  bedeutet,  da  sie  bei  gleichblei- 
bender, ja  sogar  bei  verminderter  Herzarbeit  auftritt.  Da  diese  .Stei- 
gerung sehr  häufig  vor  Beginn  der  Athmung  auftritt,  so  kann  hier 
an  ein  directes  Causalverhältniss  zwischen  Athmung  und  Blutdruck 
überhaupt  nur  in  dem  Sinne  gedacht  werden,  dass  die  Druckstei- 
gerung die  Ursache  der  Athmung  sein  könnte,  nient  umgekehrt.  Aber 
die  experimentelle  Prüfung  zwingt  uns  alsbald  diese  Vorstellung  auf- 
zugeben. Ein  Kaninchen  (womöglich  dasselbe,  welches  uns  eiue  pe- 
riodische Athmung  in  Folge  von  Morphinvergiftung  zeigte)  wird  künst- 
lich rcspirirt  bis  eben  Apnoe  auftritt;  alsdann  wird  sofort  die  Aorta 
comprimirt,  —  der  Druck  steigt  viel  höher  als  vorher,  aber  das  Thier 
athmet  nicht.  Schnell  wird  noch  einmal  in  gleicher  Weise  künst- 
lich respirirt,  während  die  Aorta  comprimirt  und  der  Druck  hoch 
bleibt.  Gleichzeitig  mit  dem  Aufhören  der  künstlichen  Respiration 
lasse  ich  mit  der  Compression  nach:  der  Druck  sinkt  und  das 
Thier  fängt  trotz  der  vorgängigen  Ventilation  sofort  zu  athmen  an 
—  es  entsteht  keine  Apnoe.  Also  Drucksenkung  erzeugte  Athmung, 
Drucksteigerung  selbst  weit  über  die  Höhe  hinaus,  bei  welcher  auf 
unseren  Curven  die  Athmung  eintrat,  veranlasste  aus  der  Apnoe  heraus 
keine  Respiration.  Folglich  konnte  auch  die  Drucksteigerung  in 
unseren  Curven  nicht  die  Ursache  des  Wiederbeginns  der  Athmung 
gewesen  sein.  Wir  betrachteten  die  eventuelle  Wirkung  des  Drucks 
als  solchen.  Ich  habe  um  meiner  Theorie  keinen  Vorschub  zu 
leisten  nicht  erörtert,  dass  das  Ansteigen  des  Drucks  von  Umständen 
begleitet  sein  kann,  welche  demselben  sehr  verschiedene  Bedeutung 
für  die  Athmung  verleihen  können.  Denn  entweder  1.  betheiligen 
sich  die  Arterien  der  Medulla  oblongata  bei  jener  allgemeinen  Ge- 
fässverengerung  nicht,  und  dann  würde  der  höhere  Druck  mehr  Blut 
zur  Medulla  führen  und  es  war  zu  untersuchen,  wie  dies  auf  das 
Athmungscentrum  wirkt,  oder  2.  sie  betheiligen  sich  stärker  oder  gar 
früher  als  die  übrigen,  es  vermindert  sich  der  Blutzufluss  zur  Me- 
dulla, —  dies  ist  die  Behauptung,  die  meiner  Theorie  zu  Grunde 
liegt  und  von  der  wir  vorläufig  absehen  wollten;  oder  endlich  3.  die 
Betheiligung  der  Arterien  der  Medulla  ist  eine  mittlere;  die  Blut- 
zufuhr wird  dann,  da  nach  den  Ludwig'schen  Untersuchungen  (Sla- 
vianski)  unter  solchen  Umständen  die  Strömungsgeschwindigkeit 
des  ganzen  Kreislaufs  wächst  und  bei  den  bekannten  besonderen 
Verhältnissen  im  Innern  der  Schädel  kapsei  erst  recht  wachsen  muss, 
sich  wie  bei  der  eisten  Möglichkeit  verhalten,   d.  h.  zunehmen  oder 

ifilehne,  Einwirkung  d.  Morphins  auf  d.  Athmung.  2 


18    

wenigstens  nicht  abnehmen.  Im  vorstehenden  Texte  und  im  nächst- 
folgenden sind  der  grösseren  Unparteilichkeit  wegen  nur  solche  Vor- 
aussetzungen gemacht,  die  den  Möglichkeiten  1.  und  3.  angehören. 
Doch  wird  sich  später  zeigen,  dass  unsere  Ermittlungen  auch  dann 
noch  giltig  bleiben,  wenn  factisch  das  Verhalten  sub  2  vorliegen 
sollte.  Die  Unabhängigkeit  des  Athmungseintrittes  vom  Druck  als 
solchem  liess  sich  übrigens  schon  aus  den  Curven  selber  ableiten: 
denn  öfters  trat  die  Drucksteigerung  unverkennbar  etwas  spät  ei- 
erst ein  als  der  erste  Athemzug,  konnte  also  unmöglich  seine  Ur- 
sache gewesen  sein.  Dies  geht  auch  aus  der  Betrachtung  der  Fig.  1 
hervor,  auf  der  die  Blutdruckcurve  der  zweiten  Periode  so  viel  tiefer 
als  in  der  ersten  liegt,  dass  das  Thier  hier  in  der  zweiten  Periode 
bei  derselben  absoluten  Höhe  des  Drucks  athmet,  bei  der  es  in  der 
ersten  apnoisch  war.  Wenn  nun  weder  die  Drucksteigerung  die 
Ursache  der  Athmung  ist,  noch  der  umgekehrte  Causalnexus  besteht, 
so  muss  auch  hier  nach  einem  dritten  Factor  gesucht  werden,  der 
die  Ursache  beider  Erscheinungen  ist.  Das  einzige  Ergebniss,  das 
dem  Eintritt  beider  Erscheinungen  periodisch  jedesmal  vorherging, 
war  das  Ablaufen  des  Gewebs-Gaswechsels  bei  fehlender  Ath- 
mung. Das  Fehlen  der  Athmung  bei  Weitergehen  des  Gewebs- 
Gaswechsels,  oder  mit  anderen  Worten:  die  zunehmende  Venosität 
des  Blutes  ist  schlechterdings  der  einzige  Factor,  der  für  beide  Er- 
scheinungen verantwortlich  gemacht  werden  kann,  sowohl  für  die 
Drucksteigerung  als  für  den  Wiederbeginn  der  Athmung.  Dass  aber 
zunehmende  Venosität  Athmung  erzeugt  und  den  Blutdruck  steigert, 
ist  ja  nichts  Neues. 

So  gestaltet  sich  die  Deutung  unserer  sämmtlichen  Curven  der 
Reihe  B  (vagotomirte  Thiere)  und  C  (Atropin)  nunmehr  sehr  einfach 
und  ohne  jede  Hypothese,  sobald  man  sich  begnügt,  die  Erschei- 
nungen auf  die  nächsten  Ursachen  zurückzuführen:  Gegen  das  Ende 
einer  apnoischen  Pause  nimmt  die  Venosität  des  Blutes  zu ;  in  Folge 
hiervon  steigt  der  Druck  und  es  beginnt,  zuweilen  gleichzeitig 
mit  der  Drucksteigerung,  häufig  aber  später,  bei  durchschnittenen 
Vagis  früher  als  dieselbe,  die  Athmung,  welche  das  Blut  so  gut 
arterialisirt,  dass  unter  Erlöschen  der  Athmung  eine  apnoische  Druck- 
senkung entsteht.  Diese  Apnoe  dauert  so. lange  bis  der  fortschrei- 
tende Sauerstoffverbrauch  in  den  Geweben  das  Blut  so  weit  venös 
gemacht  hat,  dass  das  Spiel  von  vorn  beginnt. 

Aber  die  eigentliche,  die  letzte  Ursache,  durch  die  jene  Pe- 
riodicität  überhaupt  zu  Stande  kommt,  haben  wir  nicht  erörtert; 
wem   die  Sache  mit  dem  Vorstehenden  genügend  erklärt  erscheinen 


—     19    

sollte,  der  würde  in  grosse  Verlegenheit  kommen,  wenn  er  ausein- 
andersetzen sollte,  warum  denn  nicht  jedes  normale  Säugethier  pe- 
riodisch athmet. 

Unsere  Curven  haben  gezeigt,  dass  häufig  schon  vor  der  Erre- 
gung des  respiratorischen  Centrums,  mindestens  aber  gleichzeitig  mit 
derselben,  eine  dyspnoische  Erregung  des  Gefässsystcras  statthat, 
und  da  bei  einem  normalen  Thiere  derartiges  nicht  vorkommt,  son- 
dern vielmehr  das  respiratorische  schon  erregt  wird,  bevor  es  aus 
irgend  welchen  Gründen  zu  einer  dyspnoischen  Gefässinnervation 
kommt,  so  ist  zweifellos  bewiesen,  dass  das  respiratorische  Centrum 
durch  das  Morphin  im  Vergleiche  zum  vasomotorischen  Apparat 
eine  Einbusse  erlitten  hat.  (Wie  gross  die  Einbussen  beider  waren 
ist  gleichgiltig.)  Wieso  aber  jene  Differcnzveränderung  der  Erreg- 
barkeiten zu  periodischer  Athmung  führe,  ist  ohne  Weiteres  noch 
nicht  zu  verstehen. 

Indessen  wollen  wir  uns  vorläufig  dabei  beruhigen,  die  näch- 
sten Ursachen  der  Erscheinungen  ermittelt  zu  haben.  Versuchen 
wir  es  nun,  auch  für  die  Curven  der  Reihe  A  die  Deutung  bis  zu 
dem  gleichen  Punkte  zu  führen. 

Sehen  wir  hier  zunächt  nur  das  Verhältnis«  zwischen  Athmung 
und  Pulsfrequenz  an  und  vernachlässigen  wir  vorläufig  ganz  und  gar 
die  Beziehung  zwischen  Pulsfrequenz  und  Blutdruck  (resp.  zwischen 
Pulsfrequenz  und  Gefässinnervation). 

Von  diesem  Gesichtspunkte  aus  betrachtet  gestaltet  sich  die 
Sache  überraschend  einfach.  Der  Leser  wolle  die  einzelnen  Curven 
der  ersten  Reihe  (Fig.  1 — 0)  anschauen.  So  mannigfach  ihre  Con- 
figu rationell  sind,  so  gross  die  oben  beschriebenen  Verschiedenheiten 
sind,  -  so  zeigen  sie  eines  doch  ganz  durchgehend:  Die  grösste 
Pulsverlangsamung  ist  dort  wo  das  Maximum  der  Athmung  ist;  wo 
die  Athmung  mit  dem  tiefsten  Athemzuge  einer  decrescendo  ver- 
laufenden Serie  beginnt,  da  ist  das  Maximum  der  Pulsverlangsamung 
am  Ende  der  Pause  hart  vor  und  über  dem  ersten  Athemzuge;  wo 
die  Athmungscurve  sich  symmetrisch  präsentirt,  da  fällt  das  Maxi- 
mum der  Verlangsamung  in  die  Mitte  u.  s.  w. 

Kurz,  —  wo  der  dj-spnoische  Zustand  des  Blutes  am  grössten 
ist,  da  ist  die  Pulsverlangsamung  ebenfalls  am  grössten;  und  dort, 
wo  wir  nach  den  weiter  oben  gegebenen  Auseinandersetzungen  das 
Befinden  des  Thieres  als  am  meisten  vom  dyspnoischen  Zustande 
entfernt  betrachten  mussten,  d.  h.  etwa  gegen  die  Mitte  der  Pause, 
dort  ist  die  Pulsfrequenz  am  grössten.  Diese  Verhältnisse  gelten 
für  sämmtliche  Curven  der  ersten  Reihe. 


20    — 

Wenn  wir  ferner  aus  den  Versuchen  mit  Vagusdurchschneidung 
erfahren  haben,  dass  jene  Pulsverlangsamung  auf  centraler  Vagus- 
wirkung beruhe,  so  hat  es  jetzt  keine  Schwierigkeit  mehr,  die  Ur- 
sache jener  Erregung  des  Vagustonus  anzugeben. 

Auch  hier,  wie  in  der  Abwägung  der  Causal-Beziehung  zwischen 
Athmung  und  Blutdruck,  kann  eine  ausschliessliche  Abhängig- 
keit der  Pulsverlangsamung  von  der  Athmung,  oder  letzterer  von 
der  Pulsverlangsamung  durchaus  nicht  statuirt  werden.  Da  die  Puls- 
verlangsamung oft  eintritt,  bevor  das  Thier  athmet,  so  kann  die 
maximale  Athmung  die  Pulsverlangsamung  auch  dort  nicht  bedingen, 
wo  sie  gleichzeitig  erscheinen.  Ausserdem  kann  man  aber  überhaupt 
durch  maximale  Athmung  keine  derartigen  Pulsverlangsamungen  er- 
zeugen; im  Gegentheil  nimmt  im  Experimente  im  Allgemeinen  die 
Pulsfrequenz  der  Warmblüter  bei  Verstärkung  der  Athmung  zu.  Auf 
der  anderen  Seite  kann  man  aber  das  Eintreten  des  Respirations- 
maximums auch  nicht  durch  die  Pulsverlangsamung  allein  erklären, 
da  ja  die  gleiche  Periodicität  bestehen  bleibt,  auch  wenn  es  nach 
Vagusdurchschneidung  nicht  mehr  zu  Pulsverlangsamung  kommt. 
( Freilich  wird  die  durch  die  Pulsverlangsamung  bewirkte  Beeinträch- 
tigung der  Circulation  die  Dyspnoe  verstärken.)  Vorbehaltlich  der 
Erwägung,  ob  die  Gefässinnervation  resp.  der  Blutdruck  nicht  einen 
nennenswerthen  Einfluss  auf  das  Verhalten  der  Pulsfrequenz  ausübt, 
werden  wir  daher  auch  bezüglich  der  Beziehung  zwischen  Puls 
und  Athmung  zu  der  Annahme  geuüthigt,  dass  jener  dritte  Factor 
beide  gleichmässig  beherrsche  —  dass  die  von  uns  beobachtete  Er- 
regung des  Vaguscentrums  ebenfalls  eine  dyspnoische  ist  und  dass 
die  Abnahme  dieser  Erregung  zur  Pause  hin  die  Folge  der  Eu-  resp. 
Apnoe  ist.  Es  verhält  sich  also  der  Puls  hier  ganz  so  wie  bei  einem 
künstlich  respirirten  (und  zu  spontaner  Athmung  irgendwie  | beider- 
seitiger Pneumothorax,  Curare  u.  s.  w.J  unfähig  gemachten)  Thiere 
wo  das  Herbeiführen  des  dyspnoischen  Zustandes  (durch  Aussetzen 
der  Athmung)  Pulsverlangsamung  bedingt,  während  im  eu-  resp. 
apnoiscben  Zustande  die  Frequenz  zur  Norm  zurückkehrt.  Bekannt- 
lich ist  auch  in  diesem  Falle  die  Pulsverlangsamung  die  Folge  einer 
Erregung  des  Vaguscentrums. 

Anscheinend  complicirter  gestaltet  sich  in  den  Curven  der  ersten 
Reihe  (Fig.  1  —  9)  das  Verhältnis«  zwischen  Blutdruck  und  Puls- 
frequenz, die  sich  bei  einer  flüchtigen  Betrachtung  der  Curven  in 
ihrer  gegenseitigen  Beziehung  an  gar  keine  Regel  zu  halten  scheinen. 

Aber  auch  hier  lässt  sich  die  Betrachtung  sofort  vereinfachen 
Denken  wir  uns  die  Blutdruckcurve  in  ihre  zwei  Componenten  auf- 


21 

gelöst:  nämlich  in  die  Curve  der  peripherischen  Widerstände  (resp. 
der  Gefässinnervation)  und  in  die  Curve  der  geleisteten  Herzarbeit, 
sofern  sie  durch  die  Pulsfrequenz  bestimmt  ist.  Die  erstere  Curve 
ist  uns  gegeben  durch  die  Curven  der  zweiten  und  dritten  Reihe, 
in  denen  die  Herzaction  keine  Verlangsamung  und  daher  die  Herz- 
arbeit keine  Verminderung  (sondern  im  Gegentheil  eine  durch  das 
Wachsen  der  Ansprüche  provocirte  Steigerung)  erfuhr.  Die  Curve 
der  Herzarbeit,  sofern  sie  durch  die  Pulsfrequenz  bestimmt  wird, 
erfährt  dann  überall  dort  eine  Vertiefung  wo  die  geringste  Frequenz 
statthat.  Die  Zeit  der  bedeutendsten  blutdruck  erniedrigen  den 
Vertiefung  dieser  Curve  ist  der  Moment  des  grössten  Athmungsbe- 
dürfnisses.  Derselbe  Moment  ist  aber  auf  der  anderen  Seite  auch 
der  Zeitpunkt  der  höchsten  blutdrucksteigernden  Gefässinnervation; 
je  nach  der  individuellen  Leistungsfähigkeit  der  beiden  vielleicht 
auch  durch  das  Gift  in  verschiedenem  Grade  tangirten  Mechanismen 
wird  daher  die  resultirende  factische  Blutdruckscurve  in  den  Curven 
der  ersten  Reihe  sich  im  Momente  des  dyspnoischsten  Blutzustandes 
auf  dem  Gipfel  oder  in  der  Tiefe  befinden  müssen.  So  wäre  denn 
das  wechselnde  Ortsverhältniss  der  Pulsverlangsamung  auf  der  Blut- 
druckcurve  durchaus  klar  und  ebenso  wird  die  blutdruck  steigernde 
Wirkung  der  später  zunehmenden  Pulsfrequenz  während  des  Abfalls 
der  Athmung  und  zur  Pause  hin  bald  über  die  blutdrucke r niedri- 
gende Wirkung  der  nachlassenden  Gefässinnervation  siegen,  bald 
gegen  sie  unterliegen,  und  im  Allgemeinen  wird  und  muss  ein  Ab- 
fallen der  Curve  hinter  dem  Punkte  des  dyspnoischsten  Momentes 
um  so  ausgesprochener  sein,  je  ausgesprochener  ein  Ansteigen  der 
Curve  zu  diesem  Zeitpunkte  hin  stattgefunden  hatte.  Denn  wenn 
vorher  die  Gefässinnervation  trotz  der  verminderten  Herzarbeit  den 
Druck  steigerte,  so  wird  das  nachherige  Aufhören  ihrer  Kraftleistung 
auch  mehr  ins  Gewicht  fallen  als  die  Zunahme  der  Pulsfrequenz  und 
daher  der  Druck  trotz  des  Ansteigens  letzterer  doch  sinken  (s.  Fig.  1). 
Andererseits  sind  auch  die  Fig.  5  7  leicht  zu  verstehen,  wo  der 
Wegfall  der  den  Blutdruck  so  entscheidend  herabdrückenden  Puls- 
verlangsamung  den  Druck  trotz  nachlassender  Arteriencontraction 
sofort  in  die  Höhe  gehen  lässt. 


