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Full text of "Ueber Verbreitung und Verhütung der Augeneiterung der Neugeborenen in ..."

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Ui^yNiBi 



I 





Ueber 

Verbreitung und Verhütung 



der 



Augeneitenin; der Neugeborenen 



Deutschland, Oesterreich- Ungarn, Holland 
und in der Schweiz. 



Sammelforschung, 

im Auftrage der med. Abteilung der schles. Gesellschaft 

veranstaltet und bearbeitet 

von 

Prof. Dr. med. et phil. Hermann Qohn 

in Breslau. 



Motto: Die Augeneiterung der Neugeborenen 
kann und muss aus allen oiyilitirten 
Lündem verschwinden. 




Berlin AV. 86. 

Verlag von OSCAß COBLENTZ 
1896. 



Alle Rechte vorbehalten. 



• •«•••• ■ ••••• • 

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** *•••••• • ••••••• 

• •• ••••• • ••••••• 



■i. - -t 






Inhalt. 

Seite 

Einleitung 1 

I. Die Blennorrhoe in Breslau 6 

IL Die durch Blennorrhoe erblindeten Zöglinge der Blinden -An- 
stalten 11 

III. Die Verbreitung der Blennorrhoe in Deutschland, Oesterreich, 
Holland und der Schweiz 20 

IV. Specielle Mitteilungen über Blennorrhöen 30 

1) Blennorrhöen von Auswärts 30 

2) Beginn der Erkrankung und Verlauf 31 

3) Gonococcen -Befunde 33 

4) Blennorrhoe bei mehreren Kindern derselben Mutter . 35 
6) Behandlung der Blennorrhöen 36 

6) Schutz des anderen Auges 39 

7) Amtliche Meldung der Fälle 39 

8) Blennorrhöen, welche trotz Cred^isirung entstanden 
waren ' 39 

9) Blennorrhöen, die trotz Abwischens der Augen nach der 
Geburt des Kopfes entstanden waren 41 

V. Statistik der Geburtshelfer vor und nach Cred^ 42 

VI. Die Secundär-Infectionen 64 

VII. Kost 1 in 's Einwürfe gegen das Keil mann 'sehe Verfahren . 58 
VIII. Urteile von 110 Augenärzten über die Einführung der Credeisi- 

rung 63 

A. Antworten ohne bestimmte Stellung zur Frage ... 64 

B. Gegen Cred^'s Verfahren 67 

C. Für facultative Einftlhrung ... 72 

D. Für obligatorische Einführung 80 

E. Ueberblick über die Antworten 84 

IX. Die Anwendung des Cred^isirens in den Univorsitäts-Frauen- 

kliniken 89 

Schluss 97 

Petition der medicin. Abteilung an den Herrn Unterrichts-Minister . 104 



48600 



Einleitung. 



Die Veranlassung zur folgenden Arbeit gab ein Vortrag, 
den Herr Dr. Keilmann am 25. Januar 1895 in der medi- 
cinischen Abteilung der schlesischen Gesellschaft „über Ver- 
hütimg der Augeneiterung der Neugeborenen" gehalten hat. ") 
Er verwarf das Cred 6 'sehe Verfahren, welches bekajmtlioh 
in der Einträufelung eines Tropfens von 2proc. Höllenstein- 
lösung besteht, da es Catarrh der Bindehaut hervorruft, imd 
empfahl statt dessen, die geschlossenen Augenlider des 
Kindes, sobald der Kopf geboren, mit Jodtrichlorid sorg- 
sam abzuwischen. Dadurch würden die Gonococcen ver- 
hindert, die Bindehaut zu inficiren, und so sei es gelungen, 
bei 500 Geburten in der Küstner 'sehen Frauenkfinik jede 
Augeneiterung zu verhüten. Allerdings seien 8 Fälle von 
Eiterung doch vorgekommen; diese seien aber von 2 Kindern 
eingeschleppt worden, welche nicht in der Anstalt geboren, 
und deren Augenlider daher nicht sofort mit Jodtrichlorid 
abgewischt worden waren*). Die von dem ersten Kinde im 
Juli in die Klinik gebrachte Eiterung sei vermutlich durch 
das Badewasser von einer schmutzigen Wärterin übertragen 
worden auf 4 Kinder, welche erst am 7. Tage und später 
erkrankten. Die beiden anderen Kinder erkrankten im Sep- 
tember am 8. und 9. Tage und gehörten zu 400 Kindern, 
die überhaupt nicht mehr gebadet wurden; über die Ver- 
fiuüassimg der Uebertragung bei diesen beiden Neugeborenen 
ist Keil mann nichts Näheres bekannt, weü er zur Zeit 
nicht anwesend war. Keilmann betrachtet also seine 
Blennorrhöen nur als sogenannte Spätinfectionen. 

An diesen Vortrag schloß sich m der folgenden Sitzung 
am 1. Februar eine sehr lebhafte Debatte, in der ich die 
sicheren Resultate von Cred6 und die Unschädlichkeit der 
Methode gegen die Herren Prof. Küstner, Neisser und 
Keilmann warm verteidigte. (Vgl. Sitzungsber. d. schles. 

^) Siehe 78. Jahresb. d. schles. Ges. f. 1896 Med. Sect. Seite 10—16. 
2) Meine Ansicht über die Ursache dieser Epidemieen in der Frauen- 
klinik siehe unten in Cap. VI: Die Secundär-Infectionen. 

1 



Gesellsch. 189B, S. 17 — 36, und Centralbl. f. Augenheilk. 
1895, April und Mai, vgl. femer mein Lehrbuch der Hygiene 
des Auges, Cap. VI, Wien 1892.) Auf diese Debatte werde 
ich noch sehr ausführlich weiter unten in Cap. V bis VII 
zurückkommen. Am Schlüsse meiner Ausfilhrungeu stellte 
ich damals den Antrag, eine Commission zu wählen, 
welche, da die Zahl der Erkrankungen leider nicht ab- 
genommen, Vorschläge zur Verhütung der Augeneiterung 
ausarbeiten sollte. 

In der folgenden Sitzung am 22. Februar begründete 
ich den Antrag und wies besonders darauf hin, daß die 
Commission die Behörde ersuchen möge, 

1) den Hebammen die Paragraphen 218 und 324 des 
Hebammenlehrbuchs (in denen das Abwischen der Lider 
gleich nach der Geburt des Kopfes schon seit 1892 vor- 
geschrieben ist) in Erinnerung bringen zu lassen, 

2) den Hebammen die Meldepflicht, die in Schlesien 
seit dem 20. October 1884 vorgeschrieben, und auf deren 
Unterlassung 30 Mk. Strafe gesetzt ist, die aber in Ver- 
gessenheit geraten zu sein scheint, von Neuem einzuschärfen. 

Auch möge die Commission 3) eine Belehrung, ähn- 
lich der in Hävre verbreiteten, über die Gefahr der Augen- 
eiterung ausarbeiten und in Tausenden von Exemplaren in 
den Standesämtern verteilen lassen 

Auf Wunsch des Herrn Geh -Rat Prof. Dr Mikulicz 
wurde beschlossen, daß die Commission sich mit theoreti- 
schen und offenen therapeutischen Fragen nicht beschäftigen, 
sondern ntur administrative Vorschläge machen solle, die 
auf allgemein anerkannten hygiem'schen Grundsätzeu fußen. 

In die Commission wurden gewählt die Herren Pro- 
fessoren DDr. Czerny, Jacobi, Küstner, Neisser 
und ich. 

Wir einigten ims am 2. März schnell über meine Vor- 
schläge. Es wurde eine Eingabe an den Oberpräsidenten der 
Provinz Schlesien, Se. Durchlaucht Herrn Fürsten v. H atz- 
fei dt gerichtet, welche das Gesuch um neuerliche Einschärftmg 
der oben erwähnten Pflichten der Hebammen enthielt; femer 
wurde eine Belehrung, die ich in Anlehnung, aber doch 
in mancher Hinsicht abweichend von dem in Havre ver- 
breiteten „Avis aux meres, qui ne veulent pas que leurs 
enfants deviennent aveugles" ausgearbeitet, mit geringen 
Aenderungen angenommen, auf Kosten der schlesischen Ge- 
sellschaft in 12000 Exemplaren gedruckt und den Standes- 
ämtern der Stadt Breslau durch den Magistrat übersendet 
mit der Bitte, sie bei der Meldung von Geburten verteilen zu 
assen. (In Breslau werden jährhch 12000 Kinder geboren.) 



— 8 — 

Die nur drei kleine Seiten füllende Belehrung') fuhrt 
den Titel: „Ueber die Gefahr der Augeneützündung der 
Neugeborenen. — Eine Belehrung für Mütter, welche ihre 
Kinder vor Erblindung bewahren wollen. Herausgegeben 
von der medicin. Abt^ung der schlesischen Gesellschaft für 
vaterländische Cultur." 

Diese Belehrung lautet: 

I. 

^Der zehnte Teil aller Blinden hat sein Augenlicht 
durch die Augenentzündung der Neugeborenen verloren, 
und Hunderttausende haben durch dieselbe eine Ver- 
ringerung ihres Sehvermögens erfahren. Und doch kann 
diese geföhrliche Krankheit durch Maßregeln der Hebamme 
vor und bei der Geburt fast immer vermieden werden. 

Ist die Krankheit aber ausgebrochen, so ist es stets 
Schuld der Eltern, Ammen, Pflegerinnen oder Hebammen, 
wenn ein Auge des Kindes Schaden nimmt. 

Denn schleunigste ärztliche Hilfe und zwar sofort 
beim ersten Beginn des Leidens kann das Auge mit 
Sicherheit retten. 

Man versäume also die kostbare Zeit nicht mit Ab- 
warten oder mit Anwendung von Hausmitteln, man folge 
nicht sogenanntem guten Rate von Laien, sondern rufe 
sogleich den Arzt, da es sich hier um jede halbe Stunde 
handelt. 

n. 

„Die gefährliche Krankheit beginnt selten am 2 , meist 
am 3. oder 4. Tage nach der Geburt, kann aber auch 
später auftreten. Sie zeigt sich anfangs als eine leichte 
Schwellung und Rötung der Ränder der Augenlider, welche 
nach dem Schlafe besonders in den Augenwinkeln ein wenig 
mit Schleim verklebt sind. Bald tritt dann beim OeflBien 
der Augenlider eine weißliche oder gelbliche schleimige 
Flüssigkeit aus. Am 3. oder 4. Tage schwellen die Augen- 
lider meist dick an, das Kind öffiiet das Auge nicht mehr 
von selbst; nur mit Gewalt können die Lider auseinander 
gezogen werden, und ein dicker, rahmartiger, gelber Eiter 
quillt oder spritzt hervor. 

Wer ein solches Auge öffnet, nehme sich sehr 
in Acht, daß ihm nicht selbst etwas von dem Eiter 
in sein Auge spritzt, da er sonst unfehlbar von der ver- 
derblichen Krankheit befallen würde. 



*) Dieselbe ist von der Druckerei von Grass, Barth & Co in 
Breslau, 100 Stock für 75 Pfg. zu beziehen. 



— 4 — 

m. 

„Wenn nicht sehr schnell sachverständige Hilfe kommt, 
greift die Eiterung von den AugenUdem auf den Augapfel 
des Kindes über und zerstört in wenigen Tagen die Horn- 
haut des Auges; dann ist totale Erblindung oder 
bleibende Sehschwäche die sichere Folge. Wenn 
einmal die Hornhaut selbst erkrankt ist, gelingt es selbst 
dem erfahrensten Arzte nicht mehr, das Auge vollkommen 
zu heilen. Daher sende man bei der geringsten Böte, 
Schwellung oder Schleimabsonderung des Auges sofort 
zum Arzte. 

IV. 

„Wer ein Kind mit eitriger Augenentzündung pflegt, 
muß sich auf das Sorgsamste die Hände mit Sei& ab- 
waschen, so oft er die Augen des Kindes berührt hat. 

V. 
„Hat die Mutter vor der Entbindung einen eitrigen Aus- 
fluß aus dem Schöße gehabt, so muß sie besonders darauf 
achten, daß weder ihre Finger, noch etwas von den zur 
Reinigung des Schoßes während des Wochenbetts benutzten 
Leinenstücken an die Augen des Kindes komme, da auf diese 
Weise die Krankheit noch später übertragen werden kann. 

VI. 

„Wenn ein Zwillingskind an Augenentzündung erkrankt, 
ist das andere sofort vollkommen von ihm zu trennen und 
darf auch nicht in demselben Bade gebadet werden. 

vn. 

„War nach einer früheren Entbindung bei einem Neu- 
geborenen schon die Augenentzündung vorgekommen, so 
muß vor der nächsten Entbindung die Hebamme ganz be- 
sonders darauf aufmerksam gemacht werden. 

vm. 

„Was mass geschehen, bis der Arzt erseheint} 

1) Man öffiie die Augen des Kindes alle 10 Minuten 
und wische mittels Watte, welche in Wasser getaucht und 
ausgedrückt ist, den Eiter sorgsam aus dem Au^e heraus. 

2) Man mache sofort kalte Umschläge auf folgende 
Weise: Ein mehrfach zusammengelegtes Stück reiner Lein- 
wand wird auf Eis oder in sehr kaltem Wasser gekühlt, 
gut ausgewunden und trocken und kalt auf das kranke 
Auge gelegt. Ist dieser Umschlag warm geworden, so 
schadet er; daher müssen die Umschläge alle 2 Minuten ge- 
wechselt und so lange fortgesetzt werden, bis der Arzt kommt. 



— 6 — 

3) Man streiche etwas Vaseline außen auf die Augen- 
lider, damit sie nioht durch den Eiter zusammenkleben. 

4) Wenn nur ein Auge erkrankt ist, hüte man sich, 
mit demselben Fleckchen oder mit den Fingern das andere 
gesunde Auge zu berühren, da man sonst die Krank- 
heit auch auf dieses übertragen würde. 

5) Da die Augenentzündung der Neugeborenen überaus 
ansteckend ist, so dürfen Wasser, Leinenstücke und alle 
Gegenstände, die zimi Waschen des Auges gebraucht wur- 
den, niemals für die Reinigung der Hände oder des Ge- 
sichts anderer Personen benutzt werden. Die kleinste 
Spur des Eiters verursacht die schnelle und meist unheil- 
bare Zerstörung des Auges Erwachsener. Die Watte und 
alle zvu* Reinigung des Auges benutzten Leinenstücke sind 
bald zu verbrennen. 

Niemals versäume man, den Arzt sofort zu rufen. ^ 



Obgleich die Commission sich mit diesen administra- 
tiven Dingen eigentlich hätte begnügen müssen, da sie ja 
eine gebundene Marschroute hatte, so glaubte sie doch, 
Entschuldigung bei der medic. Abteilung zu finden, wenn 
sie im allgemein wissenschaftlichen Literesse noch 
etwas über ihre eugere Aufgabe hinausging. 

Sie beschloß zunächst, eineUmfrage über die Häufig- 
keit der Augeneiterung im Jahre 1894 unter den 
Breslauer Aerzten zu veranstalten. 

Auf meine Anfrage erhielt ich von allen 16 Augen- 
ärzten der Stadt bald geuaue Angaben. Sie hatten im 
Kalenderjahre 1894: 282 Kinder, darunter nur 2B aus- 
wärtige, an Blennorrhoe behandelt. 

Von den 342 CoUegen aber, die nicht Augenärzte sind, 
erhielt ich nur 77 Antworten. 68 Herren schrieben, daß 
sie keinen Fall gesehen, 19 Herren berichteten aber über 
41 Fälle, die sie behandelt. Näheres über diese Fälle habe 
ich in der Sitzung der med. Abteilung am IB. März 189B 
mitgeteilt. (Vgl. 73. Jahresb. d. schles. Gesellsch. f. 189B, 
S. 54, und Centmlbl. f. Augenlieilkde. 1895, Maiheft.) 

Ob die übrigen 265 CoUegen Fälle gehabt oder nicht, 
ließ sich also nicht entscheiden. 

Bestimmt aber waren im Jahre 1894 in Breslau 320 
Kinder, davon 294 aus der Stadt selbst, an Blennorrhoe 
behandelt worden 

Gewiß sind einzelne Fälle von einem Arzt zum andern 
gewandert; aber selbst wenn wir 44 solche Fälle abziehen, 
so haben doch sicher von den 12000 Kindern, die hier 1894 
geboren wurden, 260 = 2% an Blennorrhoe gelitten. 



— 6 — 

DiesehoheZahlwar überraschend und erschreckend , 
da die Krankheit ja bei richtiger Prophylaxe gar nicht 
mehr vorkommen dürfte. 

Die Commission hoffte wohl, daß ihre Vorschläge, welche 
die medic. Abteilung am 15. März annahm, zur Verringerung 
der Blennorrhöen beitragen würden, aber sie beschloß auch , 
eine wissenschaftliche Sammelforschung über das Vor- 
kommen der Augeneiterung und die geübten Verhütungs- 
maßregeln in allen Gebäranstalten und geburtshilf- 
lichen Kliniken, sowie in allen Augenheilanstalteu 
und Augenkliniken Deutschlands und Oesterreich- 
Ungarns im Jahre 1895 zu veranstalten, und sie hat mit 
der Anfertigung und Bearbeitung der Fragebogen Herrn 
Med.-Rat Prof. Dr. Küstner und mich beauftragt. 

Im Folgenden gebe ich zunächst die Zusammenstellung 
meiner an die Aerzte Breslau's, an die Augenärzte 
Deutschlands, Oesterreich-Ungams, Hollands und der Schweiz 
und an die Blindenanstalten der genannten Länder ge- 
richteten Anfingen und deren Antworten, welche bei einem 
Zahlenmateriale, wie es wohl bisher Niemandem zur Ver- 
fügung stand, manches neue Licht, wie ich glaube, auf Ver- 
breitung und Verhütung der Augeneiterung der Neugebore- 
nen werfen dürfte. 



I. Die Blennorrhoe in Breslau. 

Am 2, Januar 1896 versendete ich an 360 Aerzte der 
Stadt Breslau Postkarten mit bezahlter Rückantwort, die 
also lauteten: 

Hochgeehrter Herr College! 

In der med. Abteilung der schles. Gesellsch. habe ich 
zu berichten, wie viel Fälle von Blenu. neon. hier im 
Jahre 1895 vorgekommen Ich ersuche Sie daher höf- 
lichst, mir auf beigefügter Karte die Zahl der Fälle, die 
Sie 1895 behandelt haben, gef. bald notiren zu wollen. — 
Haben Sie keinen Fall, so bitte ich trotzdem um gef. 
Rücksendung der Karte mit dieser Bemerkung. Höflichen 
Dank im Voraus 

Ihr ganz ergebener College 

H. C. 
Auf der angebogenen, mit meiner Adresse versehenen 
Postkarte standen schon gedruckt die Worte: „Im Jahre 
1895 habe ich . . . Fälle von Blenn. neon. behandelt. 

Dr ^ 



— 7 — 

Den Herren CoUegen habe ich also keine große Mühe 
zugemutet; nur eine Zahl und ihren Namen brauchten sie 
aufzuschreiben — 

In dem neuen Adreßbuch, das die Hansa am 1. Januar 
1896 herausgegeben, waren eigentlich 372 Aerzte verzeich- 
net; aber 12 brauchte ich nicht anzufragen, da sie nur 
Theoretiker sind und ganz gewiß keinen Fall von Blenn. 
behandelt haben. 

Von den 360 Karten kamen 12 als unbestellbar zurück, 
da 9 CoUegen verzogen und die anderen gestorben waren. 

Es bleiben also 348 Aerzte. Ich hatte zwar, wie oben 
bemerkt, ausdrücklich gebeten, daß auch die Herren CoUegen, 
die gar keinen PaU behandelten, dies mit Null auf der 
Antwort bezeichnen möchten; trotzdem glaubte eine große 
Zahl von CoUegen, daß keine Antwort bedeuten soUe, sie 
hätten keine Fälle gesehen. 

Da also nach 3 Wochen von 71 CoUegen noch keine 
Antwort gekommen war, schrieb ich an dieselben am 
20. Januar nochmals Postkarten mit bezahlter Antwort. 
Hierauf erwiederten 60 CoUegen. 

Es blieben also noch 11 Aerzte übrig, die ich am 
4. Febniar zum dritten Male brieflich anfragte. Auch diese 
antworteten nun mit Ausnahme eines einzigen CoUegen, der, 
wie ich später erfuhr, geisteskrank ist. 

Ich verzeichne es also zunächst mit besonderem Danke, 
daß sämtliche 347 hiesige practicirende Aerzte meine 
Anfrage beantwortet haben. 

Es ist dies um so dankenswerter, als, wie oben in der 
Einleitung mitgeteilt, es mir im vorigen Jahre nicht möglich 
war, von mehr als 23 ^/q der practischen Aerzte eine Antwort 
zu erhalten. 

Ich weiß nun sicher, daß von den 347 hiesigen Aorzten 
279 ganz bestimmt keinen Fall von Blennorrhoe be- 
handelt haben. 

Nur 68 CoUegen, und zwar 16 Augenärzte und 62 prac- 
tische Aerzte, haben Fälle gesehen. 

Drei Augenärzte hatten überhaupt keinen FaU, zwei 
Augenärzte hatten nur in der Privätpraxis keinen FaU. 

Es behandelten im Jahre 1895 

16 Augenärzte 218 Kinder 
62 pract. Aerzte 115 Kinder 

68 Aerzte also 333 Kinder. 
Eine Abnahme der Blennorrhöen gegen das Vorjahr 
(320) ist also nicht eingetreten. Freilich wissen wir nicht, 
ob unter den 266 CoUegen, die im Vorjahre keine Antworten 



— 8 — 

sendeten, nicht damals doch solche waren, die auch Kinder 
mit Blennorrhoe behandelten. 

Immerhin ist die Zahl 333 für Breslau eine sehr 
traurige; sie sollte ja Null sein! 

Meine Absicht war es, die wahre Zahl der Blennor- 
rhöen in Breslau zu finden. Dies konnte nur geschehen^ 
wenn 1) jede D op pelzählung ausgeschlossen wurde, die 
etwa durch das Wandern mancher Kranken zu zwei oder 
mehreren Aerzten stattfand, und wenn ich 2) die Zahl der 
Kinder erfuhr, die von Auswärts gekommen waren 

Ich mußte daher neue Briefe an die 68 Collegen, welche 
mir Fälle gemeldet hatten, senden mit der Bitte, mir ent- 
weder die Namen oder die Anfangsbuchstaben der 
Kinder zu nennen Auch ersuchte ich anzugeben, wie viel 
von den behandelten Kindern aus Breslau waren. 

Die letztere Frage hielt ich für ganz unverfänglich 
und leicht zu beantworten, da doch wohl jeder Arzt notirt, 
woher ein blennorrhoisches Kind kommt. 

Allein von den 62 practischen Aerzten, welche IIB Fälle 
behandelt hatten, antworteten mir nur 41, daß unter den 
86 Fällen, die sie gesehen, 84 aus Breslau waren. 

Von den 16 Augenärzten gaben 16 in bereitwilligster* 
Weise an, daß unter ihren 178 Fällen 161 Kinder aus 
Breslau waren. Ein einziger Augenarzt verweigerte trotz 
wiederholten schriftlichen Ersuchens selbst diese Angabe 
und beschränkte sich ausdrücklich auf die ausschließliche 
Nennung der Zahl der von ihm gesehenen Blennorrhöen. — 
Ich kann also nur sagen : Ueber 264 Fälle habe ich Nach- 
richt, und von denselben waren nur 29 nicht aus Breslau 
= etwa 11 pCt. Nehmen wir die gleiche Procentzahl für 
die 69 Fälle an, über die mir Berichte fehlen, so würden 
von den 333 Eandem etwa 300 auf Breslau kommen Aber 
auch bei den Auswärtigen sind meist die nächsten Dörfer 
und Vororte um Breslau genannt, z. B Mochbern, Hüben, 
Gräbschen, Tinz etc , so daß man kaum fehl geht, wenn 
man sagt, daß 300 Kinder aus Breslau und der näch- 
sten Umgebung stammen. Unter den mir mitgeteilten 
Städten ist nur einmal Oppeln als fernster Ort genannt. 

Es ist ja auch wohl einleuchtend, daß die Angehörigen 
die nächsten Aerzte bei der Blennorrhoe aufsuchen und 
mit den zarten Neugeborenen, die ja meist von der zu Bett 
liegenden Mutter genährt werden müssen, keine weiten 
Reisen machen. Femer trifft das Leiden in der übergrossen 
Zahl die ärmeren Volksklassen, die keine Mittel für kost- 
spielige Reisen haben. Endlich ist es auch dem größeren 
Publicum bekannt, daß heut zu Tage selbst in kleinen 



— 9 — 

Städten, wenigstens in Schlesien und den Nachbar-Provinzen, 
practische Aerzte genug vorhanden sind, die eine Blennor- 
rhoe schulgerecht heilen. 

Da in Breslau jährlich 12000 Kinder geboren werden 
und etwa 300 Blennorrhöen zeigen, so haben wir hier 26 
pro mille Blennorrhöen*). — 

Die zweite Frage, ob es mir gelingen würde, Doppel- 
zählungen zu vermeiden, schien mir selbst die schwie- 
rigste. Denn sie läßt sich nur bei größtem Vertrauen aller 
Collegen lösen 

Bei Syphilis hat es gewiß Bedenken, den Namen des 
Kranken einem andern Arzte mitzuteilen, namentlich in der 
Privatpraxis. So odiös liegt aber doch die Sache bei der 
Blennorrhoe nicht. 

Ich erkenne dankend an, daß 33 practische Aerzte und 
12 Augenärzte mir die Namen oder die Anfangsbuchstaben 
der £[inder mitgeteilt haben; aber mit den Anfangsbuch- 
staben ist, wie ich gesehen, nicht viel zu machen. Wenn 
auch beispielsweise einige Male R. G. verzeichnet ist, so 
braucht das keineswegs dasselbe Kind zu sein. 

Einige Collegen schrieben mir, die Namensangabe sei 
unnötig, da sie alle ihre Fälle bis zu Ende behandelt haben; 
solche Mitteilungen betreffen 41 Kinder; diese sind gewiß 
nicht doppelt gezählt. — Einige andere CoUegen teilten 
mir mit, daß sie ihre kleinen Patienten, zusammen 7 Kinder, 
nach längerer oder kürzerer Zeit einer Augenklinik über- 
wiesen haben; ich habe selbst ein Kind, das schlecht ge- 
pflegt wurde, in die Kgl. Universitäts- Augenklinik zur Auf- 
nahme gesendet, da ich blennorrhoische Kinder nur ambu- 
latorisch behandle. Im Ganzen ist es aber doch immer nur 
eine kleine Quote von Kindern, die zu mehreren Aerzten 
gebracht wird 

Die große Arbeit, alle die Anfangsbuchstaben zu ver- 
gleichen und die Beziehungen derselben zu einander zu 
erraten, ist ganz überflüssig, sobald nur ein einziger Augen- 
arzt, der viele Blenn. hatte, sich von der Mitteilung aus- 
schließt. Wer eben nicht will, beantwortet einfach diese 
Frage trotz mehrfacher Aufforderung nicht. Auf mehrere 



*) In der mir leider erst während des Druckes bekannt gewordenen, 
unter Prof. Pflüger's Leitung schon 1894 in Bern gearbeiteten vor- 
treflFlieheu Dissertation von Heim: ^lieber Blenn. neon. und deren Ver- 
hütung in der Schweiz** finde ich. daß 1891 in der Schweiz unter 83596 
Neugeborenen nur 378 « knapp 5 pro mille Blennorrhöen vorkamen, d. h. 
5 mal weniger als in Breslau. — Auch in Mecklenburg -Schwerin fand 
Schatz (Deutsche Med. Wochenschrift 1884, No I) unter 18000 im Jahre 
1882 Neugeborener nur 6 pro mille Blenn. neon. 



— 10 - 

solche erhielt ich freilich nur in einem einzigen Falle eine 
unhöfliche Antwort. Ich bemerke hier, daß ich der Letzte 
bin, der Jemand, der auf eine Bitte nicht antwortet, mehr- 
mals belästigt; ich that es natürlich hier nur im Auftrage 
der med. Abteilung, welche ja die Sammelforschung möglichst 
vollständig durch mich gewünscht hatte. 

Da nun jener College sogar verweigerte, mitzuteilen, 
wie viel Augenkranke er im Jahre 1896 behandelte, so 
bedaure ich, nicht einmal den Gesammt-Procentsatz der 
Breslauer Blennorrhöen unter den Breslauer Augenkranken 
angeben zu können. 

Wie verschieden sich der Procentsatz in den einzelnen 
Augenkliniken Breslaues gestaltet, wird man in der großen 
Tabelle III im 3. Capitel über die Blennorrhoe bei den 
verschiedenen Augenärzten Deutschlands finden. 

Die wahre Zahl der Fälle in einer Stadt ist nicht 
durch Privat-Nachfrage festzustellen, wenn nicht alle Aerzte 
wohlwollend der Arbeit gegenüberstehen. 

Es giebt nur einen Weg, der ein absolut sicheres 
Resultat geben kann, das ist der, daß die Blennorrhöen 
von jedem Arzte der Behörde gemeldet werden müssen, 
wie die übrigen Infections-Krankheiten, Es braucht 
nur auf den Postkarten, die an das Polizei -Commissariat 
mit der Krankheitsmeldung gesendet werden müssen, zu 
den vorgedruckten Worten: Cholera, Variola, Diphtherie, 
Typhus, Recurrens, Scarlatina, Morbilli, Dysentene, Puer- 
peralfieber und Meningitis cerebrospinalis noch das Wort 
Blennorrhoe hinzugefügt zu werden. 

Die Behörde erfilhrt hier jeden Namen, jede Wohnung 
und jeden Herkunftsort und kann mit Leichtigkeit durch Ver- 
gleich die Zahl der wirklich vorgekommenen Augen-Eite- 
rungsfäUe am Ende des Jahres zusammenstellen ; jede Doppel- 
zählung ist, ohne daß eine Indiscretion zu befürchten wäre, 
ausgeschlossen. 

Wie viel Belästigung der CoUegen, wie viel Schreibe- 
reien, Druckkosten und Porto's würden auf diesem Wege 
erspart werden! Und doch könnte so allein festgestellt 
werden, ob die Krankheit in einem Orte abnimmt oder nicht. 

Nim habe ich ja schon im vorigen Jahre darauf hin- 
gewiesen, daß gerade in Schlesien seit fast 12 Jahren, seit 
dem 20. October 1884 eine Verordnung existirt (Breslauer 
Amtsblatt vom 7. November 1884), in der § 4 lautet: „Jeder 
Fall von eitriger Augenentzündung der Neugeborenen ist 
von der Hebamme ohne Verzug (bei 30 Mk. Strafe) 
dem zuständigen Physikus schriftlich oder mündlich anzu- 
zeigen." 



— 11 — 

Allein selbst wenn sie, was bis 1895 nie geschehen, 
wirklich die Fälle dem Physikus melden, so kann dessen 
Wirksamkeit nur eine moralische sein; er kann ihnen nur 
ans Herz legen, bald einen Arzt zu rufen. 

Es war nun aber interessant, zu hören, ob wenigstens 
im vorigen Jahre, nachdem den Hebammen durch die Phy- 
siker die Meldepflicht in Folge unserer Eingabe an den 
Herrn Ober-Präsidenten (siehe oben Einleitung, Seite 2) auf's 
Neue eingeschärft worden, alle Blennorrhöen von den Heb- 
ammen den Physikern auch wirklich gemeldet worden sind. 

Da erfuhr ich denn auf meine Anfrage bei den hiesigen 
drei Herren Bezirksphysikem, daß ihnen von den Hebammen 
nur 11 Fälle amtlich gemeldet worden, während auf meine 
Anfrage mir 333 Fälle von den Aerzten mitgeteilt worden 



waren 



Der Fiscus hat also, da die Unterlassung der Anmel- 
dung von 300 Blennorrhöen nicht bestraft wurde, allein im 
vorigen Jahre 9000 Mk. verloren, — in den letzten 12 
Jahren sogar über 100,000 Mk. verloren! 

Was hat nun die neuerliche Ermahnung der Hebammen 
durch die Physiker genützt? Nichts. 

Will die medicinische Abteilung ein sicheres Urteil 
darüber gewinnen, ob die Krankheit in Breslau zu- oder ab- 
nimmt, so muß sie die Behörde ersuchen, daß die Melde- 
pflicht für die Aerzte auch für Blenn. neon. vor- 
geschrieben werde, wie iiir die anderen Infectionskrank- 
heiten. Und diesen Antrag werde ich am Schlüsse stellen. 

Was die einzelnen in Breslau beobachteten FäUe von 
Blennorrhoe betrifft, über die eine Anzahl Collegen die 
Güte hatte, genauer zu berichten, so komme ich auf diese 
im 3. Capitel ausführlicher zurück. 



IL Die durch Blennorrhoe erblindeten Zöglinge 
der Blindenanstalten. 

Schon in der Sitzung am 16. März 1896 erwähnte ich, 
daß es von Wichtigkeit sei, die Zahl der Schüler unsrer 
Blindenanstalt zu kennen, welche durch Blennorrhoe ihre 
beiden Augen verloren haben. Der Anstaltsarzt, Herr Dr. 
Beyer, war aber wegen Ueberbürdung damals nicht in der 
Lage, eine neue Zusammenstellung zu machen. Ich konnte also 
nur erwähnen, daß nach einer alten*) Zusammenstellung von 



^) Siehe Tabelle I, Seite 13. 



— 12 — 

Reinhard aus dem Jahre 1876 hier 36 pCt. und später 
von Magnus im Jahre 1884 unter 87 Blinden der Breslauer 
Anstalt 24 Mal Blennorrhoe, d h. in 27 pCt., als Ursache 
festgestellt worden ist. Inzwischen habe ich selbst im Som- 
mer V J. mit gütiger Erlaubnis der Direction und dan- 
kenswerter Unterstützung des Herrn Rector Schottke 
eine genaue Pinifung aller 130 Blinden unserer Anstalt vor- 
genommen, über deren hauptsächliche Ergebnisse ich be- 
reits auf der Wander- Versammlung der schles. Gesellschaft 
in Schweidnitz am 30. Juni 1896 Mitteilungen machte, und 
deren ausführliche Bearbeitung ich mir für einen beson- 
deren Aufsatz vorbehalte. 

Hier sei nur erwähnt, daß ich durch weitläufige schrift- 
liche und mündUche Rückfragen bei den Angehörigen der 
Blinden und bei den Aerzten, die sie behandelt, feststellen 
konnte, daß von den 130 Blinden 27 ganz sicher durch 
Blennorrhoe erblindet waren = 21 pCt. 

Danach wäre die Blennorrhoe- Blindheit in unserer 
Anstalt, nachdem sie vom Jahre 1876 bis 1884 von 35 pCt. 
auf 27 pCt. gefallen, in den letzten 11 Jahren von 27pCt. 
auf 21 pCt. gesunken, wolil etwas, aber lange nicht genug. 

Aus anderen Blindenanstalten hatten wir nur wenig 
Ziffern zum Vergleiche. 

Die älteste Zusammenstellung der Blennorrhoe-Blinden 
in 22 Anstalten nach den in dem 10jährigen Zeitraum von 
1866—1876 erfolgten Aufnahmen gab Reinhard auf dem 
2. Europäischen Blindenlehrer-Congreß in Dresden im Juli 
1876. Siehe Tabelle I auf Seite 13«): 

In jener Versammlung zu Dresden 1876 wirkten diese 
Zahlen höchst deprimirend — waren doch Anstalten mit 
41, 42, 43, 44, 61 und selbst 61 pCt. aufgeführt worden — 
und man bescliloss, es sollten aUjährliche Erhebungen an- 
gestellt und Belehrungen durch die Presse veröffentlicht 
werden. — Historisch interessant ist es, daß damals Director 
Reinhard aus Dresden erklärte, er habe sich an eine 
Autorität Deutschlands auf dem Gebiete der Augenheil- 
kunde um Rat betr. der Folgen dieser verheerenden Krank- 
heit gewendet. „Die Antwort bezeichnete lakonisch die 
Dummheit und die Indolenz des Publicums als die 
Ursachen, welche zu bekämpfen sind.** — 

Leider sind in den letzten Jahren keine weitere Zäh- 
lungen in größerem Maßstabe angestellt worden. 



*} In der Original-Tabelle sind einige schlimme Rechenfehler in den 
Procenten vorhanden: die Durchschnittsprocentzahl ist dort auf 40,25, 
statt auf 30,38 pCt. angegeben. 



— 18 



Tabelle I (naeh Reinhard). 

Blennorrhoeblinde im Jahre 1876. 



Anstalt 



BlindoDzahl 



Blennorrhoe- 
blinde 



Blennorrhoe- 
blinde in Proc. 



1. 

2. 

8. 

4. 

5. 

6. 

7. 

8. 

9. 
10. 
11. 
12. 
18. 
14. 
15. 
16. 
17. 
18. 
19. 
20. 
21. 
22. 



Dresden . . 

Breslau . . . 

Hannover . . 

Kopenhagen . 

Budapest . . 

Königsberg . • 

Wien . . . 

Düren . . . 

Barby . . . 

München . . 

Berlin . . . 

•Neu-Tomey . 

Friedberg . . 

Brflnn . . . 
Amsterdam 
Linz .... 
Kiel .... 

Neukloster . . 

Lemberg . . 

Frankfurt a. M. 

Hamburg . . 

Leipzig . . . 



289 

151 

145 

142 

138 

135 

120 

102 

96 

89 

81 

59 

59 

54 

53 

44 

44 

38 

35 

33 

26 



Summa 



2165 



93 
84 
86 
12 
68 
39 
42 
11 
26 
42 
19 
84 
15 
15 
17 
27 
18 
19 
28 

4 
11 

8 



33 
85 

24 

8 
42 
28 
31 

9 
25 
44 
21 
41 
25 
25 
31 

51(!) 
30 
48 

61(!) 
11 
33 
31 



658 



30 



Nur einzelne Notizen findet man. So heißt es in dem 
Bericht der Klar'schen Blindenanstalt in Prag (1895, 
Seite 6): ^Im Jahre 1874 wurde in Böhmen auf 1267 Ein- 
wohner ein Blinder geAmden, im Jahre 1894 aber nur 1 
auf 1416. Im Alter von 1 — 6 Jahren waren 1874 noch 
112 Blinde, 1894 aber nur 81 Blinde. Dieser Rückgang 
der Erblindung in den ersten 6 Lehensjahren trotz zu- 
nehmender Bevölkerung liefert den erfreulichen Beweis, 
daß die unausgesetzten und energischen Maßregeln, welche 
seitens der maßgebenden Factoren in den letzten Decennien 
zur Verhütung der Blennorrhoe getroffen wurden, denn doch 
nicht ohne Erfolg geblieben sind".^) 



^ Sehr wichtig scheint mir im Anschluß an diese Bemerkung eine 
Notiz über die Pockenblindheit aus demselben Bericht. Es waren in 
Böhmen im Jalire 1874: 36(1 Personen an Pocken erblindet, im Jahre 1894 
sogar 378. In der Anstalt sind unter 123 Blinden 22 = 18 pCt. an 
Pocken erblindet; acht waren nicht geimpft, drei sollen geimpft worden 
sein, bei 11 fehlt die Angabe. «Hoffen wir,*" sagt der Bericht, „daß bis 
zur nächsten Blindenzfthlung im Jahre 1904 der Impfzwang bereits 
eingeführt und ein günstigeres Resultat zu verzeichnen sein wird." — Wie 
schon sticht dagegen die Thatsache ab, daß in der Breslauer Anstalt 
jetzt unt^r 130 Blinden nur ein sicherer Pockenfall von mir gefunden 



— 14 — 

Mecker bemerkt, daß iu Düren im Jahre 188B 17 pCt. 
Blennorrhoe-Blinde waren, deren Procentsatz bis 1896 stetig 
fiel und jetzt nur noch 7 pCt. beträgt 

Nach Dufour waren in der Schweiz 1843 noch 46 pCt. 
Blennorrhoe-Blinde, jetzt 6 pCt. 

Ans Amsterdam schreibt mir Herr Director Lenderink, 
daß vor 20 Jahren 28 pCt., jetzt 13 pCt. Blennorrhoe- 
Blinde in der Anstalt seien. 

Hofrat Stieler hat 20 Jahre lang in der Anstalt in 
München Notizen gesammelt. Seinem treflflichen Vortrage 
^Ueber die Entlastimg der Blindenanstalten durch prophy- 
lactische Maßregeln" (Verhandl. des 8. Blindenlehrer -Kon- 
gresses in München, Aug. 1896, Seite 69) entnehme ich 
Folgendes: „Die höchste Zahl war 43 pCt. im Jahre 1883, 
die Tiiedrigste 1893: 22 pCt., 1894 und 96 waren 30 und 
26 pCt., in allen übrigen Jahren niemals weniger als 32 pCt. 
Vor Cred6 betrug sie nach dem jährlichen Zugange 49 pCt., 
nach Credi 36 pCt. Im Gesamtdurchschnitt 36 pCt. , „be- 
trübend genug gegenüber einer Krankheit, die, wenn recht- 
zeitig und richtig behandelt, niemals zum Verluste des 
Auges führen darf.®) — Wie wichtig wäre es auch in 
pecuniärer Hinsicht, ganz abgesehen von der Verhütung 
so vielen Elends, wenn '/, weniger Blinde in die Anstalten 
zu kommen brauchte. Allein für München würden jährlich 
22600 Mk. erspart werden." 

