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Full text of "Uhlands schriften zur geschichte der dichtung und sage"

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%38 
U3 
1865 


hard, LA 


Uhlands 3 Sci 





Geſchichte der Dichtung und Ange. 


Achter Band. 


ne Ds en. EEE — — — 55 — 


Stuttgart. 
Verlag der I. ©. Sotta’fchen Buchhandlung. 
1873. 





Buchdruderei der J. @. Cotta ſchen Vuchhandlung In Stutigart 


Fre 


© Arıap, /1-19-39 


Borwort des Herausgebers, 


Die „Shwäbiihe Sagenktunde”, welche den gegenwärtigen 
Band eröffnet, ift ein Bruchftüd eines umfaſſend ausgedachten 
Werkes, das Uhland im Jahre 1850 begonnen hat. 

Über die Entftehung dieſer Arbeit Liegt eine mündliche und 
eine ſchriftliche Mittbeilung ihres Verfaſſers vor, die ich beide 
anführen will. | 

„Es ift eigen,“ äußerte fi Uhland 1848 in Frankfurt gegen 
feine rau, „mir ſchwebt jetzt, wo ich doch mit ganz Anderem 
beſchäftigt bin, oft in der flillen Nacht eine Mythengeſchichte von 
Schwaben vor. Es wirb mir ohne alle Bücher Manches klar und 
deutlih, und wann id wieder nah Haufe komme, will ih es 
außarbeiten. Den legten Winter babe ich mich viel mit fränfi- 
ſchen Mythen und Sagen beſchäftigt, und nun ich von Haufe weg 
bin, ift eg, als ob Schwaben mir deutlicher geworben wäre. Bon 
den Sueven und Aemannen zieht fih mir ein Faden durch bie 
Heldenjage und das Mittelalter. Hauptlählid im Schwarzwald 
und bis zum Bodenfee finde ich Vieles, was mir Licht verſchafft. 
Auch die Grafen von Tübingen gehören mir in biefeg Gebiet.“ 

Ganz hiermit übereinftimmend fchreibt Uhland in einem Briefe 
aus Tübingen vom 7ten October 1850 an Moriz Haupt: „Wäh—⸗ 
vend des ſtürmiſch bewegten Lebens in Frankfurt babe ich mir, 
oft in der ftilen Nat, ohne Bücher und nur aus der Erinnerung 
an die heimathlihen Dinge, eine ſchwäbiſche Mythologie zugebilvet, 
an der fih mir mandmal der Geift erholt hat, wenn ich fie auch 
niemals ſchriftlich ausführen follte.“ ' 

1 Ludwig Ubland. Eine Gabe für Freunde. Bum 26 April 1865. Als 
Handfchrift gedrudt. ©. 412. 418. 


IV 


Welchen Begriff Uhland mit einer ſchwäbiſchen Sagenkunde 
verbunden, was er im Einzelnen als zu derſelben gehörig bes 
trachtet, läßt folgende von ihm den 28ten Februar 18523 auf ein 
Quartblatt gefchriebene mbaltsüberfiht des auf zwei Bände bes 
techneten Werkes erkennen: 


Schwäbiſche Sagenkunde. 
Erſter Band. 
Sueviſch-aAlamanniſche Vorzeit. 


J. Sueven und Alamannen. 
U. Sueviſche Stammſage. 
1. Der Semnonenwald. 
2. Mutter Erde. 
III a. Volksname ver Sueven. 
1. Svafr und Svafrlogi. 
2. Spafrliomi. 
IIIb. Suevifhe Heldenſage. 
Swawa. 
Hic. Wanderung und Neuſiedlung. 
1. Wanderſage. 
2. Hauptvoͤller. 
3. Solicinium. 
IV. Gönerweſen der Sueven⸗-Alamannen. 
1. Natur⸗ und Schidjalsgätter. 
a. Erde und Erdgeiſter. 
2. Wuotan und Ziu. 
3. Mythiſche Helden. 
1. Wieland. 
2. Iring. 
3. Eckhart. 


Zweiter Banb. 
Schwäbiſches Mittelalter. 


V. Geſchichtliche Helden. 
1. Gerold. (Anſelm.) (Franken.) 
2. Welf. Gaiern.) 


VIL 


VII. 
IX. 
X. 


XI. 
XI. 
XUL 


genannt: 


3. 
d. 
5. 
6. 


Ernft. 

Wither und Hunter. 
Friedrich. 

Rudolf. 


Heilige. 


1. 


St. Michael. 


. St. Georg. 


-3. St. Fridolin. 


2 
3 
4. 
5. St, Ulrich, 


6 


St. Meinrad. 


Glocken. 


Geiölchtfagen. 


Herenfahrt. 
Märchen. 
Drtöfagen. 
Zellfage. 
Landsknechte. 
Schwabenſtreiche. 


Außer dieſer ausführlichen Inhaltsüberſicht bat ſich auf einem 
Octavblättchen noch eine andere vorgefunden, die, mol ſchon 
früher entworfen und niedergeſchrieben, nicht überall mit jener 
übereinftimmt ! und mit einer einzigen Ausnahme auch kürzer ge 
balten ift, durch dieſe legtere aber eine jehr willlommene Ergänzung 
bietet. Unter dem Abſchnitte „Geſchlechtſagen“ find nemlich bier 


Ungeborne. ? 

Stumm» und Blindgeborne, 
Wiedergeborne. 
Wiederkehrende. 

Schutzgeiſter. Blutbrüber. 
Geiſterverkehr. 

Geſpenſtiſche Jäger, Schloͤſſer. 
Höllenfahrten. 


1 &o find hier unter ben Helden flatt Friedrich und Rudolf genauer 
„Friedrich von Staufen” und „Rudolf von Habsburg“ aufgeführt. 
2 Bergl. ©. 898. 


vi 


Die Vollendung des Werkes, das, wie man fieht, in allen 
Theilen Mar vor feinem Geifte geftanven, ift Uhland nicht be 
ſchieden geweſen; dasjenige aber, was er davon ausgeführt, ſowol 
ber Anfang, als vie Abhandlungen, die er fi zur Bearbeitung 
vorweg genommen, erregt eine nun leider vergeblihe Sehnſucht 
nad dem, was uns verfagt geblieben ift. 

Das den Seiten 1 bis 308 zu Grunde liegende, bier zum 
erften Mal veröffentlichte Manufcript ift durchaus von Uhlands 
eigener Hand auf einzelne Blätter in Quarto gejhrieben. So oft 
aber auch der Verfaſſer zu demſelben, mie fich deutlich zeigt, zus 
rückgekehrt ift, jo oft er es auch gehandhabt hat, fo ift dasſelbe 
doch keineswegs drudfertig geworden und ich darf wol jagen, daß 
die Herausgabe überaus mühfam geweſen if. Auf ver erften 

Seite findet fih das Datum „10 Nov. 1850. 

Den aus den acht erften Bänden von Pfeiffer Germania 
aufgenommenen Abhandlungen, von welchen vier der ſchwäbiſchen 
Sagenkunde, zwei der deutſchen Heldenfage angehören, habe ich 
überall die Seitenzahlen des erften Drudes beigefügt. Kleinere 
Berjehen, die fih in den erften Abdruck eingeſchlichen, wurden 
ſtillſchweigend verbeflert. 

Unter der Bezeichnung „Nahträge” babe ich eine Reihe von 
Aufſätzen vereinigt, die faft ſämmtlich in das Gebiet ver ſchwäbi⸗ 
ſchen Sagenkunde fallen und wol als Vorarbeiten zu dem Haupt⸗ 
werke zu betrachten find. Diefe dreizehn Stüde find bis jegt nicht 
herausgegeben worden. | 

Wie in den früheren Bänden find auch in dieſem die von 
Profeſſor von Keller und von mir felbit herruhrenden Bemerkungen, 
in edige Klammern eingeſchloſſen, durch K und H kenntlich 
gemacht. 

at 


Tübingen, — 1872. 


Wilhelm kEndwig Holland. 








Schwäbiſche Sagenkunde. 
Erſter Band. 


Sueviſch-alamanniſche Vorzeit. 


nhland, Sqriften. VIH. 1 


L LIueven und Alamannen. 


Die Lanpdftrede, welche weſtlich vom Oberrhein, ſüdlich von beflen 
Wende zum Bobenfee, öftlih von der oberen Donau begrenzt, nad 
jenen Seiten vom Schmwarzwaldgebirge, nach bieler von ber rauben 
Alp eingefaßt, mitten vom norbwärts ziehenden Nedar durchſtrömt ift, 
war zur Zeit des Julius Cäfar, des erften Schriftiteller8, ber über 
diefe Gegenden aus ver Nähe berichtet, von germanifcher Benölferung 
eingenommen. Mit diefen Germanen ſchlugen ſich die Helvetier, . ein 
feltifches Voll zioifchen dem Jura und den Alpen, fortwährenb um 
die Nheingrenze und hatten es dieſer täglichen Kampfſchule zu ver 
danken, daß fie den übrigen Galliern an Tapferkeit vorgiengen 1. Cäfar 
fagt nicht, welchem beutfchen Volfe die hier anfäßigen Germanen zus 
gehörten, und er war nicht felbft über den Oberrhein gelommen, aber 
fie für Sueben anzunehmen, tft dadurch nahe gelegt, baß bie größere ober: 
ländifche Beiwegung jener Zeit, der Einfall Arioviſts in das nachmals 
burgundische Gallien, hauptjächlich von ſueviſchen Schaaren getragen war ? 


1 Gäfar, bellum gall. 1, 1: „qua de causa Helvetii guoque reliquos 
Gallos virtute precedunt, quod fere quotidianis praliis cum Germanis 
contendunt, cum aut suis finibus eos prohibent, aut ipsi in eoram finibus 
bellam gerunt.“ 1,2: „undique loci natura tuti Helvetii continentar, 
una ex parte flumine Rheno latissimo atque altissimo, qui agrum Hel- 
vetium a Germanis dividit, altera ex parte monte Jura altissimo“ u. f. w. 
1, 28: „ne propter bonitatem agrorum Germani, qui trans Rhenum in- 
colunt, e suis finibus in Helvetiorum fines transirent“ u. |. w. 1, 40: 
„bos esse eosdem Germanos, quibuscum sepenumero Helvetii congressi, 
non solum in suis, sed etiam in illorum finibus, plerumque superarint“ 
u. f. w. (Hier aljo Ariovifts Germanen gleihartig mit den Grenznachbarn der 
Helvetier.) Cäfer 1, 39: Furchtbarkeit der Germanen. 

2 In Ariovifts Heere Kämpften Marcomannen und Sueven, Cäfar, bell. 
gall. 1, 51, vergl. Stälin, wirtembergijche Geſchichte 1, 7. 15; feine eine heimifche 
Frau war eine Suevin, ebend. 53: „una Sneva natione, quam domo secum 


4 


und Cäſar biefe für gleichartig mit den germaniſchen Grenznachbarn 
der Helvetier ertennt. Bon dem Suevenvolk überhaupt berichtet Cäfar, 
ed fei unter allen Germanen bei weiten das gröfte und Triegfertigfte; 
den fampfbietenden Ariovift läßt er fagen, der römische Feldherr werbe 
erfahren, was unbefiegte, waffengeübte Germanen vermögen, die inner: 
balb 14 Sabre unter fein Dad gelommen 8. 

Der Geſchichtſchreiber erflärt aber nicht bloß jene Anwohner ber 
helvetiſchen Stromſcheide ausdrücklich für Germanen, im beftimmteften 
Gegenſatze zu ihren keltiſchen Grenzfeinden, er bezeichnet auch dieſes 
Verhaͤltnis nicht als ein eben erſt fo gewordenes und gedenkt nirgend, 
daß früherhin Kelten das jetzt germaniſche Grenzland inne hatten. 
Gleichwohl ſpricht dafür insbeſondre der Umftand, daß bier ein germa⸗ 
niſcher Stamm mitten zwiſchen keltiſche Völkermaſſen keilartig einge⸗ 
trieben war, denn auch öſtlich, über der Oberdonau, erftredte ſich 
weithin vindelikiſch⸗keltiſches Gebiet 4. Die germaniihen Kämpfer an 
der helvetiichen Rheingrenze, durch Strom, Gebirg und Wald auf ihrem 
Vorlande geſchirmt, maren bie fübmeltliche Vorhut und äußerfte Grenz 
wache des aus bem inneren Deutfchland nach verfchiebenen Seiten hervor⸗ 
dringenden Suebenvolls 3, wie denn auch das Hauptgebirg, das ihren 


adduxerat;“ ein bedeutender ſueviſcher Nachzug vom Mittefrheine ftand ihm in 
Ausfiht, ebend. C. 87: „pagos centum Buevorum ad ripam Rheni con- 
sedisse, qui Rhenum transire conarentur u. f. w. quibus rebus Cesar 
vehementer commotus maturandum aibi existimavit, ne, si nova manus 
Suevorum cum veteribus copiis Ariovisti sese conjunxisset, minus facile 
resisti posset.“ Strabo, der noch unter Tiber lebte, läßt (4, 4, 8 9) die 
Donan in ber Nähe der Sueven entfpringen, Stälin 1, 4. 

3 Gäfar, b. gall. 4, 1: „Suevorum gens est longe maxima et belli- 
cosissima Germanorum omnium.* 1, 36: „cum vellet, congrederetur; 
intellecturum, quid invieti Germani, exercitatissimi in armis, qui intra 
annos XIV tectum non subissent, virtute possent.“ 4, 7: „quibus ne dii 
quidem pares esse possint.“ 

4 Weitere Anzeigen vormals keltiſcher Bendllerung des germanifchen Grenz⸗ 
lands bei Stälin 1, 4 f. 

5 Lucanus, der noch nor Ziehung des römifchen Grenzwalis von Gäfar 
bichtete, denkt fich den kriegeriihen Andrang der blonden Sueven von der Elbe 
und vom Oberrheine fommend, Pharsal. 51 f.: 

Fundat ab extremo flavos aquilone Suevos 
Albis et indomitum Rheni caput u. ſ. w. 





5 


Schutzwall bildet, ver Schwarzwald, zuerft unter bem teitreichenden 
Kamen des beriyniihen Waldes vorlommend, in fpäteren Beugnifien 
„Silva marciane ‚© d. h. mohl eben Grenzwald, Waldmark, benannt ift ®. 

Die Zahl diefer grenzhütenden Germanen muß beträchtlich geweſen 
fein, da fie ed mit ben Helvetiern aufnehmen konnten, welche balb 
nachher ihr Land, das ihnen zu enge var, verließen, um ganz Gallien 
zu erobern’, und babei fich Telbft mit ihren Bundesgenofien zu 
92000 wehrbaften Männern berechnet haben follen®. Dennoch ſchweigt 
die Geſchichte fortan von dem germaniſchen Bolle zwifchen Oberrhein 
und DOberbonau, nur jo viel läßt fich entnehmen, daß es vemielben 
auf Die Dauer unmöglich ward, feine vorgerüdte Stellung zu behaupten. 
Die beiven Siege Caſars, zuerft über die Helvetier, dann über Ariopift?, 
fonnten nicht ohne Nachwirkung bleiben. Die germanifche Anfieblung 
in Gallien war dur Ariovifts völlige Niederlage für dießmal ge 
brochen. Hundert ſueviſche Gaue, die fich ſchon am rechten Mittelrhein 
geſetzt hatten, um fich mit ibm zu verbinden, kehrten um und erlitten 
auf dem Seimmeg durch den Anfall der Ubier großen Berluft 10, Im 
weitern Berlaufe verbreitete fich die römiſche Herrichaft über alle gallifche, 
belvetiiche, raͤtiſche, vindeliliſche Angrenzungen bes Nheine® und der 
Donau. Eine Reihe römischer Burgen und feiter Städte zog ſich mehr 


6 Bergl. Zeuß, die Deutichen und die Rachbarkämme 114 (116 u. f. ob.). 
Über „marcnan“ J. Grimm, deutſche Sprachgeſchichte 508. Peutinger. Tafel: 
„silva marciana.“ Ammian. Marcellin. 21, 8: „per marcianas silvas.“ Beides 
allerdings erſt aus alamannifcher Zeit. Biel jpäter noch bei Hermann. contract. 
a. 1030: „eirca silram martianam.“ Über die Bedeutung des Namens: 
9. Grimm, deutſche Rechtsalt. 497; deutſche Grenzalt. (Philologiſche und Hifkorifche 
Abhandlungen der königl. Akademie der Wiffenfchaften zu Berlin. Aus den Jahr 
1848.) 111. 116, Sprachg. 499 [2]. 508. 628. Zeuß 10%). 340*), Grenz⸗ 
land. Mone, Urgeichichte des badijchen Landes 2, 15 ob.: marcha. 

7 Gäfar, b. g. 1, 2: „(Orgetorix) civitati persuasit, ut de ſinibus suis 
cam omnibus eopiis exirent, perfacile esse, cum virtuio omnibus presta- 
rent, totius Gallie imperio potiri.“ 

y Ebend. 29. 

2 Cäſar, b. g. 54: „una estate duobus maximis bellis confectis“ u. |. w. 

# Bergl. Anın. 2, hiezu 1, 54: „Hoc pralio trans Rhenum nunciato 
Suevi, qui ad ripas Rheni venerant, domum reverti c@perunt; quos Ubil, 
qui proxime Rlenum incolunt, perterritos insecuti megnum ex his nu- 
merum occiderunt.“ 


6 


und mehr die linke Seite bes erftern, bie rechte des lehtern Stromes 
entlang. Die Markomannen, die fih mit an Artovift3 Heerzuge be 
tbeiligt hatten, räumten ihre gefährbeten Wohnjite in der Maingegend 
und ihr König Marobod gründete öftlich in Böheim ein marlomannifch 
ſueviſches Reich 11, Damit war das zu Cäſars Leit deutiche Land⸗ 
gebiet des Schwarzwald und der Alp fchon gegen die Mitte bes erften 
Jahrhunderts in weitem Bogen von einer römischen Grenzmauer um: 
faßt und im Rüden von germaniſchem Anhalt und Bufammenhang 
entblößt. Aus al diefem erklärt fich hinreichend, warum auch bort 
die ſueviſche Vorwache fich hinwegzog. So erjcheint denn um biefe 
Zeit das bisher germanifche Land vom Odenwalde bis zur Rheinwen⸗ 
dung im Südweſten als ein veröbetes und herrenlofes, in dem hierauf 
galliiche Einwanderer, die nichts zu verlieren hatten, ſich anbauten 12, 
Auch ift nicht wohl anzunehmen, daß gar fein Überreft deutſcher Be 
völkerung in ber bisherigen Heimat hängen geblieben fei. Vornehmlich 
aber muſte den Römern angelegen fein, das Zwiſchenland, das auf 
drei Seiten von ihren Befeftigungen umgeben war, nun gleichfalls mit 
ihren Heeranfteblungen zu überzieben, und um diefe vor dem Einfall 
der Barbaren zu fihern, mar es nöthig, bie noch offene Norbfeite 
durch einen großartigen Grenzwall (lines) abzufchließen. Dieß geſchah 
mittelft des im Jahr 84 von Domitian begonnenen Pfahlrains, einer 
Ummallung, welche die beiden Stellen, wo ber Rhein bei Mainz nord⸗ 
weitlih, die Donau bei Regensburg ſüdöſtlich ausbeugt, in meitge 
ſtrecktem Zuge verband und damit den bisher germanifchen Landſtrich als 
fogenanntes Zehntland, Decumatenader, dem Römerreich einverleibte 13, 

Zwei Jahrhunderte hindurch berrfchte nun römifches Leben in dieſem 


11 Zeuß 114 big 117. [Merkel 31, 7: Marob. rex Suevorum, Aurel. 
Bict. epit. 2.) 

22 Die befannte Hanptftelle in Tacitus, Germ. 29: „Non numera verim inter 
Germani®e populos, quanquam trans Rhenum Danubiumque consederint, 
eos qui decumates agros exercent: levissimus quisque Gallorum et inopia 
audax dubie possessionis solum occupavere. Mox limite acto promotis- 
que presidiis sinus imperii et pars provincie habentur.“ Vergl. Stälin 1, 
13 f. 61 bis 64. (Doch zieht Tacitus, Germ, 1, die Rheinwendung eigentlich zu 
Germanien. Auch Plinius 4, 24: „Ortüs hie (Ister) in Germanie jugis 
montis Abnobe, ex adverso Raurici Gailie oppidi.*) 

8 [Stälin 1, 14. 61 ff. 79 ff. 9.) 


7 


neuerworbenen Gebiete. Davon zeunen die zahlreihen Bautrlimmer 
von feiten Lagern und daraus eriwachfenen Städten, die ausgegrabenen 
Denkmäler aller Art, Häufig mit Inichriften, Altäre, Gedentfteine, 
Gerätbichaften, Münzen, die Grundlagen meitgezogener Verbindungs⸗ 
ſtraßen, Deilenzeiger und noch erfennbare Ortsnamen. Oberkeutſche 
Solonien, d. h. größere, mit römischen Bürgerrechten und Einrichtungen, 
Würden und Ämtern begünftigte Städte, Nachbilder der Mutterſtadt 
Nom, waren die zuvor ſchon jenfeits des Rheins und der Donau gegrün- 
deten Bafelaugft und Augsburg (Augusta Rauracorum, Vindelioorum); 
eine dritte, wenn aud) nicht von gleich nachhaltiger Bebeutung, erhob fi 
jeht im neuen Binnenlande, mitten zwiſchen dem biöherigen zmweifachen 
Grenzzuge der Hauptfiröme und des Gebirge, am oberen Nedar auf der 
Stelle des heutigen Rotenburg, colonia Sumlocenne, fo bezeugt durch 
Inſchriften, die aus den umfangreichen Trümmern der bortigen Römer: 
ftabt ausgegraben wurden, auch auf der Straßenkarte über ben Heer 
weg von Binbonifia (Windifh) nach Reginum (Megensburg) unter dem 
Namen Samulocenis durch Thürme als ein Hauptort auögezeichnet 14. 
Bon derfelben Seite, auf welcher durch den Grenzwall der römifche 
Befig geichlofien ward, brac gegen Ende des Sten Jahrh. die Sturm- 
flut wieber ein und ſchwemmte die römische Schöpfung von Grund aus 
hinweg. Schon um 213 taucht zuerft im Mainlande der Name. ber 
Alamannen auf, mit denen damals Garacalla im Kampfe liegt, furcht: 
barer tritt diefer Name besvor, ald er fünfzig Jahre fpäter einen Völker: 
bund bezeichnet, der, zunäcft wieder vom untern Main ausgehend, fo 
gewaltig anwächſt, daß er, unter ven Wechſelfällen blutiger Schlachten, 
nicht bloß das Nedargebiet, Rätien und den rechten Oberrhein erobert, 
fondern auch verheerend in Gallien und Stalien einfällt *. 
Hamannen, Alamannia, ift fortan Bezeichnung des Volkes und 
Landes vom Main bis zum Bobenfee, mitbegriffen das Eljaß und bald 
auch über dem See die nicht burgundiſche Schweiz; dieſe Benennungen 
find auch die worherrfchenden nicht bloß im Zeitraum der alamannifchen 
Freiheit, ſondern noch Jahrhunderte hindurch, nachdem vor Mitte bes 
fechöten die Mamannen vollftändig unter die Botmäßigkeit des mäch- 
14 Über biefe ganze Beit der Römerherrſchaft ſ. Stälin, 2 Abſchn. 1, 28 ff.; 
über die Colonie Sumlocenne insbeſondre ebd. 91 bis 93. 
* Stälin 1, 66 f. 70. 115 big 121. 


8 


tigen Frankenreichs gebracht waren, nur daß damit bie nörbliche Grenze 
zwiſchen Alamannen und Franken weiter aufwärts rückte. 

Gleichzeitig mit dem Herbortreten der Alamannen verſchwinden in 
der Maingegend die Namen verſchiedner kleinerer Volker (Ufipier, Tenc 
terer u. |. w.) und es wird daraus geichloflen, daß dieſe Völker bie 
Grundlage der alamannifchen Vereinigung ausgemacht haben oder doch 
in dem fi) mächtig erhebenden Gefamminamen aufgegangen jeien 15, 

Noch mehr aber muß auffallen, daß in dem Maße, wie ber 
WMamannenname fich geltend macht, ber ſueviſche für längere Zeit 
zurädtritt, und doch ift zum voraus nicht mahrfcheinlich, daß bie 
Sueven bei einer neuen großartigen Bewegung rubig geblieben jeien, 
welche diefelben Bahnen gieng, auf denen ihre Väter einft jo gewaltig 
vorgedrungen. Zu ber allgemeinen Vorausſetzung treten befondre und 
beftimmtere Anzeigen ber fuevifchen Betbeiligung Die Sueven, die 
mit Ariovift ausgefahren, und bie hundert ſueviſche Gaue, die ihm an 
ben Mittelrhein nachgezogen, mögen doch nicht gänzlid aus der Gegend 
weggeſchmolzen fein, in welcher der Urfprung des alamannijchen Böller: 
vereind gefunden mirb 16. Alte Drtsnamen biefjeit3 und jenfeitd des 
Mittelrheing mahrten das Gedächtnis ſchwäbiſcher Bewohner: Suabo 
im Wormagau, Suaboheim in bemfelben und biefleits im Lobdengau 17, 
Suabwilare, Suäbichenbeim vermuthlic im Speiergau 18, Neben den 
Alamannen und jelbft ala Theil derfelben bezeichnet, ericheinen nad) 
andrer Seite hin die Juthunge, ein Boll, das um die Mitte des 
Aten Jahrh. Rätien verheert, deſſen Name zuleigt zum Jahre 430 vor⸗ 
kommt und an deſſen Stelle nachmals die Sueven ald Nachbarn und 
Verbündete der Alamannen öÖftlih ber Alb genannt werben, fo daß 
e3 nahe liegt, die Juthunge für das gleiche Bolt, aljo ſelbſt fchon für 
ein ſueviſches, anzufehen 1%. Darin beftätigt der Umftand, baß eines 

15 Beuß 90. 306 f. Stäfin 1, 116, 

16 3, Grimm, Sprachgeidichte 498 f. gebt noch weiter: „Warum follten 
die am Oberrhein nieberfienden fiegreihen Alamannen nit tüberhaupı als 
nachlommen jener alten Sueven betrachtet werden, zu welchen ſchon Arioviſt 
gehörte?“ 

17 Cod. Lauresham., Ind. geogr. unter ben betreffenden Namen, 

8 Tradit. Wizenburg. ebenſo. 

19 Ammian. Marcel. 17, 6 zum Jahr 3858: „Juthungi Alamannorum 
pars;“ ein Jahrhundert fpäter, nah Jornand. 55: „Suevis tunc juncti 


9 


Einfolls der Sueven in NRätien gedacht wirb, welcher der ſchon er: 
wähnten Berbeerung berfelben Provinz durch bie Juthunge nur um 
zwei Sabre vorangieng 2, Daß es verfchiebene Völker geweien, tft 
viel weniger glaublich, als daß auch die Juthunge aus dem allgemei⸗ 
neren Suebennamen beraustraten. Sechs Sabre nad dem Juthungen⸗ 
zuge brechen dann in Gallim und wieder in Nätien die Alamannen 
verwũſtend ein 21. Sueven, Juthunge, Aamannen folgen ſich inner 
halb eines Zeitraums von acht Jahren fo genan in derſelben Richtung, 
daß im rafchen Wechfel der Namen nit au das Voll je wieber ein 
andres geivejen fein wird. Die ſueviſchen Juthunge waren ein heil 
der Alamannen und diefer legte Name war zur Zeit bes britten Ein: 
falls in Rätien der herrichende und verbzeitetfte. 

Weiterhin findet man Alamannen und Sueven, Suaven, Alamannia 
und Suevia, Suavta, bald unterfchieden, aber doch enge verbunden, bald 
gleichbedeutend und gänzlich verichmolgen 2. Wo unterſchieden ift, da 
find die Alamannen mehr auf ber Weftfeite den Rhein hinauf und 
füblich bis zu den Alpen, die Sueven mehr öftlih und im Binnen: 
lande gedacht 28, 


Alamanni n. |. w. tam Suevorum gentem gquam etiam Alamannorum. utras- 
que ad invicem foderstas.“ Über die Yuthunge und ihr Verhältnis zu 
Kamannen und Sueven |. Beuß 812 His 317, Stälin 1, 122 f. 147 f. 3. Grimm, 
Eprachgeſchichte 500 f. 

2 Anmian. Marcel. 16, 10 zum Jahr 366: „Imperator (Constantius) 
— sdsiduis nuntiis terrebatur et certis, indicantibus Suoros Rætias in- 
cursare® u. |. w. Vergl. die fen berührte Stelle 17, 6 gum Jahr 358: 
„Juthungi, Alamannorum pars itallols conterminans tractibus, obliti pacis 
et faderum, que adepti sunt obsecrando. Rætias tarbulenie vastabant, 
adeo ut etiam oppidorum tenlarent obsidia- praster solitum.“ Dem früheren 
Einfalle, deffen Ergebnis erft hier angedeutet if, folgt ein ſtärkerer. Dazwiſchen, 
in das Jahr 857, fällt bie Riederlage ber Alamannen bei Straßburg, ebend. 
16, 11f Bergl. Zeuß 315 **) 

21 Ammian. 26 4 zum Jahr 364: „Gallies Retissque — Alamanni 
populabantur.“ Im Jahr 356 mie 364 find die Bewegungen der Sueven 
umb hie der Alamannen gleichzeitig mit folhen ver Quaden und Sarmaten. 

2 Denk 306. 315 bie 317. Siälin 1, 128. (117 ob.) 148. 

3 Zen 316: „Die Mamannen und Schwaben, zwei zahlreiche Völler, 
erfcheinen feit ihrem erfien Aujammenmwohnen enge verbunden; es läßt ſich 
für feine Zeit eine beſtimmte Grenze zwijchen ihnen nachweilen, nur jagen, 


10 


Damit hängt ein Unterfchied im Sprachgebrauche zufammen, der 
nemlich, daß bei ben römischen und ben fpäter Iateinifch fchreibenden 
Schriftftellern der Name Alamannen bei weitem vorwiegt, bagegen in 
deutſchen Sprachdenkmälern, fobald dieſe eintreten und ſoweit fie nicht 
fpäterhin franzöſiſchen Quellen folgen, derſelbe als Volks: oder Landes: 
name höchſt felten noch gebraucht wird, vielmehr allgemein von Schwa⸗ 
ben, Bolt und Land, Schwabenreih, Schwabenrecht, verlautet 24, 
Walafried Strabo, der nad Geburt und Stellung wohl unterrichtet 
fein konnte, fpricht fi, vor 837, dahin aus, daß Alamannen und 
Schwaben zwei Wörter feien, die Ein Bolt bezeichnen, mit dem erftern 
werden feine Landsleute von ben Iateinifch redenden Nachbarvöllern, 
mit dem andern im deutſchen Gebraude benannt 20. Der einfachfte 
Ausdrud dieſes Verbältnifles ift eine alte Zürcher Gloſſe: „alamannus, 
suab* 26, Nur als perſönlicher Name findet fi Alaman zumeilen 
noch in Urkunden der Farolingifchen Zeit, beſonders auch am vormals 


daß diefe im Often, jene näher dem heine fih ausbreiteten. Sie find wie zu 
einem Bolle verſchmolzen.“ Stälin 1, 146. J. Grimm, Sprachg. 499. 

4%. Grimm, Spradhg. 499. 

2 Walafr. Strabo de vita b. s. Galli, prolog. (®olbaft, Ber. rer. alam, 
8. 1, Frankfurt 1730, S. 147. Die ältere vita s, Galli bei Berk 2, 5 ff.): 
„Igitur quia mixti Alamannis Suevi (vgl. ob. ©. 9) partem Germanie ultra 
Danubium, partem Retis inter Alpes et Histrum, partemque Galli circe 
Ararim obsederunt, antiquorum vocabulorum veritate servata ab incolis 
nomen patrie derivemus, et Alamanniam vel Sueviam nominemus. Nam 
cum 'duo sint vocabula, unam gentem significantis, priori nomine nos 
appellant circumposite gentes, qus latinum habent sermonem, sequenti 
usus nos nuncupat Barbarorum.“ Diefer Prolog iſt an den Abt Bozbert 
von &t. Gallen gerichtet, der von 816 bis 887 dem Kloſter vorfland (Rat- 
perti cas. mon. 8. Gelli, ebend. ©. 5 f) Bergl auch Gtälin 2, 689 f., 
% 1. 647, A. b. 

26 Graff, Dint. 2, 8585. Wenn dagegen Walther 84, 7 den Pabſt ſagen 
läßt: „ich ban zwen Alman (Hoffmann, Abd. Bloffen 2, 24: alman — 
Alamanni. Gchmeller 2, 578 ob.) under eine fröne braͤht,“ fo iſt eben damit 
weliche Rebe bezeichnet, ebend. 5: „jwenne er finen Walhen feit; andy: „ale- 
man die bofen“ des Ruol. L. 276, 4. „die flolgen Alemäne*, „Franzoyſe und 
Alemäne“ bei Wolfram und das Land „Alemänje“ bei Gotfrid (Benecke, 
mittelhochd. Wörterbud) 28) find unvollsmäßige Nahahmung der franzbſiſchen 
Mufter. Gelehrt lantet in den Mariengrüßen, Zeitſchr. f. d. Alt. 277 (vergl. 
274): „ih bin ein fündic Klmän.“ 


11 


alamannifchen, nachher fränkiſchen Mittelrhein, im Lobden⸗ und Kraich⸗ 
gau ??, Die großen und fortgefeßten Kriege mit den unter dem Ala⸗ 
mannennamen vereinigten Böllerfchaften muſten dieſen ben Römern 
geläufig machen und fo iſt er auch in romaniſche Sprachen überge 
gangen, zur Bezeichnung der Deutichen überhaupt, jevoch bei den 
Franzofen im Mittelalter noch für bie Oberbeutfchen insbeſondre 28. 
Allein felbft in römischer Meldung aus der Zeit und dem Bereiche ber 
Alamannentriege klingen doch daneben die Sueven hindurch, naments 
lich auch zur Bezeichnung der Schwarzwaldgegend um bie Donaus 
quelle 2°, 

Tiefer gebt die noch ganz im Leben der Gegenwart haftende Ber: 
fchiebenheit zwiſchen alemanniicher und im heutigen, engeren Sinne 
Ihmäbifher Mundart, bauptfählic in der Ausfprache der langen und 
diphthongiſchen Vokale, alemannifch i, d, ü, ei, ou, ſchwäbiſch ei, au. 
ou, oi, au (mittelhochbeutich & in beiden DMunbarten &). Die Bebeu- 
tung diefer mundartlihen Verſchiedenheit für die ältefte Vollsgeſchichte 
wird dadurch nicht aufgehoben, daß alts und mittelhochbeutich nur bie 
eine obiger Volalreiben, die alemannifche, gemeinfam in der Schrift 
Sprache üblih war. Wie fih die andre, ſchwäbiſche, aus jener in 
fpäter Zeit entwidelt haben foll, darüber ift noch fein Nachweis auch 


27 Cod. Lauresh. an den im Ind. onomast. ımter Alaman verzeichneten 
Stellen. Aud bei Goldaſt 8, 96 aus cod. s. Gall. „Alman;“ Meichelbeck 
414 und 492: „Alaman,“ 469: „Alman Presbyter“, 599: „mancipia u. |. w. 
Alaman ı. |. w. Erchanswap u. f. w. 8wapin.* Suddeutſche Ortsnamen 
mit almanns gebildet |. Wörterbuch 218. 

3 Grimm, Gpradg. 789. Im altfranzöſiſchen Gedichte von Garin: 
„Ibiois et Alemant,“ „Alemans et Tyois,“ Mones Unterjuchungen 243. 259: 
Alemannen und Deutfhe im engern Sinn, Ober- umb Niederländer. Ver⸗ 
miſcht im Rom. de Berie ©. 10. 

29 Aufonius, der wahrjcheinfich den Heerzug Balentinians in das Alamannen- 
land 368 mitgemacht, befingt die ihm als Kriegsbeute zugetheilte Biſſula als 
ein om Urſprung der Donau heimifches Suevenmäbchen: Idyli. 7 (ed. Bipont. 
©. 168): „conscia nascentis Bissula Danubii* und zuvor (ebend, ©. 167): 
„in Sueve gratiam virgunculse;“ den Danubius felbft läßt ex jagen, epigr. 
4 (edend. &. 5): „gelidum fontem mediis effando Susvis;“ auch läßt er dieſen 
Strom die Riederlage der Sueven am Rheine verkündigen, epigr. 3 (ebend. 4): 
„Cwde, fuge, tlammis stratos periisse Suövos, nec Rhenum Uallis limitis 
esse loeo.“ Beuß 817. 


12 


nur berjucht worden. Dagegen zeigt ſich über bie althochdeutfchen Schrift 
bentmäler hinaus gothifch für langen ahd. Vokal der Diphthong (abv. &, 
goth. ai, ahd. i, goth. ei, ahd. d, goth. au, ahd. ü, goth. iu und au) und 
für ahd. Diphthonge vollerer Zmweilaut (ahd. ei, goth. ai, ahd. ou, goth. 
au) 30, wie felbft althochdeutſch neben ei und ou in manchen Fällen noch 
älteres ai und au 91, abwärts aber beim Erlöjchen des reinen Mittelhoch⸗ 
beutich kommen in ſchwäbiſchen Urkunden des 14ten Jahrh., welche dem 
Örtlichen Verkehr angehören, & und 5 für mhd. ä und d, denen dann auch 
bald ei und au (Ausſprache ou) für i und ü folgen, in der Weile 
hervor, daß ihnen noch unverlorene altbochbeutiche Flerionsformen zur 
Seite gehen 22 (die ſchwäbiſche Neigung zum Diphthong bat fomweit 


a20 u mi Gothiſch. Alemanniſch. Echwabiſch. 


i. ei, i, ei. 

u ät, , ai. 

d, Au, d, au. 

u, in und au, (7) A, ou (vgl. Er. 1 (3), 62, A. 1). 
ei, di, ei, oi, 0a (vgl. Gr. 1 (8), 122, A. I). 
in, m, gedehntes ü, ui. 
ou, Au, ou, au. 


Gegen goth. t und u' Gr. 1 (3), 6L f. Sprachg. 456. Epradig. 499 u., f.: 
Armalausi. Abweichend M. Rapp, Phufiol. d. Epr. 1, 879. 882. (Berg. 
ebend. vergleichende Gramm. 1, 46.) 

Si @r. 1 (3), 103 f. 104 f. 122 f. Langobard. ai und au, Sprachg. 697. 
(Ahd. u. mbd. & (je, we), goih, di. alem. &, ſchwäb. ai ſchon oben.) Dagegen 
gotb, d, ahd. uo. Gr. I (3), 102 u. 

2 So gibt eine Pergamenturtunde aus Rotenburg am Nedar von 1370 
neben: han (pr. und inf.), näd, flänt, vflän, wä (mo), flät, geläßen (inf.), 
gät, An (ohne), hänt, wär und flat, Abend, jär, Rötemburg, ſtößet, aines, Adel⸗ 
haiten, gemwonhaiten ainhalb, laiften, ze vailem köff, dehain, zwain, bie 
ahd. Flexionsvokale gefügti, bfrihtint und vertigotint (preet. conj.), in bem 
fübenzigoften jär;, eine andre aus Kilchberg bei Tlibingen von 1437 neben: 
vorbetrauchtunge vnd raute, haut (hat), haunt, nauchkomen, Adelhait, aing, 
ainthalb, claim, waid, Haingen, die Flexionen: Margarethun Leſchernun jeligen 
von lilberg eliche find, der vilhernun wingarten, Tırlen Faiſinun (dat.) von 
Yhlingen (eigen ifi in einer Urdunde Graf Eberhards von Wirtemberg vom 
Jahr 1893 ze Stüggartun), all vorgefhrieben jacha war vnd flett zubaltend 
vnd zeuoffurend, mich aller vorgeſchrieber facha verbind vnd befenne (aber aud) 
aller vorgeicheieben fachen), mit beheinen andern ſacha (vergl. Graff 6, 76 f. 
Gr. 1 (2). 616 f). zu hindroft. (Hofraitinan (d. pl.), wittraitinan, daffrinan, 


13 


gewirkt, daß das ahd. A, das gothiſch auch nur einfache Länge & bot, in 
au und & diphtbongifierte, vgl. Br. 1 (3), 500: ſchwed. &); ſtatt nun dieſe 
beiberlei Erfcheinungen zu trennen, will e8 natürlicher bebünlen, fie 
gemeinfam als Überrefte eines höheren Sprachalterthums gelten zu 
laſſen. Schmeller bat die bieher folgenreiche Bemerkung gemacht, daß 
unter den hochdeutſchen Dialekten ber oberrheiniiche (eben ber aleman- 
niſche), in feiner Entfchievenheit am Rhein und deſſen Zufläflen bis 
unter Straßburg herab berrichende, foweit er auch beraufgeftiegen m 
die Alpen, dem nieberbeutichen Stamme in der Ausſprache der Bolale 
am ähnlichiten geblieben fei ?°, und es kommt nad biefer Seite bejon: 
ders die Neigung der alten niederbeutichen Sprache in Betracht, Diph⸗ 
thonge in einfache Längen umzufeten 4. Waren nun im Alamannen: 
bunde Sueven mit andern, niederwärts am Rheine heimischen Völkern 
bereinigt und war nachher Alamannien Jahrhunderte lang dem Reiche ber 
vom Niederrhein heraufgelommenen Franlken einverleibt, nach denen die 
althochdeutſche Sprache „Fränkifche Zunge“ genannt wurde 5, fo ſtimmt 
es damit gut überein, daß auf die Sprachbildung der am äußern, ſüdweſt⸗ 
lichen Rande den Rhein entlang bis an die Schweizergebirge heraufgezo⸗ 
genen Alamannen niederrheiniicher Bolalismus einwirkte. In den Maße, 
wie nieberbeutfch, ift jevoch die Verbichtung der Diphthonge zu langen 
Bolalen im Oberlande nicht burchgebrungen 3%. Vielmehr hat diefe 


frefilinan, aller eheſtin und gewaltfami (d. sing.), wafferlaittin (d. pl. ?), 
itafliger (gen. pl.), ire eigin infigel (acc. pl.). Labers Jagd. Vorr. XI 
ob. ie. 

33 Die Mundarten Bayern? 6 ($ 9): „Der erfte von diefen (ſüd⸗ ober 
oberdentfhen) Dialelten (der oberrbeinifche) herrſcht in feiner Entſchiedenheit 
am Rhein und defien AZuflüffen bis unter Straßburg hinab, wo er ein mehr 
mitteldeutfche® Anjehen erhält und dem num nähern Niederdeutſchen unähnlicher 
wird, als er es weiter oben war.” 8 ($ 11): „Derjenige unter ben hoch⸗ 
deutichen Dialelten, der, fomweit er and) herauf geftiegen ift an bie Alpen, dem 
nieberdeutfchen Stamme in einem wichtigen Punkte, nemlich in der Ausiprache 
der Bocale, am ähnlichſten geblieben, ift der oberrheiniſche.“ 

4 Gr. 1 (8), 249: „Wefentlichftes ergebnis der unterfuhung altf. vocale 
überhaupt bleibt uns die abneigung diefer fpradhe vor mehreren diphthongen, 
weiche fie in einfache Längen zu wandeln trachtet.“ Vergl. 244 ob. 260 u. 

85 Dtfr. 1, 1, 114: „in frenfisga zungen.“ 

% Gr. 1 (8), 247: „Die altf. lautverhältniffe Haben große analogie zu 
den ahd., befonders was die kurzen vocale und den umlaut betrift, der auf das 


14 


Richtung ſich mit den öſtlich ſchwäbiſchen Diphthongen in der althoch⸗ 
deutſchen Gefammtiprache ähnlicher Weile abgefunden und ausgeglichen, 
wie die Völker felbft, Alamannen und Sueven, zu Einem Bolle zu: 
fammenmwucjen. Sp verblieb es auch auf der mit dem Althochbeutichen, 
abgeſehen vom Umlaut, vokaliſch gleihartigen mittelhochbeutichen Sprach 
ftufe 97, Während die Conſonanz, der Nero ber Sprache 38, unter 
dem berrichennen Geſetze der Lautverichiebung durchaus oberbeutfchen 
Charakter behauptete, findet fich bis um bie Mitte bes 14ten Jahrh. 
in ſchwäbiſchen, oberrheinifchen, ſchweizeriſchen Urkunden 3%, wie in der 
Literatur diefer Länder, gleichmäßig der mittelhochbeutfche, unter nieder⸗ 
rheiniſchem Einfluß erwachſene Bolalismus. Daß aber vie älteren, 
oſtſchwäbiſchen Volallaute im Vollemunde nicht aufgegeben waren, zeigt 
ihr Wiedererwachen im Schriftgebrauche der gedachten Zeit und nod 
mehr ihre Anbauer im lebendigen Worte des innern Schwabens, mo: 
gegen im Breisgau und ſüdweſtlichen Schwarzwald, in ber Schweiz 
und unvolllommener im Eljaß das vokaliſche Mittelhochdeutfch fortbefteht. 
Nah den Zerfalle der mittelhochdeutſchen Gejammtliteratur und unter 


dem Einfluß ſtaatlich⸗kirchlicher Abgrenzungen erneuerte und Ichärfte 
fih die Spaltung der Mundarten #0, Eine neue mundartliche Entwid- 


einzige e befchräntt ift u. |. w. Dagegen entfernen fich die langen vocale und 
diphthonge darin bedeutend von dem ahd., daß die verdichtung der ei unb ou 
in & und ö meiter durchgeſetzt worden if.“ 

3 Ebend. 125, 2. 

38 Ebend. 30 f: „In den vocalen hauptſächlich ift Die weichheit, in ben 
confonanten die fraft der fpracdhe gelegen.“ 

39 Bergl. Schmeller, Mundart. 8 f. ($ 11). Aber au) Er. 1 (3), 201 f., 3. 

© Eine im Obigen nicht berührte Abweichung des ſchwäbiſchen Dialekta 
vorn alemannifchen betrifft den Umlaut von o, d, ou und u, fi: 

alemannifch (mhd.) 5, fchwäbiich e, 


Pr „And, m 8, 
n „ Bu, „ pi, 
”„ ” ü ' [4 i ' 

„ De w ie. 


Diele ſchwäbiſche Neihe bietet jedoch keinen wirklichen Umlant. Der Volal, 
weicher umlauten follte, hat nicht bloße Trübung erfahren, er if gänzlich auf 
gehoben und durch einen andern, dem eigentlihen Umlaut nahe kommenden 
einfachen oder zum Diphthong verbundenen Bolal (den des bloßen Beilauts) 
erfegt. Es iſt, als hätte die ſchwäbiſche Mundart fich wiberwillig einem der 
mhd. Umlautung nur ähnlichen Verfahren gefügt. Ihr konnte der Umlant 


15 


ung zu erzeugen, wären biefe äußeren Verhältnifie für fi allein nicht 
im Stande geweſen, wohl aber konnten mit ihrer Hilfe die angeftammten 
Laute, welche durch die allgemeinere mittelhochdeutſche Sprachherrfchaft 
niebergehalten waren, lanpichaftlich wieder frei aufathmen. 

Nah al diefem läßt ſich das Verhältnis ber drei alten Volle: 
namen fo beftimmen: Alamannen bezeichnet nad dem Wortfinn und 
nad zeitgenöflischer Auffaflung eine Völferallheit, den gewaltigen Bund, 
der im 3ten Jahrh. ſich gefammelt hat #1, und derjenige Landftrid, in 


weniger Bedürfnis fein (fie meidet den Umlaut aud fonft, 3. B. ſpaͤt, frů, 
Stud, Brud, Ruden), da fie nicht die einförmigen Volallängen angenommen, 
fondern ftatt derjelben Diphthonge bewahrt hatte, die eine viel Tebhaftere Laut⸗ 
färbung geben (vergl.. Gr. 1 (8), 83, U. 2), als gedämpfter Umlaut, und da 
ihr auch die volleren Flexionsvokale, welche gleichfalls zum Lautwechjel dienen, 
noh am Schluſſe der mhd. Periode nicht gänzlich fehlten, alſo im Laufe der, 
jelben, während deffen fie auch in der Schriftipradhe da und dort auftauchen, 
viel weniger gefehlt haben werden. (Eher gefiel ſich dieſe Mundart darin, die 
Zahl der Diphthonge zu mehren, das einfache i ift zuweilen in ie gewandelt, 
ier, wier, mier ftatt ir u. |. w.) Die anfgezählten Eigenheiten überall nur 
für Berberbnis und VBergröberung des reinen mhd. Typus gelten zu laſſen, 
damit ift nichts erlärt. Alles miteinander, der Diphthongismus, dem gotbifchen 
meift noch gleichlaufend, ftatt der Bolalverdihtung, die gefrifteten ahd. Flexions⸗ 
formen, der unvolllommene Umlaut, bildet einen dem höheren Afterthbum zu⸗ 
gefehrten Zuſammenhang, mag dann auch das Altüberkommene mehrfach entftellt, 
ierig angewandt und in ber breiten Ausfprache verbanert fein. Diefe zufammen- 
hängenden Erſcheinungen gehören, wie fie der Zeit nach weit greifen, fo aud 
räumlich nicht einem engbegrenzten Gebiet an, was bei abjonderlicden Dialekten 
der Fall zu fein pflegt, fie erftreden fich nicht bloß über das ganze Land von 
der Oftfeite des Schwarzwald bis zum Le, fondern fie reihen fih einem 
größeren ftinöftlich » deutſchen Sprachkreis ein. Die nahverwandte bairifche 
Mundart ift gleiherweife nicht erft ein Ergebnis bes zerfallenden Mittel⸗ 
hochdeutſch, ihre Spuren find in öſtreichiſch⸗ bairiſchen Dichtwerken von ber 
zweiten Hälfte des 14ten Jahrh. rückwärts in die mittelhochdeutfhe Zeit hinauf 
nachgewieſen (Er. 1 (8), 201 ff., 3. Koberflein, über die Sprache Euchenwirts 
1, 22 fi), Das Althochdeutſche hat mit dem Altniederbeutfchen bie Nichtent- 
widlung des Umlauts (außer a in e) gemein, während aber das Mittelnieber- 
dentfche und Mittelntederländifche hiebei beharrt find, hat das Mittelhochdeutſche 
(Alemannifche) flir die durch nieberdeutichen Einfluß veranlaßte, obwohl keines⸗ 
wegs durchgeführte Bertaufhung alter Diphthonge mit gedehnten Vokalen in 
der Manigfaltigkeit des Umlauts Erjat gefunden. 

416. hierüber Zeuß 805 f. Stälin 1, 116. J. Grimm, Spradg. 498 
(Zeltſchrift 8, 391 f., Wörterbuch 218. 213, 1. 206: Al), dem jedoch „ala —% 


16 


welchen biefer Bund zuerft fiegreich eingebrochen und feinen Eik verlegt, 
hieß vorzugsweiſe Alamannenland; Juthunge, wenn fie auch in Folge ber 


den Mann im eigentlichen, vollen Sinne bedeutet. Für die andre, oben an⸗ 
genommene Erllärung fpricht Folgendes. Ein, nach dem Zeugnis des Agathias 
(F vor 582, GStälin 1, 166), über Germanifches genau bericdhtender Römer, 
Aſmius Onabdratus, der um 250, alfo den erften Alamannentriegen gleich 
zeitig lebte, leitet den Namen der Alamannen davon her, daß fie zufammen- 
geſchwemmte und gemifchte Leute fein. (Agathias, Histor. 1, 6: „os dä 
Alauavol, alys pn 'Adıvvio Kovadparp Inscdar, aböpl Tralıary nal cd 
‚ Tpuavına ds rò dupfis avappayaniva, Fupulvöig sicır avdpenoı nal 
uiyadsz, nal rovro duvaraı awroig 7 inovuuia." Es if denn doch eine bem 
erften Auftreten der Alamannen gleichzeitige, eher aus dentſchem Munde ver 
nommene, als von dem Römer felbft erjonnene Erflärung und um file zu ver 
werfen, muß man verfihert fein, daß um 250 ala- gerabe fo gebraucht unb 
bon al- unterfihieden wurde, wie nachmals im Gothiſchen und Althochdeutichen. 
Hiezu das gothiſche „in allaim allamannam“ (Steir, 51, 16 f. Bergl. 48, 
17 f. 1495. Zeitſchr.), wo ala nicht den Begriff man zu heben, fondern den 
der Allheit, des allaim (inter omnes in universum gentes et universos 
homines), zu verſtärken beflimmt ift und die Allheit, nicht bie Volllommenheit 
in Betracht kommt, das altnorbifche „almenningr“ m. universitas, commnnio, 
„almennr* communis, endlid der geihichtliche Umftand, daß mit dem Hervor⸗ 
treten des Alamannennamens jene andern VBöllernamen, felbft der fuenifche, ſich 
verlieren und, da nicht ſchon längerber ein ſtarkes Alamannenvolf bekannt war, 
mur eben die Bereinigung ſolche Macht Ichaffen konnte. Erſt aus dem Plural 
fonnte der Singular Alaman erwachſen, wie bieß auch fonft bei Volksnamen 
vorauszufeßen if. Der ahd. Mannsname Alaman läßt fi allerdings zahl⸗ 
reihen mit verflärtenden ala- zuſammengeſetzten Einzelnamen (Alaric, Walter, 
Aawic, Mafrid, Alaher, Maih, Alaburg, Alagund u. ſ. w., einige vielleicht 
ſtatt alah⸗) anreihen und zeugte dann für Grimms Auficht; aber in Alaman deu 
Bollsangehörigen zu finden, wird man geneigt, wenn eine reifinger Urkunde 
vom Jahr 836 (Meichelbed Nr. 599) in einer Reihe von Mancipien, welche liber- 
haupt gerne nad ihrer Bollsabflammung genannt werden, die Namen Alaman, 
Erchaufwap (wovon fpäter), Swapin zufammengeben läßt. Ebend. Nr. 414 und 
492: „Waman” als Zeuge, angeführt von Mone, Anz. 5, 270, Mr. 469: 
„Alman Presbyter.“ (Entſcheiden würde eine Alamannin; Gr. 3, 888: n. pr. 
Alamanna, wo? vergl. ebend. 384: arimanna, herimanna.) Stälin 1, 150, 
A. 3 (Ennodius): „Alamannise generalitas" (Ennodius lebte unter Gothen, bei 
Theoderich, dem Beichliger der Alamannen). Weiſt „generalitas“ nicht auf eine 
(goth.) ala-managei, (ahd.) ala-maneli (Gr. 1 (2), 609. 619. 628)? Daraus 
erft der Einzelne ala-man, Zu alamank (Steir. 48, 17) vergl. Gr. 3, 184 f. 
180 f. Graff 1, 221 u. 1157: alloman, unusquisque? Caſſiodor, Var. 2, 
4 (&. 132 f.): „Alamannicos populos u. |. w. Alemannum (sing.) 


Berwandtichaft und des Zuſammenwirkens für einen Theil ber Ala- 
mannen angefehen fein Zonnten, ſtehen boch zu biefen hinwider in 
erkennbarem Gegenſatz, denn wie ibr gleichzeitig mit dem alamannifchen 
auftauchender Name die vom Geſchlecht, d. b. echte, geborne Sueven, 
anzeigt‘, jo rühmen fie fi auch, beim Zufammenftoß mit Aurelian, 
ihres Neiterheeres von fabelhafter Zahl, das nicht aus gemifchtem 
Volke, ſondern „rein aus Juthungen“ beftehe und nicht burch Beimen- 
gung Andrer fich gegen die römiſche Kriegsmacht fchirme 1%. Sueven, 
der gemeinfame Stammname, obgleich für einige Zeit durch neue 
Loſung überllungen, dringt dennoch auf beiden Seiten des Gegenſatzes 


acerrimum n. ſ. w. innumerabilem nationem“ n. |. w. Cod. s. Gall. 298, 
©. 153: „magnos Alamannos.“ Bergl. auch Scheller 2, 578 ob. 588. 
Grammatil 2, 628: „agſ. älfyloe (multitudo) Beon. 177. alt. al-heimr 
(macrocosmus) almügi (plebe) el-remi (fama-vulg.) al-Piog (comitia) 
al-byda (plebe).* (Bebentet der Ortsname „in Alabrunnen (in pago Alss- 
einse),* bei Dronte, Cod. dipl. Fuld. 148, den allgemeinen Brunnen gegen- 
Aber den häufig nach einzelnen Eigenthümern benannten Sonberbrunnen ? 
Rechtsalt. 313: funderlude. Hattemer 2, 170 b ob.: pharisei (ſuͤnderman). 
Stammatil 2, 766.) 

a %. Grimm, Spradg. 500: „Weiter im often wohnten die ſueviſchen 
Juthungi u. |. w. als mannsname dauert Juthungus noch in fpätern ahd. 
uud mbd. dentmälern fort, urkunden bei Meichelbed 19. 83. 117 liefern 
Eodunc und bei Neidhart (Ben. 828) lieſt man Jedunc. alle diefe namen leiten 
fi} wol von dem altn. iod proles“ m. ſ. w. Bergl. ebend., über das Ber- 
brennen der Leihen 32. (Meihelb. 19: „Eodunc testis“, der Gtifter „ego 
Peigiri nomine*, unter Taffile.) Lex, iel. 1, 433: j6d, n. proles, fœtus, 
Barı, Atom, HYngel. Ettmilller, lex. 58. Sn. 199 (Arnam. 534): „sonr oc 
arſi, arfuni, bern, iod ok mögr, erfingi.“ 2135 (A. 561): „iod, burr, 
nei ok arfuni.“ Rigemäl Str. 7 (Sem. 101.0): lod Ol Edda u. ſ. w. 
hetu Prel.“ Ebendaſ. aber auch Str. 88 (1065) als allegorifhe Namen von 
Jarlaſöhnen „Jod nk Adal“ u. ſ. w. Mone im Anz. 4, 892: Über Die 
Futfungen) 

43 Fragm. ex Dexippo, ed. Bonn. &. 13 (Angabe der juthung. Geſandten): 
„inwıno uiv Örparessarreg ic uypiddas Ö', nal rovrov 05 uiyddav ovdä 
asdıväv, alld Iovforypav nadaeds, ov noldg ep Inmouayie Aoyoc. 
asaida dd ayouım Iımlasiav Övvausog vis Inninjg, aid’ dv rovras tal 
irtpav —* inıduuabovreg ro Hpsripov Örparod vd dvarrapaıdror.“ 
Zeug 314 vermuthet, daß von dem Geſammwolk der Juthungen⸗Alamannen 
die Rede fei. (Man vergleiche hiemit die von den Alamannen handelnde Stelle 
6. 16, Anmerlung: „Euyaawdss sisır avdpazoı nal miyadug“ u. |. w.) 

Upland, Esriften. VIII. 2 


18 


jezuweilen hervor und tritt zuleßt, weil doch Suevenvolk den Haupt⸗ 
beftand auch des mächtigen AWlamannenvereind bildete, urkräftig und 
nachhaltig in fein volles Recht wieber ein; allein volksthümlich, ber 
bauptet er in der heimifchen Sprache die ausſchließliche Herrichaft. Der 
Sache nach war fchon Arioviſts Kriegsmacht ein Alamannenbund, es 
waren in ihr Ausläufer der von Cäfar namentlich aufgezäßlten fieben 
Volker vereinigt, darunter befanden fi) nicht bloß von Anfang an 
Sueven 44, ſondern e& war auch ein Hilfäheer von hundert ſueviſchen 
Gauen im Anzug, das dem Unternehmen den vollen Nachdruck geben 
follte 5 und wohl au, wenn nicht Gäfars raſcher Sieg den erſten 
Zug gebrochen hätte, der Eroberung. diefelbe ſueviſche Grundlage ge 
Ichaffen haben würde, melde nachmals aus der Strömung des Ala⸗ 
manneneinbruchs ſich herborgeftellt bat. 

Um dem angeftammten Wejen ber Sueven ſelbſt näher zu fommen, 
muß der Blick fich in ihre norböftliche Heimat, ben Herb ihrer gewal: 
tigen Auszüge, zurüdivenden, 

Die Grenzen dieſes altſueviſchen Gebiets geftatten wegen des 
Wandels und Wechſels der germanischen Völlerfchaften und bei den 
ſchwanlenden, einander widerſprechenden Angaben ber Echriftfteller 
feine fefte und bauernde Beitimmung Am Schluſſe des erften Jahr⸗ 
hunderts n. Chr., alfo in ber Zelt zwilchen dem von Cäfar zurüdges 
worfenen ſüdweſtlichen Suevenzug und dem fpäteren, alamanniſch⸗juthun⸗ 
giichen Einbrucde, gibt Tacitus dem Lande der Sueven einen höchſt 
bedeutenden Umfang. Daefelbe begreift ven größeren Theil Germaniens, 
die Völker aber, die gemeinfam Sueven heißen, unterſcheiden ſich wieder 
durch befondre Namen, wogegen, nah Dio, viele andre Stämme ſich 
ben Suevennamen aneignen 16, Es find Anzeigen vorhanden, daß ber 


4 Gäfar, beil, gall. 1,51: „Harudes. Marcomannos, Triboccos, Van- 
giones, Nemetes. Sedusios, Enevos.“ 

40 Ebend. 1, 87 (f. ob. ©. 3, Aum. 2). 

46 Tacitus, Germ. 38: „Nunc de Suevis dicendum est, quorum non ana 
ut Catiorum Tencterorumgue gens. majorem enim Germanis pertem 
obtinent, propriis adhuc nationibus nominibusque disereii, quamquam 
in commune Suevi vocentur.“ Dio Gaflins Bl, 22: „mulloi yap ai 
Glloı rodrov red Zovnßov önarog ayrınowuwa." Zeuß 55. Sprach⸗ 
geſchichte 40. 





19 


allgemeine und der befondre Name verbunden wurben: Sueven⸗Lango⸗ 
Barden, Sueven« Angeln, Sueven⸗Semnonen 17, Suevia bei Tacitus 
reicht füdlich an die Donau und ſüdweſtlich, ben nichtfuenifchen Hatten 
gegenüber #8, an die Werra, norvöftlich weit über die Weichfel hinaus, erft 
jenfeits ber Aftier iſt ibm Sueviens Ende; die Oftfee, wo diefe bernftein- 
fammelnden Aftier ihr anwohnen, ift noch fuevifches Meer 4%, auf einer 
Inſel im Meere befindet fich aber auch der heilige Hain der Erbgöttin und 
die Völker, welche diefe Gottheit feftlich umführen, werben ausbrüdlich 
ein Theil der Sueven genannt 30; gleichmäßig ift es ein Theil dieſes Volls⸗ 
ſtamms, welcher der Iſis opfert, einer Göttin nemlich, deren Sinnbild, 
ein Schiff, auf die Herkunft ihres Dienftes tiber See gebeutet wirb 1; 
wenn enblih aus Britannien kommende Ufipier, die fich im römischen 
Dienft empört baben, jchrffbrüchig erfl von Sueben, dann von riefen 
aufgefangen und verlauft werden 52, fo bat man fich biefe Sueben als 


4 Ptolem. Beuß 759: „Zow,ßos Aaryoßdede“ „rar Zrvnßav rörv 
"Aypeılav" „rör Zovnßer röv Zeuvovar.“ Go mochten aud) die Juthungen 
Suevi-Juthungi jein. 

%8 Germ. 6. 30 und 31 handelten von ben Katten, C. 38 beginnt wie 
oben: „nunc de Suevis u. f. w. quorum non una ut Cattoram u. f. w. 
gens.“ C. 41 folgt, auch al® 'pars Suevorum, am Urfprung der Elbe und 
gegen die Donau: „Hermundurornm civitas,“ Hiezu annal. 13, 57: „inter 
Hermunduros Cattosgue certetum magno prwlio, dum flumen gignendo 
sale fecundum et conterminum vi trahunt.* Für die Werra nehmen dieſen 
Grenzfluß Zeuß 97 f., Sprachg. 573. 599. Germ. C. 42 find neben den Her- 
munburen noch die Naristen, Marcomannen und Duaden zum fuenifchen Be⸗ 
zeiche gezählt und mit ihnen wird Germanien überhaupt nad) biefer Geite 
abgeichioffen: „eaque Germanie velut frons est, quatenus Danubio pro- 
kegitur.“ 

42 Germ. C. 45: „dextro sueviei maris litore Aestiorum gentes allu- 
untur, quibas ritus habitusyue Suevorum, lingua britannice propior“; 
nad) ihnen wird noch der Sitonen gedacht und dann heißt es: „hic Suevie 
Kinis.* 

% Germ. 6. 40: „Est in insula oceani castum nemas“ u. |. w. vergl, 
mit dem Gingang des &. 41: „et heeo quidem pars Suevorum“ u. |. w. 

51 Germ. 6. 9: „Parse Suevorum et Isidi sacrificat. unde causa et origo 
peregrino sacro purum comperi, nisi quad signum jipsum in modum 
liburuse figuretum docet advectam religionem.* Bergl. Deutſche Mytho⸗ 
logie 236 ff. 

2 Zacitus, Jul. Agric. vita 6. 28: „atque ita circamvecti Britanniam, 


20 


Anwohner des Nordſee zu denken. Es fragt fich nun, welcher innere 
Grund die vielen, zum Theil ſehr anſehnlichen Völker, die unter der 
Benennung Sueven begriffen waren, ſich als zufammengehörig betrachten 
und neben ihren bejondern Ramen ven gemeiniamen führen ließ. 
Darüber gibt Tacitus im Allgemeinen Feine Auslunft. Weber eine 
einheitliche Staatögewalt, ähnlich der nachberigen fränfiichen, noch 
ſelbſt ein geregelter Volkerbund ſolchen Umfangs ift angezeigt °°. 
Was die Sprache betrifft, jo kann es, wenn auch die fchärfere Schei⸗ 
bung ber germanischen Hauptmunbarten zu jener Zeit noch nicht voll. 
jogen war, doch in ber raftlofen Bewegung des deutſchen Völkerlebens 
an Iprachlichen Abftufungen niemals gefehlt haben und mirklich grenzt 
Taritus die Sueven nad Spracde, wie nad) Lebensweiſe, von ihren 
Nachbarn im Nordoſten ab, allein er bat dabei zunächſt vie allgemeinere 
Verſchiedenheit germanifcher und nichtgermanifher Art im Auge 54. 
Dagegen bemerkt er allervings auch fuebifche, unter den Germanen 
felbft hervorſtechende Eigenthümlichkeiten. Ein anfcheinend geringfügiger 
Umftand, das in Knoten aufgewundene Hauptbaar der Sueven, gibt 
ihm zu der Bemerkung Anlaß, daß durch dieſes Abzeichen fich bie 
Sueven von den Übrigen Germanen, die Freien von den lnfreien 
(d. h. wieder die Bollsangehörigen von ben Friegägefangenen ober 
gelnechteten Yremben) untericheiven, bei andern Stämmen aber dieſer 
Gebrauch felten und nur in Folge von Verwandtſchaft oder nachgeahmt 
vortomme 55. Wichtiger ift die Eintbeilung in hundert Gaue, mie fie 


amissis per inscitiam regendi navibus, pro predonibus habiti, primum 
a Suevis, mox a Frisiis intercepti sunt“ u. ſ. w. . 

83 Gäfar 6, 10: den Sueven untergebene und verbündete Völker („natio- 
nibus, qus sub eorum sunt imperio u. f. w. cum omnibus suis 80ci0- 
ramque coplis“ u. |. w.). 

4 Germ. 43: „Marsigni et Barli sermone cultuque Suevos refe- 
runt, Gothinos gallica, Osos pannonica lingua coarguit non esse Ger- 
meanos, et quod tribuata patiuntur.“ 44: „nec arma (Suionum) ut apud 
ceteros Germanos promiscua.“ 45 von den Hitiern, wie ſchon ausgehoben: 
„Titus habitusque Suevorum, lingua britanniee propior.“ 46: „Peucini, 
quos quidam Bastarnas vocant, sermone, cultu, sede ac domiciliis ut 
Germani agunt.“ 

55 Germ. 38: „Insigne gentis obliquare crinem nodoque substringere. 
sic Suevi a ceteris Germanis, sic Suevorum ingenui & servis separantur. 





21 


Säfar von den Sueven feiner Beit in Erfahrung brachte und gleich» 
mäßig Tacitus von feinem ſueviſchen Hauptvolle, den Semnonen, zu 
berichten weiß >. Mit diefer Eintheilung ftand, wie Säfar näher aus 
führt, die ganze Ordnung des Kriegsdienftd und ber Feldbeftellung im 
Zufammenbang; aus jedem der hundert Gaue follen jährlich tauſend 
Gewaffnete in den Krieg gezogen fein, bie Andern beftellten daheim 
für fi und für Jene das unvertbeilte Feld und ebenfo warb im fol: 
genden Jahr abgewechſelt 57. Diefe einfache Kriege: und Feldbauver⸗ 
faflung fnüpft zum voraus eine beträchtliche Vollszahl zufammen und 
Tacitus findet in den hundert Gauen einen Grund bes großen An 
fehens der Semnonen 53, Ein Verband von folder Stärke war dann 
auch wohl im Stande, meiteren Zuwachs an fich zu ziehen und gleich 
artige Bildungen aus fi abzufegen oder durch fein Beifpiel hervor: 
zurufen; die Ordnung nad hundert Gauen fchreibt Cäfar nicht bloß 
dem fuenifchen Stammvolk im Binnenlande, fonbern auch jenem Sueven⸗ 
heere zu, das hinter Ariovift her auf Eroberung und neue Anfieblung 
auszog. | 

Mas jedoch allen Bindemitteln erft das eigentliche Leben gibt, das 
ift der Glaube des Suevenvolks an eine gemeinfame Ablunft, an eine 
große Verbrüderung duch Bande des Bluts; ein Glaube, welcher felbft 


in aliis gentibus, sen cognatione aliqua Suevorum, sen, quod seepe accidit, 
imitatione, rarum et intra juvente spatium, apud Suevos usque ad 
eenitiem“ u. f. w. Lucanus 2, 51 f.: 

„Fundat ab extremo flavos aquilone Su&vos 

Albis et indomitum Rheni caput“ u. ſ. w. 

56 Käfar, bell. gall. 1, 87: „pagos oentum Suevorum ad ripam Rheni 
eonsedisse.“ 4, 1: „ii (Buevi) centum pagos habere dicuntur.* Tacitus, 
Germ. 39: „Semnonum centum pagos habitantium.“ 

57 Cäfar, bell. gall. 4, 1: „Ii centum pagos habere dicuntur, ex 
quibus quotannis singule millia armatorum bellandi cause suis ex finibus 
edacunt. Reliqui domi manent, pro se atque illis colunt, Hi rursus 
inricem anno post in armis sunt, illi domi remanent. ßic neque agri- 
enltura, neque ratio atque usus belli intermitlitur. Bed privati ac separati 
agri apud eos nihil est“ u. ſ. w. Bergl. Zacitus, Germ. 6: „oenieni ex 
singulis pagis sunt.“ 

8 Tacitus, Germ. 39: „Adjieit auctoritatem fortuna Semnonum centum 
pagis habitentinm, magnoque corpore efficitur, ut se Suevorum caput 
credant.“ 


22 


wieder Zweierlei vorausſetzt, einmal die gleichartige natürliche Beſchaf⸗ 
fenheit, tie 3. B. Cäjar von ber ungeheuern Leibesgröße der Sueven 
ſpricht 5%, ſodann bad unvorbenfliche Alter einer irgendwie beftehenben 
Gemeinſchaft. Die Sueven wurden nah Tacitus überhaupt zu den 
germanifchen Urböllern gezählt 60; befonder8 ausgeprägt aber ift ihr 
eigener Glaube an gemeinfamen, blutsverwandtichaftlichen Urfprung 91 
in einer von bemfelben Schriftfteller verzeichneten Stammfage, die, 
durch gottesbienftliche Gebräuche geheiligt, eben an ben in hundert 
Gauen wohnenden Semnonen baftete. Damit ift für das alte Sueven- 
land, deſſen äußerfte Umriffe fich ins Unfichre verlaufen, wenigſtens 
ein zuverläßiger Kern und Mittelfreis geivonnen, von dem aus weitere 
Bogen gezogen werden Tönnen. Die Semnonen, biejes große Sueven⸗ 
vol, wie es von Strabo benannt ift, hatten meftlich die mittlere Elbe, 
öftlich den Suevenfluß, die Oder, zur Grenze 62; gegen Süboft, nad 
Böhmen hin, früher mit dem marlomannifch-fuenifchen Neiche bes Maro⸗ 
boduus vereinigt, fielen fie nachher in entgegengefetter Richtung an 
den Cherusker Arminius ab 6%; zur Zeit aber, da Tacitus die Ger: 
mania fehrieb, fanden fie unabhängig als ſueviſches Hauptvolk, deſſen 
Mohnftätte, nach fpäteren Namen, in der Laufig und ber Marl Bran- 
denburg nebft der anliegenden Strede des rechten Elbufers zu ſuchen 
ift, Länder, melde nach dem Abzug biefer ſueviſchen Vewohner von 
wenbifcher Bebölferung eingenommen und erft nad Jahrhunderten durch 
deutfche Anfieblung, Eroberung und Belehrung zurückgewonnen wurben, 
An diefe Altefte Hennat, von der die Sueven felbft ihren Urjprung und 
Ausgang ableiteten, Inüpft fi nun eben in biefer Stammjage ber 
Beginn einer weithinziehenden Sagenkunde. Die Alamannen fonnten, 
wenn ihr Name und Anfang richtig gedeutet worden ift, Feine bejondre 


% Gäfar, bell. gall. 4, 1: „immani corporum magnitudine.“ 

@ Germ. 2: „quidam antem, licentia vetustatis, plures deo ortos 
plüresque gentis appelletiones, Marsos u. ſ. w. Suevos u. f. w. affirmant, 
eaque vera et antiqua namina.“ 

61 Germ. 39: „omnes ejusdem sanguinis populi® u. ſ. w. 

62 Strabo 7, S. 290: „ro röv Zovrßov avröv udya 3dv0g Ziuvavag." 
Über die Lage des Semnonenlandes und den Zovnßos norauog insbeſondre 
ſ. Zeuß 1831 f. 16. 134 ob. 759. 

63 Strabo a. a. DO. Tacitus, annal. 2, 45. Zeuß a. a. ©. 


23 


Stammfage haben und von ihnen ift auch aus der Beit vor ihrem 
Eintritt in das neue Gebiet Feine fagenhafte Überlieferung Fund 
geworben. 


IL Sueviſche Itammfage. Volksname. 
1. Der Semnmonenwalbd. 


Die ſueviſche Stammfage lautet in der Auffafiung des römiſchen 
Geſchichtſchreibers alſo: 

„Die älteſten und edelſten der Sueven nennen ſich die Semnonen. 
Der Glaube an ihr beſondres Alter hat religiöſen Anhalt. Zu be 
fiimmter Beit Tommen in einem Walde, der durch heilige Gebräuche 
der Väter und alte Scheue geweiht ift, alle Bölfer desſelben Bluts 
durch Geſandtſchaften zufammen und feiern burch öffentliche Opferung 
eined Menſchen den grauenhaften Beginn ihres Barbarenfeftes. Dem 
Heine wird noch andre Ehre geboten. Niemand tritt anders ein, als 
mit einer Feſſel gebunden, um feine Abhängigkeit und die Macht ver 
Gottheit fund zu geben. Fällt er von ungefähr, jo darf er nicht auf: 
gehoben werben oder felbft aufftehen, am Boden wälzt man ihn hinaus. 
Der ganze Aberglaube gebt dahin, als fei von dort ber Urhab des 
Bollsftamms, dort der allgebietenve Gott, alles Andre ihm unterworfen 
und gehorfam. Zur Mehrung ihres Anjehen® gereicht das Glüd ver 
Semnouen, die in hundert Gauen wohnen, und ihre große Gefammt: 
mafle bewirkt, daß fie fich für das Haupt der Sueven halten 69.” 

Wie Tacitus ſich Die Anfänge des Volles (initia gentir) im Sem: 
nonenhain vorftellte, ift nicht erſichtlich, jet es, daß ihm felbft darüber 
nichts Näheres berichtet var oder daß er mit feiner früheren Meldung, 
wonach man den Urjprung des gefammten Germanenftammes (originem 
gentis) dem von ber Erbe geborenen Gotte Tuisco und deſſen Sohne 
Bannus zugefhrieben, in Widerſpruch zu fallen glaubte, wenn aud 
für das befonbre Voll wieder eine Erbgeburt angenommen würde. 
Und doch fpricht für diefe Annahme ſchon die autochihonifche Sage 
vieler andern Böller und die höhere Weihe, welche nur dadurch auf 


% Tacitus, Germ. 89. 


24 


die Semnonen fallen Tonnte, wenn ihre Urſprung im heiligen Wald 
ein übernatürlicher, mythiſcher war. 

Ihr Name jelbft wird vermuthungsweiſe auf die gleiche Wurzel mit 
dem ahd. sämo, lat. semen, bezogen und biefe Beziehung durch die 
von Ptolemäus genannte, fügli für den Semnonenwald zu nehmende 
Waltung Semana (Iyuavd Van), mit langem Selbftlauter, ver: 
mittelt; Semnonen find Bewohner der Semana und dieje beißt fo 
entweder als ein theilweife urbares Walbgebirg oder eben in bem 
Sinne, daß dort der Urfprung des Volles ward. Diefe Ableitung 
aber bat ſich ganz unabhängig von einem Zeugnis angebahnt, das ihr 
nicht wenig zu Statten fommt. Handſchriften, deren eine dem 12ten 
Jahrh. angehört, andre jogar in das Ste bis 10te Jahrh. geſetzt werben, 
enthalten den lateiniſchen Spruch, daß vie Schwaben nicht geboren, 
fonbern gefät feien („Suevi non sunt nati sed seminati“) 66, Noch 
Geiler von Kaifersberg, der berühmte Volläprebiger gegen Ende bes 
löten Jahrh., läßt einen Mann „grobe Schwaben fäen” und auf Be 
fragen: „warum ſäeſt bu nicht fubtile Schwaben?” die Antwort geben: 


65 Zeuß 8 f. fragend: „Semana vom goth. sema, semen: tanquam inde 
initia gentie. Taritus?* Anders 131: „Sie (die Semnonen) haben ihren Ramen 
als das Verſammlungsvolk der Smweben, nad) Tacitus, omnes ejusdem san- 
guinis populi (Suevi) legationibus coeunt (ad Semnones).* J. Grimm, 
Sprachg. 498 f., befonders: „Inuava Semana könnten nun auf ahd. sämo, 
L sjemja, böhm. semeno, lat. semen und bie vorftellung eines theilweiſe 
urbaren waldgebirgs führen, was jedoch unverläflig bleibt, da niema:b weiß, 
was ein jo altes wort fonft bedeutet haben Tann“ u. ſ. w. Auf ben Bmeifel 
wegen des kurzen Bolals in Zeuvor ift unmittelbar vorher geantwortet. Bgl. 
noch 788. 954. Andre Namenbeutungen geben W. Wackernagel, Zeitſchr. für 
d. Alterth. 6, 260; Müllenhoff ebend. 7, 883 f., wo das angelf. seomian (in 
Banden liegen, gefefielt fein) mit „vinculo ligatus“ bei Tacitus zufammen- 
genonmen wird. . 

66 Schmeller, bayer. Wörterbuch 3, 524 aus Cod. lat. monac, 560, BI. 
145. Auf meine Anfrage hat mir Schmeller die freundliche Auskunft gegeben, 
daß der Coder aus dem 12ten Jahrh. und ein Bufammenhang jener Bemerkung 
von alter Hand mit dem fonftigen Inhalt der Handfchr. nicht abzufehen fei; 
auch fügt er aus einem Schreiben Kopitars vom April 1841 Folgendes bei: 
„Suevi sunt seminati, hab’ auch ich in den Codd. sec. VIII, IX gefunden. 
Seminati von semino, nicht etwa von seminascor, gibt 60, 100, 200 für 
eins, nati nur 1, felten 2. Copia eorum fuit ut seminati videantur sicut 
Cadmi draconite,“ 


25 


„das Erdreich trägt fie nicht", Die Schwaben find hier nur Rüben: 
faat, aber vollamäßige Anfpielung auf die alte Schwabenfage fchim- 
mert hindurch. Je beftimmter eine fagenbafte VBorftellung für fich ſchon 
alterthümliches Gepräge zeigt, um fo zuläfiiger und aufflärender ift es, 
fie mit ähnlichen Eagen höher hinauf verwandter Vollsftämme zufam- 
menzuftellen. Die Erbgeburt in Stammſagen ber Völker ift vor allem 
ein finnbilblicher Ausprud der unvorbenflichen Anſäßigkeit, gegenüber 
der Einwanderung, kann aber auch die raſche Anfammlung, Mebhrung 
und Ausbreitung, das fprichwörtliche Wachfen aus dem Boden, ver: 
gegenwärtigen. In jenem vorherrfchenden Sinne nimmt Taritus die 
Urfage der Germanen; ebendahin fällt es, wenn bie Athener und andre 
Bölker des griechiſchen Alterthums ſich oder ihre Herricher für Erdge⸗ 
borne anfahen 8; die andre Wenbung findet fich bei Livius, wenn er 
berichtet, Romulus habe, um die Bevölkerung feiner neuangelegten 
Stabt zu vermehren, an einer Stelle, die jeht zwiſchen zwei Hainen 
von dichten Heden umzäunt fei, ein Aſyl eröffnet, nad einer alten 
Erbihtung der Stäbtegründer, die, indem fie eine unachtbare und ge 
meine Bollömenge an fich gezogen, fälfchlich worgegeben haben, es ſei 


6 Die bröſamlin doct. Keiferfpergs vffgelefen vo Frater Johañ Paulin zc. 
Straßburg 1517, Fol. Bl. XIII: „2er du und mad vß einem feißten groffen 
bauch ein güten fpringer, er fpringt nit hoch, ber leib gibt nit, das erdtreich 
tregt es nit. Gleich als yener der gieng vnd feiet grobe Schwaben, d'and' 
fragt, warumb feieftu du nit ſubtyle Schwabe, der antwurt, nein fprad) er, das 
erdtreich tregt fie nicht, alfo hie auch.” (Vergl. Schmeller 3, 524: „Schwaben 
Nuben.”) Geiler ift zu Schafhaufen 1445 geboren, zu Kaifersberg im Elſaß 
erzogen, gef. zu Straßburg 1510 (Koberftein 454). 

8 Auf dieſer Vorftelung beruht der politiſche Mythus Platon, vom 
Gtaate 3, 20: „nsav da rore ij almdeia vao yig dveög mlarrouevo nal 
rpepousvoı, zal avrol xalrd inla avröv nal y dlln dasun Önoupyovura, 
inudn Ss navrelög dfueyasııdvoı ndav, 7 y7 avrovg Ajrnp ovda dvijwe. xal 
vor del og mepl untpög nal rpogod rig zapag, dv q sici, Bovlsieddal re 
zal auvvew avrovg, day rıg da areıy In, nal unip av allav nolırav, 
ws adelpör Ovrov xal ynyevar, dıavosisheu.“ Belege hiezu verzeichnet AR in 
den Anmerkungen, Platonis Politia u. ſ. w. ree. Frid. Astius. Lips, 1804, 
©. 475. Die citierten Belegftellen find biefe: Censorin. de die natali c. 4, 
ubi vid. Lindenbrog. p. 22. Menexen. p. 27, ubi v. Gottleb. Isocrat. 
Panegyr. p. 14 sq. ed. Mor. et Panathen. p. 258. ed. Corai. (Blatons 
Bemndy rı mag fi übrigens zunächft auf bie Kadmosſage beziehen.) 