Bei  der  innigen  Verknüpfung,  die  zwischen  den  nervösen  Centren 
besteht,  welche  die  Innervation  des  Herzens,  der  Gefässe  und  des 
Athmungsmechanismus  versehen,  bei  der  bekannten  Wechselwirkung 
die  fortwährend  unter  ihnen  im   physiologischen  Zustande   statthat, 


22    

wäre  es  unrichtig  anzunehmen,  dass  mit  den  Innervationen,  die  wir 
bisher  abgehandelt  haben,  die  Sache  vollständig  erschöpft  sei.  So 
wird,  wie  im  physiologischen  Zustande,  auch  in  unseren  Versuchen 
ein  Ansteigen  des  Druckes  an  und  für  sich,  unabhängig  von  der  Be- 
schaffenheit des  Blutes  eine  Pulsverlangsamung  bewirken  (wenn  die 
Vagi  unversehrt  sind).  Ein  Theil  der  Pulsverlangsamung  im  dys- 
pnoischen Momente  wird  also  auf  Rechnung  einer  etwa  bestehenden 
Drucksteigerung  zu  bringen  sein.  Oft  ist  aber  gerade  dann  der  Druck 
gar  nicht  erhöht,  also  in  diesem  Falle  auch  nicht  die  Ursache  der 
Pulsverlangsamung;  so  ist  also  die  wesentliche  Ursache  der  Puls- 
änderung nicht  in  den  Aenderungen  des  Drucks  zu  suchen.  Der- 
artiger unwesentlicher  Beeinflussungen  wären  noch  mehrere  zu  finden. 
Aber  wir  wollen  uns  begnügen,  den  wesentlichen  Einflüssen  nach- 
gespürt zu  haben.  Der  bemerkenswertheren  dieser  nebensächlichen 
Einflüsse  ist  übrigens  schon  oben  im  Texte  gedacht  worden,  so  des 
den  Eintritt  der  Athmung  begünstigenden  Einflusses,  den  das  Sinken 
des  Blutdrucks  ausübt,  sobald  eine  bedeutende  Pulsverlangsamung 
gegen  Ende  der  Pause  die  Arbeit  des  Herzens  sehr  stark  vermindert 
und  manches  Andere. 


Ueber  den  Unterschied  der  Curven   bei  vag-otomirten 
und  bei  atropinisirten  Thieren. 

Die  Versuche  der  Reihe  B  (Vagusdurchschneidung)  und  C  (Atropin) 
waren  unternommen  worden  um  jene  Pulsverlangsamung  zu  elimi- 
niren,  die  sich  in  den  Curven  der  Reihe  A  in  so  bedeutender  Weise 
geltend  gemacht  hatte  und,  wie  wir  wussten,  auf  einer  Erregung  des 
Vaguscentrums  beruhte.  Niemand  wird  erwarten,  dass  jene  beiden 
Eingriffe,  Vagusdurchschneidung  und  Atropinvergiftung ,  auf  unsere 
Curven  gerade  nur  den  einen  von  uns  erstrebten  Einfluss  haben 
werden,  nämlich  die  Herzaction  vom  Vaguscentrum  unabhängig  zu 
machen;  auf  gewisse  Unterschiede  konnte  man  wohl  gelasst  sein. 
Die  Erfahrung  zeigte  aber,  dass  diese  Unterschiede  doch  über  Er- 
warten gross  sind.  Wie  weit  eine  gewisse  principielle  Ueberein- 
stimmung  zwischen  den  beiden  Curvenreihen  besteht,  haben  wir  im 
Vorangehenden  erörtert.  -Wenden  wir  uns  jetzt  zu  den  Unterschieden. 

Die  Curven  der  Athmung  sowohl  als  des  Blutdrucks  der  atro- 
pinisirten Thiere  sind  durchaus  symmetrisch.  Der  Druck  steigt  jedes- 
mal vor  dem  Beginne  der  Athmung  und  sinkt  von  der  Mitte  der 
Athmungsperiode  an  ab. 

Anders  verhält  es  sich  bei  den  vagotomirten  Thieren.    Das  An- 


23    

steigen  des  Drucks,  bezogen  auf  den  Beginn  der  Athniung,  erfährt 
hier  eine  bedeutende  Verzögerung  (bis  6  Secunden)  und  die  völlige 
Harmonie  der  beiden  Curven  ist  hier  nicht  vorhanden. 

Woher    rührt  diese  Verzögerung,    die  nach  Atropin    nicht  zu 
Stande  kommt? 

Die  Ursache  muss  selbstverständlich  in  der  Verschiedenheit  der 
beiden  Eingriffe  gelegen  sein.  Und  in  der  That  diese  Verschieden- 
heit ist  keine  unbedeutende.  Durchschneiden  wir  doch  im  Vagus 
noch  so  manche  Fasergattung,  welche  Atropin  intact  lässt,  beispiels- 
weise die  Fasern,  welche  mit  dem  Athmungscentrum  in  Verbindung 
stehen.  Sollte  vielleicht  hier  die  gesuchte  Ursache  zu  finden  sein? 
Gewiss  nicht.  Vagusdurchschneidung  verlangsamt  die  Athmung,  ver- 
zögert den  einzelnen  Athemzug,  verzögert  also  auch,  wofür  selbst 
unsere  Curven  sprechen,  den  Eintritt  der  Athmung,  verlängert  die 
Pause;  je  mehr  aber  die  Athmung  verzögert  ist,  um  so  früher  müsste 
relativ  die  Drucksteigerung  eintreten,  da  diese  ja,  wie  wir  be- 
wiesen, direct  nicht  abhängig  vom  Eintritt  der  Athmung  ist.  Und 
nun  findet  das  Umgekehrte  statt.  Die  Durchschneidung  der  das 
respiratorische  Centrum  beeinflussenden  Vagusfasern  kann  also  an 
der  in  Rede  stehenden  Verzögerung  der  Blutdrucksteigerung  nicht 
schuld  sein.  Wir  müssen  jetzt  daran  denken,  ob  die  Ursache  hierzu 
nicht  vielleicht  darin  gelegen  ist,  dass  wir  Fasern  im  Vagus  durch- 
schnitten haben,  welche  in  Beziehung  zum  vasomotorischen  Centrum 
stehen.  Nun  lehrt  die  Physiologie,  dass  im  Vagus  der  Kaninchen 
sogenannte  pressorische  Fasern  existiren,  d.  h.  solche,  deren  Erre- 
gung reflectorisch  eine  Blutdrucksteigerung  verursacht.  ( Der  De- 
pressor  war  in  unseren  Versuchen  unverletzt.)  Diese  Fasern  würden 
sich  eigentlich  in  nichts  von  anderen  sensibelen  Fasern  unterscheiden, 
denen  ja  die  gleiche  Fähigkeit  zukommt.  Ob  diese  Fasern  einen 
Tonus  besitzen  oder  nicht,  darüber  gibt  die  Physiologie  keinen  Auf- 
schluss. 

Um  hierüber  Klarheit  zu  bekommen,  atropinisirte  ich  ein  Kanin- 
chen, mass  den  Blutdruck  und  durchschnitt  beide  Vagi.  Der  Blutdruck 
sank  etwas.  Voreilig  wäre  es,  hieraus  einen  Tonus  jener  im  Vagus  ent- 
haltenen Fasern  zu  erschliessen.  Da  wir  durch  Rossbach  wissen,  dass 
der  Vagus  (am  Halse)  vasomotorische  Fasern  für  gewisse  Abdominalgefässe 
enthält,  so  kann  jenes  geringe  Sinken  des  Drucks  sehr  wohl  durch  eine 
Lähmung  jener  Gefässc  bedingt  sein.  Als  ich  weder  sah,  wie  ich  der 
Sache  schnell  beikommen  könnte  und  da  andererseits  ich  mich  nicht  zu 
weit  seitwärts  verlieren  wollte,  so  brach  ich  die  Sache  hier  ab  und  be- 
schloss  in  meinem  Kaisonnement  und  ferneren  Experimenten  mit  beiden 
Möglichkeiten  zu  rechnen  —  sowohl  an  den  Fall  des  Vorhandenseins 
als  des  Fehlens  eines  Tonus  jener  Fasern  zu  denken. 


—    24    

Nehmen  wir  an,  jene  Fasern  hätten  einen  Tonus.     Dann  würde 
die  Durchschneidung   derselben    eine  Verminderung   des  Drucks   be- 
wirken (die  freilich   in  den  meisten  Fällen  durch   die  Befreiung   des 
Herzens  von   den  Fesseln  des  Vaguscentrums   tibercompensirt  wird). 
Die  ganze  Druckcurve  würde  etwas  niedriger  kommen,  als  sie  ohne 
die  Existenz  jener  tonisch  erregten  Fasern  sein  würde,  —  aber   eine 
Verspätung  der  Drucksteigerungeu  ist  so  nicht  möglich.    (Die  gleiche 
Schlussfolgerung  wäre   zu   ziehen  bezüglich   der   [Ross  bach' sehen] 
vasomotorischen  Fasern  des  Vagus;  auch  die  Durchschneidung  dieser 
kann   die   Druckcurve  in  toto  niedriger  stellen   aber  ihren  Verlauf, 
ihre  Form  nicht  ändern.)     Nehmen  wir  an  jene  pressorischen  (cen- 
tripetalen  Fasern   hätten  keinen  Tonus:    in  diesem  Falle   muss   es 
gleichgiltig  sein,  was  mit   ihnen  gemacht  wird.     Es  ist   aber  noch 
ein   dritter  Fall   möglich   und   von   vornherein    sehr  plausibel.     Sie 
könnten  für  gewöhnlich  in  Ruhe  sein  und  unter  gewissen  Umständen 
in  Erregung  kommen.     Für  unsere  Verhältnisse  wäre  daran  zu  den- 
ken,  ob  im  Beginne  und  auf  der  Höhe  des  dyspnoischen  Stadiums 
nicht  die  Erregung  des  vasomotorischen  Centrums  zum  Theil  eine  re- 
flectorische  sei  und  durch  Erregungen  bedingt  werde,  welche  in  jenen 
Fasern  verlaufen,  sobald  ihre  (vermuthlich  in  den  Lungen  gelegenen) 
Endigungen   von   venösem   Blute  umspült  werden.     Dann   —   sollte 
man  meinen   —  könnte   durch    den   Fortfall   dieser   Erregungsquelle 
wohl   eine  Verzögerung  der  Erregung   im  vasomotorischen   Centrum 
zu  Stande   kommen.     Bei  genauerer  Ueberlegung  ergibt  sich  aber, 
dass  in   dieser  Form   der  Gedanke  nicht  festgehalten  werden  kann. 
Der  Fortfall  eines  Erregungszuwachses  müsste  die  Curvenerhebung 
in   toto  abflachen;    wenn   wir  aber  die   Curven   der  zweiten   Reihe 
(Tafel  VIII.  Fig.  10  -15)  betrachten  und  sie  mit  den  übrigen  Curven 
vergleichen,  welche  von  Thieren  mit  intacten  Vagis  geliefert  wurden, 
so  fällt  im  Gegentheil  auf,  —  und  das  kommt  jetzt  zum  ersten  Male 
zur  Sprache — ,  dass  die  Druckerhebung  eine  besonders  hohe,  be- 
deutende ist.     Das  vereint   sich   nicht  mit  der  Annahme,    es   sei 
ein  Erregungszuwachs  fortgefallen.    Und  doch,  dass  die  centripetalen, 
pressorischen  Vagusfasern  bei  der  Blutdrucksteigerung  betheiligt  seien, 
welche  bei  ungenügender  Ventilation   des  Blutes  entsteht,  —  dieser 
Gedanke  muss  etwas  Richtiges  enthalten. 

Sehen  wir  uns  noch  einmal  die  Curven  Fig.  10 — 15  genauer  an 
und  vergleichen  wir  sie  mit  den  übrigen,  ob  wir  nicht  noch  einen 
durchgehenden  Unterschied  entdecken  können,  der  uns  vielleicht  auf 
die  richtige  Fährte  bringen  möchte.  Ich  vermag  nichts  anderes  zu 
entdecken,  als   dass   die  Erhebung  der  Curve  bei  den  vagotomirten 


25     

Thicren  eine  wesentlich  steilere  ist  als  bei  den  übrigen.  Nament- 
lich gilt  dies  bei  Vergleichung  ersterer  mit  denen  der  atropinisirtcn 
Thiere.     Später  und  steiler  —  das  ist  der  Unterschied. 

Im  Laufe  unserer  Untersuchung  hatten  wir  schon  mehreremale 
die  Uebereinstimmung  zu  erkennen  Gelegenheit  gehabt,  die  in  un- 
seren Versuchen  zwischen  den  Vorgängen  der  Athmung  und  denen 
der  Gefässinnervation  besteht.  Sollte  von  diesem  Gesichtspunkte  aus 
nicht  ein  besseres  Verständniss  auch  für  die  uns  augenblicklich  be- 
schäftigende Erscheinung  zu  gewinnen  sein? 

Nach  Vagusdurchschneidung  tritt  die  Athmung  später  und 
heftiger  auf  als  in  der  Norm.  Sollte  vielleicht  der  Vagus  zum 
vasomotorischen  Centrum  in  einer  gleichen  oder  doch  ähnlichen  Be- 
ziehung stehen,  wie  zum  respiratorischen  Centrum?  Und  könnte  dies 
das  „Später   und  steiler"  der  Druckcurve   nicht  ganz   gut  erklären  V 

Nehmen  wir  vorläufig  an,  diese  Vorstellung  wäre  richtig  und 
sehen  wir  nach,  ob  sie  alles  wirklich  erklären  kann.  Erst  wenn  sie 
diese  Probe  bestanden  hat,  wird  es  sich  verlohnen,  sie  experimentell 
auf  ihre  thatsächliche  Richtigkeit  zu  prüfen. 

Die  Reizung  der  sogenannten  inspiratorischen  Fasern  des  Vagus 
führt,  so  lange  sich  das  Athmungscentrum  im  Zustande  der  Reiz- 
freiheit, der  Apnoe  befindet,  bekanntlich  keine  Erregung  desselben 
herbei;  dies  geschieht  erst,  wenn  das  Blut  einen  gewissen,  übrigens 
sehr  niedrigen  Grad  von  Sauerstoffmangel  hat,  alsdann  —  also  wenn 
der  Reiz  im  Athmungscentrum  sich  zu  regen  beginnt,  beschleu- 
nigen die  auf  den  Vagusfasern  von  der  Peripherie  herkommenden 
Erregungen  den  Erguss  der  Erregung  des  Athmungscentrums  und 
da  jene  Vorgänge  von  nun  an  fortbestehen  bleiben,  so  tritt  dieser 
frühe  Erguss  immer  Wieder  ein  und  der  Reiz  staut  sich  im  Centrum 
nie  zu  einer  grossen  Höhe  auf.  Zu  dieser  Aufstauung  kommt  es 
aber,  sobald  jene  Fasern  durchschnitten  sind.  Daher  verzögert  sich 
erstens  von  nun  an  die  Entladung,  und  wenn  sie  kommt  so  ist  sie 
bedeutender. 

Wenn  die  centripetalen  (sogenannten)  pressorischen  Fasern  des 
Vagus  zum  vasomotorischen  Centrum  in  ähnlicher  Beziehung  stünden, 
so  müsste  auch  hier  die  durch  das  Venöswerden  des  Blutes  in  dem 
vasomotorischen  Centrum  veranlasste  Erregung  früher  und  in  fort- 
während bescheidenem  Maasse  stattfinden,  so  lange  jene  Fasern  in- 
tact  sind,  —  die  Erregung  müsste  sich  dagegen  aufsammeln  und 
plötzlich  mit  der  ganzen  aufgestauten  Kraft  ausströmen,  sobald  die 
Erregungen  jener  Fasern,  welche  früher  den  Erguss  begünstigten, 
ihm  nicht  mehr  zugeführt  werden.    Da  die  Höhe  des  Blutdrucks  (bei 


26 


gleichbleibender  Herzaction)   der  Ausdruck  des  vasomotorischen  Er- 
regungszustandes ist,  so  würde  die  Druckcurve  für  sich  allein  sehr 
gut  erklärt  sein.     Die  Verspätung  der  Drucksteigerung  wäre  zurück- 
zuführen auf  die  Verspätung  der  vasomotorischen  Innervation.     Die 
grössere  Steilheit  könnte  in  Parallele  gesetzt  werden  zu  der  steilen 
und  dyspnoischen  Inspiration,  die  nach  Vagusdurchschneidung  aut- 
tritt.   Es  könnte  sehr  wohl  sein,    dass  bei  intactem  Vagus  immer 
eine  allmähliche  Entladung  des  ja  nebenbei  stets  noch  tonisch 
fungirenden   vasomotorischen   Centrums  stattfände,  gewissermaassen 
in  Form  einer  Woge,  während  diese  Erregung  nach  Vagustrennung 
in  Form   eines   Stosses  zu   Stande  käme.     Wenn  diese  Vorstellung 
richtig  ist,  so  muss  natürlich  die  Verspätung  des  Beginnes  der  Er- 
regung noch  grösser  erscheinen.     Denn  wenn  schon   das  Maximum 
der  Erregung  nach  Vagusdurchschneidung  später  fällt,   als  bei  in- 
tactem Nerven,  so  muss  die  Steilheit  des  Ansteigens  zu  diesem  Ma- 
ximum im  ersten  Falle  den  Beginn  der  Curvenerhebung  noch  ferner 
verzögern.     Und  diese  weitere  Verzögerung  wäre  offenbar  der  Grund 
für  die  relative  Verspätung  der  Druckerhebung  im  Vergleich  zum 
Beginne   der  Athmung,  bei  welcher  schon    unter  physiologischen 
Verhältnissen  in  Anbetracht  der  rein   rhythmischen  Action  des  re- 
spiratorischen Centrums  eine  Verzögerung  des  Erregungsergusses  be- 
steht,  wodurch  die  vasomotorische  Innervation  einen  Vorsprung  be- 
käme,   den   sie    nach   Vagustrennung   wieder   verlöre.     Schliesslich 
würden  wir  uns  aber  auch  dabei  beruhigen,  dass  die  Verknüpfungen 
des  Vagus  mit  den  beiden  Centren,   so  ähnlich  sie  auch  sind,  doch 
von  der  Art  sind,  dass  das  eine  Centrum  (das  vasomotorische)  bei 
intactem  Nerven   eine  grössere  Erleichterung  des  Erregungseintrittes 
erführe  als   das  andere.    Die  relative  Verzögerung  der  Drucksteige- 
rung in  unseren  Curven  im  Vergleich  zum  Athmungsbeginn  ist  übri- 
gens jedenfalls  zum  Theil  eine  nur  scheinbare.     Fehlte  dort,  wo 
im  Beginne  der  Athmung  die  Druckcurve  horizontal  läuft,   wirklich 
die  neue  Gefässinnervation  noch,  so  müssten  die  stark  dyspnoischen 
Inspirationen   (inspiratorische)   Einziehungen    der   Druckcurve  verur- 
sachen.    Diese  sind  aber  nicht  zu  sehen,  während  die  exspirato- 
rischen   Erhebungen    oft   recht    auffallend   ausgesprochen   sind 
Also  hat  während  jener  Inspirationen  eine  Zunahme  der  Gefässinner- 
vation stattgehabt.     Die  Druckcurve  als  Resultirende  zweier  in  ent- 
gegengesetztem Sinne  wirkenden  Kräfte  konnte  dabei  sehr  wohl  hori- 
zontal bleiben,  ja  sich  möglicherweise  sogar  senken  und  doch  war 
die  Innervation  gestiegen. 