In dem Berichte über die Blindenanstalt in Zürich vom 
Jahre 1876 wird gesagt, daß dort seit 1866, also seit zehn 
Jahren, kein einziger Fall von Blennorrhoe- Blindheit mehr 
vorkam, und daß dieses B^sultat zu danken sei einesteils 
der Verpflichtimg der Hebammen, sofort den Arzt zu rufen, 
andrerseits der Verbreitung besserer Kenntnisse unter den 
Aerzten und Laien und der hieraus entsprungenen Sorge 
fiir scrupulöseste ReinUclikcit mit oder ohne gleichzeitige 
Anwendung von Desinfectionsmitteln. Dr. Stiel er be- 
zweifelt mit B^cht, ob dieser ideale Zustand sich auch 
weiterhin erhalten habe, da die größte Reinlichkeit auch 
nicht im Entferntesten dasselbe leisten könne, wie das 
Crede'sche Verfahren. (Vergl. unten im Capitel IX die Mit- 



wurde, und dieser war vorher nicht geimpft woi-denl — Auch Mecker 
schreibt, daß nach Einftlhrung der Impfung die Pocken|>linden in der 
Bheinprovinz von 35 auf 2 pCt herabgegangen seien. Und trotzdem 
giebt es noch immer Gegner des Impfzwangs! 

^ Man sieht, sagt Stieler, daß die Cred^*6che Methode trotz 
ihres 14jährigen Bestehens noch keineswegs die ihr gebührende Ver- 
breitung gefunden hat, und daß noch immer eine große Zahl Blennor- 
rhöen gar nicht oder zu spät in Behandlung kommt. 



- 15 — 

teüungen von Prof« v. Winkel über vergleichende Prüflingen 
in München ) 

Wie man in der folgenden Tabelle II findet, sind mir 
neuerdings aus der Blindenanstalt in Zürich unter 19 Blinden 
wieder 4 Blennorrhoe-Fälle gemeldet, also 21 pCt., freilich 
kein Blinder, der jünger als 10 Jahre war. 

Mit Recht wünscht auch Dr. Stieler, daß von jetzt 
ab die jährlichen Berichte sämmtlicher Bh'ndenanstalteu 
die Zahl ihrer Blennorrhoe-Blinden mitteilen möchten, damit 
man den Einfluß der Crede 'sehen Prophylaxe studiren könne. 

Ich glaubte nun, daß es gelingen müsse, schon jetzt 
die Zahl der in den Blinden- Anstalten untergebrachten 
Blennorrhoe-Blinden durch Umfrage bei den Directionen 
festzustellen. Durch nichts kann man ja die Gefahr der 
Krankheit den Behörden und dem Publicum eindringlicher 
vor Augen führen, als durch die Zahl der durch die Blen- 
norrhoe vollkommen Erblindeten. 

Dem von Mecker redigirten „Blindenfreund" (Jahr- 
gang 12, Düren, 16. Nov. 1892) und der 1887 erschienenen 
Schrift von Merle, Sengelmann und Söden in Ham- 
burg „Das Blinden-, Idioten- und Taubstummen -Bildungs- 
wesen" entnahm ich die Uebersicht der 32 deutschen, der 
12 österreichischen, der 3 schweizer und der 7 holländischen 
Blindenanstalten. (Im Jahre 1892 gab es in Deutschland 
37632 Blmde und in 32 Anstalten 2114 Blinde = 6 pCt. 
der Blinden.) An die Vorstände jener 54 Blindenanstcdten 
richtete ich nun am 10. Nov. 1896 ein gedrucktes Rund- 
schreiben, in dem ich auseinandersetzte, wie wichtig die 
Beantwortung folgender 3 Fragen wäre: 

1) Wie viel Zöglinge hat die Anstalt im Nov. 1895? 

2) Wie viel unter diesen sind sicher an Blennorrhoe er- 
blindet? (Am besten wäre die Beantwortung durch einen 
Augenarzt oder den Anstaltsarzt.) 

3) Wie viele der Blennorrhoe-Blinden sind jünger als 
10 Jahre? 

Ich bat um Rücksendung der ja keine große Mühe 
bereitenden und die Anstalt doch selbst interessirenden Ant- 
wort bis Ende Jan. 1896. 

Nur 28 Anstalten antworteten bis zu diesem Termine; 
auf erneute Bitte erhielt ich noch Ende Febr. von 14 Direc- 
tionen und Mitte März noch von Freiburg i. Br. Nachricht, 
so daß ich über Zahlen aus 43 Blindenanstalten verfuge. 
Es sind dies 30 deutsche, 9 österreichische, 3 schweizer imd 
eine holländische. Von den deutschen Ainstalten fehlen 
also nur 2 )Frankfurt a. M. und Paderborn). Den Vor- 
ständen spreche ich hierdurch höflichen Dank aus. 



- lÖ 



Die Mitteflungen betreffen 3033 doppelseitig Blinde, 
von denen 593 = 19 pCt, ihre Augen durch Blen- 
norrhoe verloren haben. 

Von diesen 693 Zöglingen sind 127 Kinder jünger als 
10 Jahre = 21 pCt. der Blennorrhoe-Blmden. Da Cred^'s 
Methode 1882 veröffentlicht worden, also 1886 schon ver- 
breitet sein konnte, so hätte jeder dieser 127 Blen- 
norrhoe -Blinden^) durch einen Tropfen Höllen- 
stein bestimmt vor der Erkrankung bewahrt wer- 
den können! 

Auf die einzelnen Anstalten verteilen sich die Blen- 
norrhoe-Blinden wie folgt (Tabelle 11): 

Tabelle n. 

Blennorrhoeblinde im Jahre 1896. 



Blindenanstalt in 



Zahl 

der 

Blinden 



Davon 
an Blen- 
norrhoe 
erblindet 



Procent 

der Blen- 

norrhoe- 

blinden 



Blennor- 
rhoeblinde 

unter 
10 Jahren 



1. 

2. 

3. 

4. 

5. 

6. 

7. 

8. 

9. 
10. 
11. 
12. 
13. 
14. 
16. 
16. 
17. 
18. 
19. 
20. 
21. 



Augsburg .... 
Barby (Sachsen) . 
Berlin (städtisch) . 

Breslau 

Braunschweig . . 
Bromberg .... 
Dresden .... 

Düren 

Prankfurt a- M.»o) 
Freiburg i. ßr. . . 
Priedberg i. Hessen 
Gmünd (Schwab.) . 
Hamburg .... 
Hannover .... 
Heiligenbrunn (Württbg. 
lllzach (Elsaß) . . 
llvesheim (Baden) . 

Kiel 

Königsberg i. Pr. . 
KOnigsthal (Westpreußen) 
Leipzig 



Deutschland. 



30 


3 


10 


130 


32 


26 


142 


29 


20 


130 


27 


21 


18 


2 


11 


69 


25 


86 


207 


44 


21 


181 


16 


8 


? 


? 


? 


27 


14 


52 


18 


2 


11 


71 


16 


23 


62 


8 


13 


114 


8 


7 


32 


2 


6 


87 


34 


39 


39 


6 


13 


101 


8 


8 


87 


10 


11 


89 


18 


20 


24 


6 


26 



2 

6 
11 
1 

2 
7 
4 
? 





1 


2 

1 


6 



') Wenn in Breslau nur 1 Kind unter 10 Jahren als blennorrhoe- 
blind aufgenommen worden, so darf man daraus nicht etwa schliessen, 
dass hier in den letzten Jahren mehr als anderwärts die Blennorrhoe ab- 
genommen habe; es werden vielmehr hier nur Blinde mit vollendetem 
10. Lebensjahre als ZOglinge aufgenommen; als Hospitanten nehmen 
aber 2 Kinder unter 10 Jahren am Unterrichte Teil. Das eine derselben 
ist aber blennorrhoeblind. ^ In manchen andren Anstalten werden über- 
haupt Rinder unter 10 Jauren gar nicht aufgenommen. 

1^) Die Direction bedauert, mit der gewünschten Auskunft nicht 
dienen zu können. 



— 17 — 



Blindenanstalt in 



Zahl 

der 

Blinden 



Davon I Procent 
an ßlen- der Blen- 



norrhoe 
erblindet 



norrhoe- 
blinden 



Blennor- 
rhoeblinde 

unter 
10 Jahren 



22. 
23. 
24. 
25. 
26. 
27. 
28. 
29. 
30. 
34. 
32. 



33. 
34. 
35. 
36. 
37. 
38. 
39. 
40. 
41. 



42. 
43. 
44. 



München 

Neukloster (Mecklenbg.) 

NOmber^ 

Paderborn '») • . . • 

Soest 

Steglitz (Berlin) . . 
Stettin (Neu-Tomey) . 

Stuttgart 

Weimar 

Wiesbaden .... 
Würzburg 



98 
45 
40 
? 

49 
131 
68 
46 
10 
46 
42 



29 

8 

10 

? 

7 

27 

21 

18 

2 

4 

4 



Summa 2233 



438 



Brunn 

Graz 

Linz 

Prag 

Wien 

Wien 

Wien 

Wien 

Wien 



Bern . 
Lausanne 
Zürich . 



UL Schwell. 



30 
19 



Summa 
IT, 



45. 1 Amsterdam 



79 
Holland. 

70 I 



16 



80 

18 
25 

? 

14 
21 
81 
89 
20 

9 
10 



20 



20 
20 
21 



18. I 



10 
2 
1 
? 

3 
2 

17 
2 
1 




83 



n. 


Oesterreich. 








116 


28 


24 







59 


20 


84 


7 




47 


9 


19 





(Klar^sche Anstalt) 


128 


18 


15 


10 


(Kaiserl. Anstalt) . 


74 


18 


24 


6 


(Neu-Lerchenfeld) . 


15 


2 


13 


2 


(Hohe Warte) . . 


45 


2 


4 


1 


(Purkersdorf) . . 


77 


15 


20 


4 


(Beschäftig. - Anst.) 


95 


18 


19 





Summa 


651 


130 


20 


30 



Gesamtsumme in 45 Blinden- 
anstalten 



593 



19 



127 



Vergleicht man diese Tabelle IE mit der oben Seite 13 
gegebenen Tabelle I, so findet man allerdings, daß der 
Durchschnittssatz der Blennorrhoe -Blinden seit 1876, also 
seit 20 Jahren, von 30 auf 19 pCt. herabgegangen, und 
daß keine Anstalt mehr existirt, die über 62 pCt. enthält, 
während damals sogar 61 pCt. gefunden wurden. — 

") Der Vorstand der Anstalt schrieb mir, ich möge mich in der 
Angelegenheit an den Landeshauptmann der Provinz Westfalen wenden. 
Ptti* solche Weitläufigkeiten fehlte mir die Zeit. 

2 



— 18 — 

In den einzelnen Anstalten schwankt der Procentsatz 
gewaltig. Die wenigsten Blennorrhoe -Blinden hat Wien 
(Hohe "Warte), nämlich nur 4 pCt.; dann folgt Heiligen- 
bronn in Würtemberg mit 6, Hannover mit 7, Düren 
und Kiel mit 8 pCt., Wiesbaden mit 9 pCt. und Würz- 
burg mit 10 pCt. Zwischen 10 und 19 pCt. haben 13 An- 
stalten, zwischen 20 und 29 pCt. haben 16 Anstalten. 
München zeigt 30 pCt., Stettin 31 pCt., Graz 34 pCt., 
Bromberg 36 pCt., lUzach und Stuttgart 39 pCt. und 
Freiburg i./Br. sogar 52 pCt. Blennorrhoe-Blinde noch 
jetzt. 

Die deutschen, österreichischen und schweizer Anstalten 
haben durchschnittlich 20 pCt., nur die holländische zeigt 
13 pCt. 

In den deutschen Anstalten sind 20 pCt., in den öster- 
reichischen 23 pCt., in den schweizerischen 31 pCt., in der 
holländischen alle blennorrhoeblinden Schüler jünger als 
10 Jahre. Solche Zusammenstellungen sollten fortan all- 
jährlich gemacht werden. Nur so werden wir feststellen 
können, ob unsere Prophylaxe wirklich nützt. Traurig 
genug, daß der fünfte Teil der Zöglinge aller Blinden- 
Anstalten der vollkommen verhütbaren Blennorrhoe seine 
Blindheit verdankt! 

Den Directoren der Blinden -Anstalten ist es schon 
lange Bedürfiiiss gewesen, djts große Publicum auf die 
Gefehr der Blennorrhoe aufmerksam zu machen. So hat 
Director Mecker in Düren gemeinsam mit Geh. Med. 
Rath Prof. Dr. Saemisch in Bonn schon im Jahre 1890 
eine kurze Belehrung „An die Eltern sehender und 
blinder Kinder" drucken lassen, welche (vgl. den hoch- 
interessanten Aufsatz des Director Mecker in der Fest- 
schrift zur 60 jährigen Jubelfeier der Blinden -Anstalt zu 
Düren 1895) bereits in 510000 Exemplaren in fast allen 
Standesämtern der Rheinprovinz verteilt worden ist. Die 
rheinische Gesellschaft zur Verhütung der Blindheit geht 
in der Prophylaxe noch weiter als unsere schlesische Ge- 
sellschaft. Sie warnt schon bei der Hochzeit, wir erst 
bei der Geburt des Kindes. Sie läßt nämlich jedem 
Brautpaare bei der Verehelichung und jedem Vater bei 
der Anzeige der Geburt eines Kindes je ein Exemplar der 
Belehrung auf dem Standesamte einhändigen. 

Diese Belehrung ist betr. der Blennorrhoe sehr ähnlich 
der unsrigen. Da von gewisser Seite unsere Empfehlung 
der seit Jahrzehnten als sicher wirksam erprobten Kälte 
bei der Blennorrhoe in Zweifel gezogen wurde, so ist es 
wichtig, zu erwähnen, daß ein Augenarzt von der großen 



— 19 — 

Erfahmiig wieProf.Saemisch dieselbe ebenfalls empfiehlt mit 
den "Worten: „Femer müßt Ihr fortgesetzt feine Leinwand- 
Läppchen auf das Auge legen, welche durch Eintauchen 
in Eiswasser oder durch Auflegen auf Eisstücke recht 
kalt gemacht sind. Diese Läppchen dürfen jedoch nicht zu 
naß sein und müssen, sobald sie etwas wärmer geworden, 
sofort durch kalte ersetzt werden." 

(Es folgen dann kurze Belehrungen auch über Arbeiten 
bei schlechter Beleuchtung, über Brillen etc.) 

Ebenso empfiehlt Nieden sowohl in den vom ärztlichen 
Verein zu Bochum herausgegebenen „Hegeln für die Pflege 
und Ernährung der Sander im 1. Lebensjahre und Air die 
Pflege der Wöchnerinnen", als auch in einem „Mahnwort 
an die Hebammen" die gut ausgedrückten Eiscompressen. 
Seine Vorschläge sind im Uebrigen ebenfalls mit den meinigen 
übereinstimmend. Auch 12 andere Augenärzte berichten 
ausdrücklich, daß sie Eisumschläge machen lassen (siehe 
unten Cap. IV, 6. Behandlung der Blennorrhöen). Sehr 
gut ist die Bemerkung von Mecker betr. der Kosten, 
welche der Druck der Belehrung in Düren verursachte: 
„unter der gewiß nicht zu weit gehenden Annahme, daß 
durch diese Volksbelehrung nur ein einziger Mensch vor 
Blindheit bewahrt, oder nur ein einziges blindes Kind bil- 
dungs- und erwerbsfähig gemacht wird, werden die hierauf 
verwandten Kosten'*) (etwa 1300 Mk.) und Mühen sich zehn- 
fach belohnen." — in dem neuesten (60.) Berichte, S. 26, 
der Klar' sehen Blindenanstalt in Prag finde ich ebenfalls 
eine gute kurze Belehrung filr Eltern sehender und blinder 
Kinder. 

Auch in Kopenhagen ist eine kurze populäre Belehrung 
über Blennorrhoe von Director Moldenhawer und Prof. 
Lehmann schon 1873 ausgearbeitet worden, die viel Nutzen 
stiftete (vgl. Verhandlungen des 8. Blindenlehrer-Congresses 
1896, Seite 85). — Die Blindenlehrer versprechen sich auch 
viel von der Einwirkung der Kalender, von den Hebammen, 
den Lehrern imd den Zeitungen. — Man sieht also, daß von 
allen Seiten der Kampf gegen die Erblindung durch Blen- 
norrhoe energisch geföhrt wird. 

1^) Das Hundert kostet also etwa 25 Pf , ist allerdings nur auf weichem 
Papier gedruckt, während von unserer Belehrung das Hundeit 75 Pf. 
kostet, aber auf dauerhaftem Garten gedruckt ist 



— 20 — 



ni. Die Verbreitung der Blennorrhoe in Deutsch- 
land, Oesterreich, Holland und der Schweiz. 

Die absolute Zahl der im Jahre 1896 in den genann- 
ten Ländern behandelten Blennorrhöen anzugeben, ist ganz 
unmöglich. 

Wir haben in Breslau gesehen, daß die Blennorrhöen 
keineswegs immer den Augenärzten übergeben werden 
(vgl. oben Cap. 1), sondern daß 116 Kinder von practi- 
schen Aerzten behandelt, während 218 Kinder zu Augen- 
ärzten gebracht wurden. Man müßte also an alle 23000 
deutsche Aerzte Fragebogen senden, und wer weiß, wie 
viele dieselben beantworten würden? 

Um aber eine annähernde Vorstellung von der Ver- 
breitung der Krankheit, mid namentlich um genaue Beant- 
wortung einer Reihe die FäUe selbst betreffender Fragen zu 
haben, glaubte ich am besten zu handeln, wenn ich am 
1. Mai 1895 den nachfolgenden Fragebogen an sämtliche 
226 deutsche, österreichische, holländische und schweizer 
Mitglieder der Heidelberger Ophthalmologischen 
Gesellschaft, deren Verzeichnis den Versammlungs -Be- 
richten beigegeben ist, sandte. 

Unter ihnen befinden sich wohl alle Universitätslehrer 
und fast alle CoUegen, die sich wissenschaftlich mit Augen- 
heilkunde beschäftigen. 

Freilich fehlen darunter auch viele tüchtige imd er- 
fahrene Practiker. Diese hofRie ich fiir die Sammelforschung 
zu gewinnen, indem ich im Centralbl. f. Augenh im Mai- 
heft 1895 diejenigen CoUegen, welche mitarbeiten wollten, 
ersuchte, von mir Fragebogen zu verlangen. Aber nur 
wenige Herren meldeten sich. 

Der Fragebogen*'), den ich versandte imd der auf der 
nächsten Seite abgedruckt ist, war von folgender Zuschrift 
begleitet: 

*•) Wie ich während des Druckes aus der mir leider erst jetzt ge- 
sendeten, sehr soi^f altig gearbeiteten Dissertation von Heim (8. 24) 
ersehe, hat dieser einen mit Prof. PflOger zusammen entworfenen Frage- 
bogen in 1000 Exemplaren an „fast sämtliche Aerzte der Schweiz** schon 
1893 versendet mit der Bitte, die im Jahre 1892 behandelten Fälle ein- 
zutragen. Freilich antworteten nicht alle Aerzte. Leider ist der Frage- 
bogen nicht abgedruckt; aber aus der sehr grOndiichen Zusammenstellung 
der Antworten folgt, daß von Heim viele ähnliche, manchmal noch 
speciellere Fragen wie von mir vorgelegt worden waren. Die Antworten 
betrafen 378 Fälle. Heim berichtet auch aber Blennorrhöen bei unehe- 
lichen Kindern und bei bemittelten Eltern. Es zeigte sich, daß ver- 
hältnismäßig 2 Mal mehr uneheliche Kinder erkrankten (S. 42), und daß 
68 pCt. dem bemittelten Stande angehörten (^. 46). 



— 21 — 

Breslau, den 1. Mai 1896. 
Schweidnitzer Stadtgraben 25. 

Sehr verehrter Herr College! 

Die medicinische Section der schlesischen Gesellschaft 
hat beschlossen, eine Sammelforschung über Blennorrhoea 
neonat onun zu beginnen. Ich wurde beauftragt, den 
Vorständen aller Augenkliniken und Augenheilanstalten 
Deutschlands, Oesterreichs , Hollands und der Schweiz 
Fragebogen zu senden und deren Beantwortung Air 
Januar 1896 zu erbitten. 

Da durchschnittlich nur 1 pCt. der Augenkranken 
an Blenn. neon. leiden, so ist die Mühe der Zusammen- 
stellung keine große. Daher gebe ich mich der Hoffiiung 
hin, daß Sie, hochverehrter Herr College, durch einen 
Assistenten im Laufe des Jahres 1896 bei jedem Falle 
von Blennorrhoe die betreifenden Antworten notiren imd 
mir im Januar 1896 das Resultat auf umstehendem Frage- 
bogen gef. zusenden werden. 

Derselbe ist nur ein Versuch fiir das erste Jahr; 
später sollen die Fragen den geäußerten Wünschen der 
Fachgenossen entsprechend gestellt werden. 

Für jeden Rat über künftige Verbesserung des Frage- 
bogens werde ich sehr dankbar sein. 

Mit vorzüglicher Hochachtung 

Ihr ergebener College 
H. C. 
Fragebogen: 
Blennorrhoea neonatorum in der Augenklinik 

zu 

1. Director der Anstalt: 

2. Wie viel Kranke im Jahre 1895? 

3. Darunter wie viel Blennorrhöen? 

4. Also pCt. Blennorrhöen? 

5. Wie viel aus der Stadt? 

6. Wie viel von auswärts? 



7. An welchem Lebenslage kamen die Kinder in die Anstalt? 



8 In wie viel Fällen wurde die Krankheit der Behörde gemeldet 

a) durch die Hebamme? 

b) durch den Arzt? 

9. Bei wie vielen wurde sofort ärztliche Hülfe gesucht? 

10. Wie viele kamen von einem anderen Arzte? 

11 Wie viele erkrankten bis 5 Tag incl.? 

12. Wie viele nach dem 5. Tage? 



13. Bei wie vielen erkrankte nur ein Auge? 

14. Bei wie vielen beide Augen? 

15. An welchem Tage das zweite? 

16. Wie viele kamen schon mit Erkrankung der Hornhaut? 

17. Bei wie vielen wurden Gonococcen gefunden? 

18. Wie viel Kinder derselben Mutter hatten schon Blennorrhoe? 

19. Womit wurde die Blennorrhoe behandelt? 

20. Wie viel Kinder wurden völlig geheilt entlassen? 

21. Wie viele blieben aus der Behandlung aus? 

22. Wie viele behielten Homhautflecke auf einem Auge? 

n auf beiden Augen? 

23. Wie viel erblindeten gänzlich auf einem Auge? 

„ „ , „ auf beiden Augen? 

24. In wie viel Fällen war sicher Cred^'s Tropfen eingegossen worden? 

26. In wie viel Fällen waren nach der Geburt des Kopfes die Augen ab- 
gewischt worden? 

26. Bemerkungen: 

Ich habe schon im vorigen Jahre den Satz ausgesprochen : 
„Wer viel fragt, bekommt wenig Bescheid". Ich hatte da- 
her die Fragen an die practischen Aerzte (siehe Cap. I) 
so knapp wie möglich bemessen. Von den speciellen Fach- 
genossen hoffi^ ich aber, daß sie auch specielle Fragen 
über Blennorrhoe im Interesse der Wissenschaft beantworten 
würden. Doch gebe ich gern zu, daß einzelne Fragen 
hätten unterbleiben können. 

Am Schlüsse des Fragebogens schrieb ich, wie oben 
schon mitgeteilt: „Derselbe ist nur ein Versuch für das erste 
Jahr; später sollen die Fragen den geäußerten Wünschen 
der Fachgenossen entsprechend gestellt werden. Für jeden 
Rat über künftige Verbesserung des Fragebogens werde ich 
sehr dankbar sein*^. Ich erhielt aber von keinem Collegen 
einen Rat. 

Im December 1896 sandte ich dann einen etwas 
vereinfachten Fragebogen, der statt 26 Fragen nur 21 
enthielt (Frage 4, 6, 6, 16, 18 waren beseitigt), an die- 
selben CoUegen und bat, mir diesen im Januar 1897, den 
alten aber im Januar 1896 zurückzusenden. Die letzte 
Frage änderte ich aus „Bemerkungen" in „Erscheint obliga- 
torische Einftihrung von Cred6 erwünscht?** Ich erhielt 
von 46 Collegen, darunter von vielen bedeutenden Lehrern, 
den ersten Bogen im Januar 1896 ausgefüllt zurück. — 

Um aber noch größeres Material zu erhalten, sandte 
ich Ende Januar an diejenigen, welche nicht geant- 
wortet oder die Cred ersehe Behandlung nicht erwähnt 



— 23 — 



hatten, eine Postkarte mit frankirter Antwortskarte ab, in 
der ich bat, mir nur die Zahl der im Jahre 1896 behandelten 
Augenkranken und der unter denselben beobachteten Blen- 
norrhöen mitzuteilen, femer ob sie für obligatorische oder 
facultative Einfährung von C rede 's Tropfen sich aus- 
sprechen. 

Darauf kam ich in den Besitz der Angaben von 
110 Augenärzten, unter denen die Directoren von 
25 Universitäts-Augenkliniken vertreten sind. Die 
verschiedenen Antworten über C rede 's Methode machten es 
mir schließlich wünschenswert, das Urteil aller dieser Collegen 
noch darüber zu hören, ob sie jemals einen dauernden 
Schaden von Crede's Tropfen gesehen. Darum ging 
noch eine letzte Anfrage über diesen Punkt im Februar d. J. 
an die Herren ab. 

In folgender Tabelle IH gebe ich die Zusammenstellung 
zunächst über die Frequenz der Anstalten von 104 Augen- 
ärzten und die Zahl der dort beobachteten ßlennorrhöen. 

Tabelle lU. 

Blennorrhoen, die im Jahre 1895 von Augenärzten behandelt 

wurden. 
* bedeutet Univeraitilteklioik. 





Ziahl der 


Zahl 


Voo Blen- 
norrhoen 


Stadt 


Arzt Augen- 
kranken 


der Blen- 
norrhoen 




L Deatschlaud. 






1. 


Aachen .... 


Alexander . . . 


1987 


18 


9 


2. 




Thier . . 




5055 


23 


5 


3. 


Bautzen . . . 


Rudioff. . . 




1390 


7 


5 


4. 


Berlin .... 


Froohhch . 




7197 


46 


6 


6. 


«• .... 


Schweiggor* 




12100 


99 


8 


6. 


Bielefeld . . . 


Steinheim . 




1650 


3 


2 


7. 


Bochum . . . 


Nieden . . 




6106 


24 


4 


8. 


Bonn .... 


Saemisch * . 




3549 


5 


1 


0. 


Braunschweig t 


Ferge . . 




1916 


16 


8 


10. 


Bremen . . . 


Betke . . 




2778 


2 


1 


11. 


Breslau .... 


H. Cohn . 




1865 


18 


10 


12. 


T) 




Foerster* . 




3965 


54 


14 


13. 


W 




Günsburg . 




1885 


5 


3 


U. 


f) 




Jjandmann 




5607 


14 


2 


15. 


1« 


. . . . 


Landsberg 




500 


10 


20 


16. 


w 




Lasinsky . 




966 


20 


20 


17. 


^ 




Wolff berg . 




400 i 


21 


5 


18. 


Cassel 




Schläfke . 




20G4 


3 


1 


19. 


Chemnitz . . . 


G. Fränkel 




2^00 


27 


9 


20. 


» . • • 


Nobis . . 




18C0 


15 


8 


21. 


Charlottenburg . 


Feilchenfeld 




350 


4 


H 


22. 


Coblenz . . . 


Hoffmann . 




800 


3 


4 


23. 


Crefeld .... 


Scheffels . 




2404 


8 


3 


24. 


Danzig 


. . . . 


Schneller . 




1 1530 


14 


ö 



— 24 - 









Zahl der 


Zahl 


o/oo Bleu- 
norrhoen 




Stadt 


Arzt 


Augen- 
kranken 


der Blen- 
nörrhoen 


25. 


Darmstadt . . 


Brückner . . . 


2933 








26. 


n • • 


A. Weber . . . 


2390 


8 


3 


27. 


Dresden . . . 


H. Becker . . . 


176 


2 


11 


28. 


m • . • 


Pautynski . . . 


1260 


8 


6 


29. 


n • . . 


Schanz . . . . 


1000 


8 


8 


30. 


Dortmund . . . 


Fischer. . . . 


2367 


6 


3 


31. 


Dflsseidorf . . 


Mooren .... 


2786 


3 


1 


32. 


Erlangen . . . 


Eversbusch* . . 


2168 


7 


3 


33. 


Prankfurt a. M. . 


Rauschoff . . . 


1084 


26 


24 


34. 


n • 


Rosenmeyer . . 


1368 


14 


10 


35. 


Freibur^ i. Br, . 


Manz* . . . . 


3400 


3 


1 


36. 


Gelsenkirchen . 


Wallerstein . . 


2848 


6 


2 


37. 


Gießen .... 


Vossius* . . . 


3117 


6 


2 


38. 


Gleiwitz . . . 


Struwe . . . . 


3293 


18 


6 


39. 


Gotha .... 


H. Lucanus . . 


1220 


8 


3 


40. 


Göttingen . . . 


Schmidt- 












Rimpler* . . 


3390 


6 


2 


41. 


Greifswald . . 


Schirmer* . . . 


1867 


3 


2 


42. 


HaUe .... 


Braunschweig . 


2200 


12 


5 


43. 


j* .... 


V. Hippel* . . 


4140 


47 


11 


44. 


Hamburg . . . 


Deutschmann 


2000 


35 


18 


46. 


» ... 


Franke . . . . 


2377 


19 


8 


46. 


» ... 


Wilbrand . . . 


2035 


21 


10 


47. 


Hanau .... 


C. Lucanus . . 


1873 


6 


8 


48. 


Hannover . . . 


Stölttng . . . 


2400 


4 


2 


49. 


Heidelberg . . 


Leber* . . . . 


4216 


16 


4 


60. 


Jena .... 


Wagenmann*. . 


2279 


21 


9 


61. 


Karlsruhe . . . 


Ellinger . . . 


1163 


22 


19 


62. 


Kiel 


Voelkers*. . . 


4300 


28 


7 


63. 


Köln .... 


Samelsohn . . . 


3784 


41 


11 


64. 


Königsberg . . 


Kuhnf. . . . 


4063 


46 


11 


66. 


Königsberg . . 


Treitel . . . . 


1349 


3 


2 


66. 


Leipzig. . . . 


Lamhofer . . . 


1440 


6 


3 


67. 


n .... 


Sattier* . . . 


6528 


104 


16 


68. 


n .... 


Schroeter . . . 


3226 


9 


£f 


59. 


n .... 


Schwarz . . . 


1676 


6 


4 


60. 


n .... 


Stimmel . . . 


1460 


12 


8 


61. 


Magdeburg . . 


Schreiber . . . 


1881 


10 


6 


62. 


Mannheim . . . 


Bahr . . . . 


1914 


16 


8 


63. 


Marburg . . . 


ühtiioff* . . . 


2300 


7 


3 


64. 


Minden .... 


Ohlemann . . . 


930 


3 


3 


66. 


München") . . 


V. Rothmund* . 


6600 


46 


7 


66. 


Neuß .... 


Rheindorf . . . 


1913 


8 


4 


67. 


Nürnberg . . . 


Neuburger . . . 


580 


5 


10 


68. 


» ... 


Schubert . . . 


2577 


16 


6 


69. 


Posen .... 


Wicherkiewicz . 


4236 


5 


1 


70. 


Regensburg . 


Brunhuber . . . 


1429 


10 


7 


71. 


Rostock . . . 


Berlin*. . . . 


2760 


10 


4 


72. 


Saarbrücken . . 


Hoederath . . . 


4162 


7 


2 


73. 


Straßburg. . . 


Laqueur* . . . 


3630 


36 


10 


74. 


n ... 


Stilling. . . . 


2092 


11 


6 



.'«) Vom 1. Mai 1895 bis 31. December 1896. 



— 25 







Zahl der 


Zahl 1 


Voo Blen- 
norrhoen 


Stadt 


Arzt 


Augen- 
kranken 


der Blen- 
norrhoen ^ 


76. 1 Stuttgart . . . 


Kreilsheimer . . 


1 3490 


8 


2 


76. Tübingen . . . 


Schleich* . . . 


2691 


11 


4 


77. ' Weimar . . . 


Rindfleisch . . 


• 1492 


l 


1 


78. 


Wiesbaden . . 


Meurer . . . . 


1 850 


3 


4 


79. 


w • • 


Pagenstecher . 


1 2837 


12 


4 


80. 


Witten- Bochum . 


Stöwer . . . . 


V162 


12 


6 


81. 


Würzburg . . . 


Bäucrlein . . . 


2006 


11 


6 


82. 


t» • » . 


Michel* . . . 


6433 


8 


1 



Summa 



222174 



1297 



IL Oegterreich • Ungarn. 



83. 


Budapest . . . 


Goldzieher. . 


8474 


63 


18 


84. 


ft ... 


Schulek* . . 


8156 


17 


2 


85. 


Graz"). . . . 


Borysikiewicz* 


2100 


7 


3 


86. 


Klagenfurt . . 


Purtscher . . 


2391 


4i 


18 


87. 


Prag .... 


Hermheisser . 


1543 


8 


5 


88. 




Mitwalsky . . 


1450 


13 


9 


89. 


Tetschen . . . 


Herzum . . 


1300 


5 


4 


90. 


Wien .... 


Adler . . . 


7646 


17 


2 


91. 


«1 .... 


Bergmeister . 


1476 


9 


6 


92. 


» . . • . 


Fuchs* . . . 


15949 


53 


3 


93. 


1» .... 


Herz . . . 


1466 


49 


34 


94. 


w • . » • 


Klein . . . 


2628 


15 


6 


95. 




V. Reuss . . 


3616 


21 


6 


96. 


« .... 


Topolansky . 


6300 


184 


21 




Summs 


i 59395 


455 


8 




IIL Schw 


eiz. 






97. 1 Basel . . . . 


Bosch . . . 


3174 


16 


5 


98. j Bern .... 


Pflüger* . . 


700 


26 


37 


99. i Genf . . . . 


Halteuhoff. . 


1741 


26 


15 


100. Zürich .... 


Fick. . . . 


1479 


5 


3 


101. „ . . . . 


Haab* . . . 


2984 


14 


6 




Summi 


i 10078 


87 


9 




lY. Holla 


nd. 






102. , Leiden .... 


Doycr* . . . 


. 1 1046 


10 


10 


103. Rotterdam . . 


de Haas . . 


. ' 4928 


^7 


12 


104. Utrecht . . . 


SneUen* . . 


. 5350 


32 


6 




Summs 


i\ 11324 


99 


9 




Gesamtsumme 


)\ 302971 


1938 


tt 



") Vom 5. Juni bis 31. December 1895. 



~ 26 — 

Wohl noch nie ist ein so großes Material *•) von Blen- 
norrhöen zusammougestellt worden, wie hier. 1938 Fälle 
unter 302971 Augenkranken! Durchschnittlich kommen also 
auf jeden der 100 Augenärzte 3000 Augenkranke mit rund 
20 Blennorrhöen. 

Wir wissen aber nicht einmal, wie viel Augenärzte 
außer den 226 Mitgliedern der Heidelberger Ophthalmolo- 
gischen Gesellschaft allein in Deutschland thätig sind — 
wir sind hier rein auf V er muthungen angewiesen — ; man 
darf wohl vermuthen, daß mehr als die doppelte Zahl Augen- 
ärzte, also etwa 500, in Deutschland practiciren. Aus Oester- 
reich-Ungarn haben nur 14, aus der Schweiz nur 5 und 
aus Holland nur B Aerzte Berichte gesendet. In diesen 
Ländern sind doch zusammen sicher mehr als 500 Augen- 
ärzte. Gewiß sind also mindestens 1000 Augenärzte in 
allen 4 Ländern thätig. Selbst wenn man nun annimmt, 
daß die 900 Augenärzte, von denen wir keine Mittei- 
lungen haben, durchschnittlich nur 1000 Augenkranke be- 
handelt haben, mit nur 6 Blennorrhöen, so sind dies 
900000 Kranke mit 5400 Blennorrhöen; dann wären bei 
1200000 Augenkranken 7400 Blennorrhöen beobachtet 
worden. Hierzu kommen noch mindestens über 2000 FäUe, 
welche practische Aerzte behandelten So gab es wahr- 
scheinlich im Jahre 1895: 10000 Fälle von Blennorrhoe, 
eine Zahl, die gewiß noch weit hinter der Wirklichkeit 
zurückbleibt, die aber doch geeignet ist, die ernstesten Vor- 
beugungsmaßregeln ergreifen zu lassen. 

Doch halten wir uns an die 1938 berichteten Fälle von 
Blennorrhoe. In Deutschland kommen 6, in Oesterreich- 
Ungani 8, in der Schweiz und Holland 9 Blennorrhöen auf 
1000 Augenkranke. 

Es sind aber große Schwankungen in den einzelnen 
Kliniken bemerkbar. 

Keinen einzigen Fall unter 2933 Augenkranken hat 
nur Brückner in Darmstadt; er bemerkt aber dabei, daß 
die Blennorrhöen zum größten Teile von dem dortigen Armen- 
und Schulaugenarzte und im Hospitale behandelt werden. 

Nur l"/oo hatte Saemisch in Bonn, Betke in Bremen, 
Schläfke in Cassel, Mooren in Düsseldorf (der sich nur 
noch auf Privatpraxis zurückgezogen), Manz in Freiburg, 
Wicherkiewicz in Posen, Rindfleisch in Weimar und 
V. Michel in Würzburg Herr Prof v. Michel erklärt die 
geringe Zahl von Blennorrhöen in der Uni versitäts -Klinik 

^^) Erst Tjacli Beendigung,' aller Berechnungen erliielt ich am 0. Mai 
d. J. von Herrn Dr. Mayweg in Hagen die Mittoihmg. dass er im Jahre 
1895 unter 3339 Augenkranken 7 Blennorrhöen behandelt habe. 



— 27 — 

damit, daß die meisten Leute aus Scheu ihre Kinder in 
Privatkliniken bringen, und in der That hat Hofrat Bäuer- 
lein in "Würzburg 6%o Blennorrhöen. 

Die größte absolute Zahl von blennorrhoischen Kindern 
kamen zu Schweigger in Berlin (99), zu Sattler in Leipzig 
(104) und zu Topolansky in's Barmherzigen -Hospital in 
Wien (134). Wie sehr die Zahl der Blonnorrhöen von neuen 
prophylaotischen Versuchen in der Frauenklinik abhängt, 
wird in dem Bericht des Herrn Prof. Sattler (vgl. unten 
Cap. Vni) mitgeteilt. 

Mehr als 16 %o hatten nur wenige Augenärzte: 16 %o 
Sattler, IS'Voo Deutschmann, öoldzieher, Purtscher, 
19%o EUinger, 20Voo Landsberg und Lasinsky in 
Breslau, 24 %o Ransohoff in Frankfiirt, 34 %o Herz im 
Wiener Kinderspitale und die meisten: 37 %o Pf lüger in Bern. 

In 7 Breslauer Anstalten schwankt die Zahl zwischen 
2 und 20%o. Herr Dr. Landmann, Director der schlesi- 
schen Augenheilanstalt, in welcher 6607 Kranke behandelt 
wurden, hatte nur 14 Blennorrhöen = 2"/oo, während Herr 
Prof. Förster bei 3966 Kranken in der Universitäts-Klinik 
54 = 14 %o Blennorrhöen und ich 10 %q Blennorrhöen hatte. 
Es spielen hier gewiß mancherlei Privat-Ursachen mit. So 
schreibt Herr Dr. Land mann: ^Die diesjährige Anzahl der 
Fälle ist oflEenbar so gering, weil ich den Hebammen stark 
auf die Finger passe; daher wird unsre Klinik vermieden." 

Die Lage der Anstalt ist wohl auch von Wichtigkeit ; die 
in den ärmeren Vorstädten liegenden Kliniken werden mehr 
benutzt. Man sieht dies besonders in Wien, wo Fuchs im 
AUgem. Krankenhause unter 16949 Augen-Krauken nur 63 
Blennorrhöen = 3"^ooj Herz dagegen im Kindorspital 34%© 
und Topolansky im Barmherzigen Spital 134 Fälle ^^ 
21 %o Blennorrhöen sah. 