26 


ihnen ein Gefchlecht aus ver Erbe geboren worden 6%, Das entfprechenbe 
Bild des Säens gibt der Beiname Confivius, Eder, mit welchem der 
italiiche Stammgott Janus angerufen ward; er bieß fo, tie ein Er 
Härer jagt, vom Säen, nemlid von ber Pflanzung des menfchlichen 
Geſchlechts, deren Ausfaat ihn zum Urheber hat 0, Der volle Zuſam⸗ 


69 Livius, histor. 1, 8: „Deinde, ne vana urbis magnitudo esset, adji- 
ciende multitudinis cause, vetere consilio condentium urbes, qui, obeca- 
ram atque humilem conciendo ad se multitudinem, natam e terra sibi 
prolem ementiebantur, locum, qui nunc septus densis sentibus inter des 
lucos est, asylum aperit.* 

% Macrobius, Saturnal. 1, 7 (Bip. 8.1, ©. 939): „Regionem istam, que 
onnc vocatar Italie, regno Janus obtinuit w. f, w. Hic igitur Janus cum 
Saturnum classe pervectum excepieset hospitio, et ab eo edoctus-peritiam 
ruris, ferum illum et rndem ante fruges cognitss victum in melius 
redegisset, regni eum societate muneravif.“ n. |. w. 1, 9 (©. 236): 
„Mythici referunt, regnante Jano omnium domos religlone ac sanctitate 
fuisse munitas: ideircoque ei divinos honores esse decretos, et ob merita 
introitus et exitus edium eidem consecratos“ u. f. wm. 1, 9 (G. 238): 
„In sacris quoque invocamus Janum geminum, Janum Patrem, Janum 
Junonium, Janum Consivium, Janum Quirinum, Janum Patulcium et 
€lusivium u. ſ. w. Patiem, quasi Deorum Deum u. |. w.; Consivium, 
a conserendo, id (&. 239)’ est, a propagine generis humani, que Jano 
auctore conseritur: Quirinum, quasi bellorum potentem, ab hasta quam 
Sabini curim vocant: Patuldum et Cliasivium, quia bello ports ejus 
patent, pace clauduntar“ u. f. w. 1, 10 (&. 242): „Hanc autem Deam 
Opem Saturni conjugem crediderunt; et ideo hoc mense [Januar.] Satur- 
nalia itemque Opalia celebrari, quod Seturnus ejusque uxor tam frugum, 
quam fructuum repertores esse credantur. itaque omni jam fetu agrorum 
coacto, ab hominibus hos Deos coli, quasi vite cultiorie auotores, quos 
etiam nonnullis celum et terram esse persuasum (S. 243) est; Satur- 
numgue a satu dietum, cujus causa de cwlo est; et terram Opem, cujus 
‚ope human® vites alimenta quaruntur, vel ab opere, per quod fructus 
frugesque nascuntur. Huic. Dew sedentes vota concipiunt, terramque de 
industria tangunt, demonstrantes, et ipssm matrem esse terram morta- 
libas appetendam. [Plinius, hist. nat. 2, 63; jchöne Stele über die mütter 
fie Erde] Philochorus, Saturno et Opi primum in Attice statuisse aram 
Cecropem dieit, egeque Deos pro Jove terraque coluisse, instituisseque, 
ut peires familiarum et frugibus et fructibus jam coactis passim cum 
servis vescerentur, cum quibus patientiam laboris in colendo rure tolera- 
verant. delectari enim Deum honore servorum contemplata laboris. hinc 
est, quod ex instituto peregrino, huic Deo sacrum aperto capite facimus.“ 


27 


menbang des Säens und Wachſens erichließt fich aber in einer Sage 
des griechifchen Altertbums, der Sage von Kadmos, dem Gründer bed 
Staates Thebe. Geſäte, Erdgeborne (ouaprol, YryYeveis) nannte man 
das thebaniiche Erſtlingsvolk und der Mythus davon ift folgender: Der 
Vhönikier Kadmos wird vom delphiſchen Oralel befchieven, ber Weg: 
weifung eines weiblichen Rinbes, das noch fein Joch getragen und nicht 
den Pflug gezogen, zu folgen und dba, wo es fich nieberlege, eine 
Stabt zu gründen. In Böotien, das nach dem Rinde benannt if, 
ſtreckt basfelbe fich ind Gras und an biefer Stätte will Kadmos opfern. 
Er fenvet nad Waſſer in den noch von keinem Beile berührten Wald. 
Dort iſt eine Duelle des Ares und in ver Felshohle, aus der fie fich 
ergießt, hauft eine ungeheure Schlange, von ber die Ausgeichidten 
geiödtet werden. Kadmos aber erlegt ven Drachen und fät, auf Ge 
heiß der Athene, deſſen Zähne in Furchen, deren Stelle man ſpäter 
vor Thebe zeigte. Daraus erwachſen gewaffnete Männer, Sparten, 
Gefäte. Er hält fie für neue Gegner und wirft einen Stein unter fie, 
worüber fie felbft einander anfallen und morben, bis auf Fünfe, von 
denen die Stämme der nun begründeten Kadmosſtadt ausgeben '!. Die 
largen Andeutungen ſueviſcher Sage, ſoweit diefe hier verfolgt werben 
8,9 (8. 2, ©. 25, Über den geheim gehaltenen Namen der Schutsgottheit der 
Stadt Rom): „alii enim Jovem crediderunt, alii Lunam u. f. w. alii autem, 
quoram fides mihi videtur firmior, Opem Consiviam esse dixerunt.“ 
Über den Gott Janus |. Schwenck, Myth. der Nömer 122 ff. (Gonfiv. 188), 
Wal, de relig. Romanor. antigquiss. 1, 14 fi. (Schwend 189: Ops 
Gonfivia. Nitih 587: Consevins n, |. w.) Janus fleht in der römifchen Der 
votionsformel, Living, histor. 8, 9, vor allen andern Wöttern: Jupiter, Mars, 
Quirinus, Bellona u. |. w. Bergl. auch Schwend, Mythologie der Römer 
190 u. Unter ben Überreften der römifchen Pflanzſtadt Sumlocenne am obern 
Redar if auf dem Bruchſtück einer Thonfchale das Heine Bild eines Sämanns 
gefunden worden mit der Inſchrift: Gonftvins. Janmann, Bufammenfellung 
der zu Rottenburg a. N. aufgefundenen römiſchen Inſchriften, Jahrbücher des 
Bereind von Alterthumsfrennden im Rheinlande 15, Bonn 1850, ©. 82, und 
nach eigener Anſchauung. 

71 Hauptſächlich Pauſanias IX, 5. Schol. Eurip. Phen. 641. 674. 949. 
Deid, metamorph. 3, 5 ff. Natal. Som. 918 (Nitſch 447 f. Schwend, Myth. 
der Griechen 478 f.) Daß Uetes, König in Kolchis, die Hälfte der Dradenzähne 
erhält und nachmals Jaſon dag gleiche Abenteuer damit befteht (metam. 7, 104 ff. 
Orph. argon. 870 bis 876. Baler. Flaccus, argon. 7, 62 bis 77. 539 his 648), 
iR eine Wiederholung der Gage ohne ihre mrfprüngliche Bedeutung. 


kann, haben nichts won dem fchönen Gegenſatze des noch unbejochten 
Rindes, das den kommenden Anbau bezeichnet, und der feinbfeligen 
Hohlenſchlange, des Sinnbilds der widerfirebenden Erde oder bes wilden, 
ungelichteten Walbes; auch aus welcherlei Saat die Schwaben ertwachlen, 
bleibt gänzlih im Dunkeln. Wohl aber bieten fih andre Züge zu 
näberer Bergleihung und Aufbellung. Die Triegeriihe Haltung liegt 
im Bebiitfnis alter Staatengründungen. Die Römer ehrten den Kriegs: 
gott als ihren und ihres GStifters Vater. Auch die Urahnen der 
Thebaner werden als erdgebornes Vollk bezeichnet ??, An der Duelle 
des Ares wird die Saat gebrochen, deren Aufgehn Dvid lebendig 
fehilbert: wie die Schollen fi) beivegen, aus den Yurden die erfte 
Speerſpitze fticht, dann die Helmgiebel erfcheinen, Schulter und Bruft 
auftauchen, rüftige Arme die Waffen fhwingen?®. Daß aud über 
der räthjelbaften Geburt im Semnonenwald eine kriegeriſche Gottheit 
maltete, wird fih im Folgenden nahe geben. Am bebeutenbften jedoch 
ftellt fih der Umftand hervor, daß von den fünf übrig bleibenden 
Sparten die fünf Thebanerftämme herkommen. Sei e8, daß ber mör- 
deriiche Kampf, ber, durch ben Steinwurf hervorgerufen *4, ſich alsbald 


72 Livius, histor. prefatio: „si cui populo licere oportet consecrare ori- 
gines suas et ad deos referre auctores, er belli gloria est populo Romano, 
ut quum suum conditorisque sui parentem Martem potissimum ferat, tam 
et hoc gentes humane patiantur equo animo, quam imperium patiantur.“ 
Apollonius, argonaut. 3, 1185 ff.: 

„Kai p' 0 uir 'Aoviodıy dvidneipag medlorsı 
Kaduos Aynvoplöng dal yayavı sisaro Aaiv. 

74 Dvib, metam. 3, 104 ff.: 

Paret et impresso sulcum patefecit aratro, 
Spargit humi jussos, mortalia semina, dentes. 
Inde, fide majus, glebe cœpere moveri, 
Primaque de sulcis acies apparuit haste, 
Tegmina mox capitum picto nutanlia cono, 
Mox humeri pectusque onerataque brachia telis 
Existunt, crescitque seges clypeata virorum., 

74 Apollonius 3, 1067. 1865 fi. Apollodor B. 8 ex Pherec, Bergl. 
Ovid, metam. 7, 139 bis 142. Dem entipricht hinwider ein Zug aus ber nor- 
diſchen Götterſage. Odhinn wirft unter die neun Mähder des Rieſen Bangi 
einen trefflihen Wetsftein, nad dem fie fo ungeſtüm haſchen, daß fie einander 
die Hälſe abſchneiden. Sn. Edd. 85. 


unter den Drachenſohnen erhob, bie erfte Gährung in dem noch unge 
ordneten Pflanzvolk anzeigen follte, oder Daß die gefchichtliche Fünfthei⸗ 
lung des thebaniſchen Gemeinweſens das Erträgnis der Ausfant auf 
diefe Zahl zu beichränten gebot, jebenfalls ergibt fi damit ein Wink, 
auch bei der ſueviſchen Stammfage die Verfaffung dieſes Volles nicht 
unbeachtet zu lafien. Sind vie Sueven gefät, jo muften fie in ber 
Hundertzahl auffchießen, denn dieß ift die orbnende Ziffer in ihrer Staats⸗ 
eintheilung, ihrer Heerfolge und landwirthſchaftlichen Verfaſſung. Ger 
nau mit dem Berichte vom Heiligtum bes Senmonen verbindet Tacitus 
die Melbung, daß ihr mafienhaftes Wohnen in hundert Gauen ihnen 
Anſehn gebe und fie zum Haupte der Sueven erhebe. Hundert ſueviſche 
Gaue hatten fih am Rheine gelagert und wollten ihn überjchreiten, 
um das Heer Artovift3 zu verſtärken, und wieber von andrem Stanb- 
punlt, aus Anlaß eines fpäteren Feldzugs am Niederrhein, jagt Cäſar 
bon den Sueven: dieſes bei weitem gröfte und ftreitbarfte unter allen 
Germanenvöllern ſoll hundert Gaue haben, aus denen jährlich je tau- 
ſend Bewaffnete über die Grenzen in den Krieg ziehen, die Übrigen 
bleiben zu Haus und bauen für fi und für jene bas Feld, Iöfen aber 
im folgenden Sabre die Ausgezogenen ab und fo werde weder ber Feld⸗ 
bau, ſoweit fie ihn überhaupt betreiben, noch die Kriegsübung ver: 
jäumt 5, Wenn gleich die Hunberttbeilung auch andern germanifchen 
Böllern nicht fremd war, fo erfcheint fie doch bei den Sueven am ents 
ſchie denſten durchgeführt und wie das alte Stammvoll ſich ausbreitete und 
weithin neue Pflanzungen entfandte, wucherte die Schwabenfaat fort 
und wurden in neuer Heimat auch neue Hunderte angejekt. 

Es fragt fi) noch um den Gott, beflen Gegenwart ven Wald bei: 
ligte. Den Gebrauch, nur gebunden in den Hain einzutreten, deutet 
Taritus überhaupt als ein Zeichen ver Unterwerfung unter bie Macht 
dieſer gegenwärtigen Gottheit. Daß wer niebergefallen nicht im Heilig: 
thum wieder aufftehen ober aufgehoben werben darf, fonbern hinaus: 


75 Die fhon früher angezogenen Beugniffe über die fuevifchen hundert Gane 
und die daran gelnlipften Einrichtungen find: Tacitus, Germ. 39. Gäfar, bell. 
gell. 1, 37. 4, 1; vergl ebend. 6, 22 f. und Germ. 6, 12. 26. Daven 
handeln 3. Grimm, Rechtsalterth. 532 bis 534. 758 bis 757. Sprachg. 490 bis 
492. Zeuß 52 fi. Stälin 1, 278 und 295 f. 801. 810. 388, Anm. 2. Waitz, 
dentſche Berfaffungsgeich, 1, Cap. 8 (namentl. S. 48). 


30 


gewählt wird, iſt ein fichtbarer Ausbrud der Außerften Hilflofigleit des 
an Armen und Beinen Gebundenen ec. Nun wirft im Eddaliede ber 
todwunde Fafnir feinem Beichädiger Sigurd vor: „gefeflelt bift du und 
beergefangen, immer, fagt man, beben Gebuntene;” worauf ber junge 
Held erwibert: „nicht bin ich gefeflelt, wär’ ich auch beergefangen, bu 
fanbeft, daß ich ledig Iebe* 7, Die Feſſelung alfo ift das firengere 
Loos des als Kriegsbeute Weggeführten. Daher auch die zwei Baltyrien- 
namen Hlöd und Herfiötur, Kette und Heerfeflel; und gleicherweile 
walten die Jungfrauen (idiſi) des Merfeburger Zauberſpruchs über 
Binden und Entbinden 78, Weiter laſſen ſich die fuenischen Gebundenen 
(bandingjar) 79 damit in Beziehung feßen, daß bei ver feftlichen Ber: 
fammlung im Semnonenwalde ein Menſchenopfer fällt, venn wieder 
find e8 hauptfächlich Kriegsgefangene, die bei ven Germanen von biefem 
oraufamften Gebrauche getroffen wurden. Schon in Ariopift3 Heere 
war über einen gallifhen Römer, der in Ketten mitgefchleppt wurde, 
dreimal gelooft worben, ob er fogleich ven Feuertob leiden, oder auf 
andre Zeit gefpart werben follte, das Looſen aber war eine priefterliche 
Handlung und auch aus jpäterer Zeit wird deſſen Anmwenbung auf 


76 Bergi. Sem. 29, 12: „bönd at böglimum n. f. w. svä ek gel at ck 
gänga mä, sprettr mer af ſotum fiötar ok af höndum hapt.“ Merfeburger 
Cprad: „cuniowidi u. ſ. w. tnfprinc haptbandum, invar vigandınn!“ Anders 
erlären Mythol. 61***), C. 3. Bierordt, de junctarum in precando manuum 
origine indo german. ı. j. w. ſtarlsruhe 1851, S. 17 f. 

77 Sem. Edd. 187, 7: „nü erta haptr ok hernuminn, te kveda ben- 
dingja bifask.“ Ebend. 8: „eigi em ek haptr, pott ek veera hernumi, pü 
fanı at ek lauss liß.* Beides zugleid ward Godhrum, Seem. Edd. 212, 9: 
„Da vard ek hapta ok heruume.“ Vergl. noch ebend. 7, 40: „hapıbönd 
suüe“ u. ſ. w 24, 12: „spretir.mer af fütam fiöturr en af höndum hapt.* 
(&bend. 98, 10.) 

78 Deutſche Myth. 378. 895. Merfeburger Spruch (J. Grimm, fiber zwei 
entdedte Gerichte u. |. w. 4 W. Wadernagels Lefeb. Borr. IX): „fum& hapt 
heptidun u. |. w. infprinc haptbandum!“ (Fornald. S. 1, 219: „farid & 
brott med bandingjaun!“) 

18 Südnachbarn der Semnonen find die Gilingen (Beuß 131. 127. 456). 
Über ihren Namen jagt 3. Grimm, Epradg. 712: „Eil fällt einer guten 
dentfchen wurzel, wahrſcheinlich seilan sail silum ligare zu;“ hiernach wären 
Zilspyar, Biliugi = baudingjar. 

w Deutihe Mythol. 88 fi. Rechtsalterth. 820 f. 





a 


Menfchenopfer begeugt®!. Der Sueve, der gefeflelt in das Heiligthum 
eingebt, gibt ſich damit ſinnbildlich dem Gotte zu eigen und zum Opfer 
hin, wenn auch biefes in ber Wirklichkeit nur aus der Zahl ber Heer: 
genommenen gewählt wird. Die Beziehung zum Opfer beftätigt fi 
dadurch, daß auch im Heere der Bermane nur vom Priöfter gebunden 
oder geichlagen werben durfte, gleichſam auf Befehl des Gottes, den man 
im Kriegszuge, wie dort im Haine, anweſend glaubte82. Unter foldyem 
Geſichtspunkte gewinnt die Verehrung im Haine beftimmteren Bezug 
auf einen Bott des Kampfes und Sieges, dem ein ftreitbares Bolt um 
und für den Erfolg der Waffen Huldigung und Feſtopfer bringt, ent 
Iprechend den altnorbifhen und angelfächfiichen Siegopfern (eigrblöt, 
sigortifer) 89. 

Über die Semnonen felbft und einige ihnen zugewandte Bölfer 
finden fih bei Schriftfiellern des Alterthums noch folgende, ven kriege⸗ 
rischen Glauben berührende Andeutungen. Zum Kaifer Domitian famen, 
wie Dio Cafjius berichtet, Mafyos, König der Semnonen, und die 
Jungfrau Ganna, die nad Veleda im Keltenlande (hier Deutſchland) 
weifjagte, und kehrten, nachdem fie Ehre bei ihm empfangen, in die 
Heimat zurüd 3%. Der Anlaß dieſes Beſuchs ift nicht bemerkt und es 


81 Gäfar, b. gall. 1, 47. 53: „C. Valerius Procillus, cum a custodibus 
in fuga trinis catenis vinctus traberetur, in ipsum Cesarem hostıum equi- 
tatum persequentem incidit u. |. w. Is, se presente de se ter sortibus 
eonsultum dicebat, utrum igni statim necaretur an in aliud tempus reser- 
varetur. sortium beneficio se esse incolumem.“ Bergl. Tacitus, Germ. 10. 
®. Müller, altv. Religion 77, Anın. 1. Deutiche Myth. 629 u. 989. 

& Tacıtus, Germ. 7: „ceterum negne animadvertere, neque vineire, ne 
verberare quidem nisi sacerdotibus permissum, non quasi in poenam nec . 
ducis jussu, sed velut deo ımperante, quem adesee beilanuibus credunt.“ 
Bel. 89: „ibi regnator omnium deus.“ 

% Yngl. S. 8. Cod. exon. 257, 30. Deutſche Ryth. 86. 88. 

8 Dio Caſſius 67, 5 (Heimarus 1106): „Mäsvos 54 0 Zeuvöosev Badılsizg ral 
Tdyva (al. Dat.a) mapdivo; (7v dd uerd eur Belndav iv Kl — 
a1dor npög ruv Aowriavoy nal Fınjg nap auruL ruyörre:; arsmouisdndav.“ 
Zeuß 182. Zum Ramen Ganna dentfge Mythol. 85. Für Maſyos ſchlägt 
I Grimm, Epradg 498 „Nasvog“ vor und vergleicht den älteren Sueven⸗ 
führer Nasua bei Säfar, b. ga.l. 1, 37, entfprechend dein altmorbifchen Narvi, 
Reri, |. ebend. 486%). 488*). 683; ein Name der deutichen Heldenfage ift Rere. 
©. auch Haupts Heifcprift für deutſches Alterthum 7, 629. 





32 


gibt darüber verſchiedene Muthmaßungen 80. Die eine bezieht fih auf 
ben Aberglauben des Kaiſers, ber noch am Tage feines gewaltfamen 
Todes einen ihm gleichfalls aus Germanien geſchickten Zeichendeuter 
über die häufigen Blitzſchläge um Rath fragte und, nachdem berfelbe 
eine Anderung der Dinge vorausgefagt, ihn verurtheilte86, Aber auch 
eine toichtigere Angelegenheit konnte die femnoniichen Gäfte nach Rom 
führen, der Krieg fuewifcher Völker mit Iggifchen, in welchem übrigens 
Domitian feine Hilfe, zur Entrüftung der Sueven, den Lygiern zu: 
wandte, von denen auch eine Geſandtſchaft an ihn ergangen war ®?. 
Wie dem fei, ſchon die Erfcheinung des fuenifchen Königs in Geſellſchaft 
der wahrjagenvden Jungfrau und bie Gleichftellung biefer mit der ber 
kannteren Veleda wirft einen Lichtblid in die Dämmerung des Semnonen: 
waldes. Aus Arioviſts ſueviſchem Heerzuge meldet Cäſar, daß Jener 
einmal, nach Angabe der Gefangenen, darum nicht kämpfen mollte, 
weil e8 bei den Germanen Gewohnheit war, daß die Frauen durch 
Looſe und Weifjagungen erkundeten, ob die Schlacht räthlich fei ober 
nicht, und weil biefelben in biefem Falle ven Ihrigen den Sieg ab: 
fprachen, wenn fie vor dem Neumond fi in die Schlacht einlieken 8; 
Plutarch fügt hinzu, welcherlei Wahrzeichen biefe Abmahnung entnommen 
mar, die Frauen verfündigten bie Zulunft, nachdem fie in die Wirbel 
der Ströme geichaut, die Strudel und das Rauſchen ber Gießbäche 
beobachtet 89. Allgemein von den Germanen ſagt Tacitus in ber 


85 Mascou, Geſch. der Zeutichen 1, 137. 

86 Suetonius, Domitian. 16: „Dehinc mane haruspicem ex Germania 
missum, qui consultus de fulgure mutationem rerum preedixerat, audiit 
condemnarvitque.* Schon Bitellins ſoll blindlings den Weiffagungen eines 
kattiſchen Weibes vertraut haben, Suetonius, Vitell. 14: „Suspectus et in morte 
matris fuit, quasi egre preberi cibum prohibuisset, vaticinante Catta 
muliere, cui velut oraculo acquiescebat, ita demum firmiter ac dintissime 
imperaturum, ei superstes parenti exstitisset.* 

8” Dio Caflius, a a. DO. Zeuß 119. 126. 

8 Gäfar, b. gall. 1, 50: „Cum ex captivis quereret Cesar, quam ob rem 
Ariovistus prelio non decertaret, hane reperiebat causam, quod apud 
Germanos ea consuetudo esset, ut matres familias sortibus et vaticinatio- 
nibus declararent, utrum preelium committi ex usu esset nec ne; eas ita 
dicere: non esse fas Germanos superare, si ante novam lunam prœlio 
contendissent.* Bergl. Tacitus, Germ. 11. 

H Plutarchs Cäſar. (Mascou 1, 28, Anm. 3.) 








33 


befannten Hauptftelle, daß fie in ben Frauen etwas Heilige und Vor⸗ 
ausſchauendes geahnt, auch auf die Ratbfchläge und Ausſprüche ber: 
felben nicht geringen Werth gelegt haben, als erftes, offenkundiges 
Beifpiel aber nennt er eben Beleba, welche lang und gemeinhin als ein 
göttliches Wefen verehrt worden 9, Seine Vorftellung von der deutfchen 
Frauenverehrung gründet fich wohl auch auf die reichhaltigern Nach—⸗ 
richten, bie ihm eben über diefe Seberin zu Gebot ftanden und bie er 
in feinen Geſchichtbuchern mittheilt. Faßt man baraus bie Hauptzäge 
gedrängt zujammen, fo ergibt fich ein anſchauliches Bild ber goltbe⸗ 
geifterten Jungfrau in ihrer Stellung zum germaniichen Vollahelden. 
Sivilis aus Föniglihem Geſchlechte ber Bataver, eines Volles vom 
Rattenftamme, verfammelt feine Landsgenoſſen im Beiligen Haine, bei 
nächtlihem Mahl, und fordert fie auf, das Joch der Römer abzumerfen. 
Mit großem Beifall angehört, vereidet er fie durch Berfluhungen in 
heimiſcher Weiſe. Aus Wäldern und Hainen werben zur Schlacht die 
Feldzeichen, Gebilde wilder Thiere, hervorgeholt. Cr jelbft bat, als 
er zuerfi die Waffen ergriff, nach germanischem Braud ein Gelübbe 
getban, wonach er ſich die Haare wachſen läßt, bis die feindlichen 
Legionen niebergeftredt find ?!. Dem Helden zur Seite nun fteht Veleda, 


© Tacitus, Germ. 8: „Inesee quin etiam sanctum aliquid et providum 
putant, nec aut consilia earum aspernantur aut responsa negligunt. Vidimus 
sub divo Vespasiano Veledam dia apud pleroeque numinis loco habitam, 
sed et olim Auriniam et complures alias venerati sunt, non adulatione 
nec tanquam facerent deas.“ Dieje Berwahrung ift gegen die ſchmeichleriſchen 
Bergötterungen der römijchen Kaiferzeit gerichtet. Weiter geht hinſichtlich ber 
germanifchen rauen bie nachher außzubebende Stelle hist. 4, 61. 

9 Zacitus, hiet. 4, 12: „Batavi, donec trans Rhenum agebant, pars 
Cattorum“ u. |. w. (vergl. Anm. 86: „vaticinante Catta muliere“ u. f. w.) 
4, 13: „Claudius Civilis regis stirpe.“ 4, 14: „Civilis, primores gentis 
et promptissimos vulgi, specie epularum, in sacrum nemus vocatos ubi 
nocte ac letitia incaluisse videt, a laude gloriaque gentis orsus, injurias 


.ot raptus ei cetera servitii mala enumerat.“ 4, 15: „Magno cum assensu 


auditns, berbaro ritu et patriis exseeralionibus universos adigit,“ 4, 22: 


‚„Hinc veteranarum cohortium signa, inde depromptz eilvis Ineisque feraram 
‚imagines, us cuique genti inire prelium mos est“ u. ſ. w. 4, 61: „Civilis 


berbaro voto, poet coepta adversus Ronianos arma, propexum rutilatumgue 

erinem patrata demum cæde legionum deposuit.“ Yu ben Worten „barbarc 

rita et patriis exsecrationibus“ . die Berwünfchung des Eidbrüchigen in Sem. 
Uhlaud, Schriften. VII 83 





34 





— — 


eine Jungfrau vom Volle der Brukterer, weit umher gebietend, nad 
altem Glauben der Germanen, vermöge befien ihnen die meiften Frauen 
für weiflagend und nachgerave für Göttinnen gelten; fie bat ben Ger- 
manen Heil, den Legionen Untergang vorausgeſagt und aus ber Er: 
füllung dieſes Spruches erwuchs ihr Anſehen. Ihr wirb ber gefangene 
Legat Lupercus zum Gefchente beftimmt, ihr von ben erbeuteten Rhein: 
Ihiffen das mit dem Fähnlein des Prätors, die Lippe herauf, zugeführt. 
Civilis und Veleda werben unzertrennlich zuſammen genannt; ihnen 
hit man Botſchafter mit Gefchenken zu, um Bündnifje bei ihnen zu 
feitigen; doch ift e8 nicht geftattet, die Jungfrau zu fehen und anzu: 
even, fie wohnt hoch auf einem Thurme, Auserwählte ihrer Verwandt⸗ 
ſchaft find die Träger ihrer Natbichläge und Beſcheide, gleich den Ber: 
mittlern einer Gottheit %, Diefe göttliche Begabung wird hier ben 
germanischen Frauen in: folder Allgemeinheit zugefchrieben, daß nicht 
wohl ein hervorragender Mann ohne feinen weiblichen Schußgeift ges 
dacht werden kann, und bie Genoflin des Oberhaupts, des Heerführers, 
wird damit zur Vollsheiligen. Civilis mit Veleda läßt erratben, warum 
der Semnonenlönig mıt Ganna gebt. Ein bebeutfamer Zug germa: 


Edd. 165, 18 bis 20, welche auf Entfprechendes in der Schwurformel und Eid⸗ 
ablegung felbft hindentet, vergl. ebend. 188, 31. 

N Tacitus, hist. 4, 61: „Mummius Lupercus, legatus legionis, inter dona 
missus Velede. Ea virgo nationis Bructerse late imperitabat, vetere apud 
Germanns more, yuo plerasque feminarum fatidichas et augescente super- 
stitione arbitrantur dess. tuncque Velede auctorıtas adolevit, nam prosperas 
Germanis res et excidium legionum predixerat.“ 4, 65 [Agrippineises 
respondent]: „arbitrum habebimus Civilem et V.eledam, apud quos pacta 
saucieniur. Sic lenitis Tencteris legati ad Civilem et Veledam missi cam 
donis cuncta ex voluntate Agrippinensium perpetravere. Sed coram adire 
alloguique Veledam negatum. arcebantur aspectu, quo venerationis plus 
inesset. Ipsa edita in turre; delectus e propinquis eousulta responsaque 
ut internuntius numinis portabat.* 5, 22: „Multa Iuce revecti hostes, 
captivis navibus, pretoriam trirerem [weiter oben: pretoriam navem, 
vexillo insignem,] flumine Luppie donum Velede traxere.“ Übrigens war 
Cipvilis verheirathet, hatte einen noch jungen Sohn und wehrbafte Schweiler- 
föhne (hist. 4, 61. 63. 70. 79. 5, 20); fein Verhältnis zu Weleda beruht 
wefentlich auf ihrer Eigenſchaft als der Weiſſagerin ihres Volle. Die Brukterer 
wohnten an der Emd und der Lippe, Zeuß 92 f. X. Grimm, Sprachg. 531 f. 
Beleda als römifche Gefangene bei Statins, silv. 1, 4, 90. (Mac. 1, 187, 
Anm.) [Schriften 1, 132. 8.] 


35 


nifcher Sitte und Sage eignet fi) hiedurch auch den Sueven in ihrem 
Stammooll an. 

Süudweſtliche Grenznahbarn der Semnonen, durch die Elbe von 
ihnen gefchieven, find bie Hermunburen 9. Tacitus erklärt fie für einen 
Theil ver Sueven 9! und alö unmittelbare Nachbarn des Stammvolks 
find fie den Völkern beizuzäblen, bie fi) im Semnonenhaine zuſammen⸗ 
fanden. Zwiſchen Hermunduren und Katten, erzählt Tacitus, habe 
fich ein großer Kampf erhoben um einen falgreichen Grenzfluß. Bon 
folcden Stätten werde geglaubt, daß fie dem Himmel beſonders nahe 
feien und bie Gebete der Sterblichen nirgends befier von ben Göttern 
gehört werben, durch deren Gnade bort in Fluß und Wäldern das Salz 
zu Tage komme. Die Schlacht jei den Hermunduren günftig, ben Katten 
zum Verderben auögefallen, weil biefe, wenn fie die Sieger wären, 
das gegnerifche Heer dem Mars und Merkur geweiht haben, ein Ge 
[übde, wodurch Roſs und Mann, alles Befiegte, der Bertilgung bin: 
gegeben werbe. Diefe feindliche Drohung aber fei gegen die Hatten felbft 
umgejchlagen 95. Nun find es zwar zunächſt eben die Katten, die das 


” Belleius 2, 106: „usque ad flumen Albim, qui Semnonum Hermun- 
durorumque fines preterlluit.“ Zeuß 102 ff. J. Grimm, d. Sprachg. 598 f. 
Erälin 1, 11 f. 

M Btrabo 7, ©. 290: „uepog dd rı avrar (Zovnßov) U. |. w. xadansp 
Evuovdopo«“ u.|.w. (Beuß 104.) Sie werden aber au, als ein größeres Bolt, 
neben ben Sueven bejonders genannt, Plinius, hist. nat. 4, 14: „Hermiones, 
quorum (pars) Suevi, Hermunduri“ u. f. w. (Zeuß 70.) Julius Capitolinus 
in vita Marci 22: „Gentes omnes ab Illyrici limite usque in Galliam con- 
spiraverant, ur Marcnmanni, Narisci, Hermunduri et Quadi, Suevi“ u. |. w. 
Germ. 41: „Et heec quidem pars Suevoram [Reudigni u. |. w.] in secretiora 
Germanie porrigitur. propior u. j. w. Hermundurorum civitas“ u. |. w. 

5 Xacituß, ann. 13, 57: „Eadem wstate inter Hermunduros Catiosque 
certatum magno pr@lio, dum flumen gignendo sale fecundum et conter- 
minum vi trehunt, super libidinem cuneta armis agendi, religione insita, 
eos maxime locos prepinquare cœlo precesque mortalium a deis nusquam 
propius audiri. inde, indulgentia numinum, illo in amne illisque silvis 
saleım provenire, non, ut alias apud gentes, eluvie maris arescente, sed 
unda super ardentem arborum struem fusa, ex coutrariis inter se elementis, 
igne atgue aquis, concreitum, Sed bellum Hermunduris prosperum, Cattis 
exitio fait, Quia victores divergam aciem Marti ac Mercurio sacravere, quo 
voto equi, viri, cuneta vieta oceidioni dautur. Et mine quidem hostiles 
in ipeos veriebant.“ 


36 


fuschtbare Gelübde gethen, aber die Sermunburen nahmen e3 auf, auch 
ihnen muſten Mars und Merkur, als allgemein germanifche Haupt: 
götter, heilig fein; ja die Katten felbit, welche Tacitus den Sueven 
gegenüberftellt 96, werben als zu Cäfars Beit noch den letztern beigezählt 
angejeben 7. In ber Germania wird von ben Deutfchen überhaupt 
gefagt: am höchſten unter den Göttern ehren fie den Merkur, dem fie 
an beftimmten Tagen auch Menfchenopfer barbringen, Herkules und 
Mars werben durch Opferthiere verſöhnt 8. Zwei von diefen Göttern 
ericheinen nun im Streit um ben Saljfluß als folde, die über den 
Sieg gebieten, und zwar wird Mars hier vor bem Merkur genannt 9, 
al3 betbeiligt bei einem Gelübbe, das auf die Opferung nicht bloß eineß 
einzelnen Menfchen, fondern eines ganzen Heeres, gerichtet ift. Die 
römische Auffafjung konnte durch das Beispiel ähnlicher Weihungen aus 
der Geſchichte des eigenen Volles beftimmt fein, bock fehlt felbft dieſen 
nicht das Gepräge des Opfers 100, Jedenfalls bewährt auch die Her- 
mundurenfchlacht den kriegeriſchen Geift des ſueviſchen Götterbienft3. 


:% Germ. 38: „Nunc de Suevis dicendum est, quorum non una ut 
Cattoram Tencterorumve gens.“ ©. ob. Anm. 46 (zu I). Bergi. jedoch Sprachg. 
494, 2. 565 u., f. ob. 570 06. Florus 4, 12 (S. 401): „Cattos u. |. w. 
Suerosque“ u. |. w. Auch Dio feheint zu unterfcheiden, Masc, 1, 66 f. 

7 Beuk 9. Sprachg. 565 bis 570. 

98 Germ. 9: „Deorum maxime Mercurium colunt, cui certis diebas 
humanis quoque hostiis litare fas habent. Herculem ac Martem conoeseis 
animalibus placant.* 

9 An einer andern Stelle, hist. 4, 64, läßt Zacitus den Gefandten der 
Tencterer zu ben Ugrippinenfern ſprechen: „redisse vos in corpus nomenque 
Germanie, communibus deis et precipuo deorum Marti grates agimus.“ 

wo Den Sinn der römiſchen Todesweihe ergibt folgende Stelle, Living, histor. 
8, 6: „Ibi in quiete utrique consuli eadem dicitur visa species viri majoris, 
quam pro humano habitu, augustiorisque, dicentis: Ex una acie impera- 
torem, ex altera exercitum Diis Manibus matrique Terre deberi; utrius 
exercitus imperator legiones hostium, superque eas se devovisset, ejus 
populi partisque victoriam fore.“ Vergl. 8, 10: „quoram [consulum] alter 
omnes minas periculaque ab Diis superis inferisque in se unum vertit.*“ Die 
Formeln find, ebend. 8, 9: „In hac trepidatione Deeius consul M. Valerium 
magna voce inclamat: Deorum, inquit, ope, Valeri, opus est. agedum 
pontifex publicus populi Romani prei verba, quibus me pro legionibus 
devoveam. Pontifex eum togam pretextam sumere jussit et velato capite, 
manu subter togam ad mentum exerta, super telum subjectum stantem 


37 


Suevien ift bei Tacitus von einem fortlaufenden Gebirgäzuge ge: 
teilt und durchſchnitten. Unter den jenfeitö desſelben anjäßigen Völkern 
dehnt ſich am meiteften der Name ber Lygier, die wieder in mehrere 
Staaten mit befondern Namen auseinandergeben 101, Bmifchen Lygiern 
und Sueven in engerem Sinne zeigt fich mehrfacher, freundlicher und 
feindlicher, Verkehr. Mit den Semnonen find die Lygier im Reiche 
Marobods verbunden und gerabe dieſe Völler, beide hier zum erftenmal 
genannt, werden als große auögezeichnet 102 Lygier und Hermunduren 
im Bereine machen nachmals ber fuebifchen Herrichaft des won den 
Römern eingefehten Quaden Bannius ein Ende 108. Dagegen befinden 
fi unter Domitian, wie fchon erwähnt, Lygier mit Sueven im 
Kriege 19%, Biel fpäter, ale längſt des Semnonenvolfs nicht mehr 
gedacht wird, verlautet doch Semnon noch einmal ald Name eines 
Fürften der Lygier (Logionen), der mit feinem Sohne nad verlorener 
Schlacht in die Gewalt bes Kaiſers Probus geräth, aber von feinem 
Bolle dur; Zurüdgabe der Gefangenen und aller Beute wieder ausgelöft 


sic dicere: Jane, Jupiter, Mars pater, Quirine, Bellona, Lares, Divi 
novensiles, Dii indigetes, Divi quorum est potestas nostrorum hostiumque, 
Diique Manes, vos precor, veneror, veniam peto feroque, uti populo 
Romano Quiritium vim, vietoriamque prosperetis, hostesque populi Romani 
Quiritium terrore, formidine morteque afficiatis. Sieut verbis nuncupevi, 
jta pro republica Quiritium, exercitn, legionibus, auxiliis populi Romani 
Quiritium, legiones auxiliaque hostium, mecum, Diis Manibus Tellurique 
devovee.“ 10, 28: „Jam ego mecum legiones hostium mactandas Telluri 
ac Diis Manibus dabo.* (Bergl. noch 7, 6. 10, 88) S. auch Macrobing, 
Saturnal. 3, 9. Machher bei den Nahanarvaien.) 

%1 Germ. 43: „dirimit enim seinditque Sueviam «ontinuum montiam 
jagum, ultra quod plurime gentes agunt. Ex quibus latissime patet 
Lygiorum nomen in plures civitates diffusum.“ (fiber civitas Rai, Berf,- 
Geh. 1, 51.) 

w Etrabo 7, S. 290, von dem heimgekehrten Marobob revend: „InawiIev 
54 iöwvdsreuss nal narnendaro npog olg alaov Aovlovg ra, 1usya ddvog u. |. W. 
zal rör Zonßav avröv uiya Idvog, Zuuvaraz.“ Spradig. 700. 

“3 Tacitus, ennal. 12, 29: „Per idem tempus Vannius, Suevis a 
Druso Cesare impositus, pellitur regno u. |. w. auctores fuere Vibilius 
Hermundurorum rex“ n. j.w. 12, 80: „quia Lygius Hermundurusgue illic 
ingruerant.“ 

1% Dio Gaffins 67, 5 (Reim. S. 1105): „Auyyımı Zovnßorg rıdl nolsundi- 
rc.‘ ©. ob. ©. 82. | 


— — — — 
— — — — 


38 


wird 105, Semnon an der Spitze der Lygier gemahnt an alte Gemeinſchaft 
der leßtern mit dem ſueviſchen Urvolke, tem das königliche Gefchlecht 
entnommen fein mochte, wie etwa die ſüdwärts gezogenen Heruler ſich von 
ihren hochnörtlichen Stammgenofien einen König aus dem alten Herrſcher⸗ 
geichlechte beriefen 19%. Bon Ingifchen Einzelvölkern meldet Tacitus, nad 
dem er bie mädhtigften genannt bat, nur zwei merkwürdige Dinge, die aber 
beide bier in Betracht kommen, einen Götterbienft und eine Kriegsſitte. 
Bei den Nahanarvalen 107 wird ein Hain von alter Verehrung gezeigt, 
mit dem Borfig einer Briefterin; die Götter felbft find auf römiſch 
Caſtor und Pollux; dieß die Bedeutung ber Gottheit, der Name Allen 108, 


8 Bofimus 1, 67, von Probus: „Aoyiovag, 5$vog Tepuavınöov, xara- 
yavısausvog al Ziuvora (oypidas dua ro nal rov rourav Nyouuavor, 
inirag döikaro nal rovg alyualdrovg nal ryr Asiav nädav, nv alyov, dvala- 
Bar, ini prralis onoloyiarg npis, nal aurov Ziuvova nerd rov waudog 
dnssone.“ Zeuß 448. Spradhg. 710. Mascou 1, 198, Anm, 2: Münze, 

106 Procopius, 8.2, C. 14. ©. 422. Mascou 2, 183, Anm. 4. Zeuß 481 f. 
Spradhg. 471. Bergl. auch Tacitus, anna). 11, 16: „Cheruscorum gens regem 
Roma petivit, amissis per interna bella nobilibus et uno reliquo stirpis 
regie, qui apud urbem habebatur, nomine Italicus“ u. ſ. w. 

107 Die Echreibung Naharrali oter Nahanarvali verbeffert 8. Müllenhofl, 
de antiquiss. Germanor. poesi chor. Kiel 1847, ©. 8 in Navarnahali = Nor- 
nahalir; beiftinnmend 3. Grimm, Sprachg. 715 f. Vergl. ebend. ib. Diphth. 10, 
anders K. Weinhold in der Zeitſchr. f. d. Altertb. 6, 461. 

8 Die mögliche Gleichftellung des ſchwierigen „Alcis“ mit goth. alhs fem., 
aliſ. alah m., agf. alh, ealh m., ahb. in Zufammenfeungen alah-, im Sinne 
von Tempel, heiliger Stätte, hat 3. Grimm, Myth. 57 f., vergl. Sprachg. 118, 
ausgeführt. Über albe, alah u. |. w. f. aud Gramm. 2, 811. 446 f. 3, 428. 
Gabelentz und Löbe, Gloſſar. d. goth. Spr. 10a. Schulze, goth. Bloffar. 17a. Graff 
1, 285. Schmeller, Gloffar. 5 (bier: „efr. de „alcis“ Taciti G. 43. Jahres- 
bericht der Acad. zu Minden 1831, ©. 68“). Bosworth 29a. 746. Ettmüller 8. 
Leo, Rectitud. 44. Wie das goth. fem. alhs am häufigften zur Übertragung 
von depd» dient, fo fteht das altj. masc. alah dicht beiſammen mit andern 
fononymen Bezeichnungen des Heiligthums (innerhalb weniger Zeilen bes Hi. 
8, 17 bis 22: „te them uuiha,“ „umbi that helaga hus,* „an thana 
uuih,“ „umbi thana alah uten,* „aftar them alaha“). Zn zufammengejegten 
Berjonennamen wie ahd. Alhawih m. (Neug. 183, vergl. Burgwih, Dronke 454, 
Alewih, Cod. exon. 320, 27, etwa auch den goth. Alavivus, Ammian. 31, 
4 fg.?), agſ. Ealhstän (vergl. agj. Wihstän, Beov. ©. 205, derjelbe: Weox- 
stän — Veohs-stän, vergl. Mythologie 58, Bosmorth 249a: weohsteal, altn. 
Vesteinn, Thörsteinn, Lex. myth. 657), ahd. Alabgart f. (vergl. die altıı. m. 





39 


keine Bilder, Teine Spur eingewanberten Glaubens, aber ala Brüder, 
als Sünglinge werben fie verehrt 109%. Die letzte Bemerlung fagt, in 


Vegardär, Freygardr, Pörgardr, Fornald. S. 2, 5. Mythol. 285 f.) entſpricht 
das zweite Wort anjcheinend dein Sinne bes erften, während in andern, wie 
ahd. Wiaholf (doch kaum vargr 1. veum, Rechtsalterth. 788), agſ. Ealh- 
heard (vergl. alıh. Godehart), ahd. Alahſwind, agj. Ealhavid (mie Gotafuuind, 
Dronte 157), kein bebeutjamer Zufammenhang durchblickt. Alah erzeigt ſich 
aber auch perfönlih: in den Mannsnamen Alach, Alaho, Alachd (Codex 
Lauresh, Wr. 1365. 1427. 1081), dimin. Alahicho (Goldaſt, ecript. rer. alam. 
2, 95, vergl. Neug. 17. Cod. Laur. 288: Alaicho, vergl. Trad. Wizzeb. 6. 
Grammatit 8, 676), zujammengeieht: Aſalah, Geralah, Gundalah, Odalah 
(Dronte 438. 570. 432. 671), Suabalah (Reug. 145), Smwarzalah (Dronte 563), 
in villa Aleheshem (ebend. 688), und in ben weiblichen Namen Deotalba, Rua⸗ 
dalha (Meug. 176, oder m. ftatt »alho?). So kommt zn deodv ein Japog, zum 
fachlichen alah ein perſönlicher, der Iatinifiert Alahus, Alachas (gehört Elachus, 
Trad. Wizz. 218, hieher oder zu elah m., Ei? Bergf. Gr. 2, 814, 2) lauten 
würde, bei Tacitus: Alcus. Sn „nomen Aleis“ für Iehteres Wort ben dat. 
pl. anzunehmen, iR nit bloß jpracdhgemäß (vergl. annal. 3, 16: in campum, 
eni Idistaviso nomen), fondern gibt auch lebendigern Anfchiuß an deos, fratres, 
juvenes, ſelbſt au numen, al® ber bloße Sachbegriff delubrum (vergl. Zeuß 
30%. Alah, in ſchwacher Form Alaho, begegnet fih mit den Namen ahd. 
Wiho (Graff 1, 643), neben ahd. und altf. wih m. (nemus, teınplum), altn, 
Belgo. Helga, agi. Halga m., ahd. Heiliga (Dronte 68). Namen wie Alah—⸗ 
wid, Helagwig f. (Dronke 157, eine Kloſterſchweſter), Verbindungen wie alh 
häligne (Cãdm. 202, 22. Myth. 58), find darum noch nicht Pleonasmıen, ber 
allgemeine Begriff des Heiligen wirb in jedem ber einzelnen Wörter, je nad 
ihrer Grundbedentung, eigens beflimmt, eben wie in sacer, sanctus, sacro- 
sancdus. Bosworth 29a ftellt zu altſ. alh, ealh, das ſchwache Beitwort 
ealgian, tueri (vergl. Gr. 1, 260. 264. 907. 1 (2), 946 f.); ift hiernad in 
ealb, alah, das Heilige vom Wefichtspunft des Schutzes, der Befriedung (veral. 
Ha 15, 19: friduwih, templum, altn. fridheilagr), aufgefaßt, fo flunmt 
dazu, daß au das Königshaus mit feinem Burgfrieden ealhstede, Alahstat 
(Alechtorf, Adorf, Schmid, Die Stifter des Kl. Auhauſen u. ſ. w. ©. 159) 
beißen Tonnte (Mytb. 58, Rechtsalterih. 888, Leo, Rectitud. 44: „cyninges 
healh*); wie alls u. f. w. das ſchutzgebende Heiligthum, die Freiung, fo 
Alei die göttliden Schirmherrn. Bergl. auch Nordalb. Stud. J, 1. ©. 88. 
Epradig. 319 ob. 537 u., f. ob. 568, 3. 572 u. 

#9 Germ. 43: „Apud Nahanarralos antique religionis lucus ostenditur. 
presides sacerdos muliebri ornatu: sed deos, interpretatione Romana, 
Castorem Pollucemgue memorent. ea vis numini, nomen Alcis. nulla 
simulacra, nullum perrgrin® superstitionis vestigium; ut fratres tamen, 
ut juvenes venerantur.“ Iſt dur „muliebri ornatu“ nur sacerdos, gener. 





40 


Ermanglung der Bilder, wie man fich dieſe ®dtter vorgeftellt babe: 
als Jünglingsgeftalten mit brüterlicher Ähnlichkeit. Aber damit if bie 
Vergleihung nicht erfchöpft, ausbrüdlich iſt vorangeſchickt, daß die ly⸗ 
gilchen Brubergötter den Divzkuren dem Weſen nad) (ea vis numinis) 
entfprochen haben. Unter diefem Weſen war boch wohl, ohne daß die 
Nachrichten tiefer eingiengen, das Walten und Wirken ber göttlichen 
Brüderpaare gemeint. Die Diosfuren, deren Aufenthalt, indem fie 
brüberlih die Geſchicke theilten, Tag um Tag zwilchen Unter» unb 
Oberwelt wechſelte 110, zeigten fich oberirdifch auf zweifache Weife den 
Menfchen hilfreich. Einmal ala Retter im Sturme, mit Sternen über 
den Häuptern oder im Elmsfeuer auf ven Maften anweſend 111; bie 
findet feine Anwendung auf ein lygiſches Volk meit innen am Gebirge. 
Allgemeiner war ihre andre Thätigleit: ald gegenwärtige Mitftreiter 
und als Siegesboten. Das FTaftorifche Lieb warb gefungen und geflötet, 
wann die Spartaner in die Schlacht ausfuhren, und man nahm an, 
daß die beiden Thndariden mit in den Kampf zögen; ben italiichen 
Lokrern flanden fie im Treffen gegen Kroton auf weißen Rofien und 
in Burpurmänteln bei, verfündeten auch den Sieg berfelben noch am 
nemlichen Tag in Eparta, Korinth, Olympia und Athen!!! Der 
römischen Vorftellung muſten fie in folder Eigenjchaft befonders heimisch 
jein. Da ftand ja am Forum zu Rom der Tempel Gaftors und von 
defien Erbauung gieng eine heilige Sage: in dem Treffen am See 
Regillus wider die Latiner erfchienen zwei Zünglinge von übermenfch 
licher Größe und verhalfen den Römern zum Siege, dann Tamen am 
Abend des Schlachttags zwei foldde in der Rüftung auf das Yorum 
geritten, auf ſchneeweißen Rofien, die fie im Abflug des Quells am 
BVeftatempel badeten; den nach dem Heere Fragenden meldeten fie Schlacht 
und Gieg; man glaubte, daß es Caſtor und Pollux geivefen, und 


comm., näher beftimmt (vergl. Germ. 40: „bobus feminis“) oder damit ein 
Mann in Weiberkleidung gemeint? Auf Lebteres gründet fi) die Deutung ber 
beiden Gottheiten hei Zeuß 30. 

110 Entweder fo, daß fie je den einen Tag zuſammen unter der Erbe, den 
folgenden gleihmäßig oberhalb find, Od. 11, 299 ff., oder indem fie tagweiſe 
einander in beiterlei Aufenthalten ablöfen, An. 6, 121 f.; dem gemeinfamen 
Erſcheinen taugt nur die erfte, ältere Meinumg. 

111 Schwend, Mythol. der Griechen 100. 102, 

112 Ebend. 101. 105 f. 


41 


erbaute hierauf den Gaftortempel an ber Stelle, wo die Beiden in Rom 
erſchienen waren, au ward der Duell ihnen geweiht und zu ihren 
Ehren jährlich ein herrliches Feſt gefeiert 918, Noch fpäter, im mace 
doniſchen Kriege, zeigten zwei herrliche Sünglinge auf weißen Roſſen 
einem Nömer die Gefangennehmung des Königs Perjes an 114 An 
die Meldung von den Dioskuren der Nahanarvalen fchließt fi unmittel- 
bar diejenige von ber geifterhaften Kriegſitte der Harier. Tacitus nennt 
biefe an der Spite der bedentendern lygiſchen Völker und verfichert auch 
außbrüdlich, daß fie den andern an Kraft vorgehen, noch mehr aber 
durch Tünftlich gepflegte Wiloheit fich Tenntlih machen. Den Beweis 
deflen findet ex in ihren Striegsgebräudien: fie haben ſchwarze Schilde, 
gefärbte Leiber, wählen finftre Nächte zu Schlachten, ſchon durch das 
Grauen und den Schatten des leichenartigen Heeres jagen fie Schrecken 
ein, ba Fein Feind ben fremden und gleichſam unterweltlichen Anblid 
erträgt 115. Diefe Kunde aus dem entlegenen, geheimnisvolleren Ger 
manenlande hängt unverlennbar mit dem Namen des Vollkes (Harii) 
zufammen, ber eben nichtö andres bejagt, als Heerſchaaren ober Heer⸗ 
männer 116, Wenn die Germanen auch fonft es liebten, durch Kriege: 
wacht und Schlachtruf den Schreden ihres Angriffe zu fleigern 117, fo 


113 Dionhſ. v. Halicarn. 6, 18. Schwenck, Myth. der Römer 102 f. 

114 Baler. Ray. 1, 8. Gchwend 108. 

115 Germ. 43: „valentissimas (Lygiorum civitates) nominasse sufficiet: 
Harios n. ſ. w. Ceterum Harii super vires, quibus enumeratos paulo ante 
populos antecedunt, truces insitee feritsti arte ac tempore lenocinantur: 
nigra scuis, tincta corpora, atras ad proalia noctes legunt, ipsaque formi- 
dine atque umbra feralis exercitus terrorem inferunt, nullo hostium susti- 
nente novum ac velut infernum aspectum: nam primi in omnibus proliis 
oculi vineuntur.“ 

116 Goth. harjös, legiones (Gr. 1, 599), altuord. herjar (Herja-födr, 
Dbin), bellatores, einherjar, heroes; althochd. heri (Bari), exercitus, miles 
(Graff 4, 985), und in lekterem Sinne die mit »bari, beri zufammengefehten 
Cigenuamen, 3. B. (a. 858) der quadiſche Häuptling Araharius, Ammian. 
17, 12. 3. Grimm, Myth. 317. 778. 902. Spracdhg. 714. Zeitſchr. f. d. Alterth. 
8, 144. 142. 

117 Tierheime der Kimbern, Plutarch, Mar. 6. 25: ‚„pdvn niv alnadudva 
Inplor yoßspüv zdsuası“ u. |. w. (Xen, Beow. 78". Mascon 1,18.) Germ. 8 
vom barritus: „terrent enim trepidantve, prout sonuit acies ı. |. w. affectatur 
precipue asperitas soni et fractum murmur, objectis ad os scutis, quo 


42 


it doc eine anhaltende Abſicht, Furcht zu erregen, kein überzeugender 
Beiveggrund für bie ſeltſame Sitte der Harier. Das richtige Berftänd- 
nis gibt vielmehr der Eindrud bes Geſpenſtiſchen und Schattenhaften, 
den bie ganze Färbung und Faſſung des Berichtes zurüdläßt. Deutſche 
Erllärer haben auch längft in dem ſchwarzen, leichenhaften Heerzug 
(umbra feralis exercitus) das mwütbhende Heer, die nächtliche Todtn . 
fahrt, erfannt 118, was jedoch hier, auf altgermaniſchem Boden, noch 

außgefeit bleiben muß. Wohl aber läßt die römische Darftellung ſelbſt 
ſchon berausfühlen, daß es fich wieder von einem religidien Kriegs⸗ 
gebraude hanbelt, daß mit bem büftern Gepräng irgend eine Weihe 
des ausziehenden Heeres verbunden war, in dem Sinne, als ob nun 
die Geiſter der abgefchiebenen Helden ihm folgten oder in ihm lebendig 
und wiedergeboren wären, eine Zuverfiht, die dem Grauenhaften ber 
äußern Erfcheinung erft die rechte Wirkung geben konnte. Don ben 
Böllern Artovifts bezeugt Appian, fie feien Verächter des Todes geweſen 
in ber Überzeugung einer künftigen Rüdkehr in das Leben 11%, [Selbft 
der germanifche Gebrauch, Jedem feine Waffen, Einigen zugleich das 
Roſs auf den Scheiterhaufen mitzugeben 120, jet die Annahme eines 
fampfrüftigen Yortlebens voraus.] Auch die mitausfahrenden und mit⸗ 
fämpfenden Diosluren gehören zwar halb dem Todtenreih an, leben 
und flerben je um ben andern Tag, wandeln den Weg zum Avernus 
bin und zurüd 121, aber ihre Triegerifche Erfcheinung, in Purpurmänteln 


plenior et gravior vox repercussu intumescat.“* (Bergl. Müllenhoff, de 
antiquiss. Germ. poesi chor. 14. 20.) Germ. 38 vom Haarputz der Sueven: 
„in altitadinem quandam et terrorem, adituri belle, comti, ut hostium 
oculis, ornantur.“ 
188 Crufius, annal. suev. 1, 15: „ferelis exereitus (eines witenben Heer)“ 
n. f. w. Althamer. 
119 Appian., Rom, hist. lib. IV, de reb. Gall, 1, $ 3, &. 76. Schweigh. 
SHälin 1, 25. Mascon 1, 49, Anm. 14. 
20 Tacitus, Germ, 27: „sus cuique arma, quorumdam igni et equus 
adjicitur.“ 
221 Odyſſee 11, 301: 
„Ol nal vipdev yns ruumv nwpog Zuvog 4 Kovess 
üllors uiv —* —E 
redvädır, rıunv dd Asloyyadiv Isa Heoldıy.“ 
Ün. 6, 121: „Si fratrem Pollux alterna morte redemit, 
itque reditque viam toties u. f. m.“ 


43 


und auf weißen Roſſen, ift eine beitere, leuchtende; bagegen vergleichen 
fih den Schrecken des Harierzuges diejenigen, bie, weſentlich durch bie 
Macht des geiftigen Eindrucks, einer feierlichen Heergenofjenichaft mit 
den Unterirbiichen, im Gefolge der römischen Todesweihe giengen, deren 
Schilderung ſelbſt in formelhaften Worten mit den Ausprüden der 
Germania zufammenftimmt 122, 

Zum lettenmal erfcheinen die Semnonen in Befreundung mit den 
Dunben, die in ber meitreichenden Suevia des Tacitus als ein Bolt 
im Donaulande mit begriffen find, fonft aber auch neben den Sueven 
aufgeführt werben 128. Als den von Marcus Aurelius Befiegten bie 


22 Zu der angeführten Stelle bei Zacitus: „ipseaque formidine atque 
umbra feralis exercitus terrorem inferunt, nullo hostium sustinente novunm 
ac velut infernum aspectum“ halle man aus der Formel bei Tivius 8, 9 
(. od. Anm. 100): „Divi quorum est potestas nostrorum hostiumqyue, Diique 
Manes, vos precor, veneror u. |. w. uti populo Romano Quiritium vim 
vietoriamque prosperetis, hostesque populi Romani Quiritium terrore, 
formidine morteque afficistis“ n. |. w.; dann von P. Decins, der fi) damit 
geweiht hat: „ita omnis terror pavorque cum illo latus signa primo Lati- 
zorum turbavit, deinde in totam penitus aciem pervasit u. |. w. haud 
secus quam pestifero sidere icti pavebant;“ weiterhin bei gleicher Weihung 
des Sohnes Decius 10, 28: „pre se agere sese formidinem ac fugam, ce- 
demque ac cruorem, calestium, inferorum iras,. contacturum funebribus 
diris signa, tela, arma hostium“ u. ſ. w. 10, 29: „vix humanz inde opis 
videri pugna potuit u. f. w. Gallos Samnitesque Telluris matris ac Deo- 
rum Manium esse u. |. w. furiarumque sc formidinis plena omnia ad 
hostes esse.“ In der Formel bei Macrobius, Saturnal. 3, 9: „sed dictatores 
imperatoresque soli possunt devovere his verbie: Dis. Pater. Vejovis. 
Manes. Sive. Vos. Quo. Alio. Nomine, Fas. Est. Nominare. Ut. Omnes. 
Mam. Urbem. Carthaginem. Exercitam. Que. Quem. Ego. Me. Sentio. 
Dicere. Fuga. Formidine. Terrore. Que. Compleatis. u. f. w. Uti. Vos. 
Eum. Exercitum. Eos. Hostes. u. ſ. w. Abducatis. Lumine. Supero. Pri- 
vetis. n. f. w. Eos. Que. Ego. u. f. w. Exercitibus. Legionibus. Que. 
Nostris. Do. Devoveo. ı. |. w. Tellus. Mater. Te. Que. Juppiter. Obtestor. 
Cum Tellurem dieit, manibus terram tangit: cum Jovem dicit, manus 
ad cœlum tollit: cam votum ‚recipere dieit, manibus pectas tangit.“ 

223 Tacitus, Germ. 42: „Juxta Hermunduros Narisci, ac deinde Marco- 
manni et Quadi agunt u. |. w. Eaque Germaniw velut frons est, quate- 
nus Danubio protegitur.* Erſt 45: „hie Suevie finis.“ Capitolin. Anto- 
nin. philos. 22: „Quadi. Suevi* u. |. w. @utropius 9, 6 (Sprachg. 506). 
Ammian. 16, 10, S. 146: „Suevos Retias incursare, Quadosque Vale- 


44 


römischen Befeftigungen unleiblic waren, unternahmen fie, indgefammt 
zu ben Semnonen auszuwandern, wurben aber durch Verlegung bes 
Weges daran verhindert 124. So fcheint auch ihnen noch ein Bewuſt⸗ 
fein alten Verbandes mit dem fuevifchen Stammvolk innegewohnt zu 
haben. Lange nachher, vor dem Heere des Kaiſers Conftantius, ſchwören 
quadiſche Häuptlinge mit gezogenen Schwertern, die fie ald Götter ver: 
ehren, ven Römern Treue zu halten 125. Dieſes Ereignis fällt zwar 
in eine Zeit, da der Semnonenname längft verfchollen ift und bie Quaden 
bauptfählih mit Sarmaten Genoflenfchaft pflegen, aber die Hetlighal- 
tung des Schwertes weilt in hohes Altertum zurüd und es wird fi 
weiterhin zeigen, daß fie nicht ausfchließlich ſtythiſch war. 


2. Mutter Erbe. 


Der Sage vom Semnonenwalbe gegenüber fteht bie andre, ſchon 
berübhrte vom gemeinfamen Urjprung der Germanen. Diele feiern in 
alten Lieben den von der Erde gebornen Gott Tuisco und befien Sohn 
Mannus als Urheber und Gründer des Volls; dem Mannus geben 
fie drei Söhne, nach deren Namen die nächſten am Meer AIngävonen, 
die mittleren Herminonen, die übrigen Iscävonen genannt feien; Andre 
jedoch bezeugen mehrere Söhne des Gottes und mehrere Benennungen 
des Volles, eben die wahrbaften und alten Namen, basunter bie 
Sueven 12. Tacitus gibt den allgemeinen Mythus im Zufammenbange 
mit feiner wiederholt ausgefprochenen Anficht, daß die Germanen Ein- 


riem.“ (®gl. &, 495: Alamanni.) 29, 6, &. 629: „trans flumen Histrum 
in ipsis Quadorum terris.* Über die Quaden |. Beuß 117 f. 458. 462 fi. 
Sprachg. 605 ff. 

14 Dio Caffius 71, &. 1189: „agre al rorg Kovddoug ui wiporwrag rdr 
dsweyıduov usradchvas navönuel noog Zeuvövag dnıyupisar. 0 dd Avyca- 
stvog, npouadav env dıdvaay auröv, rog diodung anompdsag dnalusen." 
Zeuß 457. Mascon 1, 151, Anm. 3. 

125 Ammian. 17, 12: „eductisgue mucronibas, quos pro numinibus 
colunt, juravere se permansuros in fide.“ 

126 Tacitus, Germ. 2. (Über diefe ſchwierigen Stammtafeln ſ. J. Grimm, 
D. Myth. 818 ff. Spracdg. 776. 824 fi. 829 fi. 618. W. Wadernagel in der 
Zeitſchr. f. d. Alterth. 6, 15 fi. Zeuß 70 ff. W. Müller, Geh. u. Syſt. d. 
alid. Relig. 290 fi. K. Müllenhoff, Über Tuisco und feine Nachlommen im 
Schmidts Allg. Zeitſchr. f. Geſch. 8, 209 fi.) 


45 


geborne feien, gänzlich unvermifcht mit andern Bolleftämmen, woher 
auch ihre bei einer fo großen Menfchenzahl dennoch gleichartige Körper 
beſchaffenheit 122. Fur diefe Inngeborenſchaft und Urverwandtſchaft 
bietet ihm die Erdgeburt des göttlichen Stammvaters den ſinnbildlichen 
Ausdrud. Abkömmlinge eines beſondern Mannusſohnes wären nun, 
nach ber zweiten Meinung, auch bie Sueven und fo könnte, was jpäter 
von ihrem Urfprung im Semnonenwalb erzählt wird, als eine Wieber- 
bolung und Berörtlichung des gemeinfamen Mythus in näheren Bezug 
auf ein einzelnes, aber ausgebreitetes und mächtiges Germanenvoll er⸗ 
fcheinen 128, Allein es ift mit Recht bemerkt worden, daß ber Sage 
von Tuisco und Mannus die noch allgemeinere Bedeutung einer das 
gefammte Menjchengefchleht angehenden Schöpfungsfabel zulomme 129; 
die Söhne des Mannus .aber, drei ober mehrere, mit denen erft bie 
eigentlich germaniſche Stammfage anfnüpft, kommen überhaupt nicht 
unmittelbar, fondern ſchon im dritten Grabe von ber Altmutter Erbe. 
Wenn Böllenamen auf Namen der Stammpäter bezogen werben, fo 
ift als Negel anzunehmen, daß jene das Urfprüngliche, dieſe, obgleich 


127 Eingang des 2 Gap.: „Ipsos Germanos indigenas crediderim mi- 
nimeque alierum gentium adventibus et hospitiis mixtos.“ Hiezu Gap. 4: 
„Ipee eorum opinionibus accedo, qui Germanis populos uullis aliis alia- 
rum nationum connubiig infectos, propriam et sinceram et tantum sui 
similem gentem exstitisse arbitrantur. unde habitus quoque corporum, 
guanquam in tanto Iominum numero, idem omnibus: truces et coerulel 
oculi, rutile come, magna corpora“ u. ſ. w. 

28 Bergl. Zeug 132: „die Semnouen, die Weſtnachbarn der Burgunden, 
die Bäter der fpäteren Sueven u. f. w., find das erfle bedeutende Boll bes 
Oftzweiges an feiner meitlichen Grenze; in ihren Umgebungen fioßen bie drei 
Hweige des Feſtlandes zuſammen, bei ihnen daher das Heiligthum des Tuisco, 
der mit Mann, jeinem Sobne, nud des Manns Söhnen Gründer des Bolks 
und feiner Zweige.” 

19 W. Wadernagel a. a. O. 17: „die fage von Tuisco und Mannns ift 
ſicherlich Leine liber ben urjprung des germanifchen volles geweſen, fondern 
gleichfalls eine über den urfprung aller ‚menjchheit, em ftüd aus der koomo⸗ 
gonie ter Germanen, eine antbropogonie, eine jage mithin, die entweber an 
gar feine beftimmte üörtlichleit gelnüpft war, ober wenn an eine, daun wohl 
an eine dunkel vorgeftellte afiatiſche; ein ftüd aus der germaniſchen fosmogonie, 
an das ſich erfi mit der erzählung von den brei fühnen bes Mannus die eigent- 
lich nationale ſtammſage, die jage vom urjprung der einzelnen beutichen völfer 
ſchloß. | 





46 


an die Spitze gerüdt, nur ein Gefolgertes und Eingebilvetes ſeien. 
Abgefeben von den gelehrten Spielereien fpäterer Zeit lag es ſchon der 
älteften deutſchen Anfchauung nahe, mie die Namen ber einzelnen Ge: 
Schlechter und der zu ihnen gehörenden Perfonen ſich um ein gemein- 
james . Stammmwort bewegten, fo aud die Namen von Völkern ober 
Bölfergruppen auf ven einfachen eines erften Ahnherrn zurüdzuführen 130. 
Es mufte Ingävonen, Iscävonen, Herminonen geben, bevor man an 
einen Stifter Ingo, Isco, Hermino (Sprachg. 824 u.: Iscus, Angus, 
Hermino. Myth. 320 05.) denken Tonnte !91. Eigentlich aber bilden bie 
drei Volksnamen jelbft ſchon eine Stammtafel Germaniens im Großen. 
In ing und isk find bie zwei Hauptformen zur Bezeichnung des Ab⸗ 
ftammens erlannt worden 192; vor Alters mochte diefen Ableitungsfilben 
noch jelbftändigeve Bedeutung innewohnen und darum konnte Ingo, wie 
Ermino, Irmino, ein althochbeutiher Mannsname lauten 139, Run 
find zwar bie Ingävonen und Iscävonen dem römischen Berichteritatter 
nur räumli die zwei Seitentheile der mittenliegenden Herminonen; 
aber damit verträgt ſich mohl die urfprüngliche Meinung, daß die Seiten: 
völker Ablömmlinge des fi ausbreitenden Mittelvolks, auslaufende Afte 
bes alten Hauptftammes fein. Auch ald Brüder Herminos find Ingo 
und Isko doch für die jüngeren, außgefandbten Brüder anzuſehen. Wirk: 
lich bat denn aud das in Zuſammenſetzungen als erfted Wort gebräud; 
lihe ahd. Ermun, Erman, irmin (au altj.), altn. iörmun, überall 
einen verftärlenden Sinn, zum voraus den ber umfaflenden Größe, ber 


10 Gin Mittleres findet ftatt, wenn der Name des berrichenden Geſchlechts, 
befonders in &ebichten, anf das Volk übertragen if, wie Amalunge, Ribelunge, 
Kerlinge. 

181 Die einfadhften und gleichmäßigen Formeln für dieſe Stifter- und Bolts- 
namen Sprachg. 775. 

122 D. Myth. 324: „Hier mag ein verwegner einfall fich luft machen. in 
anfrer ſprache wird das abflammungsverbältnis hauptfählic durch zwei Ab- 
leitungsfilben ausgebrüdt, ing und is manning bezeichnet den von man 
ſtammenden fohn, mannisto faft dasfelbe. ich fage nicht, daß die göttlichen 
vorfahren aus der grammatiſchen forın genommen‘, nod weniger, daß bie 
grammatifche form ans den heidennamen entiprungen fei. ich laffe den tiefen 
zufammenhang beider unerflärt und zeige ihn bloß an.” Bat. Zetrfchr. 6, 20. 

133 Ingo, nebft fem. Inga und manden Zufammenfegungen, Öfters im - 
Polypt. Irminonis, womit zugleid der andre Name gegeben ift; bei Neug. 
501: Hermino. Manno, Irm. 88. 93 und anderwärts, Mennislo, Dronke. 





#7 





weitreichenden Gewalt 134, fo daß die Herminonen und ihr Gebiet dem 
Worte nach dasſelbe heveuten, wie Großgermanen, Germania magna 1. 
Wie irmin zu ing, Herminonen zu Ingävonen, mögen ſich im. einzelnen 
Bolle die Hermunduren zu ben fpäter genannten Duringen verhalten 13%. 
Jener durch den Stabreim (ing:, isk⸗, Ermin=) verbundenen, durch den 
Sinn geglieberten und abgeichlofienen Dreibeit find eben darum bie bon 
Andern angereihten vier Vollönamen (Marsi, Gambrivii, Suevi, Van- 
dilii) ungleihartig und unzulommend; bie Drei find mehr Ianbabthei- 
Iender, die weiteren Biere mehr völlerfchaftliher Natur 197, Das auf 


183 Gr. 2, 448 f. Bilmar, deutjche Alterth. im alt. Heliand 46 f. D. Myth. 
106 f. und beſonders 326: „In diefen zufammenfegungen u. f. w. fcheint 
irman nur allgemeinen, verfärfenden fin zu haben und ſich nicht befimmt 
auf einen gott oder held zu beziehen; es gleicht andern wörtern, namentlich 
got und diot, regin und megin, die wir ganz ähnlich verwendet ſehn u. |. w. 
und wie irmangot den großen gott, irmantiot das große voll, iörmungrund 
die große, weite erde, fo kann auch irmanfül nichts anders als die große feule 
ausfagen fjollen, gerade diefen finn faßte Rudolf in der überſetzung universalis 
columna (Per 2, 676) auf.” Möge damit dem Gott Irmin in der deuiſchen 
Mythologie für immer widerjagt fein! 

185 Ptolem.: „eöv dd dvrog nal usdopeior idvor“ u. |. w. (Zeuß 759, 4). 
„Medii Herminones“ Germ. 2, „mediterranei Hermiones“ Plinius, h.n. 4, 
14 erinnern an die alten Bezeichnungen des bewohnten Erdkreiſes: agf. &ormen- 
grund, alm. iörmungrand, und zugleich: goth. midjungards, abd. mittin- 
fart, mittilafart, altf. mwiddilgard, agf. middangäard, altn. midgerär (Gr. 
2, 469 f. 3, 898. Myth. 754). GBergl. noch altı. meginland, Feſtland, 
Sn. 195. 359, ahd. magenfil, maxime oplamna, Gr. 2, 466.) 

185 Berg. Sprachg. 600: „Herman vor Duri könnte den großen, alten 
ſtamm des volls bezeichnen, was allein ſchon auf die nothwendigkeit führte, 
ihm einen abgeleiteten jüngeren an die feite zu ſetzen.“ 

137 Wenn die Anhänger der zweiten Meinung von den Vieren bebampteten: 
„esque vera ei antiqua nomina“, jo liegt darin ein richtiger Gegenſatz ber 
angefammten, lebendigen Bollsnamen zu den abftraften Unterſcheidungen größerer 
Bezirke. (Auch „antiqua“ ſcheint nicht erfi dem nachfolgenden „ceterum Ger- 
maniz vocabulum recens et nuper additum“ gegenüberzuftehen) Dann 
durften aber beiderlei Arten nicht zufanımengeloppelt werden. Daß die Drei 
durch Die Biere gänzlich ausgefchloffen und erſetzt werben follten, dagegen ſpricht 
der Ausdrud: „plures deo orte, pluresque gentis appellationes“, den 
Letztere, wenn nicht bioß beiſpielsweiſe aufgeführt, geben nur Eines mehr, als 
die Erſteren, und die Bermengung bat ſchon 20 Jahre friiher Plinius aufge: 
nommen. Der Suevenname erfiredte fi, die alte Dreitheilung brechend, auch 


anf Ingävonen, ſueviſche Küſtenvöller. 


48 


tauchende Anſehen biefer letztern und andrer Vollsnamen konnte zu 
Aufzählungen führen, in denen nicht mehr das richtige Verſtändnis 
maßgebend war und über welche bei den sömilchen Gewährsmäunern 
Verſchiedenheit obwaltet; fo gibt der frühere Plinius ftatt der Sieben 
nur Fünfe, unter die er namentlich die Sueven nicht einorbnet, ſondern 
fie bloß für einen Theil der mittellänbifchen Herminonen erflärt 138, 
Tacitus felbft ftellt die reine Dreizahl der gemifchten Siebenzahl voran 
und hält den Mythus von Tuisco und feinen Sprößlingen durchaus 
getrennt von ber Semnonenfage. Diefe wird an ganz andrer Stelle, 
ohne alle Rüdmeifung auf den Geſammtmythus, ohne Aufflellung einer 
Stammreibe oder Benennung eines beſondern Stammvaters, berichtet; 
der Beginn bes ſueviſchen Volks ſelbſt 139 findet, wahrhaft autochthoniſch, 
im beiligen Walde ftatt; der Gott aber, ber bier gegenwärtig geglaubt 
wird, iſt nicht ala Erzeuger, fondern als der über Allem Waltenbe 
(regnator omnium) bezeichnet. Das mächtig gewordene Suevenvolf, 
das erft noch unter ben Herminonen geht, dann mit biefem Namen, 
bie alte Dreiheit brechend, auf gleiche Stufe tritt, behauptet auch feine 
eigenthümliche Stammjage und erahnt an feiner Geburtsftätte die Gegen⸗ 
wart jenes allgebietenden Gottes. Einer buchſtäblichen Ausgleichung ber 
Erbgeburt des Mannus mit der ſueviſchen im heiligen Walde bebarf 
e3 dann am wenigſten, wenn Mannus nicht als Stammoater der Ger 
manen im bejondern, wie ihn Tacitus auffaßt, fondern als Urmenfch 
zu nehmen ift. Der allgemeine Gebante, daß das menfchliche Gefchlecht 
von der Erde komme, konnte ſich in mythiſcher Freiheit bald zur urs 
weltlichen Schöpfungsfage, bald zur Stammfage eines beftimmten Volles 
geftalten. 

innerhalb des ſueviſchen Völlergebietes felbft hat ſich der fromme 
Glaube an die mütterliche Erbe noch auf andre Weife dargelegt. Tacitus 
ſpricht davon ausführlich, aber auch hier ohne irgend eine Beziehung 
zur Mannus- oder Semnonenfage. Abwärts ber Elbe nad bis zur 
Seelüfte folgen den Semnonen zunäcft die Langobarben, dann fieben 
weitere Völferfchaften, darunter Angeln, Warinen, Suarbonen u. f. w., 


188 Plinius, h. n. 4, 14: „mediterranei Hermiones, quorum (pars) 
Bueri u. |. w.“ 

189 Germ. 33: „initia gentis [Suevorum]*, dagegen ebd. 3: „originem 
gentis [Germanorum] conditoresque.“ 


49 


fämmilih von Tacitus zu den Sueven gezählt, wie bei Ptolenäus, 
wenn auch nicht in gleicher Drbnung, Semnonen-Sueven, Langobarben: 
Sueven, Angeln:Sueven genannt find (ſ. ob. ©. 19) und das angel: 
ſachſiſche Wandererslied Angela und Sueven mwenigftend noch zufammen: 
Rellt und nicht ferne davon ber Wernen und Sweordweren gedenkt 14, 
Ebenfo gibt es auch neben der Semnonenfage noch ſolche Meldungen, 
wonach die Sueven zur See angefahren find. Das Annolied, kur; 
nach 1183 gedichtet, weiß zu fagen, daß die Vordern ber von Gäfar 
befriegten Schwaben einft mit Heereötraft und manigfachem Volle über 
Meer gelommen feien und ihre Gezelte am Berge Suebo aufgefchlagen 
baben, nach dem fie dann benannt worben; eine mittelalterlich gelebrte 
Ableitung 141. Bollsmäßiger lautet eine andre, weiterhin beſonders zu 


140 Cod. Exon. 321, 10: „Engle and Svefe“ 322, 10: „mid Englum 
ic väs and mid Svefum* 332%, 6: „mid Värnum“ (vergl. 320, 7 f.: „Ver- 
num“ „Eorum“ Aviones) 322, 13: „mid Svöordverum“ (320, 21: Long- 
böardum, vergl. 323, 18). 

141 Annolied (Wadernagels Leſeb. 1, 183. VBezzenbergers Ausg. 3. 279 ff.): 

„Undir bergin ingegin Suäben biz ber vanen Af haben; 

deri vordirin wilin mit herin dari cumin wärin ubir meri 

mit mislichemo volle, fi flügen iri gecelte 

ane dem berge Suebo: dannin wurdin fi geheizin Suäbd.” 
Berſchieden die Kaiſerchronik (Maßmanns Ausg.) 269 f.: 

„er lärte ingegin Smwäben, den tet er michil vngnaͤde“ n. L w. 
285 fl.: 

„lin gezelt Hiez er flahen dd nf einen berg, hiez Sweod, 

von dein berge Swkvd fint fie alle geheizen Swabe.“ 
Benn nun auch der Abfchnitt des Annoliebs, welchem die Stelle angehört, 
ans der Kaiſerchronik entlehnt ift, fo kann bie Abweichung des Liedes doch nicht 
für eine misverfändlihe oder willkürliche angeſehen werben. Sie ſchließt ſich 
richtig an viel Älteres an. Schon Plinius, hist. nat. 4, 13 ſchreibt, nachdem er 
von der Bernfteinküfte gehandelt: „ineipit inde clarior aperiri fama ab genie 
Ingevonum, qu® est prima inde Germanie. Sevo mons ibi immensus, 
nee Ripheis jugis minor immanem ad Cimbroram usque promoniorium 
efieit sinum, qui Codanus vocatur, refertus insulis, quarum clarissima 
Scandinavia est.* Dieß verlehrt Solinus C. 28 dahin: „mons Sevo, ipse 
ingens, nec Riphsis minor collibus, initium Germanis facit, hunc Ingæ- 
vones tenent, a quibus primis post Beythas nomen Germanicum con- 
sergit.“ Sodann Isidor. Hisp. orig. 10, 2: „dicti autem Su,vi putantur a 
monte Suevo, qui ab oriu initiam Germanis facit.“ (Isidori (Hispalensis 
episcopi) originum libri XX, ex rec, Bonauenture Vulcanii, Basil. 1577. 

Uyland, Echriften. VIII. 4 | 





50 


beipredhende Erzählung, nach welcher. die Sueven vom Norden herge⸗ 
Ichifft find und, vom Sturm in den Hafen von Schleswig getvorfen, 
durch BZertrümmerung ihrer Fahrzeuge ſich die Rückkehr abgefchnitten 
haben 142, Den Anwohnern des Gebirgs war es gerecht, ihren Ur: 
fprung vom Innern berzuleiten, gleich dem der ausftrömenpen Flüfie, 
den Küftenbewohnern, fi als Anlömmlinge über See zu betrachten, 
gleich der anmwogenden Meeresflut 19. Wenn nun bie nieberelbifchen, 
feeangrenzenden Suevenvblker den Sit ihrer Erbmutter in das Merr 
binaus verlegten, jo beutet dieß eben darauf, daß fie ihre Urheimat 
für überſeeiſch anſahen. Derſelbe Gedanke fcheint, nur anders ausge⸗ 
brüdt, darin zu liegen, was Tacitus an früherer Stelle melbet: ein 
Theil der Sueven opfre der Ifis; Urſache und Urfprung bdiefes aus: 
heimiſchen Dienftes hab’ er wenig erkundet, nur beweile das Sinnbild 
der Göttin felbft, nach Art einer Liburne geftaltet, die Anfahrt aus 
der Fremde 144, Die deutfche Mythologie erläutert, daß Tacitus biebei 
an eine römijche Früblingsfeier, das Schiff der Iſis (navigium Isidis), 
gedacht haben werde, und knüpft daran Mittheilungen über die mittel: 
.alterlichen Gebräuche des Schiff- und Pflugumziebene, namentlich über 
jenes merkwürdige Landſchiff (navem illam terream), das um 1133 ein 
Bauer aus Inden, unweit Aachen, im Wald erbaute und auf Räder 
feßte und welches dann von ben dazu gezwungenen Webern unter 
gröſtem Zulauf und Yubel des Volks durch die Städte Aachen, Maftricht, 


ol.) Zeuß 76 (vgl. 156. 265) erläutert den Berg Sevo als das flandina- 
viſche Webirge ten Kimbern gegenüber. Sonft ſ. hieher Myth. 837, Bezzenb. 
3. Annol. 105. Letzterer vermuihet in der Ankunft der Schwaben „ubir meri“ 
eine Hindentung auf das mare Suevicum bed Zacitus und findet in tem 
„mislichemo volte* eine Hinmeifung auf die Alamannen. Sueven und fue- 
viſches Gebirge (sounßa opn) ſchon in Anen bei Ptolem. 6, 14 f. (vergl. 
Sprachg. 489 u.). 