Ausserdem   und  hauptsächlich   aber   darf  man  nicht  vergessen, 


27    

dass  der  Eintritt  einer  Drucksteigerung  als  Signal  für  die  Erregung 
des  vasomotorischen  Centrums  nickt  gleichwertkig  gesetzt  werden 
darf  der  Bedeutung  der  Inspiration  als  Signal  des  Erregungsergusses 
im  respiratorischen  Centrum.  Ein  verschwindend  kleiner  Zeitraum 
liegt  zwischen  der  Erregung  des  letzteren  und  dem  Eintritte  der  In- 
spiration. Ganz  anders  beim  Blutdruck.  Abgesehen  von  der  grös- 
seren Langsamkeit,  mit  welcher  in  der  glatten  Muskelfaser  die  Con- 
traction  zu  Stande  kommt  —  benutzen  wir  hier  als  Signal  eine  viel 
später  liegende  Erscheinung.  Nicht  den  Moment  der  Contraction 
der  glatten  Muskelfaser  registriren  wir,  sondern  erst  den  Augenblick, 
wo  in  Folge  der  Arbeit  mehrerer  hierauf  folgender  Herz- 
systolen  der  Blutdruck  zu  steigen  beginnt.  Denn  nicht  die  Con- 
traction der  kleinsten  Arterien  als  solche  steigert  ja  den  Blutdruck, 
sondern  das  bei  nun  verengten  Abflussröhren  weiter  arbeitende  Heiz. 
Der  Moment  der  Erregung  des  vasomotorischen  Centrums  muss  also 
um  mehrere  Herzschläge  rückwärts  von  jener  Stelle  statuirt  wer- 
den, an  welcher  der  Druck  steigt.  Nimmt  man  hierzu  noch  die 
oben  erörterte  durch  die  dyspnoischen  Inspirationen  bewirkte  Ver- 
deckung  einer  früheren  Drucksteigerung,  so  ist  —  unter  Zugrunde- 
legung der  vorläufig  angenommenen  Verknüpfung  des  Vagus 
und  des  vasomotorischen  Centrums  —  alles  genügend  erklärt. 

Selbstverständlich  kann  ein  plötzliches  Aufwärtsschnellen, 
ein  r  u  c  k  w  e  i  s  e  s  Steigen  der  Druckcurve  nicht  statthaben.  Es 
sind  die  glatten  Muskelfasern  nicht  im  Stande  sich  ruckweise  zu 
contrahiren  und  wenn  sie  dies  selbst  könnten,  so  würde  doch  nur 
die  einzelne  Faser,  oder  allenfalls  gewisse  Arterien  sich  ruckweise 
contrahiren  können;  bei  dem  weit  verästelten  Gebiete  der  Aorta  wird 
die  Verengerung  des  Gesammtquerschnittes  doch  keine  so  ganz  plötz- 
liche sein  können.  Aber  auch  wenn  diese  so  ruckweise  sich  her- 
stellte, so  würde  doch  der  Druck  nicht  anders  als  in  unseren  Curven 
wachsen  können,  denn  —  wie  oben  auseinander  gesetzt  ist  —  nicht 
die  Verengerung  des  Strombettes  als  solche  ist  die  nächste  Ursache 
der  Drucksteigerung,  sondern  die  auf  diese  folgende  Herzaction; 
es  könnte  also  nur  stufenweise  mit  jeder  Systole  der  Druck  etwas 
wachsen,  selbst  wenn  die  Verengerung  ruckweise  entstände.  Dass 
diese  Betrachtungsweise  richtig  ist,  geht  aus  Versuchen  hervor,  in 
denen  der  Druck  in  der  bisherigen  Weise  registrirt  wurde,  und  dann 
plötzlich  die  Aorta,  dicht  unter  ihrem  Durchtritte  durch  das  Zwerch- 
fell, comprimirt  wurde;  auch  hier  steigt  der  Druck  trotz  plötz- 
licher Verengerung  des  Abflussrohres  ganz  wie  in  unseren  Curven 
(bei  vagotomirten  Thieren).    Die  gleiche  Form  bekommt  man  auch, 


28    

wenn  man  das  vasomotorische  Centrum  direct  elektrisch  stark  reizt, 
—  wie  dies  in  zahlreichen  publicirten  Curven  aus  derartigen  Ver- 
suchen zu  erkennen  ist. 

Unsere  Erklärung  umschliesst  also  vollständig  die  beobachteten 
Thatsachen;  sie  wäre  eine  völlig  befriedigende,  wenn  nur  ihre  Grund- 
lage weniger  hypothetisch  wäre.  Die  Grundlage  unserer  Erklärung 
war  aber,  wie  man  sich  erinnern  wird,  die  Annahme,  dass  die 
centripetalen ,  sogenannten  pressorischen  Fasern  in  einem  ähnlichen 
Verhältniss  zum  vasomotorischen  Centrum  stehen,  wie  die  sogenannten 
inspiratorischen  Fasern  desselben  Nerven  zum  respiratorischen.  So 
plausibel  diese  Annahme  ist,  so  misslich  ist  es,  sie  zur  Grundlage 
einer  Erklärung  von  Thatsachen  zu  machen,  aus  denen  sie  selber 
erst  abgeleitet  ist. 

Prüfen  wir  sie  daher  auf  ihre  Richtigkeit.  Ich  übergehe  jene 
halb-beweisenden  Versuche,  mit  denen  man  in  der  Regel  derartige 
Prüflingen  beginnt,  und  wende  mich  gleich  zu  demjenigen  Versuch, 
den  ich  für  den  beweiskräftigsten  halte,  um  die  Frage  zu  entscheiden. 

Einem  Kaninchen  werden  beide  Vagi  durchschnitten ;  Kymographion- 
versuch;  das  centrale  Ende  des  einen  (r.)  Vagus  wird  jetzt  mittelst  In- 
ductionsströmen  eines  du  Boi s-Reymo nd 'sehen  Schlittens  gereizt;  von 
unwirksamen  Stromstärken  beginnend,  verstärke  ich  die  Stromstösse  bis 
die  Athmung  häufig  und  oberflächlich  zu  werden  beginnt.  Hierauf  wird 
die  Reizung  beendet  und  das  T  hier  künstlich  respirirt,  sodass  massige 
Apnoe  besteht  (3 — 4  Secunden  nach  dem  Aufhören  der  künstlichen  Ath- 
mung beginnt  das  Thier  spontan  zu  respiriren).  Während  der  künstli- 
chen Athmung  oder  unmittelbar  nach  Aufhören  derselben,  also  im  Be- 
ginne der  apnoischen  Pause  reize  ich  mit  derselben  Stromstärke,  das  Thier 
macht  keine  Athembewegung.  Die  Blutdruckcurve  zeigt  Folgendes:  Dort 
wo  das  Thier  spontan  athmete  stieg  während  der  Reizung  der  Druck  an 
zugleich  mit  der  Beschleunigung  und  Verflachung  der  Athmung.  Dagegen 
blieb  auf  Reizung  in  der  Apnoe  diese  Steigerung  des  Drucks  ebenso  aus, 
wie  die  Athembewegungen,  auch  der  soweit  verstärkte  Reiz,  dass  er  am 
spontan  athmenden  Thiere  Athmungsstillstand  bewirkte,  erhöhte  den  Druck 
während  der  Apnoe  nicht. 

Damit  ist  die  Aehnlichkeit  der  Einwirkung  des  Vagus  auf  die 
beiden  Centra  zur  Genüge  klargethan.  Wo  sich  ferner  bei  einem 
morphinvergifteten  Thiere  (mit  durchschnittenen  Vagi)  periodische 
Athmung  zeigte,  Hess  sich  durch  gelinde  Vagusreizung  die  Verspä- 
tung sowohl  als  auch  die  Steilheit  der  Druckerhebung  ebenso  be- 
seitigen, wie  das  Einsetzen  der  Athmung  mit  Dyspnoe.  Um  diese 
Erfahrungen  bereichert,  können  wir  nunmehr  in  der  That  die  oben 
mit  allem  Vorbehalte  gegebene  Erklärung  dreist  adoptiren. 

So  wären  denn  auch  die  von  den  vagotomirten  Thieren  gelie- 
ferten Curven,  wie  mir  scheint,  durchaus  genügend  erklärt. 


29 


Woher  rührt  die  PeriodicitUt   der  Athmung;  1 

So  klar  auch  die  Verhältnisse  gestellt  werden  konnten,  die  dem 
einzelnen  Curvenabschnitt  seine  Form  verliehen,  so  ist  die  Ursache 
der  Periodicität  der  Athmung  bis  hierher  noch  keineswegs  klar  ge- 
worden. Denn  da  wir  gesehen  haben,  dass  die  Drucksteigerung  nicht 
die  Ursache  der  Athmung  und  die  Drucksenkung  nicht  die  Ursache 
der  Apnoe  ist,  so  muss  man  sich  mit  Recht  fragen,  welche  sonstigen 
Vorgänge  denn  das  Thier  dazu  zwingen  sich  von  Zeit  zu  Zeit  in 
Apnoe  zu  versetzen  und  dann  zum  Schluss  dieser  Apnoe  nicht,  wie 
jedes  normale  Individuum  am  Schluss  einer  irgendwie  bewirkten 
Apnoe  rhythmisch  die  Athmung  wieder  zu  beginnen,  sondern  sich 
durch  eine  besonders  ausgiebige  Athmung  auf  längere  oder  kürzere 
Zeit  wieder  apnoisch  zu  machen. 

Dass  der  Antrieb  hierzu  nicht  von  dem  gleichmässig  und  stetig 
im  Thierkörper  ablaufenden  Sauerstoffschwund  herrühren  könne,  und 
dass  hierfür  ebensowenig  die  durch  das  Morphin  verursachte  Ver- 
minderung der  Erregbarkeit  des  respiratorischen  Centrums  für  sich 
allein  verantwortlich  gemacht  werden  kann,  habe  ich  bereits  früher 
(a.  a.  0.  1874)  dargethan.  Folgende  Betrachtung  wird  in  aller  Kürze 
die  hierbei  in  Frage  kommenden  Verhältnisse  illustriren. 

Die  Erregbarkeit  sei  beliebig  stark  vermindert  und  es  sei  auf 
irgend  welche  Weise  eine  Apnoe  herbeigeführt.  Von  jetzt  an  wird 
die  Veuosität  des  Blutes  zunehmen;  wenn  sie  jenen  Grad  erreicht 
hat,  bei  welchem  im  normalen,  unvergifteten  Thiere  der  Mechanis- 
mus der  Athmung  zu  spielen  beginnt,  so  bleibt  bei  unseren  Thieren 
alles  ruhig.  Die  Veuosität  steigt  weiter  und  erreicht  endlich  eine 
solche  Höhe,  dass  das  morphiuvergiftete  Ceutrum  erregt  wird,  und 
jetzt  muss,  allerdings  mit  sauerstoffärmerem  Gesammt-Arterien-Blute 
der  Mechanismus  spielen,  ganz  wie  in  der  Norm.  Heftiger  zu  re- 
agiren,  so  dass  das  Thier  sich  selbst  relativ  apuoisch  macht,  dazu 
liegt  gar  keine  Veranlassung  vor. 

Betrachten  wir  den  letzten  Athemzug  einer  längeren  Athmungs- 
periode,  an  welchen  sich  eine  minutenlange  Apnoe  schliesst,  so  müssen 
wir  uns  sagen ,  dass  dieser  absolut  gar  nicht  von  dem  Gaszustände 
des  Blutes  abhängig  sein  kann.  Der  winzige  arterialisireude  Einfluss 
dieses  letzten  oft  unglaublich  kümmerlichen  Athemzuges  kommt  gegen 
den  sich  anschliessenden  minutenlangen  Sauerstoffverbrauch  gar  nicht 
in  Betracht.  Obwohl  der  Blutreiz  wächst,  kommt  es  jetzt  auf  längere 
Zeit  nicht  mehr  zur  Athmung,  also  kann  der  letzte  Athemzug  auch 
nicht   vom    Blutreiz   verursacht    gewesen   sein.     Dass  diese   Vorstel- 


30    

lung  richtig  ist,  lässt  sich  experimentell  beweisen.  Wenn  ich  zu 
einer  Zeit,  wo  die  energischsten  Athemzüge  bereits  vorüber  sind, 
also  im  Decrescendo,  die  Trachealcanüle  verschliesse ,  so  dass  die 
letzten  Athemzüge  keine  Luft  mehr  zuführen,  so  tritt  keine  Dyspnoe 
ein,  sondern  die  Athmung  erlischt,  wie  sonst.  Die  letzten  Athemzüge 
sind  also  nicht  durch  den  Blutreiz  veranlasst  gewesen. 

Dass  an  eine  Ermüdung  des  Athmungscentrums  nicht  gedacht 
werden  darf,  geht  aus  den  Versuchen  hervor,  in  denen  wir  den  Luft- 
zutritt im  Beginne  einer  Respirationsperiode  behinderten,  wo  dann 
die  Athmung  in  normaler  Weise  sich  (auf  gewisse  Zeit)  als  uner- 
müdlich zeigt,  und  ist  wie  ich  an  den  früheren  (a.  a.  0.)  Stellen 
zeigte  a  priori  absolut  unzulässig,  da  eine  periodisch  vorübergehende 
Ermüdung  unfehlbar  in  kurzer  Zeit  zu  tödtlicher  Erstickung  führen 
müsste.  Alle  nervösen  Mechanismen  unseres  Körpers  mögen  Ermü- 
dung und  Erholung  zeigen  können  und  selbst  ein  massiges  Ausruhen 
des  Herzens  mag  zeitweilig  vertragen  werden  können,  —  die  Ermü- 
dung des  Athmungscentrums  aber  ist  der  Tod. 

Der  letzte  Athemzug  der  Athmungsperiode  ist  also  nicht  durch 
den  Gaszustand  des  Gesammtblutes  bedingt  gewesen ;  das  Thier  hat 
hier  vielmehr  noch  geathmet,  obwohl  sein  Gesammtblut  bereits 
apnoisch  war  (ä.  h.  sein  Athmungscentrum  nicht  mehr  erregen 
konnte;  wie  gering  oder  gross  die  Erregbarkeit  dieses  Centrums  im 
concreten  Falle  ist,  bleibt  gleichgiltig).  Es  muss  also  ein  Reiz  hin- 
zugekommen sein,  der  das  Thier  zu  athmen  zwang,  trotz  mangelnden 
Blutreizes  und  dessen  Aufhören  dem  Eintritte  der  Pause  zu  Grunde 
lag.  Und  je  mehr  die  Athmung  unserer  Thiere  sich  dem  Cheyne- 
Stokes'schen  Typus  näherte ,  d.  h.  einen  zuerst  zu- ,  später  abneh- 
menden Charakter  zeigte,  um  so  mehr  musste  dieser  accessorisehe 
Reiz  von  vornherein  zuerst  zu-  und  später  abnehmen,  um  beim  Be- 
ginne der  Pause  aufzuhören.  Ein  Warmblüter  kann  überhaupt  durch 
den  blossen  Blutreiz  nie  apnoisch  werden. 

Wenn  z.  B.  wir  Menschen  auf  unsere  Athmung  nur  den  natür- 
lichen Blutreiz  einwirken  lassen,  so  werden  wir  nie  apnoisch;  sobald 
wir  aber  zu  diesem  vorhandenen  Reize  noch  den  Reiz  unseres  Willens- 
impulses zufügen,  so  wird  die  Athmung  stärker  und  wenn  wir  diesen 
neuen  Reiz  aufhören  lassen,  sobald  der  Gaszustand  des  Blutes  für 
sich  allein  keine  Athmung  mehr  bedingen  würde,  —  so  entsteht 
Apnoe. 

Dass  ein  durch  Morphin  schwer  betäubtes  Individuum,  Kaninchen 
oder  Mensch,  diesen  Reizzuwachs  nicht  durch  einen  Willensimpuls 
liefert,  liegt  auf  der  Hand.    Welche  andere  Mittel  hat  nun  aber  der 


31     

Organismus  um   unabhängig    vom   Gaszustande    seines  Blutes   einen 
Reizzuwachs  für  die  Athmung  zu  liefern'? 