Ln Ganzen scheint aber aus der Tabelle HI zu folgen, 
daß die Zahl der Blennorrhöen in großen Städten häufiger 
ist, als in kleineren. Ich bemerke, daß z. B. Bonn nur 1, 
Giessen, Greifswald und Göttingen nur 2, Erlangen und 
Marburg 3, Heidelberg, Tübingen, Rostock und Wiesbaden 
4V«o Blennorrhöen meldeten. Grade in den meisten kleineren 
Universitäts-Städten giebt es keine Concurrenz-Kliuikeu, so 
daß man nicht annehmen kann, daß hier die Blennorrhöen 
in Privatanstalten kommen. In den größeren Städten sind 
dagegen 10-14 ®/oo das Häufigste. Gewiß ist die Gonorrhoe 
wegen der größeren oflEenen und geheimen Prostitution in 
den großen Städten verbreiteter, als in den kleineren Orten 
und auf dem Lande; daher auch dort mehr Blennorrhöen. 



— 28 — 



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blieben 

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geheilt 

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Proehlich . . 
Nieden . . 


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Breslau . . Günsburg. . 
Breslau . . Lasinsky . . 


Saemisch . . 
Feilchenfeld . 
Nobis . . . 
Schanz . . 
Wallerstein . 
Vossius . . 
Schirmer . . 
V. Hippel . . 


Deutschmann 
Wübrand . . 
Leber . . . 


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Aachen . . 
Bautzen . . 
Berlin . . . 
Bochum . . 


Bonn . . . 
Charlottenburg 
Chemnitz . . 
Dresden . . 
Gelsenkirchen 
Giessen . . 
Greifswald . 
Halle . . . 


Hamburg . . 
Hamburg . . 
Heidelberg . 


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30 — 



IV. Specielle Mitteilungen Ober 
898 Blennorrhöen. 

Von 46 Augenärzten erhielt ich ausführliche Beant- 
wortungen der 26 Fragen des oben abgedruckten Frage- 
bogens; dieselben betreflfen 898 Blennorrhöen. 

Herr Dr. Silex schrieb mir, daß er leider die Antworten 
aus der Klinik von Prof. Schweigger nicht senden könne. 
„Ein Volontär hatte sich der Arbeit unterzogen, dann aber 
wurde es ihm zu langweilig, und jetzt erst am Jahresschluß 
trat er damit hervor." Ich erhielt daher nur einige all- 
gemeine Angaben von dort, die auch in Tabelle m Platz 
gefunden haben. 

Bedenkt man, wie heut zu Tage alle Augenkliniken 
von Volontären bestürmt werden, die um jeden Preis zu- 
sehen und sich beschäftigen wollen, so ist es merkwürdig, 
daß nicht in jeder Anstalt ein Volontär es übernimmt, über 
die 6 — 7%o ^^^' Augenkranken, die an Blennorrhoe leiden, 
genaue Notizen nach dem Fragebogen zu sammeln und am 
Ende des Jahres zusammenzustellen. Schaden würde eine 
solche Arbeit den jungen CoUegen nicht! — Daß sich bei 
Interesse an den Fragen die Sache machen läßt, beweisen 
die folgenden Mitteilungen von 46 Collegen über 898 Fälle. 



1) Blennorrhöen von Auswärts. 

Ich habe schon im Capitel I begründet, warum die Frage, 
wie viel Kinder aus der Stadt kamen, wie viel von Auswärts, 
nicht sehr bedeutungsvoll ist. Sie kommen doch meist aus 
der Nähe oder aus dem Reg.-Bezirk. (Siehe oben Seite 8.) 
Ich verzichte daher hier auf den Abdruck der Einzel-An- 
gaben und erwähne nur, daß von 36 Collegen, die die aus- 
wärtigen Kranken besonders zählten, berichtet wurde, daß 
sie unter 662 Blennorrhöen 111 Kinder (= 20 pCt.) von 
Auswärts hatten.'^) 

Da mir die Frage wenig wertvoU erscheint, habe ich 
sie neuerdings im abgekürzten Fragebogen für 1896 ganz 
fortgelassen. 



*^ Nach Heim liefern aber die Schweizer Städte mit mehr als 
5000 Einwohnern doppelt so viel Blennorrhöen, als sie liefern sollten im 
Verhältnis sowohl zur GesammtbevOlkerung, als auch zur Landbevölkerung. 
(A. a. O. S. 48.) 



— 31 — 

2) Beginn der Erkrankung und Verlauf. 

In der Tabelle IV (siehe oben S. 28 u. 29) findet man 
wichtige Fragen bei etwa 900 Blennorrhoe-Fällen beantwortet. 

Daß die meisten Erkrankungen bis zum fünften 
Lebenstage sich zeigen, ist allgemein angenommen. Von 
808 Blennorrhöen traten 617 bis zum fünften Tage incl. auf, 
aber doch noch 191 nach demselben zu 24 pCt. 

Unter 868 Blennorrhöen betrafen 216 nur ein Auge, 
662 aber beide Augen, d. h. nur 26 pCt. blieben auf ein 
Auge beschränkt.*®) 

Ich hatte auch den Versuch gemacht, festzustellen, 
an welchem Tage das zweite Auge erkrankte. Allein 
nur 16 Collegen gaben darüber Auskunft, meist auch 
nicht ftir alle Fälle, da sich der Tag nicht immer sicher 
feststellen ließ. Ich habe daher die Frage in dem neuen 
Fragebogen ganz fortgelassen. Aus den Berichten über 
164 Blennorrhöen folgt aber, daß 91 Mal die Krankheit, 
d, h. in 60 pCt., gleichzeitig auf beiden Augen be- 
obachtet wurde. 2 Tage nach der Erkrankung des ersten 
fand man sie bei 22 Kindern =z 14 pCt., 3 Tage später bei 
7, am 4. bei 4, am 6. bei 4, am 6. bei 2, am 7. bei 3 Kindern, 
im Laufe einer Woche also bei 27 pCt. Femer wurde 
6 Mal 8 Tage später das 2. Auge befallen, 2 Mal 9 Tage 
später, 8 Mal 10 Tage, 2 Mal 11 Tage, je 1 Mal 12, 13, 
14 Tage später. Es folgt hieraus, wie nötig selbst noch nach 
14 Tagen die größte Vorsicht ist, damit Uebertragungen 
vermieden werden. lieber den Schutz des zweiten Auges 
siehe später unter No. 6. 

Von 710 blennorrhoischen Kindern wurden 606=71 pCt. 
geheilt entlassen, 63 z=i 9 pCt. blieben aus (9 waren ge- 
storben) und 141 = 20 pCt. behielten bleibende Schädigung 
ihres Sehvermögens. Davon hatten 80 Hornhaut flecke 
auf einem, 26 auf beiden Augen erhalten, d. h. 15 pCt. 
der Blennorrhöen Und was das Schlimmste ist, 36 Kinder 
= 5 pCt. erblindeten völlig, 23 auf einem Auge und 13 
auf beiden Augen!*^) 

Fast stets gaben die Collegen an, daß diese Kinder 
schon mit tiefen Geschwüren auf der Hornhaut, oder mit 
Durchbruch derselben, also zu spät z]ir Behandlung kamen **^) 

^8) In der Schweiz blieben 20 pCt. einseitig. (Heim S. 27.) 
") Unter 878 Fällen in der Schweiz war nach Heim bei 61, d. h. 
in 16 pCt. der Ausgang ungünstig. Einzelheiten siehe a. a. O. S. 25- 27. 
^) Nach Heim wurden von 252 hergestellten Kindern 238 = 94 pCt. 
mit intacter Hornhaut in die ßehandhmg gebracht; von 61 mit ungünsti- 
gem Ausgange behandelten Kindern kamen dagegen 53 = 87 pCt. bereits 
mit Hori^utleiden an. 



32 



Selbst der erfahrenste und geschickteste Arzt und die beste 
Pflege können in diesem Stadium das Auge nicht mehr retten. 

Die Frage: „Wie viel Kinder kamen schon mit Er- 
krankung der Hornhaut zum Arzt?" beantworteten nur 
8 CoUegen mit Null, die anderen 36 meldeten 163 solche 
Fälle. Wenn trotzdem dann nur 161 Kinder mit bleibenden 
Schäden notirt wurden, so ist der Grund darin zu finden, 
daß jedenfalls unter den 63 aus der Behandlung ausgebliebe- 
nen Neugeborenen solche mit Homhautleiden sich befanden. 

Man kann eben nicht oft genug predigen, daß nur bei 
schleunigster Zuziehung und bei exactester Pflege 
der Arzt ein blennorrhoisches Auge zu retten im Stande ist. 

Schlimm genug, daß noch immer die Blennorrhoe fast 
den fünften Teil der Augen bleibend geschädigt hat! 

Natürlich ist, wie gesagt, meist**) die Veranlassung dieses 
Unglücks darin zu suchen, daß die Kinder zu spät zu 
den Aerzten gebracht werden. 

Um einen Einblick in diese Verhältnisse zu erhalten, 
hatte ich die Frage gestellt: „An welchem Lebenstage 
kamen die Kinder in die Anstalt ?** 

Diese wurde nur von 26 Collegen betr. 317 Kindern 
beantwortet Ich erwähne die Autoren hier nicht einzeln, 
sondern gebe die Summen. 

Es erschienen in den ersten 9 Tagen 167 Kinder =i rund 
60 pCt., 



vom 10.— 14. Tage 
in der 3. Woche 



V 



6. 



7» n ^* 7) 

„ „ 7.- 12. Woche 

nach 3-4 Monaten 



82 = 26 pCt. 
36 = 11 , 
13= 4 , 
12= 3 , 

11= 3 „ 
3= 1 « 



Die 167 Kinder z=z 60 pCt., welche an den ersten 9 Tagen 
kamen, verteilten sich so: 



Am 1. Tag 1 = 0,3 pCt. 

. 2. „ 9= 3 

„ 3. , 27= 9 

.4 „ 22= 6 

« B. „ 12= 4 



Am 6. Tag 13 = 4 pCt. 

. 7. , 16= 6 „ 

„ 8. „ 46 = 15 „ 

„ 9 . 11= 4 „ 



zusanmien 60 pCt. 

Da am 3 und 4. Tage die Krankheit meist schon jedem 
Laien beträchtlich auffallt, so müßte man an diesen Tagen 



2») Heim erwfthnt freilich, daß auch von 42 frühzeitig: behandelten 
Augen 9 =■ 21 pCt. erblindeten. 



— 38 — 

die meisten Kinder erwarten, doch sind es bis dahin nur 
18 pCt. Erst am 8 Tage, wo oft schön die Hornhaut 
erkrankt ist, steigt die Curve auf plötzlich 15 pCt., und 
am 9. Tage ist überhaupt erst die Hälfte der tranken in 
Behandlung gekommen. Vom 10. — 14. Tage zeigten sich 
26 pCt. ; vermutlich konnten viele Kinder nicht vorher zu 
Aerzten gebracht werden, da die Mutter bis zum 10. Tage 
zu Bett lag. 

Die Frage, ob wirklich gleich beim Ausbruch der 
Krankheit ärztliche Hilfe gesucht worden, oder ob das 
Kind schon von einem andern Arzte kam, wurde von 
vielen CoUegen nicht beantwortet; Herr Dr. de Haas in 
[Rotterdam schrieb mir sogar: Solche Fragen seien in der 
Anstalt nicht erlaubt. Ich konnte also blos feststellen, 
daß nur 265 Kinder dem Arzte sogleich vorgeführt worden, 
und daß 115 Kinder von anderen Aerzten bereits kamen. 



3) Gonococcen-Beftinde. 

So lange man die Gonococcen nicht kannte, konnte 
natürlich nur der klinische Verlauf die Frage entscheiden, 
ob man eine wirkliche Blennorrhoe oder einen mehr oder 
weniger ausgeprägten schleimig -eitrigen Catarrh vor sich 
hatte Heut weiß man allerdings, daß an echter Blennorrhoe 
nicht gezweifelt werden kann, wenn das Mikroskop Gono- 
coccen zeigt. Aber wenn in einzelnen Präparaten keine 
Gonococcen geftmden werden, so ist ja damit bekanntlich 
noch keineswegs bewiesen, daß das Kind keine Blennorrhoe 
hatte oder hat. 

Immer wird daher noch der subjectiven Benennung 
leichterer Formen Thür und Thor geöflBiet. "Wer seine 
Statistik verbessern will, wird als Catarrh ansehen, was 
ein Anderer als Blennorrhoe rubricirt. 

Natürlich muß heut zu Tage in jedem Falle das 
Secret auf Gonococcen, und zwar mehrmals untersucht 
werden! 

Leider aber geschieht dies durchaus noch nicht überall. 

Von 45 CoUe^en antworteten auf meine Frage: Bei wie 
viel Kindern wurden Gonococcen geftmden? 19 mit einem 
Fragezeichen. 

Diese Herren hatten 376 Blennorrhöen behandelt, welche 
natürlich hier zunächst abgerechnet werden müssen. 

In Breslau werden von den meisten Augenärzten die 
Präparate auf ausdrücklichen Wunsch des Herrn Prof. 
Neisser diesem zugesendet. 

8 



-^ 34 — 



Es liegen mir aber nur seine MitteQongen über meine 
Fälle und die des CoUegcn Günsburg vor. 

Die 26 Augenärzte, welche die Gonococcenfrago beant- 
worteten, meldeten Folgendes: 

TabeU« V. 

Gonococcenbefunde. 









1 


lii 








Stadt 


Arzt 


d 






Bemerkimgen 


1. 


Bautzen . . 


Rudioff . . . 


7 


5 


2 




2. 


Bochum . . 


Nieden . . . 


24 


— 


12 




3. 


Breslau . . . 


H. Cohn . . 


18 


17 


10 




4. 


Breslau . . . 


Gttnsburg . . 


5 


— 


3 




6. 


Charlottenburg 


Feilcbenfeld . 


4 


4 


4 




6. 


Dresden . . 


Schanz . . . 


8 


2 


2 




7. 


Giessen . . . 


Vossius . . . 


6 


— 


3 




8. 


Greifswald . . 


Schirmer . . 


3 


1 


1 




9. 


Halle. . . . 


V. Hippel . . 


47 




4 


in 4 Fällen notirt, 

in allen zweifelhaften 

Fällen untersucht 


10. 


Hamburg . . 


Deutschmann . 


35 


29 


23 




11. 


Karlsruhe . . 


Ellinger . . . 


22 


— 


19 




12. 


Köln 


Samelsohn . . 


41 


— 


31 




13. 


Königsberg . 


Kuhnt . . . 


46 


— 


15 


diese 15 nur als Blen. 
berechnet 


14. 


Königsberg . 


Treitel . . . 


3 


1 


1 




15. 


Marburg . . 


Uhthoff . . . 


6 


— 


3 




16. 


Nürnberg . . 


Neuburger . . 


5 


5 


5 




17. 


Nürnberg . . 


Schubert . . 


1« 


6 


6 




18. 


Straßburg . . 


Laqueur . . 


35 


9 


9 


in etwa */4 döi* FJÜle 

gesupht und dann 

stets gefunden 


19. 


Wiesbaden . . 


Pagenstecher . 


12 


12 


12 




20. 


Würzburg . . 


Bäuerlein . . 


11 


— 


5 




21. Wttrzburg . . 


V. Michel . . 


8 


8 


7 




22. Graz. . . 


Borysikiewicz . 


7 


7 


7 




23. Wien. . . . 


Topolanski . . 


134 


124 


74 




24. ' Bern .... 


Pflüger . . . 


26 


— 


14 




25., Zürich . . . 


Haab. . . . 


14 


14 


14 




26. 1 Leiden . . . 


Doyer . . . 


10 


8 


7 






Summa 


553 


252 


293 





Von den 663 Blennorrböen sind nun sicher auch 67 
nicht untersucht worden. Aber auch von den übrig bleiben- 
den 486 Fällen ist es zweifelhaft, ob alle mikroskopisch 
geprüft wurden Im Ganzen sind 293positive Gonococcen- 
beftinde imter ihnen notirt. Wären wirklich in 486 Fällen 
293 Mal Gonococcen gefunden, so wären dies 60 pCt. 
Sicher ist aber freilich nur, daß diese 293 FäUe untersucht 
wurden; denn die Summe von 262 Blonnorrhöen, in denen 



— 3B — 

naoh Gönococoen gesucht wurde, ist ja nicht vollständig, 
da man bei den anderen Autoren, die nichts darüber an- 
geben, nicht weiß, ob sie in allen ihren Fällen Präparate 
gemacht haben. 

Wir dürfen daher auch keinen procentualen Schluß 
auf die Gonococcenfölle ziehen, müssen ims damit begnügen, 
zu sagen, daß in beinahe 300 Fällen die Gonococcen 
gesehen wurden, und können nur wünschen, daß bei erneuten 
Zusammenstellungen in allen Fällen auch über die mikro- 
skopische Prüfung berichtet werden möge. 

4) Blennorrhfien bei mehreren Kindern derselben Mutter. 

Die Frage, „Wie viel Kinder derselben Mutter hatten 
schon Blennorrhoe?** war nicht gut von mir formulirt; sie 
hätte lauten sollen: „Wie viel mal kamen blennorrhoische 
Kinder von Müttern, die schon fiüher blennorrhoische Kinder 
gehabt, und wie viel blennorrhoische Kinder waren vorher 
von jenen geboren worden?** 

In diesem Sinne wurde aber die Frage auch von 
14 Aerzten aufgefaßt und beantwortet. 

Es sah Fröhlich 1, Nieden 3, H. Cohn 2, Lands- 
berg 2, Schirmer 1, Deutschmann 14, Wilbrand 3, 
Samelsohn 2, Neuburger 1, Schubert 2, Laqueur 2, 
Bäuerlein 3, Fick, de Haas imd Dr. Apt, pract Arzt 
in Breslau, je 1 Fall, bei dem wiederholt blennorrhoische 
Kinder geboren wurden. 

Also 39 Mütter hatten schon früher blennorrhoische 
Kinder gehabt, 8 Mal je ein solches Kind, 1 Mal 2 Kinder, 
1 Mal 3 Kinder, imd de Haas berichtet sogar, daß alle 
8 Kinder aus einer Ehe an Blennorrhoe litten! 

Herr Dr. Apt in Breslau schrieb mir, daß in seinem 
Falle den ersten beiden Kindern Argentum mit Nutzen ein- 
geträufelt, beim 3. Kinde aber von der Hebamme nicht 
gegeben worden sei, worauf Blennorrhoe eintrat**). 

Becht lehrreich ist folgender Fall, den ich selbst be- 
obachtet: Eine Frau M. wurde im Mai 1896 hier in Breslau 
entbunden; 2 Kinder, die sie früher geboren, hatten sogleich 
nach der Geburt von dem behandelnden Frauenarzt den 
Credo 'sehen Tropfen erhalten und waren von Blennorrhoe 
freigeblieben. Bei der dritten Entbindung war aber nur 
die Hebamme zugegen; der Vater bat sie, sie möge 

^) Heim berichtet S. 46, daß die Hebammen in der Schweiz in 
Ift Fällen die Zuziehung eines Arztes yerweigerten . und daß 19 mal die 
Eltern den Vorschlag der Hebamme, den Arzt zu rufen, ablehnten. In 
29 pOt schickten die Hebammen erst nach dem 6. Tage zum Arzte. 

3* 



— 36 — 

prophylactisch Argentum eintropfen; allein die 
Hebamme verhinderte es direct als unnötig, sagte: 
Reinigung genüge jetzt, wusch die Augen aus und 
mußte am 5. Tage einen Arzt holen, um die starke Blennorrhoe 
mit Argentum behandeln zu lassen. Es blieb eine hart- 
näckige Thränensackeitenmg zurück, die Monate lang der 
Therapie trotzte. 

Die Gefahr fär Kinder, deren Mütter schon blennor- 
rhoische Kinder geboren, ist so allgemein anerkannt, daß 
sich weitere Nachfragen nicht mehr lohnen und ich die 
Frage im neuen Fragebogen ganz fortgelassen habe. 

Man muß es direct als unverantwortlich bezeichnen, 
wenn in Fällen, wo früher schon blennorrhoische Kinder ge- 
boren worden j der Crede'sche Tropfen nicht gegeben wird! 

Und wie soUen in Zukunft, wenigstens in solchen 
Fällen, die Aerzte einzutropfen verstehen, wenn in einzelnen 
Frauenkliniken diese Methode aus Angst, einen leichten 
BindehautcataiTh zu erzeugen, den Studenten nicht gelehrt 
wird?! 

5) Behandlung der Blennorrhöen. 

Im Ganzen ist die Behandlung der Krankheit allerorten 
ziemlich die gleiche. Argentum, Kälte, Sublimatwaschungen, 
niu* ausnahmsweise Carbolsäure, übermangansaures Kali oder 
Hydrargyrum oxycyanatum. - Es dürfte immerhin interessant 
sein, die Mitteilungen der CoUegen über den Modus der 
Anwendung und die Dosirung der Mittel hier zusammen- 
zustellen. 

1) Dr. Alexander (Aachen) giebt Arg. und Suhl. 

2) Dr. Eudloff (Bauzen) bestreicht die Bindehaut mit 
2proc. Arg. -Lösung und spült den Bindehautsack stündlich 
mit Borsäure 6,0, Salicylsäure 0,B auf 200 Wasser mittelst 
Undine aus. 

3) Dr. Fröhlich (Berlin) giebt Arg. 1—2 pCt. 

4) Prof. Schweigger (Dr. Sil ex, Berlin) pinselt mit 
2 pCt. Arg. 

6) Dr. Nieden (Bochum) giebt zuei-st Eis und Sublimi*t- 
auswaschungen , später Arg. 2 — 4 pCt. je nach der Hart- 
näckigkeit. 

6) H. Cohn (Breslau) giebt stets gut ausgewundene 
kalte Compressen, die Tag und Nacht alle 2 — 3 Minuten 
gewechselt werden müssen. Auswischen des Eiters aus der 
Tiefe mit reinemLeinenläppchen, Anfangs alleViertelstunden, 
später alle halbe Stunden. Täglich 1 Mal Eingießung von 
1 — 2proc. Arg.-Lösung, ohne jede Nachspülung; Vaseline 
auf die Augenlider alle 2 Stunden. (Niemals Lapis oder 



— 37 — 

Lapis mitigatus!) Bei beginnender Blennorrhoe unter 
dieser Behandlung wurde stets Heilung beobachtet. 

7) Dr. Landsberg (Breslau) giebt Arg. mit wechseln- 
dem Procentgehalt und Eis. 

8) Dr, Günsburg (Breslau) nimmt Arg.-Lösuiig, Koch- 
salz-Nachspülung und Borsäurelösung. 

9) Dr. Lasinsky (Breslau): Arg.-Lösung 2 pCt. 

10) Prof. Sae misch (Bonn) Arg., event. bei fibrinösem 
Secret zunächst Acid. carbol. 

11) Dr. Feilchenfeld (Charlottenburg) Arg. 2 pCt , 
Sublimat- Ausspülungen und Sublimat-Umschläge. 

12) Dr. Nobis (Chemnitz): Ausspülungen mit 3 pCt. 
Borlösung durch die Pflegerin. Einträufelung von 2 pCt. 
Arg. durch den Arzt, 1—3 Mal täglich. 

13) Dr. Schanz (Dresden): Bor- und Sublimat -Um- 
schläge und Arg.-Pinselungen. 

14) Dr. Waller st ein (Q-elsenkirchen) giebt Arg.-Lösung 
2 pCt. bis 60 pCt. 

15) Prof. Vossius (Giessen) touchirt die Bindehaut 
mit Argentumlösung; Sublimat -Eis -Aufschläge und Aus- 
waschungen. 

16) Prof.Schirmer(Greifswald) giebt Eis und Argentum. 

17) Prof. V. Hippel (Halle) nimmt Lapis mitigatus, 
Pinselungen mit 4 pCt. Argentum, Eintropfen schwacher 
Arg. -Lösungen, Sublimat-Eisumschläge, Scarificationen. 

18) Prof. Deutschmann (Hamburg) touchirt mit Arg.- 
Lösung 3 pCt. Kühle Umschläge mit Kali hypermang. -Lösung. 

19) Dr. Wilbrand (Hamburg) pinselt mit 2proc. Arg.- 
Lösung. 

20) Prof. Leber (Heidelberg) pinselt mit 3 pCt. Arg. 
1 Mal, in ganz schweren Fällen 2 Mal täglich. Regel- 
mäßiges Auswaschen. Beständige kalte Umschläge mit 
Kali hypermang. 

21) Dr. EUinger (Karlsruhe) touclürt mit 2 pCt. Arg.; 
Reinigung und Umschläge mit Sublimat 1 : 6000. 

22) Dr. Samelsohn (Köln) giebt Arg.-Lösung und 
Eis, so weit keine HornhautaflEectionen vorhanden. 

23) Dr. Treitel (Königsberg): Eis und Arg. 2 pCt. 

24) Dr. Lamhofer (Leipzig) spült nur mit abgekoch- 
tem lauen Wasser oder manchmal mit 1 — 2proc. Bor- 
lösung am Tage alle 2 Stunden aus, Nachts nur, wenn das 
Kind getrunken hat. 

25) Prof. Uhthoff (Marburg) touchirt täglich mit 2proc. 
Arg., wäscht häufig mit 4proc. Borsäure aus. Bor- Eis- 
umschläge bei Tage fortwährend, Nachts 3 Mal 1 Stimde, 
später weniger. 



— 38 — 

26) Prof. V Rothmund (München) giebt Hydrarg. 
oxyoyanatum 1 : 500 Aq. 

27) Dr. Neuburger (Nürnberg) giebt Eisumschläge 
und Pinselungen mit 2proo. Arg. 

28) Dr. Schubert (Nürnberg) verordnet Eis, Reinigung 
mit Borlösung und täglich einmal 2proc. Arg -Lösung durch 
den Arzt. 

29) Prof. Laqueur (Straßburg) giebt Borsäure Waschun- 
gen, Eisumschläge, 2proc. Arg.-Lösung. 

30) Prof. Pagenstecher (Wiesbaden) nimmt Lapis 
mitigatus, mechanische Reinigung und manchmal Eis. 

31) Dr. Bäuerlein (Würzburg) benutzt 2proc. Arg. 

32) Prof V. Michel läßt poliklinisch 2 Mal täglich 
Arg. einträufeln. Sublimat-Vaseline nach Entfernung des 
Secrets, event Lapis mitigatus. Außerdem werden die An- 
gehörigen angewiesen, alle Viertelstunden das Secret mit 
Sublimatbausch zu entfernen und dann Sublimatsalbe 1 : 3(XX) 
einzustreichen. „Dieses Verfahren gab bisher tadellose Er- 
folge.*^ 

33) Prof. Borysikiewicz (Graz) giebt Ausspülungen 
mit übermangansaurem Kali und Touchirungen mit Arg.- 
Lösung. 

34) Prof. Bergmeister(Wien) nimmt Lapislösung 2 pCt. 

35) Dr. Klein (Wien) benutzt Arg. 2 pCt. und reinigt 
mit Sublimat 1 : 5000. 

36) Dr. Topolanski (Wien) ninmit Lapis mitigatus, 
2proc. Arg.-Lösung und Kali hypermangan. 

37) Prof. Schulek (Budapest) wäscht mit Borsäure 
aus und giebt Arg. nitr. 

38) Prof. Pflüger (Bonn) benutzt Arg. 0,5 — 2 pCt., 
warme Umschläge und iproc. Wisrauthsalbe. 

39) Prof. Halten ho ff (Genf) nimmt Silberlösungen 
1, 2, 4 pCt., Waschungen mit Borsäure, mit Sublimat 1:4000, 
mit Hydrarg. cyan. l\o- ^^^ Beginn oft Eisumschläge. 

40) Prof. Ha ab (Züricli) verordnet häufige Reinigung 
mit Lösung von Kali hypemiang. und giebt Eis. Später 
pinselt er mit 2proc. Arg. 

41) Prof. Sn eilen hi Utrecht benutzt Arg. und Sublim. 

42) Dr. de Haas in Rotterdam verfahrt ebenso. 

43) Prof. Doyer in Leyden giebt Ai'g. 2 pCt. 

44) Ferge (Braunschweig) giebt im Anfang Eis und 
spült seit einem Jahre statt mit Sublimat mit Hydrarg. 
oxy cyanatum 1 : 2000 aus, ist damit sehr zufrieden. Dann 
ArgentuKi 1 : 16 mit Kochsalznachspülung. Den Lapis 
mitigatus hat er nur 3 Mal in 20jähriger Praxis gebraucht 
und ist immer wieder zur Arg.-Lösung zurückgekehrt. 



— 39 — 

6) Schatz des anderen Ang^s. 

Während wir früher dxircli Scliutzverbände nur sehr 
unvollkommen bei der Uni-uhe der Kinder das zweite Auge zu 
schützen vermochten, sind wir jetzt in der günstigen Lage, 
durch tägliches Eintropfen eines Tropfens 2proc. Arg.- 
Lösung in das gesunde Auge dasselbe vor der neben ihm 
bestehenden großen Gefahr sicher zu behüten. Fränkel 
in Chemnitz hat darauf zuerst aufmeAsam gemacht. Er 
schrieb mir: „Ich habe wochenlang bei einseitiger Blen- 
norrhoe in das gesunde Auge täglich 2proc. Arg. getropft 
und davon nicht ein einziges Mal irgend welchen Schaden 
gesehen. Unter 27 Fällen waren 7 einseitig." Laqueur 
schützte so von 14 Augen 12 und Vossius wandte das 
Mittel in einem Falle an. Ich habe durch dasselbe in einem 
Jahre in 3 Fällen das zweite Auge bewahrt und niemals 
Schaden dadurch entstehen sehen; freilich darf man nur 
einen Tropfen Arg^ntum geben. 

7) Amtliche Meldung der Fälle. 

In Schlesien, Sachsen und Ungarn sind die Hebammen 
verpflichtet, dem Physikus jede Blennorrlioe zu melden. 

Allein nur Prof. Schulek in Budapest und Dr. Nobis 
in Chenmitz berichteten, daß ihiv 16 resp. 15 Fälle ge- 
meldet worden. Außerdem hatte eine Hebanmie einen der 
10 Fälle von Dr. Landsberg in Breslau und einen der 
18 Fälle von mir der Behörde angezeigt. Also von den 
mir mitgeteilten 1938 Blennorrliöen sind nur 33 von Heb- 
ammen amtlich gemeldet worden. 

Auf die Frage, wie viel Fälle (Kirch Aerzte angezeigt 
wurden, antwortete mir Dr. Niedon in Bochum: 6 von 24, 
Dr. Wallerstein in Clelsenkirchen: 3 von 5, Prof. v. Michel 
in Würzburg: 3 (von den übrigen 5 von Auswärts gekom- 
menen konnte er es nicht eriahren), Prof. Schulek hi Buda- 
pest: 1 von 17 und Prof. Pflüg er in Bern 13 von 26. 

Im Ganzen wurden also nur 26 Fälle von Aerzten 
amtlich gemeldet. 

8) Blenuorrhöen, welche trotz des Crede'scheu Tropfens 
entstanden waren. 

Auf die Frage: „In wie viel Fällen war sicher Crede's 
Tropfen eingegossen worden?'* antworteten 13 CoUegen mit 
einem Fragezeichen hin ihren 273 Fällen; 16 schrieben, daß 
in ihren 286 Fällen Crede bestimmt nicht angewendet 
worden. 



— 40 — 

Dagegen berichteten 

Fröhlich, daß unter 46 Blennorrhöen 3, 



H. Cohn, 


rt 


7) 


18 


J) 


1, 


Landsberg, 


n 


7) 


10 


71 


1, 


Günsburg, . 


T> 


T) 


6 


7) 


2, 


Sämisch, 


D 


J) 


5 


n 


1, 


Uhthoff, 


ji 


n 


7 


f) 


4, 


Schubert, 


7i 


7) 


16 


T) 


2, 


Rheindorf, 


rt 


rt 


8 


7) 


2, 


Laqueur, 


7) 


7) 


35 


7) 


4, 


V. Michel, 


7) 


7) 


8 


7) 


3, 


Bäuerlein, 


J) 


r) 


11 


n 


4, 


Borysikiewicz, 


f) 


f) 


7 


7) 


1, 


Topolanski, 


n 


7) 


134 


7) 


8 



Kinder vorkamen, denen wohl Crede's Tropfen gegeben 
worden sei, d. h. 36 Mal unter 310 Fällen bei 13 Aerzten. 
Das wären 12 pCt. Mißerfolge! 

Der Fall von Landsberg beweist freilich nichts, 
da die Hebamme nur Iproc. Lösung eingegossen hatte. 
Dagegen berichtet Herr Dr. Baumm, der jetzige Director 
der Hebammen-Lehranstalt in Breslau, daß eine Blennor- 
rhoe entstanden, obgleich Crede gegeben worden. 

Laqueur bemerkt bei seiner Antwort noch besonders, 
daß 2 Erkrankungen vor dem 6. Tage, 2 nach demselben 
trotz Crede eintraten. Michel berichtet mit Ausrufungs- 
zeichen, daß die 3 Fälle aus der Frauenklinik gekommen 
seien, und schreibt auf besondere Rückfrage, daß den 
Kindern dort von der Hebamme eingegossen worden und 
zugleich die Augen, sowie der Kopf erschien, abge- 
wischt wm'den.**) 

Bisher fehlten in der augenärztlichen Literatur der- 
artige Mitteilungen, und ich hatte dies sowohl in meinem 
Lehrbuch der Hygiene des Auges als bei der vorjährigen 
Discussion in der medic. Abteilung bei der Darlegung 
meines Standpunktes über die Crede'sche Prophylaxe be- 
sonders hervorgehoben. Ich bin in der That überrascht 
gewesen über die hier gemeldeten 36 Fälle von angeblicher 
Nutzlosigkeit des Crede 'sehen Tropfens. 

Die Gegner Crede's werden dieselben nun gewiß aus- 
nützen. Für mich beweisen sie nichts, da die Augenärzte, 
welche die FäUe verzeichnen, ja gar nicht bei der Ge- 

28) Auch einige andere Augenärzte berichteten auf nachträgliche 
Anfrage, dass in einzelnen Fällen Cred6*s Tropfen das Erscheinen der 
Blennorrhoe nicht gehindert habe, gaben aber keine Zahlen an, siehe 
unten im Capitel VIII. 



^ 41 — 

burt der Kinder zugegen waren und gar nicht 
wissen können, ob der Tropfen wirklich in's Auge 
gekommen oder nur über die Lider weggelaufen 
ist. Wie kann eine Medicin nützen, die nicht in den 
Magen kommt, sondern nur über die Lippen läuft?! 

Es kommt eben Alles auf das ^Wie" an. Wenn viele 
Tausende von Kindern durch richtige Befolgung der Crede- 
schen Vorschriften verschont bleiben und eine kleine An- 
zahl nur erkrankt, so liegt doch der Schluß nahe, daß die 
Methode in diesen Fällen eben nur schlecht ausgeführt 
worden ist. 

Wir wissen gar nicht, ob ein Student oder eine un- 

feübte Hebamme den Tropfen eingegossen hat. Gerade 
iese Fälle, wo trotz Crede die Blennorrhoe ausbricht, 
müßten im Einzelnen sorgfältig durchforscht werden, 
namentlich betr. der Geschicklichkeit dessen, der eingegossen 
hat. Aber darüber schweigen die Berichte. 



9) Blennorrhöen, die trotz des Abwischens der Angen 
nach der Geburt des Kopfes entstanden waren. 

Das Abwischen der Augen unmittelbar nach der Ge- 
Geburt des Kopfes ist keine neue Methode von Keilmann, 
sondern schon 1879 von Hausmann (Deutsche med. Woch. 
No. 35) empfohlen worden; er riet, dazu Iproctg. Carbol- 
säure zu verwenden. Im Jahre 1887 berichtete dann E. 
Cohn aus der Berliner Univ. -Klinik (Zeitschr. f. Geburt sh. 
u. Gynäk., Bd. 13, 2), daß, sobald der Kopf geboren war, 
die Augenlider mit einem reinem Handtuchzipfel trocken 
abgewischt wurden. Ahlfeld reinigte 1890 die Augenlider 
sofort nach der Geburt des Kopfes mittels frischen Wassers. 
(Zeitschr. f. Geburtsh. und GynäkoL, Bd. 14). Schon seit 
Jahren ist das Abwischen der Lider sofort nach der Ge- 
burt des Kopfes im preußischen Hebammenlehrbuch vorge- 
schrieben und neuerdings wieder als alleinige Prophylaxe von 
Küstner und Keilmann empfohlen worden. Daher habe 
ich auch die Frage nach diesem Verfahren an die Gol- 
legen gerichtet. 23 Aerzte machten ein Fragezeichen bei 
487 Fällen; 5 schrieben, daß bei ihren 62 Fällen das Ver- 
fahren bestimmt nicht ausgeführt wurde. 

Dagegen berichteten 16 Aerzte über Kinder, die trotz 
dieser Methode Blennorrhoe hatten. 



Fröhlich 


sah bei 46 Fällen 1, 


Nieden 


. « 24 „ 14, 


H, Cohn 


« n 18 V 2, 



— 42 — 



Günsburg sah 


bei 


5 Fällen 


3, 


Vossius „ 


T) 


6 


n 


5, 


Schirmer ^ 


ri 


3 


n 


1, 


Wilbrand „ 


T) 


21 


T) 


16, 


Uhthoff „ 


T) 


7 


n 


2, 


Rheindorf ^ 


,t 


8 


rt 


6, 


V. Michel „ 
Bäuerlein „ 
Borysikiewicz „ 
Klein 


n 
n 

77 


8 
11 

7 
15 


7) 


3, .4^ 

8, ' 

1, 

4, 


Schulek 


n 


17 


T) 


1, 


Fick 


n 


5 


77 


1, 



also bei 201 Fällen 68 Blenn. = 34 pCt.! 

Dasselbe, was oben über die Ausführung von Cred^'s 
Metho<le gesagt wurde, kaiui natürlich auch betreffs dieser 
in's Feld gefühlt werden. Wir wissen nicht, ob sie sorg- 
fältig genug gemacht worden. 

Dass hier aber die Mißerfolge 34 pCt. betragen, spricht 
nicht für größere Sicherheit und Leichtigkeit des Verfahrens 
gegenüber dem C rede 'sehen, nach welchem nur 12 pCt. 
notiit sind. 

Wir scliließen hiermit zunäclist die Ergebnisse aus den 
Zalilen unsrer Sammelforschung. Wir wenden uns jetzt, 
elie wir zu den Grutacliten der Augenärzte über die Ein- 
führung von Crede übergehen, zu den Ansichten, welche 
in der Literatur von den Frauenärzten über die Ver- 
hütung der Kranklieit mitgeteilt sind. Denn ihre Statistik 
ist ja von gi'ößtem Werte. 



V. Statistik der Geburtshelfer vor und nach 

Cred^. 

Bei der Debatte, die wir im vorigen Jahre über Blen- 
norrhoe hier liatten, erwälmte ich zunächst, daß ich keine 
Abnahme der Kranklieit in meiner poliklinischen Praxis in 
den letzten Jahren beobachtet habe; es blieben 12Voo» ähn- 
lich wie es Silex aus Schweigger's Klinik berichtet 
(Zeitschr. f. Geburtsh. u. Gynäk. 1894, Bd. 31, Heft 1). 
Das sei, meinte ich, um so traui-iger, als nach Haab's Zu- 
sammenstellu^ig <Cor?esp.-Bl. für Schweiz. Ae?ztc, Bd. 15, 
S. 7 und 28j in den Entbindungsanstalten vor Crede unter 

^*) Bei diesen wurde zugleich Ored^ angewendet. 



- 4ä - 

42000 Geburten 9 pCt., nach Crede unter 10000 Geburten 
nur 1 pCt, an Blennorrhoe erkrankten. 

Manche Geburtshelfer lühmen freilich das Auswaschen 
der Augen mit destillirtem Wasser; so hatte Abegg damit 
3 pCt., Kaltenbach sogar pCt., Cohn in Schröder's 
Klinik 2 pCt. Blennorrhoe. 