142 Goldaſt, Seriptor. rer. svev. ©. 1. 

143 Ähnliches von den Galliern bei Ammianns Maercellinus 15, 9 (2. 
104 fg.): „Aborigines primos in his regionibus quidam visos esse firma- 
runt u. f. w. Drysidse memorant, revera fuisse popnli partem indigenan, 
sed alios yuoque ab insulis extimis confluxisse et tractibus transrlıenenis, 
crebritate bellorum et alluvione fervidi maris sedibus suis expulsus.“ 

144 Germ. 9: „pars Suevorum et Isidi sacrificat. unde cause et origo 
peregrino 8ocro, parum comperi; nisi quod signum ipseum, in modum 
liburne figuratum, docet advectam religiuuem.“ 


Sl 


Tungern u. |. w. bis gegen Löwen umbergezogen wurde 140. Dieſes 
Schiff, mitten im Lande umgeführt, Tonnte nicht, wie das ber Iſis, die 
im Frühling wieder offene Seefahrt feiern. Iſis ſelbſt galt auch für die 
Erfinderin des Getreidebaus 146, obgleich ihr Name nur durch das finn- 
bildliche Edhiff in die Germania gelommen fein mag. Aber das nieder 
ländifche Fahrzeug war, wie ausprüdlich gefagt wird, von einem armen 
Bauer ausgedacht, um damit den Übermuth der Lein, und Wollen, 
weber zu demütbigen und erlittene Unbill an ihnen zu rächen 147, Im 
eiferfüchtigen Gegenftreite zwifchen dem Bauernfland und den üppig auf 
blühenden Gewerben, die auch aus feiner Mitte hervorgegangen waren, 
aber ſich bes alten Berufs überhoben hatten, kann das Ediff, das 
der Bauer in Bewegung jekt, kaum eine andre Beziehung haben, als 
auf den früheften, über See her gelommenen Anbau des Landes, Bei 
ben Franken, die von der Rordfeefüfte aufwärts gebrungen waren und 
nachmals eben in der Gegend von Aachen und der Maas ihren Herrfcher: 
ſiz gegründet hatten, lebte ja aud bie befannte Eage von ihrer tro⸗ 
janifchen Abkunft und von dem Gedächtnis, das fie diefer im neuen 
Lande ftifteten, indem fie. am Nieberrhein eine Kleine Troja bauten, 
den Bach dabei nah dem Tanthos nannten und den Rhein für das 
Meer nahmen 118, So nahmen auch jene ſueviſchen Verehrer der Erb: 
göttin die geweihte Küfteninfel ftellvertretend für das ferne Land ihres 
Ausgangs. Als Wahrzeichen des Verlangens nach einer mütterlichen 
Heimatftätte erfcheint das Schiff auch m dem alten Gebraude, Todte, 


15 Myth. 236 fi. 

146 Diodor. Sicul. 1, 27: un apdrn napıov avdpanarg aupoosa.“ (Nitſch 
1163. Wolf, Beitr. 159 f.) 

47 Rodulfi chron. abbat. s. Trudonis: „Est genus mercenariorum, 
gquorum officium est ex lino et lana ſexere telas, hoc procax et super- 
bum super alios mercenarios vulgo repulatur, ad quorum procacitatem 
et superbiam humiliandam et propriam injuriam de eis ulciscendam pau- 
per quidam rusticus ex ville nomine Inda hanc diabolicam excogiLavit 
teehnam“ u. ſ. w. 

48 Kaiferchronil 873 ff.: „Franke gefaz mit den finen niden bime Nine. 
den Rin bete er vur daz mere. da wuohjen alle frenkesle here.“ Annol. 380 ff.: 
„Franko geſaz mit den finin vili verre nidir bi ini. da worhiin fi dů mit 
vrowebin eini Iuzzele Tıdie. den bad Hin fi Sante n& demi wazzere im iri 
Iante. den Rin havitin fi vuri diz meri. dannin wuhfin fint vreintifchi heri.” 
Durch dieſes „wuohſen“ ift eine neue Eingeburt veranfchanlidht. 


32 


auf ein Schiff gelegt, ber flutenden See zu übergeben ober fie im Schiffe 
zu beerbigen, ſowie in ver fagenhaften Überſchiffung der Verftorbenen 
oder ihrer Seelen nad) einem andern Lande 14%, Nach Prokop find bie 
Fahrlente, denen es obliegt, die Seelen von der gallifhen Küfte nad 
der britiſchen Inſel überzufchifien, Fiſcher und Ackerleute 150. In Le 
genden fpäterer Zeit aus verfchiedenen Gegenden Deutſchlands geſchicht 
die Leichenfahrt heiliger Perfonen vergeftalt, daß fie durch Schiffe. ohne 
Ruderer und burch Rinder ohne Führer, auch abwechſelnd auf beiberlei 
Weile, an bie heimatliche, von ihnen getwünfchte ober durch höhere Lei⸗ 
tung für fie beftimmte Ruheſtelle gebracht werben 51. Wie noch bei 
deutichen, befonvers fchwäbifchen Volksluſtbarkeiten des 18ten Jahrh. 
Schiff und Pflug oder Egge gleichmäßig umgeführt werben 152, fo ge 
fellt fi in den legenvenhaften Beerbigungsfahrten dem Schiffe das länd- 
liche Geſpann. Kinder führen den Weg zur Grabftätte, wie fie den 
zur Anfieblung meifen 15%, Ein altnorbifcher Ausprud für fterben war: 
in das Gefchlecht der Mutter fallen 154; der Menſch ift Sohn der Erbe 
und die ihr geweihten Pflugthiere bringen ihn auch in ihren Mutter: 
ſchoß zurüd oder überlafien ihn, wo fie felbft ftille ftehen müflen, dem 
hilfreichen Schiffe. So ift die Erbgöttin, die mit weiblichen Rindern 


1 Myth. 790 fi. 

180 Procopius, de bello goth. 4, 20. Myıb. 792. 

151 So vom h. Ludger, Wolfg. Müllers Lorelei 288; vom 5. Emmeram, 
Panzer, Beitr. 220 ff. (vergl. ebd. 60 u. 161 u., f. ob. 224, 2. 225 u., f.); 
von der h. Rotburga, Wolf, Beitr. 185; von der h. Gundhild, Barth, Hertha 
31, Falkenſtein, Nordg. Alt. 1, 172; vom h. Sebald, Wagenjeil, de cirit. 
Noriberg. commentat, ©. 44. 

152 Den Belegftellen in ber D. Myth. 242 f. if eine aus der handſchrift⸗ 
lichen Chronik der Herrn von Zimbern S. 1281 [Ausgabe von Barad 2, 117. &.] 
beizufügen, welche den Gebrauch zu Scheer in Oberſchwaben beurkundet: „Uff 
die nechſt Faßnacht hernach, hat fie (die Herrn von Zimbern) Graue Endres 
(von Sonnenberg) abermals zur Scheer geladen alfo vff bie efchrichen Mitt- 
wochen wie der Brauch eineft zur Scheer, das die Meblin vnnd megt, auch bie 
jungen gefellen die eggen helfien durch die Tonaw ziehen, do Graue Endres 
angericht, das diefelbigen den jungen Herren Herr Wilhelmen Wernhern (von 
Zimbern) voffgefanngen haben, der hat jnen mueßen die engen heiffen Durch die 
Thonaw ziehen.” Die Egge ohne den Fluß Fasnachtſp. Nr. 30, ©. 247 bis 251. 
[Besgl. Liebrecht in Pfeiffers Germania 5, 50 f. Hans Sachs 8.5, S. 179. 8.) 

13 S. oben bei Kadmos. 

14 Nialss. C. 45: „ti mödureetl falla.“ Lex. myth. 2055. D. Mytb. 608. 


33 


bei den Völkern umfährt und dann nad) dein heiligen Eilande zurück⸗ 
kehrt, der gleihfalla von einem Theile der Sueven verehrten Gottheit, 
die ihres Sinnbilds, des Schiffes, wegen von Tacitus Iſis genannt 
wird, nahe gerüdt 155 Die Verehrung der altheimiſchen Erdmuttter ift 
in die neue Anfieblung berübergenommen, aber Inſelhain, Schiffzug 
(neben dem Rinderwagen), Todtenſchiff 196 bebeuten, daß bie verlaſſene 
Heimat eine abliegende jenfeit des Meeres fei. 


B. Svafr und Svafrlogi. 


Dem Mythus von der Erbgeburt hat der befondre Volksname 
Semnonen fich angeglichen, in anderartige, weitgejchlungene Sagenkreiſe 
führt der allgemeine Stammname Sueven. 

Neuere Forichung hat aufgewiefen, baß mehrere germanifche Völker 
nach den Waffen benannt feien; Suarbonen, einerlei mit ben Speorbveren 
des angelſächſiſchen Wandererdlieds, Cheruöfer und vielleicht Heruler, 
Sachſen, jämmtlih nah dem Schwerte (ahd. fuert, agſ. svéord; goth. 
hairus, alt. höru; ahd. ſahs, agſ. söax) 197, Hinfichtlich der Franken 
Ichwebt die Frage, ob der Name des Volks von dem ber Waffe, bier 
des Speeres (framea, mittellatein. francisca, agf. france, altnorb. 
frakka, wie Frakkr, Frakkaland, Francus, Francia), abzuleiten ſei 
oder umgekehrt; erftern Falls wäre Franke, die Waffe, Verkleinerung 
des von den Römern aufgenommenen beutjchen Worts (framea, framia, 
dim. frameca, framecha, daraus obige france, frakka) 158, In dem: 
felben Gedenkverje der Stalda nun, der unter den Benennungen bes 


155 Das Ediff der Erde, von Odins Gattin gerndert, im chriſtlichen 
Sonnenliede (Sem. 130, 77), if nur ein Bild der boffärtigen Weltluft, aber 
tonnte nicht zu diefem Bild ein volksfeftlicher Aufzug, nach Art des Schiffes von. 
Juden (das der Abt Robulf: „diaboli ludibrium, plebeiam fatuitatem“ 
nennt, Myth. 240), den Anlaß gegeben haben? 

156 Die ſchwäb. Todtenbäume (vergl. J. Grimm, über das Verbrennen der 
Leihen 52. 80). 

257 Beuß 105. 150. 154. 476. J. Grimm, Myth. 186. Spradg. 781. 
618. 470 f. 688 f. W. Wadernagel, Zeitſchr. f. d. At. 6, 15 f. Philipp, 
Geſch. d. ange. R. S. 47, N. 153: „ense Saxonieo“, ©. 11, N. 30 u. 

8. Wadernagel, Zeitſchr. f. d. Alterth. 2, 558. 6, 16. J. Grimm, 


" Spradjg. 512 bis 518. &. Müllenhoff, Zeitfchr. f. d. Alterth. 7, 383. J. Grimm, 


ebd. 470 f. 


54 


Speeres frakka aufzählt, findet fich gleichbedeutend svaf 19. Diefer 
Neutralform entfpricht aber auch eine männliche, svafr = svafar (Gen. 
svafrs), die jedoch nur noch in bichterifchen over fagenhaften Eigen: 
namen, meilt zufammengefeßten, vorlömmt (Svafrlogi, Svafrthorinn, 
Svafrlami, Svafrlöd). Über die Bedeutung diefes Worts muß vor 
allem die einzige Stelle zu Rathe gezogen werben, wo dasfelbe einfach 
erſcheint, daneben aber auch in Zufammenfehung. Das nordiſche Sonnen: 
lied (sölarliod), ein Gedicht, das chriftliche Anfichten und Lehren zum 
Theil noch in beibnifchem Gewande vorträgt, bebient fich für die auf- 
geftellten Beifpiele gerne allegorijch beveutfamer Eigennamen. Hiedurch 
mag eine Strophe hereingezogen worden fein, die mit dem Übrigen 
nirgends recht zufammenpaßt und ſich mehr wie eine ſelbſtändige Räthfel: 
aufgabe anläßt. Sie lautet: „Wie haben fie gefrevelt, Svafr und 
Spafrlogi? Blut mwedten fie und fogen Todeswunden nad alter Ge: 
wohnheit“ 160, Der Schlüfjel des Räthſels ift unſchwer zu finden. 
Skalda fagt allgemein: „Biebwaffen, Arte oder Schwerter, werden Bluts⸗ 
ober Wundenfeuer genannt“ 161, und unter den Schwertbenennungen 
Iommen nachher, ganz bier zutreffend: Ylamme (logi), Blutwache 
(blödvaka), Wundfauger_(bensogr) !%, Wie perfönlich belebt man 


19 Sn. Eid. 2160. (Arnam. 569 fg.) Landnämabök P. 1, K. 1 (Islen- 
dinga Sögur 1, 26): „Madr het Gardar Svafars son. Svenskr at wett“ 
». f. w. Oder ift Svafar = Suabheri n. f. w.? Bergl. Beitfchr. f. d. Alterth. 
3, 143. (Gardar = Kartheri?) (Ein Schmwertname ift aud) Längbardr, Sn. 
214, vgl. Spradhg. 689.) 

10 Sem. 130, 80 (Mund 184, 80): Hverja beir hafa belt (eine 
Halbzeile fehlt) Sväfr ok Sräfrlogit blod Peir vöktu ok benjar sugu 
undir öllum (a. illum) eyvana.“ (öllum für öldaum?) Man vergl. die mit 
hverr? hverjar? hverir? u. f. w. beginnenden NRäthfelfragen ber‘ Hervar. 8. 
6. 15 (Fornald. 8. 1, 467 ff.). Ramentiid) ©. 473 von Itrekr und Ön- 
döttr.) 

161 Sn. 160 (Arnam. 420): „Höggväpn, eyxar eda sverd, er kallat 
eldar blöds eda benja.“ 

162 Sn. 2145: „bensogr“; 215 a: „logi*; 2156: „blödvaka* (Arnam. 
565 bis 567). Bergl. noch Sn. 215a: „benknüar“; Arnam. 567, 9): „Len- 
jari“; Fornald. 8. 3, 7655: „bengreßill; benteinn; benpvari; sitdrlogi.® 
Hiezu in obiger Str. des Sonnenlieds (Ann. 160): „Sväfrlogi, blöd vöktu; 
benjar sugu.“ Gisla 8. Sursson. 6. 6: „ok nü vekja peir sör blöd ok läta 
renns saman dreyra sina® u. |. w. M.A. 118.) Bensogr (Gr. 1 (1), 914 


55 





fih die Waffe dachte, zeigt bie weitere Anweifung, wonach der Etreitart 
die ſtaldiſchen Benennungen der riefenhaften Zaubermweiber zulommen 163. 
Die jchlichte Räthſellöſung ift hiernach dieſe, daß Svafr und Soafrlogi 
Namen des perſönlich genommenen Schmertes find, deſſen verberbliches 
Wirken fofort in wenigen, fcharfen Zügen gezeichnet wird. Schwert 
und Schwertflamme weden Blut und ätzen töbtliche Wunden. Räthfel: 
artig konnten aber beide Namen nur gebraudt werben, wenn Svafr 
nicht ein gemeinübliches, fordern ein alterthümliches ober fremderes, in 
Sage und Dichterfprache gerücktes Wort war, wie man aud den Epeer 
in gewöhnlicher Rede nicht frakka oder svaf nannte. 

Der allegoriihe Eigenname Svafadr in einem der twarnenden Bei⸗ 
fpiele des Eonnenlieveg mag es fein, der bie verwandten Svafr und 
Svafrlogi bereingebracdht hat. Svafadhr und Skarthedhinn, zuvor uns 
zertrennliche Freunde, entzweien ſich durch allzu heftige Leidenſchaft für 
dasſelbe jchöne Weib, um das fie zuletzt ſich im Holmgang bekämpfen 
und beide den Tod empfangen 16%. Svafadhr erklärt fi) nach Obigem 
als: Beſpeert oder Schwertbewaffnet (mie hialmadr, ahd. gehelmoͤt, 
galeatus, Graff 4, 846); Skarthedhinn iſt: Prachtbekleidet (mie Alf- 
hedinn, biarnhedinn, geithedinn, die zwei erſtern auch als Manns: 
namen, mit Wolfs:, Bären-, Geißfell angethan) 15. Es wird fehr 
u. Lex. isl. 2, 362 u.) erflärt ſich dadurch, daß das Schwert als Schlange 
gedacht iſt; Stichwaffen werben, nah Skalda, von Schlangen oder Fiſchen be» 
uannt (Sn. 160: „Lagväpn. eru vel kend til orma eda fiska.“ Arnam, 420) 
und namentlich von der Schlange im Schwert wird weiterhin zu ſprechen fein. 
Syga, fangen, wirb aber von Schlangen gejagt, fo der fterbende Ragnar im 
Schlangenhofe: „mid haben die Schlangen gefogen („bafa mik sogit ormar“, 
Fornald. 8. 1, 282).“ (Darnach Sem. 276, 167) Auch „beulogi (Wund- 
flamme)* it Schwertbenennung, Seem. 156, 50: „benlogum beita (a. bregda)“; 
Fornald. 8. 2, 314: „benlogum bregda (Wundflammen jchwingen).” Sn. 


Arn. 510: skialdar leygr. slidrlogi, Kräk. 12. (Beitfchr. 9, 180.) Gunnlogi, 
8. Gisla Surss. 6. 

163 Sn. 160 (Arnam. 420): „eyxar kalla menn tröllqvenna heitum.“ 
Ebend. 215 b. (Arnam. 569) unter den özar-heiti. „gygr ok fäla“ und zuvor 
unter denen der tröllkvenna (2105. Arnam. 552): „Fäla“; vergl. Fornald. 
8. 1, 303, 

166 Sem. 122, 10 bis 14. 

165 Lex. isl. 2, 258: „skart, n. eplendor vestinm.* Über hedinn, fo 
wie die damit zufammengefeßten Wörter und Gigennamen ſ. 3. Grimm, D. 
Myth. 1282. Vergl. noch Faprskiona 5 f. 170. (Skarphedina in Rials ©.) 


56 


alaublich angenommen, daß bier, unter den erbichteten Namen flolger 
und ftattlicher Männer, die tragifche Geſchichte zweier isländiſcher Skalden 
des 1I1ten Jahrh. Rafn und Gunnlaug, zugenannt Echlangenzunge 
(ormstünga), zur Lehre geftellt fer 166, denen ebenfo ber Zweikampf, 
ben fie. ala Nebenbuhler um die fchöne Helga beftanben, gemeinfamen 
Tod brachte. Wirklich Krüftet fi Gunnlaug in präctiger Kleidung, 
namentlich einem pelzbezogenen Scharlachmantel, den ihm König Äthelred 
in England als Sängerlohn verehrt hat und an dem nachmals Helga 
noch ihr brechendes Auge meidet 17. Gunnlaug und Rafn fingen nod) 


166 Sagan af Gunnlengi Ormstüngu ok Skälld-Rafni u. |, w. Hafn. 
1775, ©. Hi bis VI. Damit fimmen überein: B. E. Müller, Sagabibl. 1, 69 
und Firm Magnuſen, Den wldre Edda 3, 221. Der tödtlihe Zweilampf 
fällt um das Jahr 1013. Gunnlaug wirb zu Lifangr in Norwegen chriftlich 
beftattet, &. 12, ©. 182: „ok Par ld hann 3 netur, ok feck alla piö- 
nostu af presti, ok andadizt sidan, ok var bar jardadr at kyrkiu.“ (Der 
Stelle des Sonnenlieds Str. 12: „Hverkis Deir gädu fyrir A hritu mey 
leiks nd liosra daga“ entjpricht der Anfang eines Liedes von Gunnlaug, auf 
das auch die Borrede ©. 5 fg. aufmerkjan macht, (C. 11, ©. 142 fg.): „Orme- 
twagu verdr eingi Allr dagr und sel fialla Hegr sizt Helga hin fagra 
Hrafos kvanar red nafni.* ©, 148, N. (94): „Ordo verborum in priori 
earminis parte hic est: „Engi dagr verdr Ormstungu &llr hegr und fialla 
sal, sizt Helga hin fagra red nafni kvanar Hrafns* i. e. Nullus dies At 
Ormstunge totus facilis sab concameratione montium (i. e. colo), ex qro 
Helga illa pulchra potita est nomine uxoris Hrafnis. Nopnemo tamen 
hane interpretari maluit hoc modo: nullus dies Ormstunge etc. facilis 
(grvie) Helga illa pulchra Rafnis uxoris nomen in sua potestate minime 
(i. e. non) habuit, qvippe ad ınatrimonium cum eo ineundum tantum 
non coaeta; sed nostro judicio parum feliciter.“) 

167 8. af Gunnl. 6.7, ©.88 (A. C. 1006): „Gunnlaugr flutti kredit 
vel ok skörugliga, en petia er e»tefit (versas intercalaris) { Qvedinan: 

(61) Her giörvallr ins aurva Einglandz sem gudz eingli 

At Iytr grauıs ok guma Gunnbrädz Adalrddi. 
Köngr Packadi hanum qvedit, ok gaf hanum at bragarlaunum skyckiu 
af skarlati skinndregna hinum beztu akinnum ok hladbüna i skaut nidr, 
ok giördi hann hirdmann sinn“ u. f. w. S. 94: „Nw skalltu minom r&- 
dom framfara (Gunnlaugr! qvad konungr); her er everd, er ek vil gefa 
Per; ok med pessu skalltw vega, (gegen ben zauberfundigen vikingr Por- 
grimr), enn syn hanum hitt, er pü dit ddr.“ C. 8, ©. 100, A. C. 1007: 
„Da gaf köngr (Sigtryggr Silkiskegg in Tublin, til Dyflinner) hanum kledi 
sin ny-skorinn af skarleti, kyrtil hladbüinn, ok skyckiu med dgietum 


57 


als blutige Traumgeftalten vom bauptipaltenden Kampfſpeer unb vom 
gerötheten (Gr. 2, 170: rodna, rubescere) Schwerte der Schwerter 
(®r. 4, 726, 10) 188, 


skinnum, ok gullbring er stöd maurk (auch dieß für ein Lieb: at bragar 
leunom). Gunnlaugr Packadi konöngi giafrnar, ok dvaldizt har litla 
hrid, ok f6r hadan til Orkneyia. Pä red fyrir Orkneyiam Sigurdr Jarl 
Biaudrersson (69). Guannieugr qvaddi Jarl, ok qvezt hafa qyvedi at 
fera hanum. Jarl qvest hiyda vilia qvedi hans, ok sagdi hann vera 
semiligenn mann. Gunnlaugr flutti qyedit, ok var hat flockr, ok vel 
ort, ok gaf Jarl hanum auxi mikla silfr-rekna at qvedis-Jaunom, ok baud 
hbasum med ser at vera.“ G. 11, ©. 144: „Ok b& gaf Gunnlaugr henni 
(Helgu) skyckiuna Adalradsnaut, ok var bet hin mesta gersimi; bon 
beckadi hanum (©. 146) vel giößna.“ 6. 12, ©. 180: „ok b& baurduz peir 
tveir med störom bauggom ok auruggum atgängi, er hvarr veitti audram, 
ok sötta einatt { 4kafa. Gunnlaugr hafdi hä sverdit Adalradz naut, ok 
var bat it beezta vapn; Gunnlaugr hi6 b4 um sidir til Rafns mikit högg 
med sverdinan, ok undan Rafni fötinn u. |. w. ©. 180 Nafs baut nad 
G., der ihm Waſſer im Helme bringt): enn his f haufat Gunnlaugs med 
sverdina hinni hægri hendi, ok vard Pat all-mikit sär u. f. m. Ok ba 
baurdoz peir enn i äkafs, enn sva lauk at Iyktum, at Gunnlaugr his 
Rafn banahögg, ok 'et Rafn bar lif sitt. P& gengo fram leidtogar Jarl- 
sins, ok Dundo haurutsdrit Gunnlaugs; han sat 4 medan ok qvad visu 
bessa: 
(115) Oss geck metr & möti Möt-runnr { dyn spiöta 
Hrid giörvandi hiörva Hrafn framliga jafnan“ u. |. w. 

6.18, ©. 1%: „put var hellat gaman Helgu (die jest mit borkell verehlicht 
iſt und Kinder hat), at hon rakti nidr skyckiuna Gunnlaugs-naut, ok horfdi 
4 hana laungum. Ok eitt sinn kum Par sött mikil & bes Beirra Dorkele 
ok Helgu, ok kraumuduz marger lengi. Helga tök p& ok Pyngd, enn ld 
bo eigi. Ok einn laugar-apten sat Helga f ellda-skdla, ok hneygdi höfdi 
{ kne Porkatli bönda sinum; hon let sekia skyckiuna Gunnlaugs- naut, 
ok er skyckian kom til hennar, Pa settiz kon upp ok rakti (explicabat) 
skyckiuna fyrir ser, ok horfdi & (bana) um stund, ok sidan (©. 192) hne 
hon aptr { fäng bönda sinum ok var Pä örend u. ſ. w. Helga var til 
kyrkio ferd“ u. ſ. w. Dazu die folgenden Erflärungen: (61) Ordo verborum 
hic est: „giörvallr ber gunnbrädz Einglandz Grams ok guma Iytr at Adal- 
r6di, sem ins aurva gudz Eingli“ i. e. universus exercitus armipoientis 
Anglie, Regie et subditorum, obsegvitur Adalrado, tauyvam munißei 
Dei Angelo“ u. ſ. w. 6. 89: „Rex ei pro carmine gratias egit, premii- 
qve loco tunicam dedit coccinam, maximi preüi pellibus subteatam, et 
fimbriis ad ima usqve ornatam, eumgve satellitem suum fecit“ u. ſ. w. 


58 


Um den Wortfinn zu ermitteln, ber jenen svaf, svafr, svafadr 
gemeinfam zu Grunde liegt und fie zur Benennung der Waffe ober 


&.103: „Rex ergo ei vestitum suum novum, eumgve coccinum, pallium 
scilicet fimbriatum et tunicam pellibus pretiosis ornatam, nec non armillam 
auream, qve marcam pendebat, dedit.“ „qvare Comes ei megnam securim 
argentatam premii loco dedit“ un. ſ. w. ©. 181 (A. C. 1013): „Tandemgve 
omnes eorum comites ceciderunt; tum vero ipsi, vehementi assultu sepius 
facto, magnis ictibus, validoqgve impetu, qvo unus alterum aggrediebatur, 
invicem decertarunt.“ &. 188: „duoes itineris, Gunnlaugo a Comite dati“ 
u. ſ. w. (115) Ordo verborum in priori carminis parte hic est: „meetr 
mötrunnr Hrafn geck oss 6 möti f dyn epiöta, jafıan framlige giör- 
vandi hiörva-hrid“ i. e. Egregius (S. 188) bellator Hrafn ivit nobis obviam 
in strepitu hastaram (i. e. pugna), semper audacter ciens nimbum gladio- 
rum (i. e. prelium committens)“ u. |. w. S. 190: „ok för Helga til bws 
med hanum [Pörk.], ok vard hanum litt unnandi, pvi hon vard alldrei 
afhuga Gunnlaugi böit hann veeri daudr“ u. ſ. w. 
18 Gunnlaug fingt u. 9.: 

„klauf gunnspiöti gunnarr Gunnlaugs höfud“ u. f. w. 
Hrafn: „rodit (er) sverd, enn sverda sverd Ögnir mer gerde“ u. ſ. w. 
C. 18, S. 184: „Ok um sumarit ädr bessi tidindi spurduzt wt hegat til 
Istandz, $& dreymdi Illuga Svarta (Ga. Vater), ok var hann 4 heima 
4 Gilsbacka: Hanumi potti Gunnlaugr at ser koma f svefni, ok var blo- 
digr miök, ok qvad viso bessa fyrir hanum { srefninum. (116) Her 56 
ek Hrafn (enn Hrafni Hvauss kom egg 1 leggi) Hialltuggidum hauggva 
Hrinfiski mer bryniu. f& er hra-skierr hiyrra Hlaut fen ari benia Klauf 
gunnspiöti Gunnarr Gunnlaugs haufut minna. lllugi mundi visuna er 
hann veknadi, ok qvad sidan fyrir audrum. 84 atburdr vard at Mosfelli 
sudr (S. 186) hina sömu nöti, att Aunund (R8, Vater) dreymdi, at Hrafo 
kiemi at hanum, ok var allr alblodugr, ok qvad visu pessa. 

(117) Rodit (er) sverd, enn sverda Sverd ögnir mer gerde, 

Varo reynd f röndum Randgalkn fyrir ver handan. 

Blodug hygg ek 1 bI6di Blöd-Gaugl of skaur stödu: 

Sär-fikinn hlaut sära Särgrammr enn & bramma. 
Dazu die folgenden Erflärungen: S. 184: „(116) u. ſ. w. Ordo posterioris 
partis hic est: „Gunnar klauf (S. 185) Gunnlaugs haufut Gunnspioti, 4 
er hreskierr ari hlaut fen hiyrra benia minna“ i. e. bellator fidit Gunn- 
laugi caput hasta bellica, tumgqve cadavera discerpens aqvila nacta est 
uliginem tepidorum vulnerum meorum (i. e. sangvinem meum) u. f. m. 
Cetera Tautologise, qvales in posteriori hujus Strophe parte, nec non in 
Stropha proxime seqventi occurrunt, licet in Poösi nerorum loco merito 
habendee sint, exemplis apud veteres non carent, ex gr. in Kormaks-Saga: 





539 


des Waffenführers tauglich macht, muß man ſich nad) dem altnorbifchen 
Beitwort umſehen, auf das fie in letter Stufe zurüdzuführen find. 
Svafr Tonnte mit einer Verbalform svafra zufammenhängen, wie sigr 
(®en. sigre) wirklich mit sigra, vafr (in vafr-logi) mit vafra; aber ob 
man in dieſen Fällen das Verbum ober das Subftantiv voranftelle, fo 
iſt Doch das vorangeftellte felbft ſchon ein abgeleitete® und das r ein 
Zeichen ber erften Ableitung von einem einfachern, wurzelhaften Seit: 
wort. (Bol. Gr. 2, 1. 5, 2. 90. 122. 17, Nr. 189. 36, Nr. 398. 18, 
Nr. 200.) Svafadhr ift zwar ein Particip, deſſen Infinitiv svafa lauten 
würde, allein die ſchwache VBerbalform ift bier unzweifelhaft erft aus dem 
fubftantiven svaf (in der Zufammenjegung: svafr-logi u. ſ. w. ift -vafr 
jebenfalls ſubſtantiv, nicht verbal zu nehmen) hervorgegangen, mie hial- 
madr aus hialmr (Gen. hialms) 169, das Subftantiv iſt unmittelbar 
in die Participendung übergefprungen, ohne daß wohl das Berbum in 
irgend einer andern Flexion wirklich beftanden hat. Aus dem altnor: 
diſchen Vorrath ſtarker Zeitwörter bleibt hier zur Wortbildung nur das 


Randlauki klanf ek randa Rönd Kormaki at höndum i. e. Clypeorum 
allio (i. e. gladio) fidi Clypeum ad manus Kormaki, nisi forte pro randa 
legere placet reynda, exploratum; ut alia taceamus.“ S. 187: (117) In 
priori hujus carminis parte ordo verborum hic est: „Sverd er rodit, enn 
sverd gerdi mer sverda ognir; randgälkn vero reynd i röndum fyrir 
handan ver“ ji. e. Rubefactus est gladius, sed gladius mihi fecit ter- 
rores gladiorum ([a. Pagnir] silentia otia vel cessetionem a pugna). Ciypeo- 
rum monstra (i. e. arma) explorata sunt in clypeis trans mare* u. f. w. 
In der lateiniſchen Überf. zur Geite (S. 187): 

Rubebat gladius (at gladiorum mihi 

Horrendus omnium ingruebat maxime) 

Tentati sunt in clypeis penetrabiles 

Enses transmarina iu plaga u, ſ. w. 
Index vocum: „Ogn, terror, violentia, 146. sverda ögnir (secundum lect. 
var. angnir), terrores bellici, i. e. prelium, 186. (6a, terreo, unde, 
ek egi, idem.)“ ©. 146: „Hvi hopar bw Rafn, seger hann? fyrir Bvf 
at enge ögn byd ek per at sinni* u. ſ. w. ©.147: „cur, inqvit, Rafn, 
cedis? Nihil enim tibi hac vice a me periculi est“ n. |. w. Abgejehen von 
den poet. Ausdrüden der ausgehobenen Lieder iR in der Erzählung der beiden 
Kämpfe zwiſchen Gunnlaug und Rafn nur vom Gebrauch der Schwerter (keiner 
Sperre) die Rebe. 

169 Lex. isl. 1, 356: „hialmadr, galeatus.“ Fornald. 8. 2, 271: 

„bialmat lid.“ 


60 


eine: Inf. sofa (für sv&fe), Präf. sef (für evsf), Prät. svaf, aväfum, 
Part. sofinn (flatt svefinn) !70, mit der belannten Bebeutung: fchlafen. 
Davon weitere Ableitungen sväfn, Schlaf, sofna = sväfna, einfchlafen, 
svafnir, bichterifche Bezeichnung der Schlange 171 und ein Name Ding, 
der fi einmal in Schlangengeftalt verwandelt hat 122. Wäre bie an 
geführte Bebeutung des Stammivortes sv&äfa ebenfo bie einzig erreich⸗ 
bare, mie fie eine uralte und weit verbreitete ift 173, fo würde fidh frei. 
lich Teine Handhabe zu den fraglichen Waffennamen barbieten, allein 
der Sinn desfelben erweitert fi), wenn man bie entſprechenden beutfchen 
Zeitwörter ſchwacher Flexion beizieht, ahd. fwebon, ſweben (ferri, nare), 
biſwebon (emicare), fiwebardn (natare, altnord. das vorausgeſetzte 
svafra), mhd. ſweben, fich ſchwimmend, fliegend, ſchwankend bewegen, 
intſweben, einſchlafen 174 Unter den allgemeinen Begriff der ſchwe⸗ 
benden, Treifenden Bewegung aber fällt ebenfo die geichmungene Waffe, 
Speer oder Schwert, und die gleitende, biegſame, ſchießende Schlange, 
ala die Entrüdung der von Schlaf und Traum hingenommenen Seele, 
die nach altertbümlichen Vorftellungen dem Ieblofen Leibe, dem Munde 


190 ®r. 1 (1), 915, X. (1027, 275). 2, 35, Rr. 275. 

171 Seem. 44, M. Sn. 20. 1%, 

11? Sem. 47, 54. 93, 3. 8n. 86: „b& bräst Bölverkr (Odinn) 1 orms 
ki.“ Yngl. S. ©. 7. 

118 Schmeller 3, 527. Gpradhg. 303, 8. 407 u. - 

174 Graff 6, 856. Schmeller 3, 626 f. Fiemann 4546. 746. Maßmanır, 
Deutiche Gedichte des 12ten Jahrh., Bücher Mofis 2, 266, 1686. 283, 8899. 
284, 3941. Fundgr. 2, 31, 3. 58, 6. 29. W. Wadernagel, Wörterbuch 
DXIV. Scheidet man in der Art, daß fmebän, fmiben, zu altn. avifa, ahd. 
foipan (ferri), dagegen anfuebjan, enjweben (sopire) zu svöfa (sofa) ge⸗ 
wielen wirb (dr. 2, 14, Ar. 133. 985, Nr. 183. Schmeller 2, 527), fo if 
nicht zu erfehen, wohin das intranf. intſweben, entichlafen (Wii. Moſ. 1686: 
„uile fciere er intſuebite“), eingetheilt werden foll, das mit fweben in Laut 
und Form zufammentrifft. Grweitert man aber den Begriff der Wurzel dahin, 
dag er Schweben und Entichlafen in fich außgleidht, fo ftehen entfmeben und 
fweben (Gr. 1 (2), 132 u. 136) fih nicht ferner, als queljan und quklan, 
ſterben und fierben (necare und necari (Br. 1 (2), 77. 134. 138), die man 
auch nicht von Grund aus trennen wird. Bvila, ſpipan, gehören aflerdings 
in eine große Verwandtſchaft von Wörtern, die nah Sinn und Buchſtab 
hier anlauten. Über Formunterſchied der intranf. und tranf. Er. 4, 50 u., f. 
Sprachg. 850 u., f. 








61 


des Einfchlafenden ober Sterbenden, ala Echlange ober Vogel ent 
ſchwindet 173, 

Gleichen Schritt mit svöfa (sofa) hält ein andres altnorb. Zeit: 
wort: nf. vefa (texere), Präf. vef, Prät. vaf, väfum und öfum, 
Part. ofinn (ftatt vefinn), dann vafn. (trame, Einfchlag, involucrem), 
vafr in vafr-logi (mie evafr-logi), vafa (gefpenftern), vafra (lente 
vagari), und ofra (minitari, in aöre vibrare); Vafudr, ein Name 
Diind, (wie Svafadr), ofnir = vafnir, wie svafnir (ein Verb. ofna, 
wie sofna, ftatt vefna und sväfna vorausfehend 176), gleichfalls Be⸗ 
nennung der Schlange und Odins 177, Es ergibt ſich, daß auch bier ein 
weiterer Begriff ver Bewegung, bed Hin« und Herfahrens, auf das ber 
Weberſpule verengt worden, aber noch in verſchiedenen Ableitungen 
kennbar geblieben if 178; eine Beftätigung bes ähnlichen Hergangs mit 
svöfe. 
Dem ftarlen Berbum sofa, sv&fa, und feiner intranfitiven Bedeu⸗ 
tung geben Tranfitive fchwacher Form zur Seite: sveafa, Prät. sverfdi 
(sopire, pacare), und svefja, svafdi (temperare, placare. Gr. 1, 
921 u). Alt: und mittelhochbeutih haben Smtranfitiv und Tranfitiv 


125 Deutiche Mythologie 788 f. Deutihe Sagen 2, 90, 428. (2, 142, 
455. 1, 335, 247.) 

18 ®r. 1 (1), 915, X. (1027, 274.) 2, 4, Nr. 274. 

117 Beem. 44, 34. 47, 54 (beibemal find „Ofnir ok Svafnir* zuſammen- 
genannt. (Bergl. Sn. 20. 24. 180.) „Vafnir“ als Name Opins, Sn. Arnam, 
87, 11); ebd. auch „Svafill“, vgl. ahd. wefal, wevil, Graff 1, 649. 

18 J. Grimm, Gr. 2, 24: „altn. vefa, ahd. wepan (moveri hue illuc, 
vagari, hernach von der bin und berfahrenden fpule: texere)“ un. ſ. w. 
Sprachg. 762: „mit Vafudr, einem der namen Odins felb (Sem. 745) 
u. ſ. w., der die webende Iuft ausdrückt (Sem. 50a).” [Bergl. ebd. 766 ob.) 
An der letztern Stelle, Alv. m. 21, beißt der Wind: „vavudr“, Sn. 181 
aber: „vavrsundr (a. vönsundr, vavnsudr).* Mund gebraudt an beiden 
GStellen langen Bolal, 326, 54: „Väfudr“, 345, 21: „vävudr“ (vgl. 193, 
346), vermuthlich weil kurzes a in ö umlanten müſte. Allein Vafudr ift wohl 
nur Sache der Schreibung flatt Vafdhr, part. von vefja (intricare, vergl, 
&.1(1), 921 u. 925 u), wie svafur und vafar ftatt svafr, vafr. Als Rame 
Orins tanı Vafdr, der Eingehüllte, dasfelbe befagen, wie heklumadr, Fornald, 
8. 1, 120. 824 f. 2, 289. Myth. 1383. Bu vefe, vafra |. noch Schmeller 
4, 7. Biemann 600a. Bu ofra Lex. isl. 2, 1266. Eyrbygg. 8. 6. 18, ©. 60: 
„beir ofrudu vApnum“. Fornald. 8. 2, 137 von einem Adler: „veifir Bü 
vengjum u. ſ. w. vafrar bü“ u. ſ. w. 


62 


ſchwache Flexion: obiges ſwebon, Tmeben, (ferri), Prät. ſweboöta, 
ſwebete (Gr. 1, 954 u.), neben ant:, in:fuebjan, ent⸗ſweben (so- 
pire) 179, Innerhalb ver gleichen Confonanz entwideln ſich aber auch 
Wortbildungen beider Art mit entlegnerem Vokal oder Diphtbong, 
überall mwieber für den Ausbrud der Bewegung, Schwingung: altn. 
svifa, Prät. sveif (ferri, moveri), svifr, ſtaldiſche Bezeichnung bes 
Meerd (Sn. 217 a, 3), svif N. Pl, (motus repentinus, vibratio); 
sveifla (agitare), befonders vom Schwingen des Schwertes gebraudt, 
gleichlaufend mit veifla (vibrare) 180; ahd. und mhd. fueibön (ferri), 
fueib n. (vibretio), fwaiben, fweiben, vom Auffhwung bes Aplers, 
dann auch, zufammen mit waiben, von der fliegenden Sahne, ſwaiben 
und maiben mwieber mie sveifla und veifla, sofa und väfa il. Diefen 
altnordiſchen sofa und veſa gleichförmig find die angelfächfiichen svefan 
(sopiri), sv&fe, eväf, sveefon, svöfen, und v&fan (texere). 182 Ahnlich 
zulammengefeßt wie dort Svafrlogi u. |. w. erjcheint in der Stammtafel 
von Deira der Name Sväfdäg 18%, Späfdbägs Großvater heißt Vägdäg 
und wie Sväf- auf sväfan, fo ijt Väg- auf vögan (movere, moveri?) 
zu beziehen 18%, Blidt ſchon damit auch für Sväf- der alte Sinn ber 
Bewegung durch, fo noch aufdringlicher, wenn die nordifche Übertragung 
diefer Stammtafel Sväfdäg durch Svipdagr mwiebergibt 185; denn svipa 


119 Graff 6, 854 f. &r. 1 (1), 869 u. 903, 5. 946. Nib. 1778, 4. (agl. 
on -svefjan, sopire.) 

180 Fornald. 8.2, 126: „Sidan sveiflar Ketill sverdinu til höfudsins.“ 
Lex. isl. 2, 358: „eveifla, agitare, raptare, fvinge u. |. w. sveifla sverdi, 
gladium rotare, girare“ u. |. w. bo. 419: „veifla, szepius vibrare.“ 

si M. ©. 2, Bla, 8: „er fmeibet ob in höh embor vil fhöne alfam ein 
abelar.“ gi. Fornald. 8. 2, 137 auch von einem Adler: „veifir BA veng- 
jum u. f. w. vafrar bü nd, vidflögulli® Ruol. Liet 278, 19: „Do fahen 
fie von den haiden manigen vanen waiben“ u. |. w. 172, 16 f.: „Der chunc 
lie den van waiben al Bin unt ber ſwaiben.“ Liederſ. 3, 564, 142 f.: „waie 
ben und fwanden fiht man trunden liut.“ Bu dieſen Beitwörtern |. Graff 6, 
855 f. 1, 650 f. Schmeller 8, 525 f. 4, 5 f. Biemann 455. 622. 

182 Br. 1 (1), 897, X. 

83 D. Myıb. (1), Anh. II. VIII f.; lateinifch: Suebdegus. Bei Kemble, 
the Saxons in England 1, 148: Swäbheard (mıt Hiödhere), ein angelf, König. 

Gr. 1 (2), 335. 2, 27 f., Nr. 304. Bosworih 248a. Graff 1, 655. 
Sem. 241, 16: „pe var vig vegit völsko sverdi.“ 

185 Sn. Form. 14 (Arnam, 26): „Svebdegg er ver köllum Svipdag.“ 


63 


it ſchwingen, svipr m. (Gen. svipe) Schwingung, und die Antven: 
dung auf die Schwingmwaffe tritt klar bervor in den flalbifchen Be: 
nennungen des Schwerted: svipudr, der Schlacht: svipul und sverda 
sripen 156, Wie fih vefa einer Reihe mit v (m) anlautender Wörter 
einorbnet, welche mehr die wiegende Bewegung ausbrüden, fo gejellt 
fh sväfa einer andern Folge, welche den wehenden Laut durch den 
faufenden verſtärkend 187, mit zweifacher Epirand ev (ſw) der heftigern 
Schwingung Stimme gibt. Das Schwert, das felbft diefen Anlaut 
bat, ſchwirrt in den Heldenliedern ftabreimend mit ſolchen Wörtern zus 
fammen. Gleich jenem everda svipan des Eddalieds 188, ſowie ben 
angelfächfifchen svöordes svengum (Schiwertftreiche) und svird-gesving 
svidkic (beftiger Kampf) 189, fauft noch aus dem Lieb der Nibelunge, 
aus der Klage und anderwärts manch fivinder fwertes ſwanc 190. 


586 Lex. isl. 2, 357: „svipe u. ſ. w. vibrare“ u, ſ. mw. 358: „svipr, m. 
u. f. w. vibratio“ u, ſ. w. Sn. 214b, 2 (sverda heiti): „svipudr oc svipal- 
jau“, 214a (orrostu heiti): „svipul®, Seem. 184, 19 fg. (Mund 107a ob. 
Fornald. 8.1, 325 fg.): „er berjesk skal heill at sverda svipar (Lex. isl. 
2, 359: „svipan, f. u. f. w. impetus“ u. f, w. Gr. 1 (2), 159 u.) Im 
Königsfpiegel (Konungsskuggja, Chriftiania 1848, ©. 117) vom Cherub vor 
dem Baradieje: „med eldligu averdi bat er iafnt svipar allan veg eldbitrum 
eggjum;“ vergl. Zietrih in der Zeitſchr. f. d. Alterth. 5, 221. Svipr heißt 
der Bater eines Helden Svipdagr in Hrölfs 8. 6. 18, Fornald. 9. 1, 35. 

27 Bergl. Epradig. 294. (Sr. 1, 11.) 

8 S. ob. ©. 62, Anm. 180: „sveiflar sverdinu“. Fornald. 8. 3, 854: 
„sveipadi sverdinu.“ Vergl. Dietrich in der Zeitſchr. f. d. Alterth. 5, 221. 

189 Beow. 178. Leos Sprachprob. (aus Judith) TI u. (vergl. 227. 226 
und ebd. 74: svirdum asvöfede.) Three early eugl. metr. romanc. u. |. w. 
ed. by J. Robson, London 1842. (Camd. soc.) ©. 19: 

„He sqwapputte him in at the squyre with a squrd kene u. j. w. 

Tbe squrd syuappes in toe 
His canel- bone allsoe,* 

&. 20: „With a squappe of his squrde, squeturly him strykes.“ 
The battle of Otierburn, Ritfon, anc. songs and balladse, Xondon 1829, 1, 
102, 4. 103, 1. 110, 4: „they swapped together u. f. w. with swordes.“ 

10 Nib. 1864, 1: 

„Ed fluog er Blödeline einen fwinden jwertes flac.” 

1899, 1: „er fluoc deme meizogen einen fwinden ſwertes flac.” 
2014, 2: „von werten ja man bliden vil manegen jwinden füs.“ 
2313, 2: „er ſlnog der füniginne eines ſwertes jwanc.” 


64 


Es ift bereits einer mit evafr-logi der Form nach gleichgehenden 
BZufammenfegung vafr-logi gedacht worden. Die vorftehende Erklärung 
des erjtern und damit auch des einfachen svafr muß beträchtlich an 
Sicherheit gewinnen, wenn vafr-logi zugleih in ber Bebeutung ſich 
jenem zur Seite ftellt. Belannt ift das Wort hauptſächlich aus ber 
Sigurdsſage. Nah den altnorbilchen Liedern fchläft die Walküre Bryn: 
bild, von Odin mit dem Dorne geftoden, auf dem Gebirg in einem 
Eaale, der von brennendem Feuer umfangen if; der Linde Berberben 
(Feuer) fpielt überhin; Odin hat fie mit Schilden umfchlofien, rothen 
und meißen, im Sönigehaine, bis der ihren Schlaf breche, der fich 
nirgend fürchten könne; um ihren fübher gelegenen Saal läßt ex hohe 
Ylamme loben; Sigurb fprengt über diefe, das euer beginnt zu lodern, 
bie Erde zu zittern, hohe Blut gen Himmel zu ragen; mit dem Schwerte 
treibt er das Roſs, da erlifcht das euer, all bie Lohe legt ſich vor 
bem Helden 191, Diefe von Sigurd überrittene Ylamme nun wirb in 
ber jüngern Edda vafr-logi genannt 192, Wieder in einem Liebe beikt 


Klage 889: „vil maneger fwinder fwertes ſwank.“ 
Ale (Maßmann, deutiche Gedichte des 12ten Jahrh.) 1820: 
„vnde frumete manigen fvertis ſvanc.“ 
2150 f.: „daz ime nie nebein fvanc ne wart non fverte noh uon ſpere.“ 
Schlacht vor Rab. 676: 
„ein fwinder wint von iren fwerten wäte.“ 

191 Sem. 174, 15: „Sefr & Salli fylkis döttir biört 1 brynju* u. ſ. w. 
191, 42: „Seir er & hä Hindarßalli, allr er hann ütan eldi sveipinn“ 
u. ſ. w, 192, 43: „Veit ek 4 Salli folkvitr sofa, ok leikir yfir linder 
vddi. Yggr stakk Dorni* u. |. w. 228, 9: „Lauk hann (Odion) mik 
skiöldum f skata lundi raudum ok hvitum, randir snurtu; pann bad 
hann slita svefni mfnum, er hvergi lands hredask kynni. 10. Lét hann 
um sal minn sunnanverdan hävan brenna her alls vidar; bar bad hann 
einn begn yfir at rida* u. ſ. w. Völs. 8. E. 27 (Fornald. 8. 1, 185 fg. 
Mund IX): „Eldr nam at asasken iörd at skialfe, ok har logi vid 
himingnefa, fär treystiek bar fylkie rekka eld at rida ne yfirstige. 
Sigurdr Grana sverdi keyrdi, eldr sloknadi fyr ödlingi, logi allr legdist 
fyr lofgiörnum“ u. |. w. 

1% Sn. 139 fg. (Arn. 360): „hon (Brynhildr) sat & Hindafialli, ok 
var um sal hennar vafrlogi, en hon hafdi bess heit strengt, at eiga ann 
einn mann, er pordi at rida vafrlogann u. ſ. w. ok skyldi b& Gunnarr 
rida vafrlogann; hann ätti hest Bann er Goti heitir, en sä hestr bordi 
eigi at hlaupa f eldinn u. f. w. ba hli6p Biguidr & Grena ok reid vafr- 


65 


es aber auch von Sigurds Anlauf: „va warb Schlag geichlagen mit 
welſchem Schwerte und die Burg gebrochen, welche Brynhild hatte“ 198, 
Mit den Schilden wird die Burg vermittelt, indem bie Profa erläutert, 
daß die gemappnete Brynhild in einer Schiloburg mit aufgeftedttem Feld⸗ 
zeichen gefchlafen habe 19, Schildburg ift eine Heerorbnung zur Schuß: 
wehr, ein lebendiger Wal, beſonders um bie Perfon bes Heerlönigs 
gezogen und dadurch gebildet, daß die Krieger mit zufammengebundenen 
Schilden fi) an einander fchließen 19%, Der Sagenfchreiber meint wohl 


logann.“ 141 (Arn. 362): „p& svarar Brynhildr: meira var bat vert, er 
Gunnarr reid vaforlogann, en Sigardr pordi eigi. P& hi6 Gudrün ok 
meelti: setlar bü at Gunnarr ridi vaforlogaun?“ Bergl. Feeröiske Arad. 
138. 140. 146. 154. 158. 160. 162: „v4alua“, 156: „fraa v&an.“ 

199 Sem. 241, 16 (Oddr. gr.): „p& var vig vegit völsku sverdi, ok 
borg brotin sü er Brynhildr ätti“ a. f. w. ebd. 16: „borg.“ 

194 Seem. 193 (vor Sigrdr. m., vergl. Fornald. 8. 1): „Sigurdr rei 
upp & Hindarfiall ok stefndi sudr til Frakklands; & fiellinu s4 hann lios 
mikit, srä sem eldr brynni, ok liomadi af til himins; en er hann kom 
at, p4 stöd Par skieldborg ok upp or merki. Sigurdr gekk { skiald- 
borgina, ok as at bar l& madr ok svaf med öllum herväpnum“ m. ſ. w. 

18 Bergi. Fornald. 8.1, 66 u. 108 u. 3, 337: „Um morgin ärla reid 
Eirekr konüngr üt af borginni med allann sinn her; skikkadi hann fyl- 
kiagem sinum, ok var skotit skialdborg um hann. Bryniölfr akyldi 
verja skialdborgine, en s& madr bar merki,: er Snäkr hei“ u, |. w. (ebd. 
340: „kvomu miök { opna skiöldu (vergl. Dietr. 2685 u.) Eireki konüngi“ 
u. |. w. 342: „Hrölfr rauf p& alla skialdborgina“ u. |. w.) ®aro 8, 40; 
„receptam telorum vim conserta clypeorum testudine repellebant.“ Heimskr. 
ed. Schöning VI, 113: „bvergarda gunnranns (scutorum transversa septa, 
Skialld-borg vallus scutorum.“) Specul. reg., Ghrifiiania 1848, ©. 85: 
„Ef bü ert { orrosiu & landi, ok skal ſoti berjask, ok ert staddr i 
belli svfofylktrar fylkingar, b& vardar hat miklu, at vel verdi geit i 
öndrerdri vapnasamankvämu, at eigi taki hlidask eda rof à gerask bun- 
dinni skialdborg; ok Parftu Pat at varask, at Pü bindir aldrigi Pina 
fcemri skialdarrönd undir skildi annars.“ Dieß Bufammenbinden fehlt aud) 
in der Liedesſtelle nicht, Seem. 228, 9: „randir snurto (fie ſchnurten Schild⸗ 
ränder).” Beſchreibung einer alamannifhen Schildburg in Keil- und Eberkopf⸗ 
form bei Agath. 2, 8 (Stälin 1, 160). [Der Alamannenfürſt heißt Butilin 
(Budli).] Abd. „ſciltburg, testudo. Sg. 292 (Graff 3, 182) (Bergl. bie 
Granennamen Iſanburc, Trad. Wis. S. 156. Iſanbirga, Iſanpiric, Neng. 
ind. onom. 1055. 106 a. Iſangart, Iſingart, Cod. Lauresh., ind. onom.) 
Agſ. scildburb, Zub. 805 (Etim. Anglos. poöt. 147). ttm. lex. 681. 

Uplanp, Scqhriften. VI. 5 





66 


nur einen Bau, der eine Schildburg vorftellt, wie nachher im Liebe 
Brynbild das Gerüft, duf dem fie mit Eigurb verbrannt fein will, als 
eine mit Zelten und Edilden umzogene Burg bezeichnet 196. Allein 
diefe äußerliche Auffafiung Tann nicht für das Urfprüngliche gelten. 
Sigurds Verhältnis zu Brynhild fpielt überall in das Gebiet mythifcher 
Gedanten hinüber. Sie ift des Helden Friegerifcher Folgegeift und als 
Rampfiungfrau, mie fchon. ihr Name fie verkündet, ift fie auch mit 
friegerifhen Sinnbildern umgeben 197, Din felbft, als Heldenvater, 
bat einen Saal, bie goldglänzende Valhöll, der mit Schilden gebedt, 
mit Schäften gelattet ift, über deſſen Bänke Brünnen gefpreitei find; 
ober mo die Wanddielen alle mit lichten Schilden umbängt finb und 
die bereingetragenen Schwerter fo hell ftralen, daß man feines anbern 
Lichtes bedarf; von dem mit vergülbten. Schilden belegten Dache ber 
Valhöll nennt der Stalde Thiovolf die Schilde: Svafnis Saalſchin⸗ 
deln 18, Die bilvliche, rätbjelartige Dichterfprache, die Walrunn des 
Heldenlieds 199, ift e8 denn auch, in ber für vafr-logi, das um Bryn⸗ 
hilds Saal, eben die Schiloburg, wabernde Feuer, die rechte Deutung 


Bouterw. Glofſ. 246 fg. Cädm. 8398: „randbyrig v&ron rofene“, 3225: 
„randgebeorh.“ Cod. Exon. 243, 32: „rond-burgum veold, eard veerdade.“ 
Bouterw. Gl. 237. Ettm. lex. 250. Olafe 9. 67: „heerbiorg,“ „randagards.“ 

196 Seem. 225, 60 fg. Munch 123, 62): „Idtta svä breida borg & velli 
u. |. w. Tieldi har um p& borg tiöldum ok skiöldum“ u. |. w. 

197 Brynhild kann Hier nicht nach ihrem vollen Wefen, fondern nur foweit 
in Rede kommen, als zur Erflärung von vafrlogi nöthig ift; ihre verſchiedenen 
Begegnungen mir Sigurd find hier abfichtfich nicht auseinander gehalten. 

18 Sem. 41, 8: „en gullbierta Valhöll“ u. |. w. ebd. 9: „sköptum 
er rann rept, skiöüldum er salr bakidr, brynjam um bekki strät.* Sn. 79: 
„um kveldit, er drekka skyldi, ba 16t Odinn bera inn f höllina sverd 
ok voru sv& biört at Par af Iysti, ok var ekki lios annat medan vid 
drykkju var setid u. |. w. veggbili öll vora bar tiöldut med fögrum skiöl- 
dam.“ Sn.2: „Pak hennar (hallinar) var lagt gyltum skiöldum, sv& sem 
spänpak. Svä segir Piodölfr enn hvinverski, at Valhöll var skiöldum Pökt: 

A baki l&tu blikja 

(bardir voru grioti) 

Svafnis salnsefrar 

seggir ıyggjandi.“ Fagrsk. 9. 

19 Sem. 160, 10: „er f valrünum vigepiöll segir.“ (Grottas. 18: 
„vigspiöll vaka“ Mund 1680. Bouterw. Gl. 142: güdspell, 169: hilde- 
spell.) Bergl. Lauch und Schwert, Anm. 168, ©. 59. 


67 


gefucht werben muß. ‚Schon bie Ortsbezeichnungen Hiymdalir, wo 
Brynhild als Walküre malte, und Skatalundr, wo fie in Schilde ge 
ſchloſſen ift, find Triegerifc-bilblicder Art, die Hallthäler beſagen ben 
Schladhtlärm, der Königshain tft wieber bie Schiloburg, die dem Kriege 
fürften Schirm und Schatten gibt 20, Wenn ferner von dem feuer 
umschlungenen Saale gejagt wird, daß ihn Muge Männer aus lichten 
Flußglanze bereitet haben, fo ift dieß dasſelbe, mas Böll. Saga durch 
„goldgeginnte Burg“ auebrüdt 201, kundige Kriegsleute fügen die Schilb: 
burg und Flußglanz tft dichterifche Benennung des Goldes, bie, bem 
Mythus von defien Urfprung entnommen, auch in einem andern Ebba- 
liede unzweifelhaft vorliegt 202; von Gold aber glänzt die Burg, weil 
Schilde der Bornehmen mit Golr⸗ geſchmückt waren 3 Das Blinken 


200 Sem. 228, 7: „Hötu mik allir f Hlymdölum Audi undir hielmi« 
u. f. w. (Bergl. Fornald. 8. 1, 184. 187. 229. Sn. 144.) Hiymr = glyır, 
glymja strepere, resonare (Lex. iel. 1, 291); Sem. 153, 27: „Vard u. ſ. w. 
iarna glymr, brast rönd vid tönd.“ Bu skati nı. f. Sn. 195. 2125 u.: 
gull-skati. Heldenhain flatt Königshain kann doch richtig fein, j. fiber den 
Sen. BL. auf — a und — na Br. 1 (2), 661. Dgl. Sn, 2125, 2 (Arn. 558): 
gumnar, gumar. .. 

%1 Sem. 191 fg., 42: „Salr er & ba Hindarfialli, allr er hann ütan 
eldi sveipinn, pann hafa horskir halir um görvan or ddökkom dgnar 
lioma.“ (Bu horskr Bouterw. &1. 176.) Völe. 8. 6. 27 (Fornald, 8. 1, 
184 fg.): „eld breunanda er, sleginn er un sal hennar. beir finna salinn 
ok eldinn, ok si& bar borg gulli bysta (a. lysta), ok brann eldr um 
utan.“ (Lex. isl. 1, 127: „bust, f. pinna, fastigium domus,“) [Sesm. 
1605 ob. busti?] 

202 Sn. 128: „Hvernigskal kenna gulli? Sr& at kalla Dat u. |. w. 
eldr allra vatna“ u. |. w. (Bergl. die gullskenningar Fornald. 8. 3, 749 4.) 
Ebd. 2175, 4 unter den daheiti: „ögn“. Seem. 152, 21: „idgnögan Ögnar- 
lioma brögnum bioda ok burum peirra,“ vom Golde, das als Kriegsjold 
geboten wird; oͤgn f. terror (Lex. isl. 2, 131) bezeichnet ebenfo den gefähr- 
lihen Strom, wie es nad) anbrer Seite unter den Benennungen der Schlacht 
(orrostu heiti, Sn. 224a, Arn. 563) vorkommt und in biefem Sinne von 
den Stalden häufig zur Zuſammenſetzung mit Adjectiven verwendet iſt: ögnar- 
gim, Lex. poet. 2416. Ögnfrödr, ögndiarfr, ögnvaldr, Ögnteitr, Öögnbrädr, 
Ögnrackr, Ögnbiidr, auch meidar Ögnar (milites), in Skaldenliedern ber 
Heimskringla; Ögnarstafr, 6gnbandadr. Olafs 8. 1376. 

3 Sem. 153, 33: „slöng upp vid r& raudum skildi, rönd var or 
gulli.“ Heimskr. ed. Schöning, VI, 91, 154: „mölnu gulli rodnar (randir), 
elypeos auro contuso illitos.“ 


68 


des Schildes, des rothen ober weißen, was gewöhnliche Beimörter find, 
des golds ober ftahlglängenden, ift in Liebes: und Rechtsſprache bes ger- 
manifchen Alterthums vielfach geläufig und bedeutfam 204 Stalda nennt 
den Schild: „Kampflicht“ (badlios, a. bödlios, 8n.2165, 3. Arn. 572, 
Anm. 3), gleichbedeutend mit einem angelſächſiſchen Namen des Schwertes 
(beadoleoma, Ettm. lex. 292). Für die Schildburg gilt altnorbifch das 
ftabreimende Beiwort: skir, die Hare, blanke 200, und der Angelſachſe 
Cãdmon nennt das bimmlifche Vaterreich der Gerechten eine Schiloburg, 
in ber fie fonnengleich glänzen 20%, Wie aber das Leuchten des Schwertes 
ſich zur Feuerflamme fteigert (ſ. ob. S. 54), fo wird auch andrer Waffen: 
glanz zum lobernden Brande. In der Saga von Half deutet dieſer nor⸗ 
wegiſche König die ahnungsvollen Träume feines Dienftmanns Innſtein: 
Letzterer hat geträumt, daß Flamme um das Kriegsvolk fpiele, dazu jagt 
der König: um die Schultern Flingen denen, die den Schlachtleil des könig⸗ 
lichen Gefolges ſchaaren, goldne Brünnen, das leuchte auf ihren Schul⸗ 
tern, als ob Flamme (logi) brenne; zum andernmal bünlt Senem im 
Traume, daß auf den Achjeln Feuer brenne, und wieder ift Halfs Deu- 
tung: Jedem der Kühnen, die ihm folgen, werd’ er Helm und Brünne 
geben, das merbe zu fchauen fein, als ob Ylamme von ihren Schulter: 
blättern brenne 207. Sind Schwerter, Brünnen, Helme brennenbes Feuer, 


© Herv. 8, 6, 15. (Foroald. 8. 1, 476): „ekildir blika { bardögum“ 
u. |. w. Bu. 2166: vidbleiknir, Arn. 570, 15: vidbliknir. Sn. 160 ob.: 
blik skipeins. Cdm. 3895 fj.: „vigbord scinon heäih ofer heledum.“ 
ähm, 8054: „scyldas Jixton.“ 3084: „blican bordhreödan.“ 3042: „skinon 
scylähreödan.“ Seem. 153, 33: „raudum skildi.“ Fagrsk. 127: „raudabliks.* 
4, 8: „rodnum röndum ok raudım skiöldum.*“ 136; „skod iwtr skina 
randen skield.“ 8: „hvitra skialda,“ 9: „I&tu blikja Svafnis salnefrar.* 
Heimekr. VI, 123, 2: „med hvita skiölldu.“ Ssem. 134, 6: „skildir blika 
Deirra vid en skarda mäna.* Sachſenſp. 8, 45, 9: „den blil van eme kamp⸗ 
ciſde jegen die ſunnen.“ Rechtsalterth. 35. 39. 74. 677. Myth. 665, 2. 

%5 Fogrek. 23: „rudu konüngar skfrar skialdborgir i skaina blödi.* 

%6 Gänm. 2, 311: „Södfeeste men, sunnan gälice, fegre gefrmterod 
in heora faederrice scinad in sceldbyrig“ u. |. w. Myth. 662. 665. En. 162 
(Arn. 428): „raudliösa hvita.“ 

207 Saga af Half C. 11 (Fornald. 8. 2, 0 f.): „Innsteinn kvad: 
Halfr! dreymdi mik, hygdu at slikul at logi l6&ki um lidi voru; illt veeri 
Pat or at leysast; hvat kvad P4, bengill! bann draum vita? Kondagr 
kvad: Hrynja um herdar beim er bamalt fylkja grams verdünge gyldnar 





69 


warum follte nicht der Kichiglanz einer ganzen zur Schildburg geichloflenen, 
fonnefpiegelnden Kriegerſchaar Waberflamme, vafrlogi, heißen? Wie 
nun aber Halfs Traumbeutungen fi in den Formen ber Räthſellöſung 
bewegen, wie ber blintende Schild Gegenftand einer Rätbfelfrage in 
Herwörfaga ift, wie Svafr und Syafrlogi des Sonnenlieb in Frage 
und Antwort geftelt find, fo wird endlich in Fiblſvinnsmal Vafrlogi 
felbft mit zu ratben gegeben: „Sage du mir! wie heißt der Saal, der 
umfchlungen ift von weifer [d. 5. ſtrategiſch Muger] Waberflammer* 
Die Antwort lautet: „Feuer (hyrr) beißt er, aber lange wirb er um 
Speeresſpitze beben, von biefem reichen Haufe werden ewig Männer 
(Rriegsleute) allein Kunde haben“ 2%. Das ift offenbar ber gleiche mit 
Brynhilds Eaal, der auch von Feuer umwickelt (eldi sveipinn) und , 
von Hugen Männern aus lichtem Ylußglange-gefertigt ift; Tampferfahrene 
Männer find es allein, die ſich auf bie Friegeriiche Schilbhurg werfichen, 
und das Beitvort des Flammenwalls bezeichnet entweder ben wohlaus⸗ 
geraten, kunſtgerechten oder den fihern, Ichügenden, je nachdem man 
visom ober vissom annimmt; bie Schreibung bes Ichtern Adjectivs 


beynjur; Pat man & öxlum ödlings vinum liost at lite, sem logi brenni, 
Innsteinn kvad: Enn dreymdi mik ödru sinni: hugda ek & öxlum elda 
brenna; gruna tek ek nokkut, at Pat gott viti; hvat kvad Pü, Bengill! 
bann draum vita? Konüngr kvad: Gefa man ek hverjum hialm ok brynju 
frekara drengja, er fylgja mer, bat men at lita sem logi brenni skiöldüngs 
lidi of skararfiöllum,“ (Umgekehrt wird geträumtes Eifen anf Feuer gedeutet, 
Sem. 236, 38: „Hugda ek (Atli) Pik, Gudrün, Giuka döttir! Jeblöndnum 
hiör leggja nıik { gögnum. 38. Pat er fyr eldi, er iern dreyma“ u. ſ. w. 
Bergl. 260, 45: „Eldi gaf hon pä alla er inni väru“ u. |. w.) Hieher noch 
die vigspiöll in Grottas. 18 (Mund, 168), |. Anm. 199; (Bu viti Sn. 188 0b, 
Dietr. 285 b Feuerzeichen?) | 

208 Ssem. 110, 32: „Segdu mer bat, Fiölsvidr! er ek pik fregna mun 
ok ek vilja vita: hvat s4 salr heitir, er slunginn er visum vafrloga? 
33: Hyrr hann heitir, en hann lengi mun [4] brodds oddi bifask; audranns 
pess manu um aldr hafs frett eina firar.“ (Das finnflörenze & wegzulaffen, 
kommt auch dem Stabreim zu fiatten; Fornald. 8. 2, 29: „broddspiot,“ 
Fagrek. 23: „brökudu broddar, brotnudu skildir;“ eina adv., wie giörva 
u. $ mw. Gramm. 3, 108, als gen. adj. zu andranns wär’ es unverſtändlich; 
anders erflärt d. Myth. 1089; zu firar Sn. 195: „Fyrdar ok firar ok verar 
heita Jandvarnarmenn.* Innſteins Frageformeln find: „hygdu at aliku!“ 
und „hrat kvad Pü bengill! Pann draum vita?“ Getspeki in Herr. 8. hat: 
„hvert er bat“ u. ſ. w. „bygg bu at gätu!“ S6l. „hverju“ n. f. m. 


70 


ſchwankt auch anberwärte. In der Erſchütterung des Saales dur 
Speeresſpitze läßt ſich leicht der Sturm auf die Schildburg erkennen 
und auch Sigurd ſprengt mit dem Schwert an?09, Zu entſcheidendem 
Zeugnis biefer Erklärung dient noch, daß nad Skalda bie Schildburg 
als Halle ver Walfüren und der Heerlönige umfchrieben werben kann 210, 
Befremdlich ericheint dagegen, daß die Halle, der Saal, der felbft Feuer 
heißt, noch von ber Waberlohe umſchlungen ift. Letztere zieht fich aber 
ebenfo um Vrynhilds Saal, ber auch ſchon aus Flußglanz, Gold, ge: 
fertigt, eine leuchtende Schildburg ift. Diefe Dopplung, der Flammen: 
sing noch beſonders um den Goldſaal, konnte nur erft eintreten, nach⸗ 
dem man ben finnbilblichen Verſchluß der fchlafenden Kriegsjungfrau nad 
der Weile norbifcher Wohnftätten aufgefaßt hatte. Das Frauengemach 
(skemme, vornehmer auch salr, höll) war von einem hohen Pfahlzaun 
(sktägardr) wngeben, in deſſen Bezirk eifrige Werber einzubringen 
ſuchten 211. So theilt fi nun Brynhilds Gewahrſam, urfprünglich ein- 
fach die flammende Schildburg, in einen goldglängenden Frauenfaal 
und die umzäunende Waberlohe, welche Sigurd überreitet, wie im 
Mythus von Baldr der rüftige Hermob über das Gatter der Hel hin- 
wegſetzt und fofort in ihre Halle geht 212. Vafrlogi konnte dann auch 


29 Bwar nach der Liebesftelle (Fornald. S. 1, 185) nur um das Roſs 
anzutreiben: „Sigurir Grana sverdi keirdi“; bie worangehende Profa fagt: 
„&dan rfdr Sigurdr, ok hefir Gram f hendi, ok bindr gullspora & fztr ser. 
Grani hieypr framı at eldinum, er hann kendi sporane.“ 

2% Sn. 159 fj.: „Väpn ok herkledi skal kenna til orostu, ok til 
Odins ok valmeyja ok herkonünga, kalla hialma hialm, hött eda fald 
(a. Ofins ok Valkyrja Arn. 420), en brynju serk eda skyrtu, en skiöld 
tiald, ok skialdborgin er köllut höll ok refr, veggr ok gölf.“ Schon ber 
einzelne Schild heißt: Prünginselr, geſchwollner, gewölbter Saal, und salben- 
dingr, Saalbogen, Gewölbe. 

211 Ragn. Lödbr. 8. C. 1 (Fornald. 8. 1, 237, vergl. 239): „Jarlinn 
unni mikit döttur sinni; hann löt gera henni eine skemmu, skamt fr& 
höll konüngs, ok um Pa skemmu var skidgardr.“ Sturlaugs 8. starfs. 6. 22 
(Fornald. 8. 3, 634): „Skamt fr& höllini var skemma ein, ok 2 skfdgardar 
svä hafir, at eigi konist yßr utan fugl fliügandi; iafnan sitr Frosti um 
skidgardinn, ok vildi si Miöll konüngsdöttur“ u. |. w. (Vergl. Fornald. 
8. 1, 36 u. 2, 68 (490). 3, 246.) 

212 Sn. 67: „b& reid Hermödr Par til er hann kom at helgrindum, 
P% até hann af hestinum ok gyrdi hann fast, steig upp ok keyrdi kenn 


71 


überhaupt zur dichterifchen Benennung des Hofzauns verwendet werben 
und fo geichieht es im Eddaliede Skirnisför. Freys Diener Stirnir, 
ber für feinen Herrn um bie fchöne Gerbr werben fol, verlangt dazu 
von demielben das Roſs, das ihn über die dunkle, „weiſe“ Waberlobe 
trage und das Schwert, das von felbft gegen ber Rieſen Geſchlecht fidh 
ſchwinge, mit Schwert und Roſs fprengt er dann, wie Sigurd, über bas 
ungeftüme Feuer und aud unter feinem Ritt erzittert die Erde?18; 
berabftimmend fagt die zmwifchenlaufende Profa: „Skirnir ritt nad 
Sötunheim zu Gymis Höfen, dort waren rafende Hunde vor dem Thore 
des Pfahlzauns angebunden, ber um ben Saal der Gerdr gieng“ 214. 
Nach dieſer Auffaffung gehört Bafrlogi hier nicht, mwie bei Brynhild, 
dem Beſtande bes Mythus, fondern lediglich dem dichteriſchen Aus: 
Bud an 213, 


sporam, en bestrinn hliop svä hart, ok yfir grindina, at hann kom hvergi 
mer. p& reid Hermödr heim til hallarinnar, ok steig af hesti, gekk inn 
{ höllina® u. |. w. 

213 Seem. 82, 8: „Mar gefdäu mer h6, bann er mik um myrkvan beri 
visan vafrloga, ok Pat sverd er sialft vegisk vid iötna wett.“ 9: „Mar ek 
ber Pann gef, er Pik um myrkvan berr visan vafrloga, ok hat sverd er 
sialft mun vegask, ef sa er horskr er hefir.“ 83, 14: „iörd bifask, en 
allir fyrir skialfe gardar Gymis.“ 17 (vergl. 18): „hvi pü einn um konit 
eikinn für yfir or salkynni at sid?“ Bu „salkynni* vergl. Sem. 41, 9; 
„visan“ wie in Fiöler. m. 32: „visum vafrloga;“ „myrkvan“ nicht wohl 
auf das nachfolgende (Str. 10): „Myrkt er Gti® zu beziehen, eher an die Stelle 
ber Völs. 8. (Fornald. 8. 1, 185, bei Biörner fehlend) gemahnend: „ok var 
sem hann (Sigurdr) ridi { myrkva.® 

214 Sem. 826: „Skirnir reid { Jötunheima til Gymisgarda; bar väru 
hundar 6lmir ok Yundnir fyr skfdgards Elidi Pess er um sal Gerdar var.“ 

215 In Fiblſvinnsmal, demfelben Lied, in melden (Str. 82 f.) der mit 
vafrlogi umfchlungene Saal zu rathen gegeben und nach Obigem als Schild⸗ 
burg gedemtet wird, findet ſich doch zugleich an früherer Stelle die abgeleitete 
poetiſche Anwendung, indem ein Fremdling vor den Borhöfen der ſchönen Menglöd 
„um gefährliche Flamme ſchweift“ (Str. 2: „hvat er hat flagda er stendr fyr 
forgör&um ok hvarflar um hettan loga?«), bie doch wieder nur den Pfahl- 
zaun bezeichnet, die Umfriedigung der Höfe, die „vom goldnen Saale zu glühen 
feinen“ (Str. 5: „gardar glöa mer hikkja of gulina sali“), wie auch Bryn⸗ 
hiſds Burg von Gold leuchtete. Die deutiche Siegfriebsfage weiß nichts von der 
Baberflamme, wenn ihr aber das norkifche Bild der Schildburg fremd war, 
fo folgt nicht, daß dieſe felbft gefehlt Hat; das Wort ift add. und agf. auf 
gerwiefen (Anm. 195). Nach Vilk. S. 6.148 (&. 231) fommt Sigurd vor Bryn⸗ 


12 


Nachgewieſen ift jet, daß Bafrlogi und Spafrlogi nicht bloß bem 
Laute nach gleichgehen und baß, wie dieſes Wort te funkelnde Bes 


hilde Burg (ihr Name Segard, ebend. ©. 17, S. 30, mag erft durch Studas 
hereingelommen fein), findet das Thor derſelben mit einer Eiſenthür verfchloffen 
und fRößt, als Niemand Öffnet, fo Heftig an die Thür, daß die Eifenriegel ent- 
zwei fprimgen, dann gebt er in die Burg und als ihm ſieben Thorhüter ent- 
gegentommen, ungehalten, taß er das Burgthor erbrochen, ſchwingt er fein 
Schwert und erichlägt fie alle („Nu geingur Sigurdur i brott, oc ferr pa 
leid sem hanum er visat til borgar Brynhilldar, oc er Per firir jarnhurd, 
oc engi madur er na par hanum upp at luka. Nu rindur hann peirri 
hurdu eva hart, at i sundur gangu jarnslarnar, er hurdinn var lukt 
med, oc nu geingur hann i bergina, ok koma thar a moti hanum 
sio vardmenn er gieta skylidu borgar lidse, oc byckir nu illa er han 
hefar brotid upp borgar lidit, oc nu bregdur Sigurdur sinu sverdi, oc 
eigi liettir hann firir enn hann hefur drepid Pessa thionustmenn alla“ 
u. ſ. w. Bergl. altſchwed. S. af Didr af Bern C. 160, S. 125). Im Ribe 
lungenliede heißt Brünhilds Burg Zienftein, ihr Gebiet Islant (881, 8. 873, 
8. 445, 2. 397, 1. 515, 3); zum Sampfipiele mit Siegfried bringt man ihr 
einen mächtig großen und fchweren Schild von zothem Golde, mit Stahlipangen 
und leuchtenden Edelſteinen: 


407: ſi hiez ir ze firite bringen ir gewant, 
ein brünne von golde, und einen guoten jchildes rant. 


414: Ed fon ir gefinde und truogen dar zehant 
von alrdötem golde einen ſchildes rant 
mit flälherten jpangen, michel unde breit, 
dar under fpilen wolde diu vil minnecliche meit. 


415: Der meide ſchildevezzel ein edel borte was, 
dar ff lägen fleine grüene alfam ein gras: 
der luͤhte maneger Teije mit ſchine widerz golt. 
er miüefte wejen Biene, dem bis froume wurde holt. 


416: Der ſchilt was under bunden, als uns daz if gefeit, 
drier ſpannen dide, den tragen folt diu meit: 
von fäle und onch von golde rich er mas genusc; 
den iv fameräre ſelbe vierde füme getruor. 

417: Alſo der degen Hagne ben ſchilt dar tragen ſach, 
mit grimmem muote ber heit von Troneje ſprach: 
„wä& nü, künic Gunther? wi verliefen wir den lip! 
der ir DA get... .. , din ift des tinvels wip.“ 


Bon jener Stelle des Eddalieds (Sem. 241, 16): „p& var vig vegit völsku 
sverdi ok borg Lrotin st er Brynhildr ätti“ ift ein naher Übergang zu 





73 


wegung des Schwertes, jo jenes bie bes Schildes, der Schilbburg, be 
deutet. In ihn... begegnen fi) das alth. ſwebaroͤn und das altn. 
vafra (lente vagarı). Während jedoch svafr und svafrlogi, gleich dem 
einfachen n. svaf, bereitd zur Schwingwaffe, ſelbſt zur perfönlich ge: 
dachten, geftaltet find, if vafr in vafrlogi verbal geblieben 21% und er- 
ſcheint auch nirgends für ſich als poetiiche Benennung des Schildes, 
das n. vaf aber (involucrum, trama) hat nichts mit dem Waffen- 
werte zu jchaffen. 

Um nun weiter das Verhältnis der Turzfilbigen evaf und svafr 
zu dem langfilbigen Bollenamen: altn. Pl. Sväfar, agj. Sveefas, ahd. 
Späpä, zu ermitteln, ift e8 nöthig auf die gemeinfame Wurzel svibaı 
zurüdgugreifen. Bon dieſer, demnädft dem altn. sofa f. sväfa und 
befien Tranfitiv svapfa (pacare), ift auch ſchon verfchiebentlich der Volks: 
name bergeleitet und in Folge deſſen vermuthet worden, daß die Sueven 
Friedſame, Friedenftiftende, oder gar Schläfrige, Langſame, genannt 
feien 217, Hiebei ift eben nur die engere, abgeleitete Bebeutung des 


obiger der Bill. S. 6, 148: „er han hefur brotid upp borgar lidit, ok 
nu bregdir Sigurdur sinu sverdi“ u. |. w. Aus derjelben Saga rühren 
dann „iarnhurd“ und „iarnelärnar“ tes „borgarlids* an den dentſchen Burg⸗ 
namen „Iſenſtein“ (vergl. auch den ahd. Frauennamen Iſanburg, Aum. 196) 
uud dieſer erſt ſcheint weiter den Landnamen Islant“ angezogen zu haben; 
man findet auch die Leſarten „Yſen lant, eyſen lant” (Lachmanns Anm. 75 ob.). 
Endlich zu dem Schilde „von alrötem golde, mit flälherten fpangen,” „von 
Räle und ouch von golde rich genuoc,“ halte man Brynhilds „skiöldom rau- 
dom ok hvitom,“ den Saal „or Odökkum ognar liöma,“ „borg gulli 
bysta,“ und es wird nicht mehr ferne liegen, in Brünhild, des Teufels Weibe, 
anf der Burg Stienftein, mit dem leuchtenden, riefenhaften Schilde, den vier 
Männer mühſam tragen, die von Odin mit der Schilbburg (= vafrlogi) um« 
ſchloſſene Wallüre wicderzufinden. Wie die nicht mehr verflanvene Rune in 
mancherlei Wendungen fpielen lann, zeigen aud die altbänifchen Lieber, in 
denen Sivard bald fein Fohlen auf den Glasberg ſprengt, wo die folge Brynild 
eingeiperrt ift, bald mit feinem Granmann zum Schrecken der Yrauen und 
Jungfrauen über bie Binne der verſchloſſenen Königsburg fet, wie Hermob 
über Helgrind (Udv. d. Bil. 1, 182 fi. 96 fi, vergl. W. Grimm, altdaäniſche 
Heldenligher 496 fi). 

216 Bergi. Br. 2, 682. Schmeller 4, 7: „das alte Subſt. waber 
vagstio“ y. |. w. mo? 

27 5% eimm, Gr. 2, 95: „oltn. sofa (f. sröfa, dormire) sröfn (som- 
ninm); altj. auäben; alth. aufuebjan; mhd. enfroeben (sopire); altıı. sveefa 


74 


Wurzelwortes unterlegt und die Waffennamen svaf, svafr, find außer 
Berechnung geblieben; auch ftimmt alles das wenig zu jener ent 
ſchiedenen Kennzeichnung, mit ber Cäſar bie Sueven in vie Gefchichte 
einführt (Suevorum gens longe bellicosissima omnium Germano- 
rum). Wie aber Volks⸗ und Waffenname im Stammwort fi} berühren, 
fol nun An biefem in feiner altnorbifhen Form weiter aufgezeigt 
werben. 

Ein Name, der ſchon in Cäſars Tagen einem gewaltigen, voll 
gewachſenen Volle angeftammt war, geftattet auch, für die Zeit feines 
Entſtehens den noch frifhen, fühlfamen Trieb der Sprache thätig zu 
denken, der in ber Wortbilbung durch den Ablaut waltet und befien 
Spur aud in der Lautabftufung zwiſchen dem Waffen: und dem Bolls: 
namen, svaf, svafr, und Sväfr aufzuweiſen verfucht wurde. Diele 
Abſtufung aufzugeben und überall den langen Bocal des Vollsnamens 
anzunehmen, dagegen fträubt fich zumeift ver Gleichgang mit den un: 
bezwweifelten Abwandlungen von vefa. Das alte Wurzelmort bat fchon 
im althochd. Intranſitiv fuzbön die ftarfe Form eingebüßt, nur im 
Subftantiv fuzp, Luft, wehendes Element (Gr. 3, 389. Schmeller 3, 
5237. Graff 6, 8565, vgl. 857a: Tifuutp, freta, maria), ift der Laut 
des Präfens und eben im Bollönamen Sudp der Ablaut bes Prät. Blur. 
gefriftet, während das befreundete wepan auch tranfitiv der ſtarken 
Flexion treu geblieben ift und aus feinem Prät. Sing. wap ein kurz 


(pecere) svefill (cervical); hierher fügt fi der name alth. ſwaͤpaͤ (suevi) 
agf. svafas, vielleicht pacifici? vielleicht pacificantes ?“ Bgl. Diphth. 54. 
B. Wadernagel, Wörterb. DXII: „Swäb u. |. w. Suevus; zu ſwkban ſchla⸗ 
fer, lat. sopor, gr. unvos: ſchläfrig, langſam.“ Ebd. in der Zeitſchr. f. d. 
Alterth. 6, 260: „es läßt ſich dieſer (vollsname) nur mit der wurzel fviben, 
altn. sofa svaf sväfum sofinn in verbiubung bringen: aljo Swaͤb, aftn. Bväfr, 
agf. Sveef, der fchläfrige u, f. w.“; von berjelben Wurzel wird hier der Name 
Semnones abgeleitet. In der Spradhg. 821 f. 489 f. (vergl. 777 u. 1025, 1) 
bat 3. Grimm eine andre, neue Erffärung aufgeftellt und ausgeführt, wonach 
der Name Suevi ſlaviſch, ja mit dem der Slaven einerlei, deutſchen Rachbarn 
von Sarmaten im Oſten (wie im Weften von Belgen oder Balliern ber Rame 
Germanen) beigelegt ift und: Freie, Selbfländige, bedeutet. Die frühere Be⸗ 
ziehung auf sväfa ift übrigens nicht als etymologiſch unzuläffig angefochten 
und ihr tritt nun der ganze fagengefchichtlihe Bujanımenhang an die Seite. 
Mone, die galliihe Sprache 202, deutel den Namen Schwaben aus dem 
Keltiichen. 