Die  Erfahrung  gibt  uns  hierüber  Mehreres  an.  Um  bei  apnoi- 
schem Blute  Athmung  zu  erzeugen  resp.  bei  normalem  Blute  eine 
verstärkte  Athmung  zu  veranlassen,  gibt  es  viele  Mittel:  Verbluten- 
lassen, Herzstillstand,  Zuklemmen  der  Hirngefässe,  plötzliche  Ernie- 
drigung des  Blutdrucks,  z.  B.  durch  Depressorreizung  u.  a. 

Alle  diese  scheinbar  so  verschiedenen  Eingriffe  haben  das  Ge- 
meinsame, dass  sie  die  Blutzufuhr  zur  Medulla  oblongata  vermindern 
und  ausschliesslich  dadurch,  dass  sie  eine  plötzliche,  das  Athmungs- 
centrum  reizende  Anämie  desselben  erzeugen,  erregen  sie  es.  Denn 
was  nützt  es  dem  Athmungscentrum,  dass  das  Blut  apnoisch  ist,  wenn 
es  das  Blut  nicht  oder  nicht  in  genügender  Menge  erhält!  Abgesehen 
vom  Willen  und  energischen  von  aussen  her  einwirkenden  Hautreizen 
(von  denen  in  unseren  Fällen  nicht  die  Rede  sein  kann)  gibt  es,  so 
weit  unsere  heutige  Kenntniss  reicht,  keinen  die  Respiration  bei 
apnoischem  Blute  erzeugenden  Eingriff,  der  nicht  in  die  Kategorie 
der  eben  erörterten  gehörte,  der  nicht  durch  Verminderung  des  Blut 
Zuflusses  zur  Medulla  oblongata  jene  Wirkung  ausübte.  Sehen  wir 
uns  darauf  hin  unsere  Curven  an. 

In  der  That  finden  wir  Beispiele  von  Athmungseintritt  bei  Cir- 
culationsverhältnissen,  die  den  erörterten  entsprechen.  In  Fig.  5  sehen 
wir  die  Athmung  eintreten  bei  stark  erniedrigtem  Drucke  und  ver- 
langsamter Herzaction,  ebenso  in  Fig.  7.  Noch  mehr  sprechen  in 
dieser  Beziehung  die  Curven  der  vagotomirten  Thiere,  die  alle  von 
erniedrigtem  Drucke  aus  ihre  Athmung  beginnen  lassen.  Nun,  nie- 
driger Druck  treibt  weniger  Blut  ins  Gehirn  so  scheint  die  Er- 
klärung ja  einfach!  Aber  bereits  oben  haben  wir  ja  so  genau  den 
Beweis  liefern  können,  dass  die  Athmung  vom  Druck  als  solchem 
in  unseren  Versuchen  ganz  unabhängig  ist.  Man  sehe  nur  noch 
Fig.  1 — 4  an,  wo  die  Athmung  bei  bereits  gestiegenem  und  noch 
steigendem  Druck  beginnt,  und  blicke  auf  die  von  den  atropinisirten 
Thieren  gelieferten  Curven  Fig.  10  -  18.  Wie  soll  hier,  wo  der 
Druck,  also  die  Triebkraft  a  tergo  steigt,  wie  kann  hier  weniger 
Blut  zur  Medulla  oblongata  kommen?  Und  gerade  dann,  wo  in  diesen 
Figuren  der  Druck,  also  die  Triebkraft,  sinkt,  soll  der  Zuwachsreiz 
ja  aufhören,  soll  mehr  Blut  zum  Athmungscentrum   fliessen! 

Die  Drucksteigerung  ist,  wie  wir  gezeigt  haben,  durch  eine  Cou- 
traction  peripherischer  Gefässe  bedingt;  soll  unter  diesen  Umständen 
bei  steigender  Triebkraft  weniger  Blut  als  vorher  in  die  Arterien 
der  Medulla  oblongata  kommen,  so  müssen  diese  sich  schlechterdings 


32    

stärker  verengen,  als  dies  durchschnittlich  die  übrigen  Körper- 
arterien thun.  Dass  der  hierdurch  bedingte  Reiz  mit  Aufhören  der 
Gefässinnervation,  also  bei  sinkendem  Drucke  ebenfalls  aufhört,  ver- 
steht sich  dann  von  selbst.  Die  im  Vergleich  zu  den  übrigen  Arte- 
rien promptere  Contraction  der  Hiruarterien  im  Beginne  der  Athmung, 
bleibt  für  unsere  in  dieser  Arbeit  mitgetheilten  Versuche  nur  eine 
Annahme,  zu  der  wir  aber  mit  aller  Nöthigung  und  ohne  Mög- 
lichkeit eines  Ausweges  gedrängt  sind.  Wir  sind  also  zu  einer  Er- 
klärung der  durch  Morphin  in  unseren  Versuchen  veranlassten  perio- 
dischen Athmung  gelangt,  welche  durchaus  übereinstimmt  mit  meiner 
für  das  klinische  Cheyne-Stokes'sche  Phänomen  aufgestellten  Theorie; 
so  ist  es  denn  wohl  gestattet  beide  Phänomene,  das  klinische  und 
das  experimentelle,  von  einem  Gesichtspunkte  nunmehr  zu  betrachten. 
Wir  haben  hierzu  um  so  mehr  ein  Recht,  als  bekanntlich  Traube 
beobachtete,  dass  die  Darreichung  von  Morphin  bei  solchen  Patienten 
das  Cheyne-Stokes'sche  Phänomen  hervorruft,  welche  in  Folge  ihrer 
Erkrankung  zu  demselben  disponirt  sind.  Da  ich  ferner  bezüglich 
des  klinischen  Phänomens  die  besondere  Betheiligung  der  Hirnar- 
terien weiter  verfolgt  habe  durch  Beobachtungen  an  den  Fontanellen 
kleiner  in  Cheyne-Stokes'scher  Form  athmender  Kinder,  sowie  durch 
Beseitigen  der  Erscheinung  mittelst  eines  gefässlähmenden  Medica- 
ments  (Amyluitrit1)),  so  ist  auch  für  unsere  Morphinversuche  die 
hervorragende  Betheiligung  der  Arterien  der  Medulla  oblongata  an 
der  nachgewiesenen  vasomotorischen  Innervation  über  das  Stadium 
der  Hypothese  hinaus. 

Teleologisch  betrachtet  ist  es  eine  sehr  zweckmässige  und  mit 
anderen  Steuerungen  des  Organismus  übereinstimmende  Vorrichtung, 
wenn  die  bei  Erstickungsgefahr  auftretende  Arteriencontractiou  gerade 
im  Gebiete  des  Athmuugscentrums  besonders  stark  ausgesprochen  ist 
und  durch  stärkere  frühzeitige  Erregung  gerade  dieser  Stelle  eine 
heftigere  Athmung  erregt,  wodurch  der  Erstickungsgefahr  entgegen 
gearbeitet  wird. 


1)  Seit  jeuer  Veröffentlichung  ist  der  Einfluss  des  Amyluitrits  auf  das  Cheyne- 
Stokes'sche  Phänomen  durch  Claus  (Zeitschr.  f.  Psychiatrie.  Bd.  32.  S.  437)  be- 
stätigt worden.  Diese  Mittheilung  Claus's  liefert  ausserdem  eine  werthvulle 
Ergänzung,  indem  sie  zeigt,  dass  das  Amyluitrit  nur  bei  Gefasslähmung  jenen 
Kinnuss  auf  das  Phänomen  ausübt.  Es  blieb  nämlich  in  einem  Falle,  in  welchem 
das  A.  an  den  sphygraographischen  Curven  die  für  völlige  Gefasslähmung  charakte- 
ristischen Veränderungen  nicht  veranlasste,  das  Phänomen  bestehen,  während 
dasselbe  in  einem  anderen  Falle  unter  Gebrauch  jenes  Mittels  aufhörte,  wo  als 
Zeichen  eingetretener  (lefäss Wirkung  die  Spannung  der  Radialarterie  niedrig  und 
gleich  blieb,  während  sie  sich  vor  der  Inhalation  zum  Schlüsse  der  Pause  erhöht  hatte 


33    

Zu  meiner  früheren  Theorie  der  periodischen  Athmung  würde 
ich  jetzt  noch  den  Zusatz  machen,  dass  zu  deren  Zustandekommen 
es  schou  genügt,  wenn  die  Arterien  der  Medulla  oblongata  gleich- 
zeitig mit  der  Erregung  des  Athmungscentrums  erregt  werden; 
eine  vorhergehende  Contraction  wird  die  Erscheinung  verstärken 
und  mag  bei  den  ausgeprägten  Fällen  auch  statthaben;  sie  ist  aber 
nicht  unerlässlich  und  vielleicht  auch  nicht  immer  vorhanden. 

Nachtrag  zu  dem  vorhergehenden  Abschnitte. 
Es  sind  seit  dem  Erscheinen  meiner  letzten  Veröffentlichung 
über  das  Cheyne-Stokes'sche  Phänomen  von  C.  Biot  zwei  Arbeiten  ') 
erschienen,  die  eine  sehr  interessante  graphische  Darstellung  des 
Pulses  und  der  Respiration  eines  im  Cheyne-Stokes'schen  Typus 
athmenden  Patienten  enthalten.  Die  Uebereinstimmung  jener  Curven 
mit  den  von  mir  früher  mitgetheilten ,  sowie  der  in  dieser  Arbeit 
vorgelegten  Thatsachen  ist  eine  vollständige.  Biot  gebührt  das  Ver- 
dienst die  beiden  Curven  bei  diesem  Phänomen  als  der  erste  über 
einander  gesetzt  zu  haben.  Auch  in  seinen  Curven  sieht  man  ganz 
wie  in  unserer  Fig.  1  die  Pulsfrequenz  am  äussersten  Ende  der  Pause 
und  während  des  Ansteigens  der  Athmung  abnehmen  und  dann  bis 
weit  in  die  Pause  hinein  wieder  steigen.  Aus  der  Form  des  ein- 
zelnen Pulses  der  sphygmographischen  Curve  —  der  Patient  litt  an 
Aorteniusufficienz  —  lässt  sich  demonstriren,  dass  während  der  Pause 
zur  Zeit  der  grössten  Pulsfrequenz  die  peripherischen  Widerstände 
für  den  Blutabfluss  aus  den  Körperarterien  geringer  waren,  als  zur 
Zeit  der  Pulsverlangsamung  resp.  zur  Zeit  der  Respiration:  es  ist 
nämlich  die  Figur  des  Pulsus  celer,  wie  er  der  Aorteninsufficienz 
zukommt,  nur  in  der  Pause  excl.  deren  Ende  ausgesprochen,  da- 
gegen nicht  während  der  Athmung;  hieraus  lässt  sich  entnehmen, 
dass  das  herzdiastolische  Absinken  des  Drucks  während  der  Apnoe 
leichter  zu  Stande  kommt  als  während  der  Athmung.  Man  sieht: 
die  Uebereinstimmung  zwischen  den  Biot' sehen  Curven  mit  meinen 
früheren  und  jetzigen  Angaben  ist  eine  vollständige.  Wenn  trotzdem 
Biot  gerade  diese  Beobachtungen  als  besonders  beweisend  gegen 
meine  Auffassung  ins  Treffen  führt,  so  sind  hieran  rein  sprachliche 
Missverständnisse  schuld.  Biot  dehnt  in  seiner  Berichterstattung 
das,  was  ich  vom  äussersten  Ende  der  Pause  und  der  beginnenden 
Respirationsperiode  gesagt  habe,  auf  die  ganze  Pause  aus,  und,  was 
ich  vom  Ende  der  Respirationsperiode  und   dem  grössten  Theil  der 

1)  Lyon  medical  l^TH;  Etüde  clin.  et  exp.  s.  la  respir.de  Ch.-St.  Paris  1876. 

Fileline,  Einwirkung  d.  Morphins  auf  d.  Athmung.  !{ 


34    

Pause  gemeldet  habe,  lässt  er  mich  von  der  Respirationsperiode  aus- 
sagen. Die  Folge  hiervon  ist  natürlich,  dass  er  das  Gegen theil  von 
dem  gefunden  zu  haben  glaubt,  was  ich  berichtet  hatte.  Ein  wei- 
teres Missverständniss  ist,  dass  er  mich  eine  übermässige  Arteriali- 
sation  des  Blutes  (suroxygenation)  während  der  Pause,  die  ich  als 
eine  apnoische  bezeichne,  annehmen  lässt.  In  Wirklichkeit  habe 
ich  aber  stets  nur  eine  so  weitgehende  Arterialisation  in  der  Apnoe 
verlangt,  dass  das  Athmungscentrum  durch  den  Blutreiz  nicht  erregt 
wird.  Wo  diese  Erregbarkeit  durch  Krankheit  oder  Gift  sehr  er- 
niedrigt ist,  da  wird  das  Arterienblut  schon  recht  venös  sein  können 
und  trotzdem  in  Bezug  auf  diesen  niedrigen  Erregbarkeitsgrad  re- 
lativ gut  arterialisirt  sein  und  deshalb  Apnoe  verursachen.—  Einige 
andere  Irrthümer  habe  ich  neuerdings  bereits  an  einem  anderen  Orte1) 
besprochen.  — 

Anderer  Natur  ist  ein  Angriff,  der  meiner  Theorie  von  Seiten 
J.  Hein's2)  zu  Theil  wurde.  Hein  sah  eine  70jährige  an  Fettherz 
leidende  Patientin  in  Cheyne-Stokes'scher  Form  athmen  und  consta- 
tirte,  dass  das  Bewusstsein  (wie  dies  schon  oft  gesehen  wurde)  wäh- 
rend der  Pause  getrübt  oder  gar  erloschen  war,  während  der  Ath- 
mungsperiode  dagegen  wieder  erwachte.  Dies  scheint  Hein  unver- 
träglich mit  meiner  Theorie  zu  sein,  und  gerade  dieser  Punkt  ist  es 
ausschliesslich,  der  Hein  veranlasst,  sich  von  meiner  Theorie  abzu- 
wenden und  eine  neue  Erklärung  zu  versuchen.  Nach  meiner  Theorie 
wäre,  meint  Hein,  während  der  Athmuug  ein  verminderter  Zufluss 
eines  sogar  schlechter  arterialisirten  Blutes  für  das  Gehirn  zu  er- 
warten —  und  gerade  da  bestand  ein  leidliches  Bewusstsein;  und 
während  der  Pause,  also  wann  nach  meiner  Auffassung  gutes  Blut 
reichlich  zum  Hirn  fliesst,  erlosch  das  Bewusstsein.  Auf  den  ersten 
Blick  scheint  dies  allerdings  sehr  bedenklich.  Und  doch  ist  dieser 
Fall  für  mich  sehr  begreiflich.  Ein  somnoleutes  Individuum  wird, 
wenn  ich  es  ungestört  lasse,  in  Schlaf  versinken;  dagegen  sofort  er- 
wachen, sobald  ich  es  durch  Verschluss  von  Mund  und  Nase  in 
Erstickungsgefahr  bringe.  Was  Wunder,  wenn  jene  somnoleute  Pa- 
tientin Hein's  in  Schlaf  verfiel,  sobald  ihr  (relativ)  apnoisches  Blut 
ihr  Ruhe  liess;  dagegen  erwachte,  sobald  ihr  Erstickung  drohte?! 
—  Dass  diese  Auffassung  durchaus  berechtigt  ist,  geht  aus  jenem 
höchst  interessanten  Falle  hervor,  von  welchem  E  w  a  1  d  a)  berichtete. 


1)  Revue  mensuelle  de  med.  et  de  chir.  187S.  No.  9. 

2)  Wiener  med.  Wochenschr.  1877.  No.  14,  15 

'6)  Beil.  klin.  Wochenschr.  1874.  No.  14  (in  der  Discussion  über  meine  .Mit- 
theilung in  der  Berl.  medic.  Ges.). 


35     

Dieser  Fall  betraf  einen  Mann,  welcher  bei  vollem  Bewusstsein 
Cheyne-Stokes'sche  Athmung  hatte  und  .seine  klaren  Empfindungen 
mittheilen  konnte.  Er  erzählte,  dass  er  sich  während  der  Pause 
(nach  mir:  Apnoe)  sehr  wohl  befinde;  mit  der  Athmung  steige  in 
ihm  eine  Beängstigung  auf,  die  während  der  Athmung  sich  steigere 
und  erst  wieder  schwinde,  wenn  er  nicht  mehr  so  zu  athmen  brauche. 
Hätte  jener  Mann  Neigung  zur  Somnolenz  gehabt,  so  würde  er  natür- 
lich eingeschlafen  sein,  wo  er  sich  behaglich,  und  aufgewacht  sein, 
wo  er  sich  geängstigt  fühlte,  —  ganz  so,  wie  es  bei  Hein's  Pa- 
tientin der  Fall  war. 

Was  nun  die  Erklärung  betrifft,  die  Hein  im  Gegensatz  zu  mir 
von  dem  Phänomen  überhaupt  gibt,  so  wird  der  Leser,  der  sich  für 
diese  Streitfrage  interessirt,  und  die  Arbeit  Hein's  durchliest,  sofort 
sehen,  dass  Hein  eigentlich  nur  seine  Auffassung  darüber  ausein- 
andersetzt, wie,  bei  gegebener  Cheyne-Stokes'scher  Athmung,  das 
Individuum  wirth schattet;  wieso  es  aber  zu  einer  periodischen  Ath- 
mung überhaupt  kommt,  darüber  schweigt  Hein.  Oben  hatten  wir 
unsere  Curven  zuerst  auch  nur.  in  dieser  Weise  discutirt;  wir  hatten 
uns  zuerst  nur  um  das  Wie  des  Haushalts  gekümmert,  und  erst 
als  wir  dies  in  genügender  Weise  erörtert  hatten,  schritten  wir  zur 
Ermittlung  der  letzten  Ursache.  Dass  Hein  bei  seiner  rein  theore- 
tischen Erörterung  auch  die  Form  des  Haushalts  sich  anders  vor- 
stellte, als  wir  dies  nach  directen  Beobachtungen  thun  müssen,  er- 
ledigt für  mich  die  Sache  vorläufig,  und  ich  muss  den  sich  hierfür 
noch  interessirenden  Leser  auf  das  Original  verweisen  und  ihn  bitten 
mit  den  Erörterungen  Hein's,  sofern  sie  durch  das  Vorstehende 
ihm  noch  nicht  ganz  erledigt  scheinen  sollten,  auch  meine  in  den 
mehrfach  citirten  Abhandlungen  vorgelegten  Erwägungen  zu  ver- 
gleichen. 