Betreffs der Reinigung mit desinficirendon Flüssig- 
keiten verwies icli auf eine zum Teil aus Fuchs' trefflichem 
Werke über die Verhütung der Blindheit entnommene Ta- 
belle, zu der ich noch die Zahl von v. Erdberg fügte. Da 
nach hatte: 

Olshausen bei Carbol (1 pCt.) . 80®/oo Blennorhoe, 
derselbe bei Carbol (2 pCt.) . . 30 Voo n 

Späth bei Carbol (1 pCt.) . . . U^oo 
Krukenberg bei Carbol (2 pCt). 134 «/^o n 

Schröder bei Sublimat . . 40—60 "/oo n 

derselbe bei Zincum sulfo-carb. . 30 7oo n 

V. Erdberg bei Sublimat (1 : 7000) 4 7oo **) „ 

Dem gegenüber hatte Crede in 3 Jahren bei 1160 Ge- 
burten nur l Fall von Blennorrhoe, also noch nicht 1 %o 
„und bei diesem einen Falle war im Drange der Ge- 
schäfte die Einspritzung vergessen worden", also in 
Wirklichkeit Voo- Späth, der finiher 190 %o, dann bei 
Carbol 14yoo sah, hatte mit Crede nur 7%o, Felsenreich 
statt 43Voo n«f 10 %o, Bayer statt 123^00 sogar %o, 
Krukenberg statt 134 ®/oo uur 1%q und Fnhrmann in 
Breslau O^/qo- 

Ich glaubte also, die Crede'sche Methode als die beste 
empfehlen zu sollen. — 

Dagegen behauptete Dr. Keilmann, seine Methode, die 
geschlossenen Lider bald nach der Geburt des Kopfes mit 
Jodtrichlorid abzuwisclien, habe in 500 Fällen Blennor- 
rhoe ergeben, überbiete also noch den Crede'sclien Tropfen. 
Nun hat aber im Januar d. J. Dr. Köstlin, welcher 
Assistent in der Fehling'schen Univei-sitäts- Frauenklinik 
in Halle ist, eine sehr umfangreiclie und gediegene Arbeit 
„Ueber den Wert der Crede'sclien Metliode und ihre all- 
gemeine Einfiiln-barkeit*' (Arch. f. Gynäkologie, B<1. 50, 
Heft 2) ei*sclieinen lassen, in der er gegen die Küstner- 
sclieu Schüler, die Herren Dr. Keilmann, Buchholz und 
V. Erdberg, sowohl betreffs ihrer Statistik als ihrer Vor- 
schläge energisch zu Felde zieht. 

Köstlin meint, daß „Keilmann so manche Hypothese 
als feststehende Thatsaclie bringt, auf welcher fußend er 



'^) Siebe N^eres ttber diese Zahl weiter unten 8. 53. 



— 44 — 



weiter baut**, und er ftihrt uns eine so gewaltige, aus den 
zerstreuten Quellen geschöpfte und unanfechtbare Statistik 
über die Blennorrhoe vor und nach Einführung der Crede- 
schen Methode vor, wie sie bisher nirgend existirte. — Es 
ist daher gewiß angezeigt, diese Tabelle hier abzudrucken, 
um so mehr, als das Arch. f. Gynäkologie sich nicht in den 
Händen vieler pmctischen Aerzte, sondern meist nur der 
Frauenärzte befindet, und da ja die Frage jeden Arzt in- 
teressiren muß. 

TabeUe VI 

(entnommon aus KOstlin's Aufsatz, woselbst auch die Quellenangaben 

fttr die einzelnen Zahlen zu finden). 
1) Statistik der Blennorrhoe Yor Einfahrung der Cred^'schen 

Methode. 



Zuhl der 




beobMbiaten 


ßlen. Voo 


Kinder 




2266 


100 


__ 


259 


— 


208 


— 


258 


2801 


186 


1106 


105 


1029 


154 


__ 


97 


— 


97 


— 


23Erkran- 




kungen 


— 


213 





200 




und mehr 


— 


125 


— 


500 


— 


etwa 70 


2191 


52 





23 





100 


1476 


117 





41 


— 


37 


1980 


61 


— 


420 


— 


etwa 224 





163 





218 


1212 


103 


— 


121 


1039 


185 


1092 


48 


290 


72 


260 


40 



Cred^, Leipzig 1874—1880 

Haase, Entoindungs-Institut der Kgl. sächs. chir.- 

med. Academie 1829 

Derselbe 1835 

Dresdener Entbindungs- Institut 1875 

Grenser, Dresden 

Osterloh, Dresden 

Winckel, Dresden 

Cohn, Berliner Frauenklinik, die letzten Jahre vor 

Cred^ 

Behm, Charit^ 1876-1880 

Derselbe 1881, die ersten 6 Wochen 

Charite 1836 

Hohl, Hallo 

Olshausen, Halle 1865-1869 

Bonn, Frauenklinik 1828—1834 

Krakenberg. Bonn vor 1881 

Ahlfeld, Marburg 1867-1882 

V. Hecker, München 1860-1881 

8chirmer, Erlangen 1877—1881 

Haidlcn, Stuttgart 1877—1880 

Hildebrandt, Königsberg 

Ca ro, Königsberg 1873— 1877 

V. Säxinger, Tübingen 

Beumer und Peiper, Greifswald 1858 . . . . 
Dieselben vor 1870 

1878-1880 

1880 
Dethlefsen, Kiel 1872—1882* .['.'.','. ! 

Schatz, Rostock 

Dyrenfurth, Breslauor Hebammen- Anstalt 1879 . 

Königsteiri, Wien 1881 

C. Braun, Wien 1879 

Derselbe 



- 46 — 



Zahl der 

beobachte tan 

Kinder 



Blemi.o/o< 



Karafiath, Budapest 1881—1883 .... 

Konr&d, Großwardeln bis 1881 

Valenta, Laibach 1858^1880 

Artemieff, Tiflis 1873—1883 

Mendes de Leon, Amsterdam 1860er Jahre 
Schönberg, Christiania 1876—1882 . . . 



1025 



43 

60—100 

34 

29 
30—63 
40-190 



2) Statistik der Blennorrhoe nach Einfahrung der Cred^'schen 

Methode. 

Cred6, Leipzig 

Zweifel, Leipzig 

Leopold und Wessel, Dresden 

Dieselben 



Bröse, Berliner Frauenklinik . . , . 

Gusserow, Charit6 

Hammerich, Charit^ 

Haidler, Stuttgarter Hebammenschule 
Bayer, Stuttgarter Hebammenschule . 

Krukenberg, Bonn 

Kaltenbach 

Feis, Gottingen 

Caro, Königsberg 

Beumer und Peiper, Oreifswald . . 

Dieselben 

Karafiath, Budapest 

Königstein, Wien 

Felsenreich, Wien 

Derselbe 

Konr&d, Großwardein 

Artemieff, Tiflis 

Derselbe 

Mendes de Leon, Amsterdam . . . 

Budin, Charit^, Paris 

Riviftre, Bordeaux 

Vinay, Lyon 

Oarignes, New-York 

Charles, Lattich 

Fehling, Basel 

Fehling, HaUe 



Außerdem : 



V. Heck er, München (l pCt. Argentum) . . . . 

Schmitt und Weckbecker, MOnchener Kreis- 

und Lokal-Geb&ranstalt (1 pCt. Argentum) . . 

V. S&xinger, Tflbingen 

Fuhrmann, Breslauer Hebammenanstalt . . . . 
Firn ig, Kölner Hebammenanstalt 



24724 



133 

1090 
? 
? 

? 



1160 


0,8-1,7 


1724 


2 


1002 


6,9 


522 





1100 





460 


15 


1110 


4,5 


1007 


3,9 


978 


1 


361 





703 


6,6 


234 


8,5 


452 





1254 


14 


109 


17 


107 


19 


130 


0-7,2 


1300 


10 knapp 


500 


4 


8000 


19 


714 


1,4 


153 


6 


204 


3 


870 


8 


675 


1,5 


403 


5 


400 





851 





377 


2,6 


3002 


1,9 


361 


8,3 



6,50/« 



30 

18 






^ 46 — 



3) Statistik der Blennorrhoe bei prophylactiscber Anwendang 
anderer Mittel. 



Zahl der 

beobMhUtan 

Kinder 



Blenn.7o( 



A. Carbol statt Argentum. 

Olshausen, Halle 

Köuigstein, Wien 

Krukenberg, Bonn 

Fuhrmann, Breslau 



V^alenta, Laibach 

Hubbauer, Innsbruck 

Uppenkamp und Olshausen hatten schlechte 
Resultate. 

B. Sublimat statt Argentum. 
St ratz, Berliner Frauenklinik (l®/oo Sublimat) . . 

Derselbe (0,2«/oo Sublimat) 

Fritsch, Breslau 

Ahlffeld, Marburg (0,1^00 SuWimat) 

Derselbe {0,2^i^ Sublimat) 

n (0,3»/oo Sublimat) 

V. Erdberg, Dorpat (Sublimat 
trichlorid 1 : 4000) .... 



1 : 7000 oder Jod- 



C. Steriles Wasser statt Argentum. 

Abegg, Danzig 

Schirmer, Erlangen 

Qrttnewald, Petersburg 

Kaltenbach, Halle (bei Verdacht Argentum) . 
Derselbe (bei Verdacht Argentum) . . . . 



Ahlfeld, Marburg (bei Verdacht Argentum) 
Derselbe 



Cohn, Berliner Frauenklinik 

Derselbe . . ' 

Korn, Dresden 

Derselbe 

Caro, Königsberg .... 
Sutugin, Moskau .... 
Hofmeier, Wttrzburg . . 



Mermann, Mannheim 

Derselbe 

RiviÄre 



D. Jodtrichlorid statt Argentum. 
Buchholz, Dorpat 1. 4. 1892-1. 4. 1898 . 
Keil mann, Dorpat und Breslau (1895) . . 



1541 

82 

? 



965 
460 
486 



450 

2266 

50 
485 

? 

85 
330 

? 



200 

658 

1000 

95 

? 

354 



400 

200 

35 

201 
500 



*«) Bedeutet die Zahl der Conjunctividen. 

3^) Diese Zahl ist zu niedrig, siehe weiter unten S. 53. 

2») Siehe meine Bemerkungen weiter unten S. 49—51. 



86—88 

20 

184 

1 

Erkrank mag 

16 • 

6—31 



6 
4,3 

4(?) 
6,1 (»2«) 
4,5 (4«») 

i8«») 

4,3") 

30 

5 
16 



11 [2^ 
0(3««) 
0(32«) 
3 
Erkrankung. 
hinUr- 
einaader 
40 
19 
7 
60 

2,9 
2,8 
eine sohwere 
Hornbaut- 
affection 
2,5 
10 
170 



10 
14») 



— 47 — 

Da (He Methoden, statt Argeiitiim lieber Salicylsäure, 
Zincum sulfocarbol. , Jodofonn, /J-Xaphthol, Cliloi-wasser, 
übermangansaures Kali, Resorcin oder TluTnol zu nehmen, 
bald verlassen wurden, lolnite es sicli nicht, ei-st Statistiken 
darüber anzuführen. 

Dagegen hat Köstlin das Carbol, den Sublimat, das 
sterile Wasser und das Jodtrichlorid in der Tabelle genau 
berücksichtigt. 

Der ungeheui'e Nutzen, der durch Cred^'s henliche Ent- 
deckung gegenüber der Kranklieitsziffer vor ihm entstanden, 
ist Jodermann einleuchtend und wird auch nicht bestritten. 

Stieler in München sagt treflfend: „Was Liste r und 
seine Antisepsis fiir den Chinu-gen geworden, das wurde 
der verdienstvolle und unvergeßliche Geburtshelfer Crede 
den aimen, durcli Erblindung gefährdeten Neugeborenen." 
Dem stimme ich völlig bei und meine, das Ve"rfahren vei-- 
tlient wohl, daß es in Zukunft zur bleibenden, ehrenden 
Emmerung an seinen trefflichen Entdecker „Credeisiren** 
genannt wird; ich werde mich wenigstens dieses Verbums 
bedienen und hoffe, daß es fortan in der Litteratur ge- 
braucht werden wml. 

Manche Geburtshelfer wollten nur noch Besseres 
leisten und versuchten andere Flüssigkeiten, zumal sie vor 
den vorübergehenden Reizungen, welche das Argentum auf 
der Bindehaut veiiirsachte, zurückschmken. 

Allen Statistiken, mit Ausnalmie der Crede'schen, haf- 
tet, wie wir Köstlin geni zustimmen, zunächst der Fehler 
an, daß die Zalilen viel zu klein sind. 

Ferner ist die Trennung wirklich nachgewiesener gonor- 
rhoischer Bindehautentzündung von der nicht gonoiThoi- 
schen nicht überall durchgeföhii;. 

In Köstlin's Aufsatz wird die Statistik von Mer- 
mann, Bröse, Ahlfeld, Caro, Kaltenbach, Nebel, 
Brisken und Stratz einer scharfen Kritik unterzogen, auf 
welche hier einzugehen zu weit führen würde. 

Die Resultate mit Carb Ölsäure sind jedenfalls ganz 
schlecht. 

Was den Sublimat betrifft, so sind die Zahlen noch 
zu klein; auch sind Mißerfolge von Widmark, Fleisch- 
hauer und Olshausen gemeldet. Köstlin findet auch, 
daß dabei, wie bei der Anwendung des sterilen Wassers, 
mehr einfache Catarrhe vorkamen. So hatte Stratz 
bei 460 Kindern 4%o Blennorrhöen , aber ll®/oo Catarrhe 
und 183®/o0 Reizerscheinungen. Ahlfeld fand, als er Subli- 
mat anwendete, jäln*lich 2 — 8 Catairhe, finiher nur 1 — 2. 
Auch bei der Durchsicht der Krankenbüolier der Hallenser 



— 48 — 

Frauenklinik aus dem Jahre 1888, wo Kaltenbach Director 
war, fand Köstlin neben 6 Blennorrhöen 20 Oonjunctivi- 
tiden verzeichnet. 

Beim einfachen Auswaschen mit Wasser hat Hofmeier 
sogar einmal schwere Homhauterkrankungen auftreten sehen. 

Auch Kaltenbac h ließ übrigens nach Crede behandeln, 
wenn prophylactische Sublimatausspülungen der Scheide 
nicht mehr ausgeführt werden konnten. Jetzt werden 
letztere wohl allgemein als unzweckmäßig erachtet. 

Am schärfsten aber kritisirt Köstlin die statistischen 
Arbeiten aus der Küstner'schen Klinik. Er sagt wörtlich: 

„Was das Jodtrichlorid anbelangt, so leidet das- 
selbe vor Allem an dem Fehler, daß es noch in viel zu 
wenig Fällen erprobt ist, so daß Keilmann noch keines- 
wegs dazu berechtigt ist, dasselbe statt des Argentum 
zu empfelilen. Außerdem geht die Küstner 'sehe Klinik 
von dem Gnmdsatze aus, daß jede nach dem fänften Tage 
auftretende Blennorrhoe erst im Wochenbett erworben 
sei und somit nicht der Prophylaxe zur Last falle, während 
in Wirklichkeit, wenn man die sogenannten Primär- 
und Secundär-Infectionen zusammenzählt *•), die Küst- 
ner'schen Resultate einen Vergleich mit anderen 
nicht auszuhalten vermögen." 

„Denn wenn auch," sagt Köstlin, „das eine Kind im- 
mittelbar nach dem Eintritt der Mutter in die Anstalt ge- 
boren wurde, so daß prophylactische Maßnahmen erst rela- 
tiv spät vorgenonmien werden konnten, so fällt diese 
Erkrankung eben doch seiner Methode zur Last, 
und auch die 6 Kinder, welche erst nach dem 7. Tage er- 
krankten, muß er aus unten zu erörternden Gründen hin- 
zurechnen, so daß er dann auf 600 Kinder sieben Er- 
krankungen bekommt. ** 

Nach dieser Feststellung Seitens eines Gynäkologen 
erinnere ich an die Sitzung unserer Gesellschaft am 1. Fe- 
bruar 1896, in welcher ich aufgefordert wurde, unter meine 
oben S. 43 mitgeteilte Tabelle „Mit destillirtem Wasser 
hatten Abegg 3, Kaltenbach und E. Cohn bei Schrö- 
der 2 pCt. Blennorrhoe" noch bald hinzuzuftigen: „Auch 
Keilmann pCt.". Ich that dies leider daD(ials. 

Ich schließe mich aber jetzt der begründeten Ansicht 
Köstlin's an, daß auch die secundären Fälle der Me- 
thode von Keilmann indirect zur Last fallen. Freilich 
gehe ich nicht soweit als Köstlin. Dieser meint nämlich, 
Keilmann müsse, da sieben von seinen 600 Fällen Blen- 
norrhoe zeigten, statt %o richtig 14®/oo Blennorrhoe nach 

») Vgl. auch unten Cap. VI. 



— 49 — 

seiner Methode berechnen. Das ist aber nicht ganz rich- 
tig. Denn Keilmann sagt S. 13: „Das eine Kind kam drei 
Tage nach der Geburt erst in die Anstalt und zeigte bereits 
Schwellung der Conjunctiven; das zweite Kind wurde un- 
mittelbar nach Eintritt der Mutter in's Haus ge- 
boren, ehe sie auf das Kreissbett gebracht werden konnte." 

Im 2. Falle hätte gewiß durch Cred^isiren das Auge 
bewahrt werden können, da ja unmittelbar nach der Ge- 
burt das Kind in die Anstalt kam. Aber im 1. Falle hätte 
auch C rede 's Methode nichts genützt, da das Kind, schon 
3 Tage alt, aufgenommen wurde. Daher fallen der Keil- 
mann 'sehen Methode, d. h. der Unterlassung der Cred^isi- 
rung, indirect nur diejenigen Fälle zur Last, welche Blen- 
norrhoe erhielten durch üebertragung von dem Bande, das 
unmittelbar nach Eintritt der Mutter in's Haus kam. (Wir 
wollen es Kind B. nennen.) ^Aus dem Referate Keilmann 's 
ist aber nicht zu einsehen, ob von diesem Kinde B. oder 
von dem anderen, schon 3 Tage vor der Aufnahme gebo- 
renen (wir wollen es Kind A. nennen) 4 andere Kinder an- 
gesteckt wurden. 

Keilmann sagt nämlich (S. 16): „Der Ausgangspunkt 
der Erkrankung (bei der einen Epidemie) war das eine 
(welches??) der oben erwähnten, prophylactisch gar nicht 
behandelten Kinder, in dessen nächster Nachbarschaft 
sich jene Kinder befanden." 

Später (S. 15) sagt Keilmann nur: „Die zweite Ginippe 
wird von 2 benachbarten Kindern gebildet, die im Sep- 
tember am 7. und 9. Lebenstage gleichzeitig erkrankten. 
Bei der Mutter des einen ist nachträglich Gonorrhoe 
nachgewiesen worden. ** Ob nun der Ausgangspunkt dieser 
2. Epidemie der oben angeführte 2. Fall B. war, der bald 
nach der Geburt aufgenommen wurde, oder nicht, ist leider 
nicht zu ersehen. 

Und doch ist eine scharfe Detailkritik der aus Küst- 
ner's Klinik veröffentlichten Statistiken ganz unerläßlich, 
da diese ja die Cred^'sche Methode durch etwas angeb- 
lich noch Besseres verdi'ängen wollen. Daher seien fol- 
gende Berechnungen gestattet. 

Rühii-e die erste Epidemie von Kind A. her, so fällt, 
wie oben schon gesagt, der Fall A. ganz fort, da hier 
am 3. Tage auch C rede's Verfahren nicht geschützt hätte. 
Daß dieser Fall A. zur Ansteckung von 4 resp. 2 Kin- 
deni gefiilirt hat, ist dem Mangel an Isolirung zur Last 
zu legen, worüber ich Näheres im nächsten Capitel mit- 
teilen werde. 

Rührte aber die erste Epidemie (4 Ansteckungen) von 

4 



— 50 - 

Kind B. her, so ist sie eine Folge der Unterlassung des 
Credeisirens; diese Fälle würden also, wenn man die durch 
üebertragung erkrankten Kinder mitzählt, als Blennorrhoe 
in Rechnung zu setzen sein, d. h. 5 Blennorrhöen auf 600 
Fälle = 10 %o statt 0%o. 

Rührte die zweite Epidemie von Kind A. her, so wür- 
den diese 2 Fälle nicht zu reclmen sein; rührte sie von 
Band B. her, so würde dieses und, wenn man die durch 
üebertragung erkrankten Kinder mitzählte, die 2 von ihm 
angesteckten Kinder, also 3 Blennorrhöen auf 500 = 6%0 
statt 0%o anzufahren sein. 

Betrachtet man aber bei beiden Epidemien den Mangel 
an Isoliiiing als Ursache der Ansteckungen, so fiült nur 
1 Blennorrhoe dem Mangel an Credeisirung zur Last 
= 2%o. 

Leider hat Keilmann nicht klar und deutlich ange- 
geben, wie es für eine, alle anderen Methoden übertreffen 
sollende kritische Statistik wünschenswert gewesen wäre: 
„Kind A. kam am 3. Tage; von ihm wurden 4 resp. 2 Kin- 
der angesteckt; Blind B. kam gleich nach der Geburt; von 
ihm wurden 4 resp. 2 Kinder angesteckt. ** 

Man ist hier bei der Lecture nur auf Vermutungen an- 
gewiesen. Ja, es ist sogar möglich, daß die zweite Epi- 
demie gar nicht mit Fall A. und B. zusammenhängt, son- 
dern ganz unabhängig von diesen eintrat. Aus der Arbeit 
von Keilmann ist dies eben nicht klar zu ersehen. 

Sind diese beiden Fälle der 2. Epidemie, wir wollen 
sie C. und D. nennen, ohne Zusammenhang mit A. und B. 
entstanden, so kömite man fi*eilioh sagen, es seien zwar 
benachbarte Bänder gewesen und „bei der Mutter des 
einen ist nachträglich Gonorrhoe nachgewiesen wor- 
den ;** allein es wäre ja denkbar, daß die Kinder, da sie erst 
am 7. und 9. Lebenstage gleiclizeitig erkrankten, erat lange 
nach der Geburt angesteckt wonlen seien. 

Fall C. und D. kämen dann nicht in Rechnung. Wir 
können das nach dem vorliegenden Referate nicht ent- 
seliei<len, glauben aber doch, daß Keilmann Fall C. oder 
D., in dem Gonorrhoe der Mutter nachträglich nach- 
gewiesen wurde, auch nachträglich als verhütbare Blen- 
nonhoe auffaßt. Es wäre sonst nicht verständlich, warum 
er am Ende seines Aufsatzes sagt: „Die glänzenden Resul- 
tate, die die Crede'sche Prophylaxe en-eicht hat, indem 
der Procentsatz von 25, ja sogar von 50 auf 0,79 herab- 
gesetzt ist, ist durch unser Verfalu'en noch übertroffen, 
was sich in einem Procentsatz von etwa 0,2 ausspricht.*^ 

Woher kämen sonst diese 2 %^ ? In der Sitzung am 



— 61 — 

25. Januar 1896 hat Keilmann besonders betont, er habe 
0%o; im gedruckten Referate sind es S^/op- Wenn er jetzt 
Fall C. oder D. als Blennorrhoe, die seiner Methode zur 
Last flQlt, rechnet, so wäre dies 1 :500, d. h. eben 2Voo' 

Aber wenn wir auch so milde als möglich iui:eilen, 
das steht fest: Wäre das Kind B., welches gleich nach der 
Geburt in's Haus kam, credeisirt worden, so wäre es von 
Blennorrhoe freigeblieben; dieser Fall fällt also Keilmann's 
Methode zur Last; einen anderen rechnet er ja jetzt selbst, 
so daß mindestens 2 FäUe Blennorrhoe auf 600 =: 4 auf's 
Tausend kommen, d. h. die Keilmann'schen [Resultate 
stehen hinter den Cred6 'sehen, die bei 10 Aerzten mit Null 
figiuiren, wohl zurück. (Siehe Tabelle VI und unten S. 90.) 
Dabei habe ich die durch Ansteckung von Band auf Kind 
übertragenen Fälle gar nicht hier hinzugezählt, abweichend 
von Köstlin, der das wohl thut und der nicht 4, sondern 
14%Q Blennorrhoe bei den Keilmann'schen Verfahren her- 
ausrechnet. 

Der Keilmann'schen Statistik wirft Köstlin femer 
vor, daß sie einen Fall als Catarrh bringt, bei dem keine 
öonococcen gefunden wurden. Bekanntlich läßt die bac- 
teriologische Untersuchung zuweilen im Stich; sind Gh)no- 
coccen da, so zweifelt Niemand an Gonorrhoe; werden sie 
bei ein- oder zweimaliger Untersuchung nicht gefimden, 
so ist damit noch nicht bewiesen, daß es nicht doch Gonor- 
rhoe sei. Nun aber sagt Keilmann: |,Ein ftlnfbes Kind 
bekam in derselben Zeit und in demselben Saale eine Con- 
junctivitis, die ich deshalb nicht filr gonorrhoisch halte, 
weil alle Erscheinungen wieder in wenigen Tagen ge- 
schwunden waren. Gonococcen habe ich in diesem Falle 
nicht gefunden, was ich jedoch bei nur einmaliger Unter- 
suchung auch von zwei anderen Fällen constatiren muß, 
ohne daß deshalb das klinische Bild Zweifel aufkommen 
ließ.** Köstlin erwidert darauf: „Es wäre doch wxmder- 
bar, wenn er sonst keine Conjunctivitiden hat und jetzt 
oine solche zugleich mit mehreren Blennorrhöen sieht und 
einfach deswegen, weil die Augen in einigen Tagen ab- 
heilten, die Diagnose Blennorrhoe verwirft. — Li vielen 
anderen Fällen habe ich auch verzeichnet gefimden: keine 
Gonococcen, also keine Blennorrhoe. Und so mag wohl 
auch manche Blennorrhoe aus Angst, die Statistik 
zu verderben, auf Grund einiger weniger negativ aus- 
gefallener bacteriologischer Untersuchungen als Conjunc- 
tivitis laufen.** 

Auch darin kann man Köstlin beipflichten, daß es ja 
leichte Blennorrhöen geben könne, die mehr unter dem 

4* 



— 52 — 

Bilde des Catarrhs verlaufen, wenn die Coccen weniger 
virulent und in so kleiner Zahl vorhanden sind, daß sie in 
den wenigen Präparaten nicht zum Vorschein kommen. 
Verschiedene Glrade der Virulenz giebt es ja auch bei an- 
deren Infectionskrankheiten. 

Dann wendet sich Köstlin gegen die Statistik von 
Buchholz, eines anderen Schülers von Küstner. Er sagt: 
^Und wenn Buchholz'®) (Ueber ein Lustiimi klinischer 
Geburtshülfe. Dissertat. Dorpat 1893) aus Dorpat über 
201 Kinder berichtet, unter denen er nur einen zweifelhaften 
Fall rechnet, während er einen anderen sicher constatirten, 
am 7. Tage aufgetretenen nicht mitrechnet, so ist dies 
eben falsch; er hat nicht 6 sondern 10 %© Erkrankungen." 

Endlich greift Köstlin die Statistik von v. Erdberg, 
eines dritten Assistenten Küstner's, scharf an. 

Er sagt: „Ebenso hat v. Erdberg (Zur Prophylaxe der 
Blenn. neon. im Kreißbett. Dissertat. Doi-pat 1892) fälsch- 
licher Weise eine Spätinfection vernachlässigt; außerdem 
hat er eine viel zu kleine Zalil von Kindern mit Jodtri- 
chlorid behandelt, als daß er den Wert desselben beui*teilen 
könnte. Sein Ausspi-uch, „daß nach den Erfahrungen in 
den letzten 10 Jalu-en und nach den Fortschritten in der 
wissenschaftliclien Erkennt is der in Betracht kommenden 
Krankheit „„das Crede'sche Verfahren als veraltet"^ 
zu bezeichnen sei, und daß an seiner Stelle den wissenschaft- 
lichen Anfordeiiingen mehr genügende und voll zweckent- 
sprechende Methoden anwendbar seien" *^), ist deshalb auch 
zum mindesten sehr gewagt, ziunal wenn man sieht, 
daß 1889 — 1892 bei 468 Kindern vier verschiedene Me- 
thoden, ei*st ausgekoclites Wasser, dann Sublimat 1 : 7000, 
dami Chlorwasser und zum Schluß Jodtriclilorid zur Ver- 
wendung kamen." 

Im Anschluß an diese Bemerkung Köstlin's über 
V. Erdberg muß ich ei-wähnen, daß ich bei der Debatte 
im vorigen Jalu-e bei einer Zusammenstellung der Eesultate 
(siehe oben S. 43) v. Erdberg irrtümlich mit 4 pCt. Bleq^ 
norrhöen angeschrieben hatte, da mir seine Dissertation 
damals niclit zm* Hand war und ich aus dem Vortrage des 
Herrn Dr. Keilmann entschuldbarer Weise 4 pCt. statt 
0,4 pCt. veratanden zu haben glaubte. 

Bei der Debatte wurde mir damals entgegengehalten, 

•*) Die Dissertation von Buchholz habe ich nicht gesehen; ich 
citire hier nur nach Köstlin. 

'*) In der Dissertation von v. Erdberg S. 51 steht noch dahinter: 
^insbesondere gilt dieses ftlr die Anwendung der von Kaltenbach, 
Kästner und Anderen in praxi vertretenen Principien.** 



— 53 — 

(laß V. Erdberg nicht 4 pCt. sondern 4 %© Blennorrhöen 
mitgeteilt habe. Daraufhin beeilte ich mich sofort, diese an- 
geblich falsche Zalü in 4®/oo zu berichtigen, habe dies sogar 
leider m einer Note im gedruckten Sitzungsberichte unserer 
Gesellschaft noch besonders bemerkt. (Vgl. Jahresb. d. 
schles. Gesellsch. für 1895, Med. Section Seite 22.) 

Nacli der Zusammenstellung von Köstlin ist jedoch 
V. Erdberg's Zald 4 %o falsch, letzterer hatte unter 468 
Geburten nicht 2 sondern 3 Blennorrhöen, d. h. 7 %o. 

V. Erdberg sagt nämlich (Dissei*t. S. 43): „Außerdem 
findet sich eine Spätinfection im August 1891 notirt, und zwar 
hat hier erwiesener Maßen eine Uebertragung von Fall 
zwei stattgefunden.'* Hätte nun v. Erdberg den zweiten 
Fall nach Crede beliandelt statt mit Sublimatlösung, so 
hätte Fall 2 keine Blennorrhoe bekommen und die Krank- 
lieit nicht auf Fall 3 übei-tragen können. Da ich aber sehr 
milde ui-teilen will, und niclit weiß, durcli welches Versehen 
diese „ei-wiesene" Uebei-tragiuig stattgefunden, so trete ich 
auch hierin Köstlin nicht bei und rechne diesen Fall 
nicht mit. 

Aber ich finde jetzt bei genauem Studium der Disser- 
tation von V. Erdberg (Seite 42) Folgendes: „Außerdem 
habe ich bei Durchsicht der Journale noch 14 Catarrhe 
verzeiclniet gefunden, die alle sehr leicht waren und unter 
Anwendung von kalten Compressen oder Eingiessung leicliter 
Adstringentien in wenigen Tagen völlig ziun Schwinden 
gebraclit waren. 

Nur in einem Falle war die eitrige Socretion eine 
etwas heftigere, und mußten einige Beizungen mit 
einer Lapislösung vorgenommen werden, doch heilte 
auch dieser in 6 Tagen ^ 

Diese eitrige Secretion war doch kein „sehr leichter 
Catarrh", sondeni ganz sicher Blennorrhoe; also hatte 
v. Erdberg drei Fälle auf 458 =z 7 ®/oo, selbst wenn ich 
den vom zweiten Fall übertragenen gar nicht mitrechne. 

Es war daher unriclitig von mii-, auf Wunsch des Herrn 
Prof. Küstner bei v. Erdberg 4%o statt 4 pCt. anzu- 
sclireiben; er liatte 7 7oo- 

Ueber Gonokokken-Befunde bringt <lie Dissertation von 
v. Erdborg nichts; es könnte also Niemand beweisen, daß 
die oben als leiclitere Catarrhe bezeiclmoten 13 Fälle 
nicht aucli leiclitere Gonorrhöen waren. In diesem Falle 
wären auf 458 Geburten also 1 6 Blennorrhöen gekommen ; 
— siclier aber waren 16 Bindehaut-Erkrankungen bei 
Dr. V. Erdberg da, das heißt 35 %o, eine recht beträcht- 
liche Zahl. 



— 54 - 

Man sieht also, daß alle Statistiken, welche die drei 
Schüler Küstner's veröflfentlicht haben, unrichtig sind. 

1) Keilmann berechnete zuerst 0, dann 2 \^; ich 
finde aber mindestens 4, wahrscheinlich 6 — 10%»; Köstlin 
berechnet sogar 14 %q. 

2) Buchholz veröflfentlichte 5 *^/oo, Köstlin berechnet 
dagegen 10 %o- 

3) V. Erdberg veröflfentlichte 4 %0, Köstlin und ich 
berechnen dagegen 7 Voo« 

Aber wenn wir sogar zugeben, daß Keilmann, wie er 
selbst sagt, nur 2 Voo Verluste hatte, selbst dann wäre 
Herr Prof. Küstner nicht berechtigt gewesen, bei der 
Debatte am 1. Februar 1895 (Jahresb. der schles. Gesellsch. 
S. 33) zu behaupten, „dass die an seiner Klinik erzielten, 
von Dr. Keilmann berichteten Erfolge nie ftbertroifen^ 
meist bei Weitem nicht erreicht seien/^ 

Denn, wie man aus Tab. VI und imten aus Cap. IX, S. 90 
ersieht, haben 10 Frauenärzte: Leopold, Wessel, Bayer, 
Peis, Vinay, Garignes, v. Säxinger, Fuhrmann, Fir- 
nig und Fritsch bei weit über 3000 Geburten nicht wie 
Keilmann 2%oj sondern Null Blennorrhöen mit Crede's 
Verfahren erzielt, haben also Küstner's Ei-folge bei Weitem 
übertroffen. 

Diese in's Detail gehende BIritik der Statistik der 
Küstn er 'sehen Schüler war nötig, um zu zeigen, daß auch 
sie nicht berechtigt waren, die Crede'sche Methode 
für veraltet zu erklären und die ihrige statt derselben 
zu empfehlen. 

Mit vollem Rechte sagt daher aucli Köstlin: „Man 
muß auch jetzt noch sagen, daß der Höllenstein bisher 
immer noch das sicherste Prophylacticum gegen Blen- 
norrhoe ist.** 



VL Die Secundär-Infectionen. 

Wir haben schon im vorigen Capitel mitgeteilt, daß 
die Küstner'schen Schüler jede Blennorrlioe, die nach dem 
fünften Tage auftritt, als eine secundäre, d. h. nicht durch 
den Geburtsact hervorgerufene betrachten. 

Das ist aber ganz gewiß nicht richtig. Natürlicli könnte 
einmal eine Mutter mit ihrem gonokokkenhaltigen Lochial- 
secrete sicli später selbst eipe Augenblennorrhoe beibringen; 
sie kommt ja mit ihren schmutzigen Fingern viel eher an ihr 
eignes Auge, als an das ihres Kindes; und die Conjunctiva 
des Erwachsenen ist mindestens ebenso empfänglich 



— BB — 

fiir Gonokokken, als die der Kinder. Solche Fälle aber 
sind mir nicht bekannt. 

Es könnte auch einmal eine Mutter das Kind, das bei 
ihr im Bett liegt, mit ilirer Gonorrhoe iuflciren. Die Mög- 
lichkeit läßt sich gewiß nicht leugnen; aber der Nachweis 
wird wohl schwer gelingen. 

Dafi;egen smd massenliaft Epidemien in Entbindmigs- 
anstalten in frülieren Zeiten durch schmutzige Wärterinnen, 
gemeinsames Badewasser, Wäsche, Utensilien u. s. f. nach- 
gewiesenermaßen entstanden. Auch Keilmann berichtete 
über eine solche Epidemie in der Breslauer Frauenklinik. 

Wie es alle Hygieniker sagen, so sagt auch v. Erd- 
berg pag. 49 in seiner Dissertation sehr richtig: „Li welcher 
Weise wir der Gefahr der Spätinfectionen am sichersten 
entgegentreten, damber dürften die Ansichten der einzelnen 
Autoren wohl kaum mehr differiren. Es handelt sich hier 
einfach danun, die Bemhrung des kindlichen Auges mit 
dem etwa gonokokkenhaltigen Locliialsecret der Mutter 
auf 's Sorgsamste zu vermeiden. Gut geschultes Warte- 
personal und vor allen Dingen tlie peinlichste Sauber- 
keit in der Pflege sind die Giomdprincipien , nach denen 
die prophylactischen Maßregeln, (lie Spätinfectionen be- 
treffend, einzurichten sind. Natürlich sind etwa voikom- 
mende Fälle von Blennonhoe zu isoliren imd einer ge- 
sonderten Pflege zu unterziehen. ** 

Diesen gesunden Gimidsätzen gegenüber mußte es mich 
befremden, daß Herr Dr. Keilmann im vorigen Jalire auf 
meine Anfi'age, ob denn die bleiuiorrhoischen Kinder in 
der Frauenklinik isolirt worden seien, mit Nein antwortete. 

Nuimielir liegt das gedruckte Selbstreferat seines Vor- 
trages im Berichte der schles. Gesellschaft vor und in dem- 
selben heißt es (S. 15): „Allein zuverlässig wäre die Iso- 
lii-ung des Kindes von der sdunutzigen Mutter in Hinsiclit 
des Kaumes und des Pei^sonals; das ist aber ganz unmög- 
lich in Fällen, in denen die Mutter ihr Kind stillt; in allen 
anderen Fällen ist es schwer. So habe ich denn 
zwei Epidemien zu beklagen, deren eine vier Kinder 
betraf, während die andere auf zwei Kinder besclnänkt 
blieb.** 

Gewiß kann man die Mutter, wenn sie das Kind stillt, 
nicht von ihm ti'ennen, und auch darin pfliclite icli Keil- 
mann bei, daß man einer wirklichen Spätinfection bei einer 
schmutzigen Mutter ganz machtlos, auch dm'ch Crede's 
Verfahren gegenüber steht. 

Aber daß man bei Blennorrhoe die Mutter mit dem 
Kinde in einen besonderen Raum und in besondere Pflege 



— 66 — 

bringt, mnss in jeder Anstalt möglich sein. Warum das 
schwer sein soU, verstehe ich nicht. Lefort hat im Pariser 
Kinderhospiz diese Trennung durchgeführt und, wie Fuchs 
erzählt, die Krankheit dadurch fast zum Verschwinden ge- 
bracht. Keilmann hätte die eine Epidemie eben nicht zu 
beklagen gehabt, wenn die Mutter, welche drei Tage nach 
der Geburt in die Klinik kam, mit ihrem Kinde nicht in 
den gemeinsamen Saal, sondern in ein Isolirzimmer 
gebracht worden wäre. Und das wäre zweifellos um so 
mehr Pflicht gewesen, da er ja selbst S. 13. schreibt: „das 
Kind habe bereits Schwellung der Conjunctiven ge- 
zeigt." (!) Natürlich kann er sich dann nicht wundem, wenn 
„in dessen nächster Nachbarschaft" (S. 15) andere 
Kinder erkrankten. Ob vier oder zwei Kinder angesteckt 
wurden, ist nicht ersichtlich, da Keilmann, wie schon oben 
gesagt, nicht mitteilt, von welchem der beiden prophylactisch 
gar nicht behandelten Kinder vier, von welchem zwei andere 
angesteckt wurden. 

Anders liegt die Frage, ob denn eine Reihe von Blen- 
norrhöen, die nach dem 5. Tage auftreten, nicht doch 
ihren Ursprung in der Scheide der Mutter haben. 

Köstlin macht darauf aufmerksam, daß die blennorrhoi- 
schen Kinder fast alle in Kopflage geboren wurden, und 
daß die sogen. Spätinfectionen durch die abgeschwächte 
Wachstumsenergie derBacterien erklärt werden könne, da 
ja der Gonococcus ein sehr empfindlicher Coccus sei, der ab- 
hängig vom Nährboden ist und leicht durch kleine Schädlich- 
keiten in seinem Wachstum gestört wird. Bei den sogen. Pri- 
mär- Affectionen finden sie günstigen Boden, können sich gut 
und schnell entwickeln, in den Secundär- Affectionen sind 
sie schon in der Scheide unter wenig zusagenden Verhält- 
nissen gewesen oder durch Desinfectionsmittel abgeschwächt 
worden, oder sie können sich auf der Bindehaut nur lang- 
sam erholen. Auch beim Tripper in der Harnröhre giebt 
es oft eine längere Incubation; Leser ninmit 7 Tage und 
Zeissl selbst 12—16 Tage nach der Infection an. Gewiß 
wird bei der künstlichen Impftmg die Blennorrhoe in 2 bis 
3 Tagen erzeugt, aber bei natürlicher Uebeii:ragung können 
mehr als 6 Tage verstreichen. Die Kinder kratzen sich 
mitunter Gesicht und Lider, es entstehen kleine Verletzun- 
gen, in denen dann, wie bei der Harnröhre, günstigere Be- 
dingungen fär die Entwickelung der Kokken gegeben werden. 

Mit Recht fragt auch Ahlfeld, wie es komme, daß 
die Kinder so selten in der 2. Woche, aber nur ganz aus- 
nahmsweise in der 3. Woche und später Blennorrhoe be- 
konunen, obgleich sie dann doch gerade der Pflege d^ 



— 67 — 

gonorrhoischen Muttor allein überlassen sind. „Wird das 
Auge widerstandsfähiger, oder nimmt das Viinis an Energie 
ab? oder ist die Gelegenheit zur Infection eine geringere? 
Daß mit Aufhören der Lochien die Gefahr geringer wird, 
ist zu verstehen; daß aber nach Ende der 2. Woche die 
Erki-ankungen fast ganz aufhören, dafür kenne ich 
keine ausreichende Erklärung." 