75 


ſilbiges Subftantiv wabo (favus; aus Prät. Plur. wapan, mwäban n. 
arma?) hervorgetrieben und bewahrt hat. Wohl fteht den norbifchen 
Svafr, Svafr-logi u. ſ. w. althochdeutſch, fcheinbar gleichartig, ſowohl 
der einfache Perfonenname Suab, Suabo, mit den abgeleiteten Sua⸗ 
bio, Suabizo, Suabing, als auch eine Reihe mebhrentheil® ohne 
Compofitionsvocal zufammengefeßter gegenüber. Suabgaft, Suabger, 
Suabheri (altfähf. Suefheri), Suabolah, Suabolf, Euabolt, Sua- 
borich, Suabperabt, Suabhild, Suauaburc, und was noch ferner 
desſelben Schlags fich finden mag 218; diefen aber entipricht wirklich eine 
Anzahl gleichmäßig gebilbeter, offenbar auf Waffen bezüglicher Namen: 
einfach, außer den fchon bei römischen Schrififtellern vorkommenden 
Suerid, Nando, Ecutilo, der althochd. Kero 219, zufammengefeht in der 
Art, daß die zweiten Wörter: ⸗alah (fiher, frieoheilig), «beri (Kriegs⸗ 
mann), «bilt (Kriegsjungfrau), ⸗ker, ger (Speer), :olf, solt (ein Un- 
geheures ausdrũckend), »peraht, ⸗praht (glänzend), :purc (Burg), «rich 
(mächtig), fich entfchienenen Waffenbezeichnungen anfchließen, ſolchen des 
Schwertes: Eggiheri, Eagihilt, Epgiolt, Ediperaht, Eggipraht, Ekki⸗ 
pure, Elkirich; des Speeres: Keralah, Kerheri, Kerhilt, Kerolf, Gerolt, 
Gerperaht, Gerpure, Gerrih (Askirich?) Ecaftolf; des Helmes: Helm: 
peraht, Helmolf, Helmpurc, Grimheri, Grimhilt, Grimolf, Grimolt, 


28 Suab, Swap, Suabo, Suabilo bei Neugart, index onomast., der 
erſte Rame auch anderwärts nicht ſelten, Suabo hieß ein Sohn des Thurgau⸗ 
grafen Warin im 8Sten Jahrh. (Meng. 187. Stälin 1, 241); Suuabizho und 
Sumabinc bei Goldaſt, script. rer. alam. 2, 108 (oder iſt Sutabicho zu leſen, 
vergl. Gr. 2, 676. 6929), Suabalah, Suabolah, Neug. 145, Cod. Lauresh. 
580. 582 (vergl. Anm. 108); Suabgaſt bei Dronfe 490; Suuabger ebd. 401; 
Suabheri bei Neug. 143, Suuefheri, Suuepheri, Dronte 79. 81. 143, Swab⸗ 
nf bei Reug. 234, Suabolf, Trad. Wizenb. 132, Droute 894; Guabolt, 
Goſdaſt 2, 108; Suaborich; Suuabpera(chht, Dronle 287 bis 239 (zugleich) mit 
dem Ortsnamen Suuabried, ebend. 240: Suuabareod) 454; Suabhild, Cod. 
Wizenb. 53, 102. 178, Dronke 254; Suuaburc, Suauaburc, Goldaſt 2, 128. 
Suablind, ebend. 2, 82a, ob. | 

- 219 Ammianus 81, 6: „Sueridus et Colias, Gothorum optimates“ 
(a. 376). 27, 10: „Alamennus regalis Rando nomine* (se. 368). 14, 10. 
11: Scudilo, scutariorum rector, tribunus (ex gente Alam. a. 354), vergl. 
Spradig. 222: Bu Kero, Bro, Er. 3, 448; Kerilo, Meichelb. 1, 815, 
Eericho, Gericho, Neug., Cod. Lauresh., Kirunc Trail. Wizeb. 272, Ge⸗ 
runc Neng. | 


76 


Grimperaht, Crimrih; des Schildes und der Brünne: Rantberi, Ranthilt, 
Rantger, Rantolf (Randolf, Waltbar. 962, Grimms Anm. ©. 117), 
Brunihilt (Brunrih?); der Rüftung überhaupt: Iſanheri, Iſanger, 
Iſanperaht, Iſanburg, Iſanrih 220, Die Bedeutſamkeit mythiſch⸗allego⸗ 
riſcher Namen auch den urkundlichen der althochdeutſchen Zeit beizulegen, 
iſt jedoch nur in beſchränktem Maße zuläßig. Alle Namengebung geht 
zwar von Anſchauungen aus und dieſe ſind in den altdeutſchen Namen 
noch friſchfarbig genug erhalten. Waffen, muthige, im Gefolge des 
Krieges gehende Thiere, Ausdrücke für Kampf und Sieg, Macht, Adel, 
Ruhm und Glanz, geben dieſem reichen Namenweſen, auch den Frauen⸗ 
namen, vorherrſchend ein ſtolzes, kriegeriſches Gepräge, obgleich es auch 
nicht an den milderen Anklängen des Friedens, des weiſen Rathes, der 
Freundſchaft und Liebe fehlt. Aber im Einzelnen hat man nicht mehr 
ein durchgehendes Bewuſtſein, beſonders in zuſammengeſetzten Namen 
nicht auch überall die Verbindung zweier Wörter zu Einem Gedanken 
zu erwarten. So ftehen in Namen ber vorbemerkten Art zwei ber: 
ſchiedene Waffenftüde, Gerhelm, Helmger, Rantger, Brunihelm, un: 
vermittelt beifammen. Es maltet neben und über der Bedeutung ein 
mebr formelles Geſetz, nach welchem die Angehörigen desſelben Geſchlechts 
fih dur die Namen zugleich verbinden und unterfcheiden. An und 
um ein einfaches Stammwort reihen fich theils die nächften Ableitungen, 
theils nach⸗ oder vorgefeßt, andre mohlanftehende Wörter aus dem oben 
gezeichneten Kreiſe von Bildern und Begriffen, wobei dann aber bie üblich 
ften Beifäße, heri, bilt, perabt u. ſ. w., ſich nachgerade zur Formel, wie 
felbft im Laute, abgefchliffen haben; dazwiſchenſpielende Ramen anbres 
Stammworts lafien ihren Urfprung aus dem Haufe des mütterlichen 
Ahns vermutben. Ein kurzes Beifpiel der lebenvigern Weife: Hraban, 
Hrabaning, Walhraban, Gundhraban 221. Nicht ald ob diefe Regel 


20 Man findet diefe Namen bei Graff und im ben Berzeichniſſen der Ur- 
fundenfammlungen. Scaftolf im Ortsnamen Scaftolfesbaim, Dronte 238, 
vergl. die angelj. Scöafthere, Rondhere (Cod. exon. 320, 20. 326, 3), Scöaftes- 
burh (Shafiesbury, ®osw. 191). 

1 In einer Urt von 788 bei Dronke Nr. 90 vergaben Uualuramın und 
fein Sohn Hraban, nächſt diefem zeugt Gunbramm, ebd. 92 und 105 find 
unter den Zeugen Uualnram, Gundram, Remming, Rr. 154 Ualuramm und 
Uuitinamm, Nr. 168 vergabt Ediranın, erfter Zeuge iſt Uualaramn (vergl. noch 


71 


und Drbnung genau aufweisbar wäre, fie blidt nur hindurch und läßt 
die freiefte Bewegung. Sie beruht ſchon darum nur in der Borftellung, 
weil die einfacheren Namen fi in den Rachlommen wiederholen, alfo 
damit auch hinter die nachgefolgten treten müflen, Walhramm rüdt 
dann vor Hraban, Gundramm vor Remming, dem doch wohl grumd: 
jählih die nächſte Stelle nad Hraban gebührt; sine, «une, bezeichnet 
den Erzeugten des Stammnamend und benennt dann gleichmäßig bie 
gefammte Nachlommenichaft fammt ihren Wohnfigen 222, hier die Hraba⸗ 
ninge, wie Wolfo, Wolfinc fih zu Wölfingen ausbreiten 223, In eben 
diefen Rahmen find die zerftreuten Suab, Suabinc, Suabolf u. ſ. mw. 
zu faflen; Suab, Suabheri und Gerolt heigen die Ausfteller einer Ur- 
funde von 802 aus dem fchwäbifchen Ribelgau 224, wahrjcheinlich Vater 
und Söhne ober fonft nahe Verwandte. Derjelben Orbnung fällt aber, 
wie ſich bereit3 ergeben, außer den Stammnamen, die fih auf Waffen 
begieben, eine Menge anbrer von manigfachſter Bedeutung anbeim. 
Unter dieſen beſonders au Vollsnamen, die zu perfönlidden geworben 
find: Sahſo, Franco, Durinc, Uualab (Uualabilo), Uuinid, Hun 
u. ſ. m. 225. Ihnen das einfache Suab, Suabo, gleichzuftellen, drängt 
ber Umftand, daß folde Eigennamen mit vorgefegtem Abjectiv: Alt 


Rr. 91. 101. 114. 147. 149. 167. 169. 174. 248. 245: Arthrabun); ſchon in’ 
der goth. Stammtafel bei Zornand. (S. 87): Balarauans, 

7 Ortsnamen Schwabing, Franking, Schmeller 1, 82. 

223 In ber Hefbenfage ift manchmal, mit Übergehung bes Stammnamens, 
sinc oder -ünc an bie Spite geftellt: die Wölfinge, Wolfhart, Wolfbrant, 
Wolfwin, Wolfhelm, fteigen nicht höher an, als zu Wolfinc (Helbenf. 107. 288. 
239 f.); Berhter (Sprachg. 532), Berhtwin, Berhtunc find Eöhne des alten 
Berhtunc (ebd. 233); die Nibelunge Schilbunc umd Ribelunc Söhne „des alten 
Niblunges“ (ebd. 76. 82); unter den Ahnen des Bölfungenftamms wird in der 
altnordifgen Saga Völſungr genannt, nur das Beowulfslied bewahrt den 
Stammnamen Bälfe (ebd. 15 f. Zeitſchr. f. d. Alterih. 1, 8). 

ZU Neng. 143: „Nos u. f. w. Suab et Suabheri et Geroitus ad mona- 
sterinm sancti Gallonis tradimus in Nibalgauia“ u. 1. w. 

2253 Die meiften kommen häufig por, |. auch Lancpart bei Meichelbeck 
Nr. 473, Dronke 507 (Langbart mit Lintbrand, vergl. Sprachgeſchichte 688), 
Beisri ebd. 103 und anderwärts. Umalabilo im Cod. Lauresh. Nr. 8518. 
(Spradhg. 554: Walah.) Goldafl, Ser. rer. alam. 2, 112a:, „MAdalſoab.“ 
(Adelhun, Cod. Laur. ind. onom.) 955: „Adalſwab, Adalwal, Adalwalach.“ 
Schneller 8, 524 u.: Edelſchwab. Aliſazo Cod. Laur. 1856. 


78 


thuring, Althun, noch mehr Halpburinc, Halpwalah (Hälfdanr), und 
ebenfo nun bie entfprechenden Altimab, Halpſwab nebit befien Gegen- 
fa: Erchanſwap (Suevus genuinus) 226, nur als Bezeichnungen der 
Volksverwandtſchaft Sinn haben, tie auch nur in biefen Fällen :fuap, 
gleichmäßig mit ⸗durine, am Ende fteht; wenn fobann in Einer Ur- 
kunde die Leibeigenen Suuabin und Suuab aufgezählt werben 227, fo 
kann Diefer nicht von anbrem Zeuge fein, als jene. Auch ift nicht 
wahrſcheinlich, daß Suab in ben oben verzeichneten Zufammenfegungen, 
in dem urkundlich engverbundenen, ftabreimenden Suabberi, eine andre 
Bedeutung haben follte, als die dem einfachen Worte zulommt, und 
die Schreibung des letztern Namens: Suuefheri, Suuepheri, in Ur 
funden, die den Wormögau betreffen 228, ift nur aus dem durch A noch 
nicht verbrängten langen &, nad der Formel gab, gebum, erklärbar. 
Endlich findet man vie Ableitung sinc, die Zufammenfeßungen mitsheri, 
solf, »perabt u. |. w. auch auf andre zu Stammwörtern gewordene 
Vollanamen angewandt, zu Suuabinc gefellt fih ein Winibinc, ein 
Sahſinc, zu Suabberi ein Uualahberi, Uuinidheri, zu Suabolt und 
Suabhild ein Francolt und eine Francſuuind, zu Suabger ein Uualahger, 
zu Suuabolf ein Uuinibolf, ja fogar, indem das jelbft ſchon abgeleitete 
Durine als Namenftamm in berfömmlicher Weife fortmädft, zu Suab: 
perabt in derſelben Zeugſchaft ein Thurincperaht 229. 


226 Bu Altfmäp, Halbſwap u. ſ. w. Gr. 2, 629 (Graff 1, 196). 683. 
Spradig. 734. 776. (Altthuring, Dronke 103, Bater Altfrivs, 194. Halb- 
nualah ebd. 121.) Erchanſwap, in einer Reihe von Mancipien, worunter Ala⸗ 
man, Smwapin, Urkunde von 836 bei Meichelbed Nr. 599. Über Erchan adj. 
f. Graff 1, 468. Gr. 2, 164 f. 629 f. Der bier angeführte Frauenname 
&rcongota (chron. sax. Ingr. 36 fg.) bezeichnet reingothiſches Blut, dagegen 
Suavigotha ſueviſch⸗ gothiſches (Sprachg. 776). [Bergl. apyı-, Erz-.] 

Dronke Ar. 110 Urk. v. 795: „Suuabin Heriman Sunab.“ 

23 Dronfe 79. 81. 143. 

229 Sahſinc, Dronte 242; Winidinc, Cod. Lanresb. 875. 925; Unalah- 
heri, Dronte 187. 178 (Uualarunc, Trad. Wizeb. 96); Uuinidheri, Trad. 
Wizeb. 96. 2370. 273, Reugart, ind. onom. 125. Vuinitharius [don in der 
goth. Stammtafel bei Jornand. ©. 87, vergl. Zeitſchr. 8, 142); Francolt, 
Dronle 226; Francſuninda, ebd. 468; Uualabger, Trad. Wizeb. 272; Uui- 
nidolf, Dronte 168; ebd. 401: Sumabger, Suuabperabt, Uuinid, Thuring⸗ 
brabt, ebd. 242: Sahſinc, Thurinbraht. Auch Francobertus, Irm. 35, 18. 
Sahsbertus, Gabspert, Neug. 210. 855. 


79 


Reben den zahlreihen Ramenbildungen mit ker Liegt auffallend 
feige mit ſwert nor, und wenn ſich noch eine ober die andre finden 
ſollte, jo gehört fie zu ben Seltenheiten. Als zweites Wort konnte 
ſwert nicht gut gebraucht werben, meil es Neutrum ift und fomit 
feine Perfönlichleit darftellt 230, aber vorne zu ftehen, tar bieß Fein 
Hindernis. Gleicherweiſe geben die Urkunden kaum eine Zuſammen⸗ 
jegung mit feilt, obgleich mase. 281, mährenn helm als erfteß und 
zweites Wort vielfach Dienfte leiſtet. Das Schwert vertreten feine 
Theile eggi⸗, ort⸗, ⸗brant, Schneive, Spige, Klinge, den Schild 
ebenfo rant und bort, Budel und Außenrand 28°. Sin dieſer Namen- 
geftaltung überhaupt ift. poetifches Weſen und fo auch etwas von 
bichterifcher Form, der Stabreim ergibt ſich ſchon aus den Abwand⸗ 
lungen des Stammworts und ber Theil für. das Ganze fpielt in die 
Dichterſprache, wie denn altnordiſch egg, oddr und braudz, rönd, 
randi, bordi, faft nur im Berfe für Schwert und Schild geſetzt 
werben 299, Aber auch neben. fer gehen in altbochbeutihen Namen 


330 Wie find die Perfonennamen auf ⸗lant, Graff 2, 234 (Welant gehört 
nit dahin), männliche und weibliche, anzujehen ? 

231 In den Heldengebichten finden fih Schiltbrant, Schiltrant, Echiltwin 
(Heſdenſage 193. 268, der letzte Name auch im Orendel); über Schiltunc ſpäter. 

232 Berg. oben ©. 75. 76, bei Graff 1, 112 die Namen umter ella, 1, 
470 unter ort, 3, 809 unter brant, 2, 581 unter sant; ebend. 3, 218: „bort, 
orti und borto, m. u. f. w. ora, limbus, extremites u. f. w. bortriemo 
(vergl. 6, 490: fciltriemo) u. |. w. Raimbort u. ſ. w. Hild.” Namen: Here 
bort, Herbort, Cod. Leuresh. 8821 und in der Heldenfage, „sub Isanbardo 
eomite“ NReugart 65. 78, „Charta Ysanbardi com. u. |. w. Sign. Ysan- 
berdoni“ ebend. 187, „Ego u. ſ. w., Isanberdo filins Warini u. |. w., 
Sig. Isanbardi comitis“ ebend: 160, „Signum Isanbarto“ ebend. 241, „fratres 
Pro Vvarinus et Isanbarto“ ebend. 421, „Isenbart“ Cod. Lauresh. 2665. 

Dber gehört Isaubarto zum ahd. parta, aseia (Graff. 3, 212. Gr. 8, 442. 
Sprachg. 160, 689), Sn. 215 (unter öx) barda, 

238 Sn. 214 fg. unter den sverda-heiti: brandr, oddr (bieß and) 216 
für den Pfeil), ebend. 216 für skiöldr: randi, bordi, bardi; ſucht man nad 
den Sachregifter der Fornald. 8. die Stellen für rönd (©, 161 a) und brandr 
(165 a), fo find e8 (mit Ausnahme einer einzigen für brandr in ber roman- 
haften Hialmterse. 8, 475) überall Berfe, während in der Proſa darneben 
skiöldr und sverd fleht; wy brandr ſonſt einmal in Proſa gebraucht’ wird 
(2, 484), da ift wirfiich nur bie Klinge gemeint; das Wort an fich ſchon ift 
biidlich, Feuerbrand für Schwertllinge (vergl. oben ©. 51). 


80 


noch die uneigentlichen ſcaft⸗ und aſe⸗, Schaft, Eiche 231, und ler ſelbſt, 
die Waffe zum Wurf, ift vorzugsweiſe die des alterthümlichen ‚Helben: 
lieds, während ſper, mehr zum ritterlichen Stechen, ſpioz, mhd. ſpiez, 
zur Jagd dienend, nicht in ben Namen gelten; neben helm waltet 
das bilblihere grim, Larve 235. Iſt fomit für das in ben Yufammen: 
feßungen mangelnde ſwert ausreichender Erfah gefunden, fo ift man 
nicht eben mit Nothwendigkeit darauf gewieſen, baß ein bormaliges 
ſwab⸗, abgeftuft mit Sweb, dieſe Beftimmung gehabt habe, weiterhin 
aber, nach dem Erlöfchen der ſtarken Berbalform und den allgemeinen 
Umfchlag des 2 in Ad, vom Gewichte des Iangfilbigen Volksnamens 
bewältigt worden fei. indem jedoch bie einen ber aufgsäblten Bu: 
fammenfegungen in ihrem erften Wort entichieven dem Volksnamen 
zufallen, bie andern dagegen viel befier der Waffe taugen, Scheint 
immerhin in dieſem Namenwerk die Fuge der beiden Stufen bes Ab: 
laut? und der Bebeutung noch erkennbar vorzuliegen und man wird 
hiernach nuy für bie erftere Gattung urfprünglich langen Bolal anzu: 
nehmen haben. | 

Die Herleitung des Vollsnamens Sachen vom Mefier oder Furzen 
Schwerte (abd. ſahs, agſ. sdax, altn. sax 236) befundet fi) ſchon in 
den älteften Sagen dieſes Stamms 237, wobei wohl urjprünglich eine 
Waffe von ſcharfem Steine (saxum) gemeint war. Auf den Stein, 
Steinfelö, bezüglich ift aber aud eine andre, fpäter auftaudhende Sage, 
nach ber die Sachſen aus den Harzfelfen mitten im grünen Walde 


2% Anmerkung 220, Graff 492. Bergl. bieher Gr. 8, 442 f. Gehört 
gis mit feinen Ableitungen und Zuſammenſetzungen (Graff 4, 266) aud zu 
den Speernamen? Der langobarbifche Algisus des Chron. Novalic. 3, 10. 
14. 21 bis 23, fcheint anderwärts Adelger zu heißen (Deutſche Sagen 2, 115, 
vergl. 192). 

285 ©, oben ©. 75. 76, vergl. Graff 825; Sn. 217a (unter hialmr) 
grime, Gr. 3, 445. Myth. 217 f. 

2% Gr. 8, 378. 440. Noch im Ruol. L. 58, 1 f.: „day befte fahs, 
fo aber al Franchen en was“ u. ſ. w., und gleichbedeutend damit ebenb. 18: 
„daz feibe ſwert.“ Bergl. ebend. 807, 3. Alex. 4653 ff.: „die herren zucten 
di ſahs, zefamene fi do fprungen; woh, wi di fvert chungen.” Bergl, 4589 f. 
(Wadernagel, Lejebuch 740, 18: mit dem fahfe, Edenfabs.. Vergl. auch Bie 
mann 838 u.) [Benede- Müller, mhd. Wb. 2, 2, 24. 8] 

ZI Bnfammengeftellt D. Sagen 2, 62 fi. Sprachg. 609 fi. 


81 


gewachien find 238, alfo gleichfalls Erdgeborne. Wenn nun das Rulands⸗ 
lied des Pfaffen Kunrad, der mwahricheinlih 1173 bis 1177 im Dienft 
eines Sachſenherzogs aus ſchwäbiſchem Welfenftamme, Heinrich des 
Löwen, dichtete 239, den Kaifer Karl von feinem gefallenen Neffen 
Roland rühmen läßt, daß der ihm die fteinharten Sachſen und die 
ſchwertſcharfen Schwaben und Franken erlämpft habe 249, fo liegt in dem 
Beiworte für die Sachen deutlich eine fagenhafte Beziehung auf ſahs, 
ob nun dabei das Steinfchwert oder die Steingeburt verftanben ift 241; 
dann werden aber auch die Schwaben nicht bebeutungslos nach dem 
Iharfen Echwerte zugenannt fein und obgleich die Franken ihnen bei- 
gefellt find, Hefte fih doch nur an jene ber alterthümliche Stabreim: 
„bie ſwertwahſen Emäbe”. alt zwei Jahrhunderte früher preift ein 
Jugendgedicht des vierten Eckehards von Sankt Ballen in leoninifchen 


23 Froſchmeuſeler 1608, 8. 1, Cap. 2: 
Da Aſchanes mit feinen Sachſen 
Aus den Hark Felſen ift gewachſen, 
Bar mitten in dem grünen Wald, 
Ein jpringends Brinlein jüß und Talt, 
Das an dem Faltenftein ber floß u. f. w. 
D. Sagen 2, 62. 64, 2. (Froſchmäußler, Frankf. 1683, 8.1, 6.2, &.25: 
„Da Aſchanes mit feinen Sachen 
Aus den Hartfelfen iſt gewachſen, 
Bar mitten in dem grünen Wald, 
Ein fpringendes Brlinlein füß und kalt, 
Das an den Faldenflein berfloß, 
Sich in ein großen See ergoß, 
Und da am warmen Sonnenſchein, 
Wäflert vil Bäum und Bläümelein u. f. w.) 

239 W. Grimm, Einleit. z. Ruol. 2, XXXI ff., vergl. Zeitſchr. 3,.281 fi. 
(Stätin 1, 251. 556. 2, 252: Stammtafeln.) 

0 Ruol. 2. 258, 28 ff.: „du eruahte die flainherten Sachſen unt die 
ſwertwachſen Swabe unt Franden.” Vergl. HE. 142, 12: „hetteand heru- 
grim.* (Gr. 2, 561: „altj. höru-grim, crudelis instar gladii, u. f. w. 
höoro-grim DBeov. 118. 139. Cädm. 81.) Nib. 1494, 4: „den fiwert- 
grimmegen toͤt.“ 

1 Für Lebteres die Bloffe zum Sachſenſp. 8, 44: „und 24 Tanıen her 
zu Lande, die heißen noch die Steine, denn im Griechiichen fo heißt Petra ein 
Etein, und Sarum ein Kißlingftein, und daher heißen wir ned Sachen, deu 
wir find geleichet den Kißlingſteinen in unfern Streiten.“ (D. Sagen 2, 64.) 

Uhland, Schriften. VI. 6 


82 


Berfen den heiligen Otmar darum, daß er als cine Blume der Tugend 
ben fcharfen Echwaben (Suevis acutis) erblübt fei, wie eine glän- 
zende Roſe die großen Alemannen (magnos Alemannos) verherrlict 
babe 242, Die Großen ohne Zmeifel in Anjpielung auf ela- und fo 
die Scharfen wohl auch nicht ohne Bezug auf den Namen. Noch uns 
mittelbarer als „tie ſwertwahſen“ ſucht das einfache Beimort „acuti“ 
feine Ergänzung im ſchwerwerwandten „Suevi.* Derſelbe Edeharb ift 
auch Überarbeiter des Iateinifhen Heldengedichts von Walthers Flucht, 
defien „Franci nebulones* anerkannte Latinifierung ber fränkischen 
Nibelunge find 248, 

Noch eine Augsburger Chronik des 16ten Jahrh. deutet den ſchwä⸗ 
biſchen Vollsnamen buch „die ſcharpfen“, „das fcharpf Volk, die 
Schwaben“, und erzählt von vdenfelben, ihre Gewohnheit ſei geweien, 
mit dem Schwerte zu ftreiten, nachdem fie aber mit ven in Schwahen: 
land eingefallenen Amazonen gelämpft, haben fie von dieſen gelernt, 
mit Morbägten zu fehlagen; allein diefe Meldungen ftühen ſich auf 
gelebrte Träumerei: „bie feharfen Schwaben“ werben burd den An: 
Hang von „Suevi* an „severi* erflärt und die Einrüdung einer aus 
führlihen Kriegsgefchichte der Amazonen in die Jahrbücher der Stabt 
Augsburg hat Horaz verfchuldet, der in der Ode auf Drufus nicht zu 
fagen weiß, woher den rätifchen Vindelilern der Gebrauch komme, bie 


42 Cod. s. Gall. 23, &. 152: 
Hic [dtm.] flos virtutie Suevis invernat acutie, 
Extulerat megnos rosa sic rutilans Alemannos, 
Grandis honos genti sibi tot sanctog nutrienti. 
Rhythmi de sancto Otmiaro (Perg, SS. 2, 56): 
Hic ilos virtutis Suaevis invernat [al. floreseit] acutis, 
Exaudiat magnos rosa sic rutilans Alemannos. 


ltem de aliis sincellitis amborum. 


Grandis honos genti nibi tot sanctos nutrienti; 
Exceptiv multis loca per discrets [al. diversa] sepultis, 
. Gallug Uodalricum nutrit atque Otmarus-amicum. 
Sueven und Alemannen find hier Synonyme des Einen Volles (gentis). 

218 Walthar. 555: „Non assunt Avares hic, sed Frenci nebulones.“ 
Lateiniſche Gedichte des 10 und 11 Jahrhunderts 115. 122. (Berg. 1486: 
„lusce Sicamber.*) Eckehard war um 980 geboren und flarb 1086, eben. 
dafelbn 57. 


83 


Rechte mit dem Amazonenbeile zu bemaffnen 24. In Frage bleibt, ob 
nicht dennoch ein älteres, volfsübliches Wort von den „fcharfen, ſchwert⸗ 
iharfen Schwaben“ auch bier mitunterlaufe. (Sieber Ciuuari = Bueri, 


244 Cod. hist. ol. Nr. 218 der Stuttgarter Bibliothek, geſchrieben 1573, 
Bl. 3a: „ein voldh, das war genant Seuerumb, dz ift die ſcharpffen, bie 
mon zu difer zeit nennen ift Sueuos, aber in deütſch Schwaben“ u. f. m. 
BL 85 f.: „Auch beiten die Schwaben gewant zu flreitten mit dem ſchwert, 
aber die frauen Amazones ſtritten mit flardihen agften, alß dä die haibnifchen 
mayſter und poeten fagen” u. |, w. Ebend.: „Davon ift khumen in Schwaben 
land die gwonhait zu flreitten mit mordagften, vnd vorauß die man zu ber 
felben zeit zu Vindelica. Dz bezeuget der Horatius, der da fchreibt ein lob⸗ 
gediht zu dem Römer Drusus, der da die Stat erneweret hat, vnd ſpricht 
alfo: Die Rießleit haben geſechen Drusum einen flreit fieren yenhalben def 
gebürgß, vnd die Vindelicij, bie da gar lang zeit bißher habent ir gerechte 
band gewafnet mit den agften der frawen Amazonum” u. f. w. da: „Vnd 
alß die frawen von Schwabenland und auß dem Nieß zugen, da eilten bie 
Schwaben wider in ir vatterland, auch die Vindelici, vnd namen fih an mit 
agften zu fixeitien, wie vor berüert ift“ u. j. w. 9b: „Item eß ift zuwiſſen, 
daß von den frawen, die gehaiffen geweſen ſeind Amazones, unter denen aine 
genant Panthesilia, die hat erdacht die beften waffen, die wurfbeichel, alß von 
ir ſchreibt Horstius in Odis.“ - 125: „O wie ſtarckh, wie flreitbar, wie gewaltig 
ad glädhaft fein zu der felben zeit die Schwaben gewefen, die fo weit ir 
fhraft mochten gebrauchen yber all tödlich menfchen, die fo lang Römiſchem 
gwalt widerſtanden. Dan wie wol der medhtig Julius, der im Gallias hatt 
vnderthenig gemacht und iber den Hein zoch vnd groffe ding in velitichen 
landen außgericht hat, fo ließ er doch ohu yberwunden dz fcharpff voldh die 
Schwaben und zoch fy mehr zu gefelichaft des gemainen nut der Römer mit 
gauben und mit giietigfhait, dan er ſy mit dem fchwert betzwang. Wiewol 
die Römer gar mechtig iber die ganten welt waren, doch fo volbrachten fy nie 
gröffer manhait noch ding ohn der Schwaben Hilf“ u. |. w. Die horaziſche 
Etelfe, Carm. IV, 4. 17 ff., lautet: 
Videre Rhetis bella sub A)pibus 
Drusum gerentem Vindelici, quibus 
Mos unde deductus per omne 
Tempus Amazonia securi 
Dextras obarmet, quærere distuli: 
(Nec scire fas est omnia) u. f. w. 
Die Amazonen find übrigens nicht erft durch den Augsburger Chronikſchreiber, 
fondern durch Mieverſtehen der Gebichtftelle, ſchon von alten Scholiaften in 
näheres Verhältnis zu den Bindelilern gezogen. Zeuß 281. Sagenhafter läßt 
an, was Paul. Diac. 1, 15 von dem Grenztampf zwifchen Langobarden 
und Amazonen berichtet (vergl. Myth. 350). Jorn. S. 73. 75. fg. 78.) 


84 


Sveordveras, Zio als Schwertgott. Vergl. J. Grimm, Geſch. der 
deutſchen Sprache I, S. 355. II, ©. 426. Wh. Müller, Geſch. und 
Spftem der altveutihen Religion S. 87. H.) 

Lebendiger veranichaulicht merben dieſe durch ben Bericht von 
einem gefehichtlichen Ereignis, das zwiſchen Eckehard und den Pfaffen 
Konrad fällt; im Jahr 1053 zog eine Schaar von 700 Schwaben 
unter den heimiſchen Grafen Werner und Adalbert nad Italien, um 
für den Pabft die Normannen zu befriegen, die Schlacht bei Eivitella 
fiel unglüdlih für die erfteren aus, aber ihren Kampfmutb und ihre 
Kampfweiſe ſchildert metrifch der apulifche Gefchichtfchreiber: die Schwa⸗ 
ben, dieſes wildbeherzte Volt, legen mehr Gewicht auf den Schwert: 
ſtreich, als auf den Streit zu Roſs mit der Yanze, denn ihre Schwerter 
find bejonders lang und äußerft ſcharf (peracuti); fie fpalten oftmals ven 
Gegner vom Scheitel herab entzivei und ftehen, von den Pferden abgejekt, 
feften Fußes, entichlofien lieber kämpfend unterzugehn, als ben Rüden 
zu kehren, ja fie find in diefem Kampfe furdhtbarer denn beritten 235, 


95 Guilelmus Appulus (Muratori, SS. 5, 260): 
Guarnerus Teutonicorum 

Albertusque duces, non adduxere Suevos 

plus septingentos; heec gens animosa feroces 

fert animog, sed equos adeo non ducere caufa. 

ictibus illorum, quam lancea, plus valet ensis: 

nam [f. non] et equus docte manibus giratur eorum, 

nec validos ictus dat lancea, pr&minet ensis, 

sunt etenim longi specialiter et peracuti 

iilorum gladii, percussum a verftice corpus 

scindere spe solent et firmo stant pede, postquam 

deponuntur equis, potius certando perire 

quam dare tergsa volunt, magis hoe sunt Marte timendi, 

quam dum sunt equites. 
(Auch Len Oftienfis bei Muratori 4, 402. Chronica mon. Casinensis lib. II, 
auctore Leone, Bert, 86. 7, Mon. 9, S. 685 f. Stälin 1, 492 f. 8. Konrads 
Schwertſchlag, Stälin 2, 83, Anm. 1. Über die ungehenern Hiebe der Kranz. 
fahrer in Kaifer Friedrichs I Heere |. Willen 4, 122, Anm. 136 (vergl. 4, 106 f. 
1,192). Raumer 5, 506, 2. Hist, de expedit. Frid. 91 u. ©. auch Heldenfage 
41, u.: „Gillermus Sectorferri.“ Taillefer, Raoul de Cambrai &. 2. 889. 347 u. 
X u. bis XI ob. (Ardiv d. Bel. f. ält. d. Geſchichtskunde Bd. 9. Hannover 
1851.) [Es mag aud an Uhlands eigenes, aus dein Jahre 1814 ftammendes 
Gericht „Schwäbiſche Kunde“ erinnert werden. 9.] 


85 


Bollftändig kann der bis hieher nur angellungene Zufammenbang, 
zwiihen der Waffe und bem Volksnamen, zwifchen svaf, svafr und 
Sväfr, erft burd die lebendigern und reicher geftalteten Sagen barge: 
than werben, auf welche nunmehr überzugehen ift. 


4. Evafrlismi. 


Die nordifche Sage von Herbör (Hervarar-saga) berichtet in ihrem 
Haupibeftanve Folgendes: 

Spafrliomi, Sohn und Nachfolger des Königs Sigrliomi, eines 
Odinſohns, verliert fi auf der Jagd und fieht bei Sonnenuntergang 
an einem großen Fels zwei Zwerge, die er mit einem Zaubereiſen 246 
außerhalb des Geſteines bannt, Sie verlangen LZoslauf und nennen 
fih auf feine Frage: Dvalinn und Dulinn. Spafrliomi weiß, daß 
dieſe die funftreichften aller Zwerge find, und legt ibnen auf, ihm ein 
Schwert, ein Wufter ihrer Kunft, zu fertigen; es fol Eifen fchneiden, 
wie Tuch, und niemals Roft daran haften; ihm fol für jeden Träger 
Sieg in Schlachten und Einzellämpfen folgen. Sie jagen es zu und 
als er am beftimmten Tage wieder zum Fels reitet, ſtehen fie außen 
und behändigen ihm das herrlihe Schwer Aber in ber Yelsthür 
Ipriht Doalinn: „dein Schwert, Spafrliomi, wird jedesmal, wenn es 
geſchwungen iſt, eines Mannes Tod fein, mit ihm follen drei Unthaten 
gefchehen und auch dein Tod foll e8 werben.” Da haut Spafrliomi 


216 Forneld. 8. 1, 514: „konüngr vigdi P& utan steins med mäla- 
saxi,“ ebend. 414: „med mälsiarni.“ in folches Eifen wird auch Fornm. 
8. 3, 223 gebraucht, um den Eingang einer von gefpenftiichen Weſen bemohn- 
ten Steinfluft offen zu halten: „hann (Ormr Störölfe sonr) gekk Pä& innt 
hellin, ok lagdi mälaiern 1 dyrnar.“ Mälaiern, mä&lasax ift Eifen oder 
Deffer mit eingefchmelzten Zeichen (mäl n.). Bon dem Epeereifen, womit 
Ragnar Lodhbröf die Schlange durchſtach (Fornald. 8. 1, 300, vergl. ebend. 
239): „stakk ek & stordar Iykkju (Erdfpange d. i Schlange) stäli biartra . 
mäla“. Vigaglumss. G. 8: „mälaspiot“ (vergl. ebend. C. 5: „epiotit 
gullrekna“), ebenjo Gislas, €. 184. [Dietr. 2635 u. 57a ob. Rechtsalterth. 
118*. Zeitjchr. f. d. Alterth. 2, 251. Gramm. 3, 442, 2. Andr. und EL, 
92.) Vigja im Sinne von verzaubern, beſchwören, aud) in Herv. s., Fornald. 
8. 1, 438 und 521: „ek vigi svü virda dauda“ u. ſ. w. Andre Beiſpiele 
von ähnlichem Gebrauche des Stahls oder Meſſers D. Muth. 1056 u., f. ob.; 
ebeub. 426 ***): Nöthigung des Bergichinieds zum Schmieden. 


86 


mit dem Schwerte nad) den Zwergen, dieſe Springen aber in ben Fels, 
der fich hinter ihnen fchließt, und ber Hieb trifft in den Stein. Der 
König benennt dag Schwert Tyrfing, trägt es fortan in Schlacht und 
Einzellampf und bat beftändig Sieg. Zuletzt aber im Kampfe mit 
Arngrim, einem Wiling von Rieſengeſchlecht, der in fein Reich einges 
brochen, wird ihm die Hand abgehauen, Tyrfing fällt nieber und 
Arngrim, der dad Schwert ergreift, töbtet damit den König und viele 
Andre. Die Königstochter nimmt er mit fi) heim auf die Inſel Bölm 
und zeugt mit ihr zwölf Söhne, ſämmilich, gleich dem Bater, wüthende 
Berſerke (Kämpfer ohne Panzerhemd), die verbeerend meit umberfahren. 
Jeder biefer zwölf Brüder bat ein namentundiges Holmgangichwert, 
ber ältefte, Anganthr, als Batererbe den Tyrfing. Sie fallen nachmals 
alle zwölf in dem fagenberühmten Kampf auf Samsey wider Hialmar 
und Orbarobd. Der milde Geift des Gefchlecht3 lebt aber fort in Her: 
vör, der Nachgebornen des älteſten Bruders und einer Jarlstochter, die 
einmal Töfa, anbermärtd Späfa genannt wird, Herbör zieht in 
Mannestracht und unter dem Namen Hiörvard (Hiörvardr) auf Wiking: 
fahrt. Bor Samsey angelommen, rubert fie allein ans Land und geht 
in der Nacht zu den Grabhügeln, darunter die zmölf Brüder beftattet 
find. Ungefchredt durch die Feuer, die unter Donnergetös auf ben 
Hügeln lobern und von denen die ganze Inſel zu brennen fcheint, hebt 
fie die Beſchwörungen an, woburd fie ihren Vater weckt und von ihm 
das Schwert Tyrfing fordert, das er im letten Kampfe geführt. An 
der Thür des flammenden Grabhügels erjcheint der Tobte, verläugnet 
und vermeigert dad Schwert, wird aber durch Hervörd Bauberjang ge- 
nöthigt, es emblich herauszumwerfen.. Noch verkündet er ber Tochter, 
daß Tyrfing ihr ganzes Gefchlecht verberben werde, und gibt ihr zum 
Abſchied zwölf Männer Leben, Kraft und Schwung, all das Gute, 
1008 Arngrims Söhne binterließen 247. Tyrfing vererbt fih in Her 
vörs Nachkommenſchaft, an ihrem Sohne Heibref werben die teilen 
Rathbichläge, die ihm der mildere Vater auf den Weg gibt, durch bie 
Mitgabe der Mutter, den unbändigen Sinn und beilen Werkzeug, be 
Fluchſchwert, vereitelt; bie vorbergefagten drei Unthaten werden mit 
diefem verübt, zwei von Heibref jelbft, durch Brudermord und Töbtung 


217 Fornald. S. 1, 442, 522. 


87 


eined Pflegbefohlenen, die dritte, indem er fchlafend von Knechteshand 
ermorbet wird 248, 

Noch in ihrer jehigen Geftalt verläugnet Hervörfaga nicht ihren 
reinmythiſchen Urfprung, knüpft dann örtliche und halbgeſchichtliche 
Beziehungen an, verläuft aber zulezt in die romanhafte Willkür und 
Breite mancher nordiſchen Sagenbearbeitungen aus ben 14ten Jahrh. 
Was Hier auszugsweiſe mitgeibeilt worden, ift fichtlich alter Sagen: 
grund und wenn fich auch darin verſchiedene Anſätze erkennen laſſen, 
fo kewährt fi doch durchhin die lebendige Fortbildung und natürliche 
Anziehungskraft eines einheitlihen Gedankens. Es ift die große Ge 
fchihte von ver Geburt und dem Lebenslaufe des Schivertes. Die 
Hauptzüge dieſer reihen Entwicklung follen nunmehr erflärend verfolgt 
werben. Gleich auf der exften Stufe, wie das Schwert hervorkommt, 
ichlägt ein belannter Laut an, Svafr, und zwar in Spafrliomi gleich 
artig mit Spafrlogi; liomi m. ift Glanz, logi m. Flamme, alfo Schwert 
glanz und Schwertflamme 24%. Einfach, wie Jogi, ift auch liomi unter 
den ſkaldiſchen Benennungen des Schwertes aufgegählt 200; Sigr-liömi, 
Siegglanz, wird ein Schwert Hrölf Krakis genannt 251, eben wie in 
Hewörfaga der Bater des ſchwertgewinnenden Königs beißt. Dem 
entfprechen in angelfächfiicher Dichterfprache die Schwertbezeichnungen 


248 Obiges zumähft nad der einfachern Faſſung der Herv. G., wie fie 
aus der älteſten, aber nicht mehr vollftändig erhaltenen Handſchrift in Fornald. 
8. 1, 513 fi. (vergl. ebend. Form. XXVIII) abgedrudt if; zur (Ergänzung 
iR der vollſtändige, aber mehr verarbeitete Tert ebend. 411 ff. gebraucht. Vom 
Streit auf Samsde melden au Saro 1, 93 und OUrvar-Odds S. &. 14 
(Fornald. 8. 2, 210 ff.). Bergl. Sem. 116, 23. [Schriften 7, 116 fi. 8.) 

49 Gr. 3, 391: „Goth. liuhab, ahd. [u. alıf.] lioht, nhd. Ticht neutr.; 
altn. lios neutr.; faltj. liomo radius], agf. ioma, alt. liomi mase., alle 
von der wurzel liuhan (lucere), wovon aud) altn. log neutr. und logi mase. 
(fammes), altſ. Jogna (flamma) fem.“ 

2% Sn. 214b u. 

21 Sörla B. sterke k. 18 (Fornald. S. 3, 439): „(Högni) spenti sik 
sverdi pri, er Sigrliömi höt, ok fordam ätti Hrölfr konfingr kraki;“ 
k. 25 (ebend. 450): „sverdit Sigrliomi.“ In Öfteren und echteren Quellen, 
namentlich der Hauptfaga von Hrölf Krali heißt deffen Schwert Sköfnüngr; 
8. Hrölfs k. kraka C. 45 (Fornald. 8. 1, 93): „med averdinu Sköfnüng, 
er alira sverda bezt hefir verit borit 4 Nordrlöndum (vergl. ebend. 102. 
109); and) diefes Schwert hat feine Geſchichte, |. Sagabibl. 2, 520 f. 


88 


böado-l&öma , hilde-l&6ma, beides Schladhtglanz 202; für die Schlacht 
jelbft ift einmal dieß der Ausdruck: „Schwertglan; (swurd-1&6me) 
fland, als ob ganz Finnäburg feurig wäre” 258; mie zubor Schwert: 
ſchwingung (sw&ord - geswing, altnorv. sverda svipun), fo bezeid; 
net bier Schwertglanz, Blig oder Funkenſchlag ber geichmungenen 
Schwerter, den heftig entbrannten Kampf. Diefe Zufammenfegung 
swöord-l&E6ma gibt nun aber aud den hanbgreiflichen Beweis, wie gut 
evafr, in der Bedeutung Schwert, fi dem zweiten Königsnamen 
Svafr-liömi verbindet 25%. Schon das einfache liomi dient, wie zur 
Schwertbenennung, fo zugleih als Beiname eines norwegiichen Königs, 
Gudrödr liömi, und eines bortigen Kriegsmanns, Ivar liömi 255. Indem 
folchergeftalt Schwerter: und Heldennamen ineinander fpielen, erflärt 
e3 fi) um fo befler, wie in der Nätbfelftropbe des Sonnenliebs Svafr 
und Svafr-logi fich perfünlich anlaflen und doch das Schwert und fein 
Wirken bebeuten Tonnten. Das verhängnisvolle Schwert der Herbör 
ſaga beißt Tyrfingr und ftellt fich damit in bie Reihe der vielen patro: 
nymiſchen Schiwertnamen auf ung und ing, die eben durch dieſe Ablei⸗ 
tungsform das Necht ver Perfönlichleit anjprechen 296. Wie das Nibe 
Iungenfchwert Balmung, das mit dem Hort aus dem Berge gelommen 
ift, den Sohn ber Balm, Felshöhle, bezeichnet 257, fo ift Tyrfing der 


252 Beov. 192. 87 (vergl. 119). 186: „leöhtan sweorrde.“ 

253 Battle of Finsborough, Conybeare 178: „swurd-leöma stod swylce 
eal Finnsburuh fyrenu were.“ Über stöd f. 3. Grimm, Andre. und GL 
XXXIl*, vergl. noch Hel. 96, 8: „liomon stodon. uuanamo fan themu 
uualdandes barne.“ Udrv. danske vis. 1, 35: „nu stander striden norden 
under Jutland.“ 

254 Die Handfchriften der Herv. S. haben Sigrlami, Svafrlami , daß aber 
diefe Schreibung in -li6mi zu beffern fet, bewährt der ganze obige Zuſammen⸗ 
bang; im Befondern ift Sigrlidmi anderwärts beurtuntet (Anm. 251) und 
Svafrlidmi hat feine Probe in Svafrlogi. 

255 Heimsk. Harallds 9. ens härf. 6. 25 f. 87. Sörla Pättr k. 9 
(Fornald. 8. 1, 405). 

256 Eine Strophe voll folder sverda-heiti, darunter Sköfnängr und 
Tyrvingr, Sn. 2134. So oft das Schwert durch Eigennamen lebendig wird, 
find diefe männlid. Gr. 3, 440 bis 442. Bergl. Fornald. 8.2, 19 ob.: „Norr 
ok hang menn gengu yfir, sem log yfir alira.“ 

37 Stalder, Schweizer. Idiot. 1, 127: „Balm, Balme £. Höhle, ober 
ein oben überbängender Fels“ u. |. w. 





89 


Ablömmling des Torfes, des Eifenmoors 258, Wie im Worte felbft, 
läßt fich diefer Sinn auch anderwäris in mythiſchen Borftellungen 
nachweifen. Alte Lieder eines andern nörblihen Sprachſtamms, bie 
finnifchen Runen, befingen, wie bie Geburt des Feuers, ber Harfe 
u. dol., jo auch die bes Eifens; dieſes ift auch hier ala Sumpferz ge 
dacht und indem der göttliche Schmieb Slmarinen e3 ſchmelzt und häm- 
mert, wird ſchon feine Gefährlichkeit vorausgejehen: aus dem Moor 
ift e8 gemwafchen, aus dem Eumpfe geipült, ſchäumend brängt es fich 
ans dem Feuer, um die Efie fliegt eine Hormiß, die ver Schlange Zilchen, 
der Ameife Juden und andre Plagen in das härtende Wafler trägt, 
wodurch das Eifen böfe wird und, zu Miffethaten gereizt, eiternve 
Wunden fchlägt, zu deren Salbung dann die Biene (als Gegenfah ber 
Horniß) Honig aus den Blumen holen muß 25%, Hieher artet nun auch 
die märchenbafte Sage, die ſich an bie weſtphäliſchen Brokſchmiede 269, 


Nib. 90: Hort der Niblunges der was dar getragen 
fg eime holn berge u. |. w. 
94: Tö gäben fi im ze miete daz Niblunges fwert. 
96: Mit dem guoten werte: daz hiez Balmunc. 
896: Sud fuort er [Eifrit] Balmungen, ein ziere mwäfen breit. 
daz mas aljö ſcherphe, daz ez nie vermeit, 
ſwaͤ manz ſluoc Af helme: fin ele wären guot. 
29242: Sr [Hagene] fluog Af Hifbebrande, daz man wol vernam 
Balmunge diezen, den Sifride nam 
Hagen der vil küene, dA er den heit fluoc. 
Auch Balmung nimmt feinen Bang durch die Heldengeihichte. [Schriften 1, 
29. 8.] 

28 Altnord. torf n., torfa f. (cespes), tyrfa (cespite tegere); angeli. 
turf, tyrf f.; ahd. zurf, zurft, zurbe (Graff 5, 706. Nechtsalterth. 114 f. 
Eigenname Thurphing bei Dronfe 401? Dorf?). 

29 9. Schröter, Finniſche Runen, Stuttgart 1884, ©. 27 ff. Doch wiffen 
diefe Runen aud) vom Urfprung des Eifens aus hartem Geftein, gleich anfangs: 
„ZR vom Berg Geburt des Stahles, vom Fels die Geburt des Eiſens.“ 
Über die Schlange im Gchwert weiterhin Mehreres; die Ameifen, doch in 
aubrem Zuſammenhang, Herv. S. 520a, 3. 436. Ein Schwert, das jeden 
Tag einen oder zwei Männer töbtet, aud) von Ilmarinen gefchmiebet, Kalevala, 
öfvers. af M. A. Caströn, Helfingf. 1841, 2, 64. 

20 Ravensberger Urkunde von 1277: „in omnibus fabrise palustribus 
qui Broksmede vocantur.* Mittheilungen des Hiforifchen Vereins zu Oana⸗ 
bräd, iter Jahrgang, Osnabrüd 1848, ©. 247. 





90 


die vormaligen Eſſenarbeiter im Bruch, dem eiſenhaltigen Torfmoore, 
geheftet hat: im Darnsſee (früher Darnsmare, Moor), in der Bauer⸗ 
ſchaft Epe, hauſten rauhe (behaarte) Leute, darunter beſonders ein 
Schmied, der einft um Mitternacht im Mondſchein 261 geſehen wurde, 
wie er bid an den Gürtel im Wafler faß und mit dem Hammer 
in der Fauſt auf feinen Ambos zeigte; die Bauern verftanden ihn 
und vertrauten ihm ſeitdem alle Echmiebearbeit an; zwar ſah ihn 
Niemand weiter, aber was man Abends auf einen fladen Stein 
legte, der am Seeufer zwiſchen zwei alten Eichen ftanb und bes 
Schmieds Tafel genannt wurde, oder was man durch Rufen über ben 
See beitellt hatte, das lag vor Tagesgrauen fertig auf dem Steine, 
nachdem man bie Nadıt durch das Hämmern im See vernommen hatte; 
Eifen und Arbeit waren trefflih und ver Preis billig, die Eper hatten 
die beiten Pflugeiien im Lande; ald aber ein Ruchloſer einft ſtatt 
Geldes einen ſchmutzigen Lohn auf die Tafel legte, da zifchte das 
Waſſer und ein Speer mit fcharfem Eifen, aus dem See gefchleubert, 
durchbohrte den Mann, die Erbe unter dem Steine borft und verfchlang 
ihn, das Hämmern bed Schmieds aber wurde fortan nicht mehr ge 
hört 22, Dem Schwertnamen Tyrfing geziemten urfprünglich gleich» 
falls elbifhe Brokſchmiede; die jetigen Namen feiner Verfertiger, Dias 
linn, Dulinn oder Dhrinn, find, leßterer in der Form Durinn, in 
der norbifchen Mythologie wohlbefannt und gehören dem nächtlichen 
Reiche der Duntelelbe (döckälfer) an 263, dagegen zeigt ſich in jenen 
Zunftreichen Ziwergen, aus deren Efie die Hauptlleinode der Aſen ber 
vorgehn, Brofr und Sindri (Bruch und Eifenfinter), noch deutliche Spur 
alter Brokſchmiede 264, Unverlennbar ift die Ähnlichkeit der Sage vom 


261 Bergl. Herv. 5. 514: „vid sölarsetr.“ 414: „& sölarfalli," „um 
eölarsetr.*“ (Yngl. 8. 6. 15.) 

262 Der Darndfee, von Yul. Sudendorf, in den angef. Mittheilungen 
©. 247 fi.; vergl. D. Myth. 463. Auch ein Schwert fommt in ber Sage vor, 
das aber nicht der Seegeiſt ſchmiedet, fondern als Knechtslohn verlangt 
(Mittb. 251 f.). 

263 Altı. dvelja, pr. dvaldi, morari, dvali m. somnus; dylja, pr. 
duldi, celare; düra, per intervalla dormire, dür, m. nubes somni; die 
Eigennamen find ftarle Barticipformen. 

264 Mythus von Brokr und Sindri Sn. 130 fi. Altn. brok n. carex, 
Nirdgras, Nied (vergl. Leo, Rectitud. 73); alt. sindur n., agj. sinder, ahd. 


91 


Uriprung des Fluchſchwerts mit dem Mythus vom Hervorkommen bes 
Fluchgolves, mie folder die Eddalieder von Sigurd und den Niflun- 
gen einleitet 265. Beide Erze, Eifen und Gold, jene im Schwerte 
(lebendig und perfönlich geworben, dieſes annähernd im Ringe ?°6, be: 
finden fih erft im Gewahrfam der Unterirbiichen, der Zwerge; das 
eine wird dem Torfmoor, das andre dem Fluß abgenommen. Hier 
mie bort wird den Erbgeiftern ein Befit abgenöthigt, ver, an das 
Licht gebracht, den Menfchen zum Verderben gereicht, und faft gleich: 
lautend wird von den in die Steintluft verſchwindenden Zwergen auf 
das Rheinerz wie auf den Torffohn der fortwirkende Fluch gelegt 267, 
Handelt es fich gleich in diefen Sagen von einem einzelnen Golohorte, 
von einem bejtimmten Waffenftüde, jo mochten fie doch in älteiter Ge⸗ 
ftalt, nach Art der finnifhen Runen, allgemeiner den ahnungsvollen 
Urfprung und die mweltbeherrichende Wirkſamkeit des Goldes und ber 
Erzwaffe verbilbliht haben. Wirklich ift Tyrfing nicht has einzige 
Heldenſchwert des Nordens, an dem fo graufame Eigenſchaften und 
Geihhide hängen. In der Sage von dem bis zur Götterbämmerung 
forttobenven Kampfe der Hiadhninge bat Högni das Schwert Däingleif 
gezogen, das, von Zwergen gemacht, einen Mann töbtet, jo oft es 
entblößt wird, niemals im Hiebe fehlt und, mo es gerigt, Teine Wunde 
vernarben läßt 268; Däins-leifr, Dains Nachlaß, verkündet fih im Namen 


finter, scoria ferri, Schlade. (Über Eifenfinter und WRafeneifenftein (Lauſitz) 
f. DOten, Naturgeſch. 1, 862 fi.) 

265 Sem. 180 fi, Sn. 135 fi. Völs. 8. €. 14 (Fornald. 8. 1, 151 ff.). 
Die vollftändigere Entwidlung des Mythus von Golde bei der fränlifchen Helden⸗ 
lage. [Schriften 1, 149. &.] 

36 Auh Ringe von großem Werth und munberbarer Kraft haben ihre 
Eigennamen und ihre Geſchichte. Fornald. 8. 3, 753a: Andvaranautr, 
Glesir, Hoitudr, Sviagris. 

267 Sem. 181b: „Dvergrinn gekk f steinnin ok meelti: hat skall 
gull u. f. w. bredrom tveim at bana verda oc avdlingom ätta at rögi.“ 
Herv. 8. 6.2, ©. 514 (vergl. 6. 414): „En er Drvälinn stöd i steinsdurum, 
b& melti bann: sverd Pitt, Svafrlamil verdr manns banj hvert sinn, er 
bragdit er u. |. mw. lupu beir (dvergarnir) 1 steininn“ u. |. w. (S. 415: 
„dvergrinn hliöp ? steininn.“) 

268 Sn. 164 (Arnem. 434): „p& svarar Högni: of std baudtu petta, 
ef A vill seettast, pvi at nü hefi ek dregit Däinsleif, er dvergarnir gerdu, 
er manns bani skal verda hvert sinn er bert er, ok aldri bilar 1 höggvi, 





92 


als vom Zwerge Däinn ftammend, der noch anderwärts, wie Doalinn, 
als Funftreicher Schmied aufgeführt ift 26%. Sköfnuͤng, Hrölf Krafis 
Schwert, bat die Art, laut zu fingen, wenn es Knochen fpürt, und 
wer mit ihm verwundet wird, Tann nur durch einen Stein, der zum 
Schwerte gehört, Heilung erlangen 270. Auch Bödhvar Biarli, Hrolfe 
Dienftmann, befigt ein Schwert, das bloß wird, fobald er an bas 
Heft greift, und niemals gejchwungen fein fann, ohne eines Mannes 
Tod zu werben, ein Kleinod, das jeder von brei Brübern haben 
möchte 271, Mas fo von verfchiedenen Sagenjchwertern vereinzelt und 
beiläufig berichtet twird, dazu ergibt fi) in der Geſchichte Tyrfings die 
eigens und burdgängig dem Schwerte gewidmete Urfage Yür bie 
Sage vom Ylußgold bewährt fich diefe allgemeine und vorbildliche Be 
deutung durch den Umftand, daß es drei wandernde Götter find, bie 
den verberblihen Hort zu Tage fördern. Tyrfings erfter Erwerber ift 
zwar nur ein naher Ablömmling Odins, aber den mythiſchen Boden 
diefes Anfangs behauptet die ältere Yaflung der Hervörfaga noch damit, 
dag Sigrlidmi® und Spafrlidmis Neich nicht benannt und in unbe: 
ſtimmter Ferne gehalten ift; der Berſerk Arngrim kommt dahin auf 
einer Wilingfahrt ofiwärts nah Biarmaland 22, fobald aber dieſes 
Land genannt wird, betritt man das Gebiet der Fabeln und Märchen 273, 
ok ekki sär grer ef bar skeinist af.“ Högni, der Führer dieſes Schweris, 
wird, als Geipenft fortlämpfend, nad) fpäterer Sagenwendung, von dem bor- 
genannten var liomi erlegt, |. oben S. 88. 

3% Däinn (dä n. deliguium, dainn mortuus): Sem. 114, 7. Dvalinn: 
Sn. 354 (Fornald. S. 1, 391). [Schriften 1, 88. 7, 279. 8.] 

%0 Hrölfs S. 6.50 (Fornald. S. 1, 102): „at sverdit Sköfnängr bitr, 
ok gnestr hann nü hätt i heirra hausum; en nättära Sköfnfngs var 
sl, at hann kvad vid hätt, P& hann kendi beinanna.* Laxdela 3. ©. 251. 
Bergl. oben Anın. 251. Vilk. 8. C. 360: „Pa hefdi ec latit dreingilega 
syngia mitt sverd i Hunalandi.“ [Schriften 1, 153. 8.) 

21 Hıölfs S. C. 31 (&. 61): „verär gverdit laust, D& hann tekr til 
hialtanna; Pat fylgdi pri sverdi, at aldrei mätti bvi bregda utan bat 
veri mannsbani u. |. w. (a. Pat het Lauf); benna meta grip vildu peir 
bredr allir eiga.“ Saro 2, 81: „Utebatur quippe (Biarco) prestantis 
ecuminis inusitatseeque longitudinis gladio, quem Lövi vocabat.“ Sn. 214 a, 
4: „lauf.“ Fornald. 8. 2, 366. 

272 Fornald. 8. 1, 515: „Arngrimr var hä t viking 1 Austurreg um 
Biermaland; hann herjadi 1 riki Sigrlame konüngs.“ 

278 her Biarmaland, am weißen Meere, |. Jeuß 688 f. [Schriften 1, 139. 8.) 


93 


Die ftärler bearbeitete Saga läßt Afiaten und Türken unter Odin von 
Diten ber fommen und die Norblande anbauen, das Reich aber, das 
Ddin feinen Sohne Sigrlidmi gibt, ift Garbareih (Rußland), eben 
damit Öffnet ſich der Blid nad Asgard, in die Heimat der Götter, die 
bier, nach dem Beifpiel von Snorris Heimsfringla, aus Afen zu Aſia⸗ 
männern geworben find 2°, Die Mythen vom Urſprung des Goldes 
und bes Eifenfchwertö beburften nun ber lebenspollen Durchführung in 
den daran gelnüpften Helvenfagen. Jene Verwünſchungen, die über 
Gold und Schwert ausgefprohen find, lommen je in einer langen 
Folge von Gewaltthaten zum Vollzug. Doc iſt damit für beide Fälle 
noch keineswegs gefihert, daß alle an biejen Faden gereihten Sagen 
vom Anfang an mit den Mythen vom aufgelegten Fluche verbunden 
waren. Es liegt in einem ſolchen Schickſalſpruche der Keim mannigfal: 
tiger, freier Entwidlungen und je nach diefen muß auch rückwärts die 
Formel der Borausfagen ihre Faflung wechſeln. Dem Schwerimythus 
insbefondre ift viel Unzugebörendes angehängt worden, aber die Haupt: 
züge feiner gründlichen Anlage find noch rein und unverfchüttet vor: 
banden. Bon dem gottentfprungenen Spafrliömi 275, der das Schwert 
den Zwergen abzivang und überall fiegreich leuchten ließ, gebt Tyrfing 
auf zweiter abfteigenver Stufe an ein andres Gejchlecht, von götter: 
feinplicher Herkunft, über. Arngrim, der neue Befiger desſelben, und 
feine zwölf Eöhne find rafende Berferle, deren wilde Natur dadurch 
mythiſch worgebildet wird, daß fie von Stromriefen des Alafalles, des 
gewaltigſten der norwegiſchen Waflerftürze, abftammen 276. Ihr Wohnfig 

2:4 Ebend. 1, 413: „komu austan Asiamenn ok Tyrkjar, ok bygdu 
Nordrlöndin; Odinn het formadr Peirra u. |. w. Einn hans son het 
Sigrlami; honum fekk Odinn pat riki, sem nü er kallat Gardartki.“ 
Zu letzterem ſ. Zeuß 546. Bergl. hieher Yngl. 8. C. 2. 5. 6. Auch daß die 
fpätere Herv. 5. (©. 413) dem Odinsſohne Sigrlami eine Tochter Königs 
Gylfi zur Gemahlin gibt, weilt auf Odins und ber Aaſen Verlehr mit Gylfi 
m Yngl. S. €. 5, Sn. Form. 15 (bier wieder: „peirra Asiamanna, er Aesir 
voru kalladir“) und Gylfaginning, Sn. 17 ff. 

2:5 Wenn von feinem Bater Sigrliomi, dem Odinsſohne, gejagt wird 
(Fornald. S. 1, 413): „hann var manna {rldastr sfnum,“ fo mag dieſe 
ausgezeichnete Schönheit eben den göttlichen Urfprung anzeigen. Berg. Yngl. 
8. C. 5 liber Odins Ausfehen. 

3:6 Zu diefem Behuf ift in Cap. 1 der Herv. ©. ber Rieſenmythus voran⸗ 
geſtellt, deſſen ausführliche Erklärung in den Sagenforſchungen 1, 176 ff. nad) 





94 


ift die Inſel Bolm bei Hälogaland, von ver aus fie ihre Wiking⸗ 
ſahrten machen. Der Berſerke und der fie plötzlich ergreifenden Wuth, 
des Verſerlganges, wird in altnordiſcher Überlieferung vielfach gedacht. * 
Beim Eintritt dieſes Zuſtands Inirfchen fie mit den Zähnen, beißen in 
bie Schilde, verichlingen glühende Kohlen, Iaufen durch loderndes 
Heuer, rennen ohne Panzer (daher eben der Name ber-serkr, panzer: 
Baar) 277 in den Streit, toben in ihrem Blutburft gegen bie eigenen 
Genofien, weshalb fie auch beim Ausbruch des Anfalls in Bande ge: 
ſchlagen werben 278, Übrigens erwähnen auch Sagen mehr gefchichtlicher 


gefehen werden Tan. In Fornald. 8. 2, 9 hat Arngrim einen ganz andern 
Stammbanm. | 

* [Schriften I, 265. 8.) 

77 Altn. ber, nudus, serkr m. tunica, indusium. Sn. 160: „(kalla) 
brynju serk eda skyrtu.“ Ebend.: „Roda serkr.“ Kräkum. 17 (Formald. 
8.1, 306): „vid Hamdis grän serk.“ Fornald. 8. 1, 212: „i gräm’serk- 
‚Jum (doch eben die berserkir der Herv. S.). Ebend. 1, 275: „t hringserkjum 
(a. iernserkjum).“ Yngl. 8. &. 6: „brynju-lausir.“ 

8 Saro 7, 125: „Hic (Byvaldus) septem filios habebat tanto vene- 
fieiorum usu callentes, ut sepe subitis furoris viribus instincti solerent 
ore torvum infremere, scuta morsibus altrectare, torridas fauce prunas 
absumere, exstructa quevis incendia penetrare, nec posset conceptus 
dementie motus alio remedii genere quam aut vinculorum injuriis aut 
cedis humane piaculo temperari. Tantam illis rabiem sive swvitie in- 
genii, sive furiarum ferocitas inspirabat.“ 124: „Tanta vero corporis 
megnitudine erat (Harthbenus), ut novem cubitis proceritatis ejus dimen- 
sio tenderetur. Huic duodecim athletæ contubernales fuere, quibus officio 
erat, quoties illi presaga pugne rabies incessisset, vinculorum remedio 
oborti furoris impetum propulsare u. ſ. w. Harthbenus repentino farierum 
afflatu correptus summas clypei partes morsus acerbitate coneumpeit, 
igneos ventri carbones mandare non destitit, raptas ore prunas in vis- 
cerum ima transfudit, crepitantia flammarum pericula percurrit, ad postre- 
mum omni s@vitie genere debacchatus in sex athletarum suorum pre- 
eordia furenle manu ferrum convertit. Quam insaniam illi pugnandi 
avidites an nature ferocitas attulit, incertum est.“ (Diefe rohen Rieſen⸗ 
kräfte bezwingt Hälften, ein Held des Anbaus, vergl. Sqgenforſch. 1, 192 ff.) 
Fornald. 8. 3, 114 fg. Yngl. S. C. 6, wo Odins Mannen als Berferfe be: 
zeichnet werden, vergl. Sn. 66 und die Strophe aus Hüsdräpa ebend. 162 
(Arnsem. 428 fg. Lex. myth. 635 *). Gin Zrupp von Berferten ericheint 
and) font im Königsdienfte, 3. B. in Hrölfe S. (Fornald. S. 1, 32 fj.). Auf 
Odin, als den Beweger alle Kampfiebens, konnte zwar auch der Berferfgang 


95 


Art 779 der Berferfwuth, die ala ein Unheil für den damit Befaßten 
angejehen wird, und noch das isländiſche Chriftenrecht von 1123 erflärt 
da, mo es gegen bie Überbleibjel des Heidenthums eifert, ſowohl vie 
Berſerke ſelbſt, als diejenigen, melde nicht den Wüthenden zu bänbi- 
gen fi bemühen, für frieblog 220. So gebaren nun auch die zwölf 
jungen Arngrimsföhne, wenn fie aber auf der Seefahrt fühlen, daß 
der Berſerksgang über fie fommt, fteigen fie and Land und fchlagen 
auf Waldbäume und große Steine, denn es ift ihnen begegnet, daß 
fie ihre eigenen Leute tödteten und ihre Echiffe leer machten. Eie 
führen die berühmteften Holmgangichmerter (Holmgang ift der Zwei⸗ 
fampf auf einer Inſel), bie ihr Vater auf feinen Kriegszügen genom: 
men, ber ältefte, Angantür, hat Tyrfing; fo oft diefes Schwert gezogen 
ift, wird es heil davon, wie von einem Sonnenfisal, aud in ber 
Dunkelheit, nur mit warmem Menichenblut fol es wieder in die 
Scheide gehn und was von ihm geblutet, lebt nicht bis zum andern 
Tage, vielberühmt ift eö in allen alten Sagen 231. Weil aber von 
Anganthr doch nur böfe Kunde geht, eilt die ſchöne Ingibiörg, 
Tochter des Upſalakönigs Yngvi, feine Bewerbung zurüd und zieht 
ihm den milderen Hialmar vor, ber deshalb von dem abgemwiefenen 
Freier zum Holıngang auf Samsey beichieven wird. Zur beftimmten 
Zeit fommen bie zwölf Berſerke dorthin, erichlagen alles Volt von den 
zwei Schiffen Hialmars und feines Genoffen Orvarodd und erheben 
dann mit biefen Beiden auf der Inſel den Kampf, in welchem Odd 
die eilf Brüder Anganths, Hialmar aber den legtern erfchlägt und dann 


bezogen werden, darum aber befteht doch der Gegenſatz zwiſchen ruhmreichen 
Dpinsföhnen und wüthenden Berſerken, wie ihn Herr. &. darbietet. 

213 Sagabibl. 1, 149 (Vatnsd. 8.), aud 1, 38 (Viga-Styrs und 
Eyrbyge. 8.). 

0 Krietinrettr n. f. w. ed. Thorkelin, Havn. et Lips. 1776, C. 16. 
©. 18: „Ef madr gengr bersercs gAng“ u. ſ. w. (Auch Grägäe, Lex. myth. 
477%) 

231 Fornald. 8. 1, 516: „Sü nätıära fylgdi Tyrfingi, at hvert sinn, 
er bann var or slidrum dreginn, pä& Ifsti af, sem af geisla, böat myrkı 
veeri. ok hann skyldi slitdra med vörmu mannsblödi, ekki lifdi Pat ok 
til anners dags, er bleddi af honum; hann er miök fregr 1 öllum forn- 
sögum.“ 1, 423: „bviat IYsti af honum, sem sölargeisla.“ 1, 524: „ok 
bra pa sverdinu, ok 1Ysti af miök ok sindradi.“ 


96 


felbft an feinen Wunden ftirbt. Auch bei diefem letzten Kampfe wirb 
das Toben der Berſerke geichildert: wenn einer von ihnen fällt, knir⸗ 
ſchen die andern in den Schildrand und der Schaum bricht ihnen aus 
dem Kiefer, ober fie ftreden die Zungen heraus, fchlagen bie Zähne 
zufammen und brüllen mie Opferftiere, daß es in ben Felſen miber: 
hallt 282, Orarodd läßt einen mächtigen Grabhügel über ven zwölf 
Erſchlagenen mit ihren Waffen aufmwerfen, doch damit ift dieſe wilde 
Glut nicht erftidt; allnächtlich fpielen brennende Feuer über den Grä⸗ 
bern, das ganze Eiland ertojt und fcheint in Flammen zu ſtehen; ber 
Hirte flieht dem Walde zu und bie Seefahrer ftoßen erfchredt vom 
Strande 289. Anders noch lebt die ungeftüme Art in Herbör *, An: 
ganthys nachgeborner Tochter, fort. Als fie zur Welt fommt, meinen 
die Leute, man folle das Kind ausſetzen, es könne nicht Weibesfinn 
baben, wenn e3 feinen Baterfippen gleich werde, nicht gänzlich tobt 
fei der Arngrimsföhne Geſchlecht, wenn fie lebe 284 Darin eben er: 
reicht jene erbliche Kampfwuth ihren ftärkften Ausbrud, daß fie, nad; 
dem die Männer gefallen, ein Mädchen ergreift und zum tobenden 
Berſerk umſchafft. Hervör fchreitet in männlicher Rüſtung durch die 
Hügelflammen, als dur ein heimifches Element, das blutbürftende 


332 Schon bei ihrem SHerannahen fagt Hialmar (Fornald. 8. 2, 211): 
„mer pikir stundum, sem gridüngar gialli edı hundar fli, en stundum 
er pᷣvt ltkt, sem grenjat se.“ Dann ebend. 1, 425: „afmyndudust peir 
Akafliga, ok gnögudu 1 skialdar rendrnar, en froda gaus ür kiapti beim 
u. f. w. eyskradi süt 3 berserkjunum, rèttu At tüngurnar ok urgudu, 
saman tönnunum, öskrandi sem blötneyti, sv& buldi 1 hömrunum.*“ Yud 
die Strophe ebend. 422 (vergl. 2, 218). 

283 Fornald. 8. 1, 518: „En er sölin settist gerdust dunur miklar 
üt& eyna, ok lupu upp hauga eldarnir; p& ræddist fehirdir, ok tök til 
föta, ok liöp 1 sköginn, sem mest mätti hann, ok sâ aldri aptr“ (vergl. 1, 
484). 622: „Sidan gekk hün (Hervör) til ekipa; ok er Iysti, s& h@n, 
at skipin voru brottu, höfdu vikingar redst dunur ok elda 1 eynni“ 
(vergl. 1, 442). 

* (Schriften 7, 116 fi. 8.) 

234 Ebend. 1, 517: „Nü er bar til at taka, at döttir Biartmars iarle 
feddi meybarn, ok pötti flestum räd, at üt veri borit, ok sögdu, at 
eigi mundi konu skap hafa, ef födur- frendum yrdi likt; iarl ld ausa 
vatni ok uppfeda, ok kalladi Hervöru, ok sagdi, at eigi var b4 aldauda 
«tt Arngrims suna, ef hün lifdi“ (vergl. 429 f.). 


97 


Schwert, das nod eigens von Feuer ummwallt ift 285, muß ihr heraus⸗ 
geiworfen werben, obgleich fie gemarnt ift, daß es ihren ganzen Stamm 
vertilgen werde 28%, und mit dem Schwerte nimmt fie zwölf Leben voll 
überihäumenven Streitmuths als Erbe bin 297. Das Nachtgemälbe 
dieſer Grabbeihmwörung ift eines ber großartigften Bilder altnorbifcher 
Dibtung. Aus der Hand fiegreicher, gottentftammter Helden und aus 
dem Grabhügel wilter Berferle, deren unbänbige Kraft fich felbft ver: 
zehrte, macht Tyrfing ben dritten Übergang, indem es zuleht zum 
Werkzeug feigen Meuchelmorbs herabſinkt. Heidhrek, Hervörs Sohn, 
der Mutter nachichlagend und von ihr mit dem Schickſalſchwert ausge 
ftattet, miöbraucht dasfelbe zu Bruber- und Verwandtenmord und wird 
dann jelbft damit von Knechteshand getöbtet. Er tft, gegen ben väter: 
lichen Rath, niemals mehrere kriegsgefangene Knechte bei fich zu haben 288, 
dach mit neun ſolchen ausgeritten, die ihn und fein übriges Gefolge 
Nachts, ald er im Zelte fchläft, mit Tyrſing ermorben und dann das 
berübmte Schwert beim Fiſchfang dazu verivenden, ben Hechten bie 
Köpfe abzufchneiden. Damit fchließt nun auch der beveutfane Grund: 
beftand der Sage, denn die Geſchicke Tyrfings find erfüllt 289. 

Den ſinnbildlichen Charakter der Herbararfaga beftätigt der Eigen: 
name, nad dem fie geheißen ift. Hervör (Gen. Hervarar), richtiger 
Hiör-vör, ift Schwertwahrung, Schwerthüterin; als die Trägerin biejes 
Namens in männliher Wappnung auftritt, nennt fie ſich Hiörvardr, 
Schwertwart, Schwerthüter 29, und ebenjo heißt einer ihrer gefallenen 

35 (Ebend. 1, 521b: „Angantyr kvad: Liggr mer und herdum Hiäl- 
mars beni, allr er hann utan eldi sveipinn“ (vergl. 439). 

236 Ebend. 1, 521a: „Sid mun Tyrfingr u. f. w. sett Pinni, mer! 
allri spilla“ (vergl. 488). 

237 Ebend. 5226: „Far vel, döttir! Niött gefa ek ber tölf manna 
för. ef Pü trûa metlir, afl ok eljun, allt ed göda, bat er synir Arn- 
grims at sik leifdu“ (vergl, 442). 

8 Ebend. 447: „bat Attunda (rAd), at hann hafl aldrei marga her- 
tekna brela med ser.” Das Brudftüd 1, 525 hat flatt diefes Rathes einen 
audern: „setja aldr! Tyrfing at fötum ser.“ 

39 Ehbend. 488: „er petta talit hit bridja nidingsverk unnit med 
Tyrfingi, eptir pvi, sem dvergrinn hafdi fyrimelt, voru nu endut hau 
&lög.* Bergl. 448. 454; das Bruchſtück hat dieſe Nachzählungen nicht. 

20 Altn. hiörr, Schwert, für Hiör-vör ſpricht eben der Übergang in 
Hiör-vardr [vergl. Sprachg. 781 *]; ein ähnlicher Frauenname ift Hiör-die 

Upland, Gäriften. VII. 7 


98 


Brüber, dann in der Fortſetzung einer ihrer Enkelſohne. Iſt nun in 
biefem Gefchlechte das Schwert vertreten und namengebend, fo erfcheis 
nen auch die Namen der beiden Gegner besfelben, Hinlmar und Orvar⸗ 
odd, nicht beziehungelos; Hialmar, abgelürst aus Hialm-heri, if 
Helmlämpfer, Örvar-Oddr ift vom Pfeile (ör f., Gen. örvar) fo be 
nannt 291, Der Blid erweitert fih in eine manigfaltige Waffenfage. 
Gegenfat ber Angriffswaffe ift die Schutzwaffe; gehört das Schwert 
ben anftirmenden Ungeftüm, fo find Schild und Helm die Wahr: 
zeichen ber Sicherheit und Befrievung. Den Friedensſchild erheben, 
Schwingen, ift altnordiſch das Zeichen, wodurch die Einftelung ber 
Schlacht zum Zwecke der Beiprehung und Unterhbanblung begehrt 
wird 29%, Es tft nicht zu zweifeln, daß biehei wirklich ein meithin ficht: 
barer Schild erhöht wurde, wie denn in einem Helbenlieve der Edda 
ber heranfchiffende Feind, um mit dem Stranbhüter Worte zu mechfeln, 
einen rothen Schild mit goldnem Rand an vie Segelſtange auf: 


(Sigurds Mutter). Vör f. (althd. und altj. wara, consideratio, attentio, 
cura, Graff 1, 907. He. 125) kommt im Sinne von Wahrung, Wahrnehmung, 
noch als aflegoriicher Name einer Göttin und in einzelnen Redensarten vor, 
Sn. 37 f. (Arnarm. 116? Sveinb. 21.) D. Myth. 286 f. 843. Hiör-verdr 
(ensie custos) mit deutjcher Yorm vardr, flatt der altn. vördr, entipricht dem 
angel. höoro -v&ard (Beov. 162), Gr. 2, 461. 533 f. Zu der größeren 
Herv. S. 1, 417 fi. ift Hiörvardr, nicht Angantür, der Mitbewerber Hialmars 
um SIngibiörg, worliber der Streit auf Samsey fi entfpinnt, auch ift fein 
Name geeigneter, den Stabreim anzubeben (1, 435 f.: „Hiörvardr, Hervardr, 
Hrani, Angantfri“), und die Inſelgräber beißen einmal: Hiörvards haugar 
(438, vergl. jedoch 519); vielleicht Überrefte urſprünglich mehr hervorſtechender 
Bedeutung Hiörvards. 

291 Fornald. 8. 2, 185 f. 

22 So in Herv. ©. ſelbſt, Fornald. 8. 1, 462: „ièt hann (Hrollaugr) 
b& um morguninn snemma halda upp fridarskildi, ok bad Heidrek 
konüng gänga & einmeli vid sik.* Ebend. 2, 99: „ba 1&t Fridpiöfr halda 
upp fridskildi, ok stödvadist PA bardaginn“ u. ſ. w. 2, 193: „var haldit 
upp fridskildi u. f. w. var brugdit upp fridskildi.* 2, 207 (in einem 
Schiffkampfe): „bregär Ögmundr upp fridskildi.“ 3, 94: „var P& brugdit 
upp fridskildi.“ 3, 150: „leir hann bregda upp fridskildi.“ (Die Stellen 
find verzeichnet ebend. 8, 747 a.) Gegenſätzlich wohl zu (Forneld. 8. 2, 205): 
„fara herskildi yfir, brenna allt ok bela.“ Olafs 8. hing helga u. f. w. 
Chriſt. 1849, &. 21: „for Dar upp i Gardariki med herskilldi. [Zeuß 
546 u., f. ob.) 


9 


wirft 293, Im deutfchen Altertbum verfündet der aufgehängte Schild 
bauptfächlih den Gerichtöfrieven, die während des gehegten Gerichte: 
ftrenggebotene Ruhe und Stille 294; der Ausbrud „frivefchilt“ findet ſich 
zwar nur noch bilblic für Befchirmer und Fürjprecher, beſonders vom 
himmlischen Schuge, gebraudt, aber auch fo noch gibt ihn eine alte 
Eegensformel (zugleich mit „fridhemede“ und „halsberc“) im beitimmten 
Gegenfage der Schirmmaffe zum ſchneidenden, beißenden Schwerte 29. 
Dberfter Halter und Hüter des Gerichts: und Friedeſchilds ift der König, 
darum auch Skiöldr ein pafjender Name für den Stammvater des bäni- 
chen Königsgeſchlechts, der Shöldunge, einen Doinsfohn, der jelbft in 
Schoonen göttlich verehrt worden fein fol 2%. Skibld flieht an ber 
Spitze von Königsnamen, die ein Reich des Friedens und ber Sicher: 


293 Seem. 153, 33: „Sinfiötli kvad: slöng upp vid ra raudom skildi, 
sönd var or gulli; bar var sundvördr säA er svara kunni ok vid ödlinga 
ordum skipta® u. f. w. 

2A Rechtsalterth. 851 f. 853 f. 956; beſonders die Stellen: „tunginus 
aut centenarius mallum indicent et in ipso mallo scutum habere debent.“ 
l. sal, 47, 1. 49, 1. Becheler Weistbum von 1482 (Weisth. 1, 6L0): „jo foll 
der herr Friedrich Greiffenclae feinen ſchild henken in das dorf vor fein Hofe 
und foll da dag dorf befhirmen und helfen behalten vor ſchaden.“ Vergl. noch 
Rechtsalterth. 657: „liudefrethe, Br. 133 und liodeskeld, As. 20.“ 

235 Molfdietr., Ambraf. Handidr. A. C. IS. 19]: 

„da was aber niemand des kindea fridefhilt “ 
Ebeud. R. B. [S. 32]: 

„nu gebt mir einen man, 

Der niit feinen worten fei heut mein frideſchilt!“ 
Hoffmann, Fundgr. 1, 369 [ave 26. Haltaus 525] 343: 

„daz heilige himelchint daz fi hist min fribeichilt u. ſ. w. 