II.  Späteres  Stadium  (rhythmische  Athmung-). 

Wenn  die  von  mir  im  Abschnitte  I  erwähnten  Thiere  eine  Zeit 
lang  in  periodischer  Form  und  wie  man  aus  den  Curven  sieht  in 
einer  in  toto  verlangsamten  Folge  geathmet  hatten  (auf  grössere  Zeit- 
räume bezogen  war  die  Frequenz  zu  ' -t  -  '  20  der  Norm  gesunken), 
so  trat  später  und  namentlich  nach  Darreichung  grösserer  Dosen 
wieder  eine  rhythmische  Athmung  auf  mit  einer  wieder  beschleu- 
nigten, zuweilen  sogar  der  normalen  fast  oder  ganz  gleichen  Fre- 
quenz (s.  Tafel  VII.  Fig.  8  als  Fortsetzung  von  6  und  7);  zu  dieser 
Zeit  ist  der  Blutdruck  und  die  Herzaction  anscheinend  ganz  normal. 
Dieses   Verhalten   der  Athmung   war   überraschend    und  musste  bei 


36    

weiterem  Verfolgen  entweder  für  die  Morphinwirkung  oder  für  die 
Theorie  der  periodischen  Athmung,  ja  der  Athmung  überhaupt,  neue 
Gesichtspunkte  geben.  Die  Toxikologie  lehrt,  dass  mit  weiterer  Läh- 
mung (Erregbarkeitsverminderung)  die  Respirationsfrequenz  abnimmt. 
Gscheidlen1)  gibt  ausserdem  an,  dass  Morphin  die  Athmung  pro- 
gressiv verlangsame.  Was  sollen  wir  von  jener  späteren  Beschleu- 
nigung bei  normaler  Circulation  nach  grossen  Morphingaben 
denken?  Sollte  später  und  bei  grösseren  Gaben  eine  Steigerung  der 
Erregbarkeit  des  respiratorischen  Centrums  eintreten  ?  Die  Frage  war 
nach  der  üblichen  Auffassung  mit  Ja  (oder  überhaupt  gar  nicht)  zu 
entscheiden.  Jedoch  wollte  mir  diese  Steigerung  bei  der  sonst  fort- 
schreitend betäubenden,  lähmenden  Wirkung  des  Morphins  nicht  glaub- 
lich erscheinen.  Ich  suchte  daher  eine  anderweitige  mehr  oder  we- 
niger exacte  Methode,  die  Erregbarkeit  des  Athmungscentruras  zu 
bestimmen. 

Wo  auch  immer  wir  die  Erregbarkeit  eines  (besonders  nervösen) 
Organes  zu  bestimmen  suchen,  da  bemühen  wir  uns  festzustellen, 
wie  gross  der  Reiz  sein  muss  um  jenes  Organ  eben  zu 
erregen.  Diese  Methode  wollen  und  müssen  wir  auch  im  vor- 
liegenden Falle  anwenden.  Und  hier  sind  wir  in  der  glücklichen 
Lage  gar  nicht  erst  einen  künstlichen  Reiz  einführen  zu  müssen. 
Wir  können  viel  vortheilhafter  hier  verfahren  und  die  Stärke  des 
factisch  vorhandenen  Reizes  bestimmen,  der  ja  zur  physiologi- 
schen Erregung  eben  ausreicht.  Hierdurch  sind  wir  dem  Athmungs- 
centrum  gegenüber  in  viel  günstigerer  Lage  als  in  anderen  Fällen, 
wo  wir  einen  fremden,  den  physiologischen  Verhältnissen  femste- 
henden (z.  B.  elektrischen)  Reiz  einführen  müssen.  Die  Erregbarkeit 
des  Athmungscentrums  ist  ermittelt,  sobald  wir  die  Grösse  des  Reizes 
kennen,  welcher  es  eben  erregt;  —  und  da  dieser  Reiz  der 
Blutreiz  ist,  so  haben  wir  nur  nöthig  den  Gaszustand 
des  Blutes  zu  bestimmen,  bei  welchem  das  Athmungs- 
centrum  eine  normale  (nicht  dyspnoische)  Athmung  voll- 
führt. Da  ferner  unsere  Thiere  in  jenem  Stadium  spontan  eine 
anscheinend  normale  Athmung  darboten,  so  war  nur  der  Gas- 
zustand des  Carotis-Blutes  unserer  Thiere  zu  ermitteln, 
um  sofort  die  Erregbarkeit  des  Centrums  zu  kennen.  Je  besser  ar- 
terialisirt  das  Carotis-Blut,  um  so  höher  war  die  Erregbarkeit,  und 
umgekehrt.  So  naheliegend  diese  Betrachtung  eigentlich  ist,  so  war 
doch  in  den  Vorstellungen  der  Toxikologen  der  Glaube  an  die  lei- 


1)  Untersuchungen  a.  d.  phys.  Labor,  in  Würzb.  II.  (I%9)  S.  1  ff. 


37     

stungs  vermindernde  Wirkung  einer  Erregbar k ei ts  Verminderung 
s«)  fest,  dass  bei  gleichbleibender  Leistung  an  eine  Vermin- 
derung der  Erregbarkeit  gar  nicht  gedacht  wurde.  Wir  sind 
jetzt  dagegen  zur  Erörterung  der  Frage  genöthigt,  ob  trotz  normaler 
Leistung  (bezüglich  Frequenz  und  Tiefe)  nicht  doch  eine  Verminde- 
rung der  Erregbarkeit  in  unserem  Falle  vorliege  und  wenden  uns 
mit  dieser  Frage  an  den  Gaszustand  des  Blutes. 

Mit  derjenigen  Reizgrösse,  welche  der  Gaszustand  des  Blutes  bei 
normaler  Athmung  repräsentirt,  ist  offenbar  das  Maass  des  minimalen, 
zur  Erregung  eben  hinreichenden  Reizes  bereits  überschritten. 
Dies  schliesse  ich  aus  der  Art  des  Eintritts  der  Athmung  nach  vor- 
gäugiger  Apnoe.  Dieser  Eintritt  findet  bei  unvergiftetetem  Thiere 
nie,  bei  morphinisirtem  nicht  immer  in  der  Weise  statt,  dass  mit 
dem  Schlüsse  der  Apnoe  normale  Athmung  beginnt,  sondern  wie  für 
normale  Thiere  Traube-1)  zuerst  mittheilte,  in  der  Weise,  da^s 
kaum  bemerkbare  durch  sehr  geringe  Abflachungen  des  Zwerchfells 
verursachte  Athemzüge  auftreten,  die  in  normaler  Frequenz  wieder- 
kehrend allmählich  stärker  werden,  bis  sie  die  normale  Tiefe  er- 
reicht haben.  Der  minimale ,  zur  Erregung  eben  hinreichende  Reiz 
wird  also  durch  jenen  Gaszustand  schon  repräsentirt,  welchen  das 
Blut  hatte,  als  die  ersten  kaum  bemerkbaren  Athemzüge  auftraten. 
Bei  den  anatomischen  Verhältnissen  der  Respirationsorgane  mögen 
diese  gerade  noch  zur  Ventilation  der  Nasenhöhle  oder  der  Trachea, 
nicht  aber  zur  Ventilation  der  bei  der  Sauerstoffaufnahine  in  Frage 
kommenden  Alveolen  hingereicht  haben;  daher  steigt  der  Reiz  so 
weit  an  bis  jene  Tiefe  der  Athemzüge  erreicht  ist,  bei  welcher  der 
Reiz  constant  erhalten  werden  kann.  Man  könnte  daher  die  normale 
Athmung  als  den  durch  die  anatomischen  Verhältnisse  bedingten 
physiologischen  niedrigsten  Grad  der  Dyspnoe  ansehen.  Da  jene 
ersten,  ganz  oberflächlichen  Respirationen  wie  Traube  zeigte,  fort- 
bleiben, wenn  die  Vagi  durchschnitten  sind,  so  muss  ihr  Eintritt, 
was  a  priori  zu  vermuthen  steht,  auf  jenen  bekannten  den  Erguss 
der  Erregung  des  Athemcentrums  begünstigenden  Einfluss  des  Vagus 
zu  beziehen  sein.  Da  ferner  nach  einer  längeren  (unter  Aussetzen 
der  künstlichen  Athmung  bestehenden)  Apnoe  die  respiratorischen 
Fasern  längere  Zeit  durch  die  Athembewegungen  der  Lunge  nicht 
gezerrt,  also  durch  diese  nicht  gereizt  wurden,  so  beweist  die  trotz- 
dem vorhandene  tonische  Erregung  derselben,  dass  diese  letztere 
nicht,  wie  ziemlich  allgemein  angenommen  wird,  ausschliesslich  auf 


1)  Ges.Beitr.  Bd.  1.  B.  152. 


38    

der  mechanischen  Zerrung  der  Vagusendigungen  durch  die  Athembe- 
wegungen  der  Lunge  beruhen  kann.    Vielmehr  muss  man,  glaube  ich, 
mit  Traube,  der  übrigens  den  Beweis  auf  diese  Weise  nicht  führte  l), 
annehmen,  dass  auch  die  Vagusendigungen  in  der  Lunge  durch  die 
Venosität  des   Blutes   gereizt  werden    und   zum   Schluss    einer 
Apnoe  den  Erguss   der  Erregung  des  respiratorischen  Centrums  be- 
schleunigen, sobald  dieses  letztere  ebenfalls   nicht  mehr  von  absolut 
apnoischem  Blute  gespeist  wird.    Der  Unterschied  dieser  Auffassung 
von  der  Reflextheorie,  welcher  auch  Traube  anhing,  liegt  auf  der 
Hand.     Für  die  „Selbststeuerung"  der  Athmung  wird  man  ja  wohl 
die  abwechselnde  Reizung   der  Vagusendigungen  durch  mechanische 
Zerrung  nicht  entbehren  können.    Für  die  tonische  Erregung  könnte 
man  höchstens  noch    eine  übrigens   nie   hierfür  beschuldigte  perma- 
nente Zerrung  heranziehen,  welche  dadurch  veranlasst  würde,   dass 
die  Lungen   über  ihr  natürliches  Volum   ausgedehnt  sind.     Indessen 
hat   es   doch   sein  Missliches,    sich  vorzustellen,    dass   die  in  ihrem 
Wachsthum  unbeschränkten  Nerven  sich  während  des  ganzen  Lebens 
nicht  adaptiren  sollten,  sondern  fortwährend  gezerrt  blieben;    ferner 
wäre  es  unverständlich  wie  diese  permanente  gleichmässige  Zer- 
rung einen  Reiz  bilde  und  eine  tonische  Erregung  verursache.    Vom 
teleologischen    Gesichtspunkte   aus    muss    es    sehr   zweckmässig   er- 
scheinen, dass  das  respiratorische  Centrum  in  der  Gestalt  der  Vagus- 
fasern gewissermaassen  Fühlfäden  besitzt,   mittelst  welcher  es  sich 
von  der  Beschaffenheit  des  Blutes,  das  ihm  später  zugeführt  werden 
soll,  zu   einer  Zeit   schon  unterrichten   kann,   während  welcher  das 
Blut  sich  noch  in  der  Lunge  befindet,   also  an  einem  Orte,  an  wel- 
chem das  Athmungscentrum   dasselbe  sofort  verbessern  (stärker  ar- 
terialisiren)  kann,   sobald   es  ihm   nicht   gut  genug  zu  sein  scheint. 
Nach  dieser  Auffassung  will  es  mir  auch  leichter  (als  nach  der  Zer- 
rnngstheorie)   begreiflich   erscheinen,   warum   nach   Durchschneidung 
nur   eines  Vagus   gar  keine,  nach  Durchschneidung  beider  eine   so 
beträchtliche  Veränderung  des  Athmungsrhythmus  entsteht.  Wir  haben 
also  gesehen,  dass  die  Reizgrösse,  welche  durch  den  Gaszustand  des 
Blutes  bei  normaler  Athmung  dargestellt  wird,   schon  etwas  grösser 
ist,  als  der  minimale  zur  Erregung  eben   hinreichende  Reiz.     Nichts 
destoweniger   wollen   wir  der  Bequemlichkeit  wegen   und   in   Anbe- 
tracht des  geringfügigen  Fehlers,  den  Gaszustand  des  Blutes  bei  (an- 
scheinend) normaler  Respiration  als  Maassstab    für   die  Erregbarkeit 
des  Athmungscentrums  betrachten. 


1)  Den  Versuch  dies  zu  beweisen  s.  Ges.  Beitr.  Bd.  1.  S.  2*0  ff. 


—    39    

Das  Blut  als  solches,  abgesehen  vom  Gaszustande,  scheint  in 
sännntlichen  Stadien  und  Graden  der  Morphinvergiftung  keine  ele- 
mentaren Veränderungen  zu  erfahren.  Venöses  Blut  des  Thieres  wird, 
mit  Luft  geschüttelt,  prompt  hellroth  und  das  beispielsweise  nach 
einer  künstlichen  Apnoe  hellrothe  Blut  wird  bei  Erstickung  in  nor- 
maler Weise  dunkel.  Wir  dürfen  daher,  und  namentlich  in  Anbe- 
tracht dessen,  dass  das  Thier  durch  reichliche  Lufteinblasungen  in 
Apnoe  zu  bringen  ist  und  bei  spontaner  Respiration  wie  ein  nor- 
males Thier  athmet,  die  Farbe  des  Blutes  als  einen  ungefähren 
Maassstab  seines  Gaszustandes  ansehen. 

Ich  habe  in  Folge  dessen  bei  Thieren  in  den  verschiedenen 
Stadien  und  Graden  der  Vergiftung  Blut  aus  der  Carotis  entnommen 
und  auf  die  Farbe  desselben  geachtet.  (Für  eine  ungefähre  Orienti- 
rung  genügt  übrigens  die  Farbe  der  ja  sehr  durchscheinenden  Ka- 
ninchen -  Carotis.)  Folgendes  ist  das  Ergebniss:  Mit  fortschreitender 
Vergiftung  wird  die  Farbe  des  Carotis  -  Blutes  unverkennbar  etwas 
dunkler.  Es  ist  die  Farbe  zu  jener  Zeit  wo  die  Athmung  wieder 
rhythmisch  und  anscheinend  normal  ist,  dunkler  als  in  der  Norm 
(und  dunkler  auch  als  zur  Zeit  des  ersten  Stadiums,  d.  i.  der  ver- 
langsamten resp.  periodischen  Athmung).  Trotz  normaler  Fre- 
quenz und  Tiefe  der  Athemzüge  war  also  die  Erregbar- 
keit des  respiratorischen  Cent  rums  im  späteren  Stadium 
der  Vergiftung  geringer  als  in  der  Norm. 

Bemerkenswerth  ist  —  und  wir  kommen  hierauf  noch  zurück  , 
dass  im  späteren  Stadium  (rhythmischer  Athmung)  das  Carotis- Blut 
andauernd  die  gleiche  Farbe  bot,  während  im  Stadium  der  periodi- 
schen Athmung  das  Blut  einen  periodischen  Farbenwechsel 
zeigte.  Auf  der  Höhe  der  Athmung  war  es  am  meisten  hellroth, 
zum  Schlüsse  der  Pause  wurde  es  dunkler.  Wenn  die  Pausen  lang 
waren  (mindestens  10  -15  Secunden,  am  schönsten  bei  der  Dauer 
von  einer  Minute  und  darüber),  so  war  dieser  Farbenwechsel  durch 
die  Carotiswand  hindurch  ein  sehr  auffallender  und  es  bedurfte  der 
Blutentnahmen  nicht.  Wie  sehr  auch  diese  periodischen  Farbenver- 
änderungen im  Sinne  der  Auffassung  sprechen^ die  ich  im  ersten 
Theile  dieser  Abhandlung  entwickelt  habe,  brauche  ich  wohl  nicht 
erst  auseinanderzusetzen.  — 

Die  Farbe  des  Blutes  hatte  also  für  ein  mit  fortschreitender  Ver- 
giftung paralleles,  stetiges  Abnehmen  der  Erregbarkeit  gesprochen. 
Doch  wollte  ich  es  bei  der  Betrachtung  der  Farbe  allein  nicht  be- 
wenden lassen.  Bevor  ich  mich  aber  entschloss,  eine  gasanalytische 
Untersuchung  anzustellen  und  so  ein  zahlenmässiges  Resultat  zu 


40    

erstreben,  suchte  ich  nach  einem  Verfahren,  um  die  Erregbarkeits- 
verhältnisse in  einfacher  und  dabei  überzeugender  Weise  auschaulich 
zu  machen. 

Unter  der  Voraussetzung,  dass  das  Blut  als  solches  durch  das 
Morphin  keine  elementare  Aenderung  erfährt  und  dass  nebenbei  auch 
der  Sau erstoffv erbrauch  in  den  Geweben  (des  ruhenden  Körper») 
keine  wesentliche  Aenderung  durch  das  Gift  erleidet,  —  war  das 
gesuchte  Verfahren  nicht  schwierig  zu  finden.  Die  erstere  Voraus- 
setzung trifft  ja  für  Alkaloide  überhaupt  zu.  Die  zweite  Bedingung 
ist  ebenfalls,  wie  aus  den  Versuchen  von  v.  Boeck  und  Bauer1) 
hervorgeht,  für  das  Morphin  erfüllt,  falls  das  in  Vergleich  gezogene 
Normalthier  keine  geringere  oder  grössere  Muskelaction  zeigt  als  das 
vergiftete  (wenn  z.  B.  beide  Thiere  ruhig  sind).  Unter  diesen  Um- 
ständen war  mein  Gedankengang  folgender.  Wenn  ich  Thiere,  deren 
respectiven  Athmungscentren  die  verschiedensten  Erregbarkeiten  be- 
sitzen, gründlich  apnoisch  mache,  und  bei  allen  im  selben  Momente 
die  künstlichen  Lufteinblasungen  unterbreche,  so  wird,  falls  in  allen 
der  gleiche  Sauerstoffverbrauch  (resp.  die  gleiche  CO2 -Bildung)  statt- 
hat, —  dasjenige  Thier  zuerst  aus  der  (apnoischen)  Respirationslosig- 
keit  in  Athmung  verfallen,  welches  das  am  meisten  erregbare  Ath- 
mungscentrum  besitzt.  Mit  anderen  Worten:  Aus  der  Leichtigkeit 
mit  welcher  wir  (NB.  wenn  die  beiden  obigen  Voraussetzungen  zu- 
treffen!) bei  einem  Thiere  Apnoe  erzeugen  können  und  aus  der  Dauer 
der  Apnoen  können  wir  Schlüsse  auf  die  Höhe  der  Erregbarkeit 
machen.  Je  leichter  zu  erzeugen  und  je  länger  an  Dauer 
die  Apnoen  sind,  um  so  niedriger  ist  die  Erregbarkeit 
des  respiratorischen  Centrums  und  umgekehrt. 