Uebrigens ist es nach Köstlin noch nie gelungen, 
statistisch in einer Reihe von Fällen die Secundär-Affection 
sicher nachzuweisen; „immer beruht dies nur auf Ver- 
muthungen". 

Nach meinen obigen Zusammenstellungen im 4. Cap. 
(S. 31) begannen die Blennorrhöen in 76 pCt. der Fälle 
am I. — 5. Lebenstage, in 24 pCt. später. Uppenkamp 
sah vom 1. — 6. Tage 266 Fälle, aber vom 6. — 9. Tage noch 
69 Fälle, vom 10.— 17. Tage: 13 Fälle; v. Hecker vom 
1.— 5. Tage 77, am 6.-7. Tage 23 Fälle; Köstlin vom 
1.— 5. Tage 11, am 6.— 10. Tage 4 Fälle. Nach dem 5. Tage 
worden sie also gewiß seltener. Das erklärt Köstlin so, 
daß die Gonokokken entweder von vornherein weniger 
lebenski'äftig waren oder durcli längeren Aufenthalt auf 
dem ihnen aus unbekannten Gi-ünden nicht zusagenden 
Boden an Virulenz abgenommen haben. Ein Beweis hier- 
für ist die sichere, allgemeine Beobachtimg, daß die Blen- 
norrhoe je früher, desto intensiver auftritt. 

Als Beweis gegen die Spätinfectionen fölirt Köstlin 
femer die guten Bresultate von Argentum an. Hai dien 
fand in Stuttgart, wo die Wöclmerinnen 14 Tage und 
länger in der Anstalt blieben, beim Cre<leisiren auf 978 
Kinder nur 2 Spätinfectionen, imd Fehling hat in Basel 
auf 3002 Geburten keine einzige Spätcrkranknng ge- 
sehen! Ebensowenig sah Feis eine solche. 

Köstlin schließt also: „Man darf daher nicht, wie es 
Keilmann thut, bei der Statistik die primären und die 
secundären Erkrankungen trennen, sondern beide 
zusammen ergeben die wahre Frequenz und damit 
den Prüfstein des angewendeten Verfahrens. Und von 
diesem Gesichtspunkt aus betrachtet, giebt das Jodtri- 
chlorid ein viel schlechteres Resultat; denn Keil- 
mann hat alsdann 14Voo Blennorrhoe gegen 6,5 %o bei 
dem Crede 'sehen Verfahren. Letzteres ist also nicht nur in 
Bezug auf frühere, sondern auch auf die später^auftreten- 
den Ophthalmien den anderen Mitteln überlegen; denn bei 
den meisten anderen Behandhmgsweisen liabe ich^kein Ab- 
nehmen der sog. Secundär-Affectionen verzeichnet gefunden.** 



— 58 — 

VII. Köstlin's Einwürfe gegen das Keilmann'sche 

Verfahren. 

Nicht allein gegen die Statistik von Keilmann, son- 
dern auch gegen seine Ansichten über die Entstehung der 
Primär-Infection und gegen sein Verfahren wendet sich 
Kost 1 in in ausfiUirlicher Weise. 

Er verteidigt die Ansicht, daß die Ansteckung während 
des Durchtretens des Kopfes durch die Scheide entstehe 
und nicht nacliher. ,,Auch Keilmann, sagt Köstlin, 
hält fiir noimale Geburten diesen Modus für den natiii4ichen, 
während er abnorm verlaufende Geburten besonders be- 
urteilen will. So bringt er die gewagte Aeußeining, daß 
<las C rede 'sehe Verfahi-en überhaupt kein prophylactisches 
sei, was ihm ja von anderer Seite in der Discussion über 
seinen Voi*trag genügend als Wortspielerei vorgehalten ist. 

Auch stellt er die noch keineswegs erwiesene Be- 
hauptung auf, daß bei nonnalen Geburten das Auge des 
Kindes bis zum vollendeten Austritt des Rumpfes 
geschlossen bleibt, was wir durch unsere Erfah- 
rungen in der Klinik bestreiten müssen. 

Das Kind öffnet die Augen nicht ganz selten vor der 
Geburt des Rumpfes; auch kann man sicli sehr wohl denken, 
daß beim Durchschneiden des Kopfes, besonders bei rigidem 
Damm, <las untere Augenlid zuiückgehalten, das Auge also 
geöffnet wird.** 

Es ist einleuchtend, daß das bloße Abwischen der Lider, 
wie es Keilmann für hinreichend erklärt, keinerlei Schutz 
gewälu't, wenn das Kind schon vor der Geburt des Rumpfes 
die Augen geöffnet liat. Auf diesen sehr wichtigen Punkt 
wurde meines Wissens in der Discussion bisher nie Rück- 
sicht genommen. 

Daß protrahirte Austreibungsperiodon, vorzeitiger 
Blasensprung und die Geburt größerer Kinder die Infec- 
tion begünstigen, liat schon Crode beobachtet, ebenso 
üppenkamp und Fehling-Köstlin. Längeres Vei-weilen 
des Kopfes nach Abfluß des Fruchtwassers in der Scheide 
begünstigt also die Tnfection. 

,,Wie stimmt dies, fragt Köstlin, mit der Annahme, 
daß die Lifection erst nach dem Austritt des Kopfes ein- 
trete? Soll man alle diese Geburten mit protrahirter Aus- 
treibiuig und frühzeitigem Blasenspnuig zu den patholo- 
gischen rechnen und für diese nach Keilmann besondere 
Indicationen für therapeutische und proph\lactische Maß- 
nahmen verlangen? Dies zu entscheiden, wäre für den 



— B9 — 

Arzt schon schwierig, noch mehr aber für die Heb- 
amme." 

Als weiteren Beweis dafür, daß die Infection während 
und nicht nach der Geburt eintritt, fuhrt Köstlin noch 
an, daß die blennorrhoischen Kinder sämmtlich mit dem 
Kopfe voran zur Welt kamen, und daß ja eine Anzahl 
Fälle beschrieben sind, in denen das Kind schon mit mani- 
fester Blennorrhoe überhaupt geboren wurde. 

„Und wenn auch nach Keilmann die Infection post 
partum einträte, so ließe sie sich doch durch seine Desiirfec- 
tions -Vorschriften nicht sicher beseitigen. Ich gebe zu, 
daß die Hebammen unter Keilmann 's Aufsicht beim Reini- 
gen der Augen keine Keime in dieselben gerieben 
haben, doch werden dies die Hebsunmen in der Praxis nicht 
so sicher verhüten können. Auch hier ist Crede's Ver- 
ehren leistungsfähiger, indem es die etwa in die Conjuuc- 
tiva eingedrungenen Gonokokken zerstört, zum mindesten 
abschwächt. Und wenn Keilmann anfährt, daß Crede nur 
dadurch so gute Erfolge hatte, daß er auf sorgfältige Reini- 
gung der Augen vor <ler Einträufelung großes Gewicht 
legte, während seine Anhänger das Wesentliche in der Ein- 
träufelung des Argentum sehen und oflfenbar die Reinigung 
des Auges als eine mehr nebensächliche Maßregel gar nicht 
oder nur imvollkommeu berücksichtigen, so liat er keine 
Publication, aus der dies hervorgehen könnte, angeführt. 
Und sollte er auch damit Recht haben, so ist ja grade dies 
ein neuer Beweis fiir die Vortreffliclikeit des Crede- 
schen Verfalurens, daß es trotz Vernachlässigung dieser 
Maßregeln immer noch die besten Resultate giebt.** — 

Betreffs des Argentum -Catanhs, «len Keil mann als 
fast stetige und Küstner als constante Folge vorfuhrt, die 
sogar klinisch zur Verwechselung mit echter Blennorrhoe 
fähren könne, bemerkt Köstlin: «Wir kennen hier m Halle, 
ebenso wie Fehling früher in Basel, so gut wie keine 
Conjunctivitis traumatica, während bei der Kaltenbach- 
schen Methode, sowie bei der Sublimatbehandlung (vgl. oben 
S. 46 in Tabelle VI die eingeklanmiei-ten Zalden) ziemUdi 
häufig Reizungen vorkamen; und schließlich hat noch nie 
eine Conjunctivitis traumatica, selbst wenn sie zur Ver- 
wechslung mit Blennorrhoe Veranlassung gab, Schaden an- 
gerichtet'*). Auch muß man sich fragen, warum Brisken 
gegen diese Behandlung auftritt unil sie dann doch bei 
verdächtigen Fällen ausfiihrt, obwohl er nicht weiß, ob 
ihm nicht manche Gonorrhoe der Mutter entgeht." 



w) Vgl. unten Oap. VIII. 



— 60 — 

Dann wendet sich Köstlin gegen die von Keilmann 
und Anderen betonte Schwierigkeit des Crede'schen 
Verfahrens für Ungeübte, besonders Hebammen; erzeigt, 
daß im Gegenteil ein sorgsames Auswaschen der Augen mit 
desinficirenden Flüssigkeiten fiir die Hebammen viel schwerer 
auszufiiliren sei, als einen Tropfen Argentum in den Binde- 
hautsaok fallen zu lassen. Er bemerkt ganz richtig, daß es 
gar nicht nötig ist, dabei die Lider umzukrempeln. Sehr 
wichtig ist folgender Satz von Köstlin: „In Anstalten ist 
ja vielleicht ein gewissenhaftes Desinficiren der Augen zu 
erreichen, aber, so wie die Hebammen nicht mehr unter 
Controlle sind, werden sie darin nachlässiger handeln, wäh- 
rend dies bei der Cr e de 'sehen Methode gar nicht in Frage 
kommen könnte. Wie schwer ist es doch schon an sich, 
einer Frau, und noch dazu einer ungebildeten, die Desinfec- 
tion überhaupt beizubringen ; wie viel sieht man, daß Heb- 
ammen, mit denen wir ja in der Poliklinik täglich zu thun 
haben, auf Schritt und Tritt Fehler in der Asepsis 
machen. Und wenn noch dazu von Keilmann verlangt 
wird, daß die Hebammen sofort nach der Geburt des 
Kopfes die Augen reinigen sollen, so ist dies in der 
Praxis einfach unmöglich, in den Anstalten sein* schwer. 
Dagegen kommt es bei der Argentumbehandlung gar nicht 
so genau auf den Zeitpunkt der Eintmufelung an: die 
Hebamme nabelt ab, badet das Kind und tropft dann die 
die Lösimg ein, luid doch haben wir bessere Resultate. 
Und wenn Keilmann, sagt Köstlin, als Entschuldigung 
für seinen Fall anfähi-t, daß die prophylactischen Maßregeln 
(M*st relativ spät vorgenommen werden konnten, so ist dies 
eben der Nachteil sämtlicher Methoden gegenüber der 
Crede'schen, daß sie, wenn nicht sofort post partum an- 
gewendet, untauglich sind. Ich stimme sehr wohl Keil- 
mann bei, daß man die Maßregeln nicht allein nach dem 
Erfolge, sondern auch nacli der allgemeinen Durchführbar- 
keit in der Praxis bestimmen muß; daß sein Verfahren 
aber einfacher und also leichter durchzuführen ist, 
muß ich bestreiten. Wolil mögen es die Dorpater Heb- 
ammen leicht erlernt liaben, wohl mögen es die Hebammen 
in Breslau nchtig ausgeführt haben, besonders unter seiner 
Aufsicht, aber eben so schnell werden sie es in der Praxis 
wieder vergessen und nachlässiger ausfähren.'' 

In gleichem Sinne sprach sich schon Stieler (Verhandl. 
des 8. Blindenlehrer-Congresses in München, Aug. 1895) lange 
vor Köstlin aus: „Der Erfolg des Abwaschens, sagt er, ist 
an die Bedingung geknüpft, daß die Reinigung beider Augen 
vollzogen sein muß, bevor das Kind dieselben zum ersten 



— 61 — 

Male öflftiet, weil in diesem Falle der Infectionsstoff direct 
iu das Auge gewischt werden würde. Daß diese Bedingung 
in einer Klinik mit reichlichem, intelligentem und 
wohlgeschultem Personale erfüllbar ist, das zeigen Küst- 
ner 's Kesultate; ob aber bei einer einfachen, sich selbst 
überlassenen Landhebamme dasselbe ei'wai'tet werden kann, 
das möchte ich denn doch bezweifehi." 

Köstlin erwähnt bei dieser Gelegenheit auch, daß ich 
bei der Discussion im vorigen Jahre betonte, daß gerade 
beim Abwaschen der Lider die Kokken erst recht in die 
Bindehaut hineingewischt werden können. 

Daß das Crede'sche Verfahren für Hebammen zu schwer 
zu erlernen und auszufuhren sei, wird von den meisten 
Autoren bestritten. 

Man kann nur mit Steffan übereinstimmen, welcher 
schon 1886 ausrief: ^Wahrlich, ein Hebammenstand, dem 
man das Crede'sche Verfahren nicht einlernen und zur 
Ausführung anvertrauen könnte, hätte überhaupt keine 
Existenzberechtigung.** 

Li den Lehrbüchern findet man auch bereits den treffen- 
den Satz von Haab: „Eine Hebamme, die diese einfache 
Manipulation nicht richtig vorzunehmen verstände, sollte über- 
haupt ilir Amt aufzugeben gezwungen werden, weil ihre übri- 
gen Functionen viel schwierigere und weiter tragende Ein- 
griffe auf die Gesimdheit der von ihr Behandelten haben." 

Köstlin fügt hinzu: „Sollten etwa Eingriffe, wie Ka- 
theterisiren, Klystieren, Dammschutz, das Lösen der Arme 
und der Veit-Smellie'scheHandgriff einfacher auszuführen 
und weniger gefährlich sein? Ja in dringenden Fällen soll 
die Hebamme sogar Wendungen ausführen und die Placenta 
manuell lösen!" — Und Stieler sagt sehr richtig: ^Daß eine 
Hebamme, der man auf anderen Gebieten bezüglich der 
Q-efahr der Verschleppung des Kindbettfiebers das höchste 
Maß von Verantwortung ftir Gesundheit und Leben 
ihrer Schutzbefohlenen aufladet, (und deren manueller 
Geschicklichkeit man jederzeit auch unter den schwierig- 
sten Verhältnissen den Katheter anvertraut), in diesen 
kleinen Manipulationen nicht genügend sollte unterwiesen 
und ausgebildet werden können, ist doch wold im Ernste 
nicht zu glauben; es läge darin ein Mißtrauen gegen 
unsere diesbezüglichen Lehrer und Lehranstalten, 
das diese wahrlich nicht verdienen." 

Ich habe schon im vorigen Jahre hervorgehoben, daß 
alle Hebammen in der Breslauer Lehranstalt unter Dr. 
Fuhrmann's Leitung die Crede'sche Methode lernen und 
anwenden mußten, und daß nie ein Fall von Blennorrhoe dort 



— 62 — 

vorkam. — Im Schlußcapitel werde ich auch zeigen, durch 
welch' einfachen Kniff die Einträufelmig noch mehr er- 
leichtert werden kann. 

Bei der Discussion im vorigen Jahre habe ich schon 
die Ansicht bekämpft, daß der Argentumtropfen die Binde- 
haut für Gonokokken noch empfänglicher macht. Köst- 
lin pflichtet mir bei und sagt: „Ganz ohne jeden posi- 
tiven Beweis wirft Keilmann dem Cred^'schen Ver- 
fahren vor, daß durch die Aetzimg die Conjunctiva noch 
empfindlicher wird, indem sich nach der Aetzimg ein trau- 
matischer Catan'h entwickelt. Auch Küstner betont, daß 
ein Catarrh, welcher die constante (!) Folge der Argen- 
tum-Einträufelung darstellt, die Conjunctiva für die secun- 
däre Gonokokken -Infection in höherem Grade empfanglich 
mache, als es die nicht gereizte Cornea (soll wohl heißen 
Conjunctiva) ist. Dagegen habe ich nachgewiesen, daß die 
sogen. Secundär-Infectionen bei Crede keineswegs häufiger, 
sondern seltener geworden sind. (Vgl. oben Cap. VT.) 
Es ist ein veralteter Standpunkt, den schon Pflüger inne 
hatte, daß jedes Desinficiens, das auch nur vorübergehend 
die Cornea (soU wohl heißen die Bindehaut) reizt und sie 
zu vermehrter Absonderung veranlaßt, einen günstigen 
Nährboden fiir eine secundäre Infection schaffen muß. Wir 
dürfen aber nicht mit „Müssen" rechnen, sondern mit 
nackten Thatsachen.'' 

Ich kann auch nur wiederholen, daß, wenn die Argentum- 
reizimg das Auge für Gonokokken empfanglicher machte, 
ich doch einmal wenigstens eine Infection hätte sehen 
müssen imter den Fällen, wo ich zur Verhütung der Blen- 
norrhoe in das zweite Auge Argentum eingoß. Ich habe 
sie aber nie gesehen. 

Es existiren also Nachteile des Crede 'sehen Verfahrens 
nach Köstlin nicht und er faßt am Schlüsse seines ausge- 
zeichneten Aufsatzes Alles in etwa folgende Sätze zusammen: 

„1) Das Argentum ist das zuverlässigste Mittel, zumal 
jetzt die prophylactischen Scheidenausspülungen wegfallen, 
mit welchen die anderen Methoden verbunden waren; die 
so viel genannten Comealaffectionen sind darnach noch nie 
beobachtet, und auch die Reizerscheinungen sind bei Weitem 
nicht so häufig, als behauptet wird, ja sie sind bei anderen 
Methoden zuweilen noch häufiger. 

„2) Die sogenannte Primäraffection wird intra partum 
erworben. 

„3) Die Secimdär-Infection in der von Keil mann ange- 
nommenen Häufigkeit ist bis jetzt nicht sicher nachge- 
wiesen, viehnehr werden wohl die meisten sog. Secundär- 



Infeotionen primär entstanden sein und sieh nur durch ein 
lang dauerndes Licubationsstadiuni kennzeiclnien. Dafür 
spricht auch der leichtere Grad dieser Erkrankungen. Daß 
schließlich auch Secundär-Infectionen auftreten können, ist 
nicht zu bestreiten. 

„4) Die Einträufelung von Argentum macht in keiner 
Weise das Auge für spätere Infection empfängliclier. 

„5) Die Cred^'sche Methode ist für Hebammen leichter 
zu erlernen imd in der Praxis leichter auszufuhren, als die 
anderen Methoden. 

„6) Einem obligatorischen Einfuhren des Argentum in 
die Praxis steht demnach nichts im Wege. Im Gegenteil 
ist eine facultative Einführung schwieriger zu handhaben; 
da wird es vielmehr zu Gehässigkeiten konunen, luid da 
kann man viel eher von Eingriffen in die persönliche Frei- 
heit reden. 

„7) Natürlich müßte, falls die Hebammen zu diesem 
Verfahren gezwungen werden, zugleich bestimmt werden, 
daß sie jeden Fall dem Arzte anzeigen; dann wird auch 
Schröder's Bedenken fallen, daß die Verwechselung der 
BlennoiThoe mit einer aiiificiellen Conjunctivitis unheilvoll 
werden könne.** 



VIII. Urteile von 110 Augenärzten über die 
Einführung der Credöisirung. 

Es muß gewiß von hohem Interesse sein, auch die 
Ansichten der Augenärzte über Crede's Verfalu*en zu 
sanmieln. Ich hatte diese Frage auf dem ersten Fragebogen, 
den ich im Mai 1895 versendete, vergessen, holte sie jedoch 
im zweiten, Ende December 1895 ausgesendeten, für 1896 
berechneten, nach; da diese Formulare aber nur von wenigen 
Collegen im Januar ausgefüllt wurden (vgl. oben S. 22 u. 23), 
schien es mir nützlich, im Februar d. J. nochmals Postkarten 
an die 200 Mitglieder der ophthalm. Gesellschaft zu schicken 
mit der Frage: „Welche Ansicht haben Sie über obli- 
gatorische oder facultative Einführung des Crede- 
schen Tropfens?** Und später fragte ich jeden Collegen, 
der diese Frage beantwortet hatte, nochmals brieflich an: 
y^Haben Sie je bleibenden Schaden vom Crede- 
schen Tropfen gesehen?** 

Hierauf gingen 110 Antworten, z. T. kurze, z. T. sehi* 
ausführliche ein. Unter diesen befinden sich die Ansichten 
fast aller augenärztlichen Autoritäten. Icli orihie die Ant- 



— 64 — 

Worten in 4 Abteilungen, je nachdem sich die Collegen 
unbestimmt oder gegen oder für facultative oder fiir 
obligatorische Einführung aussprachen. 

A. Antworten ohne bestimmte Stellung znr Frage. 

Solche sind 16 eingegangen. 4 Herren erklärten kurz, 
sie hätten sich kein Urteil darüber gebildet. 

1) Prof. Hirse hberg (Berlin): „Beim besten Willen 
bin ich nicht in der Lage, Ihre Frage zu beantworten. ** 

2) Dr. Betke (Bremen): „Ich habe mir keine Ansicht 
darüber gebildet." 

3) Dr. Stölting (Hannover): „Habe keine Erfahrung 
darüber." 

4) Prof. St i Hing (Straßburg): „Bedaure, kein maß- 
gebendes Urteil darüber zu haben." 

Fünf andere Aerzte haben in ihrem Wirkungskreise zu 
selten BlennoiThöen, um das Crede'sche Verfahren nötig 
zu finden. 

5) Dr. Ohlemann (Minden): „Ich meine, daß für die 
hiesigen fast ländlichen Verhältnisse kamn eine zwingende 
Notwendigkeit vorliegen dürfte ; doch scheint es mir, als ob 
die hiesigen Practiker die Fälle selbst behandeln." 

6) Dr.Rheindorf (Neuss): „Aus dem gelingen Materiale, 
über das ich verfüge, kann ich keine Ansicht aussprechen, 
die Beachtung verdient. Ich glaube aber, daß, wo wirklich 
eine maligne Infection wähi-end der Geburt stattfindet, der 
C rede 'sehe Tropfen den Proceß nicht hinhalten wird; 
dafür habe ich zu oft Blennorrhoe trotz des Tropfens sich 
entwickeln sehen. Mir erscheint es zweifelhaft, ob die 
Crede'sche Methode eine wirkliche Blennorrhoe coupirt." 
(College Eheindorf steht mit diesem Glauben allerdings 
isolirt.) 

7) Dr. Rindfleisch (Weimar): „Da hier die wirkliche 
Blennorrhoe außerordentlich selten vorkonmit (etwa 2%^,), 
da dieses Jahr ganz besonders arm an Blennorrhoe war, 
möchte ich mich eines Urteils enthalten, wenn schon für 
Gegenden, in denen diese Erkrankung schwerer auftritt, 
obligatorische Einführung zu bevorzugen wäre. 

8) Dr. Hoff mann (Coblenz): „Nach dem geringen 
Material und Mangel derjenigen Elemente, bei denen haupt- 
sächlich jene Erkrankungen uns zu Gesicht konunen, kann 
ich mir ein richtiges Urteil kaum bilden. Die Abhaltung 
einer Sprechstunde füi' Arme lassen nämlich die hiesigen 
Aerzte nicht zu. Ich habe in Chemnitz übrigens beob- 
achtet, daß dort mehr Fälle von Vernachlässigung und 



— 66 — 

hierdurch vollkommene Erblindung in Folge -von Blennor- 
rhoe vorkommen. Die Ursache wird wohl in dem lieber- 
wuchern der Naturheilmethode und des Pfuschertums 
liegen. Die Frage scheint mir für die großen Städte 
gesondert betrachtet werden zu müssen. — Ich behan<ile 
seit Jahren mit Argentum und habe in meiner Praxis nie 
ein Ulcus entstehen sehen. Bei Erkrankung des andern 
Auges gebe ich Cred^'s Tropfen stets mit bestem Erfolge." 

9) Dr. Brunhuber (Regensburg): „Bei dem so ge- 
ringen, seit 18 Jahren immer gleich bleibenden Procent- 
satz von Blennorrhoe überhaupt und der noch geiingeren 
Anzahl schwerer Fälle erschemt für hiesige Gegend so- 
wohl facult. als obligat. Einführung nicht notwendig. — 
Es ist mir in der That kein Fall bekannt, in dem ein 
bleibender Schaden angerichtet wurde; trotzdem würde ich 
die obligat. Einfuhrung, wie die Verhältnisse hier zu Lande 
gelagert sind, für eine unnötige Chikane und eine wegen 
allgemeinen passiven Widerstandes kaum durchführ- 
bare Maßregel erachten.'' 

Drei Aerzte sind mehr filr andere örtliche Mittel. 

10) Dr. Thier (Aachen): „Trotz Crede sah ich mehrere 
Male Blennorrhoe auftreten; dennoch bin ich dafür, die 
Methode weiter zu empfehlen; ich würde statt Argentum 
einen Tropfen Aqua chlori vorschlagen. — Einen Fall, in 
dem Credo bleibenden Schaden gebracht, habe ich aber 
nie beobachtet. 

11) Prof. Mooren (Düsseldorf): „Das Verfahren ist 
gewiß ein rationelles ; ich bin indessen mit der Anwendung 
von Aqua chlori 5: 10 Wasser ausgekommen in der Weise, 
daß nach vorheriger sorgsamer Reinigung der Augen jedes- 
mal 2- -3 Tropfen applicirt wurden. — Niemals habe ich 
dauernden Schaden von Crede gesehen; überhaupt un- 
denkbar, es müßte denn sein, daß die Angehörigen, von 
der Vortrefflichkeit der Medicatiou durchdrungen, das Mittel 
unausgesetzt als eine Panac^e gebrauchen und 
dadurch eine leichte Ai'gyrose heivorrufen." 

12) Prof. Borysikiewicz (Graz): „Prophylaxe halte 
ich für unbedingt nötig, ziehe aber Lösungen von über- 
mangansaurem Kali dem Crede'schen Tropfen vor.'' 

Andere Gesichtspunkte vertreten vier andere CoUegen, 

13) Prof. V. Michel (Würzburg): „Am rationellsten 
erscheint mir die mechanische Reinigung des Lidrandes 
sowie der Uebergangsfalte direct nach der Geburt mit- 
telst Stiltupfer (ähnlich der Toilette des Auges bei der 
Staaroperation). Das alleinige „Abwischen" der Augen 
scheint nicht zu genügen, ebenso wenig der Cred6*sche; 



— 66 — 

Tropfen. In letzterer Beziehung wäre eine Auskunft von 
Seiten der Frauenkliniken interessant.** 

14) Dr. Stimm el (Leipzig): „Ich meine, daß jede ßeb- 
amme verpflichtet wird, eine Blennori'hoe ärztlich behandeln 
zu lassen.^ 

•16) Prof. Alfred Gräfe (HaUe): „Schon 1878 (vgl. 
den Aufsatz in Volkmann's Sammlung klinischer Vorträge 
No. 192, ausgegeben am 9. Februar 1881) trug ich mich 
mit dem Gredanken, für eine unter Benutzung der Antiseptica 
möglichst allgemein auszuführende prophylactische Behand- 
lung der Blennorrhoe Propaganda zu machen. Während 
des Aprils des genannten Jahres reichte ich im Interesse 
dieser Idee ein kurz und klar gefaßtes, für die Hebammen 
bestimmtes Reglement an die Königl. Regierung in Merse- 
burg ein, dessen Schicksale mir unbekannt geblieben sind. 
Auf Grund meiner lange Jahre hindurch gemachten sehr 
reichlichen Beobachtungen und Erfahrungen habe ich da- 
mals 1881 (siehe Seite 1B96 des Vortmgs) allerdings Be- 
denken getragen, das Crede'sche Verfahren ganz unbe- 
denklich zu empfehlen. (Gräfe riet damals, mit 2proctgr. 
Carbollösung alle 12 Stunden bei Ectropionirung 2 Mal in 
den beiden ersten Lebenstagen den ganzen Bindehautsack 
reichlich zu inundiren.) Es hinderte mich daran die Er- 
kenntnis der doch wohl ganz feststehenden Thatsache, daß 
nur eine succulente Schleimhaut stärkere Argentum- Wir- 
kung sicher verträgt, und daß die Gefahren von Aetzung 
ceteris paribus um so größer sind, je geringer der Succxdenz- 
grad der Bindehaut ist, und das Letztere ist doch der Fall 
bei der normalen Conjunctiva. 

Doch gebe ich gern zu, daß dies Bedenken bei dersehr 
beschränkten Anwendung (ein Tropfen!) einer, wenn 
auch schon starken Lösung, wohl kaum zur Geltung kommt. 

Gelegenheit, den thatsächlichen Erfolg des Verfahrens 
zu prüfen, habe ich aber in viel zu geringem Maße ge- 
habt, da hierzu ja die geburtshilflichen Kliniken viel mehr, 
fast allein, berufen sind und jenes von den damaligen Lei- 
tern der hiesigen niclit geübt wurde. 

In untrüglichei- Weise zu einem Resultate zu gelangen, 
dürfte auch hier große Scliwierigkeiten haben. Konmit es 
doch auch hier niclit allein auf die Wahl des Mittels, sondern 
auch auf die Art der Anwendung desselben an, imd 
letztere von der Individualität der behandelnden 
Hand zu entkleiden, sowie allerlei sonst mitwirkende 
Umstände in gleichmäßiger Weise zu gestalten, wii'd nie 
möglich sein. Uebngens scheint mir der Küstner'sche 
Einwurf gegen das Verfahren sehr unglücklich zu sein** 



— 67 — 

u. 8. f. — Auf nochmalige Bückfrage meinerseits erwiderte 
Herr Prof. Gräfe: „Gesehen habe ich keinen Fall von 
bleibendem Schaden; vollkommen beseitigt sind meine Be- 
denken hierdurch indeß noch nicht.** 

16) Prof. Schweigger (Berlin): „Meine Ansicht ist 
die, daß man es dem vernünftigen Hausarzte über- 
lassen muß, ob eine Indication dafür vorliegt." (Das wäre 
gewiß sehr gut, wenn nm* die armen Leute, unter denen 
ja hauptsächlich die Blennorrhoe vorkommt, überhaupt Haus- 
ärzte hätten!) 

B. Gegen C rede's Verfahren, 

15 Augenärzte erklärten sich direct gegen Einfiihrung 
der Methode. 

1) Dr. Steinheim (Bielefeld): „Ich halte bei dem so 
geringen Vorkommen der Blennorrhoe hierselbst, zumal 
mir seit Jahren keine deletären Processe vorgekommen sind, 
die obligatorische und facultative Prophylaxe durch C red 6 's 
Verfahren für überflüssig." 

2) Dr. Ferge (Braunschweig): „Halte es nicht für 
geraten, die Einträufelung den Hebammen in die Hände 
zu geben. — Bleibender Schaden ist mir nicht bekannt 
geworden.** 

3) Dr. Pautynski (Dresden): „Die obligatorische Ein- 
träuflimg halte ich für entbehrlich und in den Händen von 
Hebammen für nicht unbedenklich. — Dauernden Schaden 
habe ich nicht gesehen.** 

4) Dr. Fischer (Dortmund): „Gegen obligatorische und 
facultative Einführung. "Wäre der Procentsatz überall so 
gering wie hier in memer Praxis, dann würden die Collegen 
wohl nicht dafür sein, die Vorbeugungsmaßregeln, welche 
ja in geschlossenen Anstalten unbedingt nützlich 
sind, auf das Publicum außerhalb der Anstalten auszudehnen. 
— Weil einzelne Väter vor oder während der Verheiratung 
einen Tripper sich zuzulegen beliebten, sollen nun die nicht 
damit behafteten Eltern gezwungen werden, ihren Kindern 
eine 2proc. Arg. -Lösung einträufeln zu lassen. Mir würde es 
nicht passen, wenn die Hebamme bei meinen Blindem diese 
Proceaur vornehmen wollte, und ich denke: Was Du nicht 
willst, daß man Dir thu', das füg' auch keinem Andern zu.** 

5) Dr. Eansohoff (Frankfurt a. M.): -Obligatorische 
Einführung reicht nicht in allen Fällen zur Verhütung aus, 
facultative schadet bisweilen.** 

6) Prof. Vossi US (Gießen): „Ichstimme nicht füi' obli- 
gatorische Einführung, da man ohne das Verfahren ganz 



— 68 — 

dieselben guten Resultate erhalten kann, und da durch 
Credä's Behandlung sehr leicht ein unnötiger Beizzustand 
der Augen geschanen wird. — Bleibenden Schaden habe 
ich nie gesehen.'' 

7) Dr. Braunschweig (Halle): „Nach der relativ ge- 
ringen Zahl der in den letzten Jahren in Halle überhaupt 
beobachteten Blennorrhoe -Fälle scheint mir das Bedürfnis 
für obligatorische Einführung von Cred^'s Vßrfahren nicht 
so dringlich, zumal durch unsanftes Manipuliren Seitens der 
Hebammen doch auch Verletzungen der Cornea mit viel- 
leicht nicht gut controlirbaren, resp. verheimlichten Conse- 
quenzen zu erwarten sind. — Ich habe zwar eine Beihe 
von eitrigen Conjunctivitiden gesehen, welche ich dem 
Cred6 'sehen Verfahren zuschreibe, einen dauernden Nach- 
teil jedoch nie entstehen sehen. 

8) Dr. Wilbrand (Hamburg): „Ich habe in einer Woche 
bei 2 Kindern beide Hornhäute macerirt gesehen. Die 
Kinder hatten keine Blennorrhoe. Es war ihnen aber von 
dem Hausarzte nach der Geburt Höllensteinlösung in's 
Auge geträufelt worden.** (Wie viel Tropfen?) Auf noch- 
malige Bitte imi genauere Mitteilung schrieb mir Herr 
Dr. Wilbrand am 28. April 1896: „Der eine Fall kam mir 
in der Privatpraxis vor. Der Entbinder war ein Schüler 
Cred^'s. Das Kind hatte eine oberflächliche, rauchige 
Hornhauttrübung beiderseits nach der Einträufelung er- 
halten , die sich nachträglich wie gewöhnlich in der Form 
fasriger, durchsichtiger Streifen zwischen getrübter Hom- 
hautoberfläche veränderte. — Der zweite Fall war poli- 
klinisch. Die Mutter sagte, der Arzt habe gleich nach der 
Geburt Tropfen in die Augen gegossen. Weiter nach- 
geforscht habe ich aus naheliegenden Gründen nicht. Jeden- 
falls waren beide Hornhäute macerirt und die Bindehaut 
auf beiden Augen fast normal.*^ 

9) Dr. N ob i s (Chemnitz) : „Obligatorisch nicht erwünscht. 
Crede's Verfahren durch die Hebammen dürfte mehr Unheil 
stiften als Gutes. Ausführung durch den Arzt unmöglich, 
weil der Arzt bei normalen Gebmien häufig nicht zugegen 
ist. Mit den in Sachsen bestehenden Vorschriften allent- 
halben einverstanden und genügend.*^ 

10) Prof. Leber (Heidelberg): „Warum ich gegen die 
obligatorische Einfiihiimg bin? Ich habe von den Heb- 
ammen auf diesem Gebiet zu viel Unheil anrichten sehen, 
als daß ich ihnen ein solches Officium anvertrauen möchte. 
Dann zweifle ich aber auch, daß es rechtlich zulässig ist, 
ihnen einen solchen Eingiiff zur Pflicht zu machen, also 
die Unterlassung für strafbar zu erklären. Noch mehr 



I 



— 69 — 

Zweifel habe ich an der Durchflihrbarkeit in einer Zeit, 
wo das Publicum sich sogar mehr und mehr gegen den 
Impfzwang einnehmen läßt." (Wie das Publicum über 
den Nutzen des Impfens denkt, ist wohl gleichgiltig; ent- 
scheidend ist doch meines Erachtens nur, wie die wissen- 
schaftlich gebildeten Aerzte darüber denken.) — „Da 
weder in meinem früheren Wirkungskreise Göttingen noch 
hier in Heidelberg meines Wissens die Cre de' sehen Ein- 
träufelungen Seitens der Hebammen angewendet werden, 
bin ich nicht in der Lage gewesen, Beobachtungen über 
etwaige schädliche Wirkungen derselben anzustellen. Ich 
bemerke, daß seinerzeit Geh.-Rat Schwarz in Göttingen 
sich auf das Entschiedenste dagegen ausgesprochen hat, 
die Credi' sehen Einträufelungen den Hebammen zu über- 
tragen, und daß wesentlich durch diesen Ausspruch davon 
abgesehen wurde, die Einführung in Erwägung zu ziehen.** 

11) Dr. Samelsohn (Köln): „Bei dem mir bekannten 
Material der Hebammen halte ich weder facultative noch 
obligatorische Einführung des Verfahrens fiir angezeigt oder 
mö^ch. — Bleibenden Schaden habe ich nicht gesehen; 
aber hier zu Lande wird na<?h meiner Erfahrung das Ver- 
fahren nur in der Prov.-Entbindungsanstalt angewandt, da- 
gegen in der Privatpraxis oder gar von den 5ebammen 
nicht. In der Hand von nicht sehr sach- und fachkundigen 
Collegen wie Hebammen glaube ich dasselbe nicht für unge- 
fährlich erklären zu dürfen." 

12) Dr. Lamhofer (Leipzig): „Ich stimme dagegen, 
weil ich die Hebammen nicht für geschickt dazu halte. Ich 
fürchte, sie werden es in den meisten Fällen unterlassen, 
weil sie alle bei einfachen Geburten ängstlich vermeiden, 
daß ein Arzt zugezogen werde, weil aber durch das Ein- 
träufeln manche Eltern doch ängstlich würden. Nach der 
Einträufelung kann auch eine vorübergehende Rötung auf- 
treten, die dann den Hebammen zur Last gelegt wird. Ob 
sie wirklich eingetropft hat oder nicht, können wir nicht 
controliren . . . Dagegen bin ich entscliieden dafür, daß die 
Hebammen bei der geringsten Entzündung einen Arzt zu 
Kate ziehen und gar nichts ordiniren dürfen, auch nicht den 
beliebten Kamillenthee . . . Freilich sind die Aerzte zum 
Teil selbst schuld, daß z. B. auch hier, wo die Anzeige- 
pflicht besteht, diese umgangen wird; denn ein Arzt, 
der eine Hebamme anzeigt, kann sicher sein, daß er von 
ihr nie wieder zu einer Geburt zugezogen wird . . . Dafür, 
daß jeder Arzt, wenn die Diagnose oder der Verdacht auf 
Tripper-Infection der Mutter vorliegt, das C rede 'sehe Ver- 
fahren anwende, bin ich entschieden. Der Hausarzt soU 



— 70 — 

bei stärkerem Scheidenausfluß Credo einträufeln, aber nur 
einmal nach der Geburt des Kindes." 

13) Prof. TJhtlio ff (Marburg): „Obligatorische Einföh- 
rung ist nicht erwünscht. Der Tropfen ist zweifellos ein 
sehr wirksames Mittel für die Prophylaxe, jedoch nicht ohne 
Weiteres für alle Fälle, zumal in den Händen der Hebammen, 
zu empfehlen. — Mir ist kein Fall dauernder Schädigung 
vorgekommen, dagegen mehrfache Fälle von heftiger arti- 
ficieller Conjunctivitis. Ich möchte es auch nicht für 
unmöglich halten, daß bei Anwendung des Verfahrens 
ohne ärztliche Controle einmal ein dauernder Schaden dem 
Auge zugeftigt werden kann." 

14) Dr. Klein (Wien): ,.Da die Erblindung durch Blen- 
norrhoe nur in Folge Fehlens irgend einer Behandlung oder 
unrichtiger Behandlung eintritt, so ist es klar, daß jede 
Erblindung sicher verhütet werden kann, wenn jede Blen- 
norrhoe der richtigen Behandlung rechtzeitig unterzogen 
wird. Es muß also bewirkt werden, daß keine Blennorrhoe 
ohne rechtzeitige, richtige Behandlung bleibt. Für die 
Wissenschaft sind die Acten diesbezüglich geschlossen. 
Jede rechtzeitig richtig behandelte Blennorrhoe wird geheilt 
ohne Beschädigung des Sehvermögens. Daraus ergiebt sich 
die Ueberf lüssigkeit des Credö'schen Verfahrens. Letz- 
teres ist aber auch unwirksam. Ein Tropfen vermag 
nicht den Ausbruch der Blennorrhoe, wenn wirklich Infec- 
tion erfolgt war, zu verhüten." (Dagegen sprechen Tausende 
von Beobachtungen.) „Der Tropfen ist für die Horn- 
haut auch nicht gleichgiltig. Statt durch administrative 
Maßnahmen nicht -ärztliche Personen zum Cre de 'sehen 
Tropfen zu zwingen, mögen diese Personen gezwungen 
werden, rechtzeitige ärztliche Hilfe zu veranlassen. — So 
formulirt, wie in Ihrer Karte: „Haben Sie dauernden Scha- 
den vom Cr e de 'sehen Tropfen gesehen?" muß ich die Frage 
mit Nein beantworten; doch ist sie dadurch nicht erledigt, 
weil jenes Krankenmat^rial, welches mit Credo behandelt 
wird in den Gebär- und Findelanstalten, mir nicht zur Con- 
trole zugänglich ist, von Laien über diesen Punkt aber nie 
eine Auskunft zu erhalten ist. Ich habe bleibenden Schaden 
an Augen, welche in der dem Crede 'sehen Tropfen ähn- 
lichen Weise behandelt waren (nicht wegen Blennorrhoe) 
vielfach gesehen." 