ſant Marien lichemede daz fi hiut min frivhemebe u. f. w. 

min fwert eine wil ih von dem fegen fceiben, 

day ſnide und bizze allez daz ih ez heize 

von minen handen und von niemen andern! | 

ver heilig bimeltrüt der ft hiut min halsperch gut!“ 
Myth. (1) Anh. CXXXI f.] Ebend. 261: „der himel fi dir ſchiltin.“ Nom 
Schwerte heißt es in Herv. ©., Fornald. 8. 1, 414: „ok biti iafnt irn ok 
steina, sem kledi;“ 1, 514: „Pat skal svä bita iärn, sem kledi.“ 
Bergl. no) Cod. exon. 112, 15 fi.: „him ver engel neah, fele fıeodu- 
veard“ u. |. w. „gyrede hine georne mid gestlicum vepnum.* 

2% Fornm. S. 5, 238: „Skiöld Suänüngagod“ u. |. w. 








— — — — — 


100 


beit verkünden: Fridleif, Fridfrodi, Froͤdi der Friedſame 297; den Na 
men entſprechen auch bie an ihnen haftende Sagen von Froͤdis Frie⸗ 
den (Pröda-fridr), biejer golbenen Beit des Norbens, von weiler Ge 
ſetzgebung, ftrenger Rechtspflege, raſtloſer Vertilgung der Räuber und 
Gewaltthäter 2%, Das Friedensalter ift aber auch eine Zeit des Reid 
thums und Gedeihens, ber däniſche Frodisfriede fällt daher gleichzeitig 
mit der Fulle und dem Überfluß des ſchwediſchen Landes unter ben 
Ynglingen, den Upfalalönigen, deren Ahn und Namengeber Yngvifreyr 
zu dem Böttergefchlechte der Banen zählt, das über Luft und Witte: 
zung und bamit über Schiffahrt und Feldfegen mwaltet; als Fiolnir, 
Ungvifreys Sohn, bei Fridfrodi zu Gaft ift, ertrinkt er in ber Meet⸗ 
kufe 29%. AU dieſe reichhaltigen Sagen können bier nicht verfolgt wer 
den, von Skiold ſelbſt aber ift noch auszubeben, baß jchon er, bei 
Saxro, als Gejetgeber und Wohlthäter feines Volks ericheint, ſowie 
ald Bänbiger roher Gewalt, indem er ſchon in Snabenjahren, waffen: 
108, einen ungeheusen Waldbären mit feinem Gürtel bindet 300; wenn 


297 Fornald. S. 2, 12: „Skiöldr hat son Odins Äsa-konfings; hann 
var fadir Fridleifs (vergl. Gramm. 2, 70. 502 f.), födur Fridfröda“ u, ſ. w., 
weiterhin: „födur Fröda ens fridsama, födur Fridleifs“ u. ſ. w. Ebend. 14, 


Sn. Form. 14, 


288 Sn. 146 und Saro unter jenen Königsnamen. Sagenberühmte Kämpfe 
werben mit Froͤdis Friedewalten in Beziehung und Gegenjat gebracht, nament⸗ 
ih der Streit anf Samsey bei Saro 5; 93: „Ita cuncta admodum bellicarum 
rerum tempestate depulsa oceanum manus adhuc piratica non reliquit, 
Qu& res maxime Frothonem ad occidentem armis incessendum adduzit, 
cujus unicum in propaganda pace studium versabatur;“ der zwiſchen Hedin 
und Högni ebend. 5, 90: „itaque statam a Frothone pacem internum labe- 
factaverat bellum“ n..w. Bergl. Sem. 151, 13: „sleit Fröda-frid fianda 
& milli.* 

299 Yngl. 8. €. 11 bis 14. Beſonders C. 12: „An feinen (Ungvpifreys) 
Tagen bob fih an Frodis Friede; da war auch Fruchtbarkeit (Ar) durch alle 
Sande” u. ſ. w. €, 14: „Fiölnir, Sohn Ungpifreys, waltete ba über bie 
Schweden und Upfala-Reihthum; er war mächtig, frucht⸗ und friedfelig (rikr 
oc &rsell oc fridsell); da war Fridfroͤdi zu Hleibra, zwiſchen ihnen war 
Freundſchaft und Gaſwerkehr“ u. |. w. 

w Saxo 1, 5 f.: „Hujus (Skioldi) adolescentia, inter paternos 
venatores, immanis bellue subactione insignis extitit mirandoque rei 
eventu future ejas fortitudinis habitaum ominata est. Nam cum a tuto- 


ribus forte, quoram summo studio educabatur, inspectande venationis 


301 


ferner die angelſächſiſche Überlieferung, aus bem Seimathlande herüber⸗ 
gebracht, den Bater Scilds Eceäf nennt und diefen Namen baher leitet, 
daß Eceaf ala Tleiner Knabe, auf einer Korngarbe (agf. sceäf m., ah. 
mbb. fcoup, manipulus, Gr. 3, 416) im fteuerlojen Schifflein fchlafend, 
an das Land geſchwommen fei, deſſen Einwohner ibn aufzogen und 
hernach zum König erwählten 301, fo ergibt diefe Verwandtſchaft zwiſchen 
Schaub und Schild abermals den nahen Zufammenbang von Fruchtbar⸗ 
teit und Frieden; Eceaf führt ben Kornbau in das Land, Scild beichirmt 
ibn. Im Beomwulfslied ift es Ecild felbft, der einft angefahren kam 
und, nachdem er hochbejahrt, ein geliebter Lanbesfürft, abgefchieben, 
mit ebenjo reicher Wafferrüftung, mie ex gelommen, twieber eingefchifft 
wird 32, Gleichwohl heißt Scild auch hier Sceafs Sohn (Seild Scefing) 
und umgelehrt ift, in der andern Sage, auch ber anfahrenbe Sceaf 
mit Waffen umgeben 398, mas mehr dem Ecild anfteht. Je nachdem 
der gottgefandte Ankömmling als Befruchter oder als Beichirmer bes 
Landes gebadt ift, gehört ihm bie Garbe over der Schild unter das 
Haupt. Lebteres bewährt fi am beutihen Echtwanritter, der wirklich 


licentiam impetrasset, obvium sibi insolitee granditatis ursum, telo vacuus, 
cingulo, cujus usum habebat, religandum curavit necandumque comitibus 
prebuit ı. j. w. tantagne indolis ejus experimenia fuere, ut ab ipso 
cæteri Danorum reges communi quodam vocabulo Skioldungi nuncupa- 
rentur u. |. w. Hic non armis modo, verumeliam patrise charitate con- 
spicuus extitit. Siquidem impias leges abrogsvit, salutares tulit, et quic- 
quid ad emendandum patrie statum attinuit, summa diligentia prestitit.“ 
Auch feine Freigebigkeit wird gerühmt. [Wie find die pugiles Attalus et 
Bcatus, die er bezwingt, zu verfiehen?] 

9 Die Zeugniffe find zufammengeftellt und erläutert bei Kemble, Beov.; 
J. Grimm, Deutfhe Myth. (1) Anh. XVII f., (2) 341 ff.; Leo, fiber Broöͤw. 
2 ff. Ettmüller, Beow. 4 fi. BZeitfchrift für deutfches Alterihum 7, 413 f. 
Beſonders anſchaulich berichtet Wilhelm von Malmesburyg S. 41: „appulsus 
navi sine remige puerulus, posito ad caput framenti manipulo, dormiens, 
jdeoque Sceaf est nominatus, et ab hominibus regionis illius pro miraeulo 
exceptus et sedulo nutritus adulta tetate regnavit“ u. |. w. Matiheus 
westm. fügt hinter „manipulo“ bei: „quem patris lingua seaf (}. aceaf) 
dieimus, gallice vero garbam,* 

0 Beomulf, Eingang. 

x In der älteften Meldung Ethelwerds ©. 842: „ipse Scef cum uno 
dromone advectus est u, f. m. armig circundatlus, eratque valde recens 
puer® u. ſ. w. ohne Erwähnung der Garbe, 





102 


den Schild zum Küſſen hat, als er fchlafend zu Nimwegen anlandet, 
um felbft als erflehter „Friedeſchild“, ala Kämpfer im Gottesurtbeil, dag 
Landerbe ver brabantifchen Fürftentochter gegen den rieſenhaften Sachfen- 
herzog zu fehirmen 30% Solches Landſchirmen bedeutet eben auch ber 
Königename Stiöld und es ftellt ſich dafür noch ein altnorbifcher Zeuge. 
Lieb und Sage geben einem hochſtehenden Landſchutzmann in Garba- 
reich, Thorir, den Beinamen Jarnſtiöld, Eiſenſchild 305, 


4 Konrads von Würzburg Schwanritter (Altd. Wälder-3, 49 ff. [Der 
Schwanritter, eine Erzählung von Konrad von Würzhurg, herausgegeben von 
Dr Franz Roth. Franffurt am Main, 1861. & H.) 2. 116 ff.: „ein 
ritter in dem ſchiffe jlief u. |. w. der belt uͤz fime fchilte gemadet hät ein 
tüffin, üf dem fd Tac daz heubet fin u. ſ. w. fin heim, fin halsberc unde hoſen 
die waren neben in geleit, ex häte fine waͤpenkleit mit im gefüeret Affe den je.” 
5% ff.: „wan der Sahſen fürfte hoͤch fchein alfd Trefteriche, baz nirgent lebte 
fin geliche über allez Niderlant, wan man dekeinen ritter vant als ellenthaft 
ze Sahſen, er was ſo lanc gemahlen, daz er ze rifen was gezelt, bävon den 
firithären belt niemant getürfte td beflän“ m. f. w. 724 fi. (Die Jungfrau 
fpricht): „er (got) ſi ze fridefchilte mir gegeben hiute, fd daz ich mine liute und 
mine lant behalte vor fraft und vor gewalte!” 745 (der Nitter:) „ioch bin ich 
in biz riche durch dag nit komen und gefant, daz ich beichirmen inwer fant mit 
kampfe wil noch hiute“ u. ſ. w. 761 ff.: „ich han des willen unde mit, daz ich 
Linamen iuwer güt vor allem ungefelle binamen firmen well.” 770 fi.: 
„gnäde und flizzegen danc dem ritter fie do feiten, daz er vor arbeiten fie wolte 
ſchirmen unde friden.” (Der Sachſenherzog Hat zuvor das Land verheert, 19 ff.: 
„ec koam gerkden in ir lant mit gewalbeclider hant und mit fö grözer heres 
kraft, daz fi) die frame tugenthaft mit nihte konde fin erwern, wan er begonbe 
fie verhern mit raub und auch mit brande, an liuten und an fande wart ir 
verluft vil manecfalt n. |. w. er brach ir dürfer unde flede mit ſchedelichen 
reifen“ u. ſ. m.). 1028: „den fchilt den fpielt er im inzwei“ u. f, w. (der 
Herzog den Ritter.) Auch im Lohengrin, herausgegeben von J. Görres, 
S. 17 [Herausg. von Rüdert S. 18. 8.]: „Der ſwane fur dem geftade bi, in 
daz ſchif fo fchreit der junge wandels fri, der vater truc den fchilt in finen 
henden, er reicht in finem finde dar“ u. ſ. w. S. 19: „Der ſwan ber wift 
das ſchiffelin gein dem geftade, daruf fo ffief der ritter fin und bet ſich ſchone 
uf finen fchilt geſtreket.“ Zu erwähnen ift noch, daß Fyridebrant von Schotten, 
anberwärts Fridefchotten, eine Tochter Schiltungs (Skiöldängs) zur Ehe hat, 
Zeitſchr. f. d. Atertd. 1, 7 f. Zufällig im Habsb. Urbarb, 245: „Offitium 
Schiltungi, advocati in Meingen u. |. w. Daz find nutze unde reht u. f. w. im 
der graͤfſchaft ze Frideberg.“ Wadern, Lejeb. 323, 19: „eim ſchilt jiner .mäge.“ 

%5 Hyndlul. 22 (Sem. 116): „Järnskiöldr börir.* Auch Sfidarima, 
ein Gedicht aus dem 15ten Jahrh., weiß von ihm, Sagabibl. 2, 588. 8. 


103 


Ahnliches nun vom Helme. „Friduhelm“ (entfprechend dem „frider 
ſchilt“) iſt ein altbohbeuticher Mannsname 306 und deren find noch 
manche mit shelm zuſammengeſetzt. Eigenthümlich nennt das Beowulfs⸗ 
Lied den Dänenkönig Hrobgar, Skiblds Entelfohn: Helm der Skildinge 307; 
eben diefer Skilding aber hat eine Frau vom Geſchlecht der Helminge 908 
und auch der Stammname Helm erjcheint unter ben Königen des Vidſid⸗ 
liedes 309, Wie nun weiter Jarnſtiöld ale Landvertheidiger beftellt iſt, 
ebenfo bat nad Hervörſaga Hialmar (Hialmheri), der Helmbeld, treue 
Landwehr gehalten und den König in mancher Lebensgefahr beſchützt 310, 


Hrölfs Gautrekss. C. 16 (Fornald. 8. 8, 114): „Pörir hat madr, henn 
var Öndugishöldr Hälfdänar konfngs; hann var bedi mikill ok sterkr; 
hann var kalladr iärnskiöldr, hann hafdi lengi verit par landvarnar- 
madr.“. (Öndugishöldr ift ein hoher Reichsbeamter, Statthalter, der feinen 
Pla mit auf dem Löniglihen Ehrenfite, öndvegi, hat; „ündvegishöldar 
konüngse“ Fornald. 8. 2, 261. 282. Ebend. 81: „hann (Starkadr) var 
öndugismadr hans (konfings) ok rädgiafi ok landvarnarmadr;“ zu önd- 
vegi fonft ebend. Sachreg. 76856.) Obgleich in den romanbaften Theil der 
Gautrelsfega verwoben, fheint doch Jarnſkliöld eine ſchon überlieferte Sagen⸗ 
geftalt zu fein, er ſcheut den Kampf und ſteht danıit zu den fireitgierigen 
Berferten bes Königs Harald im Gegenſatz; hieher trifft noch die Stelle der 
Gage (3, 183): „Rölfe koniingr melti PA: Pas setla ek, Pörir felagi, 
at skiöldr pinn hafl litla vörn veitt konfingemönnum.“ In Sörla Pättr 
iR es Jarnſtlöſds nachgelaffenes Echwert, mit dem Ivar Lidmi auf Haey 
Rachtwache hält und dem geſpenſtiſchen Högni (Inhaber des Fluchſchwerts 
Dainsleif, |. ob. Anm. 268) das Hanpt fpaltet (Fornald. 8. 1, 405): „Ivar 
liömi Atti vörd at halda bessa nätt. En er allir menn vorn sofnadir 
& skipum, tök Ivar sverdit, er att hafdi Järnekiöldr (a. à Heidar- 
skögi), en borsteinn, son hans, hafdi gefit honum ok öll herkledi sin, 
ok gekk uppä eyna.“ (Zu fchiltwahte j. Biemann 361 a. Rechtsalterthümer 
956, 251.) 

6 Trad. Wizenb. Nr. 27: „friduhelm.“ Neugart, cod. dipl. Alem. 
Nr. 829 (a. 849): „Fridihelm.“ Cod. Lauresh. Nr. 1075: „Fridehelm“, 
ebenjo Ar. 15%. 

0 Beow. S. 30: „Hrödgar madelöde heim Scyldinga“, ebenfo ©. 37. 
Hilwir Belannter Auedrud der Staldenfpradhe für König, Sn. 191. 

8 Ebd. S. 49: „ides Helminga;“ vergl. „ides Scildinge“ („dis Skiöld- 
ünga“ Sem. 169a. 2004. Myth. 373 f.). 

9 Cod. exon. 320, 15: „Helm (veold) Vulingum.“ 

310 Fornald. 8. 1, 418 fagt Sialmar: „ek befi u. ſ. w. haldit her land- 
rörn.“ (In Rafns Überf. 1, 824 find „de tvende kemper og Landveerns- 








104 


Er ift, laut der Saga von Orvarodd, in Gemeinschaft mit diefem, ein 
raftlofer Vertilger räuberifcher Wilinge und bat für fi und feine Fahrt⸗ 
genofjen Geſetze milderer Gefittung, welche fireng verbieten, den Wöl⸗ 
fen gleich rohes Fleifch zu eſſen oder Blut zu trinken, Kaufleute und 
Bauern meiter zu berauben, als für den Schiffbevarf durchaus nötbig 
ift und doch gegen vollen Erſatz, Yrauen am Lande zu plünbern oder 
gewaltfam auf die Schiffe zu führen 311, Bei der Werbung um Ingi⸗ 
biörg hält Hialmar fein Gefuch für gegiemender, ala das der Berferke, 
bie nur Übles in diefem Reiche und an vielen andern Rönigen gethan; 
die Königstochter felbft enticheibet fich für Denjenigen, der ihr einzig in 
Gutem befannt ift?12, Nachmals will Sialmar nicht einmal in ben 
Grabbügel zu ſolchen Unholden gelegt fein 313, Nicht umfonft ift es 
das fruchtbare Upjalaland, das Hialmar zu mahren hat; der König 
Ungvi und feine Tochter Ingibiörg gehören auch den Namen nach zum 
Geſchlecht der Ynglinge, deſſen Friedens- und Segenszeit ſchon oben 
in Betracht kam 314, Im ſittlichen Gegenſatze des milden Hialmars zu 


meend“ wohl ein erläuternder Beiſatz) Ebd. 516: „ok 1 mörgum lifehäska 
fyrir ydr verit.*“ Auch der einfache Name Hielmr fommt in nordifhen Sagen 
vor, in einer für diefelbe Perſon abwechſelnd mit Hialmar (Fornald. 8. 3, 
696 5); Letzteres auch umter den Namen der Serlünige Su. 209a. 

211 Fornald. 8. 2, 194. 525 f. Kafn. 2, 174 f.); gegen diefe „vikin- 
galög“ find diejenigen kriegerifcher, welchen Hälfs Reden folgten, Fornald. 8. 2, 
36 f. 53 f., vergl. 3, 351: „herja at rettum vikingalögam.“ Sagabibl. 3, 
63 f. 70 f. Vergl. Seem, 1590: „ok hafdi Par strandhögg, ok ätu par 
rätt.“ Ebd. 160, 6 f. 

3% Fornald. 8. 1, 418: „er bat mukiigra, at ber veitid mör bessa 
bon, heldr enn berserknum, er 1llt eitt hefir giört bedi 1 ydar riki ok 
margra annarra konünga.“ (516: „pikkist ek ok makligri mina ben at 
Piggja, enn berserkir bessir, er hverjum manni gera illt.“) 419: „pa will 
hün bann eiga, er henni er kunnigr at gödu, en eigi hinn, er hün hefir 
sögur einar af, ok allar illar, sem er frâ Arngrims sonum.“ 516: „pa 
vil ek ann eiga, er mör er ddr kunnigr at gödum lutum, en eigi hann, 
er ek hefir ekki af annat, enn sögur einar, ok allar illar,“ 

813 Ebd. 2, 221: „Nü vil ek bess bidja bik, sagdi Hiälmarr vid Odd, 
at DA lätir mik eigi verda lagdan i haug hiä sv& illum vettam, sem 
berserkirnir eru, fyri vi ek bikjumst miklu betr at mer enn heir.“ 

34 Statt Mngvi wird der König in andrer Lesart Ingialdr genannt, 
beides in Vogl. S., doch ohne Beziehung bieher, Namen von Upfalafönigen. 
Örvarodds 8. nennt ihn nad) der einen Faſſung Ingialdr enn illrädi (2, 524 fi. 


105 


dem tobenven Berferk ift jedoch ver urſprüngliche und unmittelbare bes 
Helmes zum Schilde nicht verloren. Schon - daß Hialmar gewöhnlich 
in voller Rüſtung, wie in ber Feldſchlacht, einhergeht, zeichnet ihn als 
Mann der Schutzwaffe 315. Er bat eine Brünne mit vierfachen Ringen, 
in ber er nie zubor verwundet worden 316, während fein Gegner ohne 
Harniſch, einzig dem Fluchſchwerte wertrauend, in den Kampf rennt 317, 
Auf den Helm befonvers ift das Schwert gemünzt; ſtaldiſch heißt es: 
Helmsfeuer 38. So fährt denn auch der flammende Tyrfing in Hial 
mars Helm. „Dein Helm ift gerhbauen”, jagt Odd, „und bie tiefe 
Brünne, nun fährt auch dein Leben Hin” 319. Sechszehn Wunden hat 
Hialmar und fterbend bittet er den Freund, Helm und Brünne zum 
Wahrzeichen in des Königs Halle zu tragen, die Befinnung werde ber 
Königstochter vergehen, wenn fie den Schirm vor der Bruft zerhauen 
ſehe 2ꝛ20. Wirklich legt Odd hernach Brünne und Helm des Erſchlagenen 
auf den Eftrih vor den König nieder 921, Der Poefie des wilblodernden 
Kampfmuths gegenüber, die an den Schwertmännern fich entfaltet und 
im Beichwörungslied ihren höchften Schwung nimmt, ift der milde Geift, 
der überall um Hialmar weht, gefühlvoll im Abjchiedsgefange des edel 
Helven bargelegt: fünf Höfe bat er daheim, in feines Vaters Halle 
vgl. Yngl. S. 6. 38), nach der andern frembartig Hlödverr (2, 191 fi... Ter 
Name Ingibiörg geht durch alle Darftellungen. 

315 Fornald. 8. 2, 210: „Hiälmarr var sv& vanr at ganga, at hann 
hafdi öll herkledi sta, bau sem hann hafli 1 bardögum.“ 

s16 Ebd. 215: „pviat ek hefi brynja pä, er ek hefir aldri sär 1 fengit, 
hün er sett ferföldum hringum.* 

317 Ebd.: „en ek hefi sverd bat, er Tyrfingr heitir, ok dvergar smi- 
dudu, ok bötu, at hvergi skyldi 1 höggi stad nema, hvort fyrir eru iärn 
edr steinar.“ 

318 Sn. 162: „hißims-elldr*, aber auch „brynju-elldr.* 

319 Fornald, 1, 426: „hiälmr Pinn er höggvinn ok & hlid (in stda) 
brynje, nü tel (a. kved) ek flörvi ok farit binn“ (vergl, 2, 216). 

20 Ebd. 2, 218: „Berr pü til synie, sd er minn vili, hiälm ok brynju 
1 Böll konüngs; hugr mun gängast hilmis döltur, er hün höggna str hlif 
fyri briösti.“ (Berg. 2, 121.) 

“1 Ebd. 2, 228: „Hann gengr inn 1 höllina, ok hefir brynju Hiäl- 
mars 1 hendi ser, ok svä hiälm hans, ok leggr nidr & hallargölfit fyri 
konfingi.“ Weiterhin bei der Beſtattung 223 f.: „p& er fram borinn hiklmr 
ok brynja, er Hiälmarr hafdi &tt, ok Pikir mönnum mikils verdt um 
afrek hans, ok hv& mikit honum hefdi til fiörs verit,“ 


106 


trinken ftattlihe Hausmänner Meet und Bier im Überfluß (wieder bie 
Fülle des befrieveten Landes 922), während er auf Samsey vom Schwerte 
zerhauen liegt; von holden Freunden, vom ſchönen Gejange ber Mädchen 
ift er hinweggefahren; Ingibiörg hat vorausgefagt, daß er nicht wieder⸗ 
fehren werbe, und jebt ſendet er ihr den golbrothen Ring von feiner 
Hand; fchon fieht er den Raben vom Baume fliegen und ihm nach ben 
Adler, der fein Blut koſten wird. Aber ber treue Gefährte nimmt vie 
Leiche auf den Rüden, trägt fie zu Schiffe und läßt fe vor der Königs: 
balle nieder; ber jungen Ingibiörg Bringt er den Ring und gebrochnen 
Herzen? finkt fie in den Stuhl zurüd;. da legt er fie dem Todten in ben 
Arm und beibe werben in Einem Hügel beftattet 323, Ein altes Vorbild 
rührender Balladendichtung. 

Sagen vom Pfeile find heimisch in dem norwegiſchen Geſchlechte, 
welchem Orvarodd beigezählt wir. Dieſer hat drei anererbte Finnen⸗ 
pfeile, die, goldbefiedert oder goldgeröhrt, von ſelbſt auf die Sehne 
zurück fliegen, auch Alles treffen, worauf fie gewieſen find, denn fie 
find von Zwergen gejchmievet 32%. Von ihnen kommt aud) Odds Bei 
name 325, Gleichwohl hat er fie gerade beim Streit auf Samsey im 
Schiffe zurüdgelaffen und erfchlägt bie eilf Berjerke, die ihm als Kampf: 
theil zugewiefen find, mit dem Blode, den er eben im Walde gehauen, 
um baraus ftatt des zerbrochenen Steuerrubers ein neues zu zimmern 32%, 


2 Zu „medir marga munngät firda“ vergl. das genher „pik kved 
ek m&da margar undir.“ 

223 Fornald. 8. 1, 426 ff. (vergl. 1, 427.) 2, 216 ff., am letztern Orie 
Ovaroddsſ.) ift die Erzählung ausführlicher. 

34 Fornald. 8. 2, 173: „Oddr frendi! sagdi Grimr (Odda Bater), 
bat era priär örver, en Per eiga nafn, ok eru kalladar Gusisnautar, 
Hann selr nd Oddi örvarnar; hann litr a, ok meelti: Petta eru hinar 
mestu gersimar; ber vorn gulii fidradar, ok per flugu siälfar af streng 
ok & ok Purfti aldri at leita Peirra. bessar örvar tök Ketill heengr (ber 
Großvater) af Gusi Finnakonüngi; Peer bita allt Pat, beim er til visat, 
Priat Peer eru dverga smidi.“ (Sie haben weibliche Namen: Flög (?), Hremss, 
Fifa, ebd. 122, vgl. Sn. 2160, Gr. 3, 444.) 2, 511: „ber vann ek(?) af 
Gusi Finnskonüngi, en ber munu siälfar fliüge eptr & streng, ok allt 
munu Per hitta, hat beim er atskotit u. |. w. feer voru gulli reyrdar.“ 

25 Ebd. 2, 186 f. 519 f. 

6 Die dentlichſte Meldung bei Saro 5, 658: „Quippe Hialmerus atque 
Arvaroddus, quorum jampridem abrupto gubernsculo tempestas navigis 


107 


Auch fonft kommt es in feinen Abenteuern vor, daß er fih, in Ermang- 
lung der Pfeile, zur Kampfführung eine Keule zurichtet 3277. Aber eben 
darum, weil er auf Samsehy ſich nicht feiner eigenften Waffe bebient, 
it er bier nicht Hauptlämpfer, fondern auf diefer Seite ift es Hialmar, 
ber fih mit dem Führer Tyrfings mißt; eine Gegnerſchaft, die ſoviel 
gilt, ald wenn Odd die andern Eilfe auf fih zu nehmen hat3?5, Im 


laceraverat, alterius excidendi gratia nemus ingressi, ligni rudem extenua- 
vere materiam eo usque truncum dolabris ambientes, donec navalis in- 
strumenti formam vastum robur indueret. Quod quum humeris impo- 
situm soc:s cladis ignari deferrent, ab Osurs filiis recenti oppressorum 
eruore madentibus lacessiti, duo cum pluribng fereo decernere coacti sunt 
uf. w. Qui (Arvaroddus) informem adhuc gubernaculi truncum incere- 
ditili libratum nisu tanta vi hostium adegit corporibus, ut duodecim(?) 
unico ejus impulsu contusos elideret.“ Während Herv. S. ganz hievon 
ſchweigt und ihm vielmehr ein gutes Schwert in die Hand gibt (Fornald. 8 
1, 425), läßt Örv. 8. die Helden erft nach MWerfholz ausgehn und dann den 
Srvarobb, der fein Schießzeug zurüdgelaffen und nur eine Art mitgenommen, 
beim Anblid der Berſerle in den Wald wiederkehren und ſich noch beſonders 
eine Keule bauen, Fornald. S. 2, 210: „Pat hefir atgengit um dagion & 
skipi Odds, at Ihüsasnotra hefir isundr gengit (a. hnisa hefir gengit af). 
En er morgun kemr, gänga peir & land upp, Oddr ok Hiälmarr', at höggva 
ser efnitrö u. |. w. Oddr hafdi eptirlätit örvameeli sitt at akipum nidri“ 
u. ſ. w. 211: „peir Oddr gänga ofan ok Hiälmaır frä mörkinni. Nü 
nemr Oddr stad, ok stingr vid Sötam“ u. f. w. 213: „bs meelti Oddr: 
Peita kemr eigi vel vid, sagdi hann, p̃riat örrameli mitt ok Logi 14 
eptir vid skip nidri, en ek hefi bastöxi eina 1 hendi u. |. w. Oddr gengr 
nü aptr 1 mörkina, ok höggr ser kylfu eina“ n. ſ. w. 215: „Nü gänga 
heir fyrat fram, Haddingjar tveir, en Oddr )Ystr sitt kylfuhögg hvora 
beirra, ok Burfa beir ekki fleiri.“ 

57 Namentlich vor einem Kampf in Biarmaland, zum Theil wörtlich) kim 
mend mit den zuletst ausgehobenen Etellen, 2, 177: „p& siingr Oddr vid fötum 
u.|.w. beir si& nü allir mannfiöldann. Eigi er Petta-allvel Akomit, sagdi 
Oddr, fyri pri at örvameli mitt er at skipum nidri; en nf mun ek snfa 
aptr at mörkinni, ok höggva mèr kylfu eina med bastöxi bessi, er ek hefhi 
it bendi u. f. w. en er hann kemr aptr, hefir hunn störs kylfu 1 hendi.“ 
Bergl. noch 2, 251. 291. 2.6, befonders die Worte: „p& kom Oddi 1 hug, 
at hann hafdi mikile mist, Par er Gusisnautar voru honum horfnir. 
Hann snfr b& iburt ür bardaganum ok 1 sköginn ok höpgr ser eina 
störa kylfu“ u. ſ. w. 

28 Ebd. 1, 423 f.: „peir Hiälmar sid, at Angantyr hefir Tyrfing 1 
hendinni, Dviat Iyeti af honum, sem sölargeisla. Hiälmar melü: hvort 


108 


Ganzen aber konnten Orvarodd und Hialmar nur als Vertreter ber 
Waffen, nad denen fie genannt find, fich als Jahrt: und Kampfgenoſſen 
zufammenfinden. Jener wirb, wie biefer, als Landſchutzmann bezeich⸗ 
net 329, er gebraucht (mie Herakles) Bogen und Keule hauptfächlich gegen 
gemeinſchädliche Ungethüme in Menfchen« und. Thiergeftalt. Iſt der 
Pfeil auch nicht wie der Helm bloße Schutzwaffe, fo dient er doch in 
ben Schükenfagen, mittelft feiner zwar binterkiftigen, aber fichern und 
fernhintreffenden Wirkſamleit, ald Helfer und Rächer des Unterbrüdten 
ober Alleinftehenben gegenüber dem Gewaltigen. Für jest ift von Pfeil: 
fagen nur noch das beizubringen, daß, wie ſchon Odds Pfeile Schmied» 
werd ber Zwerge find, fo von einem fpätern Abkömmling besfelben 
Stammes, An, dem Bogenbieger (bogsveigir 330), erzählt wirb, er habe 
am Waldbach einen Zwerg vom Steine weggebannt und dadurch ge 
nötbigt, innerhalb breier Nächte einen Bogen, nach dem Maß von Ans 
frübzeitiger Größe und Stärke, und dazu drei Pfeile zu ſchmieden, mit 
deren jedem er einen berühmten Meifterfchuß vollbringen jolle 391; gleich⸗ 
artig und vielleicht nur nachgeahmt der Eage, wie Tyrfing gewonnen 
warb, an dem bie drei Nidingswerke haften, aber ein weiteres Zeugnis, 
wie fehr man bedacht war, jeder befreundeten Waffenart mythiſche Weihe 
und höhere Bebeutfamleit zu verleihen. 

Es ergibt fi) aus dem Bisherigen die Ahnung einer umfafjenden 
Waffenfage, welche je in der beſondern Waffenart ein bebeutendes Le 
bensverhältnis, im Gegenſatz, Berein over Zujammenftoß verjchiedener 
Arten aber das Lebensganze eines waffenrüftigen Volles finnbilblich 


viltu heldr eiga vid Ängantfr einn, eda vid breedr hans 11? Oddr svarar: 
ek vil berjast vid Ängantfr, hann mun gefa stör högg med Tyrfingi, en 
ek träi betr skyrtu minni, enn brynju pinni til hiifdar. Hiälmar meelti: 
hvar kvämu vid par til orrostu, at bü gengir fram fyri mik; vilta bri 
berjast vid Ängantfr, at ber Pikkir bat meira prekvirki; nt em ek 
höfudsmadr bessarar hölmgängu u. ſ. w. ok skal ek berjast vid Ängan- 
tyr.“ Bergl. 2, 215. 

829 Ebd. 2, 536: „Oddr hefir nü landvörn fyri Gardartki.“ 

80 „Bogsveigir*, ben Anlaß bes Namens berichtet Äns Saga C. 3, ebd. 
2, 329 fi. GBergl. ebd. 2, 290: „Oddr sveigdi älm“ u. ſ. w. (Schriften 1, 
165. 7, 198. &.]) 

81 Fornald. 8. 2, 327. 338. ®ergl. den Drud der Saga bei Ziörner 
C. 3. [5. 743.] Der Zwerg beißt Litr, wie der im Mythus von Balbr, Sn. 66, 


109 


barftellte 372. Hervörfaga felbft, in der ſich biefer Ausblid öffnet, ift 
übrigens, wie fie vorliegt, gewis nicht aus Einem Guſſe berborgegangen, 
ed bat in ihr ein uralter mythiſcher Keim immer meitere Ringe ge 
trieben, näher ober ferner verwandte Überlieferungen murben dadurch 
angezogen und ſchließlich verlor fih in millfürlicher Anfpinnung und 
Fortdichtung der leitende Gedanke. Schauplatz ver Begebenheiten ift 
bauptfächlih das baltifhe Meer mit ben beibfeitigen Küftenlänbern. 
Den beftimmteften örtlichen Anhalt zeigt Die Saga in ihrem Mitteltheile, 
dem Streit auf Samsey, der Shen von Saro geſchildert iſt. Dorthin 
fahren die Arngrimsföhne, deren Heimat balb auf ein norwegiſches 
Eiland, bald nad Schweden verlegt wird 39%, Aus Schweden Tommt 
auch Hialmar, der Hüter biefes Landes, mit jeinem norwegischen Waffen 
bruder Orvarodd, und fo fehr Diefer felbft der Fabelwelt verfallen ift, 
werben boch ivenigftens die Namen feines Vaters und feines Ahns in 
einer geichichtlihen Saga angeftreift 294. In feiner eigenen wird an: 
geführt, daß Männer, die auf Samsey gewejen, bezeugen, man jehe 
bort noch die Hügel, die er aufgetworfen; auch fpätere Volksſage auf 


332 Die Shythen opferten tem Schwerte, Alinales (Herod. 4, 62), Wenn 
nun nah %. Grimma Forſchungen Skythes, der Stammvater ihrer Könige, 
Sohn des Herafles oder des Zeus ſelbſt, vom Geſchoſſe (PBlin. 7, 57: „arcum 
et sagittam Scythen, Jovis filium, invenisse dicunt“) und Balmoris, der von 
Stythen und Geten vergötterte Weile (auch Hialmar gibt Geſetze), muthmaßlich 
vom Helme den Namen bat (fib. Zornand. 25 f. Spradhg. 187 f. 219. 220 f. 
281. 771; vergl. no 222 f.: Styles, Stoloten, 460 f.: Baflarnen, Herod. 
4, 5: Targitaos, Or. 3, 445), jo würde ſchon bort ein meitgreifender Waffen⸗ 
muthus beftanden haben. Nah Jornandes C. 35 [S. 128] kam das ſtythiſche 
Schwert in Attilas Hand und auch auf deutſchem Boden (D. Myth. 186 f.) 
bat ich, wie Fiſchart es nennt, Etzels „hochgeadlet unglädichwerb” fagenhaft 
fortvererbt, D. Heſldenſ. 811 f.e Myth. 185 f. 

83 Fornald, 8. 1, 413: „A ey peirri & Hälogalandi, er Bölm het“ 
(vergl ebd. 514); auch „Bölmey* ebd. 417. 2, 212: „? Bölm austr.“ Das 
gegen bei Saro 5, 92: „Arngrimus, pugil Sreticus.“ Afzeliuß, Svenska 
Folkets Sago-häfder 1, 70: „Pä en ö i sjön Bolm i Smäland sutto en 
winter Arngrims tolf söner, alla grymma och wida ryktbara kämper. 
Mänga sügner och minnesmärken efter dem skola i det landet ännu 
finnas.“ 

4%. E. Müller, Sagabibt. 2, 528 f. Über Odd felbft ebd. 597 f.: 
„Orvarodd nævnes ei i nogen Genealogi uagtet det hed at mange skulde 
nedstemme fra hans islandske Datter (vergl. Fornald. 8. 2, 322. 559).“ 





110 


Samsey und Drtöbenennungen in Norwegen haben fein Gebächtnis 
bewahrt 335, Altnorbifches Gepräge bat vor allem auch der Verferlägang 
und die Grabbeſchwoörung. Das Meifte dagegen, was fonft diefem Holm: 
Iampfe vor» oder nachgeht, begibt fich, foweit es nicht dem gänzlich 
märchenhaften Reiche des Könige Godmund in Gläſisvellir angehört 3%, 
auf bem jenfeitigen Feftlande, in Garbareih und auf Albergjuborg 
(Rußland und Laboga 337), ſodann in dem ungewiſſen Reibgotalanb und 
auf deſſen Grenze gegen Hunaland. 

Diejen Gebieten, welche dem norbifchen Sagenſchreiber in unbe⸗ 
ſtimmter Vorſtellung lagen, iſt namentlich der Mythus vom Urſprung 
des Schwertes, ſowie gröſtentheils auch die Vollführung der daran 
haftenden Nidingswerke, zugewieſen und damit erlangt die bedeutſame 
Schwertſage in ihren Grundzügen ein allgemeiner germaniſches Heimatrecht. 

Für den nächſten Zweck gegenwärtiger Unterſuchung iſt es nun 
erheblich, daß eben in jenem den Keim des Ganzen in ſich ſchließenden 
Mythus der Name des erſten Erwerbers das Wort svafr an ber Stirne 


885 Fornald. S. 2, 222: '„ok er bat sagt af beim mönnum, er bar 
hafa komit, at enn siâi bess merki t dag, er Oddr giördi PA.“ Sag. 
Bibl. 2, 539: „Torfeeus anförer, hist. Norvag. P. 1, 274, at man til hans 
Tid viste i Omegnen af Gaarden Beruriodre baade Orvar Odds Höi og 
Faxes (eines Pferdes) Sö.* 2, 587: „Vi have altsaa Grund til at antage, 
at Kampen paa Samsö er et wldgammelt historiskt ved Sarge förtplantet 
Sagn. Gienklang heraf i det syttende Aarhundrede i de Minder, Sam- 
singerne havde om Orvaroddshöi og Brödregravene (Torfei series regum 
Dani® p. 35, 50. Thuras, Beskrivelse over Samsö 8. 70, danske Atlas, 
8. 257, Antiqvariske Annaler 1 B. 8. 36, 37). 

835 Über Godmund nnd fein Reich f. Sagabibl. 8, 247 ff. D. Muth. 
783 ®;, die Sage von ihm bedarf noch befondrer Forſchung. Im 1 Gap. ber 
Herd. S. bildet Godmund, der nah feinem Tode göttlich verehrt wird, mit 
feinem Sohne Höfund ebenfo die mythiſche Unterlage für die friedſame Richtung, 
wie der Stromriefe Hergrüum flir das Berſerkweſen; find Glesisvellir (Glanz 
wiefen), wie ich vermutbe, das milde Land bes Frühlings, fo iſt auch auf biefer 
Seite ein Naturmythus untergeflellt. Der Name Höfandr bebeutet einen oberſten 
Nichter (Fornald. 5.1, 58), Höfund iſt Gegenſatz feiner. ungeftiimen Gemahlin 
Hervör und hat den Ruhm bes weifen und unträglichen Urtbeilfpruchs (ebd. 
411 f. 513. 452 f. 526 f.), fo daß felbft auf feinen Sohn Heidrek, in dem bie 
zwiefpältige Sinnesart ber Eltern ſich befämpft, die Vorliebe für Geſetzgebung 
und Gericht übertragen wird (ebd. 462 f. 531 f.). 

37 Zeuß 546. 





111 


trägt. Die früheren Nachweiſe, daß damit das Schwert gemeint jet, 
werben beträchtlich verftärkt, wenn nunmehr basfelbe Wort an der Epike 
derjenigen Sage fteht, welche einzig und mit großer Vollſtändigkeit dem 
Weſen und Wirken des Schwertes gewidmet iſt. 

Neben dieſem Hauptnamen Svafrliomi lautet noch in der größeren 
Hervörjaga ber mweiblide Eigenname Sväva wie ein verfprengter vor- 
maliger Stabreim nad. Er ift zwei Frauen in verſchiedenen Theilen 
der Saga angeeignet. Svaͤva (a. Tdfo), die Tochter des Jarls Biartmar 
bon Albeigjuborg, ift eben nur burd ihre Verwandtſchaft mit den exften 
Befigern Tyrfings bemerkenswerth, mit Spaftrliomi im Namenlaut, mit 
Anganthr und Herbör ald Gattin und Mutter 338, Die zweite Späva 
tritt viel fpäter ein, zum lebten Theil der Saga, der auf einem ur: 
ſprünglich nicht zu biefer gehörenden, felbftändigen Sagengrunbe beruht. 
Bruder: und Berwandtenmord, zwei auf Tyrfing gelegte Nidingswexrke, 
find ſchon in Erfüllung gegangen. Heidrek, Hervörs Sohn, hat feinen 
mülderen Bruder, der auch Angantyr hieß, mit dem unheilvollen Schwert 
erichlagen 839, In der Verbannung kommt er hierauf zum König Harald 
von Neidgotaland und erhält für tapfere Dienftleiftung deſſen Tochter 
Helga zur Gemahlin, fammt dem Königsnamen und der Hälfte bes 
Reichs; ald aber nachmals ein Misjahr einfällt und gemeiflagt ift, es 
werbe nicht befler kommen, bevor nicht der vornehmfte Jüngling im 
Lande geopfert fei (vgl. Leo, Beow. 84), und als ein Schiebsrichter- 
ſpruch nicht den Sohn Haralds, fondern den Heibrels, für den erften 
erlennt, da willigt der Baier unter dem Bebing ein, baß bafür je ber 
zweite Mann Haralds in feine Gewalt gegeben und vereibet werde; 
ſobald nun dieß geichehen, erflärt er, Odin werde vollen Entgelt für 
einen Knaben erhalten, wenn dafür König Harald lomme mit feinem 
Sohn und feinem ganzen Heere, alsbald läßt er bie Heerbörner blafen, 
wendet die eben geivonnene Schaar gegen bie feines Schwähers und 
wütbet dermaßen mit Tyrfing, daß Harald, befien Sohn und ein großer 


338 Den ganzen Zuſammenhang gibt die erſte St des Beichmörungs- 
liebes, Fornald. 5. 1, 435 (vergl. 519): „Vakna Bü, Ängantsr! vekr Bik 
Hervör, einkadöttir ykkar Sväfu; seldu fir haugi hvassan meki, bann 
er Svafrlama slöu dvergar.“ 

539 Ebd. 1, 448 (vergl. 524): „br& hann pä Tyrfingi, ok hi6 Ängantf 
banahögg, uk vaon fyraetr nidingsverk med sverdinu.“ 


112 


Theil ihrer Mannſchaft fallen, worauf er mit dem Blute der Ber 
wandten die Altäre färben läßt und die Gefallenen indgefammt ftatt 
feines Sohnes dem Din gibt; Helga erhängt fi im Tempel, Die 
heibnifche Kriegsfitte, wie fie Schon bei Katten und Hermunburen bor- 
fam, das feindliche Heer den Göttern zu weihen, eignete fich fehr, unter 
die blutigen Werke des Schwertes aufgenommen zu werben, zum Nei—⸗ 
dingswerk aber wurbe fie erfi dadurch, daß fie gegen die Anverwandten 
gerichtet war 341. Nachdem dann auch das dritte biefer Werke durch 
den Meuchelmord an Heidrek felbft zum Vollzug gelommen, fo waren 
die Sluchgefchide Tyrfings gänzlich zum Ende geführt 242, Gleichwohl 
ift zum Schluſſe noch eine ausführliche Kriegsgeichichte herangezogen 
worden, in ivelcher ber mörberifche Kampf zwiſchen Brüdern und Ber 
wandten fich wiederholt und fteigert. Heidrek hatte auf einer Heerfahrt 
nad) Hunaland den dortigen König Humli befiegt und deflen Tochter 
Eväva ala Kebsweib hinweggeführt, bald aber fie in die Heimat zurüd: 
gefickt, wo fie einen Sohn, Hlödr oder Hlöbver, gebar, ber beim 
Mutternater aufgezogen wurde, Nach Heidreks Ermorbung folgte fein 
Sohn Anganthr, derſelbe, für den das Dpinsopfer gefallen war, als 
König der Reidgoten. Aber fein Halbbruder Hlöbr verlangte die Hälfte 
bed Erbes und als ihm Heibref nur ein Drittheil anbot, brach er, obs 
gleich erſt zmölfjäbrig, mit einem ungeheuren Hunenheere durch ben 
Grenzwald Myrkvid in das Land ber Neibgoten ein, wo er am Schluß 
einer zehntägigen Schlacht von feinem Bruder mit Tyrfing erfchlagen 

840 Ebd. 1, 451 fi. 526 f. befonbers 454: „Hann (Heidrekr) meelti P&: 
ov& lizt mèr, (at) goldit muni vera Odni fyrir cinn svein, ef har kemr 
fyrir Haraldr konüngr ok son hans, ok herr hans allr u. ſ. w. L2t 
Heidrekr konüngr bä riöda godastalla blödi Haralds konüngs ok Bälf- 
dänar, en fal Odni allan bann val, er bar hafdi fallit, til Arböter, 1 stad 
Änganifrs, sonar sins. Ok er Helga droitning freätti fall födur sins, 
fengu henni sv& mikils bessi tidendi, at hün heingdi sik i disarsal (a. 
disardal).“ 527: „kvedst hann petta fölk gefa Odni fyri sun sinn, ok 
let riöde stalla bIödi konfings ok Hälfdänar, sunar hans; kona hans för 
ser 1 disar sal.“ (Vergl. Yngl. S. C. 18.) 

341 Ebd. 454: „ok vard Heidrekr konüngr banamadr mäga sinna; 
er Pat talit annat nidingsverk unnit med Tyrfingi, eptir älögum dverg- 
sing.“ 

812 Ebd. 488: „er betta talit hit Pridja nidingsverk unnit med Tyr- 
fingi, eptir Pvi, sem dvergrinn hafdi fyrimelt, voru nü endut hau &lög.“ 





113 


wird 343, auch Humli ift umgelommen und bie Hunberttaufenve bes 
Hunenheers find bis auf wenige Hundert erfchlagen oder im Blut er: 
trunlen. Die Übertreibungen und Wiederholungen dieſes lebten Theils, 
in welchem auch eine neue Hervör, Schweſter Heibrels, mitkämpft und 
dad huniſche Heer dem Zorn und Epeerwurf Dbins überantwortet 
wird 344, Fönnten barin beitärfen, daß bier nur willlürlich zugebichtet 
fei, um die Gedichte des Fluchſchwerts mit einem Prachtitüde zu bes 
ſchließen, einer Hunenfchladt, ivoran berlömmlich die Vorftellung zahl 
lofer Heereömenge und maßlojen Blutvergießens gelnüpft war 3!d. Bei 


43 Diefen Brudermord rechnet Angantr nicht mehr dem Bwergflud, ſon⸗ 
dern dem Epruce der Rornen zu, Fornald. 8. 1, 506: „illr er dömr 
Borna.“ 

Hi Der greife Held Gizr reitet dem Hunenheer entgegen und ladet es auf 
das beſtimmte Schlachtfeld; dabei ruft er mit Sauter Stimme die Verwünſchun⸗ 
gen (ebd. 501 f.): „Felmtr er ydarr fylki, feigr er ydarr visir, greefr ydurr 
gunnfari, gramr er ydr Odinn u. f. w. ok lati sv& Odinn fleinn fliüge, 
sem ek fyrimeeli.“ 

5 So fon die Beichreibung der catalaunifhen Schlacht bei Jornandes 
€. 131: „Manu (manus) manibus congrediuntur, bellum atrox, mul- 
tiplex, immane, perlinex, cui simile nulla usquam narrat antiquitas, 
abi talia gesta referuntur, ut nihil esset, quod in vite sua conspieere 
potuisset egregius, qui hujus ıniracuali privaretur aspectu. Nam Bi senio- 
ribns credere fas est, rivulus memorati campi humili ripa prolabens, 
peremptorum vulneribus sanguine multo provectus, non actus (auetus) 
imbribus, ut solebat, sed liquore concitatus insolito, torrens factus est 
eruoriu augmento. Et quos illic coegit in aridam sitim vulnns inflictum, 
Auenta mixta clade traxerunt: ita constricti sorte miserabili sorbebant 
potantes sanguinem, quem fudere sauciati.* ©. 134 f.: „In hoc enim 
famosissimo et fortissimarum gentium bello_ab utrisque partibus elxij 
(elzv) millia cwsa referuntar, exceptis xe millibus Gepidarum et Fran- 
corum, qui ante congressionem publicam noctu sibi Occurrentes, mutuis 
eoncidere vulneribus, Francis pro Romanorum, Gepidis pro Hunnorum 
parte pugnantibus.“ Dietrichs Flucht 9247 ff.: „ih Han ez lazzen uz der 
zal, daz ich ez nymmer tar gefagen, jo wil (als) ir (der Hunen) da wart erjlagen. 
nu fecht, wie ein not dag was, (daz) velt, blumen und gras nur von blut(e) 
alles za! man fach die guzze hin ab gan als von dem regen tut ein pach; bie 
toten nieman vor (dem) biute ſach.“ (Ebd. 6560 f. 6574 fi. 8856 fi. 9072 f. 
9636 fi. Schlacht vor Naben 745. 750 f. 753.) Gare 5, 89: „Hac virium 
fiducia cum Hunis pugna conseritur. Cujus prima dies tanta interfecto- 
rum strage recruduit, ut precipui tres Ruscie fluvii, cadaveribus velut 

Ufland, Säriften. VII 8 





114 


allem dem ift auch biefer Theil der Saga reich an Zügen altertblim- 
licher Sitte, namentlich hat fich in den eingetwobenen Strophen, ſoviel 
auch hier überarbeitet und zugejet fein mag, ber Nachklang des ächten 
Heldenlieds erhalten, enblih, was das Wichtigfte, kann der Inhalt 
dieſes letzten Abſchnitts ſelbſt als anderwärts beglaubigt nachgemwiefen, 
wenn auch nicht mehr hinreichend aus der Verdunllung gehoben werben. 
Saro, der feine Stammiafeln mit Humblus und deſſen Eöhnen Dan 
und Angul beginnt und fofort mit Dan das bänifche Konigsgeſchlecht 
eröffnet, gibt diefem zwei mit einer hochgeitellten Deutfchen erzeugte 
Söhne, Humblus und Lotherus 34, und läßt erſt von lekterem ben 
fonft obenanftehenden Sliold abftammen. Die beiven Söhne Dans find 
gleihnamig mit Humli und Hlöbhr der Hervörſaga, aber aud mas 
bon ihnen erzählt wird, ift ein Bruberfrieg um bas väterliche Reich. 
Humblus wird nah bes Vaters Tobe zum König erloren; die Wäh—⸗ 
Ienden ſtehen auf Steinen, die im Boden befeftigt find. Bon feinem 
Bruder befriegt und gefangen, muß er fein Leben mit Abtretung bes 
Reiches erfaufen. Lother wird nachmals zur Strafe für feine Gewalt: 
thaten vom Volke getöbtet 317, Ynglingafaga C. 20 weiß von einem 
König Dan dem Hoffärtigen (mikilläti), nach welchem Dänemark (Dan- 


ponte conatrati, pervii ac meabiles fierent. Pıreterea quantum quis itineris 
per triduum equo conficere posset, tantum locorum humanis cadaveribus 
impletum videres. Adeo spatiosa cedis vestigia erant. Itaque prelio 
septem dies extracto, occidit rex Hun“ u. J. w. Und nun von der zehn- 
tägigen Hunenfchladit der Herv. S. 505: „nefna fornsögur eina bessa orro- 
atu mesta fyri nordan haf.“ 6508: „At morgni komanda ltr konfinge 
kanna valinn, ok fannst bar enginn lifandi madr, höfdu Beir allir druk- 
nat 1 biödinu, er sik b&ru eigi af vigvelli.“ 509: „ver bessi orrostu- 
stadr 8 milur 1 kriog, sem valrinn hafdi fallit; eör nü enn 1 dag merki 
til hauganna.* Die meiften diefer Schladdten werden von Gothen (Amelungen) 
und Hunen gefchlagen. [Bergl. Heldenf. 70 f.] 

46 Saro 1, 5: „Verum a Dan (ut fert antiquitas) regum nostrorum 
stemmata, ceu quodam derivata principio, splendido successionis ordine 
profluxerunt. Huic filii Humblus et Lotherus fuere, ex Grytha, sumne 
inter Theutones dignitatis matrona, suscepti,*“ 

7 Das Ganze bei Saro 1, 5. Die Stelle von der Königswahl: „Lec- 
tari regem veteres affixis humo saxis insistere suffragiaque promere con- 
suererant, subjectorum lapidum firmitate facti constantiam ominaturi. Quo 
rita Hamblus, decedente patre, novo patrie beneficio rex creatus“ u. f. m. 


115 


mörk) genannt ift; hier erfcheint er aber ald Sohn des Könige Danp, 
deſſen Bater Rigr heißt, Im Eddaliede von Nig, der, ein irdiſch 
wanbernder Gott, die verſchiedenen Stände zeugt, werben bie ftabrei: 
menden Danr und Danpr nicht genenlogifch, fondern nur als Tampf- 
rüftige Beſitzer Toftbarer Hallen und hohen Stammabelgut3 (ödal) 
angezogen 349. Dampstadir, auch Stadir Dampar, Damps Stätten, 
wird in Herbörfaga die Hauptburg Neidgotlands genannt; Hlöd ver: 
langt von feinem Bruder mit andrem Halbtheil den herrlihen Wald 
Myrkoid und den glänzenden (berühmten) Stein auf Damps Stätten, die 
halben Heerburgen Heidrels, der Etein am Königsſitze bezeichnet aber 
doch wohl die oberfte Gerichts: und Verfammlungsftätte und gemahnt 
an die Dingfteine bei Saxo ꝰoo. Wieder in einem Eddaliede läßt der 


% Yngl. 8. C. 20. Eine Stammtafel in Fornald. S. 2, 12 gebentt 
„Dans ens mikilläta® erſt im adten Gliede abwärts von Skibld, ohne Er- 
wähnung Danps. Bergl. J. Grimm, Sprachg. 732 4. 

59 Sem. 1065 (Mund 665): „Ä Danr ok Danpr dfrar hallir, adra 
ödal en ber hafit“ u. ſ. w. 

550 Fornald. 8. 1, 490: „Sidan l&t hann efna veizlu mikla & heim 
be, er Deampstadir heita (a. Dauparstödum) i Arheimum, er sumir kalla 
Ernar herad, var bat höfudborg & Reidgotalandi 1 Pann tima, ok drakk 
Dar erfi eptir födur sinn.“ 493: „hrisi bvt hina meta (a. hıris Pat it 
mera), er Myrkvidr heitir“ u. |. w. „Steinn Dann hinn fagra (a. mers) & 
stödum Damptar (a. Dampar), hälfar herborgir, er Heidrekr atti.“ Über 
Steine am Gerichtsort, zur Königswahl und als Königaftuhl |. Rechtsalt. 
802 fi. 286 f. 242 f. Fornald. 8. 1, 57 f., Stephanli not. ©. 29. Die 
mehreren Steine bei Saro und der eine in Herv. 8. vermitteln fi) dadurch, 
daf die Wählerfleine den Königsftein umgaben, |. Stephan. 1. c. „Ceeterum 
ejusmodi saxa, que ‘ut plurimum duodecim fuerunt, hodieque multis in 
locis apud nos conspiciuntur; in Swlandia nostra prope Lethram, vulgo 
Leire, eivitatem olim .regiam, locus extat kongsstolen, seu sedes regia, 
grandi saxo inter reliqua conspicuus, qui eligendo regi olim fuit depu- 
tstus, et etiiamnum seniorum hac de re relationibus nobilitatus u, |. w. 
Parilis exemplum ritus in Svetica extat historie. Nam extra civitatem 
Upsalensem, ad unum milliare, in plano campo situs fait lapis, quem 
morasteen (vergl. steinn hinn meera) appellant, regi® electioni ab anti- 
quissimo tempore dedicatus.“ Olai Magni Historia I. 8. ce. 1 (&. 239): 
„unde non procul est lapis campestris amplus, ab incolis perpetuo tem- 
pore Morasten appellatus, in circuita duodecim continens lapides paulo 
minori forma humi firmatos: in quo loco predisti senatores, seu regni 


116 


Hunenkönig Atli feine Schmäger durch einen Eenbboten zu ſich laden, 
er verfpricht ihnen große Koftbarkeiten und die Etätten Danps (stadi 
Danper), aud den berühmten Wald Myrkvid; durch diefen, den aud 
der Bote durchzogen, und über die Hunmarf reiten dann die Niflunge 
in Atlis Land 391. Hier alfo gleihfalle Danps Stätten und, faft wört— 
did; mit Hervörſaga, der Grenzwald Myrkvid, aber Beides zu bunifcher 
Herrſchaft gehörend. Zulebt eine merkwürdige Stelle des angelſächſiſchen 
Liedes vom Wanderer; biefes Gedicht, wie ein andres berfelben Sprache, 
nennt Hunen und Hredgoten zufammen, ber lettere Vollename wird 
aber gleihbeveutend mit dem einfachern Hräben (Hreedas) gebraudt; 
wenn nun der vielgewanderte Eänger jagt: „Wulfhere bejucht' ich und 
Mormbere, jelten ruhte dort der Kampf, da der Hräben Heer mit harten 
Schwertern um den Weichſelwald den alten Erbftuhl vor Atlas Volke 
vertheidigen mujte” 352, fo ift dieſer Wyrmhere (ahd. Wurmbari) Tein 
andrer, als der Jarl Ormar 859 der Hervörſaga, der gleichermweife mit 
feiner Pflegbefohlenen, der jüngern Hervör, zur Grenzhut Reidgotlands 
gegen das Hunenheer am Walde Myrlkvid beftellt ift, die blutigen 
Schlachten zwiſchen Reidgoten und Hunen mitlämpft und darin unter: 
gebt 354, 


eonailiarii ac uuntii confluere solent.“ Scheffer, Ups. antiqua ©. 812 
(R. U. 256): „stabat ergo noviter electus rex in lapide, stabatque non nisu 
proprio, sed consensu manibusque procerum in eum sublevatus.“ 

201 Sem. 244, 5: „störar meidmar ok stadi Danpar, hris Pat it 
moera (vergl. Anm. 350), er medr Myrkvid kalla.“ 246, 13: „Myrkvid inn 
ökunna (vergl. 244, 8), hristisk öll Hänmörk“ u. |. w. Letteres kann auch 
Hunwalb bedeuten. 

3%2 Cod. exon. 825, 29 fj.: „Vulfhere söhte ic and Vyrmbhere, ful 
oft Pär vig ne äläg, bonne Hraeda here höardur sveordum ymb Vistla- 
vudu verga scöoldon £aldne &delstöl Ällan Jösdum.* Zu Edelstöl vergl. 
Dans und Damts „Ödal“ in Rigsm. 45 und „steinn bann hinn fagra & 
stödum Damptar® in Herv. 8., fodann was in Anm. 350 über den Könige 
ſtuhl Hei Leire beigebracht ift, ferner Rechtsalt. 243: „Der ſchwediſche Konüngs- 
s:öll lag bei Upfala. Olaf d. Heil. Saga GC. 76.” Über dal (ab. uodal, 
agf. Edel) fiberhaupt R. A. 265. 492. (Graff 1, 144.) 

353 J. Grimm in Beitfehr. f. d. Alt. 3, 143. Trad. Wizenb. 61: „uuorm- 
herius" 2021: „uuurmharii“; Neugart 659: „Wurmhari“, ebenfo 109. 247. 

81 Fornald. 8. 1, 496: „Sem bessi herr kom saman, rida peir & 
skög Bann, er Myrkvidr heitir; hann skilr Hänaland ok Reidgotaland 


117 


Sn der Ahnenreihe bei Saro fallen Dan und Angul dem Gebraude 
beim, aus dem Namen eines Volls oder Gefchlechts den des Stamm: 
vaters zu bilden. Ihnen zunächſt verbunden find Humblus und Grytha, 
wabrfcheinlich durch Vermiſchung gotbiicher mit däniſcher Stammjage °°°. 
Humblus, bier der Vater Dans und Anguls, gemahnt an Humal, mie 
in ber gothiſchen Stammtafel bei Jornandes, nach einer der ſchwankenden 
Lesartn, der Sohn Gauts (berihtigt aus Gapt), des Urvaters ber 
Amaler, genannt iſt 956 Grytha, die bei Saro mit Tan vermählt und 
als eine Frau von höchſter Würde unter den Deutfchen bezeichnet ift, 
eignet ſich in derfelben Namengattung, wie Dan und Angul, zur Ber: 
treterin des einft gewaltigen oftgothilchen Vollsnamens der Greuthunge 837, 
Der Rame Humblus wiederholt fi fogleih am älteren Sohne Dans 


(a. Gotaland). En sem peir komu af sköginum, bä voru elättir vellir 
ok bygdir störar, en & völlanum stöd borg ein fögur; Par red fyrir 
Herrör, systir Augant$re ok Hlödvers, ok med henni Ormar, föstri ben- 
nar; voru bau sett Par til landgezlu fyrir her Häua, höfdu bau har 
mikit lid.“ | 

55 Mag nun hiebei noch einftiger genauer Verband der Dänen mit ben 
zur Weichfel vorgerüdten Gothen (Sprachg. 734) durchſcheinen oder dazu alt- 
Rbliche Aufzäglungen namhafter Könige und Heiden verſchiedener Vollsſtämme 
Anlaß gegeben haben, dergleichen nad im Vidſidslied, in Hernörfaga (Fornald. 
8.1, 490), aud) für Götternamen (Fornm. 8. 5, 238), vorliegen, oder felbft 
nur einzelne Antfänge wie Danr, Danptr, Dampstadir. 

36 Jornaud. ©. 87. D. Mythol. (1) Anh. XXV f. (2) 345. 

337 über die Greuthungi f. Ammian. 31, 3 f. Zeuß 407 (altn. Grftingr 
Heimskr. 1, 9. 134. 272). J. Grimm, Eprachg. 448 f. Wäre Humbli = 
Amala (Stephan. ad Sax. 28 5. Miller om Saxo 16) und Hlödr = Reidr 
zu nehmen, fo hätten ſämmtliche Hauptnamen das gleiche Gepräge, Tas auch 
ſchon im Ostrogotha bei Jornand. (S. 87. 88: „incertum, utrum ab ipaius 
nomine, an a loco orientali dieti sunt Oſttrogothæ,“ vergl. Spracdhg. 442 u. 
445 ob.) zu Tage ſteht; der Bruderzwiſt wiirde zu einem Streit um die Herr- 
ſchaft zwifchen zmei verwandten Böllern. Das Ehwanten in dem altnord. Reid-, 
dem angel. Hred-, Hr&d-, Hred-, fodann im Mannsnamen ſelbſt zwifchen 
Hlödr, Hlödver, Lödver (®en. Hlödves), Hlödverr (@en. Hlödvers), gibt 
allerdings für biefen Namen freiere Hand und läßt die Vermuthung zu, daß 
die Wandlung in Hlödr durch Einwirkung eines fräntifchen Chlod- (Chlodoveus, 
Clothahar,, vergl. Zeitfchr. f. d. Alterth. 6, 488) herbeigeführt fei, wie denn 
Hiödver gerne mit Kiar, König in Walland, zuſammengebracht wird. (Seem. 133, 
135, 15 und in Herv. 8, jelbft, Fornald. S. 1, 490; vergl. Sem. 234, 25. 
245, 7. Su. 19%. Fornald. 8. 2, 11.) 


118 


und Orythas, dem Bruder Lothers, und mag wohl auch urfprünglicher 
fein, als der aus dem vorbern Theile der Hervörſaga in den letzten 
berübergenommene Angantyr; ber ältere Humbli erfcheint auch in ber 
Saga als Großvater Hlöds, nicht zugleih Angantyrs, if} aber zum 
Hunenfürften verjhoben. Die Verlegung bes Bruberitreit3 nah Däne⸗ 
mark ift eine Folge der Stammtafel, wie Saro dieje in däniſchem Sinne 
zufammengefeßt bat 398, Dem gegenüber behauptet die Eaga den Schau⸗ 
platz auf gothiſchem Gebiet, in Reidgotland, und ihr fommt biebei das 
Zeugnis des angeljächfifchen Gedichtes zu Statten. Über die Lage von 
Reidgotland find zwar die Angaben nicht einbellig, aber nad) der ganzen 
Anſchauung der Herbörfaga gehört dasſelbe dem norböftlichen Deutſch⸗ 
land an und genauer noch beftimmt das Wandererslied den Weichfel: 
wald als Grenze zwifchen den Hräben, gleichbedeutend mit Hredhgoten, 
und dem Volle Atlas, den Hunen 35%, Daß jemals in biefer Gegend 
Gothen und Hunen zufammengrenzten, läßt fich keineswegs gefchichtlich 
zurechtlegen, dieß ift jevoch fein Hindernis, in Humlis und Hlöds Erb: 
zwiſt eine oftgothifche Sage anzunehmen. Bon der Überwältigung des 
großen Gothenreiches unter Ermanarich durch die Hunnen und ber Ber: 
widlung ber Dftgothen in Attilas Heerzüge her ift auch in ber deutichen 
Amelungenfage die Kampfbetheiligung der Hunnen ftänbig geworden. 
Abgefehen vom Verhältnis zu den Hunnen, ift gotbifche Anfievlung am 


38 Alte däniiche Ortsnamen, mit Humble- zufammengefegt, können biebei 
eingewirkt haben (vergl. Müller om Saxo 16, Stephan. not. 28a), haben aber 
wohl leine andre Bedeutung als die deutfhen: Hummelberg, Hummelwald (ahd. 
humbal, apis, ſchwed. humla, dän. humle, Hummel). 

9 Größere Hero. S. (Fornald. 8.1, 509): „Er Pat sagt, at Reidgota- 
land ok Hünaland se nü Ppydskaland kallat. PYdskaland er talit 12 konfiu- 
gartki, sem Norvegr.“ Die Meinere dagegen (ebend. 526): „A Reidgotaland, 
Pat heitir nü Jütland;“ ebenfo Sn. Form. 14: „pat heitir nü Jötland er Pa 
var kallat Reidgotalaud.*“ Anders und gegenfägli Sn. 195: „l Bann tima 
v&r kallat allt meginland (Feſtland) hat er hann (Odinn) ätti Reidgotaland, 
en eyjer allar Eygotaland: Pat er nü kallat Danaveldi oc Sviaveldi.* 
Fornald. 8. 1, 347: „Selund ok Reidgotaland, Eygotaland ok Eyland.* 
(Ebend. 355: „Reidgotaland ok Vindland.“ (Vergl. ebend. 366. 368.) Yagl. 
8. ©. 21 gebraudt für Reidgotaland auch einfach Gotland. S. hieher 
Zeuß 500. J. Grimm, Sprachg. 788. 740 f., wo auch über die angelſächfiſchen 
Hrödgotan, Hredas, Hredas und ihre Bufammenftellung mit den Hünas, 
vergl. Andr. u. El. XXII. 





119 


Dfifeeftrand und an ber Weichfel frühzeitig bezeugt. An diefem Strome, 
auf deſſen Dftufer, wohnten nah Ptolemäus, um bie Mitte bes 
2ten Jahrh. n. Ehr., die Gythonen 39%. Zwei Jahrhunderte fpäter 
ſcheint derſelbe Strom die weftliche Grenze der Herrichaft Ermanarichs 
geweſen zu fein 361, Namentlib bat Lebterer, nach Jornandes, ba 
Bolt der Aftier, am Ianggeftredten Strande bes germanifchen Meeres, 
fih unterworfen 362 und von biefer Eroberung der Bernſteinküſte hat 
fih ein merkwürbiger Nachglanz in gothiſcher Geſchichte und Eage fort 
erhalten. Nachdem längſt aller ftaatliche Verband nelöft war, brachten 
äftifhe Geſandte noch dem ofigothifchen Dietrih Bernftein zum Ge 
ſchenle nach dem fernen Italien 36%. Aber auch Ermenrichs fagenhafter 
Schatz mit feinen koſtbaren Kleinoden weiſt auf eben dieſe Fundgrube 
glänzenden Schmuckwerks zurück 804. Bon dieſem nordöſtlichen Stand⸗ 


0 Ptolem. (160 n. Chr. Aſchb. 2) 8, 5: „map miv row Ovisrovkav 
neramo» uno vous Oisidag, Tvdaneg. Biel älter if die Meldung des Pytheas 
(um 320 v. Ehr. Aſchb. ebend.) bei Plinins, hist. nat. 37, 2: „Pytheas Qutto- 
nibus, Germanie genti, accoli æstuarium oceani affirmat, Mentonomon 
nomine, apatio stadigrum sex millium, ab hoc diei navigatione abesse 
insulam Abelum; illue vero flactibus advehi (suceinum) et esse concreti 
maris purgamentum“ n. ſ. w. Mascon 1, 248. Beuß 135 f. 402 ob. Aſch⸗ 
ba, Geſch. d. Weflgoth. 2. 21 ob. 

#1 Jornandes jagt von Ermanarih (S. 102): „omnibusyue Scythie et 
Germanise nationibus ac si propriis laboribus imperavit.“ Das eigentliche 
Dfigothenreich aber if ihm in Scythien und des Ichtern Weſtgrenze gegen 
Germanien die Weichſel (&. 69): „Heec inquam patria, id est Scythia, longe 
ve tendens lateque aperiens, babet u. j. w. ab occidente Germaniam et 
Aumen Vistule“ (&. 64: „Germaniam Scythiamque determinans“, vergl. 
noh ©. 70). Zeuß 598 u., f. 

2 Jornandes ©. 102: „Aestiorum qguoque similiter nationem, qui 
Jongissima ripa oceani germanici insident, idem ipse prudentie virtute 
subegit.“ Hierauf wird ſichtlich großes Gewicht gelegt‘, indem unmittelbar bie 
in Anın. 861 ausgehobene Stelle: „omnibusque ... imperavit“ angehängt if. 

ss S. das Dankſchreiben in Cafſiod. var. 5, 2 (S. 262): „Hestis 
Thbeod. sex“ u. |. w. Darin wird das succinum beichrieben: „fit enim 
sudatile metallum teneritudo (teneritudine) perspicua, modo croceo colore 
rubens, modo fiammea clarilate pinguescens,* 

Im Beomwulfstiede wird ein koſtbarer Halsring dem Kleinod in Egrmen- 
richs Horte, dem Halsfhmud der Brofinge („Brosinga mene“), verglichen 
Beow. ©. 91 f. Eıtmüller 114. Heldenſage 17), unter dieſem aber til 











120 


punft aus begreift es fich zugleich, wie gerade nur Ermantich in bie 
altnorbifche Dichtung und Eage tiefer und lebendiges eingebrungen ift 365, 
während Dietrih von Bern biefelbe nur fpät und äußerlich berührt. 
Im Vidſidsliede nun beißt Eormanrif gleichmäßig Hreblönig und König 
der Gothen 66. Durch Beiziehung der Hunnen mufte ſich die Stellung 
der Völker verwirren. Herbörfaga und das angelſächſiſche Lied ſetzen 
öftlih, auf das rechte Weichfelufer, die Hunnen, weſtlich und auf bas 
linfe Ufer die Reidgoten, Hräden. In der Wirklichkeit hat man fid 
für bie Zeit, in welcher gothiſche Bevölkerung und Herrſchaft an die 
Weichſel reichte, weſtlich angrenzenb ſueviſche Völlerfchaften zu denken. 
In der Saga jelbft ift nur fomweit eine Berichtigung angebeutet, als 


wohl nichts Andres verftanden, als eben der leuchterive Bernftein, der Schmud 
der Pruſe (monile Prusoram); denn Prus (Altpreußen) ift jlavifcher Name 
der Aiften (Zeuß 670 ff.). So if auch Freyjas Halsſchmuck Brisinga (fatt 
Brysinga) men aus Vernfteingefhmeide zu nehmen und es erklärt ſich damit, 
weshalb Heimdall unt Loki um diefen Schmuck in Seehuntsgeftalt bei ven 
Klippen miteinander kämpften (Sn. 105); die ſinnbildliche Bebeutung fällt darum 
nicht hinweg. Saro erzählt (8, 156): „Jarmericus itaque tot gentium ma- 
nubiis locupletatus, ut tutum pred® domicilium compararet, in editis- 
sima rupe mirifico opere sedem molitur;* vorher aber hieß es: „Sembonun, 
Caretum, compluriumque orientis gentium cladem exercuit.“ ür bie 
kuriſche Nehrung hält man namentlich die Inſel Abalus und für das friſche 
Haf (vergl. Olen, Naturgeich. 1, 314. Beuß 135. 269. Epracdg. 718) jenes 
„®stuarium oceani, Mentonomon nomine“, Hei Plinius nah Pytheas 
(Anm. 860); auf eine zuverläfjige Deutung des letztern Namens iſt nun freilich 
zu verzichten, doch eriunert er weniger an men, als an das goth. maihms 
(donum, res.pretiosa) m., altj. medom, m&dombhord, agſ. madum (gaza), 
altn. meidmar (nom. pl. m. cimelia), &r. 3, 452, beſonders in den Plural⸗ 
formen, wie in der angeführten Stelle des Beowulflieds: „hord mäbmum 
heleda“, Herv. S. (Fornald. 8.1, 494): „Göld meidna“ (ebd. men at hıälsi), 
Sem. 263, 97: „meidma fiöld.“ 

5 Man vergl. Ammian. 31, 3 und Jornandes ©. 104 f. mit dem 
beſonders reichhaltigen Saxo 8, 154 fi. und Sem. 265 ff. (Fornald. 8. 1, 
224 ff.) 

%6 od. exon. 819, 4 ff.: „Hred-cyninges häm — eästan of Ongle, 
Eormanrices.* Ebd. 26 f.: „Atla vöold Hünum, Eormanric Gotum.“ Gbr. 
324 ff.: „ic väs mid Eormanrice u. f. w. bär me Gotena cyning göde 
döhte.* (Vergl. ebd. 878, 24 ff.) Bei Ammian. (31, 3. Zend 409) erfcheint 
Ernienrih als König der Greuthunge, dem Jornandes (S. 100) if er 
„uobilissimus Amelorum.® 


121 





fie über Hunaland den Humli, einen gothifhen Namen, berrichen läßt 
und darnach diefes Land einmal auch Humlaland benennt 367, Jeden⸗ 
falls bleibt die einftmalige Angrenzung gothifcher und ſueviſcher Stämme 
in jener norböftlihen Gegend gefichert 998, Tacitus erftredt Eitten 
und Gebräuche der Sueven, nicht ihre Sprache, noch bis auf die Aftier, 
die er ald Anwohner der rechten Strandfeite des fuenifchen Meeres be: 
zeichnet, und erft hinter ihnen feht er Sueviens Ende’), Im Allge 
meinen alfo Täßt fi auf folddem Gebiete mindeſtens ſoviel wohl er: 
flären, daß an ben in Hervörſaga vereinigten Überlieferungen, neben 
dem gothifchen und norbiichen, auch ein fuevifcher Antbeil beitanden 
haben könne. 

Im vordern Theile der Saga führte ven Ramen Svawa die Mutter 
Hervörs, der Echwertjungfrau, der Erbin Tyrfinge. Denfelben Namen 
trägt nun zum Schluſſe die Mutter Hlöds, der zwar kein Beſitzer dieſes 
Schwerte, aber auf wunderbare Weife mit voller Kriegörüftung zur 


7 Geht man auf J. Grimms Bermutbhung ein, daB unter den Hräden, 
Hreidgoten, die Reudigni, Reudinge, gememt feien (Sprachgeſchichte 741, 
vergl. 472 f. 717. 741 1.), welche Tacitus als einen Theil ver Sueven zu 
gleih mit Langobarden Angeln u. a. (Germ. 40. 41: „huc quidem pars 
Saevorum) in bie Dftjeegegend zwiſchen Elbe une Oder fegt, während Ptofe« 
mäus 2, 11 (Spracg. 492), ohwohl weſtlicher, ſueviſche Langobarden und 
fueviiche Angeln beifommen kennt (2ounfo: Auppoßaoder, Zovjßo: Ayyeıkol), 
fo würde fich der Schauplap der Sagen voilſtändiger geichichtlih zurechtſiellen. 
Allen die angel. und altnord. Vezeihnungen Hredgotan, Reidgotar, auch 
einfach Gotar u. f. w., ftellen doch Dielen Bolf beftimmt auf die gothiſche Seite, 

“ Ein fieghafter Kampf der den Hunnen pflichtigen Oftgothen unter 
Humimund, Ermanarids Sohn, gegen die Eueven, Jornand. ©. 147, ift 
nicht örtlich beftimmt; eine Niederlage, welche fpäter ein Suevenfönig, ſeltſamer 
Weiſe gleichfalls Hunnimund genannt, durch die Gothen unter Theodemir er- 
leidet, betrifft Sueven, welde Dalmatien plünterten (Jorn. 157: „quia Dal- 
matiis Buevia vicina erat, nec a Pannoniis multum distabat, presertim 
ubi tune Gothi residebant.“ Bergl. Zeuß 423. 424 u., auch Zorn. 152 ob.). 

%2 Facitus, Germ. 45: „Ergo jam dextro sueviei maris litore Aestio- 
ram gentes alluuntur, quibus ritus habitusque Suevorum, lingua britan- 
nice propior u. |. w. sed e$ mare scrutantur, ac soli Omnium suecinum, 
quod ipsi glesum vocant, inter vada atque in ipso litore legunt.“ Am 
Ende des Cap.: „hie Suevie finis.“ Über die Äftyer Mascon 1, 243. Zeuß 
267 fi. 667 fi, Sprachg. 718 ff., wo fie für germanischen Stamm erklärt 
werden. 








122 


Welt gelommen if. Eine Strophe fagt: „Hlöd mar ba geboren in 
Humlis Lande mit Sachs und mit Schwerte, mit tiefer Brünne, mit 
ringumwobnem Helm und ſcharfem Dolche, mit wohlgezäumtem Roſs, 
im heilgen Walde“. Der Sagaſchreiber ſchickt zur Erklärung voran, 
es ſei damals alte Redeweiſe geweſen, daß ein Mann mit Waffen oder 
Roſſen geboren ſei, wobei man die zur Zeit ſeiner Geburt für ihn ge⸗ 
machten Waffen oder bie gleichzeitig gebornen Thiere gemeint babe 970, 
Sn Wahrheit aber ift bamit doch wohl nur die frübreife Kampfrüftig: 
feit des jungen Helden ausgebrüdt 371, ähnlich wie in den Eddaliedern 
gelagt wird, ber neugeborne Bali werde einnächtig Fämpfen, oder Helgt 
fei einen Tag alt in der Brünne bageftanden 372; vollftändiger zutreffend, 
wie in der finnifchen Rune der göttliche Kawe, der dreißig Sommer in 
Mutterſchoße geichlafen, ſchwertbewaffnet und nit gefatteltem Hengſte 
hervorbricht 373, Das maffenrüftige Herborlommen im heiligen Walde 
berührt fi noch inſoweit mit den Vorftellungen von der Erbgeburt, 
als auch die Eparten aldbald mit Speer und Schwert, Helm und Schild 


3:0 Formald. 5. 1, 490 f.: „bat var formt mäl 1 ann tima, at madr 
veri borinn med vopnum edr hestum; en hat var til bess haft, at bat 
var melt um bau vopn,'er P& voru beim giör bann tima, svä ok f& ok 
kvikendi ok hestar, ef bat var b& fredt, ok var bat alltsaman Jeert til 
virdingar tignum mönnum, sem her segir um Hlödver Heidreksson: 
Hlödr ver P4 borinn 1 Humlslandi (a. Hünalandi) saxi ok med sverdi, 
stdri brynju, hiälmi hringreifdum ok hvössum meki, mari vel tömdum, 
& mörk hinni helgu.“ 

TI Wenn nachher (ebd. 496) Humli für feinen Tochterfohn Hlöd ein Heer 
mit zmwölfjährigem Kriegsvolk und zweijährigen Fohlen (med tölf vetra gömlu 
mengi ok trevetrum fola) rüftet, jo fett dieß wohl aud frühe Streitbefähi- 
gung voraus, bezeichnet aber doch hauptjächlich die vollfte Stärke des Aufgebots. 
(Die Proja fügt bei: „ok Pat at sextugs aldri“ und nimmt fofort eine Zäh⸗ 
lung des ungeheuern Heeres vor.) 

372-Seem. 95, 16: „Rindr berr i vestrsölum, sd mun Odins sonr ein- 
nettr vega“ u. |. w. Ebd. 150, 6: „Stendr 1 brynju burr Sigmundar dagrs 
eins gamall“ u. ſ. w. | 

373 Schröter, Finn. Aunen 3: „Einen Krieger ſchwertbewaffnet, Hengſt 
mit Sattel, ließ hervor er Aus der Seite Kunottaris, Kindlein aus dem 
Schoß des Weibes.“ Bergl. Gananders Finn. Mythol. über. von Peterſon, 
Heval 1821, S. 30 f. Kalevala 1, 3 f. Parc. 22071 f.: 

„dije zwene waren uz chrache erborn, 
von maneger tioft nach prife erchorn.“ 


123 


aufgehn, die rafche Wehrhaftigfeit eines ganzen, neugefchaffenen Krieger: 
ſtaats anzeigend. 

Die ausführlichere Beſprechung der Waffenfage wird fih im Ver⸗ 
folge mehrfach vorbereitend erweiſen; für den nächſten Zwed, die Deu- 
tung des Suebennamend, wirft fie nachſtehendes Ergebnid ab. Daß 
svafr gleichbedeutend mit Schwert fei, bat durch Svafr-liomi und deſſen 
Stellung an bie mythiſche Spike der Schwertfage gewichtige Beitätigung 
erhalten. Die erfte Sväva tritt fo nahe zu Sväfrliomi, daß ein früherer 
Verband durch den Stabreim vermuthet werben fonnte, bamit aber. 
bienge zufammen, daß Swawa unmittelbar an Syafrliomi, als ihren 
Bater, binaufzurüden und ber jetzige Name feiner Tochter, Eyvör ober 
Eyfura, al® mit der Anlnüpfung an das von Bölmey ftammende Ber: 
ſerkgeſchlecht hereingekommen anzujehen wäre 374, Die Wiederholung des 
Namens Sväva im legten Theile zeugt weiter dafür, daß man benjelben 
der Echwertfage, wozu auch dieſer Abichnitt geftempelt werben follte, 
befonder8 angemeflen erachtete. Sin demjelben Namen den Beweis eines 
juevifchen Urfprungs des am Eingang der Eaga ftehenven Schwert: 
mythus zu finden, ift man dadurch noch nicht berechtigt, daß fich bie: 
jelbe überhaupt auf einem Boden beiwegt, auf welchem Sueviſches mit 
Rordifchem und Gothiſchem leicht zufammenwachien konnte. Einige Licht- 
blide werben aber aud auf diefe Frage zurüdfallen, menn durch die 
num folgende Eage der Frauenname Swawa jum Schwerte ſowohl, 
als zum Vollsnamen, einleuchtendern Bezug gewinnt. 