Die  Versuche  zeigten,  dass  bei  einem  Thiere  durch  künstliche 
Einblasungen  eine  Apnoe  um  so  leichter  zu  erzielen  und  um  so  länger 
dauernd  ist,  je  weiter  vorgeschritten  die  Vergiftung  mit  Morphin, 
resp.  je  grösser  die  Dosen  waren.  In  jenem  späteren  Stadium  mit 
anscheinend  normaler  Athmung  war  eine  verhältnissmässig  kleine 
Reihe  von  mittleren  Einblasungen,  die  am  normalen  Thiere  gar  keine 
oder  höchstens  eine  2  —  3  Secunden  dauernde  Apnoe  erzeugt  hatte, 
schon  hinreichend,  um  30  Secunden  dauernde  Apnoen  zu  bewirken. 
Ja  selbst  bei  Thieren,  denen  beide  Vagi  durchschnitten  waren,  hatte 
es  dann  gar  keine  Schwierigkeit  Apnoen  von  30  Secunden  herbei- 
zuführen, während  unvergiftete  vagotomirte  Kaninchen  bekanntlich 
ziemlich  schwer  in  Apnoe  zu  bringen  sind.-) 

1)  Zeitschrift  f.  Biologie.  1874.  S. 336. 

2)  Diese  Erfahrung  widerlegt  von  neuem  die  auch  sonst  schon  als  irrig  er- 


41     

Die  Experimente  leisten  was  wir  brauchten  und  ich  habe  des- 
wegen geglaubt  auf  gasanalytische  Untersuchung  des  Blutes  in  die- 
sem Falle  verzichten  zu  dürfen.  Für  vergleichende  Bestimmung 
wird  auch  bei  anderen  Giften  diese  Methode  genügen.  Aber  selbst- 
verständlich müssen  jene  beiden  Voraussetzungen:  --  Gleichbleiben 
des  Sauerstoffverbrauches  und  Fehlen  elementarer  Veränderungen  des 
Blutes  —  erfüllt  sein  und  die  spontane  Athmung  des  vergifteten 
Thieres  muss  im  Typus  der  normalen  Athmung  ablaufen.  Denn 
wenn  wie  bei  der  Nitro benzolvergiftung  das  Thier  Dyspnoe  hat  und 
diese,  wie  ich  neuerdings  fand,  auf  einer  elementaren  Aenderung  des 
Blutes  beruht,  wodurch  letzteres  die  Fähigkeit  Sauerstoff  aufzunehmen 
mehr  und  mehr  verliert,  so  dass  die  gasanalytische  Untersuchung 
eine  Verminderung  des  0- Gehaltes  bis  zu  \\-,  des  normalen  trotz 
verstärkter  Athmung  ergibt,  so  ist  selbstverständlich  Apnoe  über- 
haupt nicht  zu  erzielen  und  daher  die  eben  benutzte  Methode  auch 
dann  nicht  zu  benutzen,  wenn,  bei  schwächerer  Vergiftung  mit  sol- 
chen Substanzen,  Apnoe  noch  herzustellen  wäre.  Und  bei  Giften, 
welche  den  Sauerstoff  verbrauch,  die  Gewebeathmung,  verändern, 
müsste  diese  Veränderung  erst  genau  bekannt  sein,  ehe  man  die  er- 
örterte Methode  der  vergleichenden  Erregbarkeitsbestimmung  anwen- 
den wollte. 

Ich  verkenne  freilich  nicht,  dass  den  beiden  von  mir  benutzten 
Schätzungsmethoden  eine  nicht  unbeträchtliche  Ungenauigkeit  an- 
haftet, und  dass  namentlich  die  Apnoen  in  Folge  des  geringen  Muskel- 
tonus der  vergifteten  Versuchsthiere  zu  gross  ausfallen.  Aber  beide 
Methoden  zusammen  schienen  mir  für  den  vorliegenden  Fall  vor- 
läufig zu  genügen.  Hoffentlich  wird  bald  ein  Untersucher  die  exactere 
Methode  der  Gasanalyse  für  die  uns  beschäftigende  Frage  anwenden. 
Jedenfalls  hoffe  ich  gezeigt  zu  haben ,  dass  einzig  und  allein  d  e  r 
Gaszustand  des  Blutes  den  Maassstab  für  die  Erregbarkeit  ab- 
geben kann  und  dass  die  bisherige  allgemein  verbreitete  Anschauung 
über  diesen  Punkt  unrichtig  ist. 

Es  hat  sich  also  herausgestellt,  dass  eine  anscheinend  normale 
oder  fast  normale  Athmungsleistung  kein  Beweis  dafür  ist,  dass  die 
Erregbarkeit  nicht  vermindert  ist,  und  dass  sogar  eine  verlangsamte 
Athmung  (im  ersten  Stadium)  bestehen  kann  bei  relativ  noch  hoher 
Erregbarkeit,  während  bei  weiterer  Ahnahme  der  Erregbarkeit  die 
Athmung  wieder  frequenter  wird. 

wiesene  Brown-Sequard'  sehe  Auffassung,  nach  welcher  die  Apnoe  eine  durch 
die  Vagi  vermittelte,  reflectorische  Hemmung  des  Athmuugsmechanismus  sei  und 
uach  Vagusdurchschneiduug  ausbleibe. 


42    

Ist  es  denn  so  auffallend,  dass  trotz  abnehmender  Erregbarkeit 
die  Leistung  nicht  abnimmt?  Wenn  wir  über  die  Sache  etwas  ge- 
nauer nachdeDken,  so  müssen  wir  uns  sogar  sagen,  dass  die  Sache 
gar  nicht  anders  sein  kann.  Wenn  die  Erregbarkeit  die  Leistung 
bestimmte,  so  würde  mit  abnehmender  Erregbarkeit  und  demgemäss 
abnehmender  Leistung,  die  Sauerstoffaufnahme  (resp.  CCVAbgabei 
geringer  werden  müssen.  Da  aber  der  Sauerstoffverbrauch  (resp. 
die  CO2  -Bildung)  der  Voraussetzung  nach  normal  bleiben,  so 
würde  beispielsweise  in  jeder  Minute  ein  bestimmter  Bruchtheil  des 
Bedürfnisses  ungedeckt  bleiben  und  von  Minute  zu  Minute  addirte 
sich  Deficit  zu  Deficit,  d.  h.  das  Individuum  müsste  in  kurzer  Zeit 
ersticken.  Dazu  könnte  es  ja  natürlich  nicht  kommen,  denn  mit 
dem  Deficit  stiege  auch  der  Reiz;  er  würde  eine  stärkere  Athmung 
verursachen  und  so  käme  das  Gleichgewicht  zwischen  Verbrauch  und 
Zufuhr  wieder  zu  Stande.  So  sinkt  also  die  Leistung  nicht  mit  der 
Erregbarkeit.  Es  unterscheidet  sich  ein  Individuum  mit  einem  minder 
erregbaren  Athmungscentrum  von  einem  normalen  nur  dadurch,  dass 
sein  Carotis-Blut  etwas  venöser  ist. 

Zwei  Einwände  werden  mir  gemacht  werden,  der  eine  prakti- 
scher, der  andere  theoretischer  Natur. 

Der  Praktiker  wird  mir  entgegenhalten,  dass  man  bei  Menschen 
stets  eine  Abnahme  der  Athemfrequenz  nach  Morphin  constatire  und 
dass  dies  im  Widerspruch  stehe  zu  dem,  was  ich  soeben  entwickelt 
habe.  Hierauf  wäre  zu  erwidern,  dass  die  Thatsache  richtig  sei 
aber  ein  Widerspruch  nicht  bestehe.  Denn  wenn  Morphin,  welches, 
wie  ich  zugebe,  die  Erregbarkeit  vermindert,  gleichzeitig  auch  die 
Frequenz  herabsetzt,  so  folgt  hieraus  nicht,  dass  die  Frequenzver- 
minderung die  Folge  des  Sinkens  der  Erregbarkeit  ist  und  es  folgt 
nicht,  dass  die  Frequenzabnahme  gleichbedeutend  sei  mit  einer  Ver- 
minderung der  Leistung.  Die  Leistung  ist  die  Lüftung  des  Blutes. 
Die  Frequenzverminderung  hat  damit  gar  nichts  zu  thun.  Wenn  nur 
die  einzelnen  Athemzüge  eine  Spur  tiefer  sind  als  vorher,  so  wird 
die  Alveolenluft  unverhältnissmässig  stärker  ventilirt  und  dies  com- 
pensirt  eine  ganz  bedeutende  Frequenzabnahme.  Aus  letzterem  Grunde 
würde  auch  eine  Abnahme  der  Athmungsgrösse,  d.  h.  des  in  der 
Zeiteinheit  inspirirten  Volums  für  die  Bestimmung  der  Erregbarkeit 
nicht  zu  verwerthen  sein.  Die  Frage  jenes  mich  interpellirendeu 
Praktikers  muss  jetzt  also  so  lauten:  Warum  vermindert  sich  nach 
Morphin  die  von  der  Erregbarkeit  unabhängige  Frequenz  beim  Men- 
schen, und  warum  habe  auch  ich  im  ersten  Stadium  stets,  und  im 
späteren  Stadium  doch  wenigstens  häufig  eine  Verminderung  der  Fre- 


43     — 

quenz?  Zum  Tbeil  liegt  dies  offenbar  an  der  Muskelerschlaffung  und 
der  hierdurch  bedingten  Verminderung  des  Athembedürfnisses,  die 
ja  tiberall  eine  Frequenzabnahme  der  Athmung  bewirkt.  Doch  reicht 
dies  nicht  aus,  denn  auch  mit  vollständig  erschlafften  Muskeln  ru- 
hende Menschen  zeigen  jene  Verlangsamung.  Seit  den  Arbeiten 
Rosenthal's  wissen  wir,  dass  die' in  dem  automatischen  respira- 
torischen Centrum  zu  Stande  kommenden  Erregungen  sich  eine  Zeit 
lang  aufstauen,  ehe  sie  sich  ergiessen  und  dass  der  Erguss  durch  ge- 
wisse ankommende  Erregungen  begünstigt,  beschleunigt,  durch  andere 
erschwert,  verspätet  werden  kann,  ohne  dass  die  Summe  der  Leistung 
des  Centrums  sich  ändert.  Nun  wohl,  wenn  Morphin  die  Ath- 
mung verlangsamt,  so  wird  dies,  da  es  wie  wir  gesehen  haben,  un- 
abhängig von  der  Erregbarkeit  geschieht,  entweder  darin  seinen  Grund 
haben,  dass  die  verspätenden  Einflüsse  gestärkt  oder  darin,  dass 
die  beschleunigenden  Einflüsse  geschwächt  werden.  Es  wäre  leicht, 
den  Beweis  zu  führen ,  dass.  ersteres  nicht  der  Fall  ist ,  —  ich  ver- 
zichte aber  auf  diesen  Beweis,  da  der  Leser  eine  stärkende  Wirkung 
des  Morphins  nicht  annehmen  wird.  So  bleibt  die  lähmende,  d.  h. 
schwächende  Wirkung  auf  die  beschleunigenden  Vorrichtungen.  Es 
wird  also  auf  irgend  eine  Weise  das  Athmungscentrum  entweder  un- 
empfindlicher gegen  diese  beschleunigenden  Einflüsse,  oder  diese  Ein- 
flüsse werden  schwächer,  oder  beides  findet  statt,  oder  aber  auch 
jener  hypothetische  Widerstand  (Rosenthal)  wird  grösser,  so  dass 
der  Reiz  sich  mehr  anstauen  muss,  bevor  die  Erregung  sich  ergiesst. 
—  Offenbar  ist  hier  Folgendes  zu  bedenken. 

Bekannt  ist  der  beschleunigende  Einfluss,  den  viele  Gemüths- 
bewegungen  auf  die  Athmung  ausüben.  Bekannt  ist  ferner,  dass 
man  am  Athmen  es  hören  kann,  ob  Jemand  bei  wachem  Zustande 
in  vollkommenster  Ruhe  daliegt,  oder  ob  er  schläft:  im  Schlafe  ist 
die  Athmung  verlangsamt  und  etwas  tiefer.  Aus  alledem  scheint 
hervorzugehen,  dass  das  normal  (wach)  fungirendc  Grosshirn  (auch 
abgesehen  von  etwaiger  Muskelaction)  einen  beschleunigenden  Ein- 
fluss auf  die  Athemfrequenz  ausübt.  Wir  dürfen  uns  dann  nicht  wun- 
dern, wenn  diese  Beschleunigung  mit  fortschreitender  Betäubung  und 
Lähmung  des  Grosshirns  mehr  und  mehr  fortfällt. 

Indessen  haben  Versuche  mir  gezeigt,  dass  auch  dieser  Fortfall 
der  Grosshirnthätigkeit  nicht  das  wesentliche  Moment  für  die  Ver- 
langsamung der  Athmung  ist.  Kaninchen,  denen  das  Grosshirn  fort- 
genommen war,  zeigten,  sobald  ihnen  0,01  —  0,02  Morphin,  mur.  in 
die  Vene  injicirt  war,  dieselbe  bedeutende  Verlangsamung  der  Ath- 
mung wie  normale.     Dass  es  auch  nicht  eine  Abschwächung  der  im 


44     

Vagus  ankommenden  Besehleuuigungsimpulse  ist,  welche  zu  beschul- 
digen ist,  geht  daraus  hervor,  dass  der  Versuch  auch  nach  beider- 
seitiger Vagusdurchschneidung  den  gleichen  Erfolg  gibt,  wie  auch 
schon  Gscheidlen  an  vagotomirten ,  aber  sonst  intacten  Thieren, 
die  Frequenzabnahme  beobachtete.  Die  Ursache  dieser  ist  also 
weder  im  Grosshirn  noch  in  den  Vagusendigungen  zu  suchen.  So- 
nach muss  wohl  durch  das  Morphin  jener  hypothetische  Widerstand 
(Rosenthal)  als  vergrössert,  der  Erguss  der  Erregung  als  er- 
schwert angenommen  werden  und  dies  ganz  unabhängig  von  der 
„E  r  r  e  g  b  a  r  k  c  i  t".  Denn  im  späteren  Stadium,  nach  grösseren  Dosen 
sehen  wir  jenen  Widerstand  trotz  weiter  abnehmender  Erregbarkeit 
wieder  abnehmen,  den  Erguss  der  Erregung  erleichtert  werden.  Es 
hat  meiner  Meinung  nach  keine  Schwierigkeit,  alle  diese  Vorgänge 
als  Lähmungen,  als  Verminderung  vitaler  Processe  aufzufassen. 
Die  Abnahme  der  Erregbarkeit  fügt  sich  dieser  Annahme  leicht;  die 
anfängliche  Zunahme  des  physiologischen  Widerstandes  kann  als  eine 
durch  Morphin  bedingte  Trägheit  der  Processe  aufgefasst  werden; 
die  spätere  Abnahme  des  Widerstandes  bei  grösseren  Dosen  als  ein 
(wie  Wundt  und  Witkowski  bei  anderer  Gelegenheit  sagen) 
Schwinden  der  Fähigkeit,  Kräfte  aufzuspeichern. 

Von  dieser  am  Athmungscentrum  gewonnenen  Anschauung  aus 
gewinnen  wir  einen  Gesichtspunkt  für  die  Beurtheilung  der  Vorgänge 
an  den  Reflexapparaten.  Auch  dort  finden  wahrscheinlich  analoge 
Dinge  statt,  wie  im  Athmungscentrum.  Die  Abnahme  der  Reflexe 
im  ersten  Stadium  ist  wohl  auch  durch  die  berührten  zwei  Factoren 
zu  erklären :  I .  Abnahme  der  Erregbarkeit  und  2.  Zunahme  des  phy- 
siologischen Widerstandes.  Die  Steigerung  der  Reflexerreg- 
barkeit des  Thieres  im  späteren  Stadium  bei  grossen  Dosen 
kann  (und  muss  wahrscheinlich)  ausschliesslich  auf  Verminderung  des 
physiologischen  Widerstandes  bezogen  werden  (was  schon  Ringer 
und  Witkowski  thun)  während  die  „Erregbarkeit"  der  reflex- 
vermittelnden Zellen  weiter  sinkt.  Trotz  Sinken  der  vitalen 
Vorgänge  in  den  Reflexzellen,  steigt  die  Reflexerreg- 
barkeit des  Thieres.  Es  ist  dies  eine  Auffassung,  die  zwar  in 
der  Hauptsache  mit  der  von  Witkowski1)  geäusserten  überein- 
stimmt, aber  doch  —  wie  ich  hier  nicht  weiter  ausführen  will  — 
eine  Erweiterung  enthält  und  namentlich  die  Uebereinstimmung  der 
Wirkung,  welche  das  Morphin  auf  sämmtliche  Centralapparate  aus- 
übt,  herzustellen  geeignet  ist.   —  Es  verdient   beachtet  zu  werden, 

1)  a.a.O.S.251. 


45    

dass  beim  Menschen  eine  Beschleunigung  der  Athnning  im  späteren 
Stadium  bei  grösseren  Dosen  (schwerer  Morphinvergiftung)  eben- 
sowenig beschrieben  ist,  als  die  Steigerung  der  „Reflexerregbar- 
keit".  Dieser  Gegensatz  zwischen  der  Morphinwirkung  bei  Men- 
schen und  Kaninchen  (u.  a.  Säugethieren)  ist  offenbar  nur  ein  schein- 
barer. Der  Mensch  stirbt  in  Folge  der  Erregbarkeits-vermindernden 
Wirkung  des  Morphins  zu  einer  Zeit  schon,  wo  der  physiologische 
Widerstand  in  dem  Athmungscentrum  und  den  Reflexzellen  noch  nicht 
wesentlich  vermindert  ist.  Vielleicht  werden  sich  aber  auch  bei  ge- 
nauerer Beobachtung,  sobald  die  Aufmerksamkeit  sich  gerade  auf 
diesen  Punkt  richtet,  Zeichen  abnehmenden  physiologischen  Wider- 
standes in  Athmungscentrum  und  Reflexzellen  auch  beim  Menschen 
ermitteln  lassen. 