16) Dr. Hosch (Basel) verweist zunächst auf seine in 
dem Jahresb. d. allgem. Poliklinik des Kantons Basel-Stadt 
im Jahre 1894 veröffentlichte Mitteilung, die einzige meines 
Wissens bisher gedruckte augenärztliche Warnung vor 
Cred6. Ich erhielt von derselben erst im Februar d. J. 



— 71 — 

Kenntnis durch Sendung des Sep.-Abdr. aus dem wenig 
bekannten Jahresb. d. Basler Poliklinik. 

Es heißt in demselben: „Was das Crede'sche Ver- 
fahren anbelangt, so möchte ich jedoch bezweifeln, daß 
dasselbe in dem Grade unübertreflFlioh sei, wie es von Cohn 
dargestellt wird. In einer Discussion bemerkte er, daß das 
Mittel absolut sicher sei zur Verhütung, und daß er keinen 
Fall kenne, wo trotz Argentum eine Blennorrhoe aufgetreten 
sei. Die leichte Injection, die dem Tropfen folge, habe 
noch nie zur Schädigung des Auges geführt. 

Diese Behauptung hat mir eine Beobachtung in's Ge- 
dächtnis zurückgerufen, welche ich gelegentlich von Re- 
fractions-Bestimmungen an 100 Neugeborenen der hiesigen 
Frauenklinik (im Winter 1893/94) anzustellen Gelegenheit 
hatte. Da es sich um Kinder gleich oder doch aus den 
ersten Tagen nach der Geburt handelte., so wurde ich an- 
fangs etwas erschreckt durch die vielen, recht heftigen 
Conjunctivitiden mit schleimig- eitriger Secretion, da ich 
an das auf der Klinik regelmäßig angewandte Cred^'sohe 
Verfahren zunächst nicht dachte. 

Nun fiel mir aber ein Kind vom 3. Tage ganz besondere 
auf durch die starke Schwellung der Lider und durch das 
reichliche, mehr gelbrötliche Secret. Ich ophthal- 
moscopirte das Kind nicht, bat aber die Herren Assistenten, 
dasselbe von den anderen entfernt zu halten und besonders 
genau zu überwachen. Wie ich beim nächsten Besuche erfuhr, 
hatte sich — also trotz Cred6 und trotz der Versicherung 
von Cohn — eine i^egeh'echte Ophthalmia neon. entwickelt. 

Nun scheint mir eine solche Behandlung, wenn sie 
nicht sicher nützt, direct schädlich zu sein. Dadurch, daß 
wir über dem heftigen Reizzustande, welchen eben die Ein- 
träufelung der Silberlösung nach meinen u. A. Beobachtungen 
doch sehi' oft auf der Conjunctiva des Neugeborenen her- 
vorruft, eine sich entwickelnde richtige Blennorrhoe über- 
sehen, setzen wir die gesunden Insassen der Klinik einer 
erhöhten Erkrankmigsgefahr aus. Von diesem Standpunkte 
läßt sich auch die von einem Referenten als sonderbar und 
antiquirt hingestellte ^gutachtliche Aeussei-ung der Königl. 
wissenscliaftl. Deputation für das Medicinalwesen über die 
prophylactische Behandlung der Augenentzündung Neu- 
geborener", welche für einstweilen von der obligatorischen 
Ausdehnung eines prophylactischen Verfalirens auf die Heb- 
ammenpraxis entschieden abrät, recht wohl verstehen und 
auch billigen.'^ 

Sofort nach Empfang dieser Mitteilung fragte ich Herrn 
Dr. Hosch an, wer dem Kinde Argentum eingegossen, die 



-— 7ß --- 

Hebamme, ein Student oder ein Assistent? Er antwortete: 
,Ueber die genaueren Proceduren bei dem damaligerf Falle 
ist natürlich nichts mehr zu erfahren, zumal seither Assi- 
stenz und Direction der Anstalt gewechselt haben. Daß 
in einer von jeher trefflich geleiteten geburtshilflichen 
Klinik, wie die Basler, überhaupt so etwas vorkommen kann, 
gleichgiltig, von wem der Tropfen instillirt worden. 
spricht mir ohne Weiteres gegen die absolute Zuverlässig- 
keit und Unfehlbarkeit der Methode und deutet darauf hin. 
daß eben Neben umstände, vor Allem sachgemäßes Aus- 
waschen des kranken Auges maßgebend sind . . . Zudem 
glaube ich auch nicht, dal! die beste Behandlung in der Pri- 
vatpraxis durchführbar sein wird, sobald einmal die Mütter 
wissen, daß event. auch an einem gesunden Auge eine hef- 
tige, wenn auch vorübergehende Entzündimg dadurch her- 
vorgerufen wird . . . Ich möchte nochmals betonen, daß 
für mich mid auch für Andere eine frische Blennorrhoe bei 
gesundem Kinde keine große Gefahr bietet, wenn sie gleich 
in sachgemäße Behandlung kommt. Also Belehrung der 
Aerzte, Verpflichtung der Hebammen zu sofortiger Anzeige, 
Bestrafung bei nachgewiesener Pflichtverletzung.*' 

Auf meine Frage: ^Haben Sie dauernden Schaden von 
Crede gesehen?" schrieb Herr Dr. Hosch: „Das würde 
noch fehlen, daß der Tropfen bleibenden Schaden hinter- 
läßt. Mir genügte vollauf, die Erfahrung zu machen, daß da- 
durch nicht etwa nur leichte Reizzustände hervorgerufen wer- 
den, wie man da imd dort liest, sondern heftige, mehrtägige 
Conjunctivitiden mit starker Schwellung und Secretion." 

Diesem Verdicte des Herrn Dr. Hosch gegenüber, das 
auf einen Fall sich stützt, über den nähere Angaben nicht 
mehr zu erfahren sind, ist es interessant, hier auf die unten 
im Cap. IX, S. 92 abgedruckte dringende Empfehlung der 
Crede 'sehen Methode durch Prof. Fehling hinzuweisen, 
der ja selbst Director gerade der Bas 1er Frauenklinik war 
und dort 3000 Geburten geleitet, von denen bei Credeisirung 
noch nicht 2%^ Blennorrhoe zeigten. 

C. Für facoltative EinfBhmng von C rede's Verfahren. 

Von 40 Collegen gingen Antworten ein, die eine 
facultative Einfiöhnmg wünschen. 

1) Prof. Saemisch (Bonn): „Ich bedaure, daß das Ver- 
fahren von Cred^ nur in Anstalten stricte durchgeführt 
werden kann. — Ich habe niemals einen Fall gesehen, in 
dem das Verfahren einen bleibenden Schaden gebracht hat." 

2) Dr. Nie den (Bochum): Trotzdem die 2proc. Arg.- 



^ n -^ 

Lösung das vorzüglichste Desinficiens darstellt und in den 
Händen des Arztes angewendet von fa«t unfehlbarer Wirkung 
ist, vertraue ich dieselbe nicht gern den Hebammen an, da 
ich wiederholt eine nicht sachgemäße Anwendung beobachtet 
habe. Ich stimme deshalb nur für eine facultative Ein- 
führung von Fall zu Fall, und zwar nur da, wo einmal 
Verdacht auf mögliche Infection vorhanden ist (Fluor albuö, 
Gonorrhoe etc.), oder wo bei Bändern schon bei früheren 
Geburten Blennorrhoe beobachtet worden ist. — Für Ent- 
bindungsanstalten mit ihrem besonderen Material imd 
technischen Hilfsleistungen halte ich Crede für obli- 
gatorisch, för die Privatpraxis nur facultativ an- 
gebracht. — Bleibende Schädigung durch fehlerhafte 
Anwendtmg der Arg.-Lösung habe ich nicht beobachtet^ 
indessen zuweilen doch Reizungen der Bindehaut mit tage- 
lang andauernder Secretion, auch Erosionen des Bindehaut- 
epithels mit oberflächlichen SugiUationen in Folge mecha- 
nischer Verletzungen.** 

3) Prof. Förster (Breslau): „In allen Fällen, wo Ver- 
dacht auf gonorrhoische Infection vorliegt, ist der Crede 'sehe 
Tropfen anzuwenden. — Ich habe in 40 Jahren keinen einzigen 
Fall von gonorrhoischer Blennorrhoe bei Neugeborenen in 
den gebildeten Ständen gesehen, einen Fall dagegen im 
letzten Jahre, wo durch allzu energische Anwendung 
von 2proc. Argentumlösimg beide Corneae gelbweiß ge- 
worden waren." *•) 

4) Dr. Jungmann (Breslau): „Wie auf allen Gebieten 
der Prophylaxe und Therapie bin ich auch hier gegen jeden 
Zwang zur Einführung des Verfahrens. Es genügt voll- 
kommen, den Hebammen während ihrer Ausbildung und in 
den Wiederholimgscursen das Crede'sche Verfahren als 
absolut ungefährlich und sicher wirkend hinzustellen, 
um ihm die größte Ausdehnung zu sichern. — Die Tech- 
nik halte ich für viel leichter, als die aller bisher zui- Ver- 
hütimg der Blennorrhoe empfohlenen anderen Methoden. 
Außer einer leichten Reizung der Bindehaut, die ohne jeden 
therapeutischen Eingriff spätestens am 3. Tage post partum 
verschwunden war, habe ich nie einen Schaden gesehen." 

6) Dr. Wolfberg (Breslau): „Die Anwendung würde 
ich für Entbindungsanstalten empfelüen. Im Uebrigen 
würde ich dagegen sein und es für besser halten, wenn nach 

^ In einer Sitzung der med. Abteilung der schles. Gesellsch. am 
19. Juni 1896 erwähnte Herr Prof. Förster, daß er nicht einen, sondern 
zwei Fälle gesehen, bei denen Aerzte, nicht Hebammen, reichlich Ar- 
gentum eingegossen, und daß in Folge dessen die Hornhäute erkrankt 
waren, während die Bindehaut sich ganz normal zeigte! 



— 74 — 

schwedischem Muster die Hebammen verpflichtet würden, in 
jedem Falle von ^Augeneiterung mit Zuschwellung der 
Lider" den Arzt hinzuzuziehen. — Bleibenden Schaden 
habe ich nicht gesehen, jedoch Fälle, wo trotz Crede's 
Tropfen, vom Arzte angewandt, schwere Blennorrhoe sich 
entwickelte, und Fälle, wo durch übertriebene Anwendung 
des Argentum dichte, bis jetzt nach 3 Monaten noch nicht 
gewichene Cornealflecke entstanden.'^ [Das ist derselbe 
Fall, den Prof. Förster (siehe oben unter 3) auch gesehen 
und citirt hat.] 

6) Dr. Landsberg (Breslau): „Die Hebammen müßten 
wenigstens in verdächtigen Fällen (früheren Erkrankungen, 
Fluor) zu Cred6 verpflichtet werden. Diejenigen, welche 
zu ungeschickt sind, müßten in suspecten Fällen verpflichtet 
sein, zu veranlassen, daß binnen 24 Stunden nach der 
Geburt Ai'gentum eingetropft wird. Meiner Erfahrung nach 
giebt das auch noch eine gute Vorbeugung.'' 

7) Dr. Schläfke (Cassel): „Meine Ansicht ist die, daß 
in erster Linie den Hebammen prophylactisclie Sauberhal- 
tung bei Mutter und Kind zur Pnicht gemacht, wo sich aber 
aus irgend welchen Gründen eine Antisepsis der ersteren nicht 
erzielen läßt, das Cr ede 'sehe Verfahren angewandt werden 
muß. — Bleibenden Schaden habe ich nicht gesehen." 

8) Dr. Brückner (Darmsta<lt): „Obligatorische Ein- 
führung lialte ich Tiicht für nötig, die facultative aber für 
empfehlenswert. — Niemals habe ich einen Fall gesehen, 
wo dauernder Schaden gebracht worden, obgleich ich das 
Verfahren öfters, auch bei anderen ansteckenden Krankheiten 
angewandt habe." 

9) Dr. Schanz (Dresden): „Ich liabe Fälle gesehen, 
wo trotz sorgfaltiger Anwendung der Crede'schen Tropfen 
sich in den ersten Tagen eine Blennorrhoe entwickelte. Da 
meiner Ansicht nach das Verfahren ohne jede Gefahr 
von der Hebamme ausgeführt werden kann, hätte ich 
nichts gegen die Einführung, mache mir aber auch nicht 
die großen Hoffnungen." 

10) Prof. Manz (Freiburg): „Icli würde in der An- 
wendung wenigstens in Gebäranstalten eine Sicherung 
sehen. Für allgemeine obligjite Einfährung scheint mir die 
Unhaltbarkeit der Lösung ein Hindernis zusein." Auf 
meine Bemerkung, daß doch ein wenig Silberzersetzung 
nicht schädlich wirken, und daU die Lösung in gelben 
Gläsern sich nicht zersetzen könne, schrieb mir Herr Prof. 
Manz: „Augentropfen, welche so lange im Gebrauche bei 
wenig reinlichen Menschen sind, verderben auch in gelben 
Gläsern." 



— 75 — 

„Etwaige schjimme Folgen des Verfahrens habe ich 
nicht zu beobachten Gelegenheit gehabt, da dasselbe hier 
in der Geburtsklinik, und so viel ich weiß, auch in der 
Privatpraxis nicht angewendet wird." 

11) Dr. Rosenmeyer (Frankfurt a. M.): „Ich bin für 
facultative Einführung. Eine bleibende Schädigung habe 
ich nie gesehen." 

12) Dr. Wallerstein (Gelsenkirchen): „Ich spreche 
mich bestimmt gegen die obligatorische Einführung aus. 
Es genügt die Anwendung in den Fällen, in welchen durch 
Arzt oder Hebamme während der Schwangerschaft Fluor 
in erheblichem Grade oder gar Gonorrhoe festgestellt wird, 
sowie wenn bereits ein früheres Kind an Blennorrhoe ge- 
litten hat. — Ich habe niemals einen Fall von bleibendem 
Schaden gesehen.** 

13) Dr. Lucanus (Gotha): „Wenn keinerlei Zeichen von 
Gonorrhoe oder Leucorrhoe vorhanden, halte ich sofortiges 
Auswaschen der Augen mit reinem Wasser für genügend, 
andernfalls würde ich das Cred^'sche Verfahren empfehlen. 
— Bisher sali ich allerdings noch keinen bleibenden Schaden 
und glaube auch nicht, daß ein solcher dadurch herbei- 
geführt werden kann. Erfahrungen habe ich darüber nicht, 
da ztur Zeit in der Schröder'schen Klinik in. Berlin, in 
der ich als Practikant zahlreiche Geburten sah, auch ohne 
Cred6 ausgezeichnete Erfolge erzielt wurden. Auch in 
der Marburger Geburtsklinik wurde Crede nicht ange- 
wendet, ebenso wenig hat mir meine Assistentenzeit in Mar- 
burg, Breslau, Hagen und meine bisherige Prajds Gelegen- 
heit geboten, ein Urteil über diese Frage zu gewinnen.'* 

14) Prof, Schmidt-Rimpler (Göttingen): „Die obli- 
gatorische Einfuhrung halte ich für imnötig, ja bedenklich. 
Hingegen ist bei Gonorrhoe oder starker Leucorrhoe der 
Mutter die Desinfection (ob mit Höllenstein oder in anderer 
Weise) angezeigt. — Ich habe bleibenden Nachteil nie 
beobachtet; hierüber werden übrigens die Geburtshelfer eine 
größere Erfahrung haben. Jedenfalls können stärkere Con- 
junctivitiden danach entstehen. Wozu also alle Kinder 
dem aussetzen? Zudem halte ich die Blenn. neon. für eine 
fast ungefährliche Krankheit. Ich ei-innere mich keines 
Falles, wo unter meiner Behandlung, falls die Cornea beim 
Beginn derselben noch frei war, eine gi'ößere, das Sehen 
erheblich störende Narbe entstanden wäre." 

16) Prof. Schirmer (Greifswald): „Soweit meine Er- 
fahrung reicht, ist die Blennorrhoe in den besseren Klassen 
etwas so Seltenes, daß hier auch einfache Auswaschungen 
so exact durchgeführt werden können, daß eine facultative 



- 78 - 

Einfiihrung ausreichend ist. Ich halt^ es aber för dringend 
wünschenswert, daß sie in der poliklinischen Praxis und 
zumal auch bei den durch Hebammen allein geleiteten 
Geburten möglichst stricte durchgefiihrt wird. — Ich habe 
niemals weder bleibenden, noch temporären Schaden, von 
Conjunctivitis abgesehen, konstatiren können." 

16) Dr. Lucanus (Hanau): „An Orten, wo Blennorrhoe 
öfters vorkommt, oder wenn in der Praxis einer Hebamme 
auffallend oft Fälle vorkommen, wie Letzteres hier der Fall 
ist, da sollte der Physikus ermächtigt sein, allgemein oder 
speciell diesen Hebammen die Einträufelung obligatorisch 
zu machen." 

17) Prof. Deutsch mann (Hamburg): „Ich wäre für 
obligatorische Einfiihrung von Crede's Tropfen, wenn 
gleichzeitig die Garantie (durch Unterweisung und Prü- 
fung der Hebammen) gegeben wäre, daß die Instillation 
derselben richtig und vorsichtig ausgeführt- wird, und nament- 
lich vorher die Lider resp. Augenumgebungen mit schwacher 
Sublimatlösung gereinigt werden, femer die Hebammen 
besonders darauf aufmerksam gemacht werden, daß damit 
allein nicht Alles gethan ist, sondern auch weiterhin pein- 
lichste Sauberkeit nötig ist.^ 

18) Dr. Oehrens (Hamburg): „Unter gewissen Ver- 
hältnissen obligatorisch, nicht allgemein obligat." 

19) Prof. Wagenmann (Jena): „Obligatorisch in allen 
Gebäranstalten, sonst facultativ. — Habe niemals einen 
Fall gesehen, der durch C rede 's Verfahren Schaden ge- 
nommen.^ 

20) Dr. Treitel (Königsberg): „Ich halte die faculta- 
tive Einfühlung für zweckmäßig. — Einen dauernden Nach- 
toil habe ich nie beobachtet." 

21) Prof Sattler (Leipzig): „Bleibende Schädigung 
habe icli nie gesehen, ebenso wenig Prof. Zweifel (der 
(Tynaekologo), den ich darüber befragt; doch sah Letzterer 
so vi(d vorübergehende starke Reizungen, daß nach seiner 
M«M*nung „das Cre de 'sehe Verfahren niemals amtlich durch 
(Wo Hol)ainmen-Lohrbücher obligatorisch eingeführt werden 
könnte; aber für Anstalten, meint auch er, gebe es 
k e i 11 e b e s s e r (^ P r o p h y 1 a X e. ^ Er sucht daher systematisch 
nach einem eb(Miso sicheren Verfahren, das jedoch keine 
Reizung macht ..." 

Da ich Herrn Prof Sattler darauf aufmerksam machte, 
daß in seiner Klinik die meisten Blennorrhöen in Deutsch- 
land (104 Fälle) zur Behandlung kamen, schrieb er mir: 
„Wenn wir die meisten Blennorrhöen in Deutschland 
haben, so rührt dies, abgesehen von der uachlä6(^geil 



- 77- - 

und zum Teil sträflichen Hebammenwirtschaft, da- 
von her, daß wir im letzten und auch in diesem Jahre bis- 
weilen eine ganze Anzahl Neugeborener aus der Frauen- 
klinik bekommen, wo offenbar zeitweise die Versuche 
nach einem Ersätze der Crede'schen Einträufelung 
ungenügend und unzureichend ausfallen, während 
in anderen Städten die Augenkliniken aus der Frauen- 
klinik gar keinen Zuwachs ihres Blennorrhoe -Materials 
bekommen.'* — „Wenn außerhalb der Anstalten überhaupt 
ein prophylactisohes Verfahren eingeführt beziehungsweise 
den Hebammen zur Pflicht gemacht werden soll, so halte 
ich das Crede'sche fiir das practischste." 

22) Dr. Schwarz (Leipzig): „Ich bin für obligatorische 
Einführung in der Form von Iproctgr. Argentum- Lösung 
oder 2proctger. Ichthyollösung für die Hebammen, 
wenn sie ohne Zuziehung eines Arztes entbinden; ist ein 
Arzt dabei, so entscheidet dieser, ob imd was eingetropft 
werden soll.** 

23) Dr. Schreiber (Magdeburg): „Im Reg.-Bez. Magde- 
burg ist den Hebammen aufgegeben, in jedem Falle, wo 
Verdacht auf Gonorrhoe der Mutter vorliegt, den Cr e du- 
schen Tropfen in Anwendimg zu bringen. I)a sich nun die 
Zahl der Blennorrhöen seit 1892 bei annähernd gleicher 
Zahl neuer Zugänge (von 1892 — 96 waren 22 : IB : 11 : 10 
Fälle) herabgemindert hat, so bin ich geneigt, der faculta- 
tiven Einführung das Woi*t zu reden. — Weder in meiner 
Praxis, noch auf dem hiesigen Hebammen-Institut, 
in welchem seit mehreren Jahren der Cred6*sche Tropfen 
bei jedem Kinde gegeben wird, habe ich die geringsten 
nachteiligen Folgen oder gar einen bleibenden Schaden beob- 
achten können.** 

24) Dr. Bahr (Mannheim): „Ich halte die obligatorische 
Einführung für überflüssig und unter Umständen schädlich. 
Dagegen erkläre ich mich für facultative Einfuhrung bei 
Fällen, wo der öeburtsact, ein vor der Geburt vorhandener 
Fluor der Mutter oder die Anamnese den Verdacht auf 
Blennorrhoe rechtfertigen. 

pAuf die Frage, ob ich bleibenden Schaden gesehen, 
antworte ich kurz und bündig mit Nein. Dagegen habe 
ich die sichere Ueberzeugung, in einem Falle, wo wegen 
Blennorrhoe der eretgeborenen Kinder die gleiche Erkran- 
kung bei einem später Geborenen zu befärchten war, durch 
eine energische Reinigung des ganzen Bindehautsackes mit 
Sublimat 1:6000 kurze Zeit nach der Geburt (etwa 3 bis 
4 Stunden) eher eine ungünstige Beeinflussung herbei- 
geführt zu haben, indem nun nach 2 ^^3 Tagen eine der- 



— 78 — 

artig heftige und bösartige Blennorrhoe auftrat^ wie sie 
mir selten vorgekommen ist/ 

26) Dr. Schubert (Nürnberg) ist für facultative Ein- 
fiihrung. „In der Privatpraxis war in einigen Fällen Crede 
gegeben worden, ohne daß Blennorrhoe verhütet wurde, 
wohl durch spätere Neuinfection durch die Finger der 
Mutter oder der Wärterin. Nachteüe sah ich niemals." 

26) Prof. Laqueur (Straßburg): „Die Crede'schen 
Tropfen geben zwar eine fast absolut sichere Prophylaxe, 
aber man braucht ihnen nicht alle neugeborenen Kinder 
zu unterwerfen. Dagegen empfehle ich das Verfahren 
dringend, 1) wo starker Fluor bestand, 2) wo ältere öe- 
schwister Blennorrhoe hatten imd 3) bei vorzeitig Geborenen 
und sehr schwächlichen Früchten und solchen mit Lues 
congenita. — Nach den Credi 'sehen Tropfen wurde in 
meiner Klinik niemals ein bleibender Schaden, auch 
nicht einmal eine längere Beizung der Augen beob- 
achtet.*^ 

27) Prof Schleich (Tübingen): „Facultative Ein- 
filhrung ist anzustreben. — Ich habe nie einen Fall erlebt, 
in dem bleibender Schaden bewirkt worden wäre." 

28) Dr. M eurer (Wiesbaden): „Ich halte möglichst 
allgemeine Einführung für geboten, obligatorisch aber nur 
in Anstalten und event. in der Armenpraxis. — Dauernder 
Schaden ist mir nicht bekannt geworden.** 

29) Prof. Pagenstecher (Wiesbaden): „Ich bin gegen 
die obligatorische Einführung von Cred6, möchte aber, 
soweit dies überhaupt möglich, die obligatorische Einführung 
einer gründlichen Reinigung der Augen imd des Conjunctival- 
sacks mit lauwarmem Wasser und Seife befürworten. 
(Vgl. 36. Jahresb. der Augenheilanst. in Wiesbaden 1890.) 
Gegen die facultative Einführung von Crede habe ich 
nichts einzuwenden." 

30) Prof Goldzieher (Budapest): „Ueber Cred^'s 
Methode sind in erster Linie die Leiter geschlossener An- 
stalten, öebärhäuser, zu urteilen berufen. Unter unseren 
Verhältnissen halte ich die obligatorische Einführung nicht 
für zweckmäßig; gegen die facultative habe ich kein Be- 
denken. — Mir ist überhaupt kein Fall bekannt, in dem 
das Auge durch Cred6 Schaden genommen hätte; ich kenne 
im .Gegenteil viele Fälle, in denen das Verfahren angewendet 
wurde, ohne daß die Au^en Schaden litten und Blennon-höen 
ausblieben, auch bei Kmdem, deren Geschwister an Blen- 
norrhoe gelitten hatten. Das bezieht sich natürlich nur 
auf meinen Wirkungskreis, der ein städtischer ist und 



— 79 — 

dessen poliklinisches Material selbst sich aus bürgerlichen 
Kreisen recrutirt." 

81) Prof. Schulek (Budapest): ^Ftir Gebäranstalten in 
allen Fällen, fiir die Privatpraxis nur facultativ. Es ist 
mir nie ein Fall von bleibendem Schaden vorgekom- 
men." 

32) Dr. Her zum (Tetschen): ,,Ich würde mich fiir 
facultative Einfiihrung entscheiden ; doch halte ich die Heb- 
ammen auf dem Lande für nicht fähig, dies zu besorgen.'' 

33) Dr. Herrn heiser (Prag): „Ich bin für facultative 
Einfiihrung. — Ich habe noch keinen Fall von dauernder 
Schädigung gesehen." 

34) Dr. Adler (Wien): „Die Methode sollte in An- 
stalten obligatorisch durchgeführt werden; die Hebammen 
soUen bei jeder Erkrankung einen Arzt zuziehen. Es muß 
Anzeigepflicht eingeführt werden, ferner Belehining, event. 
bei der Geburt eines zweiten Kindes ärztliche Hilfe, event. 
fitr Arme gratis. Den Aerzten kann man absolut nicht 
zumuthen, obligatorisch eine Behandlung auszuüben. Es 
würde dies zur Erschwemng der Stellung des ohnehin schon 
schwergeprüften ärztlichen Standes führen und könnte bei 
gerichtlicnen Anständen zur Verurteilung durch den Richter 
führen; aber gerade die unanständigen Aerzte können sich 
durch eine Notlüge, sie hätten den Tropfen verwendet, 
helfen; man kann ihnen ja das Gegenteil nicht nachweisen. 
— Mir ist kein Fall von bleibendem Schaden Vorgekom- 
men, und ich halte dies auch nicht für möglich, wenn 
die Application sachgemäß erfolgt." 

36) Dr. Fick (Zürich): „In Gebärhäusem sollte der 
CredÄ'sche Tropfen obligatorisch sein. Bei Privatent- 
bindungen sollte er nur angewandt werden, wenn Blen- 
norrhoe oder wenigstens Verdacht auf Blennorrhoe der 
Geburtswege vorhanden ist. Wo das nicht der Fall, ge- 
nügt sorgfältige Waschung der Lider und Ausspülung des 
Bindehautsackes mit Sublimat 1 : 6000. — Der einzige Fall, 
bei dem ich die Folge des Credi' sehen Tropfens zu beob- 
achten Gelegenheit hatte, ist jetzt in meiner Behandlung. 
Kind von 4 Tagen, das eine Auge ausgesprochen blennor- 
rhoisch, das andere intact. Auf dem gesunden Auge 
C red 6 'scher Tropfen. Am nächsten Tage hier deutliche 
Eiterung. Parceque oder quoique? Wer kann das wissen?" 

36) Prof. Halten hoff (Genf): „In Anstalten obli- 
^torisch, bei privaten Geburten nur facultativ, je nach 
Umständen. (Scheidensecretion etc.)** 

87) Prof. Dover (Leyden): „Es sollte facultativ ein- 
geführt werden. — Ich habe- nie einen Fall von bleibendem 



— 80' — 

Schaden gesehen, nicht einmal von vorübergehendem 
Schaden." 

38) Prof. Pflüg er (Bern): „Facidtativ leistet die 
Methode gute Dienste, wo Gonococcen bei den Elteni be- 
kannt. Das Obligatorium ist imnötig, weil rigorose Rein- 
lichkeit ebenso viel oder mehr leistet. ** 

39) Prof. Snellen (Utrecht): „Sie ist anzuwenden bei 
Fluor albus. Sonst empfehle ich, die Augen mit Sublimat 
zu waschen. Nach meiner Meinung entsteht die Infection 
vielfach durch das Einreiben mit schmutzigen Schwämmen 
und Tüchern. — Von Crede's Tropfen habe ich keinen 
bleibenden Schaden erfahren. ** 

40) Prof. Weiß (Heidelberg) schreibt mir nachträgUch 
(4. Mai 1896): „Mit der prophylactischen Einträufelung — 
genau nach der Vorschlaft von Cred6 — war ich bisher 
zufrieden.'' 

D. Fflr obligatorische EinfOhrting. 

Das C rede 'sehe Verfahren wünschen folgende 39 Aerzte 
obligatorisch einzuführen. 

1) Dr. Alexander (Aachen): „Wenn vorschriftsmäßig 
und gut ausgeführt, dann ja.** 

2) Dr. Sil ex (Berlin): „Bin für obligatorische Ein- 
träufelung von Argentum." 

3) Dr. Fröhlich (Berlin): „Bin für obligatorische Ein- 
fühining.** 

4) Dr. Fränkel (Chemnitz): „Obligatorisch fiir alle 
unehelichen Geburten, bei elielichen, wenn früher Blennor- 
rhoe bei einem Kinde vorhanden, oder wenn die Hebamme 
in Erfahrung bringt, daß die Mutter an Fluor leidet. Da- 
nach zu forschen, müßte die Hebamme angewiesen werden. 
— Ueber den Tropfen gleich nach der Entbindung habe 
ich keine Erfahrung. Aber ich habe "Wochen lang bei 
einseitiger Blennorrhoe in das gesunde Auge täglich 2 pCt. 
Argentum getropft und davon nicht ein einziges Mal 
irgend welchen Schaden gesehen. Die Anzahl der ein- 
seitigen Blennoirhöen ist nicht so gering. Unter 27 Fällen 
waren 7 einseitig. In einem Falle hatte ich es unterschätzt 
im Anfange, glaubte nur etwas stärkere Conjunctivitis vor 
mir zu haben; da ich das Kind nur bei den Elteni und 
nicht bei mir sah, unterblieb die Eingießung, und nach 
2 Tagen war eine liandfeste beiderseitige Blennorrhoe da." 

b) Dr. Lasinsky (Breslau): „Ja, obligatorisch." 
6) Dr. Scheffels (Crefeld): „Obligatorisch im Bereich 
der Kassenpraxis und der Annenbehandlung. (8 Augen bei 



- 81 — 

2 Patienten kamen mit total vereiterter Cornea in meine 
Behandlung!) Facoltativ in der Privatpraxis. — Ich habe 
keinen Schaden gesehen; doch verfüge ich auch nicht 
über viele Fälle von Crede." 

7) Dr. Schneller (Danzig): „Die Anwendung faute 
de mieux soll in der gewöhnlichen Praxis der Hebammen 
obligatorisch eingeführt werden, mindestens filr die Fälle, 
in denen ein Ausfluß aus der Scheide der Mutter besteht, 
gleichgiltig, ob erwiesenermaßen bösartig oder nicht. — 
In keinem Falle sah ich bleibenden Schaden; aber ich 
habe wenige Fälle von Cred6 gesehen." 

8) Dr. A. Weber (Darmstadt): „Es sollte unbedingt 
eiogeftlhrt werden. Bei uns ist es durch hygienische Ball- 
home abgeschafft." 

9) Dr. Becker (Dresden): „Ist obligatorisch einzu- 
führen." 

10) Prof. Eversbusch (Erlangen) verweist auf sein 
Capitel über Behandlung der gonorHioischen Erkrankungen 
des Auges im Handbuch von Penzold und Stinzing 
Bd. VI, p. 109 ff. Daselbst wird für Anstalten, in denen 
die Gebärenden schon längere Zeit vor ihrer Niederkunft 
Aufnahme finden und gleich von Beginn der Geburt ab 
beobachtet werden, das Kaltenbach-Hofmeier-Küst- 
ner'sche Verfahren als ausreichend bezeichnet (also Ab- 
waschen der Lider und Auswaschen der Augen mit destil- 
lirtem oder gekochtem Wasser, Abwischen der Lider nach 
der Geburt des Kopfes mit Jodtrichlorid); ebenso bei anderen 
Geburten außer der Anstalt, die von Anfang an beobaclitet 
werden. Dagegen empfiehlt er bei Kindern, die schon 
während des Gebuiisactes oder nach der Geburt zur Be- 
handlung kommen, außerdem noch Cred^ oder Sublimat 
1 : 6000, ebenso bei protraliirten und bei Zwillingsgeburten, 
selbstredend auch dann, wenn die Mutter vorher an Gonor- 
rhoe litt, und bei vorläufigem Blasensprunge. 

Schriftlich meint Prof. Eversbusch: „Obligatorische 
Einführung, vorausgesetzt sehr genaue Unterrich- 
tung der Hebammen, halte ich für sehr segensreich. — 
Einen dauernden Schaden sah ich bis jetzt nicht." 

11) Dr. Steffan (Frankfurt a. M.): „Ich bin Anhänger 
der obligatorischen Einfiilirung für alle Fälle von Ent- 
bindungen diu*ch Hebanmien.'' 

12) Dr. Struwe (Gleiwitz): „Cred^'s Verfahren ist, 
so lange wir ein besseres nicht kennen, sehr zu empfehlen. 
— Bleibenden Schaden habe ich davon nie gesehen; da- 
gegen hat es schon Entzündungen zur Folge gehabt, die eine 
Blennorrhoe vortäuschen konnten. 



— 88 — 

13) Prof. V. Hippel (Halle): „Ja, obligatorisch." 

14) Dr. Franke (Hamburg): ^Bei genügender guter 
Vorbildung der Hebammen, worüber jede sich bei dem 
Examen auszuweisen hätte im Crede 'sehen Verfahren, halte 
ich die obligatorische Einfährung desselben fiir notwendig, 
eine Ansicht, der ich schon vor 12 Jahren im hiesigen ärzt- 
lichen Verein (siehe deutsche med. Wochenschr.) Ausdniek 
gegeben. Bei etwa eintretenden Entzündungserscheinungen 
wäre allerdings sofoi*t ärztliche Hilfe zu holen. - Bleibon- 
den Schaden habe ich nie gesehen. Allerdings habe ich 
sehr erhebliche Scliwellungszustände der Lider mit Oedem etc. 
gesehen nach Einträufelungen, welche ich selbst rite et 
lege artis gemacht habe. Dieselben, d. h. das Lidödem, 

fingen unter küldenden Umschlägen in 2— 3 Mal 24 Stun- 
en zurück.** 

15) Dr. Dürr (Hannover): „Ich erkläre mich fiir obh- 
gatorische Anwendung des Cred6*schen Tropfens. (Nach- 
träglich, nach Schluß der Tabellen, meldete mir Herr Geh. 
Rat Dürr am 10. April 189G, daß er unter 2331 Augen- 
kranken 21, also etwa 9%o Blennorrhöen behandelt hat.) 

16) Prof. Kuhnt (Königsberg): „Bin entschieden für 
obligatorische Einführung. — Habe nie bleibenden Schaden 
gesehen." 

17) Dr. Ellinger (Karlsmhe): ,, Die obligatorische Ein- 
füluimg ist notwendig.^ 

18) Prof. Völckers (Kiel): y,Bin für obligatorische 
Einfilhrung." 

19) Prof. Schröter (Leipzig): „Bin für obligatorische 
Einfiilu'ung; es muß aber den Hebammen eingeschäift wer- 
den, daß sie die Einträufehing nur einmal machen dürfen.^ 

20) Dr. Küster (Leipzig) ist für obligatorische Ein- 
fährung. 

21) Prof. V. Rothmund (München): „Ja, obligatorisch.** 

22) Dr. Seggel (München): „Icli habe im Jahre 1895 
weder im Civil, noch im Militär eine Blennorrhoe zu be- 
handeln bekommen. Hier besorgen die Hausärzte meist 
selbst den Tropfen. Ich bin fiir obligatorische Einfiihrung 
in den Gebäranstalten und Findelhäusern, fiir facultative 
in der Privatpraxis. — Mir ist kein Fall vorgekommen, in 
dem ein Auge bleibenden Schaden erfahren hätte.'' 

23) Dr. Stieler (München): „Jeder, der vom Stand- 
punkte der practiseh<^n Erfahrung und nicht nur theoretisch 
sich mit der Frage beschäftigt, muß und wird doch wohl 
auch früher oder später mit uns in die Forderung einstim- 
men, daß das Verfahren als das bisher Beste und Be- 
währteste obligatorisch eingefiihiii werden müsse. *• 



- 88 — 

Und in seinem schönen Vortrage auf dem Blindenlehrer- 
Congress in München sagt Stieler: ^Ich übe die Methode 
seit mehr als 10 Jahren bei jeder^Geburt, zu welcher t)der 
nach welcher ich gerufen werde und bin mit der Anwen- 
dung noch niemals auf irgend welche Schwierigkeiten ge- 
stoßen. — Nach diesen Erfahrungen kann ich auch nie und 
nimmermehr glauben, daß die obligatorische Einftlhrung auf 
Schwierigkeiten von Seiten des Publicums stoßen würde. 
Ich bin im Gegenteile der festen Ueberzeugung, daß die 
Maßregel hierdurch den Stempel ihrer Nützlichkeit einer- 
seits und ihrer Unschädlichkeit andrerseits aufgedrückt 
erhielte, genau so, wie dies bei den übrigen, den Hebammen 
gesetsdich vorgeschriebenen Desinfections- Vorschriften bereits 
der Fall ist.'^ 

24) Dr. Neubürger (Nürnberg): „Die Eintrftufelung 
ist, weil absolut sicher und von allen Verfahren am ein- 
fachsten und ohne Gefahr auszufiihren, obligatorisch zu 
machen und zwar in erater Linie von einem Arzte auszu- 
fiihren. Da es jedoch Verhältnisse giebt, in denen ein 
solcher nicht zu erlangen ist, sind auch die Hebanrmien- 
schülerinnen darin einzuüben. — Mir ist noch kein Fall 
von bleibendem Schaden vorgekommen. Meine eigene Er- 
fahrung ist allerdings noch genug, da ich erst seit einigen 
Jahren practicire; doch hat mir im Gespräche ein hiesiger 
Frauenarzt, der seit Jahren obiges Verfahren bei jedem 
Falle, auch in der Privatpraxis, mit bestem Erfolge ausübt, 
und es sind dies deren sicher weit über 100, die gleichen 
wie oben von mir mitgeteilten Erfahrungen berichtet.'' 

25) Prof. Wicherkiewicz (Posen): „Es ist zweifellos 
eine ganz bedeutende Abnahme der Blennorrhoe gegen früher 
auch in meinem Wirkungskreise zu constatiren, und schreibe 
ich dieses dem von hiesigen Frauenärzten consequent 
durchgeführten CredÄ'schen Verfahren zu. — Da es 
keinen Schaden verursacht, bin ich für obligatorische Ein- 
führung dieses segensreichen Verfahrens. Bis jetzt ist mir 
kein andres Mittel so keimtötend gegen Blennorrhoe als 
Argen tum bekannt; doch zweifle ich nicht daran, daß sich 
mit der Zeit noch bessere und leichter verwendbare Mittel 
finden werden.'' 

26) Prof. Berlin (Rostock): „Für obligatorische Ein- 
fiUirung." 