B. Ewawa. °. 


Inhalt ver drei Eddalieder von Helgi, ſoweit derſelbe hier eingreift. 
Nach dem erften bat Hiörward, König in Norwegen, die ſchöne Sigrlinn 
beimgeführt, Tochter des Swafnir, Königs in Swawenland (Svävaland). 
Ein andrer Bewerber um fie, Hrobmar, hat das Land mit Raub und 
Brand verwüftet und den Swavenlönig (Sväva konüng) erfchlagen. 
Ein Eohn aus diefer Che, der, groß und fchön, doch ſchweigend und 
namenlos geblichen, fit am Hügel, als er neun Wallüren reiten fiebt. 


54 Bergl. die Sage bei Caro 7, 183 fi. von Gunnar, Drott und Hifdiger, 
nehft den verborgenen Echwertern, Sagenforſch. 1, 264 fi. 
* [Echriften 7, 290 fi. &.] 








124 


Die berrlichfte darunter, Swava, Tochter des Könige Eylimi, ruft ihn 
auf mit dem Namen Helgi und er verlangt zum Namen eine Gabe, 
die Namengeberin ſelbſt. Sie weiß fechsundvierzig Echiverter in Sigars⸗ 
bolm liegen, eines aber ift beſſer denn alle, ver Schilde Unheil, gold⸗ 
befchlagen, Ring am Griffe, Muth in der Mitte, Schreden in der 
Epige dem, den e3 erreicht, längs der Schneide liegt ein blutgefledter 
Wurm, am Heft aber fchwingt die Natter den Schweif. Helgı mirft 
jet jemem Vater vor, daß er Feuer die Wohnorte befreundeter Fürften 
verzehren und Hrobmar über die Schäbe der Verwandten walten laſſe. 
Hiörvard ift bereit, dem Sohne Mannichaft zu geben, wenn er ben 
Mutteroater rächen wolle, worauf Helgi das Schwert fucht, das ihm 
Swawa geviefen, fofort ausfährt, Hrobmarn erfchlägt und manch Helbens 
wert vollführt. Swawa, die Walküre, die durch Luft und über Meer 
reitet, ſchirmt ihn oft in Schlachten; auch auf nächtlicher Seefahrt wahrt 
die lichtgoldene Jungfrau feine Echiffe vor dem Niefenweibe, das fie 
verfenfen will; fie reitet, weiß unterm Helme, der Walkürenſchaar vor: 
aus, die Roſſe fhütteln fih, von ihren Mähnen fällt Thau in tiefe 
Thäler, Hagel in hohe Bäume, daher Iommt den Menfchen fruchtbares 
Jahr. Hedin, Helgis Halbbruder von andrer Mutter, verwünfcht durch 
ein Zauberweib, dag, auf einem mit Schlangen gezäumten Wolfe reis 
tend, ihm am Julabend begegnete, thut auf den Sühneber bei Bragis 
Becher das Gelübde nad Swawa, der Verlobten feines Bruders. Rees 
voll aber fommt er auf milden Stegen zu Helgi und eröffnet ihm das 
Unheil. Helgi antwortet tröftend, die Trinfgelübvbe mögen wahr wer 
den, denn er ift zum Kampfe mit Alf, dem Sohne des erfchlagenen 
Hrodmars, entboten und ihm ahnt, daß er nicht wiederkehre. Wirklich 
fällt er in großer Schlacht auf Sigarswöl. Mit blutenden Wunden 
heicyeidet ex Swawa zu ſich auf die Wahlftatt und bittet fie, nicht zu 
weinen und nun Hedins Braut zu werben. Aber fie bat, als Helgi 
ihr die Verlobungsringe bot, verheißen, nimmer nach feinem Hingang 
einen Andern in ven Arm zu Ichließen. Hebin gelobt, den Bruber zu 
räden. Bon Helgi und Swamwa ift gefagt, fie feien mwiebergeboren 3°. 
Der wiedergeborne Helgi ift ein Sohn des Wölſungs Sigmund von 
Borghild und ihn betreffen das zweite und britte Lieb. In fturmvoller 


75 Sem. 140 fi. 


125 


Naht Tommt er zur Welt, Normen fchnüren die Echidfalsfäben, ber 
Rabe fagt dem Naben, wie Sigmunds Eohn einen Tag alt Ion in 
der Brünne fteht. Der Vater geht aus der Schladht, dem jungen Helden 
bag Echwert zu bringen, und gibt es ihm zugleich mit dem Namen 
Helgi, mit Sigarswöll und andern Befisthümern 97%, Bald ift die Eoft- 
bare Waffe mit Blut beiprengt. Erft fünfzehbnjährig erfchlägt ex den 
König Hunding, den Feind feines Vaters, und heißt feitbem Hundings⸗ 
töbter. Da er den Eöhnen Buße verweigert, bat er mit ihnen eine 
Schlacht bei Logafiöll zu befteben, worin er auch fie nieberftredt. Kampf: 
müd fit er unter dem Aarfels, da fährt ein Glanz auf von Logafiöll 
und daraus fchießen Blige, Jungfraun unterm Helme fommen, ihre 
Brünnen find mit Blut befprigt, Stralen ragen von den Speeren. 
Helgi labet fie beim, aber vom Noſſe herab ſprechend verſchmäht es 
Högnis Tochter, Sigrun von Sewafiöll, die wiedergeborne Swawa. 
Andre Geſchäfte babe fie, ald mit dem Kriegsmann Bier zu trinten, 
ihr Bater habe fie dem grimmen Hödbrodd, Granmars Sohne, ver: 
beißen, ber nach wenig Nächten kommen werde, wenn nicht Helgi ihm 
Kampf biete oder fie ihm megnehme. Eilig bemannt Helgi eine mäd): 


326 Serm. 150. 7: „sialfr geck visi or vigbrymu, fingom fera !trlauk 
grami. 8: Gaf hann Helga nafn ok Hringstadi, Sölköll u. |. w. blödorm 
btinn bredr Sinfiötla.“ Völs. 8. 6. 8 (Fornald. 8. 1, 136): „Sigmundr 
var P& kominn fr& orrostu, ok gekk med einum lauk imdt syni stnum, 
ok hermed gefr hann honam Helga nafn ok Petta at nafnfesti: Hring- 
stadi ok SOlfiöll, ok sverd, ok bad hann vel fremjast ok verda 1 wett 
Völsüngs.“ Der Sagafchreiber bat ven bilblihen Ausdruck des Liedes mie- 
verfianden. Jener „edle Lauch” (ttrlaukr, itr eximius, gleich nachher in dem- 
jelben Liede Str. 9: „Almr 1trborinn“, vergl. Sem. 147, 37), den Sig⸗ 
mund feinem neugebornen Sohne bringt, ift nichts Andres, als eben das 
Schwert. Das zweite Helgilied ift iiberhaupt voll flalbifcher Bezeichnungen und 
in der ansgehobenen Stelle folgt gleichfalls für das Gchmert: „biödormr,“ 
Blutſchlange. Mit laukr ſelbſt find anderwärts noch weitere sreräskenningar 
gebildet, im Nätbfelliede der Herv. S. (Fornald. 8. 1, 468): säralaukr 
tefläutert durch: merkir), Wundenlauch, in einem Bere der Kormalsfaga: 
randlaukr, Schildlauch, Sn. 265: Misterlaukr (Bellone allium). Die Form 
Des Gewächſes gab zu diefer bildlichen Verwendung Anlaß, isländiſch ift dann 
auch geirlaukr allium. (Schon ®. E. Müller, Sagabibl. 2, 49, wollte das 
Lauchgeſchenk nicht gelten laffen und rieth auf lang, f. laracrum, bie heibnifche 
Zaufe) [Bergl, D. Myth. 1165.) 


126 


tige Flotte, als aber die Yahrzeuge mit der Brandung ringen, rettet 
Sigrun fie von oben. Nach der Landung erhebt ſich die Schlacht bei 
Frekaſtein und ſtets iſt Helgi der vorberfte. Da kommt, unter machen: 
dem Epeergefaus, vom Himmel die behelmte, flugkundige Sigrun mit 
den andern Schirmerinnen bes Helden und ruft ihm aus der Luft herab 
Glück zu, daß er den Gegner gefällt und nun der Braut und ihrer 
Mitgift, des Sieges und der Lande fih freuen fol, zu Ende fei ver 
Streit 377, Aber damit find die Gefchide nicht erfüllt und weiter führt 
fie das britte Lied. Nicht bloß Granmars Eöhne, auch Sigrund Bater 
und ihre Brüder bis auf Einen, die auf Hödbrodds Seite fochten, Liegen 
tobt auf dem Felde. Sigrun meint. twieberbeleben möchte fie bie Tobten 
und doch in Helgis Armen fi) bergen. Nicht lange lebt dieſer mit ihr 
verbunden. Dag, Högnis am Leben gebliebener Sohn, der den Wöl: 
fungen Eide geſchworen, opfert dennoch dem Odin um Vaterrache und 
der Gott leiht ibm dazu feinen Speer. Er findet feinen Schwager beim 
Walde Fiöturlund, durchſlößt ihn mit dem Speer und bringt felbft der 
Schweſter die Trauerkunde. Sigrun ſpricht über den Eibbrüchigen 
Schwere Verwünfhungen aus, nimmer wirb fie des Lebens fich freuen 
in Sewafiöll, wenn nicht an der Grabthür des Helden Lichtglanz auf 
gebt und das goldgezäumte Roſs unter ihm berrennt, daß fie ihn um: 
fangen könne. Ein Hügel wird über Helgi aufgemorfen und als er 
nad Walhöll Tommt, will Odin die Herrfchaft mit ihm theilen. Eines 
Abends geht Sigruns Magd zum Grabhügel und fieht, wie Helgi mit 
vielen Männern dahin reitet. Sie verlündet der Gebieterin, aufge 
ſchloſſen jet der Hügel, Helgi fei gelommen mit blutenden Wunden unb 
bitte fie, die Blutstropfen zu ftilen. Sigrun eilt freudig zu ihm in 
den Hügel, küfien will fie ihn, bevor er die blutige Brünne abwirft, 
er ift ganz mit Blut befprigt, fein Haar bereift, die Hände eiskalt, 
wie fol fie ihm Abhilfe jchaffen? An der Blutbenetzung, jagt er, feien 
die grimmen Zähren fchulb, bie fie meine, bevor fie jchlafen gehe, jede 
ſei blutig auf feine Talte, grambellommene Bruft gefallen. Nun aber 
fol köftliher Trank getrunfen werden und Niemand ein Trauerlied 
fingen, wer auch jeine Bruftwunden fehe, da die Königstochter lebendig 


5 Sem. 149 ff.; die entiprechenden Stellen des britten Liebes ebend. 
158 His 162 (Mund 89 bis 91). 





1237 


bei dem Geftorbenen meile. Sie bereitet ihm eine Rubeftätte und Tchläft 
ihm, wie einft dem Lebenden, im Arme, bis er vor Hahnenruf ges 
rötbete Luftwege mit feiner Schaar zurüdkreitet. Bergeblich hart Sigrun 
am folgenden Abend und nicht lange mehr lebt fie vor Harm und Trauer. 
Bon einer nochmaligen Wiebergeburt als Helgi, Held der Haddinge, 
und Sara, Halfdans Tochter, gleichfalls Walküre, mar in den Kara: 
liedern gefungen 97°. Diefe find nicht mehr vorhanden, nur aus ber 
Saga von Hromund Greipsfon läßt fich, durch bie Verwirrung und 
Entftellung, welche bier die alten Überlieferungen erfahren haben, Einiges 
vom Inhalt der verlorenen Lieder errathen. Kara ſchwebt in Schwan: 
geftalt mit lautem Bauberfang über Helgi dem Kühnen (hinn freekni), 
der in einer Schlacht auf dem Eife des Wänerfees als Berbündeter ber 
Habbinge fit. In der Hige des Kampfes ſchwingt er dad Schwert 
fo hoch, daß er feine Beſchützerin töntlih trifft. Kara finkt herab, 
Helgis Heil ift gewichen und das Haupt wirb ihm gefpalten 379. 

Die Helgilieder find der altnorbifchen Liederreihe vorangeſtellt, welche 
die Gejchichten Sigurds und ber Niflunge bis in ihre letzten Ausläufer 
darlegt. Sie verknüpfen fich mit diefem Kreife dadurch, daß Helgi der 
Hundingstöbter den Wölfungen zugezählt ift, als Sohn Sigmunds und 
Haltbruder Sinfidtlis, alfo auch Sigurds, des jüngftn Sigmunds⸗ 
fobnes von Hiördis. Im die Wölfungenfage weithin verzweigt find 
Kriege dieſes Gefchledhts mit den Hundingen, darin nachmals Sigmund 
feinen Tob findet und noch Eigurd die Vaterrache vollbringt. Möge 
nun auch ein nicht im Stabreim anklingender Sigmundsſohn Helgi als 
Zöbter Hundings von Alters her in eben diefer Sage Fuß gehabt haben, 
fo kann ihr doch der Hauptinhalt ber Helgilieber urfprünglich nicht eigen 
geiwefen fein. Die entichiedenen Wölſunge Sigmund und Einfidtli find 
bier Nebenperfonen und bie Hundinge haben mit der eigentlichen Ges 
ſchichte des zweiten Helgi nichts zu ſchaffen. Erft nach Hundings Falle 
lernt er Sigrun Tonnen 399, belämpft dann um ihren Beſitz den Mit- 


8518 Sem. 164 fi. 

5:9 Fornald. 8. 2, 873 bis 375. Hier lautet der Wallürenname: Lara, 
verborben aus Cara, wie der Name im Abbrud der Saga bei Biörner [S. 360] 
gegeben ifl. 

5 Nur nachträglid fagt dieſe, daß fie in der Schlacht und auf der Eeefahrt 
ihm wahe gewefen jei, Sem. 160, 10 f., obgleich im Widerſpruche mit 161, 2. 


128 


bewerber Höbbrobd und deſſen Verbündete, die Blutöverwandten Eigrung, 
und wird zulegt von ihrem Bruder zur Vaterrache burchftochen. Hierin 
ift Zufammenbang und neben diefen Kämpfen ericheinen die vorher: 
gehenden mit Hunding und befien Gelchlechte müßig und frembartig. 
Saxo, der Alles auf einen däniſchen Helgo, den Vater Hrolf Krakis, be: 
zieht, läßt den Helden zum Beinamen Hunbingstöbter einen iveiteren 
von der Niederlage Hödbrodds erlangen 381. Das Richtige für die Helgen: 
fage gibt nur ber legtere. Aber aud dem innerften Wefen nad) waltet 
in Helgis und Sigruns unfterbliher Liebe eine viel andre Gefühls⸗ 
weiſe, als in ber ftrengen und berben Art des älteren Wölfungen: 
geichlehts und ſelbſt fpäter in dem ſchickſalſchweren Bunde Sigurds mit 
Brünbild, es herrſcht bier nicht der leitende Gedanke ber Wölfungen- 
fage, die Höhe dieſes Heldenftammes über jedem andern, wenn aud 
Helgi felbft als der trefflichite Held gepriefen wird. Mit gutem Ber: 
ftändnis ihrer Aufgabe beſchränkt fich die profaiihe Volſungaſaga auf 
den Inhalt des ziveiten Helgiliedes, nemlich auf bie Erzählung der fieg- 
reichen Heerzüge gegen Hunding und Höbbrobd; nad Helgis Vermäh- 
lung mit Sigrun beißt e8, nun fei er fortan nicht mehr bei dieſer 
Enge 392, Eben hier jchließt auch das zmeite Lied ab. Eein Tob und 


381 Earo 2, 28 f.: „Hundingum, Saxonie regis Syrici filium, apud 
Stadium oppidum prolio vicit eundemqgue ex provocatione adortus duello 
prostravit. Ob quod Hundingi interemptor vocatus, victoriee decus cog- 
nomine usurpavit u. |. w. Ipsum quoque Hothbrodum cum omnibus copiis 
navali pugna delevit u. |. w. Quo evenit, ut cui nuper ob Hundingi 
cedem agnomen incesserat, nunc Hothbrodi streges cognomentum infer- 
ret.“ Im Liede felbft, Seem. 157, 52: „Helgi Hundtugs-bani“ (vergl. 159. 
Fornald. 8. 1, 320. 323). Zum Namen Hödbroddr |. ®r. 2, 460. Graff 
3, 318. 

#2 Fornald. 8.1, 141: „ok er hann her ekki sidan vid bessa sögu.“ 


Bergl. Müller, Sagabibl. 2, 50 f.: „Den anden eddiske Sang om Helge 


Hundingsbane er sletikke i Volsungasaga benyttet. Men Segaskriveren 
eigler vel til den, naar han siger ved Enden af Kap. 17: Helge wgtede 
Sigrun, bleven megtig konge, men forekommer ikke oftere i denne Saga. 
Han antyder derved, at han vidste mere om Helge, som han altsaa for- 
bigik, fordi han kun vilde anföre det, der stod i Forbindelse med Sig- 
munds og Sinfiotles Historie.* Die Proſa des dritten Helgiliedes beruft 
fi einmal auf das alte Bölſungenlied (Seem. 161: „sv& sem segir 1 Völsüngs- 
qvido inni forno“) und ein andermal auf das Helgilied (1626: „sem fyrr er 


129 


feine nächtliche Wiederlunft ift weggelafien, alfo gerade das bebeutfamfir 
des Eddaliedes, das doch der Sagaſchreiber ohne Zweifel vor fidh hatte. 
Was nun aber die Wölfungenfage von ſich abitößt, das wird eben 
dadurch auf feine eigenthüümliche Geltung und auf anberwärtigen Zu⸗ 
fammenbang bingewiefen. So findet man fich aufgefordert, den nicht: 
wölfungifchen Beftanbtbeil des zweiten und britten Liedes, befonbers ben 
Schluß dieſes lektern, um fo genauer im Verhältnis zum erften Liebe, 
von Helgi und Swawa, bas von ben Wölfungen gänzlich abliegt, ins 
Auge zu faſſen; tritt aber dieſes in den Vordergrund, fo ftellt ſich das 
mit, wie fofort zu zeigen ift, außerhalb bes fränkifchen Wölfungen: 
kreiſes felbftändig eine ſueviſche Sage. 

Swafnir, deflen Tochter Hiörward beimführen läßt, heißt König 
der Sueven (Sväva-konüngr), fein Reich Land der Sueven (Svära- 
land), das ift deutlich geiprochen 583, der Name Svafnir jelbft fcheint 
norbiiche, der bichteriichen Bezeihnung Odins entnommene Umbilbung 
eines deutſchen Königsnamens, der eben. auch auf ſueviſche Herrichaft 
Bezug hatte. Swawa (Sväva), Suevin, bat diefen heimatlichen An⸗ 
balt offenliegend im Namen bewahrt. Bollönamen wurden auch zu 
weiblichen Eigennamen verwendet. Suabin und Frenkin finden ſich in 
denfelben Urkunden aus farolingifcher Zeit; Suavigotha hieß eine Tochter 
des Burgundenkönigs Sigismund nad ihrer Mutter Oſtrogotha, Tochter 
des oſtgothiſchen Theoderichs 94. Man darf nicht annehmen, daß ſolche 
Kamen einzig beftimmt gewefen feien, die Herfunft in fremdes Land 
verbeiratheter Frauen, durch Eroberung gelnechteter ober als Kriegsbeute 


ritad 1 Heiga-qvido,“ vergl. 169a vor 7), auf diefes, worunter das erfle 
vom Hunbingstödter gemeint ift, für die Scheltreden Gudmunds und Sie 
flötlis, auf jenes, das nicht weiter befannt ift, für Sigruns erfie Begegnung 
mit Helgi. Durch diefen Gebraud der Liederbenennungen ift Sinfiötli zur 
Helgenfage, Sigrun mit Helgi zur Wölfungenfage gerechnet, immerhin aber 
tiegt im den beiderlei Liedernamen eine Andeutung, daß früher zwiſchen Wöl⸗ 
fungen- und Helgiliedern unterfchieden worden. 

38 Sem. 141 f. Die profaifche Bwilchenerzählung, in ber allein dieſe 
Bezeichnungen vorfommen, lautet nach ihrem jonfigen Inhalt alterthümlich 
genug, um benfelben in Berbinbung mit dem Namen Sväva, der durch das 
Lied geht, Beglaubigung zu geben. 

" Cod. Lauresh. 496. Dronle 100 (Schannat 98, Sprache. 708. 
(Bergl. Anz. 5, 492 ob.) 

Slam, Seriften.. VII. 9 


130 


meggeführter Leute zu bezeichnen. Trifft man doch die Ramen anfehnlicher 
Männer Suab mitten in Schwaben, Franlo in Franken #5. Es Hand 
mob! an, nad) feinem Nollöftamme benannt zu fein, deflen Ehre, Recht 
und volle Freiheit damit dem Namenträger angeeignet war. Nenn in 
einer Berlöbnisformel aus dem 12ten Jahrh. der freie Schwabe bie 
freie Schwaäbin nah Satzung und Recht der Schwaben zur Ehe nimmt 
und biefe Ausbrüde fich feierlich wiederholen, fo ift allerdings die nächfte 
Abficht, die Verlobungsweiſe als viejenige des Schwabenrechtö zu kenn⸗ 
zeichnen, aber es fühlt fich doch auch das MWohlgefallen, der Stolz hin⸗ 
durch, ein freier, vollberechtigter Schwabe, eine freie Schwäbin zu fein 
und zu beißen 386; aud der freie Franke ift formelbaft und Ftanke 
für ſich fchon bezeichnet ven Vollfreien, felbft den Höhergeſtellten diefes 
Volkes 33, Die Swawa des Eddalieds iſt zur Tochter eines Könige 
Eylimi geworden, defien Reich nicht angegeben ift: fein Name wird aus 
der MWölfungenfage, mo der Bater von Hibrdis, der Mutter Eigurbs, 
Evlimi heißt, bieher aufgeftiegen fein 3, Daß Swawa wirklich dem 


5 Zu Euab f. oben S. 75, Anm. 218. Franko im Col. Lauresh. 218, 
272. 1852. 1367. 1856 bei Bergabungen im Rheingau und Wormsgau; auch 
im Wirzburger Grenzbegang (Maßmann deutfche Abfchwörungsformein 183): 
Francho. 

86 „nah fwabe 2, nah ſwabe rehte, fo von rehte ain vri ſwabh ainer 
vrien fwabin fol, mir ze mineme rebte, im zuo iuwereme rechte, mit mineme 
volewerde engegen imereme vollen werde.” (W. Wadernagel, Leſebuch 189 f. 
Maßmann a. a. D. 179 f) L. Alam. XI: „liberi Alamanni“, XVII: 
„itera Alamanna.“ Graff 6, 854: „hyeſuape, pronuba.“ 

% Aerchia ad Wirzib, (Maßmann 185): „friero franchono erbi.“ Berzı. 
Waltz, deutſche Verfaſſungsgeſchichte 182. Roth, Geſchichte tes VBeneficial- 
weſens 292, Anm. 57. P. Paris, Romancero frangois, Paris 1888, 49: 

„Quant vient cn mai, que l’on dit as lons jors, 

que Frans de France repairent de roi cort u. |. w. 

voit Frans (le France gni repairent de cort “ 
Ebend. 52: „Ecoutons Ducange. Franei; sic nppellabantur ii qui mpgnos 
dies. seu nssisias publicas et gencrales Parium Francis tenebent.* Gloes. 
Trevir. in 9. 9. Hoffmanns Althochdentſchen Stoffen ©. 11: „Karlingi, 
Franci feroces vei Galli Senones vel Norcomanni vel Merovingi (vergl. ebend. 
10, 18). ‘ Frankun, Franci nobiles, it. Germani u. |. w. Osterfrankun, 
Orientales Franei.“ Graff 3, 825. Gudrun, berausg. von Bollmer, 366, 4. 
Sprachg. 812 f. J. Grimm und Echmeller, Lateinische Gedichte 86. 

- Swawa fonnte füglich hiördis, Schwertjungfrau (mie Stadi öndurdis, 





131 


Emawaland angehöre, bewährt auch der innere Zufammenhang. Diefee 
and ift von Hrodmar ausgeraubt und ausgebrannt, der König von 
ihm erihlagen worden. Wenn nun Swawa den jungen Tochterfohn 
dieſes Suevenkönigs zu Thaten weckt und ihm das Schwert weift, wenn 
fofort Helgi dem Bater aufrüdt, daß er den verzebrenden Brand un: 
vergolten und das Erbe in unrechter Hand laſſe, wenn er dann, zum 
Rachezug das gewiefene Schwert holt und im Kampfe von Swawa ge 
Ihirmt wird, jo erfcheint diefe doch, felbft in der Trübung der urfprüng- 
lihen Sage, noch immer als Vertreterin des Volkes und Landes, denen 
fie mit dem Namen angehört. Ein ganzer Schatz von Schwertern ift 
es. daraus dieſe Suevin dem bon ihr gemweihten Kämpfer das treff: 
lichſte anweiſt. Damit tritt endlich zum alten Schwertnamen svafr ber 
ſueviſche Volksname (Svava, Sväva-konfing, Sväva-land) entfchieben 
beran und es wird zugleich gewichtiger, daß auch in die mit Svafrliomi 
anbebende Schwertiage der Rame Svava zweifach bereinfpielt. 

Helgi fragt, mas Swawa dem Namen, den fie ihm zugerufen, 
folgen lafje, und mill diefen nicht annehmen, wenn nicht fie felbft, „vie 
glänzende Braut“ 39%, ihm werde; zur Antwort zeigt fie ihm das Schwert, 
bie Verlobung wird erft in die Zeit nah dem Kampfe gefeht 39. Daß 
gleichwohl urfprünglidh, nad Helgis Verlangen, die Jungfrau felbft 
dad Namengeichent, dad Schwert aber ein Pfand der Verlobung tvac, 
bewährt fich in ben zutreffenden Zügen einer Eage bei Saxo. Regner 
und Thorald, zwei ſchwediſche Königsfühne, find nad dem Tod ihre? 
Vaters Hunding durch den Haß der Stiefmutter Thorild zum Hirten: 
dienfte herabgewürdigt und mancherlei Gefahren ausgeſetzt. Da macht 
fi Swanhwita (Schwanmweiß), Tochter des Dänenkönigs Hadding, ihre 


8n. 28. Yngl. 8. C. 9), genannt fen, während Hiördis das zerbrochene 
Bölfungenfchwert ihrem Eohne bewahrt umb übergibt, Fornald. 8. 1, 146. 
154 f. In den deutſchen Gedichten Heißt Siegfrieds Mutter Sigelint und 
diefer Rame, aus der nordiſchen Mölfungenfage durch Hiördis verdrängt, bricht 
nun an des erften Helgis Mutter Sigrlinn bervor. 

9 Sem. 142, 7: „brüdr biartlitud,* vergl. 146, 32: brudi Pinn.“ 
148, 41: „brüädr.“ 

Sem. 145, in der Proſa; weiterhin im Liebe 148, 42: „Melt hafda 
&k Pai i munsrlieimi (vergl. 140, 1), P& er mer Helgi hringa valdi,“ 
worunter auch nicht die erfte Begegnung am Hügel verftanden fcheint. [Bergi. 
Myth. 780. Andr. XXXVII f] 


132 


Schtweftern zum Gefolge nehmend, nad) Schiweben auf, um den Untergang 
der edeln Sprößlinge abzumenden. Sie treffen diefe Nachts auf bem 
Felde, von geipenfterhaften Weſen aller Art umſchwärmt. Swanhwita, 
mit ihren Gefährten hoch zu Roſſe bleibend, erkennt an Regners, bes 
älteren Bruders, leuchtendem Augenglanz feine Töniglihe Abftammung 
und prüft feinen unerfchrodenen Muth. Indem fofort von ihrer jung: 
fräulidhen Geftalt das Dunkel weicht und ein wunderbarer Lichtglanz 
fich über fie verbreitet, beut fie dein Jüngling als Brautgefchen? ein 
trefflihes Schwert, mit dem er gegen die Unholde fechten Tönne und 
das er au in Zukunft als Held würdig gebrauchen folle. Sie jelbft 
befämpft die Nacht hindurch den Geſpenſterſchwarm, gewinnt jo für 
Regner die Herrfchaft über Schweben und !wirb feine Gemahlin; kurz 
nach feinem Hinfcheiden erkrankt auch fie vor Kummer und bleibt, wie 
im Leben, nun aud im Tode von ihm ungetrennt. Sohn und Radı- 
folger biefer Beiden ift Hothbrod, den der Hundingstödter Helgo be 
fiegt 91. Namen und Thatumftände der Helgilieder mögen bier noch fo 
willfürlich angelnüpft fein 992, einige Verwandtſchaft nach Art und Quelle 
muß Sago immerhin dieſen Sagentreifen angefühlt haben. Er flicht 
Berje ein, wie gemöhnlich wenn ihm Lieder vorliegen, und auf folde 
beruft er fih auch ausprüdlich 399. ebenfalls dient die Regnerjage, 
wie er fie bewahrt und wiedergegeben hat, hieher zur Aufbellung. 
Svanhvit, auch ſonſt ein Walkürenname 3%, wie fie hoch und licht 


Wi Saro 2, 22 dis 24. 28 f. 

” Seltfame Zufammenftellung Hadinge und Hundings 1, 19 u. 

9398 „Cumque mults ad hunc modum coapteto rhythmorum canore 
prompsisset (Svanlıvita)* u. |. w. 

394 Im Eddaliede von Bölund, Sem. 134, 2: „önnor var Svanhrit, 
svanfiadrar dr6,“ Auch Hrommmd, der Befieger bes dritten Helgi, hat von 
einer Jungfrau Svanhvit, an die er glaubt, den Schild mit einem Band er- 
balten, das ibn fchütt, fo lang er es trägt (Fornald. 5.2, 873: „ek (Svan- 
hvit) vil gefa ber einn skiöld med Pvi bandi, er honum fylgir, mun 
Pik eigi saka, medan Pü hefir Pat“ u. f. w. 8374: „Helgi sagdi: Pü 
Hrömundr hefir bundit um Pina hönd sokkaband meyjar einnar, akil Pik 
vid skiöld Pann, er bü berr, Pü fer engin sär, medan hü berr Betts, 
ok held ek fyrir satt, DA trüir & P& meyju“ u. ſ. w.); das Schwert 
(Mistilteinn, an den Mythus von Baldr gemahnend, vergl. Fornald. 8. 1, 
416. 515. Sn. 2146) bat Hromund felbR einen Grabgeſpenſt abgerungen. 
Drei nächtlich fingende Echwäne, die dem König Fridley einen Gürtel mit 


133 


glänzend mit ihren Schweſtern daherreitet und ihren Liebling gegen 
nächtlichen Spul befchirmt, ift in Allem dieſelbe Erſcheinung, wie Swawa 
und nachmals Sigrun 895; auch fie ruft den niedergehaltenen Edeling 
zum Heldenthum und verfieht ibn dazu mit ben Schwerte, was aber 
im Helgiliede nur angebeutet, das ift bei Saxo vollftändig ausgeſprochen: 
daß die Schwertgabe das Brautgeichen? und damit das Berlöbnis 
bindend geſchloſſen ſei 9%. Schon bei den Germanen bes Tacitus bringt 


Runen aus der Luft fallen laflen, bei Saro 6, 100. (Bergl. noch Sem. 145, 
2%: „hrit und hiälmi mer.* 168, 35: „hvit.“ Myth. 390 ob.) 

% 2,23: „Hadingi filia Svanhvita} sororibus in famulitium mmptis, 
Bretiam petit, clarissimse indolis exitium muliebri ingenio praecursura u. f. w. 
sorores equis descendere cupientes, tali poämatis sono vetuit: ı. |. w. 
Tutins excelsi terge premantur equi“ u. |. w. 23: „Admirsta juvenis 
constantiam Svanhvita, ablegato nubile inumbrationis vepore, pretentes 
ori tenebras suda perspicuitsie discussit u. |. w. miram virginei candoris 
speciem novo membrorum jubare preferebat.“ Bergl. Sem. 141: „hann sA 
rida valkyrjor niu ak var ein göfugligust.“ 145, 26: „er red hafnir 
skoda fyrri nöt med firum; margullin mer, mèr bötti afli bera.“ 145, 
%: „prennar mundir meyja, b6 reid ein fyrir hvit und hiälmi meer.“ 
151, 15. 17. 157, 58, Saro 2, 23: „Tunc Svanhvita speciosissimam 
lineamentorum ejus habitam curiosiori contemplatione lustratum impensius 
ıdmirate, regibus te, inquit, non servis editum preradians laminum 
vibratas eloquitur. Forma prosapiam pandit et in oculorum mieatu 
nsture venustas elucet. Acritas visus Ortus excellentiam prefert u. j. w. 
Exterior pupillarum alacritas interni fulgoris genium conftetur.“ Bergl. 
Sem. 150, 6: „hvessir augo sem bildingar.“ 158, 2: „Hvöss eru augo 
1 Hagals DYjo, era Pat karis wit er & kvernum stendr.“ 159, 3: „systir 
er hon Peirra Sigars ok Högna, Prt hefir ötul auga Ylfinga man.“ 
. Gap 2, 28: „Interea Regnero apud Bvetiam defuncto oonjunx ejus 
Svanhvita parvo post et ipoa morbo ex meastitia contraeto decedit, fato 
viram insecuta, a quo vita distrahi passe non fuerat, Fieri namque solet, 
ut quidam ob eximiam charitstem, quam vivis impenderant, etiam vita 
exosdentes comitari contendant.“ Vergl. Sem. 169: „Sigrän vard skamm- 
if af harmi ok trega,“ 

36 Saxo 2, 28 f.: „ensemgue variis conflictibus opportunom se ei 
dataram pollicits. miram virginei candoris speciem Bavo membrorum 
jubare preferebat. Taliter accensi juvenis connubium pacta, prolato 
mucrone sio cepit: Ä 

In gladio, quo monstra tibi ferienda patebunt, 
suscipe, rex, spons® munera prima tus | 








134 


zwar haupifächlid) der Bräutigam, neben den Aderftieren, ein gezäumtes 
Roſs, Schild, Speer und Schwert als Mitgift ein, aber auch ihrerfetts 
bringt die Frau dem Manne Einiges von Waffen zu; das halten fie 
für das ftärkite Band, für die geheimmsvolle Weihe, für die Vermäh⸗ 
Iuugsgötter, darin liege-die Mahnung, daß aud das Weib nicht tapferer 
Geſinnung und den Zufällen des Kriegs enthoben fei, daß fie ala Ge 
nofjin der Arbeit und ver Gefahr eintrete, daß fie im Frieden und in ber 
Schlacht Gleiches zu leiden und zu magen, fo zu leben und zu fterben 
babe 397° Wie viel man biebei der eigenen Vorftellung des Bericht: 
erſtatters zumeſſen mag ?%, im Ganzen verläugnet ſich auch hier nicht 
fein offener Sinn für das germanijche Weſen, es liegt in feinen Worten 
ein Erahnen jenes geiftigen Bundes, in weldem dad Weib die überall 
gegenwärtige Kampfheilige (Hilde, Walküre) des Eriegeriihen Germanen 
ift und der eben in ber Helgenfane feine vollfte, Dichterifche Durchführung 
burd Leben und Tod, durch Tod und Wiedergeburt, gefunden bat. 
In Rechtsformeln und Hochzeitgebräuchen dient freilich das Schwert zu- 
näcft als Symbol ber an den Mann übertragenen vormundfchaftlichen 
Gewalt, felbft der Wacht über Leben und Tod der ungeireuen Frau 3%. 
Im Hrudlieb, einem lateinifchen Gedicht um den Anfang bes 11ten Jahrh 
Schmeller 225 f., Wadernagel, Litteraturgejch. 72), reicht der Bräu⸗ 
tigam ber Braut den am Hefte des gezogenen, friſchgewetzten Schwertes 
befeftigten Golbring, als Zeichen bes Treuebunds, für befien Verlegung 


livc dignum te rite proba, manus temula ferri 
gestamen studest oondecorare suum u. |. w. 

llinc, tibi si volape est belli clarescere palme, 
cOönscelare ausu qnod premis ipse manu.* 

397 Germ. 18: „Dutem non uzor marito, ocd axori waritus offert u. |. w. 
boves et frenatum equum et scatum cum framen gladioque. In hæe 
munera uxor accipitur, atgne invicem ipss armorum aliquid viro offert. 
hoe maxumum vinculum, hæec arcana sacra, hos conjugules deos arbı- 
traotur. Ne se mulier extra virtutum cogitationes extraque beilorum 
«asus pulct, ipsis iucipientis matrimonii auspiciis admenetur, venire se 
laborum periculorumque sociam, idem in pace idem in prelio passuram 
ausuramque (hoc juncti boves hoc paratus equus, hoc deta arma denun- 
tiant): sic vivendum, sie pereundun: accipere se, que liberis inviolata 
ac digua reddat, que nurus accipiant rursus, que ad nepotes referentur,* 

3 Vergl. Rechtsalterth. 427, 3. 

339 Nechtsalterib. 426. 484; 4. 167 f., 6. 450, U. “ 


135 


ihre die Enthauptung drohe 40, Nach der fchon berührten ſchwäbiſchen 
Berlöbnisformel übergibt zuerft der freie Schwabe der freien Schwäbin 
mit fieben Handſchuhen, als ebenjo vielen Wetten (Pfändern), Land⸗ 
befig, Herde, Schab und fcharfe Ecke (Schwertfchneibe); dann aber gibt 
ber Schwäbin geboruer Vogt die Wetten, bie Yrau und ein Schwert 
gleichfalls mit dem Ring an der Hilge ſammt andrer Zugehör wieder 
dem Manne, damu in beflen Treue, als ihres rechten und ftäten 
Bogtes 401, Wörtlich dieſer Ring am Schwertgriff, an der Hilze 
(„annulus in capulo fixus“, „daz pingerlin an bi helzen“), nun auch 
in Swawas Zuruf („hringr er t hialti*%). Damit erweiſt fih ihre 
Schwertweiſung unzweifelhaft als Verlöbnis 402. Aber bier ift es eine 
Baffengabe, die, wie bei Tacitus, von der Braut dem Bräutigam ge: 
boten wird, nicht ein Brand ber ehlidhen Bevogtung, fondern, wie bei 
Swanhwit, Ruf und Rüftung zum Heldenthum. Was der freie Schwabe 

der Schwäbin mit der fcharfen Ede zubringt, das Eigen, das er in 
Schwabengebiet, in des Könige Reiche hat, Schatz und Schillung, Gold 


“ J. GCrimm und Schneller, Latemiſche Gedichte des 10 und 11 Jahr⸗ 
hunterts. Göttingen 1833, S. 188, ©. 63 ff.: 
Sponsus at extraxit ensemve piramide [pyrıte? &. 235] tereit. 
Anulus in capulo fixus fuit aureus ipso, 
Aftert quem spons® eponsus, dicebat et ad se: 
„Analus ut digiium circam capit undique totam, 
Sie tibi stringo ſidem firmam vel perpetualem, 
Hanc servare mihi debes aut decapitari.“ Ebend ©. 215. 
wi „Din wete ellin din nimet din frouwe unde ir voget. Nu nimet ver 
voget ir geborm voget, diu wete unde die froumen unde ain ſwert uude ain 
gufdin vingerlin unbe ainen phennich unde ain mantel unde ain huot uf Das 
fwert (vergl. Nechtsalterth. 426: „gladium cum clamide“), daz vinaerlin an 
die heizen, ımde antwurtet fi den man, unde ſprichet „wa ich in bevilhe nıine 
ummtabele zieren triwon unde ze ineren gnaben, unde bitiuch durch Die trimwe, 
alfich fi iu bevilhe, daz ir ir rehte voget fit unde ir genadich voge: fit, unde 
daz ir nit palemunt ne werbent.” fo enphahet er fi, unde habeflm‘.” (ud. 
S. 189, 8. 99: Qualiter inter se concordent," quid mihi curae?) 
2 So war and das beringte Schwert, das zwiſchen Sigurd und Brynhild 
iag, ein Brautfchwert, Seem. 225, 68, (Mund) 128, 65): „Liggi okkar enn t milli 
m&lmr hringvaridr* (vergl. Sein. 142, 8: „varid gulli“, 166. 22: „brüdı 
baugvarid, 167, 32: ‚gullvarid“), egghvast järn, svä endr lagit pt er vid: 
beedi bed einn stigum, ok hötum h4 hiona nafni.“ (Bgl. Sem. 203. 209, 23: 
„benrönd brugdinn gulli“ u. f. w. 216, 4.) Gr. 2, 592 u.: hringvaridr. 





136 


und Edelſtein, das eben, Ninge und Rödulsvellir, foll Helgi exit ſich 
wieder erobern mit bem Schwert, an beflen Hefte ber VBerlöbnisring, 
in defien Mitie Muth, in der Spike Schreien iſt 40%, 

Der vielverfprechenden Anlage des erften Liebes würde nicht ger 
nögt fein, wenn mit bem Tode des Helben und ber untröftlichen Wittwen⸗ 
trauer Swawas abgefchlofien wäre. Bielmehr geht ein innerer Bug 
nach dem bebeutfamen Abfchluß, der im britten Liebe durch bie Wieder⸗ 
vereinigung im Grabe gegeben ift. Nicht als wären bie brei Lieber 
auseinanbergerifiene und umgeftaltete Stüde Eines urjprünglichen Sagen: 
liebe. Das zweite und britte, letzteres wieder aus Überreften verfchie: 
dener Geſaͤnge beftehend, ergeben zwar unter ſich nur das Verhältnis 
einanber ergänzender, theilweiſe abweichender Behandlungen desſelben 
Gegenſtandes. Beide zufammen aber ftehen dem eriten Liebe nicht bloß 
in Ramen, fondern in Thatfadhen und Anläflen eigentbümlich gegen 
über. Eben die Wiedergeburt, welche das Lieb von Hiörwards Sohn 
mit denen vom Hunbingstöbter zu größerem Zuſammenhange verbindet, 
bringt es mit fih, daß jebem Heldenleben aud ein beſondres Helden: 
lied eigen fei 44, Wie e8 nun kam, daß bie altnorbifchen Dichtungen 


8 11. „wa ich in erwette fo getaniu aigen, fo ich in fwabe herſchepte han, 
fo ich im des kuniges riche han, nah fwabe &, nah fwabe rehte u. |. w. 
VI wa id im erwete fcaz unde ſcillinch, unde golt unbe gimme, unde allen 
den trefen, den ich Hute han oder vurbaz gewinne, unde ſcarph egge, nah ſwabe 
€.“ Seem. 142, 6: „Sid mundu, Helgi, hringum räda u. |. w. nd Röduls- 
völlum u. f. w. ef bü ® Pegir, pöttu hardan hug, hilmir(s), gialdir.“ 
Damit iſt Helgis Muttergut in Suevenland gemeint, deſſen fih Hrobmar 
hemädhtigt hat, ebend. 148, 11: „En Hrödmarr skal hringum räda, beim er 
atiu orir nidjar; s& sösk fylkir fest at lii, hygsk aldaudra arli ai r&da.“ 
Röduls-Göll und Rögheimr, Sem. 148, 24, jcheinen nad dem Sieg fiber 
Hrobmar Helgis und Swawas Wohnflätte geweſen zu fein, ubgleich die Profa 
145 b fagt: „Sv&va var heima med födr sinom, en Helgi gulli i hernadi.“ 

408 Ansgeiprochen ift der Gedanke der Wiedergeburt nicht in dieſen Liedern 
ſelbſt, ſondern in der begleitenden Profa, Sem. 1486: „Helgi ok Brava er 
sagt at veeri endrborin.* 158 nur: „bau hhâtu son sinn Helga ok eptir 
Helga Hiörvardssyni“, dagegen 158 b: „bon (Sigrän) var Sväva endrborin.“ 
169: „pat var trüa 1 forneskju, at men væeri endrbornir, en Pat er nf 
köllud kerlinga villa. Helgi ok Sigrün er kallat at veri endrborin, bet 
hann P& Heigi Haddingjaskadi, en hon Kära Hälfdanerdöttir, sr& sem 
kvedit er ! Käruliodom“ u. f.w. Und die Lieder von Bryuhilb kennen biefen 
Glauben, Sem. 222, 44: „leti-a madr hans langrer göngu, ars kon 


137 


Helgi mit Swawa im Wölfungenkreife wiebergeboren fen und fo bie 
fuwifche Sage ſich in einer fräntifchen fortfegen ließen, ſoll nachher unter: 
ſucht werben. Eben erſt im dritten Liebe (Mund 91a, Logaf. 92, 23, 
Sevaf.) treten ſchwäbiſche Merkzeichen entſchieden wieder ein. Aber 
auch in dieſer Übertragung haben fi) Spuren ber fuebifchen Heimat 
erhalten. Im Liebe vom erften Helgi müfjen Hiörvards Boten nad} ber 
Tochter des Suevenlönigd über einen mächtigen Berg mit großer An: 
ſtrengung ihrer Pferde ziehen und als dann der König felbft mit aus⸗ 
fährt, fommen fie wieder auf den Berg und ſehen von da herab auf 
das von Kriegsbrand heimgeſuchte Suevenland, in das fie vom Gebirge 
nieberreiten 195; dahin gehören weiterhin Frekaſtein (Wolfsfels) und Si- 
garswellir, beides zur Bezeichnung des Schlachtfeldes, wo Helgi fällt, 
ſowie Swawas Wohnftätte Rodulsfiöll (Sonnenberge) 1%. Gigars: 
wellir und Srelaftein wieberholen fi) aber in ber Geſchichte des zweiten 
Helgi, exfterer Ortsname, neben Solfiöl und Snäfiöll (Sonnen und 
Schneeberge), unter dem Lanbbefige, welchen Sigmund ber Namen: 
und Schwertgabe an den neugebomen Sohn beifügt, letzterer bezeichnet 
wieber eine Rampfftätte, wohin jet der Wölfung Helgi und Granmars 
Söhne. fich beichieven baben 7. Auch bier ift überall Gebirgsgegend, 
sptrborin aldri verdi.* 229, 14: „Munu vid ofstrid alle til lengi konur ok 
karlar kvikvir foedask; vid skolum okrum aldri siita Sigurdr saman“ 
(Bryn hild fpricht dieß anf dem Helmeg, vergl. Br. Grimm, Lieber der Edda 287). 
Fornald. 8. 8, 36: „berserkir kölluda hann (Btarkad) endrborinn iötun“ 
uf w. (Beitfhrift für deutſches Altertbum 1, 559, 122: „Uidrjbora. Id 
est Libera.“ Deuitſche Sprachg. 690, 2 f.: Evin, 692 ob. Vergl. 698, 8.) 
Rofeng. 1971: „ir haͤut wol gefiget, ſo bin ich wider geborn.“ Eclenlied, 
Laßb. 197: „Eggen herz if in dich gevarn, fiwie er fat wor mir toter.” 198: 
„So iſt Dietheres Herz in dir, din bruoder wunder fliene* u. |. w. (Bergl. 
Sem. 147a: „at fylgjur hans (Helga) höfdo vitiad Hedins.“) 

% Sem. 141, 5: „Hofum erfidi ok ekki erindi, mars praut ossar 
& meginfialli.“ 1416: „er peir kömo upp & fiall, ok sd & Sıavaland 
landsbruna ok jöreyki störa (vergl. Fornald. 8. 1, 497), reid konüngr af 
fellino fram 1 landit.“ 

#6 Sem. 147, 35: „hon vissi het at veginn mandi Sigrlinnar sonr 
ä Sigarsvöllum“ (vergl. 142, 8: „I Sigarshölmi“). Ebend. 89: „Fell hör 1 
morgon at Frekasteini budlüngr“ u. |. w. 148: „Rögheims & vit n& 
Rödulsvalla.“ 

“7 Sem. 150, 8: „Gef hann (Sigm.) Helga nafn ok Hringstadi, 
Soul, Bnwfiöll ok Sigarevölla.“ 155, 43: „at Frekasteini.“ 157, 52. 


138 


ſchon der vorangegangene Sieg Helgis über die Hunbingsföhne, Die ihn 
um Baterrache angriffen, war hei den Logafidll, Flammenbergen, unter 
dem Adlerfels (und arasteini), wie ber frühere beim Wolfsſtein, er 
fochten worden; unter dem Adlerſteine jigt er ſchlachtmüd, als von den 
Xogabergen Glanz und Wetterleuchten aufgeht, die Ankunft Sigruns 
mit ihrer Walkürenſchaar verlündenn 18. Sigrun felbft, die wieder⸗ 
geborne Swawa, hat den ftändigen Beinamen: von den Sewa— 
bergen (frä Sevuiöllum), an denen ihr Wohnfit ift, wie Swawas zu 
Rödulsfioll 49° Nun find fchon anverwärts in ben Seiwabergen bie 
des Swawalandes wahrgenommen worden; ber ausheimiſch fortgebil: 
deten Sage mag ſich der Name getrübt haben, doch hat auch ſprach⸗ 
lich bie Ausgleichung von Sevafioll und Svävatiöll keine beſondre 
Schwierigkeit 11%. Gebirg und Wald find mandmal nad ven an 
wohnenden Volkern benannt; fo die Wandalenberge, ver Thüringer: 
wald, Frankenwald, Schwabenwald, auch au den alten Suebenftrom, 
bie Ober, ift zu erinnern 11. Enthüllen fih tamit die Sewaföll 


162a: „Helgi samnadi p& miklum skipalıer ok för til Frekasteins.“ 163, 8: 
„at Frekasteini.“ 16%, 18: „fello 1 morgon a: Frekästeini Bragi ok Hogni * 

“#8 Sem. 151, 13: „Fara hildiogar hiörstefno til, beirrar er lögdo at 
Logatöllum.“ Ebend. 14: „Beitisk visi, pa er vegit hafdi Älf ok Eyjölr 
und Arasteini* u. ſ. w. Ebend. 15: „pa br& lioma af Logaflöllam* n. |. w. 
161: „Helgi var bä at Logaßöllum, ok !tafdi berizk vid Hundings sanu 
u. |. w. ok var hann allrigmödr ok sat undir Arasteini ber bitti Sigräu 
bann“ u, |. w. Bergl. Andr. und El. XXVII. 

“9 Sem. 164, 12: „Sigrän frä Sövafiöllum.“ 1650: „Dsgr reid til 
Sevaßölle ok aagdi Sigrünu tidindi.“ 166, 23: „Sitka ck (Sigr.) sv& sel 
ur Sövafiöllum® u. ſ. w. 167, %: „Üt gakk bü, Sigrün, fra Sövaföllam“, 
u. f. w. Ebend. 167, 32: „Ein veldr pü, Sigrün frd Stvatiöllom“ u. f w, 
168, 35: „Nü kved ek einskis örvent vera sid ne eninıme at BEra- 
köllam.“ 

410 Deutſche Mythologie 337. 

al Div Caſſius 55, 1: „ir röv Nrandalınav —28 Geuß 445, vergi. 
4. 130 rö Ilouatie upn, Alpes bestarnice.) Frankenwald Zenß 7 f. 
But. S. C. 134 fe: „I Svävaskög.* Ptolemäus (Beuß 181. 759): „utzu 
tod Suvnßov noranor: * Hidrwards Boten nad) Swawaland, nachdem fie der 
Fahrt übers Gebirg erwähnt, melden weiter, Sem. 141, 5: „urdom sidan 
deinorn vada;“ der König ſelbſt, von den Bergen ins Sand gelommen, ninumt 
Nachtherberge an einem Strom, abend. 141 6: „reid konfingr af fiallino fram 
i daudit, ok tök nättböl vid & eina Atli h&lt vörd ok för yfir ana* 


139 


ale jenes fortlaufende Joch von Bergen, dus nad) Tacitus Sue 
vien durchſchneidet und jenſeits deſſen lygiſche Völkerſchaften fich aus: 
breiten 112, fo kann weiter gewagt werben, in den Logafidll nordiſch 
gefaßte Berge der Lygier, Logionen (Logjafiöll), zu. vermuthen. Man 
denke an den vielfachen Verkehr der Nachbarvölker Semnonen und Lygier, 
an jenen lygiſchen Häuptling Semnon, auch an den Semnonenkönig, dem 
eine gottbegeifterte Jungfrau, eine Swawa aus altgermaniſcher Zeit, zur 
Seite fteht! Hiezu endlich ber Rame des Waldes, bei welchem Sigrung 
Bruder mit dem Speer Odins, dem ex um Baterrache geopfert, feinen 
Schwager Helgi erftiht und von meldem aus er der Schwefter nad 
den Sewabergen Kunde bringt; dieſer Wald heißt Fiöturlundr, Feſſel⸗ 
wald, und wo fonft ıft über fenen Namen Aufichluß zu finden, wenn 
nicht in der altfuebifchen Stammfage, im heiligen Haine ber Semnonen, 
in dem bas Menfchenopfer fällt und den Niemand anders betritt, ala 
mit einer Feſſel gebunden 4132 

Mehrfache Anläfte können dahin gewirkt haben, dab in den alt- 
norbifchen Liedern die ſueviſche Helgifage mit der fränkiſchen Wölfungen: 
ſage verfchmolen wurde. Die Gefchichte der Sagenbilbung im Allge 
meinen zeigt den regfamen Trieb, urfprünglich verichiebene Kreife in 
größeren Zuſammenhang zu verarbeiten, und die dichteriſche Selbft: 
thätigleit, weldye hiebei waltet, hat freieres Spiel, wenn der Sagenftoff 
aus der Fremde geholt und damit ſchutzlos feinem heimatlichen Beftand 
entboben if. Im Beiondern bot das gleichmäßige Verhältnis des 
u. ſ. w., womit chen Seemorn gemeint fein wird. Sn. 218a gibt unter ben 
äheiti: „morn;“ ift etwa Se-morn auß Bväva-, Seva-morn geworden? In 
folhem Zufammenbang mit Swäwaland, Swävakonfing ift 8 ja wirklich ein 
Suevenftrom, eine Smabaha (veral. Schannat 288, Faldenflein, Nordg. 
Alterth. 2, 20). 

412 Germ. 43: „dirimit enim seinditque Sueviam continaum montium 
jugum, ultra quod plurime gentes agunt, ex quibus latissime patet 
Lyg5orum nomen, in plures civitates diffusum.* 

415 Sem. 164 f.: „Dagr Högnason biötadi Odin til fodur- hefnda; 
Odinn l&di Dag geirs sinus. Dagr fann Helga mäg sinn Par sem heitir 
at Fiöturlundi, hann lagdi igögnum Helga med geirnom, Par fell Helgi, 
en Dagr reid til Stvafialla ok segdi Sigränu tidindi,“ (flötur n. com- 
pages, @r. 2, 141.) Ebend. 98, 28: „fall 1 morgen und Fiöturlundi 
budlängr“ u. |. w. Germ. 39: „est et alia luco reverentia, nemo niei 
vineulo ligatus ingreditur“ u. ſ. w. 


140 


ältern Helgi zu Swawa, bed jüngern zu Sigrun, Sigurds zu Brünhild, 
alfo durchgehend des Helden zu feiner Wallüre, einen Punkt gegen: 
feitiger Anziehung 114. Ob der Name Helgi fchon voraus in der Wöl: 
fungenfage gangbar war, bleibt ungemwis. Einflußreicher war ein Ge 
ſchlechtsname: in den Meldungen vom Sigmundsfohne Helgi, und nur 
eben bier, find die Wölfunge für einerlei mit Ylfingen (Wölfingen) ge 
nommen und erflärt. Die Profa zum dritten Helgiliede fagt ausbrüd: 
lich: König Sigmund und fein Geſchlecht haben Wölfunge und Ylfinge 
geheißen 115. Befragt man bie Lieber felbft, jo entfteht dadurch Zweifel, 
daß in benfelben der ſtaldiſche Gebrauch, die Namen einer Anzahl 
fagenberühmter Gefchlechter zur Bezeichnung eines Königs oder andern 
Würbeträgers, feine Stammes und Gefolges, in ganz allgemeinem 
Sinne zu berivenden 116, im vollfien Schwunge geht. Helgi wird 
Audling, Bublung, Degling, Hilding, Lofvung, Sikling, Skidldung 
genannt 117; die Völfunge, fein Kriegögefolg, haben biefen Namen in 
den Lieberftsophen nur einmal #18, fonft heißen fie oder auch ihre Gegner 
und Kriegdleute überhaupt: Aublinge, Bublunge, Deglinge, Hildinge, 
Siklinge, Sliöldunge, gleichertweife nennt Höddbrod feine Zugehörige 
einmal Hniflunge 91%. Sind nun die Wölfunge nicht lediglich in fold 

4 Auch die Schmwanjungfeauen des ſonſt unverbimdenen Wolundsliedes 
find als Walküren bezeichnet. Diefe halbgöttlichen Weien, nebft ihrem Gebieter 


Odin felbft, vermitteln die Götterlieber der ältern Edda mit den Helbenliedern. 

415 Seem. 158: „Sigmundr konüngr ok hans witmenn heta Völsüngar 
ok Yifingar.“ 

416 Über diefe patronymiſche tignar nöfn und ihren jagenhaften Urfprung 
j. Sn. 192 f. 2gl. Seem. 114 f. Fornald. 8. 2, 8 bis 11; tiber das Alter 
des Hyndlaliedes Dietrih in der Zeitfchrift für beutfches Altertfum 7, 317; 
über die nordiihen Etammtafeln Sagabibl. 2, 480 ff. 

417 Audliugr (Ödliogr): Sem. 149, 2, Budlängr: 150, 12. 157, 
54 |. 166, 17. 167, 31. Lofdüngr: 149, 4. 153, 27. 166, 23. 168, 34. 
Hildingr: 159, 2 (allg. 160, 9 (allg). Deglingr (Döglingr): 150, 7 
(allg.). 151, 16. 160, 11. 167, 29, Siklingr: 161, 1. Skiöldängr: 162, 
6 (allg.). 157, 54: ättstafr Yngva (vergl. 188, 14). 

118 Sem. 157, 51: VölsAngar; in der Profa 158. 162 b. 164 a. 

49 Audiiugar (Ödl.): 153, 27. 154, 33 (allg.). 36 (ebenfo). Budiüngar: 
149, 2 (aflg.). Hildingar: 150, 6 (allg.). 151, 13 (ebenfo). 16. 163, 10 f. 
(ebenfo). 165, 17 (ebenfo). 166, 25 (ebenfo). 167, 27 f. (ebenſo). Deglinger 
(Dögi.): 152 26. Siklingar: 153, 26. 155, 45 (allg). 163, 11 (ebene). 
Skiöldängar: 169, 38 (dis skiöldüngea, Sigrun) Hniflängar: 156, 47. 


141 


allgemeiner Bebeutung aud als Mfinge bezeichnet? Dem entgegen ift 
noch nicht enticheibend, daß diefe Bezeichnung einigemal in Fällen ftatt: 
findet, die eine beftimmte Angabe des Geſchlechts oder Volles ermarten 
laſſen; fo wenn Helgi gleich bei feiner Geburt Ablömmling der Ylfinge 
genannt wird, ober wenn Sinfidtli vom Schiff aus, von Höbbrobbs 
Brüdern um Führer und Voll der anfahrenden Flotte befragt, fie da⸗ 
beim ausrichten beißt, daß die Ylfinge von Dften gelommen feien unb 
Helgi fih in ihrer Mitte befinde, und Jene dann eiligft dem Hödbrodd 
verfünden, ein herrliches Königsvolk, die freudigen Ylfinge, feien an- 
gelanbet 120, Erheblicher ift, daß, während die zuvor aufgezählten 
VWürdenamen auch anderwärts den Helbenlievern der älten Edda ge- 
(äufig find 421, die Plfinge durch diefe ganze Sammlung nirgend, weder 


40 Sem. 149, 5: „Eitt var at Angri Ylfinga nid“ u. f. w. (Gr. 3, 
21: „altn. nidr, zuweilen fillus, ofter propinyuus“; vergl. Seem. 114, 11. 
235, 34 u. |. w. Bergl. 150, 6: „burr Sigmundar,“ ebend. 11: „Sigmun- 
der bur,“ 160, iu. 161, 2: „syni 8.* 168, 37: „S. burr“, immer von 
Helgi; 188, 18: „konr. 8.” 193, 1: „S. burr“ von Sigurd; doch wird nidr 
anch den allgemeinen Würbenamen beigejegt, Seem. 192, 44: „skiöldänga 
nidr“, vergl. 209, 18: „dis skiöllünga“, Sn. 194: „völsünga nidr“, 
Amam. 526.) Sem. 154, 34 f.: „at se Yifingar austan komnir u, f. w. 
Par man Höodbroddr Helga finna u, f. w. 1 flota midjom.“ 156, 48 f.: 
„Sntaz her at landi u. ſ. w. göfugt lid gylfa, gladir Yifinger u. f. w. 
mana nd Helgi hiörbing dvala.“ (Gylfi ift hier appellativ, vergl. Sn. 191.) 
Sem. 159, 3: „adr hans Helgi höptu giördi u. f. w. Ylfinga man“ (Gr. 
3, 323: „altn. neutr. man u. |. w. mancipium“ u. |. w.); vergl. jedoch ebend.: 
„mer konüngs.“ Sem. 160, 7: „nidr Yifinge,“ fo nennt fi Helgi, 
während er ſich doch vor Sigrun hehlen will, ebend. 11: „nA vill dyljask 
döglingr for mö&r“; doc, gehört au Hamall, den er ala Führer der Flotte 
vorſchiebt, 159, 5, zu den Leuten der Böljunge-Plfinge Sem. 168, 34: 
„Ylfinga nidr ,“ Sigrun zu Helgi, aber ebend. au: „lofdüngi.“ 

2 Im erften Helgiliede: audlingr, Sem. 143, 13. 145, 27. 29; bud- 
lüngr, Seem. 141,2 f 147, 39, I48, 40. 43, 145, 26: „budlüngs mönnom*“; 
hildingr, Seem. 144, 18; „siklinge mönnom*, Seem. 145, 29. In andern 
als den Helgiliedern: audlingr und audlingar, Sem. 175, 28. 181, 5. 213, 
18, 214, 24. 217, 10. 240, 9. 250, 43. 367, 11: budlänger, Sem. 250, 
(0), budlängr Grottas. 18; degiingr, Seem. 213, 14; lofäüngr, Seem. 
199, 38; niflüngar (7), Sem. "267, 12, geir- niflängr (vergl. geir-niördr, 
268, 8) 27, 27; siklingr, Seem. 182, 11; skiöldüngar, Sem. 192, 44. 
209, 18. 251, 2. (Sigmund beißt Völsüngr, Sem. 117, 25; Sigurd ebend. 
184, 18. 216, 1. 3. 218, 13.) 





142 


dichteriſch noch eigentlich, genannt merben, als eben einzig in den beiben 
Liedern vom Wölfung Helgi. Selbft in Sfalda find fie nicht, mie bie 
andern Würbenamen alle, mit einer Gebichtftelle belegt 22. Überhaupt 
ift aus der Helgifage nichts in die Stalbenfprache übergenangen, wo⸗ 
gegen Wölſung als Würbename vorlommt und bie älteren Helden dieſes 
Geſchlechts, Sigmund und Sinfiötli, in einem Staldengefange zur Aus: 
ftattung ber Walhöll verwendet find 123. So bereinigt fi Mebreres, 
die Angabe der Profa dahin zu beftätigen dak in befagten Liedern 
Mfinge und Wölſunge gleichmäßig als mirklihe Namen des Fürften- 
gejchlecht3 gelten, in welchem Helgi mwiebergeboren ift. Da jedoch die 
zwei Namen (altn. Völsänger und Yifingar, agj. Wälsing und Wul- 
finzes, ahd. und mhd. Welifunc, Welfune, und Wulfine, Wolfinc, 
Wülfinge, Wölfinge) ſprachlich nicht? gemein haben, jo führt dieß 
darauf zurüd, daß der zweite Helgi uriprünglich nicht den Wölfungen 
angehört habe, jondern einem andern Stamme, deſſen Name fich jebt 
in ben verbunfelten Ylfingen herausftelli. Zur Verwechslung und Ber: 
ſchmelzung biefer beiden Geſchlechter Tonnte, abgejehen von dem nur 
ungefähr ähnlichen Zaute, der Umftand wirken, daß die zwei Wölfunge, 
die in den Helgilievern beigegogen find, Siamund und Sinftötli, einft 
als Wölfe umberichweiften, worliber ebenvort zwiſchen Letzterem und 
dem Strandwächter Gobmund Scheltreden gewechſelt merben 424; daß 


422 Sn. 192 fiihrt auch bei ihmen allein keinen Namengeber an una fagt 
überhaupt von ihnen nur: „af Ylfinge wtt var Eirtkr inn mälspaki;“ zwei 
Handſchriften lefen aud Bier: „Ynglinga zeit“, Sn. Arnam. 523. Schon das 
genealogifche Hyndlulied zeigt ſich unficher, erft fiehen die Ylfiogar unter den 
vier Geichlechtern, um welche namentlich gefragt wird, Seem. 114, 11, in ber 
nächſten Strophe 12 Tommt zwar ein Ulfr vor, aber nicht an der Spitze feines 
Sippes, und als nachher, Strophe 16, die vier Stämme in der Antwort wieder 
aufgezählt werden, find flatt der Ylfinge die Ynglingar eingetreten. Die 
Stammtafein in Fornald. 8. 2, 3 ff. wiflen über ſammtliche Geſchlechter der 
tignarnöfn Beſcheid, nur von ten Ylfingar ſchweigen fie ganzlich, jener Ulfr 
des Hyndlulieds erjcheint Hier noch tiefer in einer Geſchlechtreihe, 2, 7, die 
nichts weiter mit Ylfingen zu than bat, und Eirikr hinn mä&lspaki der Stalda 
wird dem Stamme der Skilfinge oder Skiöldunge eingereiht, ebend. 9 f. 

#23 Sn. 194: völsüngr. Fagrsk. 17. 

s24 Seem. 154, 36 (Godm.): „pü hefir etnar Alfa kräsir ok bradr 
Dinom at bana ordit; opt sär sogin med svölum muhni, hefir i hreysi 

arleidr skridit“ u. j.w. 38 (Sinf.): „Niu Altu vid & nesi sägu ulfa ala. 


143 


aber dieſer Waldgang in Molfgeftalt und der Mölfingyame im Begriffe 
der Landflüchtigkeit zufammentreffen, wird an andrer Stelle zu erörtern 
ſein. Bon ven Wölſungen abgelöit, fallen bie Difinge dem ſueviſchen 
Beſtand der Helgifage anheim. Hier, wie bei andern Böllerfchaften, 
konnte ein Geſchlechtsname von beliebtem Stammwort oder von allge: 
meiner Bedeutung fagenhaft umgehen. Weber mit den MWölfingen der 
Dietrichsfage, noch mit den Plfingen der Inglingenjage, ergibt fich ein 
innerer und unmittelbarer Zuſammenhang. Gleichwohl bat fchon ver 
äußerliche Anklang an dieſe Letztern auf das Namenmefen ver Helgt: 
lieder merklich eingewirkt. Die ſchwediſche Konigsſage berichtet, wie 
ein König Hiörward, genannt Mfing mit feinen Wilingen in Schiveden 
anlegt und von ®ranmar, dem König in Sübermannland, zum Schmauſe 
geladen wird, wie Granmars Toter Hilbigunn 125 dem Gafte ten 
Willkommbecher auf das Mohl aller Mfinge zum Gedächtnis Kolf 
Krakis autrinkt und ihm hierauf verlobt wird, mie dann Hiörward und 
Granmar ın Gemeinihaft mit Högni, König über Dftgotbland und 
Schwäher Granmars, den Upfaltönig Ingiald erft glüdlich bekämpfen, 
nach beſchworenem Frieden aber durch deſſen nächtlihen Überfall in den 
Flammen umlommen #26, Woher der Nlfing Hidrward kam, ift nicht 
gefagt, aber daraus, daß ihm der Heiltrunt auf alle Ylfinge zu Rolf 
Kralis Minne gebracht wird, ift zu fchließen, daß biefe Dlfinge Dänen 
waren, vielleicht dieſelben mit den Wulfingen, deren angelfächfifch in 
Beowulf und Widſid gedacht iſt 12°. Meben dem Geſchlechtsnamen 


ck var einn fadir heirra.“ 39 (Godm.): „Fadir varatiu ſenrisulfa öllum 
ellsi® u. |. w. 155, 40: „Stiapr varlu Siggeirs, lätt und stödum heima, 
vargliolom vanr at vidum üti; kömu per Ögögn Öll at hendi, P& er 
bredr Pinom briost raufadir: gördir Pik fregjan af firin-verkum,“ Bergl. 
Völs, 8. 6.8 (Fornald. S. 1, 130 ff.) Beow. 8. 137: „feehde and firene.“ 

25 Iſt es Hildigunn, die Tochter einer Smwawa (Mund, Edda 68, 17), 
und gibt dieß eine Anknipfung? Kaum. 

8 Yngl. 8. 6. 41 bis 48. Der Trinfgruß lautet: „heilir allir Ylfingar 
at Rölfs minni Kraka!“ Bon Rolf Krafi meldet Yngl. S. C. 33 fg. 

MU Bew. C. 7. Cod. Exon. 320: „Helm (veöld) Vulfingum.* Mög- 
ih, daß Helm (nnd jo auch in der folgenden Beile Bald, vergl. Ettm. Lex. 
115) hier aus einem Appellativ irrthümlich zum Eigennamen geroorden ifl, wie 
un Beowulf, a. a. O., Hrodgar helm Scyldinga heißt (vergl. Etim. Lex. 457). 
Son über die Wulfinge Leo, über Beow. 55 f., vergl. 20° Ettmüller, 
eow. 2. M Henhoff in den Nordalb. Stud. 1, 158, wo auch die Verweilung 


144 


Afinge verlauten nun auch in ben Helgiliebern die dtei Kbnigsnamen: 
Hibrward, Vater des erften Helgi und gleichnamig einer der Hundings 
föhne 18, Granmar, Bater des vom Ylfing Helgi belämpften Mitbe⸗ 
werbers, Högni, der Bater Sigruns; und doch bat ber beiberfeitige 
Sageninhalt, die Stellung der Ramenträger zu einander, lediglich nichts 
gemein. Entlehnung diefer Namengruppe aus der Helgifage herüber 
in bie reinnorbifche Gefchichte der Upfallönige Tann nicht angenommen 
werben, glaublicyer ift, daß umgelehrt die gebieteriihe Dichtlunft bes 
Nordens, indem fie fremben Sagenftoff von feiner Wurzel ablöfte und 
ihn ſich aneignete, bemfelben nicht bloß ihr ſtaldiſches Gepräg auf 
drückte, jondern auch durch Verſetzung mit norbifch mundgerechten Namen 
fih ihn verähnlichte. Hiezu reichten lodere Fäden aus, gemahnten 
deutſche Wulfinge an altbänifche Ylfinge, fo zogen biefe leicht andre, 
mit ihnen zuſammenhängende Namen nad; überall ſagenhafte Anklänge 
ohne inneren GSagenverband. Wie mit den Perfonennamen ſteht es 
mit den Ortönamen; bald ein Berfuch beftimmter Berörtlihung, mie 
wenn in der Profa zwifchen dem erften Helgiliede Hiörwarb zum König 
in Norwegen erklärt ift und fein Sohn Hebin aud im Liebe ſelbſt aus 
diefem Lande kommt 129, bald mehr nur bdichterifche Bezeichnungen der 
Gebirgs⸗ oder Seegegend, wie jene Solfiöll und Snäfiöll, Sonnen: 
und Schneeherge, der Gerichts- oder Kampfftätte, wie Hringftabir u. f. w., 
in deren Art aber auch nachweisbare Ortsnamen gebildet waren !W. 


auf Barnlönig, Flandr. Rechtsgeſch. Bo. 1, Abth. 1, Urkundenb. S. 85: 
„Sequitar de Wulpingis. Homines de Wulpis sive de Cassand“ u. |. w. 

8 Die Butter heißt Sigrlinn; follte diefer Name, den Völs. S. nicht 
fenmt, aus dentſcher Heldenjage, in welcher Sigfrids Mutter Gigefmt heißt 
(Nid. 20, 2), 518 hieher aufgeftiegen fein? Giglint iR and eines ber weis- 
fagenden Meerweiber im NRibelungenliede (1479, 1) genannt. (Eine Gigelint in 
der Klage 1102.) 

43% Seom. 145 fg.: „Hedinn var heima med födur sinum Hiörvardi 
konüngi 1 Nöregi.“ 146, 31: „Kom Bü heill, Hedinn! hvat kantu segja 
nfra apialla or Noregi?“ 

480 Ein „Helgi & Sölbiörgom“, in Halland, Heimskr., beransg. von Schö⸗ 
uing, 5, 60, appellativ: „sölbiörgum 1“, Fornald. 8. 1, 482; „Hringstadir*, 
in Seeland, Heimskr. 8, 41: Fagrek. 4: „& Hringstödum & Siölandi.* 
P. E. Müller jagt in der Sagabibl. 2, 50: „Det er nok overalt forgiweres 
at ville bringe geograplıisk Nölagtighed i Qvaderne om Helge, thi om 
man end blandt de mange Navne paa Herreder ok Landsbyer i Danmark 


145. 


Unter all dieſem irrenden Einfluß norbifher Namengebungen baben 
fih nur um fo bebeutfamer die Grundnamen Swawa, Swafnir ber 
Swawakbnig, Swawaland, Sewafidll, theils gänzlich ungelräntt, theils 
wenig umgefärbt, im alten Beſtand erhalten. Die Suevin hat ſogar 
ihrerſeits örtlich und an ber Spitze der großen Stammtafel im Norden 
Befik genommen: es gab eine norwegische Bucht der Swawa, Swafu⸗ 
wit 431, und Halfdan der Alte bat die zweimal neun Söhne, von denen 
die Tönigliden Würbenamen abgeleitet werben, mit Almweig (Alwig, 
Afey) erzeugt, diefe Stammmutter felbft aber ift, nad dem Hyndla⸗ 
lied, eine Tochter Hildigunns, der Tochter Swafas und eines Gew 
Lönigs 472, 

Richt bloß in Stil und Namenwert, auch in ihrem inneren Weſen 
ift die ſueviſche Sage von der norbiichen Zubildung betroffen worden. 
Dieß konnte nicht ausbleiben, indem fie einer Geichlechtfage verbunden 
wurbe, in welcher Odin vom Anfang bis zum Ende malte. Es ift 
fein Grund anzunehmen, daß die Wölfungenfage nicht fchon in ihrem 
Urſprung von Woden beberrfcht geweſen fei, mit ber Einbürgerung 
im Norden aber fiel fie aud ber eigenthümlichen Ausgeftaltung bes 
Ddinsmythus durch bie nordiſche Poefie anheim. Man Tann fich 
davon eine Borftellung maden, wenn man bie älteren Geſchichten ber 
Wölfunge, wie fie allein noch im vorbern Theile der profaiichen Saga 
enthalten und bargeftellt find, mit den fpäteren zuſammenhält, wie fie 
in den Eddaliedern dichterifch verarbeitet vorliegen und erft aus biefen 
in den mit Sigurds Jugend beginnenden Theil der Saga übergiengen. 
Diefem Liederkreis angereiht, prägte fi) auch die Helgifage norbifch- 
odinifch aus. Der ziveite Helgi ift ein Wölfung und damit fteht er 
in Dvins Macht. Diefer Gott ift Stammoater ver .Wölfunge und 
als das Gefchlecht erlöfchen will, fendet er in dasſelbe den befruchten: 


ok Sverrig kunde finde nogle, der svarede til Sagaens; aynes dog Je 
Heste af disse, som Frekasteen, Arasteen, Logafield, Unavog, Brunavog 
blot at veere allegoriske. Imidlertid er det rimeligt, iser da og et Sigars- 
vold neevnes, at Digteren har tenkt sig Helge födt i Danmark.“ 

431 „Sväfayik,“ Heimskr. 4, 365. 409. (cf. Falsenii Hist. Norveg. 3, 
€. 254); vergl. „Svaforni“ Heimakr. 4, 325. 

422 Seom. 115, 17: „Var Hildigiinn hennar (Älmveigar) mödir IvAfu 
borin ok sekonfingi.“ 


Afland, Ghriften. VI. 10 





146 


den Apfel dur feine Wunſchjungfrau (oekmey) 483, eine Benennung, 
die nachmals auch auf Brünhild angewendet wird 494 und beren Sinn 
ft, dag Odin, deflen angewünſchte Söhne (oskasynir) die Einherien, 
feine Genofien in Wallhöll, find und der als Wunfchvater felbft Oski 
beißt 435, durch dieſe ihm bienftbaren Jungfrauen die Annahme junger 
Helden an Sohneftatt vermittelt. Gewbhnlicher ift der Name Wal: 
füren, welcher die Erfiefung und Berufung ber von der Walftätte nad 
Walhöll Fahrenden bebeutet 456 Walküren find nun auch Swawa 
und Sigrun, doch find dieſe nicht, wie Brünhild, ausdrücklich mit 
Odin in Beziehung gebracht 497. Von Dbin ift dem Wölfungenftamm 


. 48 Fornakd. 8. 1, 118: „(Odinn) tekr oskmey sina, döttur Hrimnis 
iötana. ok fer i hönd hemni eitt epli, ok bidr hana fera konfingi.“ 

434 Sem. 242: „en hann (Gunnarr) Brynbildi bed hialm geta, hana 
qvad hann oskmey verda skylda.* 

435 Sn. 24: „bann (Odinn) heitir ok Valfidr, Pvi at hans oekasynir 
(Arnam filii adoptivi) era allie beir er 1 val falla; beim skipar hann 
_ Valhöll ok Vingölf, ok heita beir 54 Einherjar.“ (Lex. isl.: „Öek f. vo- 
tum; item electio.“ „oska-barn, n. adoptivus.“ „Öska-barna rettr, m. jus 
adoptionis.“ „öskasonr, m. vid. sskabarn.“ über den altn. coinponieren- 
den Bocal Gr. 2, 422, d. Bergl. Graff 1, 905, mo unter wunſt mehrfach 
adoptio, adoptare, adoptivus. Ettm. 120: „gevfskan, adoptare, optare.“) 
Sem. 61, 17 find barn und oskmögr zujamnıengeftellt, aber unterfchieben. 
Über deutſche Adoption R. A. 463 bis 465. Der agf. Name Vüskfreg fcheint aud) 
ein Verhältnis der Ankindſchaft auszudrücken, was dur die Zufammenftellung 
mit Fresvine fich erläutert. D. Myth. (1) Anh. VIII f. (2) 192. Oski, Szem. 
46. 49. Sn. 3. 24. Herjafadir, diefer gangbare Odinsname wird dem Gotte 
beſonders auch da gegeben, wo er mit.den Einherien oder noch irdifch begüumſtig⸗ 
ten Helden im Verkehr gedacht ift, Sem. 6, 35: „G6l um äsum Gullinkambi, 
sä vekr hölda at Herjafödrs.“ 36, 40: „Segdu Pat n. ſ. w. hvat einherjar 
vinna Herjafödrs at, unz rinfask regin.“ 113, 2, wo namentlich der Waffen- 
gaben an Hermod und Sigmund gedacht ift; fiber Adoption durch Waffen Rechts⸗ 
alterth. 166 f., vergl. auch Paul. Diac. 1, 28 f. 

486 Sn. 39: „pessar heita Valkyriur; bar sendir Odinn til hverrar 
orostu; ber kiosa feigd A menn, ok räde sigri u. |. w. rida iafnan al 
kiosa val, ok räda vigum.* D. Myth. 889. Sie Heißen auch: „Odins 
meyar,® Sn. 212a, „nonnor Herjans“ Sem. 4, 24; vergl. 248, 19: „hverri 
heri Herjans disi.* 80. 159: „valköstu,“ Arnem. 417.) 

47 Daß fie Walküren fein, ift zwar mer in der Proſa namentlich gefagt, 
aber ihre Erſcheinung in den Liedern ſtimmt damit überein. Brünhilos Ab⸗ 
hängıgfeit von. Chin ift ausgejprochen Sem. 193, 2. 194. 228, 8; Walfüre 
wird fie in ber Profa, ebd. 194, genannt. 


147 


auch das Schwert geftiftet und zwar zu Handen Sigmunds 488, in 
defien letzter Schlacht es dann am Speere des entgegentretenben Gottes 
entzweibricht, aus den Stüden aber wird dem nadıgebornen Sigurb 
das Schwert zum Lindwwurmlampfe geichmiebet 139; in ben Liebern 
vom Wolſung Helgi bringt Sigmund diefem älteren Sohn aus dem 
Kampfdonner das Schwert zur. Namengabe 14, Seinen Speer leiht 
Odin bier dem Bruder Sigruns, der ihm geopfert hat, zur Vaterrache 
an Helgi 141. Diefer geht aber fofort nah Walhöll ein. Wenn nad 
nem Staldenlied auf den Tob des norwegiſchen Königs Eirik (erfte 
Hälfte des 10ten Jahrh.) Sigmund und Sinfibtli ale Einherien bei 
Dbin in Walböll weilen, fo wird im Eddaliede noch herrlicher ihrem 
Sohn und Bruder Helgi, ala er dorthin Tommt, von Odin die Mit: 
herrſchaft angeboten 442, Aus den Sälen Odins reitet Helgi mit feinem 


48 Fornald. 8.1, 120 f. (Völs. 8.@. 3): „hann (Odinn) bregdr sver- 
dinu, ok stingr Pvi 1 stokkinn m. |. w. ok meelti: sä er bessu sverdi 
bregär or stokkinum, D& skal e& hat higgja at mèr at giöf, ok skal 
hann Dat siälfr sanna, at aldri bar hann betra sverd ser 1 hendi, en 
Detta er“ u. f. w. Hyndl. 3 (Seem. 113): „gaf haun (Herjafadir) Hermödi 
bialm ok brynjo, en Sigmundi sverd at Piggja.“ Bergl. Str. 25 (Ssem. 117a), 
wo Sigmund Völsingr genannt ift, wie im Beowulf Välsing. 

450 Fornald. 8. 1, 145 (Völs. 8. C. 11): „bessi madr kon: äm6t Sig- 
mundi konüngi, ok bra upp geirnum fyrir honum; ok er Bigmundr 
konängr hiö fast, kom sverdit 1 geirinn, ok brast 3 sundr 1 tvä luti“ 
u. |. w. Ebend. (C. 12) fagt der flerbende Sigmund zu Hiörbis: „vill Odinn 
ekki, at vär bregdum sverdi, sidan er nü brotnadi“ u. |. w. und weiterhin: 
„rardveit ok vel sverdsbrotin; par af mä gera gott sverd, er heita mun 
Gramr ok sonr okkarr mun bera, ok bar mörg störverk med vinna“ u. ſ. w. 
Die Yertigimg des Schwertes Bram aus den Stüden ebend. C. 15 (1, 156), 
vergl. Seem. 1836. 


40 Seem. 150, 7: „slallr gökk visi or vigbrymu Angum foors ttrlauk 


#1 Beem. 1645 f.: „Dagr Högnason blötadi Odin til födurhefnda; 
Odinn Mdi Dag geirs eins. Degr fann Helga u. ſ. w. hann lagdi igög- 


nam Helga med geirnum; par fäll Helgi“ u. ſ. w. 


42 Häkonarmäl bei Frauer, Die Wallyrin u. |. w. Weim. 1846, 87 f. 
5 ff. Fegrskinna, Chriſt. 1847, 16 f. Sein. 1666: „Haugr var görr eptir 
Helge, enn er hann kom til Valhallar, BA baud Odinn hanum öllu at 
räda med ser.“ Helgi macht davon den Gebranch, daß er den alten Feind 
der Wölfunge, König Hunding, zu den niedrigften Knechtsdienſten, ſelbſt zum 
Shweinefüttern, verurtbeilt; handbgreifliches Beiſpiel der @infchiebung. 