Bei  den  oben  erwähnten  Versuchen  mit  (traumatischer)  Abtragung 
des  Grosshirns  bin  ich  auf  eine  Beziehung  des  Mittelhirns  zum  Ath- 
mungscentrum gestossen ,  die  ich  nicht  weiter  verfolgt  habe ,  über 
die  ich  aber  bei  dieser  Gelegenheit,  soweit  ich  Positives  beobachtete, 
berichten  möchte. 

Sobald  ich  das  Grosshirn  abtrug,  folgte  für  einige  Secunden  eine 
Beschleunigung  der  Athmung,  die  dann  alsbald  nachliess  und  einer 
Frequenz  Platz  machte,  die  eben  so  gross  oder  etwas  geringer  war 
als  vor  der  Operation  (NB.  wenn  das  Thier  aufgebunden  und  tra- 
cheotomirt  war  und  ihm  beide  Vagi  durchschnitten  waren,  diese  Ein- 
griffe hatten  die  Frequenz  schon  stark  herabgedrückt;  wurden  jene 
Eingriffe  nicht  vorgenommen,  so  war  eine  etwas  bedeutendere  Fre- 
quenzabnahme nach  Grosshirnexstirpation  zu  beobachten).  Jene  kurz 
vorübergehende,  meist  auch  von  Bewegungen  des  Thieres  be- 
gleitete Beschleunigung  ist  wohl  auf  die  Reizung  zu  beziehen,  welche 
die  Durchschneidung  der  cerebralen  Beschleunigungsnerven  ausübt. 
Berührt  man  jetzt  mit  einem  spitzen  Gegenstande  die  vorderen  Vier- 
hügel, oder  dringt  man  in  dieselben  mit  einem  halbstumpfen  Gegen- 
stande oberflächlich  ein,  so  ändert  sich  die  Athmung  nicht,  sobald 
man  aber  in  der  Richtung  auf  die  Crura  cerebri  tiefer  eindringt,  so 
steigt  die  Athmungsfrequenz  mit  dem  Eintritt  motorischer  Erschei- 
nungen bedeutend  an  (von  50  auf  200)  und  bleibt  lange  Zeit  er- 
höht. Auch  diese  beschleunigte  Athmung  ebenso  wie  die  Zwangs- 
stellungen und  sonstigen  motorischen  Reizerscheinun- 
gen werden  durch  Darreichung  von  Morphin  (Einspritzung  in  die 
Vene)  0,01 — 0,02  alsbald  reducirt  resp.  aufgehoben  (die  Respirations- 
frequenz sank  z.  B.  von  200  auf  40,  die  Zwangsstellungen  hörten 
auf  u.  s.  w.).     Diese  Beziehung  des  Mittelhirns  zum  respiratorischen 


46    

Centrum  weiter  zu  verfolgen  habe  ich  nicht  unternommen.  Es  ist 
aber  schon  jetzt  auf  den  Unterschied  zwischen  der  kurz  dauernden 
(wenige  Secunden)  Beschleunigung  nach  Grosshirnabtrennuug  und  der 
viertelstundenlangen  Beschleunigung  nach  Mittelhirnverletzung  auf- 
merksam zu  machen,  sowie  auf  das  Parallelgehen  dieser  letzteren 
Beschleunigung  mit  den  durch  den  gleichen  Eingriff  bewirkten  mo- 
torischen R  e  i  z  u  n  g  s  erscheinungen  hinzuweisen.  — 

Um  Hierhergehöriges  soweit  als  möglich  zu  berühren,  möchte 
ich  auch  der  beim  Menschen  unmittelbar  nach  Morphingenuss  häufig 
zu  beobachtenden,  übrigens  ganz  kurz  vorübergehenden  und  nur  ge- 
ringen Beschleunigung  der  Athmung  gedenken.  Aus  dem  weiter  oben 
Erörterten  ist  zu  vermuthen,  dass  man  auch  sie  nicht  als  eine  Folge 
der  durch  Morphin  (zuerst  etwa  im  Sinne  eines  Zuwachses;  geän- 
derten Erregbarkeit  betrachten  darf.  Vermuthlich  ist  sie  der  Aus- 
druck beginnender  cerebraler  Verwirrung,  wodurch  der  beschleuni- 
gende Einfluss  des  Grosshirns  zunächst  vergrössert  wird;  zum  Theil 
wird  aber  eine  verstärkte  Muskelaction  als  Ursache  zu  beschuldigen 
sein,  die  ihrerseits  die  Folge  der  psychischen  Unruhe  ist. 

Wenn  es  mir  gelungen  ist,  dem  Praktiker  mit  meinen  Ausein- 
andersetzungen zu  genügen,  so  muss  ich  jetzt  dem  Einwände  begegneu, 
der  mir  aus  theoretischer  Erwägung  sicher  gemacht  werden  würde, 
wenn  ich  ihn  hier  nicht  im  Voraus  discutire. 

Das  Athemcentrum,  wird  gesagt  werden,  veranlasst  die  Athem- 
züge,  es  hat  aber  dann  später  keinen  Einfluss  auf  das  was  zwischen 
dem  Blute  und  dem  eingeathmeten  Sauerstoffe  sich  ereignet.  Das 
Blut  sättigt  sich  aber  vollständig  mit  Sauerstoff  in  der  Lunge  und 
daher  muss  es  zu  einem  grösseren  Zeitiutervall  bis  zum  nächsten 
Athmungsbedürfniss  bei  gesunkener  Erregbarkeit  kommen,  als  in 
der  Norm. 

Diesem  Einwände  liegt  eine  durchaus  unrichtige,  darum  aber 
doch  nicht  seltene  Vorstellung  zu  Grunde.  Nach  dieser  unrichtigen 
Vorstellung  strömte  das  durch  eine  Inspiration  gut  arterialisirte  Blut 
von  der  Lunge  zum  Herzen  und  von  da  zur  Medulla  oblongata  und 
nun  fehlt  dort  die  Erregung;  inzwischen  wird  der  Sauerstoff  der 
Lungenluft  verbraucht  und  wenn  das  Carotis -Blut  anfängt  venöser 
zu  werden,  so  kommt  jedesmal  wieder  eine  Inspiration  u.  s.  w.  So 
ist  der  Vorgang  aber  glücklicherweise  nicht.  Wäre  es  so,  so  würden 
wir  aus  Dyspnoe  und  Apnoe,  also  aus  Cheyne-Stokes'scher  Athmung 
gar  nicht  mehr  herauskommen.  Denn  im  Momente  unseres  Athmungs- 
bedürfnisses  würden  wir  zunächst  inspiriren,  hierdurch  aber  nicht, 
wie  wir  es   so   dringend  nöthig  haben,   das  Blut  in   den  Capillareu 


—     47    

unserer  Medulla  oblongata  arterialisiren ,  sondern  das  Blut  in  den 
Lungencapillaren,  das  doch  noch  um  die  Länge  eines  halben  Kreis- 
laufes also  10—12  Secunden  von  der  Einwirkung  auf  das  verlängerte 
Mark  entfernt  ist.  Diese  qualvollen  10 —  12  Secunden  würden  wir 
mit  zunehmender  Dyspnoe  athmen  müssen  bis  dann  allmählich  das 
gut  arterialisirte  Blut  ankäme,  und  wir  unter  Abnahme  der  Athmung 
in  Apnoe  versänken  u.  s.  f.  Unser  Organismus  aber  hat  sich  besser 
eingerichtet.  Wo  keine  Cheyne-Stokes'sche,  sondern  eine  rhythmische 
Athmung  besteht,  da  sieht  man  durch  die  Carotis  stets  gleiches 
Blut  fliessen  und  der  Wechsel  von  Inspiration  und  Exspiration  ändert 
nichts;  hierdurch  bleibt  der  Reiz  beständig  gleich  und  die  durch 
diesen  Reiz  bewirkte  Athmung  kann  gleichmässig,  —  rhythmisch  - 
bleiben.  Sobald  wir  nämlich  durch  reichliche  willkürlich  verstärkte 
Athmung  den  Sauerstoffgehalt  (Partiardruck)  der  Luft  in  den  Lungen- 
alveolen  für  längere  Zeit  sehr  gross  gemacht  haben,  so  sättigt  sich 
jedes  durch  die  Lungencapillaren  schwimmende  rothe  Blutkörper- 
chen mit  Sauerstoff  vollständig  und  dann,  so  lange  diese  Verhält 
nisse  dauern  ist  der  Reiz  für  das  Athmungscentrum  gleich  Null.  Hört 
jetzt  die  willkürliche  Ventilation  auf,  so  nimmt  der  ü- Gehalt  der 
Lungenlnft  allmählich  ab  und  erst  wenn  jenes  niedrige  Minimum  von 
0- Gehalt  (Partiardruck)  erreicht  und  an  einzelnen  Punkten  bereits 
überschritten  ist,  bei  welchem  noch  das  rothe  Blutkörperchen  sich 
sättigen  kann,  tritt  eine  Aenderuug  ein.  Jetzt  passireu  minder  ge- 
sättigte Blutkörper  die  Lunge  und  treffen  in  der  Vena  pulm»»nalis 
und  im  linken  Herzen  mit  ihren  reicher  bedachten  Genossen  zusam- 
men und  mischen  sich.  Vielleicht  übertragen  auch  die  reicheren 
ihren  0  auf  die  ärmeren  Körperchen,  wie  sie  dies  anderen  O-ärmeren 
Geweben  gegenüber  thun.  Jedenfalls  resultirt  eine  gleichmässige 
Durchschnittsmischung.  Sobald  diese  allmählich  die  zum  Reize  nö- 
thige  Venosität  erreicht,  setzt  sich  der  Athemmechanismus  in  Gang, 
welche  den  0- Gehalt  der  Alveolenluft  immer  um  jenes  Minimum 
herum  schwanken  lässt,  bei  welchem  noch  Sättigung  stattfindet,  so 
dass  zeitweilig  (kurz  nach  der  Inspiration)  die  rothen  Blutkörper  sich 
sättigen  können,  zeitweilig  aber  (etwas  später,  sobald  der  0  ausge- 
nutzt ist)  nicht.  In  den  Capillaren  schon,  dann  in  der  Vena  pulino- 
nalis  und  im  linken  Ventrikel  vollzieht  sich  die  Mischung,  vielleicht 
auch  ein  O-Ausgleich,  und  so  strömt  in  die  Carotis  stets  gleiches  und 
zwar  nicht  völlig  arterialisirtes  Blut.  Dass  der  Sauerstoffgehalt 
der  Alveolenluft  in  der  That  um  jenes  Minimum  herum  schwanken 
niuss,  bald  darüber,  bald  darunter  und  nicht  anhaltend  darüber  blei- 
ben kann,   liegt  eben  in  der  Natur  des  Athemmechanismus;   sobald 


—    48    

er  einige  Zeit  andauernd  sich  darüber  erheben  wollte,  so  würde 
das  Blut  sich  vollständig  mit  0  sättigen  und  es  träte  Apnoe  ein 
und  die  Ventilation  hörte  auf.  Hierdurch  entsteht  jenes  Balanciren 
um  den  Grenzwerth  herum.  Ist  nun  die  Erregbarkeit  des  Athmungs- 
centrums  geringer,  so  setzt  sich  der  Mechanismus  erst  etwas  später, 
d.  h.  bei  etwas  venöserem  Blute  in  Gang  und  da  diejenigen  Blut- 
körperchen, welche  kurz  nach  der  Inspiration,  also  wenn  der  O-Gehalt 
der  Alveolenluft  oberhalb  des  erforderlichen  Minimums  ist,  sich  voll- 
ständig sättigen  können,  nachher  mit  im  Vergleich  zur  Norm  sehr 
armen  Genossen  ihren  Reicbthum  zu  theilen  haben,  so  bleibt  die  Ge- 
sammtheit  eben  arm,  d.  h.  ärmer  als  in  der  Norm.  Es  wirthschaftet 
also  der  Organismus  andauernd  mit  venöserem  A ortenblute  und  dieses 
gibt  einen  gleichbleibenden  Reiz,  der  eine  gleichmässige  anscheinend 
normale  Athmung  veranlasst,  welche  den  Gasverbrauch  von  nun  an 
vollständig  deckt. 

So  dürfte  denn  wohl  auch  das  theoretische  Bedenken  beseitigt 
sein. 

Nachdem  wir  nunmehr  durch  neue  Mittel  die  alte  Behauptung 
bestärkt  haben,  dass  durch  Morphin  die  Erregbarkeit  des  Athmungs- 
centrums  progressiv  sinkt,  gewinnt  die  Thatsache,  dass  die  periodi- 
sche Athmung  nur  im  ersten  Stadium  sich  beobachten  lässt  und  später 
einer  rhythmischen  wieder  Platz  macht,  ein  neues  Interesse.  Denn 
wir  sehen  von  Neuem  und  zwar  thatsächlich  erwiesen,  dass  eine 
blosse  Verminderung  der  Erregbarkeit  an  und  für  sich,  wie  früher 
geglaubt  wurde,  nicht  genügt  um  periodische  Athmung  zu  erzeu- 
gen; sonst  müsste  ja  in  den  späteren  Stadien  erst  recht  periodische 
Athmung  sein. 

Für  uns  hat  das  Verschwinden  der  periodischen  Athmung  nichts 
Befremdendes.  Sie  muss  ja  verschwinden,  sobald  die  fortschreitende 
Vergiftung  die  Erregbarkeit  des  vasomotorischen  Centrums  so  weit 
vermindert  hat,  dass  jene  ursprüngliche  Differenz  in  der  Erregbar- 
keit dieses  und  des  respiratorischen  Centrums  nicht  mehr  besteht,  so 
dass  der  Reiz  zur  Athmung  nur  noch  vom  Gaszustande  des  Blutes 
geliefert  wird  und  nicht  mehr  von  Schwankungen  der  Blutzufuhr  zum 
Athmungscentrum.  Dass  die  Erregbarkeit  (nicht  zu  verwechseln 
mit  der  Leistung)  des  vasomotorischen  Centrums  wirklich  progressiv 
abnimmt,  lässt  sich  leicht  zeigen:  Es  dauern  die  durch  reichliche 
künstliche  Athmung  veranlassten  (apnoischen)  Drucksenkungen  länger 
an  als  vorher. 


49 


C.   Die  Agone. 

Sobald  die  Agone  eintritt,  gestalten  sich  diese  Dinge  ganz  anders 
Dann  nimmt  die  Leistung  des  Athemcentrums  ab;  die  Atbmung 
wird  seltener  und  verhältnissmässig  flacher  und  während  gleichzeitig 
die  Triebkräfte  für  die  Blutcirculation  (Blutdiuck,  Heizleistung)  ab- 
nehmen erlischt  die  Athmung,  bei  noch  einigerinaassen  pulsirendem 
Herzen.    Das  Blut  wird  zusehends  venöser. 

Hier  scheint  die  Klippe  zu  sein,  an  welcher  meine  ganze  Auf- 
fassung von  der  Einwirkung  des  Morphins  auf  die  Athmung  scheitern 
muss.  Es  wirkt  ja  natürlich  das  Moiphin  jetzt  nicht  anders,  als  es 
vorher  gewirkt  hat,  die  Erregbarkeit  des  respiratorischen  Centrums 
sinkt  einfach  weiter:  —  warum  nimmt  denn  jetzt  mit  einem  Male 
auch  die  Leistung  ab,  von  der  mit  so  viel  Nachdruck  gesagt  ist, 
sie  sei  unabhängig  von  der  Erregbarkeit? 

Ein  genaueres  Erwägen  der  Lebensbedingungen  des  Athmungs- 
centrums  führt  uns  aber  zur  Erkenntniss,  dass  diese  Beobachtung 
durchaus  nicht  im  Widerspruche  zu  der  früher  erörterten  Auffassung 
steht,  sondern  im  Gegentheil  sich  willig  unterordnet. 