27) Dr. Höderath (Saarbrücken): „Für obligatorische 
Einfühnmg. Ich habe die Hebammen de48 Kreises in 
meiner Klinik vei'sammelt imd in eindringlichster Weise zu 
instmiren gesuclit. Icli habe je<le mir das Einträufrhi an 
einem Kaninchen vormachen lassen mit Wasser, und fand, 



— 84 ^ 

daß Alle, es waren 40 — 50, die Manipulation ganz gut aus- 
flihrten. Ich habe die Hebammen angewiesen, in den Fällen 
einzutropfen, in denen sie bei der Mutter weißen Fluß ron- 
statirt hätten. Weiter konnte ich nicht gehen. "• 

28) Dr. Krailshaimer (Stuttgart): „Nachdem die Fälle 
von Blennorrhoe seit Einfilhrung von Cred^^s Methode in 
den letzten Jahren entschieden seltener geworden sind, 
glaube ich, daß bei obligatorischer Einfiilirung eine weitere 
Abnahme dieser Erkrankung erzielt werden könnte.** 

29) Dr. Rudorf (Wiesbaden): Da der Nutzen erwiesen, 
und da es bewiesen ist, daß ein Schaden nicht angerichtet 
werden kann, bin ich ftlr obligatorische Einführung.'* 

30) Dr. Bäuerlein (Würzburg): „Ich bin durchaus fiir 
obligatorische Einfährung.** 

31) Dr. Schmeichler (Brunn): „Ich bin entschieden 
für die obligatorische Einfiihrung. Denn alle Falle, die ich 
in den letzten Jahren gesehen, hatten keinen Lapis be- 
kommen. Ich bin feiner entscliieden dafiir, bei geringstem 
Infectionsverdacht sofort nach der Geburt mit 2proc. Lapis 
zu touchiren. Schaden wird das gewiß keinem Kinde.** 

32) Dr. Purtscher { Klagenfurt): ,,Die event. kleinen 
Nachteile der obligatorisclien Einfiilirung wei*den zehnfacli 
und mehr durch die Vorteile derselben aufgewogen; die 
obligatorische Anwendung wäre daher anzustreben. •* 

33) Dr. Mitwalsky (Prag): „Ich bin Anhänger der 
obligatorischen Einführung.** 

34) Prof. Fuchs (Wien): „Ich bin für obligatorische 
Einfühnmg bezüglich jener Hebanunen, welche dieses Ver- 
fahren an der Schule practisch erlernt haben.** 

36) Prof. V. Reuss (Wien): „Ich würde für obligato- 
rische Einfülirung stimmen.** 

36) Dr. Herz (Wien, St. Annen-Kinderhospital): „Cred6 
unter jeder Bedingung!** 

37) Prof. Berg meist er (Wien): „Ja, obligatorisch.** 

38) Dr. Topolanski (Wien): „Gewiß obligatoiischü 
Für die Gegner die Frage: Was soll es schaden, wenn es 
auch nicht nützen würde??** 

39) Prof Haab (Zürich): „Obligatorisch. — Schädigung 
wurde nie beobachtet.** 

E. Ueberblleke Aber die Antworten. 

Ueberblicken wir die 110 Antworten, so finden wir, daß 
16 Collegen keine bestimmte Stellung nalmien, 16 gegen 
und 79 für Euifühi'ung der Cred^isirung waren, und zwar 
40 für facultative, 39 fiii- obligatorische. 



— 86 — 

Von 94 Augenärzten sprachen sirh also 16 = 16 pGt. 
gegen und 79 =: 84 pCt. für Cred6 aus. 

Die oben unter A. aufgefiihrten 6 Collegen, die kein 
Urteil fällen wollen (Hirschberg, Betke, Stölting, 
Stilling, Schweigger, Stimmel), dürfen fiiglich hier 
tibergangen werden. Ebenso die Hennen, welche nicht ge- 
nügend Fälle gesehen oder fiir ihre fast ländlichen Ver- 
hältnisse jede Prophylaxe für überflüssig halten (Ohle- 
niann, Rheindorf, Rindfleisch, Hofmann, Brun- 
huber), ferner die Aerzte, welche, olme sich gegen Crede 
auszuspi-echen , von anderen Eingiessungen (Aqua chlori, 
tibennangansaures Kali) genügend Schutz sahen (Mooren, 
Thier, Borysikiewicz) oder Austupfung des Bindohaut- 
sackes wünschen (v. Michel). Auch die theoretischen, aller- 
dings fein begründeten Bedenken Gräfe 's dürften bei der 
rein klinischen Kritik nicht erörtert werden. 

Dabei ist immerhin bemerkenswert, daß die 3 Aerzte, 
welche meine diesbezügliche zweite Frage überhaupt be- 
antworteten, die Herren Mooren, Thier und Gräfe 
schreiben, dal* sie nie bleibenden Schaden von der 
Credeisimng gesellen haben. 

Wichtiger ist die Kritik der 15 unter B. gesammelten 
Antworten, welche sicli gegen Crede aussprechen. Die 
Motive <h*eser Aerzte müssen betraclitet werden. 

Steinheim, Fischer und Braunschweig erwähnen, 
daß sie die Krankheit sehr selten sehen und darum Vor- 
beugung fiir nicht nötig halten. Die meisten anderen Aerzte 
sehen sie ja aber häufig; Prophylaxe ist also nötig. Uebrigens 
erklärt auch Fischer das Credeisiren fiir unbedingt nütz- 
lich in geschlossenen Anstalten. 

Gegen das Verfaliren erklären sich Ferge, No-bis, 
Pautinsky, Braunschweig, Leber, Samelsohn, Lam- 
hofer und Uhthoff hauptsächlicli wegen der Unge- 
schicklichkeit der Hebammen. Sie fiirchten, daß in 
den Händen derselben Verletzungen <les Auges entstehen 
können. Die Möglichkeit dieses „Könnens" läßt sich freilich 
nicht bestreiten. Allein ich bemerke, daß auch diese Herren 
auf directe Anfmge bestätigten, sie hätten nie einen 
bleibenden Seil ade n von Cre<le gesehen. Wir müssen 
aber docli nicht mit MöglichkeitfMi, sondern mit Thatsachen 
rechnen; der Einwand ist also gewiß nicht stichhaltig, zumal 
ja, wie viele Frauenäizte bestätigen, die Hebammen durch 
guten Unterriclit und strenges Examen zur richtigen Aus- 
führung des kleineu Handgriffs erzogen werden können. 

Voss ins und Ran soll off sind gegen die Methode, 
weil leichte Reizzustände uimötigei-weise gescliÄffen werden» 



— 86 — 

Das Letztere ist richtig; allein ich meine: lieber ein leichter 
Reizzustand, als eine Ueberraschung durch Blennorrhoe. 

Der Umstand, den Klein entgegen liält, daß die Krank- 
heit, rechtzeitig und richtig behandelt, stets geheilt wird 
(eine Ansicht, die auch Schmidt-Rimpler und Hosch 
teilen), darf doch die Prophylaxe nicht überflüssig erscheinen 
lassen. Wozu wochenlange Behandlung, Kummer mid 
Kosten, wenn man die Krankheit überhaupt verhüten kann! 
Und wie oft kommen die Kranken zu spät trotz aller 
Belehrungen! Uebrigens giebt es, wenn auch selten, doch 
Fälle, wo die erfahrenste Hand die Blennorrhoe nicht ohne 
B>e8te heilen kann. Man vergleiche nur oben S. 28 die 
letzten Colonnen der Tabelle IV. Mit der Ansicht, daß der 
Tropfen die Krankheit nicht verhütet, steht Klein völlig 
isolirt. Tausend sichere Beobachtungen sprechen dagegen. 

Somit bleiben von den 15 Aerzten nur 2 übrig, deren 
Beobachtungen wirklich gegen Crede sprechen oder 
richtiger auch nur zu sprechen scheinen. 

Wilbrand erzählt, daß er bei zwei Kindern in einer 
Woche beide Hornhäute macerii-t gesehen habe, nachdem 
der Hausarzt Höllensteinlösung eingegossen habe. Das ist 
gewiß eine äußeret seltene Beobachtung mid deutet darauf 
hin, daß der Hausarzt wohl mehi* als ein Tröpfchen ge- 
geben haben wird. Etwas Aehnliches berichtet ja auch 
Förster (vgl. oben S. 73) von einem Falle'*), wo „durch 
allzu energisclie Anwendung^ von 2proc. Argentum- 
lösung beide Corneae gelbweiß geworden waren, und von 
demselben Falle schreibt Wolfberg (vgl. oben S. 74), daß 
„durch übertriebene Anwendung des Argentum nach 
3 Monaten noch Hornhautflecke" zumckgeblieben waren. 

Jedenfalls sprechen solche Ausnahmefälle gegenüber 
den unzähligen ohne Schaden verlaufenen doch nicht gegen 
die Methode, sondern nur gegen die ausnahmsweise 
schlechte Technik. 

Was die Beobachtungen von Hosch über die vielen 
recht heftigen Conjunctivitiden in der Frauenklinik zu 
Basel anlangt, so scheint hier die gleiche Ursache vorzu- 
liegen. Ich werde hierbei erinnei-t an die miten (S. 94) 
citirte Mitteilung Leopold's, der, als eine Anzahl auffallen- 
der Lidschwellungen und Catarrhe in der Anstalt vorkam, 
feststellte, daß die Hebammen statt eines Tröpfchens 3 bis 
6 Tropfen eingegossen hatten. Bei sorgsamer Cred^isi- 
rung aber kamen die Fälle nicht mehr vor. Wer zu jener 



**) Noch von einem zweiten Falle erzählte Förster bei der De- 
batte in der Sitzong der med. Abth. am 19. Juni d. J. 



- 87 — 

Zeit, als Hose h die Kinder in Basel beaugenspiegelte, ein- 
gegossen, ob Hebamme, Assistent oder Student, war ja 
nicht mehr festzustellen. 

Ho seh sehreibt, daß ihm ein Kind am 3. Tage ganz 
besondei-s „durch die starke Schwellung der Lider und 
durch das reichliche, mehr gelbrötliche Secret auffieP. 
Nun giebt es aber beim Argen tum-Catarrh niemals gelb- 
rötliches, sondern, soviel ich gesehen, nur dümies, helles 
Secret. Schon daraus mußte gefolgeiii werden, daß bei 
jenem Falle vom Argentum nichts in's Auge gekommen 
sei, sicli vielmehr eine Bleimorrhoe entwickle, wie es sich 
auch am nächsten Tage herausstellte. Solche Fälle müssten 
natürlich sogleich isolii*t werden. Wäre diese Beobachtung 
nicht eine sehr seltene Ausnahme, so würde Prof. Fehling, 
der ja gei*ade in Basel und dann in Halle alle Kinder 
credeisiren ließ, sich nicht so energisch in seiner neuesten 
VeröflFentlichung (siehe unten S. 92) für die Methode aus- 
sprechen. Uebrigens hat auch jenes Kind keinen dauern- 
den Sehaden zurückbehalten. 

Also bleibt von allen 16 Gegnern der Methode nur 
Wilbrand übrig, der 2 Hornhauterkrankungen nach Credei- 
siren sali, — und hier hatte iiiclit eine ungeschickte Heb- 
amme, sondern ein Hausarzt eingegossen, Niemand weiß 
freilich, wie viel. 

Und diese zwei Fälle sollten gegen die Einführung 
der Methode sprechen? — Würde man die aseptische Wund- 
behandlung darum nicht empfehlen, weil in ganz wenigen 
Fällen, wo sie schlecht gemaclit wurde, doch eine Eite- 
rung eintrat?! — 

Vierzig Augenärzte sprachen sicli für facultative 
Credeisining aus, und zwar betonen 12, daß sie in Anstalten 
durchaus eingeführt werden müsse (Sämisch, Nieden, 
Wolffberg, Maiiz, Schirmer, Wagenmann , Sattler, 
Meurer, Schulek, Adler, Fick, Haltenhoff). 

Fünfzehn CoUegen wollen das Verfaliren nur bei er- 
wiesener Gonorrhoe oiler Leucorrlioe oder bei Verdacht darauf 
in der Privatpraxis anwenden lassen (Nieden, Förster, 
Landsberg, Scliläfke, Wallerstein, Lucanus, 
Sclunidt-Rimpler, Oehrens, Schreiber, Bahr, La- 
queur, Fick, Haltenhoff, Pflüger und Snellen). — 
Auf die Notwendigkeit des Cred^isirens, wenn ältere Ge- 
schwister Bhiimorrlioe hatten, weisen Nieden und La- 
(|ueur besonders hin; Letzterer empfiehlt es auch bei Früh- 
g(»burten, bei sehr scliwadien und luetischen Kindern. 

Die übrigen IH Aerzte spr*Mlien sich über die Umstände, 
unter denen sie die facultative Einführung wünschen, nicht 



— 88 — 

aus*, doch" ist wohl anzunehmen, daß aufh sie die Gonorrhoe 
und Leucorrhoe der Mutter un<l die Bh^inorrhoe älterer 
Kinder für Indicationen betrachten. 

Nur Förster und Wolffberg bemerken, wie schon 
oben (S. 73) ei-wähnt, daß sie in einem und demselben Falle 
durch allzuenergische Anwendung des Argentum die 
Hornhaut leiden sahen, undNieden fand durch fehlerhafte 
Anwendung Zuweilen doch Reizungen der Bindehaut mit 
Tage lang andauernder Secretion, auch Erosionen des Binde- 
hautepithels mit oberflächliclien Sugillationen infolge mecha- 
nischer Verletzungen; aber nie beobiuhtete er dauernden 
Schaden. Dagegen betonen 26 CoUegen von den 28, die 
überhaupt die Frage beantworteten, daß sie niemals dauern- 
den Schaden sahen; Mooren und Adler halten einen 
solchen bei richtiger Application sogar fiir unmöglich, Dover 
erwähnt, daß er nicht einmal vorübergehende, Laqueur, 
daß er auch nicht eimnal längere Reizung gesehen habe. 
Schmidt-Rimpler fand stärkere Conjunctividen; Schrei- 
ber hingegen meldet, daß er weder in seiner Anstalt, noch 
im Magdeburger Heb am meninstitut, in dem seit Jahren 
jedes Kind credeisiit wird, auch -,mu' die geringsten Nach- 
teiligen Folgen oder gar einen bleibenden Schaden" habe 
beobachten können. 

Schon aus diesen entgegengesetzten Mitteilungen der 
Autoren folgt, daß nicht die Methode, sondern nur der 
Modus schaden kann. 

Dieser Ansiclit huldigen ja aucli <lif oben genannten 
39 Aerzte, welche die Methode obligatorisch eingeführt 
wissen wollen. Freilich wünsclien einige von ihnen (Frän- 
kel, Sclieffel und Seggel) die obligatorisclie Ausführung 
nur bei unehelichen Kindern, bei früheren Blennorrhöen 
älterer Kinder, bei Fluor, in der Kassen- und Armen-Praxis, 
und gestatten fiir die Privatpraxis facultative Anwendung. 
Eversbusch und Fuclis setzen bei obligatorischer Ein- 
fiihnmg eine gute Vorbildimg und strenge Prüfimg der 
Hebammen in der Technik voraus. Darin kann man ihnen 
nur beipflichten. Höderath ließ sogar die Hebammen des 
Kreises in seine Klinik kommen und unterrichtete sie. Er 
ließ von jeder das Einträufeln an einem Kaninchen mit 
Wasser vornehmen und fand, daß alle 50 die Manipulation 
ganz gut ausfiilirten. 

Die 39 CoUegen, welche obligatorische Credeisirung 
wünschen, können ja keinen bleibenden Scliad^n gesehen 
haben; es bemerken dies aber noch ausdiücklich Scheffels 
Schneller, Eversbusch, Struwe, Franke, Kuhnt 
Seggel, Neubürger und Wicherkiewicz. (Allerdings 



- 89 — 

!<rhreibl Struwe tlnbei, «laß er Entztindungon danacli ge- 
sehen habe, welche Hlennorrhoe voi-täusrhen konnten, und 
Franke, daß er erhebliches Oedein der Lider beobachtet 
habe in Fällen wo er selbst i-ite et lege artis eingetropft 
hatte, ein Oedein, das aber auf kalte Umschläge nach 2 bis 
3 Tagen vei-schwand.) 

Jedenfalls folgt aus der vorliegenden Enquete, daß die 
übergroße Mehrzahl der Augenärzte (84 pCt.) für Credeisi- 
rung sind und daß von den 47 Aerzten, welclu» die Frage 
beantworteten, 40 versichern, bei richtiger Ausführung der 
Methode keinen bleibenden Schaden gesehen zu haben. 



IX. Die Anwendung des Credöisirens in den 
Univ ersitäts - Frauenkliniken. 

Schon in der Einleitung (S. 2 un<l 6i wurde mitgeteilt, 
daß die Commission der medicinisclien Abteilung der schlesi- 
schen Gesellschaft am 2. März 1895 außer (Ut Sammel- 
forschung in den Augenkliniken, die sie mir übertrug, auch 
beschloß: 

„Es soll eine gi-ößere Enquete über dns Vorkommen 
der Blennorrhoe in Deutschland und Oesterreich -Ungarn 
durch Umfi'age bei den Directoren d(M* Gebäranstalten 
und insbesondere auch «ler geburtshilfliclien Kliniken 
vorgenommen werden; Herr Med.-Rat Prof. Dr. Küstner 
übernimmt die Fassung und Versendung der Zuscluift.** 
(Jahresber. f. 1895, S. 61.) 

Bisher ist jedoch von HeiTU Prof. Küstner kein Be- 
richt erstattet worden, und er hat seinen Austiitt aus der 
Commission am 12. Mai 1896 mitgeteilt. Da es mir aber 
namentlich in Rücksicht auf die im Schlußcapitel vorge- 
schlagene Petition an <h»n Herrn Unterriclits-Minister wichtig 
schien, zurVei'vollständigung meiner Arbeit auch Ehiiges über 
die jetzige Verbreitung derCrede'schen Methode in den 
Frauenkliniken und über die Berücksichtigung der Me- 
thode als Prüfungsgegenstand zu ei-fahren, so wendete icli 
mich, während bereits diese Brochure iniDiuck war, selbstver- 
ständlich nur als Privatmann (nicht, wie bei der Befragung 
der Augenärzte im Auftrage der medicinisclien Abteilung), 
mit einer Anfrag«» an die L(M*ter all(M' «hMitsclien Universitäts- 
Frauenkliniken, mit Ausnahme «les Herrn Med.-Rat Kttst- 
ner, der ja seinen ablehnenden Standpunkt in der Debatte 



— 90 - 

am 1. Februar 1895 (siehe Jahresbericht, 8. 33) selbst und 
durch seinen Assistenten Herrn Dr. Keilmann schon deut- 
lich ausgesprochen. (Vgl. oben Cap. V.) 

Ich schrieb also am 22. Mai 1896 an 20 Directoren 
der deutschen Universitäts-Fiauenkliniken folgenden Brief: 

„Hochverelnler Herr Geheimer Rat! 

Mit dem Abschluß einer Brochure über Verbreitung 
und Verliütung der Blennorhoea neonaturum beschäftigt, 
möchte ich gern ei-fahren, ob die geehrten Directoren der 
Universitäts-Frauenkliniken 1) Crede's Methode stets an- 
wenden, und 2) ob sie sich beim Staatsexamen den Hand- 
giiff von den Studenten zeigen lassen. Vielleicht darf ich 
Sie um die Gefälligkeit ei'suchen, mir auf beiliegender Post- 
karte zu 1) und 2) nur „Ja** oder „Nein" zu schreiben. 

Natürlich würde ich auch sehr dankbar sein fiir event. 
weitere Mitteilungen, die ich bei der Sammelforschung ver- 
öffentlichen dürfte. 

Mit vorzüglicher Hochachtung 
eigebenst 

H. G.^ 

Hierauf erhielt ich von allen Herren Antworten, außer von 
Herin Prof. Hofmeier in Wüizburg. Diese Antworten teilte 
ich in der Sitzung der med. Abteilung am 19. Juni d. J. mit. 

Die 19 Herren beantworteten meine Fragen, wie in 
Tabelle VII, Seite 91 angegeben. 

Ausfülirlich haben sich neun Directoren ausgesprochen, 
und zwar sclireibt Hen* Prof. Fiitsch (Bonn): „Ich bin 
ein begeisterter Anhänger des Cre de 'sehen Verfahrens. 
Mögen Andere mit den Augen des Mensolien Ex- 
perimente machen, um Besseres als das Gute zu 
finden! Icli halte mich dazu fär nicht genug sach- 
verständig. 

„Ich habt; constatiren können, dali das Crede'sche Ver- 
fahren vortrefflicli ist. Bei mir ist bei 620 Geburten 
nur ein Fall von Blennorrhoe im Jahre vorgekommen; in 
einem andern Jahre bei 510 Geburten kein Fall. Damit 
bin icli zufrieden. 

^Die Studenten lernen chis Verfahren; ich verlange es, 
dali sie es können. Ich werde es jetzt auch mi Examen 
verlangen. Geschah «lies bis jetzt nicht, so war es des- 
halb, weil icli wußte, daß die Studenten das Verfahren 
sehr oft und sein* gut selien, und «laß wohl Niemand 
Pra<'tikant war, der es nidit ♦> — 10 Mal selbst ausübte. 

„Wenn Jemand, z. B. ein Assistent, wirklich etwas von 



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~ 92 - 

Aug*Mi vorstellt, woiin ich z. B. einen Oplitlialmologen oder 
(ivnäkologfMi imstdlte, und wenn mich dieser bäte, auf 
seine Verantwortung hin das Verfahren abzuändern, so 
würde ich — unter (leni Vorbehalte, daß er mehr als ich 
davon verstände — ilun die Abänderung erlauben. So lange 
aber dies nicht der Fall ist, halte ich mich nicht für berech- 
tigt, mit etwas so Wertvollem, wie das menschliclie Auge, 
zu experimentiren. Ich bleibe also bei (Umu anerkannt 
Richtigen und Guten stellen. Das ist mehi Standpunkt.*^ 

Herr Prof. Runge i(TÖttingen) schreibt: ^Resultat 
absolut sicher." 

Herr Prof. Pernice (Grcifswald) schreibt: „Seit der 
Publikation von Crede habe ich gegen die früher sehr 
häufig vorkommen(h3n Blennorrhöen nur2proc. Höllenstein- 
lösung nach Crede's Vorsclirift angewandt, und da ich die 
vortrefflichsten Erfolge hatte, auf alle übrigen 
Methoden, die l)los unbetjuem und unsicher waren, 
verziclit«*t. Heut nocli wird das Verfahren mit demselben 
Erfolge angewandt. Die Cursisten machen die Einträufelung 
nirlit. Jeder Practikant behandtdt aber nach der Geburt 
«las bet reifende Kind unter Aufsicjit des Assistc^nten ^ 

Herr Prof. Fehling i Halle i schreibt: 

^Ich wende stets Crede's Methodt» an, lasse sie ge- 
legentlirh ])fi t\ov (ieburt aueh von den Stu<lirenden aus- 
fiiiuN'n, prüfe aber nicht darüber. Der Gedanke ist aber 
>«'hr rirliti«x und irli werde »'s von jetzt ab auch 
geb'grnt li eil thun. Ich bin sehr gespannt auf die Er- 
gebnisse Ihrer Sannnelforschung und hoffe, daß dieselbe dazu 
b»'it ragen wird, die n\it Unrecht so rasch verlassene Me- 
thode wieder ])()puliirer zu machen.^ 

Icli füo;e hier an, was Fehling schon 1895 in der 
Miinchenei* med. Wochenschr. No. 19, S 1142 geschrieben: 

pDcm Kin<le der (TOnorrhoiseln'U soll unbedingt ohne 
Au-«nalnnc die Wohlthat der prophylactischen Einträufelung 
ha( h Cred«'. zu Teil werden. Hieses so einfache Verfahren 
kann auch die Hebannne ausfuhren. Es ist dies weit 
b»'>^ser. als wenn dei- richtige Zeitpunkt verpaßt wird, bis 
'\rv Ar/t konnni. Ks ist itiir nnertindlich, dal.» Aerzte immer 
wicdirdas alte Klagelied anstimmen, dal.» die Hebammen 
dievrn kleinen Hand<:ritf ni< lit ausführen könnten. 

«Vertrauen wir ihnen <lneh ganz andere Eingriffe ndiig 
an. P^lner meiner As^i>tenten Köstlin) hat gezeigt, daü 
die ^.'rilli nit en Krf«»li:e anderer Methoden sich eben 
d«w ii ni« Itt mit den ( ' red e'st'hen messen ki'mnen un<l man 
daii.r h»<-er tlnit. auch in der Privat praxis sich dieser 
z;:v« ilä--igeu ileUmde zu bedienen.** 



— 93 — 

Herr Prof. Wertli (Kiel) sclu'eibt: »Da die Studenten 
bei jeder Geburt die einfache Manipulation der Argentum- 
Einträufelung mit anselien, liabe ich es bisher nicht fiir 
nötig gehalten, beim Examen mir die Sache selbst vormachen 
zu lassen. Vielleiolit würde es aber doch zweckmäßig sein, 
dies zu thiui.^ 

Herr Prof. Alilfeld (Marburg) sclireibt: „Ich wende 
die Einträufelungen zur Zeit regehnäßig an, weil es von 
oben her für den Unterricht der Hebammen so angeordnet 
ist. Damit jede Schülerin an die Reihe kommt, werden 
auch bei Kindern nicht-gonoirhoischer Mütter die Ein- 
ti-äufelungen vorgenommen. Die bei der Geburt anwesen- 
den Practikanten liaben also alle Gelegenlieit, das Verfahren 
zu sehen. — Im Staatsexamen habe ich nur den Handgriff* 
nicht vormachen lassen, wie wir ja auch niclit alle kleinen, 
filr den Ai-zt notwendigen Manipulationen im Examen aus- 
führen lassen. 

„Zahlreiche zu diesem Zwecke angestellte Vei-suche 
liaben mich gelehrt, daß den Hebanmien des platten Landes 
die Einträufelung meist nicht gelingt. Zum Teil stellen <lie 
Versuclie, den Handgriff* auszuführen, eine entsetzliclie 
Maltraitation der Augen dar, und ich kann mir wold denken, 
daß manches Kind erst von der Xägeln «ler Hebamme aus 
erki*ankt. 

„Bedenkt man noch die Fragwürdigkeit der Lösung, 
die unter Umständen 1—2 Jahre gebraiu'ht und nicht er- 
neuei-t worden ist, so sollte man sich in der That über- 
legen^ ob <las Verfahren ein zweckdienliches genannt werden 
kann." 

HeiT Prof. Hegar (Preiburg) schreibt: „Auswaschen 
mit sterilem Wasser. Höllensteinlösung nur bei Anwesen- 
heit von Gonorrhoe der Schwangeren. Technik von Crede 
ei^scheint uns nicht zweckdienlich; nehme Pipette. Winl 
den Studirenden nur demonstrirt.** 

Herr Prof. Kehrer (Heidelberg) schreibt: ^Wie Sie 
in der Notiz über prophylactische Augenätzungen bei Neu- 
geborenen in „Kehrer's Beiträgen zur klhiischen und 
experimentellen Geburtskunde" II, 3. Heft, S. 346, erselien 
können, habe ich von 1873 — 1881, lange vor Cre<le, 
Iproc. Lapisätzungen bei Kindern von gonorrhoischen Per- 
sonen prophylactisch angewandt; seit 1881 wurde, von 
vorübergehenden Abweichungen abgesehen, die Crede 'sehe 
Einträuielung bei allen Neugeborenen vorgenommen und 
den Studenten demonstriii. Von den Examinations-Candi- 
daten lasse ich die Methode niclit demonstriren." 

Herr Prof. Zweifel (Leipzig) schreibt: „Wir wenden 



— 94 — 

Crede an, aber wir machen seit Langem Versuche mit 
anderen Verfahren, über welche wn- ausflilirlich noch be- 
richten werden. Vgl. mein Lehrbuch 4. Aufl." 

Eine andere Mitteilung von Prof. Zweifel findet mau 
oben im Cap. VTII, 8. 76 in der Zuschrift an Prof. Sattler. 
Dort heißt es: „Für die Anstalten gebe es keine bessere 
Prophylaxe." 

Herr Prof. v. Winkel (Münclien) berichtete an Hofrat 
Stiel er (siehe Verhandl. des 8. Blindenlehrer-Congresses in 
München 1895, S. 74), daß er durchsclmittlich in den letzten 
fünf Jalirea 4 %o Blennorrhöen mit Credeisinuig hatte, wäh- 
rend er im Jahre 1894 bei einem Vei*suche, auf das Argen- 
tum zu verzichten und nur scrupulöseste Reinlichkeit ein- 
treten zu lassen und die Augen sofoiii nach der Geburt mit 
Aqua (lest, auszuwaschen, in zwei Monaten sechs Fälle von 
Blennorrhoe zu beklagen hatte. 

An diese Briefe der Leiter von Univ.-Frauenkliniken 
fiige ich noch eine Mitteilung des Hen-n Geh.-Rat Prof. Dr. 
Leopold, Director der Entbindungsanstalt in Dresden. 
Dei-selbe schrieb mii* am 4. Februar 1896: 

„Ich bin so sehr mit anderen Arbeiten überhäuft, daß 
ich jetzt an die Statistik nicht denken kann. Je^lenfalls, 
habe ich mit Crede's Verfahren die ausgezeichnet- 
sten Resultate und bin froh, daß es existirt, habe 
nacli irgend einem anderen kein Verlangen. Die 
sogenannte künstliche Conjimctivitis danach ist eine 
Phantasie oder beruht darauf, daß Cred^'s Verfahren 
nicht ganz genau nach seinen Vorschriften ausge- 
ftlhrt ist." 

Einer mündlichen Mitteilung zufolge fand der genannte 
Forecher, als er die Anstalt in Dresden übernahm, enoime 
Lidschwellungen und Catarrhe bei den mit Argentiun be- 
handelten Kindern vor. Es zeigte sich, daß die Hebammen 
statt eines Tropfens 3 — 5 Tropfen enigegossen hatten! 
Sobald nur ein Tropfen gegeben wurde, trat keine Schwel- 
lung mehr auf. Dieser Wink verdient die allgemeinste 
Beachtung. 

Auf eine im April erneute Bitte um die Statistik 
schreibt Geli.-Rat Leopold: „Ich habe mehr als einmal 
Reihen von 1000 nach einander Neugeborenen in meiner 
Klinik gesehen mit Anwendimg des Crede'schen Tropfens 
ohne einen einzigen Fall von Blennorrhoe. Kam eine Blen- 
norrhoe vor, so ist bis jetzt jedesmal ein Fehler in der 
Ausführung nachweisbar gewesen. Die sogen, künst^ 
liehe Conjunctivitis kennen wir hier nicht, da wir das Ver- 
fahren genau nach Crede ausfiihren." 



— 95 — 

Schließlich sei hier noch die neueste Statistik von 
Boudin in Paris erwähnt (Progr^s medical, 1895). Da 
er nach Crede große Schwellungen fand, das Argentum 
aber für das beste Mittel hält, so gab er es in 0,7proc. 
Lösung (1 : 160), und zwar 1 — 2 Tropfen in's Auge bald 
nach Unterbindung der Nabelschnur. Freilich waren vor- 
her Ausspritzungen der Scheide mit Snbliraat 1 : 4000 ge- 
macht worden. Bei 2004 Gebui-ten von 1891—1894. hatte 
er dabei nur 2 Blennorrhöen und 7 secundäre Conjunctivi- 
tideu. Der eine Fall von Blennorrhoe trat auf, da die 
Hebamme bei gleichzeitiger Entbindung mehrerer Frauen 
vergessen hatte, die Lösung einzugießen. Also 1 y^^ oder 
eigentlich 0,5 ^/^^ Blennon'hoe. 

Die secundären Catarrhe waren sehr leicht und heilten 
durch Naphthol- und Argentumhmung. Sie traten am 6., 
7. und 14. Tage auf und gaben also *^.^%o- 

Boudin empfiehlt daher diese abgeschwächte Argen- 
tum-Lösung 1:160. Ich erinnere aber daran, daß Crede 
ausdrücklich betont hatte, schwächere Lösungen als 2proc. 
seien nicht sicher. Vielleicht wirken sie auch nicht, wenn 
nicht die Scheide vorher desinficirt worden, und das ge- 
schieht doch heut nicht mehr immer. 

Ueberblicken wir nun die Mitteilungen der 19 Directoren 
der Universitäts-Frauenkliniken, so sehen wir, daß 17 stets 
cred^isiren, He gar aber nur bei Gonorrhoe der Mutter und 
Schatz stets in der Klinik, dagegen in der Poliklinik nur 
bei verdächtigen Fällen. 

Als begeisterte Anhänger des Verfahrens fiir alle 
Fälle zeigen sich Fritsch, Fehling, Werth (der das 
Besultat als absolut sicher bezeichnet), Pernice und 
Leopold. 

Unter den preußischen Professoren wendet Ahlfeld 
das Verfahren nur an, weil es von oben her fiir den 
Hebammen -Unterricht vorgeschrieben ist. Er betont aber 
die Ungeschicklichkeit der Hebammen des platten 
Landes und fürchtet, daß durch die Nägel derselben das 
Auge des Kindes gefährdet werden könne. Die anderen 
Directoren sind jedoch nicht von gleicher Besorgnis erfiUlt; 
namentlich bekämpft Fehling dieses „alte Klagelied". 

Auch hält Ahlfeld das Verfahren für nicht zweck- 
dienlich, weil die Höllensteinlösung nicht haltbar ist und 
doch 1 — 2 Jahre gebraucht wird. Ich werde im Schlußcapitel 
diesen Einwand widerlegen und ein Fläschchen mit einge- 
riebenem Stöpsel-Glasstab beschreiben, hi dem die Lösung 
sich nicht zersetzt. Uebrigens zerstöii ja die 2proc. Höllen- 
steinlösmig selbst alle Keime, die etwa hineiiigekominen. 



— ge- 
während Hegar die Technik von Crede wegen des 
(xlasstabes verwirft nnd statt dessen eine Pipette nimmt, 
so bin ich gerade entgegengesetzter Ansicht. Mit der Pipette 
können 1) viel leichter als mit einem unten abgerundetem 
(xlasstabe Verletzungen des Auges von einem Ungeschick- 
ten hervorgerufen werden, und 2) viel eher zwei oder mehr 
Tropfen in\s Auge gebracht werden, als mit dem Glasstab, 
an dem eben nur der einzige, gewünschte Tropfen hängen 
bleibt. — 

Historisch interessant ist es, daß Prof. Kehrer in 
Heidelberg schon acht Jahre vor Crede den Kindern der 
Gonorrhoischen eine Iproc. Lapislösung eingoß. Die meisten 
Professoren geben wie Crede 2proc. Lösung. 01s hausen, 
der früher Zincum suKo-carbolicum nahm, ist zu l,6proc. 
Höllensteinlösung zurückgekehrt; Gusserow nimmt Iproc, 
Bond in nur 0,7proc. Aigentum. — 

Die Frage, ob der Handgi'iff im ärztlichen Staats- 
examen gepiüft wird, beantwoi-tete um* Dohrn mit „Ja", 
Runge, Schatz und Prommel mit „Zuweilen*'. Fritsch, 
Fehling (der den Gedanken für sehr richtig hält) un(l 
Weith werden den Handgriff von jetzt ab piüfen. 

Die Herren Gusserow, Fritsch, Pernice, Fehling, 
Hegar, Kehrer und Schatz teilen ausdrücklich mit, daß 
sie den Handgriff den Practikanten lehren. Hegar und 
Alilfeld lieben die Methode nicht; aber sie macheu sie 
doch, wenn auch Ersterer nur bei Gonon*hoe. Die über- 
große Zahl der Directoren übt also und lehrt das Verfalu^n. 
Warum sollen sie sich denn nun nicht auch im Staats- 
examen bei der Prüfungsgeburt davon gelegentlich über- 
zeugen, daß die Studenten die kleine Manipulation so gut 
verstehen, wie die Hebammen, deren sorgsame Prüfung 
genide bei dieser Methode vorgeschrieben ist. 

In diesem Sinne beantrage ich, daß der Heir Uuter- 
richts-Minister eisucht wenle. anzuordnen, daß die Methode 
beim Staatsexamen auch der Mediciner (nicht blos der 
Hebiunmen) zum Gegenstand der Prüfung gemacht werde, 
natürlich in den Frauenkliniken. Denn in den Augen- 
kliniken (welche aLs Ort der Prüfung üi der Commission 
vorgeschlagen wmilen) wenlen ja keine Kinder geboren, und 
die Behandlimg «ler ausgebrochenen Blennorrhoe in den 
Augenkliniken ist do( h eine ganz andere, als das Eüubringeu 
eines Tix)pfens Höllenstein aus prophylactischeu Gründen. 



— 97 — 



Schluss. 

Nachdem wir die Statistik und die Urteile der Augen- 
und Frauenärzte zusammengestellt, müssen wir uns fragen: 
Was kann man den Behörden vorschlagen, um die 
Blennorrhoe aus der Welt zu schaffen? 

1) Es muß denselben eine vollständige, fehlerfreie 
Statistik des Vorkommens der Krankheit vorgelegt wer- 
den, damit die Verbreitung des Uebels nicht unterschätzt 
werde. 

Wir haben oben im ersten Capitel nachgewiesen, wie 
schwierig es schon ist, in einer einzigen großen Stadt die 
wirkliche Zald der in einem Jahre behandelten Blennor- 
rhöen festzustellen. Wie viel schwieriger für ganz Deutsch- 
land oder Einropa? 

Einwandsfreie Zahlen wird man nur erreichen, wenn 
jede Bleimorrhoe vom behandelnden Arzte (nicht nur von 
der Hebamme) so wie jede andere Infectionskrankheit amt- 
lich gemeldet wird. Dann können auch Doppelzählungen 
nicht mehr vorkommen, weim die Meldezettel von einem 
Statistiker verglichen werden. 

Daher stelle ich den Antrag: die medicinische Abteilung 
wolle beschließen, „daß durch eine Eingabe der preußische 
Herr Minister der Medicinal- Angelegenheiten und die Bres- 
lauer Regierung insbesondere ersucht werde, die Blenn. neon. 
imter die Krantheiten einzureilien, welche jeder Arzt zu 
melden gezwungen ist." 

2) Es muß den Behörden gezeigt werden, daß die Zahl 
der durch Blennorrhoe erblindeten Kinder nicht in dem 
Verhältnisse abnimmt, als bei einer richtigen Verhütimg und 
rechtzeitigen Behandlung notwendig zu erwarten wäre. 

Daher muß jedes Jahr in jeder Blindenanstalt die 
Gesamtzahl der neu aufgenommenen Blinden und die spe- 
cielle Zahl der an Blennorrhoe erblindeten Schüler veröflfent- 
licht werden, wie dies auch bereits Stieler auf dem letzten 
Blindenlehrer-Congres.se in München ausgesprochen. 

Deswegen stelle ich den Antrag: die medicinische 
Abteilung wolle beschließen, „daß in der Eingabe an den 
Hen*n Minister derselbe ersucht werde, anzuordnen, daß jede 

7 



- 98 - 

Blindenanstalt alljährlich die Zahl der neu aufgenomme- 
nen Blennorrhoe-Blinden in ihrem Berichte mitzuteilen 
habe." 

8) Es ist von großer Wichtigkeit, zu erfahren, wie viel 
Blennorrhöen jälulich in den Hebammenlehranstalten 
und den geburtshilflichen Kliniken vorkommen, und 
welche Methoden der Verhütung dort angewendet wer- 
den. Daher beantrage ich, daß wir den Hen-n Minister 
bitton, auch von den genannten Anstalten alljährlicli einen 
Bericht über diese Verhältnisse einzufordern. 

4) Es ist wünschenswert, daß auch jede Augenheil- 
anstalt jährlich fol^^ende Fragen beantworte: a) Wie viele 
der beobiBkchteten Blennorrhöen waren ein- und wie viele 
doppelseitig? b) Bei wie vielen wurden Gonokokken ge- 
funden? 0) Wie viele wurden geheilt entlassen? d) Wie 
viele blieben aus der Behandlung aus? e) Wie viele kamen 
schon mit Erkrankung der Hornhaut in die Behandlung? 
f ) Wie viele behielten Homhautflecken auf einem oder beiden 
Augen? g) Wie viele erblindeten auf einem oder beiden 
Augen? — 

6) Die ttbergi*oße Zalü der Augenärzte und der Pi-auen- 
ärzte ist von der segensreichen Wirkmig des Credo' sehen 
Verfahrens übei-zeugt. Ein Teil aber fiirchtet, daß die Heb-. 
anm\en dazu nicht geschickt genug seien und Schaden an- 
richten könnten. »Ein Fall, der durch eine Hebamme zur 
Hornhautentzündung geführt hätte, ist freilicli nicht publi- 
cirt : iiie wenigen Fälle sind gerade von Aerzten vei-schuldet 
wonlen.) Hiei-aus folgt, daß das Verfaliren den Hebammen 
und Studirenden auf das Sorgsamste gelehrt, daß jeder 
Candidat und jede Camlidatin im Examen dasselbe zeigen 
und mierbittlich durchfidlen muß, wenn der kleine Hand- 
griff nicht correct vorgeführt winl. 

Sehr bedauerlich wäre es. wenn in einigen Frauen- 
kliniken aus dem Bestreben, etwas noch Besseres zu er- 
finden, die CredÄisirung den Studenten weder ge- 
leigt noch eingeübt würde. So würden Generationen 
von Aerzten hei-anwat^hsen, die ilie segensreiche Entdeckung 
i^redÄ's weder kennen, noi*h anwenden können. 