148 


Gefolge zum offnen Hügel und dorthin Fehrt er, bevor ber Hahn das 
Siegvolk, die Einberjen, medt, auf gerdthetem Luftfteig zurück 448, 
Allein eben hier, wo die Umfpinnung der Sage von Helgi mit Bor: 
ftellungen des Odinsmythus fich vollendet, offenbart ſich auch der ent 
fchiebene Zwieſpalt ihres Grundbeſtands mit dem firengobinifchen Geiſie 
der Wölfungenfage und ber norbifchen Überbichtung desſelben in ein 
fremdes Gebiet. Die Verberrlihung in Walhöll ift unverträglich mit 
dem Wieberfehen im Grabhügel, wie folches doch im gleichen Liede, 
als tiefiter Sageninhalt, mit meifterbaften Zügen gezeichnet ift. Helgie 
urlalte Hände, urlalte Bruft, darauf Sigrund abenblihe Thränen 
blutig und quälend fallen, bis fie ihm eine fchmerzlofe Rubeftätte 
bereitet, dann ber beivufte Gegenfah des Grabes und ber Wonne: 
foftbarer Trank fol getrunfen werden, obgleich Luft und Lande ver: 
loren find, Niemand fol ein Trauerlied fingen, obſchon er die Bruſt⸗ 
wunden fiebt, die Braut nun im Hügel geborgen bei dem Geftorbenen, 
nichts mehr unverbofft, feit die Lichte, Lebendige dem Berlebten im 
Arme ſchläft, al dieß verkündet nachbrüdlich einen Bewohner ver 
Todtengruft, nicht einen Genofjen der himmliſchen Walhöll. In Doing 
Saale fchmaufen die Einherien vom unvergänglichen Eber und bie 
Wallkuren reichen ihnen das Trinkhorn; Ragnars Todeslied fchließt: 
„beim laden mich Nungfrauen, die von feinen Hallen Dvin mir fenbet, 
fröhlich werd' ich mit Aſen Bier auf dem Hochſitze trinken, verronnen 
find die Lebensftunden, lachend werd’ ich fterben” 144, Hier it Wal- 
höll, dort die Grabhöhle; es kann nicht urfprünglic fein, daß ber 
Held erft göttergleich mit Dbin lebt, dann leichenhaft im Hügel ſchläft 
und bald mieber über die Himmelbrüde zurüdreitet. Der Tobtenritt 
muß vom Grabhügel aus: und dahin zurüdgegangen fein. Das befagt 
doch ſchon Sigruns vorausgegangene Tobtenllage: „nicht fit’ ich fo ſelig 
zu Sewafiöl, frühe noch die Nächte durch, daß ich des Lebens mid 
freute, es gebe denn an der Thür (Grabthür) des Helden Glanz auf 
und venne unter ihm das goldgezäumte Streitroſs bieber, daß ich den 


43 Sem. 168, 36 f. 

44 Fornald, S. 1, 310: „heim Lbiöda mer Disir, sem frä Herjans 
höllu heßr Odinn mär sendar; gladr skal ek öl med Äsunı i öndvegi 
drekka; life eru lidnar standir, lejaudi skal ek deyja.“ 


149 


König empfangen könne 195; darnach im einem fpäteren Eddaliede 
Godruns Klageruf: „Treibe du, Sigurb, das Schwarze Roſs, Taf das 
burtige hieher rennen u. |. m. Gedenke, Sigurd, was wir berebeten, da 
wir auf dem Kiffen zufammenfaßen, daß du, Tapferer, mich beſuchen 
twolleft, ein Held aus dem Todtenreich, ich aber dich aus dieſer 
Belt?“ 446 Bu folchem Ritt aus dem Grabhügel wurde Männern 
bad Roſs in denfelben mitgegeben 44°, Im Rorben felbft war es wobl 
die ältere Borftellung, daß der Aufenthalt Hingefchiedener ein unter 
irdifcher fei. Schaaren tobter Männer reiten über die Brüde bes 
Gibllſtromes norbwärts den dunkeln Helweg hernieber 44, Die uralte, 
bei Saxo erhaltene Sage von Habbing, fonft einem Odinshelden, 
weiit die Kampfſpiele der durchs Schwert Gefallenen, mie folde nad 
der Edda in Walhöll ftattfinden, gleichfalls in die Unterwelt 149, Auch 


43 Sem. 166, 233: „Sitka ek sva sel at Sövafiöllum Ar nd um neetr, 
at ek una lifi, nema at lidi lofdüngs lioma bregdi, renni und viss vigbler 
hinig (a. Pinig) gullbitli vanr, knega ek grami fegna.“ [Bu hinnig, Pinnig, 
Gr. 8, 174. 179. Mund, Edd. 200a.] 

446 Sem. 268, 18: „beittu. Sigurdr, enn blakka mar, hest inn hrad- 
foora lättu hinig renna“ u. ſ. w. 19: „Minnstu, Sigurdr, hvat vid mel- 
tum, pa er vid à bed bedi sätum, at myndir min mödugr vitja, halr 
or helju, en ek Pin or heimi.“ (Lex. isl. 1. 324: „Hair, m, vir liber 
et liberalis.“ Sn. 213a u. Sem. 36, 43. 51, 29 vergl. mit 49, 15: 
„Helju 1,“ 19, 50: „t Helju“ u. |. w. 271, 19. Lex. myth. 139 a. Agſ. 
häle m, vir, &ttmüller, lex. 447. Bosw. 131c.) 

HT So wird der junge Norweger Aswit mit Roſs und Hund in einer Erd⸗ 
böhle beigeſetzt und zugleich läßt fi fein Freund Asmund in den Hligel ver- 
ienten, weil fie den Bund befchiworen, daß der Überlebende mit dem früher 
Berflorbenen begraben werben folle, Saro 5, 91 f. Bergl. Fornald, 8. 3 
375 |. 378, 

48 Sn. 67: „ridu um bräna 5 [ylki daudra manna u. |. w. en nidr 
ok nordr liggr helvegr.“ Bergl. Sem. 4, 28: „Giöll ok Leiptr u. |. w. 
falla ul beljar hAdan.“ 

4) Sayo 1, 16: „Progressigue precipitis lapsus ac liventie aque fiu- 
viem, diversi generis tela rapido volumine detorquentem eundemaqne ponte 
meabilen factum, oflendunt. (Juo pertransito binas acies mutuis viribus 
concurtere contemplantur, quarum conditionem a foemina perennetante 
Hadingo: ü sunt, inquit, qui ferro in necem acti cladis sus speciem con- 
tinao protestantur exemplo presentigne spectaculo preterite vite facinus 
&mulantur.“ Bergl. damit Sem. 36, 40: „Segäu bat u. |. w. hvat ein- 
herjer vinna Herjafödrs at, unz riufask regin.“ 41: „Allir einherjar 


130 


isländiſche Gefchichtfagen erzählen, wie ein bortiger Anfiebler Thorelf, 
beſondrer Verehrer Thors, einen Berg in der Nähe feiner Riederlaffung 
Helgafell, heiligen Berg, nannte und denſelben auch in foldher Bereb: 
sung und Friebheiligleit hielt (vgl. Wachter, Heimskr. 1, 42. 163), daß 
Niemand ungewafchen dahin fehen, noch dort Menſchen oder Vich 
Gewalt iwiberfahren follte, denn er war des Glaubens, daß cr und 
alle feine Blutöfreunde nad) dem Tode dorthin fommen ivürden. Zur 
Zeit feine Sohnes Thorftein ſah ein Hirte, der am Herbftabend nad 
den Schafen gieng, daß der Berg ſich von ber Norbfeite aufichloß, 
im Sinnen besfelben fah er große Feuer und hörte dahinzu lauten 
Freudenruf und Hörnerſchall, auch bei genauerem Aufmerken, daß 
dort Thorftein mit feinen Gefährten bewilllommt und angetviefen 
wurde, den Ehrenfiß feinem Vater gegenliber einzunehmen; am nächften 
Morgen erfuhr man, daß Thorftein beim Filchfang ertrunten war 4%, 


Odins tänum 1 höggvask hrverjan dag, val peir kiosa ok rida vigi fr&, 
öl med Äsum drecka ok sediask stehrimni, sitja meir um sättir saman.® 
Darnach Bn. 44: „b& meelti Gängleri u. |. w. hvat er skemtun einherjanns, 
hä er peir drekka eigi? Här segir: hvern dag, P& er heir hafa kledst, 
p& hervieda peir sik ok gänga fit i gardinn ok berjast, ok fellir hverr 
annen; Pat er leikr beirra; ok er lidr at dögurdarmali, b& rida peir heim 
ul Valballar ok setjast til drukkjn.“ Daß Saro nicht willlürlid, etwa 
unter Einfing Birgils, das Kampffpiel unter die Erbe verlegt, zeigt ſchon die 
damit verbundene Erfcheinung des aus dem Boden auftauchenben Erdweibes, 
das feine Führerin wird. [Bergl. Müller, crit. Unders. 22.] 

#0 Landnämsbök P. 2, K. 12 (islendinga Sögur 1, 97): „Börölfr 
nam land fr& Stafs& inn til börsar, ok kalladi bat allt börsnes; hann 
hafdi svä mikinn ätränad & fialli Bvi, er stöd t nesinu, er hann kalladi 
Helgafell, at hängat skyldi engi madr Öbveginn Iita, ok Bar var svä mikil 
fridhelgi, at auugu skyldi granda i flallinu, hvärki fd n@ mönnum, 
nemea sialft gengi & braut; bat var trüa beirra börölfs freenda, at peir dei 
allir 1 fiallit.“ Mebreres in Eyrbyggia-Saga (Havn, 1787, ©. 10 f.) ©. 4: 
„porölfr kalladi börsnes milli Vigrafisrdar ok Hofsvög. 1 pvi nesi stendr 
eitt all. A Dvi fialli hafdi Pörölfr sva mikinn &trünad, ar bangat skyldi 
einginn madr Sbveiginn lita, ok eingu skyldi tort$na 1 fiallinu hvärki 
fe n6 mönnum nema sialfr gängi 1 burt. Pat fiall kalladi haun Helgafell. 
ok trüdi at hanı mundi Pangat fara PA er hann dei ok allir & nesinu 
hans frendr sem Pörr hafdi & land komit“ Ebend. €. 13 (©. 26 f.): 
„Det sama haust för Pörsteinn At i Höskuldsey til fängs. Pat var eiti 
kveld um haustit at saudamadr Pörsteins för at fd fyrir nordan Helgafell. 


151 


— — 





Die verſchiedene Wohnſtätte nach den Tod erklärt fich weder dadurch 
genügend, daß nur die Waffentodten ober mit Speeresſpitze Gezeich⸗ 
neten nach Walholl auffteigen 51, noch durch die Stelle des Harbards⸗ 
liebe, wonach Dbin die in der Schlacht fallenden Sarle, Thor ber 
Thrale Geſchlecht hat 192; denn bie unteriweltlichen Kämpfer ter Had⸗ 
dingjage find, wie ausbrüdlich gefagt wird, durchs Schwert umgelommen 
(ferro in necem acti) und die Todten in Helgafell gehören zu einem 
freiem, priefterlihen Gefchlechte. Der Gegenſatz iſt anders zu fallen. 
Erbbeftattung und Genoſſenſchaft in der Unterwelt oder im Berge, 
Mitbegraben des Rofies und Tobtenritt über die Brüde des Helwegs, 
aus und nach dem Grabhügel, greifen in einander und all dieß zuſam⸗ 
men fteht gegenüber dem Berbrennen ber Leihen von Mann und Roſs, 
dem Leben der Einherjen in Odins Walhöll und ihrem Quftritt über 
die Himmelbrüde. Ynglingaſaga fchreibt der Gefeßgebung Odins den 
Leichenbrand und feinen Berebrern den Glauben zu, buß je höher der 
Raub in die Luft auffteige, um fo herrlicher der Verbrannte im 
Himmel fe 63 Mit Sigurd läßt Brünbild fih auf den Holzftoß 
legen, über Helgi wird der Hügel aufgemorfen und dahin geht Sigrun 


bann s# ai fiallit laukzt upp nordan. hann sä inn 1 fiallit elda störa ok 
heyrdi hanget glaum mikinn ok hornasköl, oc er han hiyddi ef hann 
nzmi nokkra orda skil, heyrdi hann ut bar var heilsat Pörsteini Pör- 
skabtt ok förunantum hans ok melt at hann skyldi sitia 1 öndvegi gegnt 
fedr stnum. benna fyrerburd sagdi saudmadr konu Pörsteins böru um 
kveldit, hon l&t ser fätt um finnaz ok kallar vera mega at petta veeri 
fyrerbodan siosrri tidinda. Um morgininn epter kömu menn ütan or 
Höskuldsey ok sögdu Pau tidindi at Pörsteinn Pörskabltr hafdi druknat 
t fiskirödri.” Bu vertrauliher Beiprehung jchwieriger Angelegenheiten wird 
anf Helgafell gegangen, Eyrbygg. 8. €. 28 (&. 18%): „bau räd hava sist at 
engu urdit, er bar hafa rädin verit.* Der Rame und die Heilighaltung 
diefes Aufenthalts der Abgeſchiedenen führt auf die Trage, ob es nicht auf 
ähnlichen Vorſtellungen beruhte, wenn deutſche Menbelehrte ihre Tobten insge⸗ 
jeuımıt zu Heiligen machten, was bie Kirche zum heidniſchen Aberglauben zählt, 
indic. superst. et pagan. 6. 25: „de eo quod sibi sanctos fingunt quos- 
libet mortuos“ (Deutfche Mythologie, 1 Ausg. Anh. XXI. W. Müller, altd. 
Religion 64). 

41 Szem. 41, 8. 8n. 24. 38. 41. Yngl. 8. 6, 10. 

42 Sem. 77, 24. 

#8 Yngl. 8. €. 8. 10. 


152 


zu ihm ein. Damit fallen Jene dem Brandalter und bem nordiſch 
ausgebildeten Odinsglauben, Diefe dem Hügelalter und einer entipre 
enden mythiſchen Anichauung heim #54 Die Grundverſchiedenheit 
wird auch nicht dadurch aufgehoben, daß beide Arten der Leichenbe 
bandlung bei demfelben Volke gleichzeitig in Übung giengen, die Beer 
digung überhaupt niemald ganz entbehrlih war 135, daß demſelben 
Todten beiberlei Ehre erwieſen wurde 156 und daß mit dem Wechſel 
und Zufammengreifen der Gebräuche au in Mythen und Sagen, die 
fih durch verſchiedene Bölfer und Zeiten fortgeftalteten, manigfache 
Verwirrung kam 19°. In der Helgilage ſchlägt noch immer die Grund⸗ 
Lage der Erbbeftattung durch, ohne irgend hinzukommendes Verbrennen, 
und fie fteht bierin auf gleicbem Boden mit der Grabbeichwörung 
Hervörs, der Abkömmlingin Svafrliomis und Tochter einer anderen 
Swawa. 

Helgis dritter Erdengang hat in der um den Anfang des 14ten 
Jahrh. abgefaßten Hromundesfaga eine fehr vertvorrene Tarftellung 
erhalten. Warum er in diefer Wiedergeburt (vgl. Seem. 5, 26: „prievar 


054 Nach Snorris Vorrede zur Heimskr. gieng brunaöld, dem haugsöld 
vor: „En fyrsta ölder köllut brunaöld, 4 skyldi brenna alle dauda menn“ 
u. f. w. weiterhin: „ok höfz Par haugsöld 1 Danmörku; emn lengi sidası 
hölz brunaöld mel Svium ok Nerdmönnum.“ Die Stellen in voriger Aum. 
nehmen wieder das Verbreimen für ein Neusingeführtee. Berge. J. Grimm, 
iiber das Berbrennen der eigen, Bern 1850, S. 50. 

5 Es war religidfe Pflicht, wenigftens für die nothbärftige Beſtattuug 
des auf dem Yelde gefundenen Todten zu forgen, Seem. 198, 3 f. 

456 Auch über der Ace warf man noch den Hligel auf. Bei den Ger⸗ 
manen nimmt Tacitus den Leihenbrand und dazu noch einfache Raſenbedeckung 
als das Herlömmliche an, Germ. 27. 

457 Selbft der beriihmte Leihenbrand des göttlichen Baldr mit all feiner 
mythologiſchen Auaſtattung läßt Zweifel an feiner Urſprünglichkeit übrig. Baldt 
it den nächtlichen Weg zu Hel binabgeritten, die ihn ferhält, und bort unten 
weilt auch Ranna bei ihm (Sn. 68), der fein Tod das Herz gebrochen; das iR 
die rechte Farbe für die Berdunklung des von der ganzen Natur betranerten 
Lichtgotts. Der prunkhafte Aufzug zur Berbrennungsfeier mochte für das Bilb- 
wert am meugebauten Haufe eines reichen Isländers und die darnach Tunf- 
mäßig gebichtete Drapa taugen. Umgelehrt flimmt Brünhilds Helfahrt unter- 
irdiſch durch die Steinklüfte (Sem. 327) nicht fonderlich zu der herrlichen und 
heldenhaften Aufriiftung des Echeiterhaufens, den fie mit Sigurd theilt (eben. 
225 f. 6U bis 65). 





153 


brendo prisvar borna® u. ſ. w. Sem. 9, 59 ff. 36, 44 ff. Sn. 75 bis 
77. Ruol. lie, 69, 13 bis 20) Helv der Haddinge (Haddtuga-skati) 
heiße 458, erflärt die Saga nur foweit, daß er ſich auf Heerfahrt mit 
zwei fchwebiichen Königen befindet, welche beide ben Namen Habbing 
tragen 459, Auch die norwegiſche Stammtafel kennt ihn mit feinem Bei- 
namen als Begleiter eines der Nachkommen von Habding, Raumis 
Sohne, der Haddingjadal und Thelemark inne hatte, wie der Vater 
Raum oder Raumi der Alte Raumsdal zuftand, und weldem dann 
eine Reihe von Gebieten mit dem Haddingsnamen nachfolgte 1%, 
Diefe Könige find zwar fämmtlic aus den Namen von LZandichaften 
zurückerdichtet 191, aber ein Thal. der Haddinge ſetzt immerhin voraus, 
daß es vormals ein Geflecht diefes Namens gab 1%, seiten Fuß 
im Rorben bat Hromund, Greips Sohn, nad dem die Saga betitelt 
if. Seine Abftammung wird zwar am gleichen Orte zu einem König 
Hd von Hadaland hinaufgeführt, der nicht von beflerem Zeug ift, 
ald Raum von Raumsbal, aber fein Rame und feine Heimat in 


#8 Wan findet Haddinga- und Haddingjaskati, erſteres jet im Sing. 
die Rarte Form Haddingr, letzteres die ſchwache Haddingi voraus (Gr. 2, 
865); ebenfo wechſelt skati mit akadi, jenes bezeichnet überhaupt einen Kriegs⸗ 
mann und wird Sn. 195 zu erflären verfudht; J. Grimm ftellt (Zeitſchrift für 
vergleich. Sprachforſch. Heft 1, ©. 81) die Gleichbedeutung beider Formen auf. 
Die Belegfiellen für den zuſammengeſetzten Beinamen in verjdiedener Schrei- 
bung find: Sem. 140. 169 (Mund) 96), Sn. 189 (Arnam. 482): „skati Had- 
dingja*, Fornald. 8. 2, 8. 

49% Fornald. 8. 2, 372: „Nokkru sidar kömu 2 konfiugar af Bvi 
biod; höta badir Haldingjar (1. Haddingjar). Helgi (hinn frekni), Hraung- 
vids brödir, var med beim.“ (Helgi heißt auch ein Bruder Hromunds. 
2, 366.) - 

40 Fornald. 8. 2, 8: „Haddingr, son Rauma, ätti Haddingjadal ok 
pelamörk; hans son var Haddingr, fadir Haddings, füdur Högna ens 
randa; eptir hann töku riki Haddingjar ?%, ok var hverr peirre eptir 
annann; Helgi Haddingjaskati var med einum peirra.“ 

#1 Dunkel ift Sem. 284, 22 (Mund 1366): „IYngfiekr längr lands 
Haddingja.“ [Bergl. Finn. Magn. Edda 4, 114.) 

42 Eagabibl. 2, 488: „Saaledes bleve vel og iser de neevnie af Raums 
Börn, der ekulde have givet visse Landskaber deres Navne, fordi man 
omvendt af Landskabsnavnene sluttede sig til de gamle Konger.“ Ebend. 
443: „Senere end det tolvte Aarhundredes Midte kan det Vesentligste af 
denne Bamling af etymologiske Digtninger ikke antages nt veere.“ 


154 


Thelemark ift anderwärts in geichichtlichen Bufammenbange beglaubigt, 
ebenio, daß bei einem Gaftgebot auf Island, im Jahr 1119, von 
ihm und wie er in Thrains Grabhügel gebroden, von König Dlaf, 
feinem Gefolgherin, und vom Berferld Hraungveb, den nad der Saga 
Hromund erſchlägt, gejagt und gefungen murbe 468, Hier ift Dlaf 
König der, wie es jcheint, norwegiſchen Lidsmanne 464 und dazu fügt 
es fih, daß in der Saga die Schlacht gegen feine ſchwediſche Feinde 
auf dem Eife des Wänerſees vorgeht, das auch anderwärts zur 
Kampfftätte zmifchen Norwegen und Schmeben bient 4655, Der Name 
Kara kommt noch aus gefchichtlicher Zeit im alten Norwegen vor 466, 
Sonft aber maltet die bet Sagafchreibern des 14ten Jahrh. herkömmliche 
Willkür, die den überlommenen Sagenftoff mit erbichteten ober nicht 
dazu gehörenden Perfonen und Abenteuern aufihmüdt, auch ſchon 
in ber Hromundsfaga 19°. Namentlich erfcheinen in ihr Helgi und 
Kara nur epifobilch untergeorbnet. Diele kommt zur Schlacht in 
Schwansgeſtalt herangeflogen, obne daß von ihr zuvor die Rebe var, 


463 Die Nachweifungen hat PB. E. Müller gegeben, Sagabibl. 2, 552 fi.; 
befonders tiber den älteren Beſtand der Hromundsſage S. 565 bie Stelle aus 
Sturiungafaga 1 Thattr Kap. 13, S. 28. Das Schwert Mifliltein, das Hro⸗ 
mund in Walland dem todten Thrain abringt, ift auch eines der berühmten 
Holmſchwerter in der Herwörfaga und zwar, nad einer Faſſung derfelben, foll 
Thrain felbft auch jolhes aus dem Grabhügel des Arngrunsjohnes Sening ge 
holt haben (Fornald. S. 1, 416, vergl. jedoch 2, 371). 

464 Rafn. 2, 14V überfegt: „Krigskonning.“ Alfo appellativ. Bergl. Fornald. 
8. 2,154: „Olafs lidsmannakonünge“. Lidsstadir in Gudbrandsdal, Heimsk., 
herausg. von Schöning, 6, 388. Olafs 8. hins helga, Ahrift. 1849, ©. 147. 
Hröm. 8, fagt 6. 1: „S& konüngr r&d fyrir Gördum t Danmörk (Lehteres nit 
in allen Handichriften), er Olafr höt“ u. |. w. und unter Beziehung auf die 
felbe au Gaungan-Hrölfse 8, (Fornald. S. 3, 362): „Olafr kanüngr 1 Dan- 
mörk, er Helgi enn frekni herjadi &.“ Gardar im Sinne von Gardartki, 
Rußland, find bier Feinenfalls gemeint. 

465 Sn. 151. Yngl. 8. &. 33, vergl. S. Halfd. sv. 8.5 Wacht. 1, 140 f.]. 

#6 Harald. 8. ens härf. 6, 1 f.: Hogni Kärusonr. 

467 Gagabibl. 2, 548: „den (Hrömundss.) kan neppe antages for mere 
end et vilkaarligt Digt.“ 549: „Tildrageiserne gelv ere for det meste de 
jevnligen forekommende, og det Eiendommelige hos dem synes, som 
neermere skal vises, at veere Udpynininger af uvedkommende Sagn, man 
vilkaarligen havde benyttet.“ 556: „Denne Saga er alisas den wldate 
islandake, som vi med Vished vide at verre opdigtel.“ 


— | 


155 


weber von ihrer, noch von Helgis Heimat und Abftammung wird Kunde 
gegeben und nachbem Beide den Tob gefunden, nimmt bie Gefchichte 
Hromunds und feine® Gegners Habding ungeftörten Fortgang. In 
jener älteren Erwähnung des Singens und Sagen? von Hromund ift 
weder Helgi noch Kara genannt. Der Sagafchreiber felbft gibt feine 
ungenaue Kenntnis der Helgifage auffallend bloß. Daß ihm die ver 
lorenen Karalieder noch vorgelegen, davon zeigt fich nirgend eine Spur. 
Nichts verlautet vom Roſſe Skäwad, das, nah der in Skalda auf: 
bewahrten Stelle eined andern Liebes, ber Habbinge Held geritten 
bat 48, Als folder ift zwar der in die Saga gezogene Helgi angefehen, 
gleichwohl abei ein ganzer Auftritt aus den Begegnifien bes Hunbinge- 
töbters Helgi hereingewirrt. Wie Diefer, als Mühlmagd verkleidet, fich 
bei feinem Erzieher Hagal vor den Ausgefandten Hundings verbirgt, 
aber body von Blind dem Unheilvollen erfpäht wird, fo ift nun ber 
auf dem Wänerfee vertvundete Hromund in gleiher Verlleidung auch 
bei einem Hagal verſteckt und wieber ift es der üble Blind, ber Verbacht 
ſchöpft 0. Bei fo loſem und misverftändlichem Zufammenhange fcheint 


48 Sn. 180 (Arnam. 482): „bessir (hestar) 'ro enn taldir 1 Alevinns- 
mälum (a. 1 Kälfsvisu(m)) u. ſ. w. en (reid) Skevadi skati Haddingja.* 
Bergl. ebend. 1796 u.] 

469 Bergl. Beem. 158 f. mit Fornald. 8.2, 376 f. Der gefährliche Spür- 
mann beißt in der PBrofa zum Eddaliede Blindr inn bölviei, in der Saga 
Blindr binn illi (2, 376), weiterhin: karlinn Blindr, er h&t Bavis (2, 380); 
auch biebei verräth fich die linficherheit des WBearbeiters, denn anderwärts in 
der Saga werben zwei bei König Olaf vieigeltende, aber ſchlimme und argliftige 
Männer, Bildr und Voli, genannt (2, 865, vergl. 371 bis 873); Jener wird anf 
den Wänerfee erichlagen, Dieſer if ein Banberer, der das Eis zu Wafler 
macht und dem Hromund das Schwert ans der Hand bläft, wofür der Held 
ihm den Hals bricht (2, 875), Blind Bavis dagegen erſcheint erft nad ihrem 
Tod als Kundichafter und mit Traumgefichten, bie feinem Herrn und ihm 
ſelbſt den Untergang weiffagen und bald darauf in Erfüllung gehen, ähnlich 
denjenigen, die in einem der Eddalieder von Atli und den Niflungen erzählt 
und gedeutet werden (Seem. 253, 16 fi., vergl. 286, 37 fi.) Ju der Saga 
iR Alles, was jene räthielbaften Männer betrifft, verdunkelt und verfchoben, 
das Hare Verhältnis gibt Saro (7, 129 ff.) in der aus alten Liedern genom⸗ 
menen Erzählung von Hagbarth und Sygne, wonad König Sigar zwer alte 
Männer zu Rathgebern Kat, ungleiche Brüder, deren einer, Bilwis, zur Ber- 
Khnung und Mifde, der andre, der blinde Bölwis, zu Zwietracht und Verberben 
wirkt. Hauptſtellen find: „Rex quippe Sigarus senum duorum, quorum 


156 


es doch nur der auf beiden Seiten vorkommende Name Habding geivefen 
zu fen, was zur Einmiſchung ber Helgifage in die von Hromund ben 
Anlaf gab und ein Vorgang dafür fand fich fchon in vorbemerkter 
Stelle der norwegiſchen Stammtafel. Diejer Haddingsname felbft aber 
ift Tein Hindernis, mie früher den Ylfing Helgi von den Wölfungen, 
fo nun von der Hromundsſage den Helden der Habbinge freizuftellen. 
Derjelbe Name ift auch im deutfchen Alterthum kundbar. Er bezeichnet 
durch die Ableitungsform den Angehörigen eines Geſchlechts oder Volks: 
ftammes und es ijt ermittelt, daß Habbinge ſprachlich Eines find mit 
Asdingen, dem Namen des wandaliſchen Rönigshaufes, zugleich dem 
eines den Gothen verbünbeten Volles 170, wie auch jonft Benennungen 


alter Bolwisus erat, consilio cuncta ferd& gerere consuevera. Horum 
tam discors ingeniam fuit, ut alter inimicitiis diesidentes in gratiem redu- 
vere solitus esset, alteri care foret amiciti& junetos odio sequestrare et 
simulteium pestes alternis ventilare dissidiie u. {. m. Bolwisum quendam 
luminibus captum u. |. w. Bilwisus, Bolwisi frater, aliique sententie 
potioris auctores“ u. |. w. Der entſchiedene Gegenſatz liegt ſchon in den 
Namen: altn. bölvis (Beem. 77, 23. 98, 1: „bülvisir draumar.“ 1585. 197, 
28. Gr. 2, 577), goth. balvavdsei (xauia, Sk. 1256), altj. the balowiso 
(Ha. 33, 2. Sqhmeller, gloss. sax. 9b. 135 a, überhaupt hieher Gr. 2, 
187 f. 449 f. Myth. 940); zu Bilwisus agf. bilvit, bilevit (mitis n. |. w. 
Ettmüller, lex. 292. Bosworth 44c. Myth. 441. 847, wo der Gegenjaß von 
Bilvisus, equus, und Bölrisus, iniquus, hervorgehoben if). Es find allego- 
riſch mythiſche Perfonificationen des guten und böjen Rathes, die vermöge diefer 
allgemeineren Geltung in verſchiedene Sagen eintreten können. Wo zum Billigen, 
Ziemlichen gewiefen wird, fpricht Bilwis, wo zum Berderblichen, Bölwis, zu 
einer fireitigen Berathung gehören Beide, als nothwendige Seitenftüde find fie 
Brüder, durch Anlaut und gleichmäßige Wortfligung ihrer begrifflihen Namen 
gepaart. (Bu Blindr vergl. Gestr hinn blindi, Gestumblindi, Fornald. 8. 
1, 468 ff. 581 ff. Gestiblindus Saro 4, 9. Beitichrift für deutſches Alter⸗ 
thum 6, 10 f. Walther 86, 82.) 

4% Yltn. Haddingar, Haddingjar, agſ. Heardingar (W. Grimm, über 
deutſche Ruinen 228, 22. Ettmüller, post. 289, 3. Lex. 456); "Asrıyyei, 
Asdingi, Hasdingi, Zeuf 461 f. J. Grimm, Myth. 316 f., Sprachg. 448: 
„die echte gothifche form wäre Hazdiggos — capillati“ u. f. m., ebend. 477, 
Nechtaalt. 240. 271. Jornandes de reb. get. S. 4 f.: „religquam vero 
gentem capillatos dicere jussit (Diceneus), quod nomen Gothi, pro magno 
suscipientes, adhuc hodie suis cantionibus reminiscuntur.“ Gaffiod,, var. 
4, 49 (&. 254): „Universis provincialibus et capillatis defensoribus et 


157 


berrichenber Geichlechter auf die Voller übertragen find. Wanbalen 
und Sueven werden in frühelter Zeit zufammen genannt, fie treten 
einander nahe an der oberen Elbe, die aus ben wandaliſchen Bergen 
berfirömt, und fie wandern nachmals vereint nah Spanien, wo fie 
gleichmäßig das galicifche Küftenland einnehmen 471, So könnten 
wandaliiche Asdinge in ſueviſcher Sage nicht befremben. Eine Spur 
der urjprünglihen Stammbezeichnung ift e8 auch, daß in mehren 
norbifchen Überlieferungen je Zivei des Namens Hadding zufammen: 
geben, tie in ber Hromundsſaga, fo noch entfchievener, ala Brüder: 
paar, in der Saga von Herwör; bier werben, übereinftimmend mit 
Saro und dem Hynblaliebe, unter den zwölf Arngrimsföhnen zwei Hab: 
dinge genannt und biefe Zweizahl has fich zur befondern Sage geftaltet. 
Die beiden Habdinge, die jüngften der zwölf Gebrüder, find Zmillinge 
und ihre verbundene Kraft ift gleich der Eines ber älteren Brüber, 
deren zweien hinwider der ältefte, Angantyr, an Stärke gleihlommt 172, 
Aber aud der Gegner dieſer Berferle, Hialmar, zählt in feinem Sterbe- 


curialibus Suavia consistentibus Theodoricus“ (vergl. 5, 15, S. 281, 
Max. 2, U. 52 f.). 

471 Tacitus, Germ. 3: „quidam, ut in licentia vetustatis, plures deo 
ortos pluresque gentis appellationes, Marsos, Gambrivios, Suevos, Vandi- 
lios (a. Vandalios) aflirmant“ n. f. w. (Bergl. im dritten Helgiliebe, Seem. 
166, 22: „öll Vandils-ve;* Heiligthum eines gottentiproffenen Stammvaters 
Vandil? Vandils-kagi in Stütland, Fornald. 8.3, 361. Heimeskr., herausg. 
von Schöning, 92 f. 412: „Vendils-kagi“ [Sumpf]. Gaffiod., var. 3, 38: 
„Vvandil. Theod. rex.“ Gpradg. 475.) Div Caff. 55, 1: „past ds (0 "AA Bros) 
in röv Oravdalınav opav.* Zeuß 445. 449 bis 452. 455, vergl. 127. 

472 Hröm. 8. €. 6 (Fornald, 8.2, 3723): „kömu 2 konüingar af Svibiod; 
h&ta badir Haldingjer (Hadd.).“ Hyndl. 22 (Sem. 1165): „tveir Had- 
dingjar.“ Saro 5, 93: „duo Haddingi.“ Herv. 8., Fornald. 8.1, 415 f.: 
„bau &ttu 12 sonu: Angantfr var elzir u. f. w. ellefti ok tolſti Hadding- 
jer, ok unnu Peir bädir verk eins hinna, en Angantfr vann tveggja verk; 
hann var höfdi herri, enn peir adrir; allir vöru peir miklir berserkir.“ 
Bergl. 1, 515: „Angantyr var elds u. |. w. ok 2 Haddingjar, ok unnu 
Peir bAdir eins verk, bviat beir voru tviburar ok Yngetir; en Angantfr 
vaon tveggja verk* u, ſ. w. 2, 212. 215. (haddingr, a. hundingr, als 
Bürdename 2, 278. Rafn 2, 217.) Bergl. noch Saro 5b, 68: „Duodecim 
Westmaro filii erant, ex quorum numero tribus commune Grep nomen in- 
eessit. Hos simul conceptos idem partus absolvit, ortus squalitatem voca- 
buli societate testautes.“ (Sn. i94 ı.) 


158 


liede, wie e8 in Orwaroddsſaga gefaßt ift, unter feinen Banlgenofien, 
bie er noch grüßen läßt, zwei Habbinge auf 4173, In deutfcher Gefchichte 
ftehen nicht felten Tönigliche Brüder, mehrere zugleidh, an der Spike 
ihres Volksheeres 174, darum mag es nur zufällig bier eintreffen, daß, 
nad Div, die Asdinge unter zwei Heerführern, ftabgeretmt Hraos und 
Hraptos, zur Zeit des Marcus Antoninus in Dacien einfallen #75 und 
daß, ein Jahrhundert fpäter, gleichfalls in ber Donaugegend, von 
Aurelian befiegte Wandalen Frieden erlangen, indem die zivei Könige 
derjelben ihre Söhne zu Geifeln geben 17%. Das Einzige, was fi 
von den Geſchicken des dritten Helgi in allem Wirrſal der Hromunds⸗ 
faga eigenthümlich und bebeutfam erhalten hat, der unfelige Schwert: 
ſchlag, durch den er feine Beichiemerin 177 töbtet und damit fich felbft 
um Sieg und Leben bringt, deutet bier am Schlufle zurüd auf den 


478 Fornsld. 8. 2, 220: „tveir Haddingjar“, vermuthlid aber, mit 
Tindr und Tyrfingr, aus der Life der Arngrimsföhne, wie fie 2, 212 uns 
in Hyndlul. lautet, berübergelomnen; nachher (2, 221) noch beſonders: 
„Haddingr.“ 

4 3.8. Jornandes S. 129: „Inter quos Ostrogothornm preeminebat 
exercitus, Vualamire et 'T'heodemire et Vuidemire germanis ductantibus, 
ipso etiam rege (Attila), cui tunc serviebant, nobilioribus, quia Amalo- 
rum generis eos potentia illustrabet.“ 

4 Dio Caſſius TI: „Asrıyyor di, av Päog ra nal 'Punrug nyouvre® 
u. |. w. Zenß 462. Den Stabreim bat ſchon Müllenhoff, Heitfchrift fiir deutſches 
Alterth. 7, 528, angemerft. Fornald. 8. 2, 21: „Hrappr ok Haddingr.* 
J. Grimm, S$ornand. 88. 

476 Dexipp. exc. ed. Bonn. ©. 19 f.: „os ra yap Basılsiz (Basler) 
rorg naldag dnarspoı dıdoasav ds rn» oumpsiav“ u. |. w. Zeuß 446. Bei 
Paulus Diac. 1, 7 zwei Heerführer der Wandalen Ambri und Affi, ihnen gegen- 
über die zwei langobard, Brüder Ibor und Agio. 

77 Sie ift nicht mehr Walflire genannt, wie Seem. 169, fondern Sauber 
weib in Schwangefieder. (Fornald. 8.2, 373: „Ein fiölkfngiskons var par 
komin 1 &lftar ham; hän göladi med svä miklum galdralätum“ u. f. w. 
374: „Helgi frekni u. |. w. vann med fiölkyngi.“) Doch zeigt felbft Hro- 
munds Geliebte Swanhwit in ihrem Namen (f. ob. Anın. 894) und als Geberin 
des Schildes mit einem Bande, das vor Schaden fichert (ebend. 878 f.), noch 
Spur des Walkürenweſens. (Smwanhwits Schwefter beißt Dagny, 2, 872, 
anderwärt® Dagmerr, 3, 519, vergl. auch 8, 368 ob., wo ein der Hröm, 8. 
unbelannter Umftand bemerkt if.) Auch Woli ift als Zauberer angefehen (ebend. 
875: „med göldrum“), 


159 


fuevifchen Beginn bes dreifachen Erbenlebeng, auf das ſeitdem vergefiene 
Heldenſchwert, dad dem Bunde des erften Helgi mit Swawa zum 
Unterpfand diente. Helgi (heilago), Glüdhafter, mar ber Name, ben 
fie ihm zurief und zu deſſen Gewähr fie ihm das wunderbare Schwert 
wies; nun mit bem letzten, verhängnisvollen Schwunge des Schwertes 
ift, wie es in der Saga noch wörtlich beißt, Helgis Heil dahinge⸗ 
fahren 78, 

Erläuternd für den Umfchlag deuticher, namentlich fuenifcher Über: 
lieferung in nordiſche ift eine Sage, die auch dem Anhalt nad mit 
derjenigen von Helgi Verwandtſchaft zeigt. Saro erzählt und in ben 
Grundzügen flimmt mit ihm fein Zeitgenoſſe Spend Aggefen überein, 
wie der greife Dänenlönig Wermund, Wiglets Sobn, von den Boten 
des Sachſenkonigs aufgeforbert wird, das Reich, das er wegen Alters 
und Blindheit nidyt mehr verwalten könne, ihrem Herrn abzutreten; 
wenn er aber einen Sohn habe, der mit dem Sobne bes Sachſen⸗ 
königs zu lämpfen wage, fo folle das Reich dem Sieger zufallen. 
Wermund bat einen fpätgeborenen Sohn, Uffi, der zwar alle Süng- 
linge von gleihem Alter an Körpergröße überragt, aber ftumpfen 
Geiſtes zu fein fcheint; derfelbe verhält fi ftumm. lacht niemals und 
nimmt an feinem Spiele Theil. Zum erſtenmal wird jekt, ba Alle 
in Beitürzung fchweigen, der Stumme redend und erklärt fih ent: 
ſchloſſen, nicht bloß den Sohn des Sachſenkönigs, fondern auch einen 
weitern Kämpfer, ben derfelbe fi aus den Tapferften feines Volkes 
geſellen möge, zu beftehen; denn es liegt auf den Dänen die Schmadh, 
Daß zuvor Zwei der Ihrigen Einen Schweden belämpft haben. Die 
Gefandten lachen der Pralerei des Jünglings, doch werben Drt und 
Zeit des Kampfes beftimmt. Nachdem der blinde Greis durch Betaftung 
der mächtigen Glieder des kühnen Sprechers fich überzeugt, daß es 
wirtlich fein Sohn gewefen, Schafft man für Uffi Waffen herbei, aber 
feine breite Bruft zerfprengt die Ringyanzer, es muß ein folder auf 
geſchnitten und mit emer Spange geheftet werben. Auch mehrere 
Schwerter werben gebracht, jowie aber Uffi fie ſchwingt, brechen fie 
in Stüde. Der König hatte felbit ein Schwert von feltener Schärfe, 


#8 Fornald. 5.2, 374: „nd er min heill farin.“ 375: „ok farino man 
Pla heill.“ 


160 


— 


mit Namen Skrep; nichts galt für jo hart, daß es nicht vom erften 
Streiche desfelben gefpalten würde. Weil er jedoch der Kraft feines 
Sohnes nicht vertraute und dieſes Schwert keinem Anbern gönnte, hatte 
Wermund ed längft in die Erde vergraben. Sekt läßt er fih auf das 
Feld zu der von ihm bezeichneten Stelle führen, zieht das Schwert 
beraus und reicht e8 dem Sohne. Uffi findet es von Alter mürb und 
zerfrefien, weshalb der Vater von der Schiwingprobe abräth, meil, 
wenn auch diefes Schwert in Trümmer gienge, Tein ber Kraft bes 
jugendlichen Arms gewachſenes übrig wäre, 

Der verabredete Kampfplatz ift auf einem von ben , Armen bes 
Eiderſtroms gebilveten Eiland. Dort finden bie brei Kämpfer fidh ein, 
die Ufer dieſſeits und jenjeits find mit Schauluftigen angefült. Wer: 
mund ftellt fih auf den äußerften Theil ver Brüde, um, wenn fein Sohn 
unterläge, fich in den Strom zu ſtürzen. Uffi, von Zweien angegriffen 
und feinem Schwerte miötrauend, wehrt ihre Schläge mit dem Schild 
ab, um erft zu beobachten, welcher der Gefährlichere fei, und dann 
wenigftend dieſen mit Einem Streiche zu treffen. Wermund, welcher 
meint, fein Sohn laſſe fih aus Schwäche die Schläge der Gegner jo 
geduldig gefallen, neigt fih mehr und mehr über den abſchüſſigen 
Brüdenrand. Uffi reizt feine Gegner noch durch Zuruf und als ihm 
nun der Mitkämpe des Königsſohnes näher kömmt, fpaltet er dieſen 
mit dem erften Schwertitreiche mitten durch. Da ruft der blinde Wer: 
mund freubig: „ich höre ven Klang meines Schwertes.” Man fagt ihm, 
was geicheben, und er zieht fich wieder vom Rande zurüd. Gleicher 
Weile durchhaut Uffi den Königsfohn mit der andern Schneide des 
Schwertes. „Ih böre zum zweitenmal den Klang meines Schwertes 
Skrep“, ruft Wermund aus. Als man ihm nun ben Doppelfieg feines 
Sohnes verlündigt, fließen ihm Freudenthränen über die Wangen. Die 
Sachſen ziehen befchämt mit den Leichen ihrer Kämpfer ab, die Dänen 
aber empfangen jauchzend ben Herfteller ihrer Ehre, auf fie geht nun 
bie Herrichaft in Sachfenland über und Uffi waltet nad) dem Tode des 
Baterd über beide Reiche 17%, In den Darftellungen beiber Schrift: 


49 Saro 4, 59. 63 bis 65. Svenonis Aggonis filii compendiosa re- 
gaum Denie historia &. 1 und 2 (Langebel, scriptor. rer. danic. ®. 1. Hafn. 
1772, ©. 45 bis 47). Saxro jchreibt latinifierend: Uffo, bei Svend begegnet 
auch die nordifhe Form Uffi, flatt des Königs der Sachſen aber ein rex 


161 


fteller ift diefe Sage nicht bloß unvertennbarer Ausbrud lebendigen 
Bollsüberlieferung, fondern fie erſcheint auch dadurch, daß fie einen 
Grenzkampf, die alte Feindſchaft der Dänen und ihrer fächfiihen Nach⸗ 
bar, fowie den Sieg der erftern, zum Gegenftande hat, um jo ent 
fchiebener als eine grunddäniſche. Und doch verzeichnet der angellädh 
ſiſche Stammbaum der Könige von Mercia die Namen Bibtläg, Bar 
mund, Dffa, in gleicher Folge ber Zeugung wie bei Saro #0, und 
nicht allein die Namen, auch die ausgeprägten Spuren der Gage 
haften auf angelfäkhfifhen Boden. Dieb befunden die legendenhaften 
Lebensgeſchichten der beiden Könige Dffa, von einem Mönche zu St, 
Abans im 13ten Jahrh. aefchrieben #!. Warmund, König der Wet: 
angeln, Gründer der Stabt Warwick, bat einen einzigen Sohn, Dffe, 
ber zwar von anfehnlicher Geftalt, aber bis zum fiebenten Jahre blind 
und bis zum breißigften ftumm ift 492. Da der gealterte Vater dieſen 
Sohn nicht zum Nachfolger beftellen kann, fo firebt Rigan, einer der 


Alamannorum, auch imperator, und eine teotonica superbia, Den Namen 
des Schwertes, Bkrep, bat nur Saxo; Lex. isl. 2, 279: „skreipr, lubricus, 
glat.” (Den Ort, mo Wermund das Schwert verborgen hat, nennt Svend: 
tamulam. Ihm eigen ift auch bei der Betaflung: „Talem me memini in 
flore extitisse juventutis“; daun daß Uffi im Holmgange zwei Schwerter führt, 
auch feine Sprachiofigleit bis ins BOfte Jahr.) [Bergl. Schriften 1, S. 294. 296. 
7, &. 218 bis 217. 9.) 

0 Dentiche Mythologie, 1 Ausg, Anh. II. 

#81 Matthei Paris, Monachi Albanensis Angli, Historia major u. |. w. 
Editore W, Wats. London 1684. Folio. [Jetzt von Sir. Fr. Madden heraus» 
gegeben in Rerum britannicarum medii wvi seriptores.] Huic edit. acoes- 
serunt duorum Offerum Merciorum Regum .n. |. w. vite, &. 961 fi. [Hinten 
im Wbhrud find dieje vitee durch beſondre Titel unterſchieden, S. 961: Incipit 
historia de Offa primo u. ſ. w. cai simillimus fuit secundus Offe., ©. 969: 
De orta secundi Offe., aber es ift fortlanfender Bufammenhang und unver⸗ 
feunbar der gleiche Verfaſſer. Bergl. in der hist. Angl. ſelbſt liber den zweiten 
Dfie zum J. 1266, ©. 796 f.) Bergl. Kappenberg, Geſchichte von England 1, 
223 f Müllenbofi, Sagen u. ſ. w. 4 bis 7 

@L. cit. ©. 961: „Licet enim idem "uniens filius ejus (Warmundi. 
reg. occidental. Anglor.) Offa, vel Offanus nomine, statura fuisset proce- 
rus, oorpore integer et elegantissime forme juvenis existeret, permansit 
tamen & nativitate visu privalus usque ad annum septimum, mutus autem 
et verba humana non proferens usque ad annum tetatis sus tricesimum.“ 
And Gvends bäniicher Uffi iſt bis zum breißigften Jahre ſprachlos. 

Ufland, Sqhriften. VIU. 11 


162 


Großen des Reichs, nad dem Königthum. Er fammelt ein gewaltiges 
Heer und fordert den Slönig zur Echladt. In der Beratbung, bie 
hierüber gepflogen wird, erfchließt auf einmal der bisher ftumme Offa 
den Mund, fchilt die Abtrlinnigen und ermuntert die Getreuen. Bar 
mund gürtet ihn feierlich mit bem Schwerte 489; Tag und Urt des 
Kampfes werden ausgemacht. Die Geere lagern auf beiden Seiten 
eined Stromes, befien reißende Flut den Übergang für Mann und 
Roſs zu mehren fcheint 184; Dffe, der zuerft überfeht ımd die Feinde 
jählings anfällt, muß fo lange, bis feine Genoſſen zögern nachkommen, 
allein ven heftigen Streit beftehbn. In furdtbarer Schlacht werben 
anfangs feine Schaaren geworfen, body bringt er fie vorlämpfend wieder 
zum Angriff, erichlägt Rigans beive Söhne, die fi an ihn gewagt; 
fein blutberaufchtes Schwert verzehrt die Feinde. Rigan Jelbft will über 
den Fluß entfliehen. aber in der vom Blute der Erfchlagenen angeſchwell⸗ 
ten Strömung verfinten er und feine Begleiter unter ver Wucht ihrer 
Rüftung; davon erhält der Strom den Namen Riganbume 18% Nach 


8 Ib. S. 962: „Inprimis consulunt regi, ut filium suum, moribus et 
wiste sd hoc maturum, militeri cingulo faciet insigniri, ut ad belluın 
proceden» hostibus suis horrori fieret et formidini. Rex autem sano et 
salubri consilio suorum obtemperans, celebri ad hoc coudicto die, cunı 
solermni et regia poınpa, gladio fillum suum aceinxit; adjunctis tyrocinio 
suo strenuis adolescentibus generosis, quos rex ad deons et gioriem filüi 
sui militaribus indui fecit et honorari.“ . 

“4 Ib, ©. 962: „Congregato itaque utrobique copiosissimo et formi- 
debili nimis exercitu, parati ad congressum fixerunt tentoria e regione, 
nihilque intererat nisi fluvius torrens in medio, qui utrumque excercitum 
sequastrabat; et aliquandiu hine deinde meticulosi et censternati, rapidi 
tluminis alveum interposilum (qui vix erat homini vel equo transmesbilie) 
transire distulerunt; tela tamen sole, cum crebris comminationibus ei 
convitiie, transvolarunt.“ 

#5 Ib. ©. 963: „Pater vero predictorum juvenum [Riganus, qei et Aliel 
dicebatur], perterritus et dolore intrinseco sauciatus, subterfugiens amnenı 
oppositum nitebatur pertransire; sed interfectorum sanguine torrens fluvius 
eum loricatum et armorum pohdere gravatum et multipliciter fatigatum, 
cum multis de euo exercitu simili Ineommodo prepeditis, ad ima submersit, 
et sine vulneribus miseras animns exhalarunt proditores, toti posteritati 
sum probra relinquentes. Amnis autem a Rigano ibi submerso sorliebatur 
vooabulum et Kiganburne, ut facti vivat perpetuo memoria, nnuneupatur.“ 
(Über die Bach und Ortsbegeichiiungen anf »burne ſ. eo, rectitud. 72 f.) 


163 





esrungenem Siege läßt Dffa die umgelommenen Führer, auch die 
feindlichen, ehrenvoll beftatten, die übrigen Tobten aber auf einer 
bochragenven Stelle beerbigen, melde davon Dualmbul benannt if; 
auch befiehlt er feinem Heer, tiber ihnen einen mächtigen Haufen großer 
Steine aufzumwerfen, die umliegende Ebene aber heißt vom Blute ber 
Getödteten fortan Blodeveld 196, Weiter wird erzählt, wie Offa, nach⸗ 
dem ihm der Bater das Reich übergeben, mit einer im dichten Wald 
ausgeſetzten Königstochter, die er auf der Jagd getroffen 487, fich ver: 
mäblt, wie dieſe, während feiner Abweſenheit auf einem Kriegszuge, 
verratben, vertrieben und ihrer Kinder mörberifch beraubt, nachmals 
aber von dem heimgekehrten Gemahl bei einem frommen Einfiebler 
wieder aufgefunden wird, deſſen Gebet auch bie ermordeten Kinder ins 
Leben zurüdruft. Das Gelübde jedoch, zum Dante für dieſe göttliche 
Rettung ein Klofter zu gründen, läßt Offa unerfüllt, ebenfo fein Sohn, 
dem er fterbend dieſe Pflicht auferlegt, und zur Strafe dafür fallen alle 
die Fürften, die der gewaltige Dffa unterworfen, von ihm und feiner 
Stahlommenfcaft ivieder ab. Die ganze Erzählung vom erften Dffa 
bat eigentlih nur den Zweck, dem Ruhme des zweiten, als Stifters 
der Abtei St. Alband, zur Unterlage zu dienen. Einem biefes könig⸗ 
lichen Beichlechtes, Tuinfreb, wird ein Sohn, Pinefred, geboren, ber 


Ib. ©. 968: „Jussitque [Offe], ut interfectorum duces et principes, 
quorum fama titulos magnificavit, ei praeipue eorum, qui in pralio 
magnifice ac fideliter se habuerunt (licet ei adversarentur), seorsum honori- 
thee intumularentur, factis eis obsequils cum lamentationibus. Exercitus 
autem popularis cadavera in arduo et eminenti loco, ad posteritatis 
memoriam, tradi jussit sepulture ignobiliori. Unde locus ille hoc no- 
mine anglico Qualmhul, a strage videlicet et sepultura interfectorum, 
merito meruit intitulari. Multoram etiam et magnorum lapidum super 
eos siruem exercitus Offfe, voce præconia jussus, congessit eminentem. 
Totaque circumjacens planities ab ipso eruentissimo certsmine et notabili 
sepultura nomen et titulum indelebilem est sortita et Blodeweld a sanguine 
interfectorum denominabatur.“ (Bosw. 63: „Cwealm, -es, m. pestilence, 
eontagion, slaughter, destruction, death.“ @ttmüller, lex. 402: „cvealm 
(evelm, cvyIm), -es, m. nex, exitium.“+ Bosw. 146: „Hul a hill.“ Bergi. 
Ettmäller 464.) 

3 Sie if reguli cujusdam filia, qui Eboracensibns prefuit, die der 
Bater ſelbſt verführen wollte und, als fie widerſtand, den Thieren der Wildnis 
ausicgen ließ. 


164 


bis in die Jünglingsjahre lahm, blind, taub und ftumm bleibt. Aber 
in Erinnerung an ben großen Dffa hoffen die Eltern auch die Gene 
fung ihres Sohnes 488 und geloben, daß berjelbe dann den verfäumten 
Klofterbau ausführen folle. In demfelben Lande der Mercier fchaltet 
ein gewaltthätiger Mann Namens Beormred und ift beſonders Denen 
vom Töniglichen Blute auffäßig, weshalb Zuinfred mit den Seinigen 
fich auf die Flucht begibt. Da erwacht der junge Pinefred wie aus 
ſchwerem Schlafe, dehnt und erhebt fich, die Zunge ift ihm gelöft, pas 
Auge geichärft. In kurzer Zeit erwächſt er zu folder Tüchtigleit, daß 
Niemand im Reiche ſich ihm vergleichen darf, meshalb die Mercier ihn 
den zweiten Difa nennen 489, Wehrhaft gemacht, befiegt er in blutiger 


488 Ib. ©. 964: „Natus est igitur memorato Tuinfredo (qui de stem- 
maie regum fuit) filius videlioet Pinefredus [vergl. Mythologie 361, mo in 
Vinered gebefiert wird], usque ad annos adolescentise inutilis poplitibus 
contractis ei qui nec oculorum vel aurium plene officio naturali fungere- 
tur. Unde patri suo Tuinfredo et matri sue Marcelline oneri fuit, non 
honori, confusioni et non exultationi. Et licet unicus eig fuisset, mallent 
prole caruisse, quam talem habuisse. Verumtamen memorie reduoentes 
eventum Offe magni, qui in tenera =tate penitus erat inutilis et postea, 
deo propitio, penitns sibi restitutus, mirabili strenuitate omnes suos 
edomuit adversarios et bello prerpotens gloriore multotiena de magnis 
hostibus triumphavit, spem conceperunt, quod eodem ınedico medente 
(Christo videlicet, Qui etium mortuos suscitat) propitiatus posset simi- 
liter visitari es sibi restitui.“ 

#3 Ib. ©. 969: „Fugientes igitur memoratus Tuinfredus et uxor ejus 
et familia a facie persequentis, sese in locis tutioribus receperunt, ne 
generali calumnia involverentur. Quod comperiens Pinefrelus adolescens, 
quasi a gravi somno expergefactus, erexit se, et cumpagıbus nervorum 
laxatis et miraculoge proteneis, sese de longa desidia redarguens, feeit 
alices, brachia, crura, pedes extendendo. Et aliguotiens oscitans, cum 
loqui conaretur, solutum est vinculum lingus ejus, et loquebatur recie, 
verba proferens ore facundo promptius articulata. Quid plura? de con- 
tracto, muto et cœco fit elegans corpore, eloquens sermone, acie perspicax 
oculorum. Qui tempore modico in tantam floruit ac viguit strenuilatem, 
ut nullus in regno Merciorum ipsi in moribus et probitate multipliei 
valuit comparari. uude ipgi Mereii secundum Offam, et non Pinefredum 
jaın nominanies (quia a deo respectus et electus fuisset, eodem modo quo 
et rex Offa, filins regis Warmundi) cosperunt ipsi quasi domino universa- 
liter adheirere, ipsumgue jam factum militem, contra regem Beormredum 
et ejus insidies putenler ac prudenter protegere, dantes ei dextras et 


163 


Schladt den Thronräuber Beormreb und wirb von ben Merciern als 
König ausgerufen. Sein Reich erweitert er über zahlreiche Gebiete und 
fiftet auch dem b. Alban bas verheißene Kloftr. Er flirbt in Dffelei 
md wird in einer Kapelle bei Bedford am Ufer des Fluſſes Usca bei 
geſetzt. Diefe Kapelle verfintt nachmals, vom Strom unterwühlt, in 
den Grund besfelben; zur Sommerzeit aber ſehen zumeilen bie Baden⸗ 
den ben Sarg Dffad in ber Tiefe des Waſſers, doc kann berfelbe, 
wie eine verfeite Sache, nicht wieder gehoben werden 49. Diefer 
zweite Dffa tft zwar als ein rubmreicher König von Mercien ander 
wärts gejchichtlich beglaubigt, aber ber mündhifche Lebensbeſchreiber bat 
ihn nicht nur mit dem Schein der Legende befleiyet, fonbern auch 
die bebeutendften Züge der Sage vom erften Offa auf ihn abgefpiegelt, 
einer Sage, die felbft wieder, bei aller Berörtlihung im eroberten 
Lande, doc unzweifelhaft aus der norbelbiihen Heimat berüberge: 
Iommen ifl. Denn Offas Herrſcher⸗ und Heldenruhm verlautet auch in 
einer Stelle des Beomulfliebes 191, deſſen Schauplag überall jene alte 
Heimatgegenb tft, vor Allem gewichtig aber zeugt das Widfidslied: 
„Offa beberrichte Angel, Alewih Dänen, deren allerftolgefter er mar, 


fadus cum ipso, prwestitis jaramentis, ineuntes, Quod audiens Beorm- 
redas doluit et dolens timuit sibi vehementer. Ponituitque eum ama- 
rissime, ipsum Pinefreduam (qui jam Offa nominabatur) cum ceteris 
fraudulenter non interemisse.“ 

4% Ib. &. 987: „Cum antem immortalis memorie rex Offanus fere 
»ania offieinalie wedificia laudabiliter in conobio suo, quod a fundamen- 
tis inchosverat, ordinato conventu cireiter centum monachorum ordins- 
tissimorum, in villa, quæ Offeleis nuncupatur (juxta multorum opinionem), 
diem clausit extremum. Cujus corpus apud villam de Bedeford delatum 
in capella quadam (quia sic tunc exigebat temporis necessitas) extra 
urbem, super ripam Uscee fluminis sitam, more regio dicitur fuisse se- 
paltum. Refert auten usque in hodiernum diem omnium fere compro- 
vindalium assertio, quod capella prefata, iongo usu et violentia illius 
fuminis corrosa, sit submersa atque ejus rapacitate cum regis sepulchro 
ad nihilam redacte, vel saltem (ut quamplurimi perhibent, in medio. 
iiaminis alveo, quia firmissimo sarcophago continebatur corpus memora- 
tam) sit ut ruinosa irrestaurabiliter precipitata. Unde, et nsque in pr®- 
sens, sepulehrum illud ab incolis loci tempore wstivo ibidem balneantibus 
quandoque in aque profunditate videtur esse consumptum. Ei quamvis, 
licet diligentissime queeratur, aesi res fatalis esset, non invenitur.* 

41 Ed. Thorlelin &. 146 f. Ettmüller 8. 1941 bis 1977. 





166 


doch errang er über Offa Ieine Gewalt, fondern Dffa erlämpfte, früher 
denn je ein Menſch, ale Knabe faft, der Königreiche gröftes, kein ihm 
gleichalter eritritt größre Gewalt einzig mit dem Schwerte; die Marten 
ertveitert' ex den Myrgingen zu bei Sifelvor; fortan wahrten es Angeln 
und Smwäfen, wie es Dffa erfämpft” 42, Damit ift Offas Grenzlampf 
vom angelfähfifchen Riganburne in das alte Land der Sueven-Angeln, 
nach dem Eiberftrome 49, zurückverlegt und es ift wieder dieſelbe Kampf⸗ 
ftätte wie bei Saro und Sueno; allein auch biefen gegenüber wird 
die Stellung und Landsmannfchaft der GStreiter gerabezu umgelehrt, 
uffi ift nicht ein däniſcher Königsſohn, der die deutſchen Grenznachbarn 
im Holmgange befiegt, ſondern ein angliſcher, ber dem ſtolzen Dänen: 
herrſcher Alewih 194 wiberfteht und deſſen Schwert dem anglifch-fueniichen 
Gebiet weitere Grenzen zieht 4%. Das Wanbererslied aber ift volle 
vier Jahrhunderte älter, ala die Meldungen der bänifchen Geſchicht⸗ 
fchreiber. Mit der Helgiiage nun berührt fi die von Offa in Fol: 


42 Cod. exon. 820, 26 bis 821, 11. 

488 {über Fifeldor = altır, CEgisdyr, bei fränt. Annaliften Egidora u. |. w., 
bei Saxo fluvins Eidorus, bei Sueno Egdore flumen, Eider, f. Mythologie 
219. Cttmüller, Beow., Einl. 80. Ebend. lex. 858. Bosw. 88. Leo, fiber 
Beow. 58 u., f. 

44 Cod. ezon. 320, 26 f.: „Offa veold Ongle, Alevih Denum.* Das 
Afı Harer, beftimmter Gegenſatz, Saro bejagt ſchwankend (4, 65): „Ita Saxonire 
regnum ad Danos translatum post patrem Uffo regendum suscepit, utrius- 
que imperii procurator effectus u. |. w. Hic a compluribus Olavus est 
dictus atque ob animi moderationem Mansueti cognomine donatus. Cujus 
sequentes actus vetustatis vitio solennem fefellere notitiam“ u. |. w. Diefer 
Olavus mansuetus ift eine Überfegung des altnordifchen „Ölafs ens litill&ta.* 
Fornald. 8. 2, 12, Stedt dahinter der Däne Alevih bes angelfächfifchen 
Liedes? Bergl. Müller, Crit. unders. 47, | 

5 Der Standpunkt im: Widfinsfiede ift fo zu faflen, daß die Sueven- 
Angeln im Borrliden aus ihren älteren Wohnfigen an ber Elbe in die kimbrifche 
Halbinſel, in das Angelnland nördlich der Eider begriffen waren (Jeuß 152 f. 
362 biß 864. 495 f. Bergl. Leo, über Beow. 50 fi... Offas Schwertkampf am 
Fifeldor erweitert ebenbort Die Marken für Angeln und Swäfen gegen dic unter 
däniſcher Oberherrſchaft gedachten Myrginge. An der Eider, in Schleswig, Kiegt 
Schwabſtadt, bei Neocor. 1, 208: Swaveſtede (Rorbald. Stud. 1, 135. Bergl. 
Ettmtiller, Beow. 80). (Rechtsalterth. 118: „verlet an den gehegeben binge to 
Swabſted mit ener grönen feben, als in dem lande et recht is. Weſtphalen 4, 
3119. a. 1415.” 


167 


gendem. Dort wie bier wird ein ſprachlos hindämmernder Jüngling 
plöglih zu Wort und That erwedt und mit einem audgegrabenen 
Heldenſchwert außgeftattet, das er alsbald in fiegreichem Kampfe führt. 
Vom erften Helgi beißt es nur, daß er bisbahin gefehtviegen babe; 
uffi gilt für flumpffinnig und hat nie gefprochen ober gelacht, ihm 
gegenüber ftebt der blinde Greis, der fragend und zweifelnd des Sohnes 
erfte Rebe vernimmt und beflen mächtige Glieder befühlt, wie er her: 
nad den Klang feines alten Schwertes Strep erlaufcht; der erfte Offe 
ift felbft bis zum fiebenten Sabre blind, bis zum breißigften ſtumm, 
durch diefe Steigerung aber ift bie Jugend bes ermachenden Helven, 
die wirkſame Zufammenftellung des ftummen Sohnes mit dem blinden 
Bater verdrängt; vollends der zweite Offa iſt mit allen erfinnlichen 
Gebrechen überladen; dagegen das Widſidslied begnügt fi, das frühe 
Jugendalter hervorzuheben, in welchem Offa das gröfte Königreid) 
erſtreitet, und läßt ſo die Vermuthung zu, daß der ſtumme Mund 
eben auch nur die herbe Verſchloſſenheit des jugendlichen Heldengeiſtes 
bedeute, deſſen plötzliches Aufbrechen im rechten Augenblick um fo ge 
waltiger überraſcht 1%. Dem Schwerte widerfährt fein volles Recht 
nur in der däniſchen Darftellung, die überhaupt an finnreichem und 
volftändigem Sagengehalt die andern alle weit übertrifft. Name und 
Klang des Schwertes, deflen Beziehung zu feinen alten Herm, find 
nur bier gewahrt; beim Mönde von St. Albans ift die Erlangung 
des Schwertes eine ritterlihe Waffennahme, doc, läßt er den erften 
Offa fo furdtbar mit dem Schtverte toben, dab man an die Schladht: 
gemälbe der alten Heldenlieder gemahnt wird 497; das Manbererslied, 


16 Bergi. Parz. 185, 15 bis 18. 151, 11 bis 20. 152, 28 fl.: „Der 
verjiwigen Antanor, der durch ſwigen dicht ein tör” u. f. w. BOB, 30 f. 
Barzival jelb in feiner kindlichen Einfalt heißt: „der tumbe* (155, 19. 161, 
17. 162, 1), ein Wort, bas für die Begriffe taub, ſumm, ıhöricht, jung, 
mastigfache Übergänge bietet. Graff, ahd. Sprachſch. 5, 425: „tumb u. |. w. 
mutus, surdus. brutus, hebes, staltus, goth., angelf., altn. dumb u. |. w., 
mutas.“ J. Grimm, Die fünf Sinne, Beitichrift 6, 12. Nibelungen 1786: 

Dannoch was ber rede finer järe ein kint. 
day dö die tumben wären, wie grife die nz fint! 

47 Gleichwohl mit beigemiſchter Bibelſprache, ib. S. 962: „plurimos de 
adrerseriorum exercitu contrivit et in ore gladii irucidavit u. |. w. Et 
resumpto spiritu vividiore, reliquose omnes hinc inde ad modum navis 


168 


wie es überall kurz und einfach, aber bedeutſam fpricht, gibt mit den 
wenigen Worten, baß ber junge Offa „allein. mit bem Schwerte” bie 
Grenzmarken erweitert babe, ſowohl die Macht diefes Schwertes, als 
den Einzellampf, in dem ed des Helden einziger Genoſſe war, noch 


velificantis et sequora veloeiter sulcantis impetuosissime divisit, ense terri- 
biliter fulminante et hostium cruore sepius inebriato“ u. |. w. S. 368: 
„Perstrepunt igitur tubes cum lituis, et dlamor exhortantium, equorum 
hinnitas, morientium et vulneratorum gemitus, fragor lancearum, gla- 
diorum tinnitas, ictuum tumultus aßra perturbare videbantur. Adver- 
yarii tandem Öffse legiones dejiciunt et in fugam dissipatas oonvertunt. 
Quod cum viderit Offa strennissimus et ex hostium cwde oruentus, hausto 
spirita alacriori, in hostes more leonis et lewfie sublatis catulis irrait 
traculenter, gladium suam cruore hostili inebriando. Quod cum viderani 
trucidandi, fugitivi et meticulosi pudore confusi, reversi sunt super hostes, 
et at famam redimerent, feruciores in obslantes fulminant et debacchen- 
tar. Multoque tempore truculenter nimis decertatum est et utrobique 
suspense est victorie; tandem post mnitorum ruinam hostes fatigati pedem 
retalerunt, ut respirarent ei pausarent post conflictum. Similiter etiam 
et exercitas Offani. Quod tum moleste nimis tulit Offanus, cujus sanguis 
in ultionem wstuabat, et indefessus propugnator cessare erubescebat. Hic 
casu Offte obviant duo filii divitis illius [Rigeni], qui regnum patris ejus 
sibi attemtavit usurpare. Nomen primogenito Brutus sive Hildebrandus 
et juniori Sueno. Hi probra et verba turpia in Offam irreverenter in- 
gesserunt et juveni pudorato in conspectu exercituum non minus sermoni- 
bus quam armis molesti extiterunt. Offe igitur magis lacessitus et calore 
audacise scintillans et iracundia usque ad fremitum sucoensus, in impets 
spifitus sui in eosdem audacter irruit, Et eorum alterum, videlicei 
Brutum, unico gladii ictu percussit, amputsioque galew cono, cranekm 
usque ad cerebri medullam perforavit et in morte singultentem sub 
eguinis pedibus potenter prscipitavit, alterum vero, qui hoc viso fugam 
iniit, repentinus inseguens, vulnere letali saucietum contempeit 68 pro- 
stratum. Post hæe deswviens in cwteros contrarii exercitus duces, gladius 
Offe quicquid obviam habuit, prosternendo devoravit, exercifu ipsins 
tali exemplo recentins in hostes. insurgente et jam gloriosius triam- 
phante. Peter vero“ u.|.w. Das Rääfifoigende ift in-einer früheren Aumer⸗ 
tung (485) gegeben. Schon &. 961 fieht bei der Stelle: „Quidam autem 
primarius regni, cui nomen* Riganus, cum quodam suo complice, Mi- 
tunno nomine* u. |. w. die Randgloffe: „Hic Riganus binominis fait. 
Voocebatur enim alio nomine Aliel, Riganus vero a rigore. Huic erat 
filius Hildebrendus, miles strenuus, ab ense sic dietus. Hunc voluit pater 
promovere.“ 


169 


hinreichend zu ertennen. Bon einer Walküre Offas ift nur zweifelhafte 
Spur vorhanden ?°8, obgleich die Angelfachfen das gorgoniſche Walküren⸗ 


488 In der Waldjungfrau Drida, Mythologie 894 f. Vergl. Bualt. Mapes, 
de nugis curial. 77. 79. Le livre de Baudoyn 16 ff. Vita Off sec. 
&. Y11 (Qualiter Offa rex uxorem duxerit): „Diebus itaque sub eiedem, 
regnanie in Francia Carolo, rege magno ac vietoriosissimo, quedam puella, 
incie venusts, sed mente nimis inhonesta, ipai regi consanguines, pro 
yaodam quod patraverat crimine flagitiosissimo addicta est judicialiter 
morti ignominiose, verum ob regise dignitatie reverentiam igni vel ferro 
tradenda non judicatur, sed in navicula (armamentis carente) apposita. 
vietu tenui, ventis et mark eorumque ambiguis casibus exponitur con- 
demnats. Qus diu variis procellis exagitata tandem, fortuna trahente, 
titori Britonum est appulss, et cum in terra subjecta potestati regis Ole 
memorstsa cimba applicuisset, conspectui regis protinus presentatur. In- 
terrogats autem, yusnam esset, respondens patria lingua affirmarit, se 
Carolo, regi Francorum, fuisse consanguinitate propinquam Dridamgue 
nominatam, sed per tyrannidem quorundam ignobilium (quorum nuptias, 
ne degeneraret, sprevit) tali fuisse discrimini adjudicatam, abortisque 
lachrymis addidit dicens; deus autem, qui ınnocentes a laqueis insidian- 
tiam liberat, me captivam ad alas tus protectionis, 0 regum serenissimt, 
feliciter transmisit, ut meum infortunium in auspicium fortunatum trans- 
rautetur et beatior in exilio, quam in natali patria, ab omni presdicer 
posteritate. Rex autem verborum suorum Ornatum et eloquentiam et 
corporis puellaris caltum et elegantiam pendens, matus pietate, prescepit, 
us ad comitissam Marcellinam, matrem suam, tutius duceretur alenda ac 
mitins sub tam honesie matronz custolia, donec regium mandatum au- 
diret, confovenda. Pueile igitur infra paucos dies, macie et pallore per 
alimenta depulsis, rediit decor pristinus, ita ut mulierum puleherrima 
venseretur. Sed cito ir verba jactantie et elationis (secundum patriee 
sur consuetudinem) prorumpens, dominse sum comilisse, que materno 
aßectu eam dulciter educaverat, molesta nimis fuit, ipsam procaciter 
eontemnendo. Sed comitissa, pro amore Silii sui, regis, omnis petienter 
toleravit, licet et ipaa dieta puella inter oomitem et comitissam verba 
diseordie seminesset. Una igitur dierum, cum rex ipsam causa visi- 
tationis adiens, verbis consolatoriis alloqueretur,, incidit in retia amoris 
illius;, erat enim jam species illins gencupiseibilis. Clandestino igitur ac 
repentino matrimonio ipsam sibi fnconsultis patre et matre, necnon et 
meagnatibus suis universis, copulavit, Unde uterque parentum, dolore ac 
wedico in setate benili contabescens, dies vitee abbreviendo, sus mortis 
horam lugubriter anticiparunt,; sciebant enim, ipsam mulierculam fuisse 
regelibus amplexibus prorsus indignsm, perpendebentque jamjam vera-. 
cissime, non sine causa exilio lachrymabili ipsam, ut predictum est, 





170 


auge und den Waldflug glüdivaltender Siegweiber kannten 9%. Ber 
Wiedergeburt Helgis vergleicht fi das Aufleben des erſten Offa im 


fuisee condemnatam. Cum autem aunos longevee senectutis comes Tuin- 
fredus egisset et pres senectute casigassent oculi ejus, data filio suo, regi, 
benedictione, nature debits persolvit; cujus corpus magnifice, prout decuit, 
tradidit sepulture. Anno quoque sub eodem uxor ejus, comitissa Mar- 
cellins, mater videlicet regis, valedicens- filio, ab hujus incolatu seculi 
feliciter transmigravit. Rex itaque Offa vel Offanus, utrogue parentum 
jam orbatus, consolationem a domino Jesu Christo, cui se palam et 
frequenter confitebatur obligatum, postulavit 6 acoepit. Ex regina igitur, 
uxore sus (qum se Petronillam nominavit), prolem suscepit sexus infra 
biennium utriusque, filiumque suum primozenitum Egfridum jussit no- 
minari. Interea utpote sagax, fortanatus et bellicosus, hostes suos con- 
terminos audacter impetendo, fines regni Merciorum sub temporis brevitate 
inopinabiliter dilatavit“ u. f, wm. ©. 980 (De sancto Alberio, cui terlia 
filia regis Offe [Aelileda] tradenda fait nnptui): „Erst quoque quidam 
juvenis, cui rex Offa regnum orientalium Anglorum, quod eum jure 
sanguinis contingebat, concesserat, nomine Albertus. De cujus virtutibus 
quidam versificator, solitus regum laudes et gesta describere, eleganter ait: 
Albertus juvenis fuerat rex forlis ad arma, 
Pace pius, pulcher corpore, menle sagax. 
Cumqgue Humbertus. Archiepiscopus Lichfeldensis, et Unwone , Episcopus 
Legrecestreusis, viri sancti et discreti et de nobili stirpe Merciorum ori- 
undi, speciales essent regis consiliarli, et semper que honesta erant ei 
juste atque utilia regi Offee suggessissent, invidebat eis regina, uxor Offe, 
que prius Drida, postea vero Quendrida, id est Regina Drida, quis 
regi ex insperaio nupsit, est appellara, sicut in prescedentibus plenius 
enarratur. Mulier avara et subdola, superbiens, eo quod ex stirpe Caroli 
origiuem duxerat, et inexorabili odio viros memoratos persequebetur, 
tendens eis muscipulas muliebres“ u. f. w. (Angaben am Rande: Qui 
tumen [Albertus] regine Quendride malitie regi Oflano accusatus, in 
thalamo trucidatur. Qui martyr creditus, miraculis corusest.) ©. 981: 
„Kex vero Offa cum de commisso facinore certitudinem eomperisset, sese 
lugens in coenaculo interiori recludens, per tres dies cibum penitus non 
gustevit, auimam gaam lachrymis, lamentationibus et jejunio vehementer 
affligens, Et execrans mulieris impieistem, eam jussit omnibus viu 
sum diebus inclusam in loco remotem secretiori peccata sua deplorare. 
si forte, sibi celitus coliata gratie, ponitendo tanti commissi facinoris 
maculam posset abolere.. Rex autem ipsam postea ut sociem lateris in 
lecto syo dormire quasi suspeetam non permisit. ©. 982: In loco igitur 
sibi deputato commorante regina annis aliquot, insidiis latronum pre- 
vente, auro ei argento, quo multum abnndebat, spoliate, in puteo auo 


‚m 


zweiten; zivar jagt bie Legende nur, daß die Mercier ihn feiner Tapfer⸗ 
feit und Frömmigleit wegen, auch weil er von Gott erwählt worben 
lei, wie einft ter König Dffa, Marmunde Sohn, den zweiten Dffa 
und nicht mehr Pinefred genannt haben, allein wie auch die Proſa 
vom zweiten Helgi meldet, bie Eltern haben ihn nad Helgi Hibrwards⸗ 
fohne aljo benannt, und doch daneben die Sage von der Wiebergeburt 
tes eriten Helgi im zweiten und britten beftebt, fo mag auch die lehtere 
Anficht in Beziehung auf Dffa dem angelſächſiſchen Volksglauben nicht 
fremb geivefen fein. Wenn man zurüdhlidt, mie feft auch ber erfte, 
minder geichichtliche Träger dieſes bei ben Angelſachſen auch fonft gang: 
baren Namens dort örtlich eingebürgert ift, fo könnte ſchon in jenem ein 
zweites Erſcheinen des altanglifchen Sagenhelven, alfo wie bei Helgi ein 
dreifaches Xeben, gedenkbar werben. Daß endlich eine von den Sueven⸗ 
Angeln ftammende Heldenfage fich in denfelben Vorftellungen beivegt, wie 
die bon Helgi, darin liegt ein meiteres Zeugnis für ben fuebifchen Urs 
ſprung diefer leßtern. Konnte der fo entſchieden daͤniſch umgewandelte 
uffi dennoch für die Gemeinfchaft der Nordſueven in Anipruch genommen 
werben, fo verftärkt fich für die Helgifage der Beweisgrund, daß dieſe 
auch in ausgeprägt norbifcher Bearbeitung fi) noch offen und nament» 
lich zum Suevenlande befennt. Merkwürdiger Weife ift die ſueviſch⸗ 
anglifche Kunde von Uffi wieder eins Schwertjage, ber fchönften eine 900, 


proprio precipitats, spiritum exhalavit, justo dei judicio sie condemnata, 
ut sicut regem Alberium innocentem in foveam fecit precipitari et præci- 
pitatum suffocari, sic in putei profunditate submersa vitam miserabiliter 
terminarei.“ [Sie dat ihn mittelft eines Stubles, auf dem er feine Braut 
erwarten jollte, in eine tiefe Grube verfenten und dort erftiden laſſen, ihre 
Töchter wollte fie überſeeiſchen Freunden vermäblen.] 

499 Mythologie 389. 949. 402. 

0 Die geiftliche Seite der Offafagen hat einen fabelhaften Anllang im 
Wamannenlande gefunden. Einem englischen Könige Offo, der ben Thron verließ, 
um in fernen Gegenden Bote des Chriſtenthums zu fein, follte das Klofter Offen⸗ 
zel (Offoniscella, Schuitern), am Fuße bes weftlihen Schwarzwalds, feine 
Gränbung nerbanfen, Schannat, vindem. liter. 17 fi. Hefele, Bei. der Ein- 
führung des. Chriſtenthums im ſüdweſtlichen Deutſchland, Tübingen 1887, ©. 324 
bis 332. Der Name Offo ericheint mehrmals in Weißenburger und Lorſcher Urlun⸗ 
ben (trad. Wizzenb, ind. onomast. 383: offone, cod. Lauresh. ind. onomast. 
Ofo, vergl. ind. geogr. Offonis vilare). Bergl. noch Dumbed, geogr. pag. 
eisrhen. 315 f. Leo. rectitud. 6, 100 bis 104 Nordalb. Stud. 185 u., f.] 


172 


Iſt es überhaupt gelungen, die Helgifage als eine ſueviſche nady 
zuweilen, fo erübrigt die Frage, ob viefelbe in den Dichtungskreis 
des Nordens noch geradezu von den alten Wohnfigen der Sueven im 
nördlichen Deutihland übergegangen, over ob fie erſt mittelbar zugleich 
mit der fränkiſchen Wölfungenfage, ber fie nun angereiht ift, bort 
beimifch geiworben fei. Alles, was bis hieher von ſueviſchem Glauben 
und Heldentbum erforicht werden konnte, bat weit mehr im Dften und 
Norden, als meftlich und ſüdlich angenüpft. Um nad den Belten 
und über diefelben zu kommen, batte altſueviſcher Einfluß viel bereitere 
Wege, als im Durchgang durch die abgelegenen Sigambern am Nieder: 
rhein. Einen folgen Weg hat eben erft die Uffifage gewiefen. Damit 
treffen aber auch die Bahnfpuren zu, auf denen die Helgiſage weiter 
verfolgt werben Tann. Dieſe führen nad einer Richtung durch die 
normännifche Eroberung in das nörbliche Frankreich und von da hin: 
über nach England, nach andres Seite dftlih in ſlaviſches Gebiet, felbft 
dem altfuevifchen Boden find noch leiſe Zeichen eingebrüdt. 