Der  Spielraum  innerhalb  dessen  die  Erregbarkeit  des  Athmungs- 
centrums  in  Folge  einer  Vergiftung  sinken  kann  ohne  die  nöthigsten 
vitalen  Leistungen  zu  beeinträchtigen,  ist  kein  unbegrenzter.  Je  mehr 
die  Erregbarkeit  sinkt,  um  so  venöser  wird  das  Blut.  Es  gibt  aber 
eine  Grenze,  über  welche  die  Venosität  nicht  gehen  darf,  wenn  die 
Restitution  des  die  Lebensvorgänge  bedingenden  Stoffverbrauchs  noch 
möglich  sein  soll.  Sobald  die  Erregbarkeit  so  weit  gesunken  ist, 
dass  das  Blut,  um  den  erforderlichen  Reiz  zu  liefern,  jenseits  dieser 
Grenze  venös  ist,  so  treten  Folgen  auf,  die  (direct)  unabhängig  von 
der  Giltwirkung  sind  und  deren  nächste  Ursache  die  asphyktische 
Beschaffenheit  des  Blutes  ist.  Dann  sinkt  unabhängig  von  der  Gift- 
wirkung mehr  oder  weniger  schnell  die  Erregbarkeit  und  die  Lei- 
stungsfähigkeit des  Athmungscentrums,  —  dann  geht  es  aber  auch 
zum  Tode.  Dies  ist  das  Stadium,  in  welchem  unter  glücklichen  Um- 
ständen, d.  h.  bei  der  Grenzdosis  des  Giftes,  die  Thiere  durch  künst- 
liche Athmung  zu  retten  sind,  welche  man  meiner  Meinung  nach  auch 
bei  Morphinvergiftung  von  Menschen,  —  sobald  Agone  droht,  —  be- 
nutzen sollte.  — 

Einer  interessanten  Form  der  Agone  entstammen  die  Curven 
Tafel  VHI.  Fig.  19  und  20.  Sie  betreffen  ein  vagotomirtes  Thier, 
welches  0,2  Morphin  schlechter  vertrug  als  andere  Kaninchen.  Hier 
sieht  man  vereinzelte  kräftige  Athemzüge,  die  durch  grössere  Pausen 

Fileune,  Einwirkung  d.  Morphins  auf  d.  Athuiuiiü-  i 


50    

getrennt  sind.  Die  Blutdruckscurve  zeigt  hinter  der  Athmung  ein 
Ansteigen;  auf  der  Curve  werden  von  hier  an  die  Herzelevationen 
wieder  deutlich,  die  zum  Schlüsse  der  Pause  und  über  der  Athmung 
sich  gar  nicht  mehr  markiren.  Dann  sinkt  allmählich  der  Druck, 
die  Herzelevationen  werden  wieder  undeutlich  und  verschwinden  u.  s.  f. 
In  Fig.  20,  welche  etwas  später  als  19  gewonnen  ist,  sind  die  Herz- 
elevationen noch  unbedeutender.  Mit  der  zufühlenden  Hand  konnte 
man  über  der  Brust  das  Schwächerwerden  des  Herzschlages  eben- 
falls constatiren.  Die  Erklärung  dieser  Erscheinungen  ist  leicht.  Die 
Athmung  tritt  ein,  weil  erstens  das  Blut  venöser  geworden  ist  und 
zweitens  weil  in  Folge  Erlahmens  der  Triebkräfte  (Sinken  des  Druckes 
bei  schwächer  werdendem  Herzschlage)  die  Blutzufuhr  zur  Medulla 
oblongata  sich  vermindert.  Dieser  Athemzug  verbessert  das  Blut, 
stärkt  vorübergehend  die  Circulationsorgane  und  führt  eine  relative 
Apnoe  herbei,  der  durch  Venöserwerden  des  Blutes  und  Erlahmen 
der  Circulationsorgane  wieder  ein  Ende  gemacht  wird  u.  s.  f.  Hier 
haben  wir  wieder  eine  Athmungsform  vor  uns,  bei  welcher  das  Blut 
keine  constante  Zusammensetzung  behält,  sondern  es  wechseln  dys- 
pnoische und  relativ  apnoische  Beschaffenheit  des  Blutes,  wovon 
man  sich  direct  überzeugen  kann  durch  Betrachten  der  Farbe  der 
Carotis  resp.  des  Blutes.  Das  Wesen  dieses  periodischen  Wechsels 
in  Blutbeschaffenheit  und  Athmung  ist  aber  ein  ganz  anderes,  als  das 
in  dem  ersten  Stadium:  hier  ist  es  das  periodische  Sinken  der 
Triebkräfte,  eine  paralytische  Abnahme  der  Erregungen, 
welche  weniger  Blut  in  das  verlängerte  Mark  gelangen  lässt,  wäh- 
rend dort  eine  Zunahme  von  Erregungen,  Contractionen  von  Hirn- 
arterien  (und  eventuell  bei  intacten  Vagis  Erregung  von  Hemmungs- 
mechanismen) den  Blutzufluss  sogar  bei  steigenden  Triebkräften 
vermindern. 

Die  Curven  Fig.  19  und  20  geben  offenbar  auch  ein  Bild  jener 
Vorgänge,  welche  bei  so  vielen  sterbenden  Menschen  in  der  Agone 
stattfinden.  Wie  oft  sieht  man  hier  vereinzelte  seltene  und  dabei 
tiefe,  selbst  dyspnoische  Athemzüge,  die  vermuthlich  auf  dem  glei- 
chen Zusammentreffen  des  doppelten  Reizes,  der  Venosität  und  des 
sinkenden  Druckes,  beruhen,  wo  das  Sinken  des  Druckes  gerade 
die  Folge  der  übermässigen  Venosität  ist  und  wo  jeder  Athemzug 
die  ersterbende  Circulation  vorübergehend  wieder  belebt. 

Schluss. 
Für  die  ärztliche  Anwendung  des  Morphins  bei  Dyspnoen 
lässt  sich  von  dem  Standpunkte  aus,  auf  den  wir  durch  unsere  Un- 


51     

tersuchung  gelangt  sind,  einiges  aussagen  und  ich  betrachte  es  als 
einen  erfreulichen  Beweis  für  die  Zulässigkeit  unserer  Anschauung, 
dass  erfahrene  Praktiker  längst  in  dem  zu  präcisirenden  Modus  das 
Morphin  anwenden ,  während  meistens  in  den  Lehrbüchern  der  Ma- 
teria medica  das  Morphin  als  ein  sehr  bedenkliches  Mittel  bei  Dys- 
pnoen genannt  ist.  Wie  mir  scheint,  kann  man  folgende  zwei  Regeln 
aufstellen : 

1.  Wo  die  Athemnoth  bei  einem  Kranken  darauf  beruht,  dass 
zu  wenig  Blut  in  die  Medulla  oblongata  strömt,  während  ein  Hin- 
derniss  für  die  Arterialisation  in  der  Lunge  nicht  besteht,  -  -  da  ist 
die  Anwendung  des  Morphins  in  Dosen,  welche  die  Athmung  auf 
den  normalen  Typus  reduciren,  durchaus  zulässig  und  sogar 
empfehlenswerth. 

2.  Wo  dagegen  die  Athemnoth  dadurch  erzeugt  ist,  dass  der 
Arterialisation  des  Blutes  in  der  Lunge  ein  Hinderniss  entgegensteht, 
welches  nur  durch  verstärkte  Athmung  compensirt  oder  verringert 
werden  kann,  —  da  ist  das  Morphin  nur  mit  aus s erster  Vor- 
sicht anzuwenden. 

Die  Regel  1.  umfasst  alle  Fälle  mit  Circulationsstörungen ,  vom 
pericardialen  Erguss  bis  zu  den  Compensationsstttrungen  der  Klappen- 
fehler und  sonstiger  zu  compensatorischer  Herzhypertrophie  führender 
Leiden.  Die  Regel  2.  gilt  den  Larynx-  und  Trachealstenosen,  den  Zu- 
ständen von  suffocativem  Bronchialkatarrh  und  sonstigen  Affectionen, 
welche  den  Luftzutritt  zu  den  Alveolen  erschweren.  Die  Begründung 
dieser  beiden  Regeln  ist  folgende.  In  den  unter  1.  zu  nennenden 
Circulationsstörungen,  in  denen  zu  wenig  Blut  zur  Medulla  oblongata 
fliesst,  ist  dies  Blut  absolut  apnoisch,  da  die  geringe  Blutmenge  bei 
ihrem  Durchgang  durch  die  Lungencapillaren  in  Folge  der  verstärkten 
Athmung  sich  vollständig  mit  0  sättigen  musste,  —  was  ich  nirgend 
erörtert  finde.  Dieselbe  absolut  apnoische  Beschaffenheit  des  Blutes 
wäre  aber  auch  durch  eine  nur  massig  verstärkte  Athmung  zu  erreichen. 
Ja,  in  Anbetracht  dessen,  dass  die  durch  die  Lunge  strömende  Blut- 
menge vermindert  ist  und  dass  sie  langsamer  durch  die  Lun- 
gencapillaren fliesst,  würde  zur  absoluten  O-Sättigung  desselben  ver- 
muthlich  schon  eine  normale  Athmung  ausreichen.  Die  Dyspnoe 
ist  also  ganz  nutzlos  und  sogar  schädlich,  weil  sie  eine  verhäng- 
nissvolle Erschöpfung  des  Nervensystems,  eine  Ermüdung  der  Athem- 
muskeln  herbeiführen  kann  und  weil  sie  in  Folge  vermehrter  Muskel- 
leistung und  allgemeiner  Unruhe  einen  grösseren  Athmungs  bedarf 
erzeugt.  Diese  Dyspnoe  bis  zu  annähernd  normaler  Athmung  zu 
reduciren   ist  daher  in  keiner  Weise   schädlich  und  in   mehrfacher 

4* 


52    

Beziehung  nützlich.  Dass  dies  durch  Morphin  gelingt,  lehrt  die  täg- 
liche Erfahrung  am  Krankenbette.  Vom  Standpunkte  unserer  Auf- 
fassung aus  ist  diese  Verminderung  der  Leistung  durch  Morphin  durch- 
aus begreiflich.  Der  Reiz,  bedingt  durch  ungenügende  Zufuhr  eines 
apnoischen  Blutes  ist  ein  gegebener  und  durch  die  Athmung  unbe- 
einflusster.  Sobald  die  Erregbarkeit  des  Athmungscentrums  durch 
Morphin  verringert  wird,  muss  dieses  durch  den  constant  bleibenden 
Reiz  weniger  erregt  werden,  als  vorher.  Wo  also  der  Reiz  nicht 
durch  dieVenosität  des  Blutes  bedingt  wird,  sondern  durch  die 
Athmung  unbeeinflusst  "bleibt,  da  nimmt  die  Leistung 
zunächst  mit  der  Erregbarkeit  ab. 

Rechnen  wir  jetzt  noch  die  Erleichterung  hinzu,  die  wir  dem 
Patienten  durch  Beseitigung  der  Athemnoth  verschaffen,  so  wird 
unsere  Regel  1.  wohl  als  genügend  gerechtfertigt  erscheinen. 

Ganz  anders  liegt  die  Sache  für  die  unter  2.  zu  rechnenden 
Fälle  mit  behindertem  Lungen-Gas  Wechsel.  Hier  ist  die 
Dyspnoe  eine  compensatorische.  Jeder  Nachlass  der  Athmungsarbeit 
würde  an  und  für  sich  eine  Verschlechterung  des  Blutzustandes  her- 
beiführen. Bedenken  wir  noch,  dass  die  Einführung  von  Morphin 
ebenfalls  an  und  für  sich  (in  Folge  der  Verminderung  der  Erregbar- 
keit des  Athemcentrums)  ein  Venöserwerden  des  Blutes  veranlasst, 
so  würde  schon  hieraus  sich  die  Berechtigung  unserer  Regel  2.  er- 
geben. Die  Erfahrung  zeigt  überdies,  dass  jene  Dyspnoen  durch 
Morphin  überhaupt  nicht  völlig  gehoben  werden  (Fälle  von  indi- 
recter  Wirkung,  z.  B.  durch  Beseitigung  eines  Bronchialkrampfes 
u.  ä.  abgerechnet).  Wir  würden  also  nur  die  Psyche  entlasten, 
den  Gaszustand  des  Blutes  etwas  verschlechtern  und  die  Dyspnoe 
nicht  beseitigen.  Auch  diese  verhältnissmäsige  Machtlosigkeit  des 
Morphins  diesen  Dyspnoen  gegenüber  ist  leicht  begreiflich.  Eliminirt 
werden  die  psychischen  Einflüsse,  verringert  wird  der  Muskeltonus 
und  damit  der  Athmungsbedarf  ebenfalls,  und  so  mindert  sich  die 
Dyspnoe  etwas.  Da  aber  auch  hier  der  Reiz  durch  die  Venosität 
des  Blutes  bedingt  wird,  so  gilt  auch  für  diese  Fälle,  dass  (Asphyxie 
abgerechnet)  die  Erregbarkeitsverminderung  die  Leistung  nicht  pro- 
portional herabsetzt:  Dyspnoe  besteht  weiter  und  die  einzige  Folge 
einer  weiteren  Erregbarkeitsverminderung  ist  die  Zunahme  der  Ve- 
nosität. So  glaube  ich  also  vorbehaltlich  des  Machtwortes  der  Praxis, 
die  Regel  2.  genügend  gerechtfertigt  zu  haben.    — 

Bezüglich  der  Theorie  der  Morphinwirkung  wäre  vielleicht  noch 
zu  erwägen,  wie  weit  unsere  Ergebnisse  in  Einklang  stehen  mit  dem 
sehr  interessanten  Schema  Witkowski's.    Witkowski  zieht  näm- 


—     53    — 

lieh  eine  Parallele  zwischen  der  Morphinwirkung  und  einer  Schicht 
weisen,  beim  Grosshirn  beginnenden  Abtragung  des  Centralnerven- 
systems.  Im  Grossen  und  Ganzen  ist  dieser  Vergleich  ja  zweifellos 
zutreffend.  Selbstverständlich  aber  wird  wohl  Witkowski  selber 
diesen  Vergleich  nicht  allzu  wörtlich  nehmen,  denn  bei  fortschreiten- 
der Vergiftung  zeigen  sich  weiter  abwärts  gelegene  Abschnitte  schon 
ergriffen  bevor  die  höher  gelegenen  gänzlich  eliminirt  sind.  So  er- 
fahren im  ersten  Stadium  die  spinalen  Reflexe  eine  Abschwächung, 
bevor  die  Zeichen  einer  maximalen  Wirkung  auf  das  Grosshirn  aus- 
gesprochen sind;  so  lässt  sich,  wie  ich  aus  persönlicher  Mittheilung 
durch  Herrn  Rosenthal  erfahre,  ein  leidliches  Fungiren  des  Gross  - 
hirns  noch  constatiren ,  wenn  bei  Kaninchen  auf  energische  Reizung 
eines  sensiblen  Nerven  kein  Schreien  mehr  erfolgt '),  während  nicht 
vergiftete  Kaninchen  gereizt  noch  schreien,  wenn  ihnen  das  Gross- 
hirn abgetragen  ist:  es  ist  also  der  das  Schreien  vermittelnde,  ver- 
muthlich  im  Mittelhirn  gelegene  Centralapparat  früher  gänzlich,  ge- 
lähmt, als  das  Grosshirn.  Auch  unsere  Erfahrungen,  nach  denen  das 
Athemcentrum  früher  resp.  stärker  zuerst  von  der  Giftwirkung  er- 
griffen wird,  als  die  ihm  benachbarten,  zum  Theil  sogar  höher  ge- 
legenen Centren  der  Vasomotion,  des  Herzvagus  (und,  wie  ich  früher 
zeigte,  auch  der  Pupillenerweiterung  und  der  „Krämpfe"),  zeigt  dass 
die  im  Ganzen  durchaus  zutreffende  Witkowski 'sehe  Regel  nicht 
schematisirt  werden  darf.  So  leidet  ferner  im  späteren  Stadium  das 
vasomotorische  Centrum,  wie  wir  sahen,  wieder  verhältnissmässi- 
mehr  als  das  Athmungscentrum.  Bei  dieser  Gelegenheit  will  ich 
auch  einen  irrigen,  von  mir  früher  geäusserten  Gedanken  -)  erledigen. 

Damals  sagte  ich:  „Es  wäre denkbar,  dass  die  beim  Cheyne- 

Stokcs'schen  Phänomen  sich  documentirende  Differenz  zwischen  der 
Erregbarkeit  des  vasomotorischen  und  derjenigen  des  respiratorischen 
Gesammt-Apparates  sich  entwickelte,  während  das  vasomot* iri- 
sche und  respiratorische  Centrum  gleiche  Einbussen  ihrer  Erreg- 
barkeit erfahren  hätten.  Hierzu  wäre  nur  erforderlich,  dass  die  jenen 
Centren  gehorchenden  peripherischen  Endorgane  (Athemmuskeln  resp. 
Ringmusculatur  der  kleineren  Arterien)  eines  verschiedenen  Mini- 
mums der  zugeleiteten  Erregung  bedürfen,  um  eben  die  ihnen  ob- 
liegende Leistung  auszuführen". 


1)  Dass  Kaninchen  auch  nach  operativer  Entfernung  des  Grosshirns  noch 
schreien,  nach  Morphinisiruug  aher  trotz  erhaltenem  Grosshirn  dies  nicht  mehr 
thuu,  erwähnt  Rosenthal  in  d.  Anm.  S.  54  seiner  Schrill:  ^Bemerkungen  über 
d.  Thätigk.  d.  autom.  Nervencentra  u.  s.  w.  Erlangen  1S75. 

2)  Berl.  klin.  Wochenschr.  1S74.  No.  35. 


54    

Dieser  Gedanke  muss  aufgegeben  werden.  Abgesehen  von  allen 
Erwägungen  sprechen  eigens  von  mir  zur  Prüfung  dieser  Idee  ange- 
stellte Versuche  gegen  dieselbe.  Es  genügt,  um  vom  Phrenicus  aus 
das  Zwerchfell  zu  Contractionen  zu  bringen,  ein  viel  schwächerer 
Reiz,  als  um  vom  Hals  Sympathicus  aus  Gefässverengerung  und  Pu- 
pillenerweiterung zu  erzwingen.  (Durch  Einschaltung  von  10000 
S.-Einheiten  Widerstand  in  den  den  Nerven  enthaltenden  Kreis  suchte 
ich  mich  von  etwaigen  Ungleichheiten  des  elektrischen  Widerstandes 
der  übrigens  fast  gleich  dicken  Nerven  unabhängig  zu  machen.)  Der 
Unterschied  war  beträchtlich:  250  Mm.  Rollcnabstand  beim  Phrenicus, 
110  beim  Hals-Sympathicus  in  einem  Falle. 

Es  ist  also  das  Athmungscentrum  im  ersten  Stadium  der  Mor- 
phinvergiftung in  Wirklichkeit  für  stärker  betroffen  anzusehen,  als 
die  benachbarten  Centren. 

Anhangsweise  will  ich  noch  erwähnen,  dass  die  von  Witkowski 
geäusserte  Vermuthung:  die  von  Gscheidlen  im  ersten  Stadium 
gesehenen  und  von  ihm  als  directe  Morphinwirkung  gedeuteten  Er- 
regungen des  vasomotorischen  und  des  Vaguscentrums  möchten  wohl 
indirecte  Erregungen  sein,  —  durchaus  das  Richtige  trifft.  Führt 
man  nämlich  bei  jenen  Vorkommnissen  eine  massige  künstliche  Ath- 
mung  aus,  so  nimmt  der  Druck  sofort  ab  und  die  Pulsfrequenz  zu. 
Jene  vorher  beobachtete  Drucksteigerung  und  Pulsverlangsamung 
kommt  also  dadurch  zu  Stande,  dass  das  Blut  in  Folge  einseitig  ge- 
sunkener Erregbarkeit  des  Athemcentrums  venöser  geworden  ist  und 
dadurch  eine  Erregung  der  minder  geschädigten  beiden  anderen  Cen- 
tren (Vagus-  und  Vasomotionscentrum)  veranlasst.  Bei  von  vorn- 
herein bestehender,  nicht  apnoisirender  künstlicher  Athmung  treten 
jene  Erregungen  nie  auf. 


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Filehne 
üeher  die  einwirkuns  des  morphins