Da mir von einzelnen pi-actischeu Aerzten erklart 
wunle — und auch Herr Dr. Keilmann hat das in seinem 
Vortrage hervorgehoben — , daß das Verfahren technisch 
schwierig sei, so möchte ich hier auf einen kleinen ^Kniff* 
besonders hinweisen, dun*h welchen ilie Credeisinmg sehr 
erleichtert wiixl. Da man seine beiden Hände to der Pro- 
ctnhir bemitzen muß, ilie linke zmn Oeffiieu der Litlspahe 
^die übrigens nicht aufgerissen zu wenlen braucht^ und die 



— 99 — 

rechte zum Abtropfen des Argentumtropfens, so muß eine 
andere Person den Kopf des Kindes halten, damit die 
Abwehrbewegungen des Sandes und die Drehungen des 
Kopfes verhindeiii werden. Selbstverständlich wird man 
die Wärterin oder Helferin oder den Assistenten anweisen, 
daß er den Kopf von hinten zwischen beide Hände nimmt, 
aber die Fontanellen nicht drückt. Auf diese Weise gelingt 
die Einbringung des Tropfens ganz leicht. 

Im Uebrigen befolge man auf das Peinlichste die 
Voi-schi-iften von Crede, die ich der Vollständigkeit wegen 
hier abdrucke: 

pDie Kinder werden nach der Abnabelung zunächst von 
der Hautschmiere und dem an ihnen haftenden Blute, 
Schleime u. s. w. in der bekannten Weise befreit, dami in 
das Bad gebracht und dabei die Augen mittelst eines reinen 
Läppchens oder besser mittelst reiner Watte, nicht mit dem 
Badewasser, sondern mit anderem reinen, gewöhnlichen 
Wasser äußerlich gereinigt, namentlich von den Lidern alle 
anhaftende Hautschmiere beseitigt. Dann wird auf dem 
Wickeltische vor dem Ankleiden des Kindes jedes Auge 
mittelst zweier Finger ein wenig geöffnet, ein ein- 
ziges, am Glasstäbchen hängendes Tröpfchen einer 
2proc. Lösung von salpetersaurem Silber der Horn- 
haut bis zur Berührung genähert und mitten auf 
sie fallen gelassen. Jede weitere Berücksichtigung der 
Augen unterbleibt. Namentlich darf in den nächsten 24 
bis 36 Stunden, falls eine leichte Röthung oder Schwellung 
der Lider mit Schleimabsonderung erfolgen sollte, die Ein- 
träufelung nicht wiederholt werden." Die Glasstäbchen 
sind 15 cm lang, 3 mm dick und an beiden Enden rund 
abgeschmolzen und glatt. 

Ich möchte bei dieser Gelegenheit erwähnen, daß die 
Dicke des Glasstabes nicht gleichgiltig ist. Ein Tropfen 
Wasser, der von einem dicken Glasstab abtropft, wiegt 
33 Milligramm, ein solcher von einem dünnen Qlasstabe 
28 Milligranmi. Der letztere, 3 mm dick, wie ihn Credä 
vorschreibt, genügt vollkommen. — 

Da von Valenta und von Manz die Haltbarkeit der 
Silberlösnng selbst in gelben Flaschen bezweifelt worden, 
und da die sehr geringe Zersetzung nur durch organische 
Substanz (den Pfropfen) hervorgerufen wird, so empfiehlt 
es sich, den Hebaomien gelbe Fläschchen mit 10 g 2proc. 
Argentumlösung zu geben, ilie oben nicht mit Kork, 
sondern mit einem eingeriebeneu Glasstöpsel versehen sind, 
der unten direct in den Glasstab ausläuft. Mit dieser 
Menge kann die Hebamme 80 Kinder credeisiren. — 

7* 



— 100 — 

Gewiß bin ich weit davon entfernt, die wissenschaft- 
lichen Anstalten hindern zu wollen, auch andere Methoden 
der Verhütung zu probiren; die Freiheit der Lehre und der 
Wissenschaft in Universitäts- Anstalten habe ich in 28jähri- 
ger akademischer Lehrthätigkeit selbst zu sehr schätzen 
gelernt, als daß ich sie irgendwie beschränkt sehen möchte; 
aber die traurigen Erfahrungen von Zweifel und von 
Winkel (siehe oben S. 77 und 94), die immer wieder zum 
Cred6' sehen Verfahren zurückkehren mußten, sollten doch 
wenigstens die Directoren aller Frauenkliniken veranlassen, 
ihren Schülern außer sonstigen ihnen lieben Methoden 
auch das Cred^isiren wenigstens zu zeigen und einzu- 
üben. 

Mein Bericht war bereits lange druckfertig und enthielt 
hier den Antrag, den Herrn Minister auch zu erauchen, 
daß die Methode bei allen Hebammen und Candidaten im 
Staatsamen streng geprüft werden solle. Da zeigte mir 
am 24. April d. J. Herr College Jacobi einen die Frage 
betreffenden, soeben veröffentlichten ausgezeichneten Rund- 
erlaß Sr. Exe. des Herrn Unterrichtsministers Dr. Bosse, der 
schon vom 25. December v. J. datirt, aber erst am 16. April 
d. J. in der Zeitschr. für Med.- Beamte No. 8 publicirt wonien 
Lst. Dieser Runderlaß ist an sämtliche Kgl. Oberpräsidenten 
(M. No. 10296, U. I) gerichtet imd lautet: 

„Die in einer Universitätsklinik während des Jahres 
1893 in auffallender Häufigkeit zur Behandlung gekommenen 
Fälle von Blennorrhöen der Neugeborenen hatten mir Anlaß 
geboten, eine Ermittelung über die in den preuß. Univers.- 
Augenheil- und Eutbindungs -Anstalten während der Jahre 
1890 — 1894 beobachteten Erkrankungen der Neugeborenen 
an eitriger Augenentzündung anzustellen, um ermessen zu 
können, ob diese Krankheit etwa eine Verminderung seit 
Herausgabe des gegenwärtig giltigen Hebammenbuches von 
1892 erfahren hat." 

„Die wissenschaftliche Deputation für das Medi- 
cinalwesen, welcher das Beweismaterial vorgelegen hat, 
spricht sich hierüber wie folgt aus: 

„Nach den Erhebungen ist zwar bisher eine wesentliche 
Herabminderung der Zahl der blennorrhoisch erkrankten 
Neugeborenen in den betreffenden Anstalten noch nicht 
bemerkbar geworden, jedoch ist andererseits keine Thatsache 
ermittelt, durch welche die Nützlichkeit der prophylactischen 
Behandlung der Neugeborenen nach der Crede 'sehen Me- 
thode ernstlich in Frage gestellt würde. Wenn der Erfolg 
der durch das Hebammenlehrbuch (§§ 218 und 324) vor- 
geschriebenen prophylactischen Behandlung der Neugeborenen 



— 101 — 

bisher noch nicht ziffermäßig zu Tage getreten ist, so ist, 
abgesehen von der Kürze der Zeit, nicht sowohl die Unzu- 
länglichkeit der Bestimmungen, als vielmehr der Umstand 
zu beschuldigen , daß die Vorschriften des Hebammeulehr- 
buchs noch immer nicht von allen Hebammen mit der 
gebotenen Gewissenhaftigkeit befolgt werden. Es wird 
sich als nützlich erweisen, die genaueste Beachtung der 
bezüglichen Bestimmungen den Hebammen allgemein auf's 
Neue einschärfen zu lassen.'' 

„Da ich mit dieser gutachtlichen Au£hssung im Wesent- 
lichen übereinstinune , so ersuche ich Ew. Excellenz ganz 
ergebenst, das Erforderliche zur En-eichung dieses Zweckes 
zu veranlassen und lüerbei insbesondere Folgendes zu be- 
achten: Die Kreisphysiker werden durch die Reg.-Präsi- 
denten anzuweisen sein, daß sie bei den Hebammen- 
Nachprüfungen die Prophylaxe der eitrigen Augenent- 
zündung der Neugeborenen an der Hand der Vorschriften 
des Hebammenlehrbuchs zum Gegenstand der Besprechung 
machen und sich dabei von der Geschicklichkeit der 
Hebammen in der Anwendung des Cred^'schen Verfahrens 
thunlichst überzeugen; das Gleiche gilt Iiinsichtüch der 
Reg.- und Medicinal-Räte bei den von ilmen abzuhal- 
tenden Prüfungen der Hebammen -Candidatinnen. 
Das Befähigungszeugnis als Hebamme wird nur Denjenigen 
zu eHeilen sein, die bei der Prüfung eine ausreichende 
Kenntnis von der eitrigen Augeneutzündung der Neu- 
geborenen und dem Wei-te eines sachgemäßen prophylacti- 
schen Verfahrens, sowie die erforderliche Uebung in der 
Handhabung der Crede'schen Methode besitzen. 
Dementsprechend würden auch die Directoren der Heb- 
ammenlehranstalten darauf hnizuweisen sein, daß sie 
diesem Gegenstande des Unterrichts eine besondere Beach- 
tung zu Teil werden lassen." — 

Ich begrüße diesen Runderlaß mit wahrer Freude und 
meine nur: Was für die Kenntnisse der Hebammen gilt, muß 
auch für die Studenten der Medicin gelten; daher ersuche ich 
die medicinische Abteilung, in der Eingabe an den Herrn 
Minister auch die Bitte auszusprechen, daß nicht allein alle 
Hebammen, sondern auch alle Studenten der Medicin in 
der Crede'schen Methode sorgsam unterrichtet und streng 
geprüft werden mögen. — 

6) Tausende von Kindern, welche an Blennorrhoe leiden, 
behalten nur deswegen bleibenden Schaden von der Krank- 
heit, weil die Angehörigen trotz der gründlichsten Belehrung 
seitens der Aerzte die Augen der Kinder nicht ordentlich 
pflegen. Tag und Nacht ist exactes Auswischen des Eiters 



- 102 — 

aus der Tiefe des Auges unerläßlich; die kranke Mutter 
kann das nicht machen. Die Umgebung der Wöchnerin ist 
nicht geschickt und nicht herzhaft genug für diesen Hand- 
griff; geeignete Pflegerinnen feflen fest immer. Darum 
müssen wir den Herrn Minister ersuchen, die Directoren der 
Augenkliniken zu bitten, daß sie jährlich mehrere Pflege- 
rinnen für diesen Dienst ausbilden. — 

7) Am schwierigsten ist, wie ich gern bekoniio, die 
Entscheidung der Frage, ob das Verfahren den Hebammen 
obligatorisch oder facultativ übergeben werden solle. 
Da alle befragten Aerzte mitgeteilt haben, daß sie bei 
richtiger Befolgung des Cred^ 'sehen Verfahrens niemals 
bleibenden Schaden für die Augen entstehen sahen, so 
liegt ja gar kein Grund vor, wanim man eine Methode, 
deren positiver Nutzen in vielen tausenden von Fällen nach- 
gewiesen worden, nicht obligatorisch einführen sollte. 

Andererseits steht es aber doch fest, daß ein Kind nie- 
mals eine Blennorrhoe bekommt, dessen Vater und Mutter 
völlig frei von Gonorrhoe sind. Solche Bander einer 
zwangsmäßigen Cred^isirung zu unterwerfen, wäre hart. 
Bei der Mehrzahl dei* Gebm-ten weiß aber die Hebamme 
oder dei* zugerufene Gebui-tshelfer nicht, ob die Mutter 
einen verdächtigen Fluor hatte oder hat. Somit kann man 
nur eine Ausnalune von der obligatorischen Einführung der 
Methode machen in den Fällen, in denen ein Hausarzt oder 
ein anderer Arzt durch sichere Anamnese und sorgsame 
Untersuchung der Schwangeren schon vor der Geburt jede 
Möglichkeit einer Infection der Augen des Kindes aus- 
geschlossen hat, oder wenn ein Arzt die Verantwortung 
für die Unterlassung trägt. 

In allen anderen Fällen aber soll die in der Methode 
gut unten*ichtete und geprüfte Hebamme verpflichtet werden, 
den Tropfen einzugießen. Dann wird die Blennorrhoe nicht 
mehr vorkommen. 

Aber damit, daß die Hebamme nur vom Physikus neuer- 
lich ermahnt wird, laut Hebammenbuch § 218 und § 324 
das Kind zu credeisiren und die Augen abzuwischen, wird 
nichts erreicht, wie die 333 Fälle von Blennorrlioe beweisen, 
welche trotz der im Jahre 1895 neuerlich geschehenen Er- 
mahnung der Hebammen in Breslau dennoch vorgekommen 
sind. — 

Falls Blennorrhoe bei einem Kinde ausbricht, muß die 
Hebamme bestraft werden, weiui sie nicht auf der Stelle 
Anzeige macht und einen Arzt zuzieht, sobald sie Eite- 
rung am 2. Tage oder später auftreten sieht. 

Die Bitte um obligatorische Einfühlung des Verfahrens 



— 1(» — 

mit der geschilderten Ausnahme ersuche ich schließlich in 
der Eingabe an den Herrn Minister aussprechen zu wollen. 

Wer ein Gegner des Zwanges ist, sei daran erinnert, 
daß der Staat, wie Stieler sehr treffend sagt, ja nie nach 
der Meinung des Publicums fragt oder fragen darf, wenn 
es sich um Einfühnuig sanitärer Maßnahmen handelt. „Ich 
eriimere an die gesetzliche Impfung," sagt Stieler, „deren 
Segnungen mit unerbittlicher Strenge erzwungen werden 
und auch erzwungen wui-den zu einer Zeit, in der man noch 
nicht wie heut durch ausschließliche Verwendung von ani- 
mal er Lymphe die zwangsweise Geimpften vor den mannig- 
fachen Erkrankungen und Gefahren zu schützen vermochte, 
auf Grund derer die Zald der Impfgegner zu einer so 
bedenklichen Höhe heranwuchs. Oder kann man etwa eine 
besondere Berücksichtigung der Einzelnen erblicken in 
der heut aller Orten zu Recht bestehenden Verordnimg, 
jeden an echten Blattern, wenn auch noch so leicht Er- 
krankten, der Pflege seiner ja durch die Impfung doch ge- 
schützten Familien -Angehörigen zu entreißen und event. 
gewaltsam in das Blatternhaus überzuführen?** 

So muß auch die Antipathie gegen die zwangsweise 
Credeisirung weichen dem Bestreben, Tausende von Kin- 
dern vor Erblindung zu bewahren. Dieses hohe Ziel muß 
jedem Arzte und jedem Gebildeten vorschweben und ist 
heut zu Tage en-eichbar. Ich verspreche mir von einer 
Eingabe an den Herrn Minister, die die angedeuteten Punkte 
ausführt, großen Nutzen und stelle dabei" den Antrag, eine 
Commission zu wählen, die meine Vorschläge prüft und 
der medicinischen Abteilung einen Entwurf der Petition 
vorlegt. 

Sollte die geehrte medioinische Section beschließen, 
meine Vorsddäge abzulehnen, so würde ich natürlich allein 
als Privatpei-son dem Herrn Minister eine Eingabe in der 
bespiochenen Weise senden. Ich zweifle aber nicht, daß es 
viel nutzbringender wäre, wenn statt meiner eine gelehrte 
Gesellschaft die Petition an den Herrn Minister absenden 
würde. 

Nachdem ich am 24. April und 1. Mai 1896 den vor- 
liegenden Bericht vorgetragen, wurde in der Sitzimg der 
medicinischen Abteilung am 8. Mai d. J. auf meinen An- 
trag die im vorigen Jahre gewählte Blennorrhoe-Commission 
(siehe oben S. 2) vergrößert, so daß sie aus den Herren 
CoUegen Asch jun., Czerny, Fränkel, Jacobi, Jadas- 
sohn, Küstner, Landmann, Neisser, Wolffberg und 
mir bestand. 



— 104 — 

Herr Prof. Küstner erklärte am 12. Mai seinen Aus- 
tritt aus der Commissiou. Die anderen CoUegen einigten 
sich in 2 Sitzungen am 12. und 20. Mai d. J. über den Ent- 
wurf einer Petition an den Herrn Unterrichts - Minister, 
welche sich in vielen Punkten meinen oben mitgeteilten 
7 Wünschen anschloß, in einzelnen von denselben abwich 
und neu den Wunsch hinzufügte, daß unsre „Belehrung 
über Blennorrhoe'* (siehe oben 8. 3 — 5) an alle preußischen 
Hebammen und Stajidesämter verteilt werden möchte. — 

Dieser Entwurf wurde der medicinischen Abteilung am 
19. Juni unterbreitet und nach eingehenden Debatten in den 
Sitzungen am 19. Juni und 3. Juli nach mancherlei Aende- 
nmgen imd Streichungen in der folgenden Fassung'*) von 
der Gesellschaft angenommen: 

Breslau, 3. Juli 1896. 

Sr. Excellenz dem Königlich preussischen 
Minister der geistlichen, Unterrichts- und Medi- 
cinal-Angelegenheiten Herrn Dr. Bosse. 

Berlin. 

Die unterzeichnete medicinische Abteilung der Schlesischen 
Gesellschaft fftr vaterländische Cultur hat mit großer Freude den 
Runderlaß begrüßt, den Ew. Excellenz betreffs Verhütung der 
Augeneiterung der Neugeborenen am 27. December v. J. an die 
Herren Oberprftsidenteu gerichtet haben. (U I. M 10296.) 

Wir sind überzeugt davon, daß die von Ew. Excellenz an- 
geordnete Unterweisung und strenge Prüfung der Hebammen 
in der Cred^ 'sehen Verhütungsmethode die Zahl der Erkran- 
kuugsfölle verringern wird. 

Doch ersuchen ¥rir, Ew. Excellenz noch einige andere Ge- 
sichtspunkte unterbreiten zu dürfen, deren wohlwollende Berück- 
sichtigung von segensreicher Wirkimg für die Verhütung der 
genaiuiten Krankheit werden könnte. 

Nach einer in unserem Auftrage von Professor Hermann 

Cohn veranstalteten und bearbeiteten Sammelforschung hat sich 

nämlich in Betreff des Vorkommens und der Verhütung der 

Augeneiterung der Neugeborenen im Jahre 1895 Folgendes gezeigt: 

1) In Breslau hat die Krankheit ^^) nicht abgenommen, da hier 

333 Fftlle behandelt wurden (im Jahre 1894: 320 FäUe). 



^'*) In den Noten gebe ich die von der Commissiou vorgeschlagenen, 
aber vom Plenum anders gestalteten oder gestrichenen Sätze. 

'«) Iih hatte vorgeschlagen, daß hier eingefügt werden mO^e: ^die 
ja bei richtiger Vorbeugung nicht mehr vorkommen dtlrfte.* 



— 105 - 

2) In den Bb'udenanstalten hat die Krankheit nicht genügend 
abgenommen, da sich im Jahre 1876: 30 pCt. (vgl. beifolgende 
Tabelle 1 und 2), im Jahre 1895 noch immer 20 pCt. durch 
Blennorrhoe erblindete Zöglinge in den Anstalten befanden. 
Von 593 Blennorrhoeblinden sind 127 jünger als 10 Jahre. 
Diese hätten durch das Cred6'sche Verfahren, welches 
schon 1882 veröffentlicht wurde, gerettet worden können. 

3) In 82 deutschen Augenkliniken sind (nach beiliegender 
Tabelle 3) unter 222174 Augenkranken 1297, d. h. 60/00 
der Kranken an Blenorrhoe behandelt worden. 

4) Von 710 mit Blennorrhoe behafteten und in Augenkliniken 
behandelten Kindern trugen (nach beiliegender Tabelle 4) 
141 = 20 pCt. dauernde Schädigung der Augen davon; 
15 pCt. behielten Hornhauttrübungen und 5 pCt. erblindeten 
völlig, und zwar 23 Kinder auf einem, 13 auf beiden Augen. 

5) Eine vergleichende Statistik aus den bedeutendsten Frauen- 
kliniken hat die Vortrefflichkeit der C rede 'sehen Ver- 
hütungsmethode gegenüber allen anderen dargethan (Tab. 6). 

6) Von 93 Augenärzten sprachen sich 79, d. h. 84 pCt., für 
die Einführung der Methode aus, 39 für die obligatorische, 
40 für die facultative. Die IB pCt., welche gegen die Ein- 
führung derselben stimmten, fürchteten hauptsächlich die 
schlechte Ausführung des Handgriffs durch die Hebammen^^. 

Auf Grund dieser, durch die genannte Saramelforschung be- 
gründeten Ergebnisse gestatten wir uns, Ew. Excellenz um den 
Erlaß einiger neuer Anordnungen zu ersuchen. 
Wir ersuchen: 
1) anzuordnen, daß jede Blindenanstalt jährlich in 
ihrem Berichte die Gesammtzahl der neu aufgenommenen 
Blinden und die specielle Zahl der unter ihnen an Blen- 
norrhoe erblindeten Schüler sowie deren Alter veröffent- 
lichen müsse •***). 
Aus demselben Grunde ersuchen wir: 



^ Die Commission hatte vorgeschlagen hier hinzuzufügen: 
„7) Unter 110 Augenärzten hat nur ein einziger in zwei Füllen blei- 
benden Schaden von dem Cred^'schen Tropfen gesehen; er war 
jedoch nicht bei der Eintraufelung zugegen." 
^^) Die Commission hatte vorgeschlagen, hier hinzuzufügen: „Dies 
geschieht bisher nicht, und nur auf privatem Wege konnte jetzt nach 
20jähriger Pause zum ersten Male eine nicht einmal vollständige Ueber- 
sicht gewonnen werden, wie sie in Tabelle 2 mitgeteilt ist. Die richtige, 
jährlich veröffentlichte Zahl wäre gewiß auch geeignet, einen Beitrag für 
die Erkenntnis der Wirkung der vorgeschriebengn Verhütungsmaßregeln 
zu geben.*" 



— 106 — 

2) anzuordnen, daß alle öffentlichen und Privat-Entbin- 
dungsan stalten (Hebammen -Lehranstalten, Wöchne- 
rinnenasyle, Frauenkliniken u. s. w.) die Zahl der beob- 
achteten Augeneiterungen, und zwar der mit und ohne 
Gonococcen beobachteten Fälle, und die in der Anstalt 
angewendeten VorbeugungsmaUregeln alljährlich mit- 
teilen müssen. 

Wir ersuchen Ew. Excellenz: 

3) von jeder Augenheilanstalt (öffentlichen und privaten) 
jährlich die Beantwortung folgender Fragen zu verlangen : 

a) Wie viel beobachtete Blennorrhöen waren ein- und 
wie viele doppelseitig? 

b) Bei wie vielen wurden Gonococcen gefunden? 

c) Wie viel Kinder wurden geheilt entlassen? 

d) Wie viele blieben aus der Behandlung aus? 

e) Wie viele kamen schon mit Erkrankung der Horn- 
haut in die Behandlung und an welchem Lebenstage? 

f) Wie viele behielten Homhautflecke auf einem oder 
beiden Augen? 

g) Wie viele erblindeten auf einem oder beiden Augen? 

4) Die Mehrzahl der Aerzte ist von der segensreichen Wir- 
kung der Cred^' sehen Methode ebenso durchdrungen, 
wie die wissenschaftliche Deputation f&r das Medicinal- 
wesen, auf deren Gutachten hin Ew. Excellenz die strenge 
Prüfung der Hebammen in dieser Methode neuerdings 
vorgeschrieben haben. Ew. Excellenz ersuchen wir daher, 
damit auch die Aerzte die Methode genau kennen lernen, 
anzuordnen, daß die C ursist en beim Staatsexamen eine 
Bescheinigung darüber einreichen sollen, daß sie den 
C rede 'sehen Handgriff ausgeübt haben ^). 

5^ Wir haben 12000 Exemplare der beiliegenden Beleh- 
rung über die Verhütung der Krankheit drucken und 
durch die Standesämter der Stadt Breslau an diejenigen 
Personen verteilen lassen, welche die Greburt eines Kindes 
meldeten. Wir haben Nutzen von dieser Belehrung ge- 
sehen, da eine Anzahl Kinder infolge derselben schneller 
in ärztliche Behandlung kam. Wir ersuchen Ew. Ex- 
cellenz, diese Belehrung für ganz Preußen drucken, 

^) Die Commission hatte cmpfoblcn. statt dieses Satzes zu schreiben: 
«dass die Methode beim Staatsexamen auch der Siudirenden der 
llediciu zum Gegenstände der Prüfung gemacht werde "^ 

Ich hatte beantragt, hinzuzuftlgen : ,in Frauenkliniken**. 



- 107 — 

an die Hebammen und Standesämter verteilen zu 
lassen, den ersteren aufzugeben, in jedem Falle gleich 
nach der Geburt ein Exemplar den Eltern zu hinterlassen, 
und die Standesbeamten zu beauftragen, anzufragen, ob 
die Eltern das Blatt erhalten haben, und im Nichtfalle 
es ihnen bei der Anmeldung nachträglich zu übergeben. 

6) Tausende von Kindern, welche an Blennorrhoe leiden^ 
behalten nur deswegen bleibenden Schaden von der 
Krankheit, weil die Angehörigen trotz der gründlichsten 
Belehrung seitens der Aerztc die Augen nicht ordentlich 
pflegen. Tag und Nacht ist exactes Auswischen des 
Eiters aus der Tiefe des Auges unerläßlich. Die kranke 
Mutter kann dies nicht thun. Die Umgebung der 
Wöchnerin ist nicht geschickt und nicht herzhaft genug 
für diesen Handgriff. Geeignete Pflegerinnen fehlen 
immer. Darum bitten wir Ew. Excellenz, die Directoren 
der Augenkliniken zu ersuchen, jährlich mehrere Pflege- 
rinnen, die für den Armendienst bestimmt sind (Diaco- 
nissinnen, barmherzige Schwestt^rn, Ordensschwestern 
u. s. w.), für diese specielle Pflege auszubilden. 

7) Wir ersuchen Ew. Excellenz, dahin wirken zu wollen, 
daß der § 218 des Hebammenlehrbuchrs geändert 
werde. In demselben ist vorgeschrieben, daß die Heb- 
ammen den Tropfen Höllenstemlösung nur eingießen 
sollen, wenn sie Entzündung und eitrigen Ausfluß aus 
der Scheide wahrgenommen haben. Indessen sind that- 
sächlich sehr häuflg Augenerkrankungen vorgekommen, 
obgleich die Genitalorgane der Frau keine für die Heb- 
amme erkennbaren äußeren Anzeichen der Krankheit 
boten. Daher scheint es uns sehr wünschenswert, 
wenn in dem § gesagt würde: „Die Hebamme hat in 
allen Fällen den Cred^'schen Tropfen dem Kinde 
nach dem Bade einzugießen, außer wenn der Vater, ob- 
gleich er auf die Bedeutung des Verfahrens aufmerksam 
gemacht worden, Einspruch erhebt, oder wenn der Arzt 
es für überflüssig erklärt. Bei den unehelichen Kin- 
dern ist die Methode aber immer auszuführen."*") 



*^) Die Commission hatte noch folgende zwei Wünsche beantragt: 
.,8) Unter den preußischen Provinzen ist es nur Schlesien, in welchem 
seit 12 Jahren schon die Hebammen verpflichtet sind, joden Fall 
von Blennorrhoe dem Physicus mitzuteilen, und falls sie 
diese Pflicht vernachlässigen, mit 30 Mark Strafe bedroht werden. 
Trotzdem wurden von den '6'öS im Jahre 1896 in Breslau behandel- 



- 108 — 

Indem wir Ew. Excellenz im Vorstehenden unsere Vorschläge 
zur geneigten Erwägung und Prüfung unterbreiten, geben wir 
uns der Hoffnung hin, daß Ew. Excellenz den auf diesem Gebiete 
bestehenden bemerkenswerten Verfügungen seitens aller beteilig- 
ten Verwaltungs- Organe und Medichial- Personen eine schärfere 
und nachhaltigere Beachtung verschaffen werden.*^) 

Ew. Excellenz 

ehrerbietigst 

Die medicinische Abteilung der Schlesischen 
Gesellschaft fOr vateriändisclie Kultur. 



Man sieht aus dieser Petition, daß die Mehrzahl meiner 
Wünsche von der Gresellschaft angenommen wurde. 

Nur bedaure ich aufrichtig, daß die von mir so warm 
befürwortete Meldepflicht der Aerzte und Hebammen 
< siehe unten Note 40) vom Plenum abgelehnt wurde. 

Ich bedame dies im Interesse der bleimorrhoischen Kin- 
der und im Interesse der Blennon-hoe-Statistik. 

Wenn die Hebammen in ganz Preußen zur schleuuigen 
Meldung jedes Falles beim Physikus durch eine Veroi-dnung 
ebenso gezwungen würden, wie eine solche in Schlesien 
seit 12 Jahren besteht (siehe oben S. 10 u. lli, und wemi 
sie* in der That 30 Mk. Sti-afe zahlen müßten, sobald ein 
nicht gemeldeter Fall später durch den Ai-zt zur Anzeige 
käme, so würde manches Kind viel eher zur Behandlung 
kommen, als bisher. 

Wenn fi^ilich die Verortlnung nur auf dem Papiere 

ten Kindern nur 11 angemeldet. Wir enrachen Ew. Excellenz, 
anzuordnen, daß allen Hebammen im preußischen Staate die amt- 
liche Meldung zur strengen Pflicht gemacht werde. 
9) Zur wirksamen Cont rolle der Hebammen ersuchen wir Ew. Excellenz, 
auch den Aerzten die Meldepflicht aufzuerlegen für alle Fftlle, 
bei denen bei Eiterung der Äugen die Lider geschwollen sind** 
*^) Die Commission hatte statt des obigen Schlußsatzes folgenden 
beantragt: 

^Indern wir Ew. Excelleuz unsere Vorschläge zur geneigten PrOfung 
vorlegen und ersuchen, entsprechende Verordnungen zu trefl'en, geben wir 
uns der Hofinuug hin. daß alsdann die sichere Zahl des jetzigen Vor- 
kommens der Blennorrhoe in Preußen bekannt werden, und die gefUirliche 
Krankheit in kurzer Zeit viel seltener werden, wenn nicht fast vollkommen 
verschwinden wird • 

Ich hatte ersucht. Ihm den Worten .geHUirliche Krankheit* hinzu- 
zufügen: ..die einzige Krankheit, die mit Sicherheit verbatet werden 
kann, in kurzer Zeit vollkommen verschwinden wird." 



- 109 — 

steht uDd beispielsweise (siehe oben S. 11) hier in Breslau 
statt der 333 Fälle von Blennorrhoe, die mir die Collegen 
im Jahre 1896 mitteilten, den Physikern der Stadt nur 11 
gemeldet wurden, so liegt die Schuld nicht an der Vor- 
schrift, sondern an dem Hangel der ärztlichen Controlle. 

Ueber Lang oder Kurz kommt doch das blennorrhoische 
Kind in ärztliche Behandlung. Müßte jeder Arzt, wie ich 
es wünsche, jeden Fall von Blennorrhoe polizeib'ch melden, 
wie jeile andre Infectionskrankheit , so könnten die Heb- 
ammen, welche nicht sofort den Physikus benachrichtigt 
haben, entsprechend bestraft werden. 

Nun kann ja, wie ich gern zugebe, die Wirksamkeit 
des Physikus nach der Meldung durch die Hebamme nur 
eine moralische sein; er kann nicht gezwungen werden, das 
blennorrhoische Kind zu besuchen; er kann nur die Heb- 
amme anweisen, schleunigst einen Arzt zu rufen und ihr 
Strafe in Aussicht stellen, wenn sie die Krankheit selbst 
behandeln und nicht auf schleunige Zuziehung eines Arztes 
dringen würde. Aber auch diese Wirksamkeit des Physikus 
würde Nutzen bringen. 

Daß die neuerliche Einschärfung der Melde- 
Pflicht allein nicht genügt, beweist ja aber der Umstand, 
daß von unsren Hebammen, obgleich der Herr Oberpräsi- 
dent ihnen dieselbe im vorigen Jahre auf unsren Aitrag 
(siehe oben S. 2) nochmals durch die Physiker einst härfen 
ließ, statt 333 doch nur 11 Fälle gemeldet wurden. 

So dürfte auch die neuerliche Einschärfung der 
§§ 218 und 324 des Hebammenlehrbuchs, welche der Herr 
Minister in seinem dankenswerthen Bunderlaß (siehe oben 
S. lOOj vorschreibt, nicht den gewünschten Nutzen haben. 
In jenen Paragraphen wird mit Recht betont, daß die Heb- 
amme sofort einen Arzt holen lassen solle, sobald sie 
Eiterung der Augen sieht. Es fehlt ja aber die Controlle, 
wenn der Arzt, zu dem das Kind fi'eilich oft zu spät ge- 
bracht wird, nicht auch zur Meldung verpflichtöt ist. 

Eine große Mühe macht die Meldung dem Arzte wahr- 
lich nicht, da einfach unter den andren Infections- Krank- 
heiten, die gemeldet werden müssen, auf der an die Polizei 
EU sendenden Postkarte nur das Wort Blennorrhoe unter- 
strichen und Name und Wohnung des Kindes notirt zu 
werden brauchte. — 

Aber auch aus statistischen Gründen ist es bekla- 
genswert, daß von der medicinischen Gesellschaft die Melde- 
pflicht der Aerzte nicht in die Petition aufgenommen wurde. 

Aus zwei Gründen sind manche Aerzte gegen die 



- 110 — 

Statistik und speciell ^egen die Sammelforschung. Die 
Einen sind Gegner aus Bequemlichkeit. Es macht ihnen 
zu viel Mühe, die Fälle aus ihren Krankenbücheni heraus- 
zusuchen und zu addiren. Es mag dies bei beschäftigten 
Praktikern begreiflich sein, wenn es sich um weitverbreitete 
Krankheiten, mn Epidemieen etc. handelt. Allein, wie wenig 
Fälle von Blennorrhoe hat der Nichtspecialist in einem 
Jahre? Und der Specialist hat heutzutage so viel Angebot 
von Volontair-Aerzten, daß er ohne große Mülie die doch 
durchsolmitthch nur G'/oo betragenden Fälle in kurzer Zeit 
aus seinen Büchern ausziehen lassen kann. 

Hätten wir die Meldepflicht der Aerzte bei Blennorrhoe, 
so wüi'den wir wenigstens die Zahl der in einem Jahre in 
Preußen behandelten Fälle kennen. Selbst diese ist uns ja 
unbekannt, und wie können wir ohne eine solche Statistik 
wissen, ob die Kranklieit zu- oder abnimmt? 

Daß Doppelzählungen nur nach der amtlichen Mel- 
diuig bei den Zusammenstellungen vermieden werden würden, 
wurde oben S. 10 bereits erörtert. — 

Eine andere Anzahl von Collegen sind nicht aus Be- 
quemlichkeit, sondern deswegen offene Gegner jeder Sammel- 
foi^clnmg, weil sie die Resultate mehr oder minder ver- 
blümt nicht für zuverlässig und jedenfalls nicht für 
vollständig halten. Ich glaube, daß jeder Arzt das Ver- 
trauen, das er für seine Zalüen beansprucht, auch bei den 
Zahlen seiner Collegen voraussetzen muß. Was aber die 
trotz der Sammelforschung nicht absolut sicheren Re- 
sultate betrifft, so sollen sie durchaus nicht geläugnet 
werden. Was ist in der Medicin überhaupt absolut sicher?? 

Selbst wenn 20,000 deutsche Aerzte Näheres über die 
von ihnen in einem Jahre behandelten Blennorrhöen mit- 
teilen würden, so ist die aus ihren Zahlen zusammengestellte 
Statistik trotzdem gewiß nicht absolut sicher; denn es 
fehlen ja noch die Angaben von 3000 Aerzten, die ganz 
anders sein» können. Zugegeben, — aber sind darum die 
Zahlen der 20,000 Aerzte wertlos? 

Da wir vor der hier vorliegenden Sammelforschung 
über die Verbreitung der Blennorrhoe in Deutschland gar 
nichts wußten, so hat sie als der Beginn eines Suchens 
nach Wahrheit meines Eiachtens wohl einigen Wert. 

Gewiß muß es unser Bestreben sein, die medicinische 
Statistik immer einwandsfreier, zuverlässiger und vollständi- 
ger zu gestalten: denn eine gute Statistik ist und 
bleibt die Mutter aller Therapie und Prophylaxe. 

Daher haben diejenigen Collegen, welche zu bequem 
sind, eine Sanunelforschung durch eigene Mitteilungen zu 



— 111 — 

unterstützen und zu einer wertvollen zu machen, auch nicht 
das Kecht, auf die Arbeiten einer Sammelforschung vor- 
nehm von oben lierabzublicken. 

Um 80 mehr aber fühle ich mich allen den Herreu 
Collegen zu herzlichem Danke verpflichtet, die durch 
ihre gütigen, in dieser Schiift mitgeteilten Beiträge mich in 
den Stand gesetzt haben, wenigstens hier den ersten Ver- 
such einer Ai'beit über Ausbreitung und Verhütung der 
Blennon'hoe der Öffentlichkeit zu übergeben. 

Ich bin mir wohl bewußt, daß meine Fragestellung 
vieler Verbessening fUhig ist, und daß bei einer größeren 
Beteiligung seitens der Collegen die Resultate noch viel 
mehr Wert hätten ; ich bitte daher die geehrten Leser dieser 
Schrift um wohlwollende Nachsicht. 

Ich bitte aber auch dringend alle Aerzte, Behörden und 
medicinischen Gesellschaften, in dem Kampfe gegen die 
Blennoirhoe nicht zu erlahmen; sie ist und bleibt doch ein- 
mal die einzige Krankheit, die mit Sicherheit jetzt ver- 
hütet werden kann. Wie ich es als Aufgabe in meinen 
Jugend- und Mannesjahren betrachtete, unbekümmert um 
alle Schwierigkeiten und Anfeindungen, für die Verbesse- 
rung der Augenhygiene in den Schulen zu kämpfen, 
so sehe ich es als Aufgabe für den Rest meines Lebens an, 
die Blennorrhoe ausrotten zu helfen. 

Und so schließe ich denn meinen Bericht mit den 
Worten, die ich im vorigen Jahre wie heut als Motto ge- 
wählt, und die Prof. Dimmer**) in seiner Antrittsrede in 
Innsbruck als „sehr beherzigenswert" bezeiclmete: „Die 
Blennorrhoea neonatorum kann nn<l muß aus allen 
civilisirten Staaten verschwinden." 

«) Wiener Klin. Wochenschr. 1896, No. 47. 



Druck voa Uarscliner ä Stephan, Berlin ^V. 



Von demselben Verfasser sind firüher erschienen: 

Untersuehungen der Angen von 10060 Sehnlkindern nebst Vor- 
schlagen zur Verbessernng der den Augen naehtelligen 
Schuleinriehtungen. Eine ätiologische Studie. Leipzig. 1867.— 

Ueber Xerosis conjunctivae. Mit 1 Tafel. — Habilitations- Schrift. 
Breslau 1868. — 

Was verdankt die Menschheit Albrecht von Gräfe? Vortrag. 
Breslau. 1871. — 

Schussverletznngen des Auges. Mit Holzschnitten nnd einer Farben- 
drucktafel. Erlangen. 1872. — 

Die Schulhftuser und Schultische auf der Wiener Weltausstel- 
lung* Eine augenarztliche Kritik. Mit 33 Zeichnungen. Breslau. 

1873. - 

Vorarbeiten fQr eine Geographie der Augenkrankheiten. Jena. 

1874. — 

Die Schulhygiene auf der Pariser Weltausstellung 1878. Mit 

2 Tafeln. Breslau. 1879. — 

Studien über angeborene Farbenblindheit. Mit 1 Tafel. Breslau. 

1879. — 

Die Augen der Frauen. Vortrag. Breslau. 1879. — 

Die Hygiene des Auges in den Schulen. Mit 53 Holzschnitten 
^\ ieu. 1883. — Dasselbe in's Englische übersetzt von der Midland 
Educational Company. London. 188G. — Dasselbe in*s Kussi- 
sche übersetzt von Dr. Medem. Pultava. 1887. — 

Das Auge und die künstliche Beleuchtung. Braun schweig. 

1883. — 

Ueber den Beleuchtungswert der Lampenglocken. Mit l Curven- 
tafel. Wiesbaden. 1885. — 

Ueber die Notwendigkeit der Einfahrung von Schulärzten. 

Leipzig. 1886. — 

Mitteilungen aus Prof. H. Cohn's Augenklinik. Erstes Heft. Wies- 
baden. 1887. — 

Die ärztliche Ueberwachung der Schulen zur Verhütung der 
Verbreitung der Kurzsichtigkeit. Wien. 1887. — 

Die Schularztdebatte auf dem Internat hygien. Congresse zu 
Wien. Hamburg. 1888. — 

Ueber den Einfluss hygienischer Massregeln auf die Schul- 
myopie. Hamburg. 1890. — 

Die Schule der Zukunft. Vortrag. Hamburg. 1890. — 

Tafel zur Prüfung der Sehschärfe der Sehulkinder» Soldaten, 
Seeleute und Bahnbeamten. 1890. — Vierte Auflage. 1892. — 

Lehrbuch der Hygiene des Auges. Mit 112 Holzschnitten und 1 Tafel 
im Farbendruck. Wien. 1892 

Transparente Sehproben, Schelle visuelle transparente, Transparent 
Test-Types, Scala tipografica trasparente. Wien. 1894. — 

Was kann die Schule gegen die Masturbation der Kinder thun? 

Referat fUr den 8. hygienischen Congress zu Budapest. Berlin. 

1894. - \ 



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