Der Name Helgo findet ſich im Urkundenbuche des Dreifaltigfeitö 
kloſters zu Rouen um 1050 bis 1066 391, auch in demjenigen ber Abtei 
St. Bertin zu St. Omer, und zwar bier mit andern Namen von ftreng 
nordiſchem Gepräge, wie beſonders Anschitillus, Turchitillus (Äsketill, 
börketill) 502, Abgeleitet von Helgo, ®en. Helgonis, welchem altfr. 
Nom. Helgues, Acc. Helgon, entfprechen würde 308, find die Formen 
ber Herkunft und Verkleinerung Hellequinus, Helequin, Hellequin 5%, 


01 Chartular. monası. 8. Trinitat. de monte Rothomagi, in Collect. 
des cartulair, de France 3, 442: Zeugen mit dem Normannenherzog Wilhelm 
„Helgo del Maisnil; Ricardus, filius Helgonis.“ 445: „unum militem suum 
nomine Helgonem del Maisnil“ u. ſ. w. (Droplaugarss. 15 u.: „Helgi m. |. w. 
stefndi hanum til Öhelgi.“ 18 u.: „stefna til Öhelgi.“) 

%% Cartul. de l'abbaye de Saint- Bertin & Saint-Omer, ebend. 8, 475: 
„Helgo del Maisnil.“ 471: „Anschitillus.“ 474: „Goffridus, filins Tarchi- 
ulli.* 476: „Hugo, fil. Turchitilli.“ Bergl. Le combat de trenıe Bretons 

" contre trente Anglois (1350), publ. par G. A, Crapelet, Paris 1827, &. 8: 
„Helichon le musart.“ 

509 Diez, Grammatik der romanifchen Sprachen 1, 804. 2, 87 f. 

1 Ebend. 2, 275: „inus bat überdieß im Italiäniſchen, Spanifchen um 
Portugieſtſchen diminutive Kraft (Ann. Im Nordweſten feine Spur u. |. w.) 
Den lateiniſchen Suffir iſt dieß fremd, dagegen ſchließt es den Begriff der 
Herlunft oder Abſtammung in ſich: sororinus iſt Sprößling der soror, Nber- 


173 


mit mandherlei weitgehenden Entftellungen, wie fie einem frembgeivor- 
denen und für romanische Zubildung fchwierigen Worte nicht erlaflen 
fein konnten 39, Der Ablömmling, der Jüngere, ift durch jenes -in 
beutlich bezeichnet, wenn z. B. Sohn und Neffe des alten Fromont 
den Namen Fromondin führen. Aber auch die gleiche Perſon finvet 
man in einem Athem mit und ohne Suffix genannt: Hernaut und 
Hernaudin over Hernaudet, Rigaut und Rigaudin, wonach denn auch 
Helgo, Hellequinus, Hellequin, gänzlich einerlei find 50%, Ein Help 
diefes Namens (Hoillequins, Hernequins), Eohn des Grafen Balduin 
von Flandern und durch Heirat Graf von Boulogne, ift in Sang und 
Sage eingetreten, deren gefchichtliche Anläfje der zweiten Hälfte bes 
Hten Jahrh. angehören: in einer mörberiichen Schlacht an der Sande 
(& Kanche) gegen die aus England herübergelommenen Heiden (Sarra- 
sins) bleiben alle chriftlihen Kämpfer, darunter aud Graf Helgot, 
Schwäher jenes Helden, auf der Walftatt; ex allein, zugleich mit 
feinem Schildknappen von einer Lanze durchftochen, gelangt nach Samer 
(Saumer-u-Bos) zu feiner Frau, Berte, und niet nieder, um vor dem 
Altar des h. Petrus zu beten, aber im Gebet verjcheivet er und ebenfo 


tinas des libertus, umitina der amita; das Jüngere läßt ſich leicht als das 
Kleinere auffaflen. Auch dieje Form verflärkt ſich gern durch vorgefegtes c.® 
Deutfche Grammatik 3, 708. Aber auch alıfr. erſcheint dieſe Form, werm nicht 
anderwärts, body fehr tihli in männlichen Eigennamen. 

505 Dergleidhen find: Herlequinus, Harlequinus, Herlechinus, Herle- 
thingus (Herla); Hieiekin, Hoillequin, Herlequin, Hernequin, Hanequin, 
Hennequin, Herluin, Hurlewayn. 

06 Mort de Garin 113: „Li cuens Fromons et ses fils Fromondins,“ 
69: „A nom den, sire, Fromons et Fromondins“ u. ſ. w. 223: „Once 
Fromons,“ dist li fes Fromondins. 228: „Sire Fromons,“ diet li quens 
de Monclin, „Je ai oi vostre nies Fromondin.“ ®Bergl. Rom. de Garin 2, 
242. Flaämiſch⸗franzöſiſche Gedichtſtelle: „Et van Fromont de Lens, van son 
fil Fromondin“ (Chron. des ducs de Normandie par Benoit, publ. par 
F. Michel 2, 337; auch in Theätre frang. su moven-äge, publ. par L. J. 
N. Monmergu6 et F. Michel 76). „Fromons engenra Fromondin“ (Chro- 
niques Anglo-Normandes, publ. par F. Michel 3, pref. XII). Mort de 
Garin 71: „La bone dane a fait Gerin mander Et Hernaudin, que 
tient en grant cheri6, Il ont Rigaut baisie et acoléo Et Rigeudins a de 
piti& plor& u. f. w. A son ostel s’en-va Rigaus souper, Ill ei Gerins ct 
Hernaus li sen&s.“ (Vergl. ebend. prei. LV.) Ähnlicher Gebrauch der Die 
minutiongformen dentiher Donnsnamen Gramm. 3 641 f. 


174 


der Rnappe; ala Berte dieß flieht, wirft fie fih auf den Gemahl und 
ftirbt mit ihm, am dritten Tage darnach ftirbt auch fein jüngerer Sohn 
Balduin 307, Es Tann nicht behauptet werden, daß in dieſer ergrei- 


7 Benealogie der Grafen von Boulogne aus einer Hanbichrift des 14ten 
Jahrh. in den Chrono. Anglo-Norm. 3, pref., darin S. All: „Li devanı 
dis quens Helgos (de Bouloigne) dona Bertsin, se fille, à Hernekin & feme; 
li quens Hernekins fu fiex le conte Bauduin de Flandres, qui gist A 
Saint-Bertin & Saint-Odmer. Ciex Hernekins prist en mariage, avoec 
se feme, tote le tere ki gist entre le piere de Frenc et le pire de Kauver 
et le pont de Nuienel, si com li mers le pourporte, dusques en Üise 
e& si comme li noef fosse de Flandres le portent“ u. ſ. w. S. ZII: 
„[En] jcel tans vinrent Germons et Ysembar en ceste tere, et li quens 
Hernekins de Bouloigne ala encontre & tout .XXX”. homes à armes 
et & ceval por warder le pais de Bouloigne; mais li Sarrasin qui 
vinrent d’Engletere et arriverent par leur force et par lor volenté & 
Wimerenc, et prisent Bouloigue par foroe [et ocisent) .X”. homes des 
XXX”. homea que li quens Hernequins avoit; es gant il les avoient 
ochis, si les espetoient en leur glaves et les rostissoient au fu en despif des 
crestiiens; mais li quems Hernequins torna en fuies & tout .XX”. homes 
& arme sor le cost& de le mer, at enconira se feme et li commandsa 
k’ele l’atendist & Saumer-u-Bos. Et envoia ses .ij. fex, Bauduin Ile 
maiané et Rainier: l’aisn6, en le terre de Lens, et l’oir de le Kiviere et 
l’oir d’Ordre avoec aus. Et li quens Hernequins fist tant k’il passa outre 
Kance et vint & l’Autie, et là encontra-il le conte Helgot et le conte 
Florent de Poutiu qui venoient combatre et leur compaignies contre les 
Sarrasins; mais li grans compaignie de Sarrasins iesi de Some encontr 
Helgot et le oonte Florent et le conte Herneguin et le conte Henri de Hedin 
et leur cumpagnies, si les assalirent à fus et as espees, et il aus. Ensi 
enkacierent li Sarrasin les crestiiens que tot li crestiien i demorerent mort 
en le place, fors li quens Hernequins, qui s’en fui ferus par mi le cors 
d’une lance, entre lui et sen escuier, à Kance; et si avint que li quens 
Hernequins regarda à mervelles derriere lui, et vit le grant compagnie des 
Serrasins qui les kagoient: de coi cis lieus od il passen Kauce est encore 
apelés Mirendoel. Et d’iloec vint li quens Hernequins à Sanmer- u-Bos 
& se feme, et s’agenilla por orer devant l’autel Saint-Piere; et en ourant 
moraut-il illoeques, il et ses esouiers. Et gant ce vit Berte, se feme, 
si se laissa caoir sor lui et morut illoec avoec lui. Et au tiert jour 
apröe, morut Bauduins, leur alenes fiex. Et puis vinrent li Sarrasin 
dewastant tout le pais dusges & Saumer-u-Bos, et misent l’eglise en fu 
et en ilame; et arsent l’abie de Sainte-Heremberte de Wirre dehore 
Saumer-u-Bos, ü noires nonains estoient à cel tane.* Mit diefer Erzählung 
muß nun der Einganc eines flämifchefrangdfiichen Berichts (der m Chroniqur 





175 


fenden Tobeögemeinichaft ein Nachklang der alten Helgenfage verblieben 
fei; anders verhält es fich mit ver befannteren Anwendung des Namens 


des ducs de Normandie par Benoit, publ. par F. Michel B. 2, Paris 1838, 
©. 837 und in Théatre frangais au moyen-Age, puhl. per L. J. N. Mon- 
meryue& et F. Michel, Paris 1889, S. 76, aud in Hist. litt. de la France 
28, 499, mitgetheilt ift) zufammengehalten werden: 

Siggeur, or ercoutes, que Dex vos sot amis, 

Ven rui de sinte gloire qui en de oroc fou mis! 

Assts l’av&s oit van Gerbert, van Gerin, 

Van Willeme d’Orenge qui vait de eief. haiolin, 

Van conte Je Bouloigne, van conte Hoilleguin 

E: van Fromont de Lens, van son fil Fromondin, 

Vun Karlemsine d’Ais, van son pere Pepin; 

Mais jo Jira biaus mus qui bien dot estre emprin. 

Les vers isıront bien fait, il ne sont pes frurins, 

Ains sont de bons estuires, si com dist li eserins u. |. w. 
(Mau vergleiche auch den auf einer von mir genommenen Abfchrift des Parifer 
Manuſcriptes beruhenden Truck dieſer Stelle und die Erläuterung derfelben 
in 5. Leos Ferienfchriften 1, Halle 1847, ©. 26. H.] Im Gegenſatze zu 
ven belaunten Helden alter chansons de geste will der Dichter einen 
neneren Kampf flämiſcher Kriegsiente, die er gleichfalls amfzählt, berichten, 
Jene Helden der Vorzeit fiehen zwar wicht in firenger Orbnung, aber es 
find zum Theil diefslben, die in der angeführten Genealogie der Grafen von 
Beulogne vorlommen: (&. ZU) „Ciex Ernous, quens de Bouloigue, ent 
j. fl qui eut & non Fromons li poestis, yui eut Bouloigne et Lens 
et totes les autres ierres devanı dites. Fromons eugenra Fromondin 
(Beide mit Gerbert und Gerin, d. h. Gariı von Lothringen und feinem Sohne 
Serbert, in dem altfranzöſiſchen Heldengedichte). Fromondins eut. j. fl, qui 
eut & non Quites et fu uns des .XII, pers au tans le roi Karlon. De Quiton 
vint Otes, ki prist Guenelon le traiteur. De celui Oton vint li quens 
Heigos, qui fonda Mosıruel et l’abie de Seint-Sauve en cele meisme vile. 
Ciex quens Helgos prist & feme le fille le duo de Prise, qui estoit apolée 
Seize u. ſ. w. Li devant dis quens Helgos dona Bertein, se fille, & Hernekin 
& feme* u. [ w. (f. Anm. 506) Die rechte Ramenfolge im obigen Gedicht⸗ 
eingang wäre nun bie, daß Fromont und Fromondin den Grafen von Bou⸗ 
logne, d. 5. Helgot, und dem Grafen Hoillequin, d. h. Helgots Eidam Hernekin, 
voronflüinden. Die Schreibung Hoillequin zeugt aber auch bafür, daß Hernekine 
zu Hellequius gehört und nicht etwa von Ernous, Hernsus (Arnold) fiammt, 
defien Diminutiv Hernaudins lauter (j. oben Anm. 504 ); dagegen bat Heigos, 
cas, obl. Helgot iahd. »Töz), Sprachg. 640), nichts mit Helgo, Gen. Heigonie, 
gemein. Indem aber ihre Namen mit denen andrer Liederhelden zufamnıen- 


gereiht find, if anzunehmen, daß auch ihr Heldenthum, beſonders Hernekin 


176 


Hellequin auf einen bunleln Geiſterſpuk. Gefinde, Kriegsvoll, agb 
Hellequins (familie, militia, milites Hellequini, maisnie, chasse 


tragische Ende, im Gefange verberrlicht war. Die angezogene Gedichtſtelle 
giht weiterhin Diminutionamen flämifcher Ritter: Boidekin, Simon Moussekin, 
Wistasse Stalin, Roelin, Gilebert Dierekin, Willeme Scouelin, Claieguin, 
ähnliche Namen normannifch- englifcher Streiter hat le combat de trente 
Bretons u. |. w.: (Helecoq [Helgot?] son frere et) Jennequin Teillart, 
Tommelin Belifort, Jennequin Betoncamp, Renequin Herouart, Renequia 
mareschal (Helichon le musart), fo aud) ein Henekins de Wedeghen („vassal 
da sire de Braine et de Hal, en 1287“ bei Reiffenberg, Monuments pour 
servir & l’histoire des provinces de Namur, de Hainaut et de Luxembourg, 
B. 1. Brux. 1844, ©. 734), und diefe Endingen auf -quin, -kin, wodurch 
dehan in Jennequin, Hennekin, Renouart in Rennegnin u. f. w. verkleinert 
ift, ſchließen fi offenbar. an die mn. und mnd. Diminutivformen -Fin, Fin 
(Gr. 3, 678). Gleichartig fcheint nun auch Hellequin angeſehen worden zu fein 
und konnte darum wirklich in Hennequin umgeftaltet werden, Die Ableitung 
vom nachgewieſenen Helgo würde gleichwohl durch die Endung in -kin nicht 
ausgeichloffen fein. Sperius, Chron. 8. Bertini cap. 20, part. 8 fagt: 
„Sanctus campus vulgariter Helechvelt, nunc vero corrupto nomine 
Bellefaut nominatur“ u. |. w., noch leichter konute Hölago, Helgo, Sei ber 
Diminution zu Hellekin werden. Überhaupt wird durch die erft gegen das 
14te Jahrh. im Franzöfifhen überhandnehmende Namenbildung mit -kin bie 
frühere romaniſche Verkleinerung mit einfachen -in, wie fie an Fromont, 
Fromondin aufgezeigt worden ift, nicht aufgehoben, wohl aber fpielen bier 
mandherlei Übergänge und Aneignungen in einander, wie denn mit ben Di. 
minutionamen auf -in und -kiu auch foldde auf -lin (f. oben Stalin, Roelin, 
Seonelin, Tommelin, worin das 1 theils zum Stammnamen, theils zur Ab⸗ 
leitung gehören mag) zuſammengehen. Außerhalb der Frage über den perfön- 
lien Namen Hellequin fällt der ſachliche Ortsname ten Hallekinne, Hellekine, 
ſ. Reiffenberg a. a. O. 678: „Guyzelin de Hallekinne, chevalier, chätelain 
et bailli de la terre de Namur. Gaillot le marque le troisitme des soure- 
rains baillis de Namur, sous l’annde 1274, pr&cisement oelle de la charte 
que nous rapportons; Hist. de Namur III, 813.* (&. 11, im Cartul. de 
Namur: VII. 1274: „Guyzelins de Hallekinne, chevaliers castelains et 
baillins de la terre de Namur, fais & savoir“ u. |. w.) Ebend.: „Ten Helle- 
kine est un lieu pres d’Affligem, en Brabent, oü dit-on les Flamands, 
dans un oertain combat, furent frappes au visage, ce qui donna lien & 
ce proverbe applicable & ceux qui avaient 6t6 blesses au nez: Ja ghi 
hebt ten Hellekine ghezyn. De Smet, Corpus chron. Flandr. I, 22%9.* 
Über bieß Gefecht „ten Hallekine“ |. Reimchronik von Flandern 8047 fi. (in 
Kanslers Dentmälern altniever. Sprache und Pitt. 1, 269. 6856: „parvas 
infernus“), ®Bergl. Deutſche Myth. 894. G. W. Wolf, Wodana 1, V. 2, XLII 


177 


Hellequin), bezeichnen für Norbfrankreih und das normannifche Enge 
fand das wilde Heer, das man in Schwaben auch beiliges Heer 
nennen hört 5%, Überall erfcheint hiebei Hellequin als perfünliches 
Einzelmefen dod an ber Spige einer geſpenſtiſchen Genofienihaft und 
gerade nach ben älteften Zeugniflen ift er, gleich dem nordiſchen Helgi, 
der Führer nächtlich reitender tobter Kriegeleute. Die frübefte Meldung 
von dieſem Hellequinsvolke fällt wieder in die Normandie, in benjelben 
Eprengel Lifieur, aus welchem etwa brei Jahrzehende vorher der Name 
Helgo urkundlich auftaucht, und eben fie ergibt volllommen, wenn aud) 
mit ftartem Beigefhmad von Fegfeuer und Hölle, das kriegeriſche Aus⸗ 
fehen der nächtlichen Geifterfchaar. Drberic in feiner normannifchen 
Kirchengefchichte verzeichnet das wunderbare Gelicht, das im Jahr 1091 
einem jungen Priefter des genannten Eprengeld (Gualchelmus), aus 
defien Munde der Gefchichtichreiber berichtet, auf einfamer Heimkehr 


8 „Fahren wie das heilige Heer”, wenn nicht etwa der Kraftantbrud 
von „heiligen Donnermwetter“ geborgt ifl. 

809 Das ergeben ſchon die Genitivformen militia Hellequini, Hurlewaynis 
kynne, meyne u. |. w. und gleiche Geltung hat auch. der unflectierte Name 
in maisnie Hellequin. Bergl. %. Diez, Grammatik der romaniſchen Eprachen 
2 (Bonn 1838), 82: „Die Declination des [provenzalifhen] Subflantivs ſchei⸗ 
det, fo weit wie möglich, den casus recius von den casus obliqui, welch 
letztere fi in der Form des Accufativs vereinigen +}.“ „tr Diefe Bezeichnung 
der cas. obl. durd die Endung geftattet die dem Latein ſich annäbernde zier- 
fie Auslaffung der GSafuspartilein in gewiflen Fällen. Man fagt ohne Be . 
deuten per amor (de) dieu R. 3, 410, l’enaps Tristan der Becher Triſtans 2, 
314, porta’l chan (a) n’Agout bringe ben Geſang der Dame Agout B, 287, 
(a) mon aziman m’anaras dir gehe meinem Magnet zu jagen 8, 145; felbf 
ohne flerivifche Unterſcheidung: (de) mi dons sui hom meiner Herrin Diener 
bin ih 8. v. Bentad., lo filh sancta Maria der Sohn der h. Maria 3, 408. 
Ahnlich verhält fih Das italiänifche la dio merch ober grazie, worin ſich aber 
der Genitiv durch feine Stellung als foldyer kenntlich machen muß; doch nahm 
fih die ältere Eprache etwas mehr Freiheit, ſ. Rayn. 6, 21.” Ebend. 
23, 6: „Die Declination [des altfranzöſiſchen Subftantivs] fimmt, bie Ab- 
plattung gewiſſer Bocale abgerechnet, gleichfalls faft ganz zur provenzalifchen, #*#* 
„⸗Daher iſt auch hier die Unterdrüdtung der Präpofitiorien de und a erlaubt: 
pro deo amur in ten Eidformeln, & la maniere (de) le roi auf die Weile 
Des Königs, &s bras (de) m’amie in den Armen meiner freundin, dist donc 
(a) son frere fagt alfp feinem Bruder. Ein neufranzöfifcher Überreft davon 
iR hötel-dieu, de par le roi u. dgl. |. R. 6, %0.“ 

Udland, Edriften. VI. 12 


1778 


von einem Kranlenbefuh in monbheller Januarsnacht geivorden fet. 
Auf gänzlich abgelegenem Wege hört derſelbe ein mächtiges Geräufc, 
gleich dem Anrüden eines großen Heeres. Er meint, e3 feien die Leute 
(femilia, Robert? von Bellesme, melde eilig ausziehen, um Courci zu 
belagen. Während er fih unter vier Milpelbäume, die er abfeits 
des Weges ſieht, zurüdgieben will, wird er ſchon von einem riefenhaften 
Keulenträger überholt, der fich ala Wächter an feine Seite ftellt. Es 
ift bier nit auf die verichievenen Abtheilungen des langen Zuges, 
der fih jet an dem auf feinen Stab geftüßten Priefter vorbeibewegt, 
einzugeben. Die Beichreibung desſelben bat durchaus abfichtlihen Bezug 
auf Perſonen und Angelegenheiten, die dem Erzähler, beſonders auch 
vom kirchlichen Standpunft, wichtig waren. Nur die legte Schaar, 
ein zablreiches Heer von Nittern, kommt bier in Betracht. Bollftändig 
gewappnet jcheinen fie zum Rampfe zu eilen, ſchwarz und funkenſprühend 
reiten fie Pferde von riefenhafter Größe und führen kohlſchwarze Banner. 
Unter ihnen, wie unter denen, die voranzogen, erfennt der junge 
Prieſter Fürzlich VBerftorbene, felbit feinen eigenen Bruber; es waren 
gemwaltthätige, Tampfluftige Rittersleute von befannten Namen und fie 
haben jest für die verübten Frevel unter ihren glühenden Maffen furcht⸗ 
bare Qual zu leiven. „Das find, denft er bei fi, ohne Zweifel bie 
Leute Helequins (familia Herlichini); von Vielen hört’ ich, daß fie dies 
felben vormals gefehen, aber ungläubig lacht‘ ich dazu; jet aber ſeh 
ich wahrhaftig die Schatten der Verftorbenen“ 510, Hellequind Todten⸗ 


5 Orderici Vitalis Angligene, coenobii Uticensis monachi, historie 
ecelesiasticee libri XII bei Duchesne, Historie Normannorum scriptores' 
entiqgui u. ſ. w. Lutet. Paris. 1619. Fol. S. 319 fi. Daſelbſt ©. 8, 
©. 698 fi. ad ann. 1091: „Quid in Epiacopatu Lexoviensi in capite 
Januarii contigerit cuidam Presbytero, preiereundum non Estimo, nec 
comprimendum eilentio. In villa, que Bonavallis dieitur, Gusichelmus 
sacerdos erat, qui Ecclesie sancti Albini Andegavensis ex Monacho 
Episcopi et Confessoris deserviebat. Hic anso Dominice Incarnationis 
MXCI in capite Januerii acoersitus, ut retio exigit, quendam wgrotum 
in ultimis parochbie sum terminis noclu visitavit, Unde dum solus rediret 
et longe ab hominum habitatione- remotus iret, ingentem strepitum velat 
mazimi exercitus cospit audire, ei familiam Roberti Belesmensis putarit 
esse, qnto festinaret Cureeium obeidere Luna quippe octava in sigeo 
arietis tunc elare miosbat et gradientibus iter demsonstrabet. Preafatus 





zug war alfo gangbarer Vollsglaube, und mie heimiſch dieſer Glaube 
ſich dort zu Lande feftgepflanzt hatte, zeigt die Verwebung desſelben in 


Presbyter erst juvenis, audax et fortis, corpore magnus et agilis. 
Audito itaque tumultu properantium timuit et plura serum tractare 
capit, an fugeret, ne a vilibus perasitis invaderetur et iuhoneste spolia- 
retur, aut validam manum pro defensione sui erigeret, si ab aliquo im- 
peteretur. Tandem quatuor mespileas arbores in agro procu) a calle 
prospexit, ad quas latitandi causa, donec equilatus pertransiret, eſto 
divertere voluit. Verum «quidam enormis stature, ferens ingentem 
maxueam, Presbyteram properantem pr@venit et super capıt ejus lerato 
vecte dixit: „Sta, nec progrediaris ultra! Mox Presbyter diriguit et 
baeulo, quem bajulabat, sppodiatus immobilis stetit. Arduus vero 
vectifer juxta eum satabat, et nihil ei nocens pretereuniem exercitum 
exspectabat. Ecce ingens turba peditum pertransibat et pecudes s€ 
vestes multimodamque supellectiiem et diversa utensilia, que predones 
asporiare solent, super colla scapnlasqne suas ferebat. Omnes nimirum 
lamentabantur, seseque ut festinarent cohortabantur. Multos etiam vici- 
nornm suorum, Qui nuper 'obierant, Presbyter ibidem reoognovit es ma®- 
rentes pro magnis suppliciis, quibus ob ſacinora sus torquebantur, 
andivit. Deinde turma vespilionum secuia est, cui prefatus gigas repente 
associatns est u. |. w. Deinde cohors mulierum secuta est u. |. w. Non 
multo post. numerosum agmen Ciericorum et Monachorum u f.w. Terri- 
biäbus viste Presbyter admodum trepidabat baculoque innisus terribi- 
liore exspectabat. Ecee ingens exercitus militum sequebatur, et nullas 
color nee (nisi?) nigredo et seintillens ignis in eis videbatur. Maximis 
omnes equis insidebant, et omnibus armis armati velut ad bellum festina- 
bent et nigerrima vexilla gertabant. Ibi Ricardus et Balduinus, hilius 
Gisleberti Comitis, qui nuper obierant, visi fuere; et alii multi, quos 
Don possum enumerare u. |, w. ©. 695: Gualelielmus autem postquam 
maltorum militum ingens cohors pertransiit, intra semetipsum sic cogitare 
capit: „Hsc sine dabio familia Herlechini est, a. multis eam olim visam 
audivi, sed incredulus relatlones derisi; quia ceria indieia namquem de 
talibus vidi. Nunc vero manes mortuorum veraciter video, sed nemo 
mibi credet, cum visa retulero, nisi certum specimen terrigenis exhibuero, 
De vacuis ergo equis, qui sequuntur agmen, unum apprebendam, con» 
festiim sscendam, domum ducam et ad fidem obtinendam vicinis osten- 
dem.“ Mox nigerrimi cornipedis habenas apprehendit, sel ille Torsiter 
se de mann roapientis excussit, aligerogue cursa per agmen ABthiopum 
(früher, ©. 594, m der Schaar der Beipilionen: ingens etiam truncus a 
duobas /Ethiopibus portabatur ®. f. w., woranf em von einem Dämon Be 
marterter liegt) Ablit. Presbyter autem voti compotem se non esse doluit, 
Erat enim etate juvenis, auimo audsx et levis, torpore vero velox et 


180 


Die Sagen von dem beliebteſten Volkshelden der Normandie, bem Herzog 
Nichard Ohnefurcht. Hatte man biefen Normannenfürften, der geſchicht⸗ 
lich der zweiten Hälfte des 10ten Jahrh. angehört, rüdwärts dem kar⸗ 
Iingifchen Heldentreis eingereibt 511, fo war hinwider das eigentbümliche 
Gepräge feiner befondern Sage noch mehr geeignet, die alten Über 
lieferungen von Hellequin anzuziehen. Richards vollsmäßiger Beiname 
(Sans-peur) bedeutet feinen unerfchrodenen Verkehr mit der Geiſterwelt. 
Schon die normannischen Reimchroniken des 12ten Jahrh. von Robert 512 


fortis. In media igitur sirata paratug constitit et venienti paratissimo 
cormipedi obvians manum extendit. Ille autem substitit ad suscipiendum 
Presbyterum, et exhalans de naribus suis projecit nebulam ingentem 
veluti longissimam quercum. Tune sacerdos sinistrum pedem in teri- 
pedem misit manumgue arreptis loris clitelle imposuit subitoque nimium 
calorem velut ignem ardentem sub pede sensit, et incredibile frigus per 
manum, que lora tenebat, ejus precordia penetravit. Dum talia fiunt, 
quetunr horrendi equites adveniunt, et terribiliter vociferantes dicunt: 
„Car equos nostros invadis? Nobiscam venies. Nemo nostrum lesit te, 
cum tu nostra copisti rapere.“ At ille nimium territus caballum dimisit 
u. |. w. ©. 696: Presbyter autem tuta septinana graviter ergrolavit. 
Deinde postquam invalescere cœpit, Luzovium adiit, Gisleberio Episcopo 
enncte ex ordine recitavit et ab eo medicamenta sibimet necessaria im- 
petravit. Postmodum fere XV annis vegetus vixit, et hec qua scripto 
wradidi, aliaque plurima que oblivione abolita sunt, ab ore ipsius audivi 
et faciem ejus horremli militis taclu lesam prospexi“ u. ſ. w. 

511 Er iſt der ältefte Herzog der Normandie diefes Namens, von 943 bis 996. 
Zurpin hat noc keinen Richard unter den Helden Karls bes Großen. Zuerſt 
in das normannische Rolandslied fcheint der heimiſche Name eingeführt worden 
zu fein: XII, 4 (Ausgabe von Michel) „Richard li veiz e sun ne[vuld] Henri.“ 
CCLII, 8 „Richart le veill, li sire des Normans.* Hier fommt er im 
Kanıpfe mit den Arabern um. Bei Bourdillon S. 9 fehlt der Name, dagegen 
©. 181: „dan Richart le normant“; S. 191: „Li dus Richart“ u. j. w. 
Im Fierabras 75: „Richart de Normandia;“ 2610: „hom m’apela Richart, 
natz fuy & Normandia;“ vr reitet ala Bote, von einem weißen Hirſche ge 
wiefen, durch den gefährlichen Flagotſtrom, 3728 bis 3766. An Karls Fahrt 
nach Jeruſalem läßt ihn zwar nicht das alte Gedicht (Charlemagne, an anglc- 
norman poem u. f. w. by F. Michel, London 1836) wohl aber die Histoire 
u. f. w. de Gallien restaure (Long le- Saunier 1807) S. 16 Theil nehmen. 
(Mort de Garin ©. 102.) 

512 [Daß der Vorname Robert dem Wace fälſchlich beigelegt wird, habe 
ih ſchon Schriften 7, ©. 661, Anm. 2, bemerft. ©.) 


181 





Race und Benoit geben ihm zwar nicht diefen Beinamen ſelbſt, 
berichten aber, daß er bei Nacht wie bei Tag allein umgerittien, wes⸗ 
halb die Leute fagten, er fehe zur Nadıtzeit fo gut als am Tage, 
und daß er manchem Gejpenft begegnet, aber nie vor irgend eimas 
Furcht gehabt 513; dergleichen Spulgefchichten werben Tann mehrere 


515 Le roman de Rou u. j. w. pub]. par F. Pluquet, B. 1, Rouen 1827, 
©. 278, 8. 5432 bis 5441: 
Par nuit errout come par jor, 
unkes de rien ne out poor; 
maint fantosme vit & trova 
unken de rien ne sesfrta, 
par nule rienz ke il veist, 
ne nuit ne jor poor nel prist. 
Pur ceo k’il ersout par nuit tant, 
aloent la gent de li disent, 
k’autresi oler par nuit veeit, 
cum nul altze par jor faseit. 
Chronique des ducs de Normandie par Benoit u. ſ. w. publ. par F. Michel, 
®B. 2, Paris 1838 ©. 825, B 24890 bis 25006: 
Une n’out poür soudes n’effrei 
ne totemens aucun en Bei; 
n’unques ne fu, ce dit l’escriz, 
torbez d’error sis esperiz; 
tos Jora fu seurs, ce lisum, 
sens dotose termptation. 
De uuis alot senz rien doter 
tor aufrwei cum par jor.eler; 
s’ert cil dunt tote gent saveient. 
&. 326 qui plus fantosmes aveneient, 
plus merveiles, plus deablies, 
dunt plusors sunt assez oles. 
8i beaus, si pors aveit les oilz, 
eum par 'cler jor veeit de nuliz: 
maint horribl& chose salvage 
veeit senꝝ muer BON corage. 
Die Unerſchrockenheit in kriegeriſcher Gefahr war für jeden Helden vorausgeſetzt 
und nur diejenige Den dumleln Mächten gegenüber der befondern Auszeichnung 
wert.‘ Das Grauen in lehterer Beziehung hieß ahd. nabtforbta, Graff 8, 
688; ein ahd. Mannsname in Unforaht Neugart 60, St. Gall. Url. v. 775: 
„Vnforabtus®, Meichelb. 1, 302: „Unforht”). Manches AÄhnliche mit Richard 
Sans- peur hat ber deusfihe Thedel Umvorferd von Walmoden. Auch die Furcht⸗ 





182 


mitgetheilt, namentlich wie er Nachts in einer verdveten Kirche betet, 
darin ein Tobter auf der Bahre lient, mit bem er einen Kampf be 
ftehen muß, und mie Richard gleichwohl nachher dahin zurüdtehrt, um 
feine vergefienen Handſchuhe zu holen 314, Bon Hellequin ift nod 
nidit die Rede, aber Benoit verfihert, daß Richards munderbare 
Thaten nur zum zehnten Theil aufgezeichnet feien 55. Erſt in dem 
Gedichte, das bie Sagen von Richards nächtlichen Walbritten in der 
während des 14ten Jahrh. aufgelommenen vierzeiligen, einreimigen 
Alerandrinerftrophe 518 bearbeitet hat und von deſſen Inhalt ver feit 
Anfang des 15ten Jahrh. vielfach gedruckte und noch jetzt als Volke: 
buch umgebende Projaroman eine Erweiterung if, kommt Hellequin 
mit feinem Gefolge zum Borfchein 517. Warum follte dem geiſterſehenden 


Iofen der Kindermährdden bewähren dieſe Eigenſchaft bauptjählih gegen böſe 
Nachtgeiſter (Br. Grimm, Märden. 5 Aufl Nr. 4. #21). 

514 Roman de Rou u. f.w. ®. 5442 bie 5489. Benoit ®. 25012 bis 25187. 
[Diefe Erzählung von Wace ift diefelbe, welche Uhland im Fahre 1810 dentſch 
bearbeitet, im Fahre 1812 in Juſtinus Kerners Boetiichem Alınanad) &. 232 
bis 234 mitgetheilt hat. Sie ii jeitdem bekanntlich auch in Uhlands Gedichte 
aufgenommen worden, zuerft in die zmeite Auflage von Jahre 1820, ©. 409. 
410, zuletzt in bie fünfundfünfzigfte Auflage vom Jahre 1871, ©. 412. 
413. 9] 

55 Benoĩt B. 249756 bie 2496: 

Muit fu li dux Richart preisiex, 
mult fu al siecle esenuolez; 
mult fu en terre grant sis nons 
e sera tant cum nos vivrone; 

e mult par i vut bien por quei, 
kar merveilles parfiet de sei. 
Merveillos furest li suen fait; 
sol la disme nen egt refrait 
n'escrit ne trov& en estoire 

qui fassent digne de memoire. 

516 Von diefer Gedichtform handelt F. Wolf, über die Lais u. ſ. mw. 256. 

517 Das Gedicht ift nach einem Drudo.D. u. %., fpätefteng vom Anfang 
des 16 Jahrhunderts: „Sölayt le Romant de Richart filz d’Robert le 
diable q’ fut duc d’Normendie.* nen berausgeaeben. „Achevs d’impri- 
mer le 31 octobre 1838, par: Crapelet u. ſ. w. es se vend & Paris, cobez 
Silvestre* u. |. w. Die Hauptflelle von Heleqitin-aud) ın: Le lıvre des l&gendes 
par le Roax de Liney, Paris 1886, S. 243 bis 245. Über ältere Drude bes 
Brofaromans f. Nouvelle bibliothdque bleue u, |. w. Paris, 1842, Introdact. 





183 


Rormannenherzog nicht auch das altnormanniſche Tobtenheer begegnet 
fein? Darüber befagt nun das Gedicht: ald Richard Ohnefurcht (sans 
paour) nad) feines Gewohnheit Nachts dur den Wald reitet, ficht er 
eine große Meute von Jagdhunden vorbeilaufen und hört den Ruf ber 
Waibleute. Der unbefugten Jagd in feinem Forſte nacheilend, trifft 
er auf einen Reigentanz und es Tommi ihm fein Senefchall entgegen, 
der vor einem Sabre geftorben ift. Bon Diefem erfährt er, daß. es 
Helcquin 918 mit den Eeinigen fei, ber bier Jagd und Tanz halte. 
Unter einem Weißdorn findet er Denfelben und ftellt ihn wegen bes 
eigenmächtigen Eintrittö in den Forft zur Rebe. Helequin gibt ven 
Beicheid, daß Gott, ihr Gebieter, ihnen erlaubt babe, die ganze Nacht, 
von Eonnenuntergang an, zu wandeln, fie fühlen fich aber keineswegs 
behaglich fonvern erdulden unaueſprechliche Angſt und Bein. Der 
Eeneichall breitet ein ſeidenes Tuch auf der Erbe aus, worauf Hele 
quin fih niederſetzt. Nachdem Richard noch eine Frage über jein 
eigenes Geſchick an Jenen gerichtet, erhält er zum Abſchied das koſtbare 
Tuch von wunderfamem Gewebe Mit diefem Geſchenk aus der Hölle 
seitet er von bannen und gibt es bei der Frühmeſſe im Frauenmünſter 
zu Rouen als Altartucd zum Opfer 519. Das proſaiſche Volksbuch 
läßt den Herzog, bevor er zu Hellequin felbit kommt, drei ſchwarze 
vollſtändig gewappnete Ritter, die im Walde jagen, mit dem Schwerte 
befämpfen ‚-über Hellequin aber wird die Auskunft gegeben, ex fei ein 
Ritter großen Gefchlechtö geweien, der in einen Kriege Karl Martells 
gegen die Earacenen al fein Gut verzehrt und felbit ein ſchöned Schloß 
in der Normandie zu dieſem Behuf verfauft habe, fo daß er nach 
beendigtem Kriege das Volt zu berauben anfıeng, weshalb Jedermann 
über ihn und- die Eeinigen Rache fchrie; koch fei er nad feinem Tode 
als eifriger Etreiter gegen bie Ungläubigen nicht verdammt, fondern 
nur zur Buße verurtheilt worden, jede Nacht mit Denen feines Stammes 


per Ch. Nodier KAVIH f. Der neme Abdruck, welcher bort S. Bi ff. ge 
geben ift, hat eben die Erzählung von der mesnie d’Helleyuin nur unvolſſtändig, 
im Folgenden ift daher ein zu Troyes im Anfang diejes Jahrhunderts gebrudtes 
Eremplar des Volkabnchs benützt. 

518 Auf demſelben Blatte wechſeln , Hanequin“ und „Helequin“. 


519 Le Romant de Richart u. ſ. w A II bis BI. Bergl. Schriften 7, 
©. 664. 666. $.] 


184 


die Orte zu durchſtreifen, wo fie Böfes verübt hatten 590. Wieder an⸗ 
ders bargeftellt ift dieſes Waldabenteuer in der 1487 zu Rouen ge 
brudten profaifchen Chronik der Normandie: von feinem Schloſſe Mou- 
lineaur an ber Seine reitet der Herzog einmal nad dem Abendeſſen in 
den Wald, wo er unb-feine Begleiter ein furchtbares Geibs, das bon 
einer großen Menge verfammelter Leute zu kommen fcheint, berannahen 
hören; ein auf Kundſchaft gefchidter Anappe des Herzogs fieht unter 
einem Baum einen König mit großem Gefolge; man nennt bie ın 
gemeiner Sprache die Genoſſenſchaft Hennequins (la mesgnie Henne- 
quin), aber es ift bie Karla des Fünften (la mesgnie Charles-Quint), 
der ehmals König von Frankreich war; fortan kommt diefe Erjcheinung 
dreimal wöchentlich in den Wald von Moulineaur nahe beim Schlofie. 
Richard Tept fih mit einer Schaar feiner vertrauteften und Tühnften 
Nitter in Berfted neben dem Baume, darunter der König und fein 
Gefolge zu verweilen pflegen. Abends, in ber Stunde zwiſchen Hund 
und Wolf (comme & heure d’entre chien et leut, & l’avesprant), 
hören fie den großen Lärm und feben, tie zwei Männer ein mehrfar: 
biges Tuch auf der Erde ausbreiten und dann der König ſich unter 
dem großen Baum auf feinen Sit nieverläßt, feine Leute aber ibn als 
Herrfcher begrüßen und bebienen; Richards Ritter fliehen enifeht und 
lafien ihn allein, er aber fpringt mit beiden Füßen auf das Tuch und 
beſchwört den König bei Gott, zu jagen, mer er ſei, was er bier im 
Sande fuche und mas für Leute mit ihm feien; ber König nennt fi 
als den bingefchiedenen Karl den Yünften von Frankreich, der feine 
Sünden büße, mit ihm feien die Seelen feiner Ritter und anbter 
Diener in gleicher Buße, zu biefem Zwecke ziehen fie aus, bie ver⸗ 
dammten Seelen unglaubiger Saracenen zu belämpfen, und nachdem 
fie die ganze Nacht durch geftritten, werben fie um Tagesanbruch zu⸗ 
rücklehren. Der Herzog verlangt, ald Kampfgenoſſe mit ihnen audzw 
fahren, worauf der König ihn ermahnt, was er auch ſehen möge, das 
Tuch, auf dem ex fich befinde, feſtzuhalten. Mit großem Sturmgetöfe 
(faisans grant noise et tempeste) fahren fie hin; um Mitternacht 
hört Richard eine Glode wie von eimer Abtei erflingen und ber König 


820 Nouv. bibl, blene 55 bis 57° L’Histoire de Richard Sans-Peur, duo 
de Normandie u. f. w. & Troyes, ©. 4 bis 7, 


185 


fagt ihm auf Befragen, es fei das Mettenläuten in der Kirche ber h. 
Katharina vom Berge Sinai. Der Herzog, ftetd gewohnt zur Kirche 
zu gehen, will bier Mette hören. Mit nochmaliger Warnung, immer 
auf dem feftgebaltenen Tude zu bleiben, entläßt ihn ber König, er 
fol für fie beten, auf dem Rückweg werben fie ihn abholen. Nachdem 
Richard fein Gebet in der Kirche verrichtet und fich dort umgefehen, trifft 
er einen ibm verwandten Ritter, der ſeit fieben Jahren Gefangener 
der Saracenen ift und unter die Bürgfchaft eines Geiftlichen der Kirche 
zu deſſen Dienfte geftellt ift; biefer Ritter erfährt nun, daß feine Frau 
verlobt fei und innerhalb Dreier Tage heirathen werde, jeboch übernimmt 
es der Herzog, ihr bis dahin das Wahrzeichen vom Leben ihres Ge: 
mahls, die Hälfte des beim Abfchieb in zwei Stüde getheilten Ehe⸗ 
rings, zu überbringen und fi) um bie Befreiung bes Gefangenen zu 
bemühen: die Mette ift beendigt und fchon hört Richard den König 
und feine Scaar beranlommen, fie find erftaunlich abgearbeitet, ge: 
ſchlagen und verwundet, er aber ergreift feinen QTuchzipfel, fpringt zu 
ihnen und fie fegeln wie Sturm und Gewitter von bannen (s’en vin- 
drent singlant comme vent et tempeste); gegen Morgen fehläft er 
vor Ermübung ein und beim Erwachen findet er ſich ganz allein im 
Walde von Moulineaur unter dem Baume, ivo er zuerft den König 
und fein Gefinde getroffen, ein Theil feiner entflohenen Ritter ift noch 
im Walde verkrochen; der Frau bes todtgeglaubten Ritters bringt er 
rechtzeitig das Wahrzeichen und löſt ihren Gemahl gegen einen gefan- 
aenen Saracenenfürften aus; um die Buße der Seelen König Karls 
und ber Seinigen zu erleichtern, bedenkt er reichlich bie heilige Kirche 
und läßt für fie feierlichen Gottesdienſt abhalten 521. Abgeſehen von 
der unftattbaften Deutung bed „in gemeiner Sprache (en commun 
langaige)“ üblichen Hellequin, Herlequin, durch Charles⸗Quint, ift 
bier die alte Volksſage in frembe Gebiete Hinübergefpielt und doch 
nimmt fie auch fo noch von normanniſchem Boden ihren Ausgang und 
kehrt ebendabin zurüd. Auch in andern Theilen Frankreichs war fie 
belannt, wenngleich nirgends fo eingetvohnt und entfaltet, wie in ber 


21 Ans Les Croniques de Normendie u. |. w. Rouen 1487, Fol., chap. 
57 if die Erzählung abgebrudt in Chronique des ducs de Normandie par 
Benoit, publ. par Fr. Michel 2, 336 bis 841 und in Theätre frang, au moyen- 
ice u. ni w. 78 bis 16. 


186 


Normandie. Wilhelm aus Auvergne, Erzbiſchof von Paris, geft. 1249, 
Ipricht von nächtlichen Reitern, die in frangöfifcher Volksſprache „Helle: 
quin“, in Spanischer „das alte Heer” genannt werben, läßt aber unent- 
ſchieden, ob es böfe Geiſter ſeien 522. Vincenz von Beauvais, geft. 
1264, pergleicht Virgils Darſtellung der Heroen, die in der Unterwelt 
die Übungen ihres vorigen Lebens, bie Luft an Waffen und Roſſen 
fortpflegen, mit dem ritterlihen Aufzug der Genoſſenſchaft (familie) 
Hellequind nad der Behauptung des Volle und erzählt ſodann nad) 
mündlichen Mittheilungen von einem Chorgeiftlichen zu Orleans, ber 
an feinen, nad beichivorener Abrebe aus dem Grabe wiederkehrenden 
Haugmeifter die Frage richtete, ob derſelbe in Hellequins Heer geiviefen 
fei, und die Anımort erhielt, dieſes Heer wandle neuerlich nicht mehr, 
weil’ e8 feine Buße vollbradht habe 523, wodurch gemiflermaßen die 


2 Guill. Paris. in tract. de universo, part, 2, 3, cap. 12: „De equitibus 
vero nocturnis, qui vulgari Gallicano Hellequin et vulgari Hispanico 
exercitus antiquus vocantur, nondum tibi satiefeci, quia nondum decla- 
rare intendo. qui sint, nec tamen certum est, €03 malignos spiritus esse.” 
(Du Gange, herausg. von Henfchel 3, 642.) „Nec te removeat aut conturbet 
ullatenus vulgaris.illa Hispanorum noninatio, (ua malignos spiritus, qui 
in armis ludere ac pugnare videri consueverunt, exercitum antiquum 
nominant! magis enim anilis et delirantium vetularum nominatio est, 
quam veritalis.“ Alfonsi de Spina fortalitium fidei, 1458, ed. 1494: 
„Quarta differentia est aliquorum desmonum, qui vigilantibus per vias 
apparent, quasi exercitus magni, qui cum magnis tumultibus incedere 
videntur et vulgo dicitur huesta antigua. Aliguando etiam videntur javere 
preliae magna.“ Vergl. D. Myth. 843. * 

523 Bincent. Xelloyac. speculum historiale, pare 3 (ed..1474), lib 29, 
cap. 117: „Eodem loco accipienda est Virgilii auctoritas de heroibus, 
-quos apud inferos relegavit, quos dicit noscere solem summ et sun sidera, 
qui eliam res leviores, quas vivi exercuerent, eos post mortem exerosrt 
tesiatur Jdicens: Qu gratia curruum armorumque fuit, quæ cura niientes 
paxcere eyuos, endem sequitur tellure repostos. Hæc autem opinionis 
falsitas vel opinio fulsitatie inde, nisi fallor, sumpsit initium, quod animz 
defunctorum peccatorum sunrum penas Juentes multis apparere solent in eo 
habitu, in quo prius vixerant, id est rustiei in rusticeno, milites in mili- 
tari, sicut vulgus nsserere solet de "familia Helliquini, de qua Henricus, 
aurolianensis episcopus, nostri belvacensis episcopi [raler, referre solebet rem 
valde mirabilem, quam ipse audierat ab illo, qui viderat, scilicet Iohanne, 
aurelianensis ecelesise canonico. Dicebat enim lohannes iste, loquens de hec 
re ad prefatunm episcopum. Excmplum de familia Helliqujni. Capitulum 


187 


Auffaffung der normannischen Chronik ergänzt wird. Dem Feenweſen 
vermoben ift Sellequm in einem Epiele bed Adam de la Halle zu 
Arras, um 1263: man glaubt feine Genofjenfchaft vor den erwarteten 
drei Feen ber mit Ilingenden Glöcklein fich nähern zu hören, es erfcheint 
aber nur fein Bote, der für ihn um die Fee Morgue wirbt; Helle: 
quin wird bier ala König, als der gröfte Fürft im Feenreiche bes 
zeichnet und Morgue läßt fi nad längerer Weigerung erbitten, ibm 
Freundliches melden zu Iaflen 32. Im Roman von Fauvel, 1314, feiert 


exviij u. |. w. Sed obsecro, ut mihi dicatis, si vos estis deputatus in illa 
railitia, quam dicunt Helliquini. Et ille: Non, domine! Illa militia jam non 
vadit, sed nuper ire desiit, quia penitentiam suam peregit. Corrupte uuiem 
dietus est a vulgo Helliquinus pro Karloquintns. Fuit enim Karolus quintus, 
qui peccatorum suorum longam egit penitentiam et nuper tandem per inter- 
cessionem beuti Dionysii liberatus est.“ (Letzteres kann nur ein viel Ipäterer 
Zuſatz fein, da Karl der Fimfle, zu dem allerdings der h. Dienyfius als 
Schutzherr der Könige von Frankreich gehört, erft 1380 geftorben iſt. Es trifft 
fi) eigen, daß eben biefem filnften Karl ber feinen Lebzeiten ein 1871 bis 1375 
verfaßtes Buch gewidmet iſt, in welchem bereitS der mesgnee Hellequin mit ifrem 
berfömmlien Namen gedacht ift, Radulf. de Presles Raoul de Praelles] ad lib. 
15, cap. 23 de civit. dei: „La mergne&e de Hellequin, de dame Habonde et des 
esperis qu’ils appellent' Fées, qui apperent &s estables et &s arbres“ u. |. w. 
Du Gange, hg. von Henſchel 3, 642, ebend. 7, 418: „Radulphus de Praellis, 
Magister hospitii Caroli V, reg. Franc.“ Bergl. P. Paris, les manuser. frang. 
1, 19 fi. Ein Miniaturbild der Pergamenthandichriften zeigt den Verfaffer, 
wie er fnieend dem Könige das Buch überreicht, ebend. 24.29.) In der weiter 
folgenden Erzählung eines Kämmerers des Erzbiſchofs von Rheims, ebd. C. 119, 
heißt es: „dominus meus archıepiscopus mittebnt me Attrebatäm (Arras). 
Dum autem circa meridiem apud quoddam nemus appropinquassemus, 
ego et famulus meus, qui me priecedebat celeriter equitans, ut mihi pararet 
kosritiam, aundivit ille tumultum magnum in nemore quasi maltiplices 
equoram fremitus, armorum sonilns et velut voces multitudinis impetu 
proruentie in bellum u f. w. Nemus enim istad defunctoram animabus et 
demonibus plenum est n. f. w. Cum ergo processissem et ad nemus perve- 
nissem, jam umbre processerant et tamen voces quasdam Confusas audivi 
et fragores armorum et equorum fremilus, sed nec umbras videre, nee 
voces intelligere potui“ u. |. w. Bergl. Aneis 6, 686 fi. Thom. Gontiprat. 
T 1268, Delrio 3.9 a, ob. Hilſcher, exerc. fur. 8 8, 
9=M The&tre frangais au moyen äge 73 ff.: 
Guillos, 
J’oi le maisnie Hielekin | 
noien ensiant, qui vient devant 





188 


diefer allegoriiche Vertreter des fchnöben Welilebens 523 feine Hochzeit 
mit Frau Eitelrubm (Veine-gloire) zu Paris und babei wird in 


S. 16 f. 


S. 79 f. 


et mainte clokete sonnant; 
si croi bien que sofent chi pres. 
La grosse feme». 
Venront donc les fées apr&s? 
Guilloe. 
Si m’alt diex, je croi o'oil. 
Rainneles à Adan. 
Aimi! sire, il a peril; 
je vauroie ore estre-en maison. 
Adans. 
Tais-te! il ni a fors que raison: 
che sont beies dames parées. 
Rainneles, 
En non dieu, sire, aios son les föes u. f. w. 
Rikece. 
Al cui ieg-tu, di, barbustim? 
Crokesos, 
Qui? jou? 
Rikece, 
Voire, 
Crokesos. 
Au roy Hellekin, 
qui chi m’a transmis.en meeage 
& me dame Morgue le sage, 
que me sire aime par amour it. f. w. 
Morgue. 


„A! bien viegnes-tu, Croquesot! 


que fait tes sires Hellequine? u. f. w. 
Morgue. 
Croquesöt! 
Crokesos. 
Dame? 
Morgue. 

So ı as lettre 
ne rien de ton seigneur & dire, 
si vien avant! 

Crokesos. 

Diex le vous mire! 
ausser aroie-je grant hasle: 
tenes! 


189° 


der Brautnadht ein Charivari veranftaliet; vermummte, mit Schellen 
bebängte Leute verführen unerhörten Lärm und Unfug, fingen das 
Teufelslied und laſſen auch ben Hellequin aufziehen, einen brüllenden 
Rieſen auf hohem, dürrem Mepper. vie Andern, die ihm tobend folgen, 
feine Genoſſenſchaft (sa mesnie), mit ıhnen aber auch weibliche Helle 
quinen, fchön geſchmückt und ein Mailied fingend, fo daß wohl aud 
hier Feen gemeint find 526. Geifterhafte Weſen verſchiedener Art waren 


Morgue. 
Par foil c'est paine waste: 
il me requierf chaiens d’amours; 
mais j’ai mon cuer tourne aillours: 
di-lui que mal se paine emploie! 
Crokesos. 
Aimi! deme, je n’oseroie: 
il me geteroit en le mer.. 
nepourgnant ne poés amer, Ä 
dame, uul plus vaillant de lui u, f. w. 
(&. 814, ob. Hellequin ſcheint eiferfüchtig felbft zum Stechen gefommen zu fein.) 
S. 81 f. Morgue. 
De le main dieu 
sole- jou sainnie et benite! 
mout me tieng ore pour despite, 
quant nensoie & fe) cacoignenr, 
et je laissoie le gringneur 
prinche qui soit eu faerie u, ſ. w. 
Croquesoti 
Crokesos. 
Madanıe | 
Morgue. 
Amistes 
porte ton segnieur de par mil 
Crokesos. 
Madame, je vous en merchi 
de par men grant 'segnieur le roy. 

85 9. Boris, Les manuscrits frangois 1, &. 306: „Fanvel represente. 
les vanites du monde.“ 

mi Les mauuscrits frangois de la-bibliothdque du roi u, . w. par M. 
Paulin Paris. 1. Paris, 1886, ©. 304: „Ne. 6812. Melange de po6sies. — 
1° Complainte d’amour. —2° Roman de Fauvel, par Francois de Rues 
et Chaillou de Pestain. — 3° Po&mes divers de Godefroi de Paris u. |. w. 
Un volume in-folio magno, v6lin, trois colonnes, ministures et initialeg; 


190 


zu Masten pofienhafter Aufzüge geworden und in folder Verzerrung 
kann es -Tprichmörtlich genommen fein, menn ein Straflied des 14ten 


premitre partie da XlVe siöcle u. |. w. Anc. n*®, 267.“ &. 321: „Enän 
le festin et les danses se terminent, le vin du coucher est servi, chacun 
se retire, Fauvel se rend dans la chambre nuptiale. Mais & peine #tolt 
il coueh6 qu’un’ bruyt effrayant se feit entendre: 
Onques mös tel chalivali 
Ne fu fait de ribaus de fours, 
Com Ten fait par les quarefoura.... 
Desguists sont de grant manibdre: 
Li uns ont ce devant deriere 
Vestus et mis leurs garnemens; 
Li autre ont fait leur paremens 
De gros sas et de fros & moin; 
L’en en cougneast un & poines, 
Tant estoient tains et deſais. 
1 n’entendoient qu’& meſſais; 
Li uns avolt mis grant poele, 
L’un le havet, le greil et le 
Pesteil, et l’autre un. get de cuivre, 
Et tuit contrefaisoient l'ivre; 
L’autre an baoin ei sus feroient 
Si fors que tresiont estonnoient; 
Li uns avoit tantins à vaches, 
Cousus sus cuisses ei sus naches, 
Et au dessus grosses sonnetes 
Au sonner et hochier claretes; 
- Li autre tabours et cimbales, 
Et grans estrumens ors et sales, 
® Er eliquettes et maoegnotes ... .. 
(„Ci s’ensuivent sotes changons que ceus qui font le clalivali chantent 
parmi les rues, et puis après trouvera-on le lai des Hellequines.“) &. 322: 
Les chansons des acteurs da Charivali ou Charivari sont des exira- 
vagances houffonnes et möne impies; mais je dois un peu m’arröter sur 
les Hellequines ou la Mesnie Hellequin.“ u. ſ. w. S. 824: „Voici commens 
notre poßte decrit.cette Mernie: 
.... puis faisoient une crierie, 
Onques tele ne fut oie: 
Li uns montret son cul au vent, 
Li autre rompet un auvent; 
L’un cassoit fenestree et huis, 
L’autre getoit le sel ou puie- 


191 


Jahrh. von unheilftiftenden Advokaten fagt, fie fein die Sippicaft 
Hellelins und zaufen fich wie bie Kettenhunde 52°. Eelbit im bildlichen 
Gebrauche zeigt fich gleichwohl noch weit fpäter das Weſen bes alten 
Volksglaubens bei dem Theologen Jean Raulin aus Toul, geft. 1514, 
der nicht die alte Sippfchaft Hellequins zurüdrufen und als ein Tobter 
in den Nebeln und Finfternifien des Weltlebens zu reiten fcheinen will 528, 


L’un getoit le bren au visage, 
Trop estoient l&s et sauraiges; 

S. 825: Es tetes orent ba: bodres, 

Avoee eus portoient deus biöres, 

On il avoit gent trop avable (?) 
Pour chanter la chansom au diable; 
1l i avoit an grant jeiant 

Qni aloit trop forment braient. 
Vestu ert de bon broisseguin; 

Je eroi que c’estoit Helleqwin, 

Et tuit li autre, sa mesnie, 

Qui le snivent toute enragie. 

Mont&s est sus un roncin haut 

Si tres gras que, per saint Qninaut, 
l’en li peut les costes compter..... 
Avec eus avoit Hellequines 

Qui avoient cointises fines 

Et se deduisoient en ce 

Lay chanter qui si’ oe commence: 

En ce dous temps d’este 

Tout droit on mols de may“ n. f. w. 

27 Nouveau recneil de eontes, dits, fablianx u. |. w. par A. Jubinal 1. 
Paris 1839. S. 288: „C'est li Mariages des Filles au Diable. Me. 248, 
Bappi. franc.* Darin ©. 284 f.: 

„C'est ia mesnie Hellekin; 

li s’entrepoilent com mastin.“ 
In Chronigne des ducs de Normandie par Benoit u. ſ. w. 2, 887 ift die Stelle 
aus Me. de la bibl. de l’Arsenal, belles-lettr. frang.. in Fol. Nr. 175 gegeben: 

„C'est la maisnie Hellequin; 

ll s’entrepoilent eom mastin.“ 
(Die Strophe if diejelbe, wie fie auch von Godefroi de Paris in einem Gedichte 
vom Jahr 1814, das fich in derſelben Handſchrift mit dem Roman de Fauvel 
kefindet, gebraucht wird, Manuser, fr. 1, 832 f.) 

28 ®. Paris, Manuser. fr. 1, 324: „Numqusd me velis," 6crivoit Jean 
Raulin, mort en 1514, „antiquam illam familiam Harlequini revocare, ut 


192 


Bis in die neuefte Zeit bat fi da und dort im nörblichen Yranl- 
veih das Gedächtnis Hellequins, wenn auch verbunlelt, forterhalten; 
wie in ber Normandie noch feine Jagd fchweift 529, jo ift in ber 
Gegend von Rheims fein Name ein abenblicher Kinderichred und eine 
Bezeichnung der Irrlichter 59%, in Welſchlothringen aber, wo auch ber 


videatur moriuus inter mundane cariw nebulas et caligines equitare?* 
(Über 3. Raulin |. Basl. Ler. Suppl. 2, 761.) 

529 Amelie Bosquet, la Normandie romanesque u: |. w. Paris 1845, 
©. 68. 70. U. de Nore, coutumes, mytles et tradit. des provinces de 
France, Paris und Lyon 1846, &. 267 f. 

50 P. Baris 1. c. 824: „Dans mon pays (l’ancien R&mois) les petits 
enfants s’effraient mutuellement, à l’approche de la nuit, en criant & 
tue-töte: Arlequin sur nos talons! comme si la Mesnie Hellequin les pour- 
suivoit encore. On y donne aussi la nom d’Arleguins aux feu-follets, 
enfantes par les exhalsisons de la terre, dans les derniers jours de l'au- 
tomne, Ces Arlequine, disent les meres avec affectation, s’attachent aux 
pas des enfants; ils offrent une lumiöre trompense en sautillant devant 
eux & quelque distance, jusqu’& ce qu'ila aient conduit la pauvre victime 
dans un marais ou dans un pr£cipice,* Vorher, ©. 322: „On donnoit ce 
nom (Mesnie Hellequin) à des espöces de fenx-follets ou genies plutöt 
malfaisants que favorables, ef: plutöt mognenrs que malfaisants; ils 
apparoissoient dans les temps d’orage, jetant des cris sourds et for- 
mant un concert infernal. C’&toit des föes, des ombres de heros, des 
ames en peine; c’&:oit tout ce que l’imaginstion pouvoit s’aviser d’aper- 
oewoir. l’origine de la tradition de la Mesnie Hellequin se perd 
dans l’obscurit6 des temps. On l'entendoit surtout bruire dana les en- 
virons de la ville d’Arles et pres de ce fameux oimetitre d’Eliscamps, 
que nos Chansons de gestes c&löbrent sous le nom d’Aleschans, et que 
nous ne citons plas aujourd’hui (sous celai de Champs-Klisses), qu’en 
consid6ration des tombes romaines que l'on y trouve encore. Ü’&oit 
ponrtant en Aleschans que le brave Guillaume aa court né avoit été forcs 
de fuir devant les Surrasins; c’&toit JA que son frère Vivien avoit perdu 
la vie, afin d’accomplir ie serment t&meraire qu’il avoit fait de ne jamais 
reeuler d’un pas devant lea paiens; c’&toit l& que reposoient la plupart 
des heros tués avec les douze pairs & la bataille de Ronceveaux. Pius 
tard, l’esprit des habitans de la contr&e, rempli du souvenir des Chan- 
sons de geste, croyoit souvent distinguer, au milieu des &clairs, les grandes 
figures d’Ogier-le-Danois et de Vivien, trainant derriere elles une foule 
d’autres ombres moins illusires; coınme on le pense bien, les chevaux 
noirs ne leur manguoient pas non plus que les sanglots, les eris, les 
€clats de rire; or c'est l& pr6cisement ce qu’on appeloit la Mesnie Hellequin.* 
Diefe an fi merkwürdige Nachricht wird nicht fo zu nehmen fein, baß zu Arles, 


18 


Name eines Hofes, le Pr&-Hellequin, den alten Mannsnamen be 
wabrt, wird unter Mouhihennequin (Entfiellung von meisnie Helle- 
quin) eine nächtliche Mufit in der Luft verfianden; wer fi) von den 
geipenftifchen Spielleuten bemerlen läßt, den reißen fie in Etüde 31. 

Daß Hellequin von der franzöfifchen Norblüfte aus, im Gefolge 
der normannifchen Eroberung, nach England binübergezogen, beweiſt 
fhon. die romanische, wenn aud mehrfach verborbene Form des Na- 
mens und ber gleiche Ausdruck für die Genoſſenſchaft (meyne) jenſeits 
der Meerenge. Dazwiſchen aber zeigen ſich Spuren, monad auch den 
Angelfachien diefe Vorftelung nicht fremb war. Die Sachſenchronik 
verzeichnet zum Jahr 1127, wie beim unbeilbringenden Eintritt eines 
neuen Abted zu Burd (Peterborough) in den Wäldern ſchwarze, große 
und bäßliche Jäger gejeben wurden, die, mit fchwarzen, großäugigen 
Hunden, auf gleichfalls ſchwarzen Rofien und Böden einherritten; bie 
Mönche hörten in der Nacht den Schall der Hörner und glaubmwürbige 


fo weit im Stiden, ber Name Mesnie Hellequin gebraudyt worben jei, ſondern 
nur fo, daß ein ähnlicher Bollsglaube auch dort befanden habe. 

%ı Richard, Traditions populaires u. f. w. de l’ancienne Lorraine, 
Remiremont 1848, S. 220: „Mouhibenneqguin. C'est, suivant les habi- 
tants de la campagne, une troupe de musiciens qu’on entend quelquefois 
dans les airs pendant les freiches nuits de lPété, et qui d&chirent impi- 
toyablement les personnes assez malheurenses pour en ätre apergues" 
u.f.w. ©. 221: „De nos jours, si nons interrogeons les habitants de 
Rochesson et de queiques communes volisines sur cette symphonie sur- 
naturelle, appelde pendant le moyen-&ge chasse saint Hubert, chasse 
saint Eustache, chasse Rigout, haute chasse, chasse fantastique, ils nous 
diront sans hesiter et sous l’empire de leurs croyances religieuses, que 
ces bruits ne sont autre chose que des cris de pauvres enfants döckdes 
sans avoir recgu le baptöme. A Ventron on donne encore & cette preten- 
due musique sauvage le nom de la remoliere, sans doute parce que la 
r&anion des divers sons dont se composait cette musique, avait quelgue 
ressemblance avec ceux que produit la rou® d'un remouleur quand il 
aiguise des instruments tranchants. Une ferme de la commune de Chatas, 
eanton de Senones, est encore appel&e le Pr&-Hellegain, nom qui lui vient 
peut-&tre de la suppression du mot Mesgnie daus ceax de Mesgnie-Henne- 
quin et Mesnie-Hellequin, dont nous avons fait celui de Mouhihennequin“ 
u. ſ. w. (Chasse Rigout j&eint fi auf den lothringiſchen Helden Rigaut zu 
beziehen, vergl. Mort de Garin ©. 60: la mesnise Bigaut, über jenen Tod 
Mone, Unter. 250 ob.) 

Npland, Säriften. VIEL | 13 


194 


Beobachter fagten aus, es feien zwanzig biß breißig Hornbläfer geweſen: 
über die ganze Fastenzeit bis Dftern gieng es fo fort; dieß bes Abtes 
Eingang, über jeinen Ausgang Tönne noch nichts gejagt werben, Gott 
möge fürfehen 5%. Da der mönchiſche Bericht, welcher fich durch bie 
Schlußworte als gleidygeitig befunbet, der gefpenftiichen Erſcheinung 
feinen Namen gibt oder geben wollte, fo bleibt Hellequins Anrecht 


582 Chronicon Saxonicum u. |. w. op. E. Gibson, Oxon. 1692, ©. 232 
[Two of the Saxon chronicles, ed. by J. Earle. Orford 1865. &. 356. 5.) 
(an. 1127): „Ne Pince man na sellice p we sod seggen for hit wes fal 
cud ofer eall land .b swa radlice swa he ber com I ws bes sunnen- 
deies P man singad Exurge quare 0 D. Pa son pær eft’ ba swgon 
and herdon felg men feole huntes bunten. Da huntes weron swarte and 
micele and ladlice. and here hundes ealle swarte and bradegede and 
ledlice. and hi ridone on swerte hors and on swarte bucces. bis wes 
segon on pe selue der-fald in pa tune on Burch and on ealle ba wudes 
da weron fram pa selus tune to Stanforde. and ba muneces herdon da 
horn blawen hi blewen on nihtes. Sodfeste men heom kepten on nihtes. 
seidon bes be heom Pahte b Peer mihte wel ben abuton twenti oder pritti 
horn-blaweres. his wees segon and lıerd fram P he pider com eall P lented 
tid on an to Eastren. Dis was hia in-gang. of his ut-gang ne cunne we 
iett noht seggon. God scawe fore.“ (Hoc modo infeliciter ei [Henrico 
de Peitowe nomine] Abbatie donata, inter Christi festum et Candelarum 
festam, spud Lundene, atque inde ivit cum Rege ad Wincester indeque 
ad Burch, ubi vitam egit tanquam fucus in alveari. Bicut quicquid im- 
portatur devorat fucus et exportat, ita etiam ille quieguid’oonsequi potait 
sive intra sive extra, sive a Ciericis give a Laicis, trane mare misit, nec 
quicquam boni ibi fecit, aut quieguam boni ibi dereliquit. Non quisquam 
arbitretur, nos verum non dicere! fuit enim probe cognitum per totam 
gentem, quod postquam is eo pervenisset, scilicet die Dominica, in qua 
cantatur „Exurge quare o d.“, statim visi sunt et auditi complures 
homines venantes, Venatores erant nigri et magni et deformes et eorum 
canes nigri et oculos lati et immanes; equitabant eliam in nigris eguis 
et nigris cervis. Hoc fuit visum in eo ipso ferarum saltu, in oppido de 
Burch et in omnibus sylvis, que erant inter illud oppidum et Stan- 
ford, et Monachi audierunt sonitum cornuum, qua inflarunt illi noctu. 
Viri ide digni, qui eos observabant noctu, dicebant, arbitrari se, non pau- 
ciores faisse quam vigiuti aut triginte, qui cornna sonuerunt. Hoc visum 
fait et auditum a quo tempore is eo venit per totam Quadragesimam 
usque ad Pascha, Hujusmodi erat illius accessus; de discessu ejus nihll 
adhue dicere possumus. Deus previdet.) Über die Sachſenchron. |. TE. 
Wright, essay 63. Ettmüller, anglos. poöt. XX f. 


195 


bier zweifelhaft. Dagegen wird in ber Lebensbeſchreibung des 1170 
ermordeten Erzbiſchofs Thomas von Canterbury die familia Helliquini 
ausbrüdlich genannt 53. Walter Mapes, an der Grenze von Wales 
geboren, erzählt in einem an Bollsfagen reichen Buche, das aus den 
achtziger Jahren des 12ten Jahrh. ftammt, zuerft von einem Könige 
der älteften Briten, Herla, welcher mit dem des Zwergvolls im Bunde 
der Gaftfreundichaft ftand; mie dieſer zu Herla® Hochzeit mit einer 
Tochter des Yranlenlönigs gelommen war und babei feine koſtbar ges 
Heiveten Zwerge in kunftreihen Gefchirren von lauter Gold und Edel; 
geſteine reichlich hatte auftragen laſſen, fo begab ſich Herla das Jahr 
nachher zur Bermählungsfeier des Zwergkönigs in die Höhle eines hoben 
Felfen, die von Lampenſchimmer herrlich erleuchtet war; beſchenkt mit 
Rofien, Hunden, Habichten und Allem, was zu Waidwerk und Vogel⸗ 
jagd vorzüglich dient, zog er wieder ab und beim Abfchieb gab ihn ber 
Zwerg einen Heinen Braden mit der Weifung, daß Niemand vom 
ganzen Gefolg abfteigen folle, bi dieſer Hund von feinem Träger 
vorfpringe; an das Sonnenlicht gefommen, fragt Herla einen alten 
Hirten um Nachricht von der Königin, der Hirte jeboch verftcht kaum 
die Sprache des Fragenden, da Diefer ein Brite, Jener ein Sachſe 
it, die ihm genannte Königin fol die Gemahlin des Britenlönigs 
Herla geweſen fein, der nach der Sage mit dem Zwerge beim Felſen 
bier verſchwunden, ſchon zweihundert Sabre lang haben die Sachſen 
nach Vertreibung der alten Bewohner dieſes Land inne, worüber der 
König, der nur drei Tage verweilt zu baben glaubt, fi faum vor 
Staunen auf dem Pferbe hält; einige feiner Gefährten, die der Wars 
nung bed Zwerges unerachtet abgeftiegen, werben alsbald in Staub 
aufgelöft, weshalb er ftreng verbietet, vor dem Serabfpringen bes 
Draden die Erde zu berühren, der Hund ift aber noch nicht berabges 
lommen und es geht eine Sage, daß jener König Herla in enblofem 
Wandel mit feinem Heer unfinnige Umzüge ohne Raft und Ruhe 
halte. Biele glauben, dieſes Heer häufig geſehen zu haben, zulekt aber, 
fagen fie, im Jahre der Krönung des dermaligen Königs Heinrich habe 
basjelbe aufgehört, das Reich herkömmlich wie zuvor zu bejuchen; dazu⸗ 


3 Minstrelsy of the seott. border, 2 Band, 5 Ausg. Edinburg 1812, 
©. 129. 


196 


mal ſahen viele Wallifer e8 an ber Wye, einem Fluß in Hereford, 
unterfinten 594 Etwas verfchieden berichtet Walter Mapes in einem 
fpäteren Abſchnitt, nachtichmeifende Schaaten, nach Herlething benannt, 
feien in England gemeinkundig bis zu König Heinrichs II Zeiten er 
ſchienen, ein Heer enblofen Irrſals, unfinnigen Umzugs und flarren 
Schweigens, in dem Viele lebend fich gezeigt, bie man geftorben wuſte; 
dieſe Genoſſenſchaft Herletbings fei zuleßt an ber Grenze zwiſchen 
Wales und Hereforb im erften Regierungsjahre Heinrihs II, um Mit 
tag, in der Weife geliehen worden, ivie man mit Wagen und Säw 
mern, Tragfätteln und Körben, Vögeln und Hunden, unter bem 
Zulauf von Männern und Weibern, umzufahren pflege; die damals 
den Zug zuerft erblidt, haben mit Blafen und Gefchrei die ganze Nach 
barfchaft dagegen aufgerufen und, nad dem Brauche jenes höchſt 
wachſamen Volkes, fei fogleich zahlreiche vollftändig gewaffnete Mann- 
haft besbeigelommen und teil den Leuten bed Zuges mit Worten 
leine Rede abzubringen war, habe man mit Waffen Antwort erzwin: 
gen wollen, biejelben feien aber in die Luft fich erhebend plöglich ver⸗ 
jhwunden und von felbigem Tag an fei biefe Kriegsſchaar nirgends 
mehr ſichtbar geweſen 583, 


584 Gualteri Mapes de nugis curialium distinctiones quinque. Ed. 
by Th. Wright u. f. w. printed for the Camden society 1850, ©. 14 fi. 
Der Schluß der Erzählung lautet S. 17: „Canis autem nondum descendit. 
Una fabula dat, illum Herlam regem errore semper infinito circaitus 
cum exercitu suo tenere vesanos sine quiete vei residentia. Multi fre- 
quenter illum, ut autumant, exercitum viderunt. Ultimo tamen, ut aiunt, 
anno primo coronationis nostri regis Henrici cessavit regnum nostrum 
celebriter ut ante visitare. Tunc autem visus fuit a multis Wallensibus 
immergi juxta Waiam, Herefordie flamen. Quievit autem ab illa hora 
fantasticus ille circuitus, tanquam nobis suos tradiderit errores, ad quie 
tem sibi.“ 

535 Ebend. S. 180: „[In Britannia minori vise sunt pıede nocturne 
militesque ducentes eas cam silentio Bemper transeuntes, ex quibus Bri- 
tones frequenter excusserunt equos et animalie, et eis usi sunt, quidam 
sibi ad mortem, quidam indemniter.] Costus etiam et phalanges nocti- 
vage, quas Herlethingi dicebant, famose satis in Anglia usque ad Henrici 
secundi, domini scilicet nostri, tempora regis comparuerunt, exercitus 
erroris infiniti, ingani circuitus, et attoniti silentii, in quo vivi multi 
apparuerunt, quos decessisse noverant, Hæc hujus Herlethingi visa est 


197 


Herlethingus ift boch wohl ein meiter entftellter Herlekinus, das 
gegen kann bei Herla, obgleich er zu einem Britenfönig gemadt ift, 
doch ein agſ. Halga, Helga zu Grunde liegen, wie aud in ber Nor» 
mandie Helgo und Herlikinus zufammengeben. ſilich die Abtei Burch 
in Nordhampton, mo die nächtlihe Jagd ſich hören und ſehen ließ, 
weftlich die Landſchaft Hereford, mo Herla:Herletbing umgog, fallen in 
bad Gebiet des alten Königreichs Mercia, in welchem ſich die ſueviſch⸗ 
anglifche Offafage angefiebelt hatte, deren Berührungen mit der Helgi- 
fage oben erörtert find; „Offas Graben” (Offen dice, fossa Ofite, 
wallif. claudh Offe) heißt ein dem zweiten Offa zugelchriebener Grenz 
wall, die Mark von Hereforb gegen Wales, mo Herlethings Genoſſen⸗ 
fhaft zulebt gefehen warb, und deſſen ſüdlichen Winkel der Wyeſtrom 
bilbet, in welchem Herla mit feinem Heer unterfanf 536, In den auf- 
guählten Überlieferungen aus Nordfrankreich und England dringt duch 
alle Verdunklung des Namens und Vermifchung ber Eage mit ander 
wärtigen, mit denen von Richard Ohnefurcht, mit Kreuzfabrtivundern, 
Imergmärchen, doch immerfort der alte Grundzug des Helgilieds: 
todte Männer reiten. Es ändert hieran nichts, daß die nächtliche Er- 
Ihemung erft ein Heerzug, dann aber auch eine Ausfahrt zur Jagd 597 


ultimo familie in marchia Walliarum et Herefordie anno primo regni 
Henriei secundi, circa meridiem, eo modo quo nos erramus cum bigis et 
summariis, cum clitellis et panariolis, avibus et canibus, concurrentibus 
viris et mulieribus. Qui tune primi viderunt, tibiis et clamoribus lotam 
in eos vieiniam concitaverunt, et ut illius est mos vigilantissime gentis, 
statim ommibus armis instructi multa manus advenit et quia verbum ab 
eis extorquere non potuerunt verbis, telis adigere responsa parabant. li 
autem elevati sursum in aera subito disparuerunt, Ab illa die nusguam 
visa est illa militia, tanquam nobis insipientibus illi suos tradiderint 
errores, quibus vestes atterimus, regna vastamus, corpora nostra et jumen- 
torum frangimns“ u. |. w. 

% Gnalt. Mapes 1. c. 86: „Rex hic (Offa 758-796) Walenses in 
modicam sus Wallie angulum et que) de nomine regis ejusdem dicitur 
sihuc fossa cinxerat, cujus egressum vel exoessum pede luebent et luge- 
bent amisso.“ Vergl. Camden, Britannia S. 499. Lappenberg, Geſchichte 
von England 1, 225 f. 

7 Den Auszug „eum bigis et summariis, cum clitellis et panariolis, 
aribus et canibus“ (Annierkung 535) erläutert der ähnliche im Nibelungen⸗ 
led 870: 


18 


oder die braufende Jagd felber iſt 3; in Beiden fpiegelt fich die 
Lebensweiſe des wehrhaften Mannes auch nach feinem Tode und dazu 
wurden ihm nicht bloß Waffen und Roſs, fondern auch Jagdhunde 
und Fallen in den Grabhügel oder auf ven Scheiterhbaufen mitge: 
geben 59, Führer ber geifterhaften Schaar ift noch überall gleichfalls 
ein bingefchiebener Held und bie Bezeichnungen milites, familia Helle- 
kini, maisgnie Hellequin, find volltommen gleichartig mit dem alt- 
nordiſchen Ausbrude für den abendlich ausziehenden Helgi und feine 
Zeute: beir Helgi 540. 

Züge der Helgifage auf ſlaviſcher Seite, vom alten Gardareiche 
ber, bietet ein ruffiiches Heldenliet aus dem Gedichtkreiſe von Wladimir 
bem Großen, der um ben Anfang bes 11ten Jahrh. gelebt Hat. Der 
Ruhm diefes Fürften verfammelt an feinem Hofe zu Kie eine Tafel- 
runde ber außgezeichnetfien Kämpfer, deren Thaten je in befondern 
Liedern gejungen find. Ein folder Wladimirsheld, Potok Michailo 
Iwanowitſch, reitet, um für den Tiſch feines Herın Waflernögel zu 
ſchießen, nad) den Buchten des blauen Meeres. Dort erblidt er einen 
weißen, goldgeflügelten Schwan und eben will er auf denſelben ben 
Pfeil abvrüden, als ſich eine Stimme vernehmen läßt: „ſchieß nicht 
mid), den weißen Schwan! zu beftimmter Beit bin ich dir nüglich.” Der 
Schwan tritt heraus auf das fteile Ufer und verwandelt fich in eine 
zarte Jungfrau, Afdotja. Potok ergreift fie bei der weißen Hanb umb 
fügt fie auf den füßen Mund, Sie aber fpricht klagend: „menn bu 
mich heiraten twillft, welches von ung zuerſt flirbt, mit ihm muß das 


Geladen vil der rofie kom vor in über Rin, 
din den jeiigefelen truogen bröt umde win, 
vieifch mit den viſchen unde ander manegen rät, 
den ein tünec ſo ride harte billichen hät. 
58 Damit fällt jedoch der mythiſche Unterſchied zwiſchen Türfengejäg und 
Wuotesheer nicht hinweg, wie fpäter fich ergeben wird, vergl. Sagenforſch. 102. 
5899 Saro 5, 91: „Asvitus morbo consumptus cum cane ac equo ter- 
reno mandatur antro.“ Fornald. S. 3, 878: „Äsmundr l&t verpa haug 
eptir hann (Aran). ok setti hi& bomam hest hans med södli ok bei:.i, 
merki ok öll herkledi, hauk ok hund.“ Sem. 225, 62 (Mund, 128, 64): 
„tveir haukar.“ (Berg. J. Grimm, Über das verbrennen der leihen 48. 
Beuß 568 u.) 
540 Deutiche Grammatik 4, 296, 


199 


andre lebend ins Grab gehn.” Er ſchwingt fich auf fein gutes Roſs 
und heißt fie, wenn auf ber Domlicche zu Kiew die Veiperglode an 
Ihlage, zur Berlobung bereit fein. Als weißer Schwan fliegt fie 
dorthin und Tommt vor dem gefchwinden Reiter an. Die Trauung 
wird vollzogen und dabei die Bedingung des Mitbegrabens beſchworen °*1. 
Eon nad anderthalb Jahren ftirbt die Vermählte und wird in ber 
Borhalle der Domliche in ein tiefes, weites Grab gelegt. Potok 
ftürzt fi mit Roſs und Ruſtung in die Grube binab. Sie wälzen 
eine eichene Dede auf das Grab, verſchütten e3 mit gelbem Sand und 
jegen ein hölgernes Kreuz darauf. Nur Iaflen fie Raum für ein Seil, 
das an die Kirchenglode angebunden ift. Um ven mitbegrabenen Helden 
verfammelt ſich zur Mitternachtftünde alles Gewürm und es kommt 
eine furchtbare, feuerflammende Schlange; beim Schein eines Wachs⸗ 
lichts erichlägt er fie und beſtreicht mit ihrem abgefchnittenen Kopf die 
Leiche, worauf Afdotja vom Tod erwacht. Er zieht das Glodenfeil 
und fie werben mitfammt dem guten Roſſe berausgebolt. Als Potof 
im Alter geitorben, begräbt man ihn auf die vorige Wetfe und ver: 
ſcharrt mit ihni Afootia in die feuchte Erde 342. Hat fi in norman- 
niſcher Überlieferung der Tobtenritt erhalten, fo hier im ruffiichen Liebe 
die Grabgemeinſchaft in eigentbümlich freier Zubilbung. Afbotja als 
Schwan begegnet fi mit Kara, wie auch mit den Schwanjungfrauen 
des Eddaliedes von Wölund, bas den Helgilievern vorangeftellt ift. 
Die nordiſchen, insbeſondre ſchwediſchen Eroberer, die in der letztern 
Hälfte des 9ten Jahrh. zu Nowgorod (Gardar), dann zu Kiew, ein 
Reich gründeten und den Steomfchnellen des Dujeper ſtandinaviſche 
Namen gaben 543, konnten auch Überlieferungen mit fi) bringen, bie 


541 Wie von den Freunden Aswit und Asmund, Anm. 447. 

52 Alte ruſſiſche Dichtungen, gefammelt von Kirſcha Daniloff und zum 
zweiten Mal berausgegeben, mit einer Zugabe von 85 bis jet unbelannten 
Liedern und Erzählungen, und mit Noten zum Geſang. Gebrudt (in ruſſiſcher 
Sprache) zu Mostwa, 1818, 40. Obiger Auszug des Liebes von Potok ift nach 
der mir handſchriftlich mitgetheilten Überfeßung diefer ganzen Sammlung durch 
Herrn Prof. Moriz Rapp gegeben. Der Kofal Kiriha Danilow, der die alt« 
ruſſiſchen Volkslieder geſammelt und bearbeitet, war ein Beitgenofie Peters bes 
Großen, |. P. v. Götze, Stimmen. des ruffifhen Volks in Liedern, Stuttgart 
1838, ©. 54 fi. | 

8 Beuß 656. bis 559. 





200 


in ihrer Heimat fhon im Sten Jahrh. fih zu Helbenliedern, wie fie 
in der ältern Edda vereinigt find, geformt hatten. Wie in Potok bie 
Helgifage, fo ericheint in Dobrünja, einem andern Tafelgenofien 
Wladimirs, der Drachenkampf Sigurds als ruſſiſcher Vollsgeſang. 
Doch find dieſe in der Liederedda anklingenden Sagenſtoffe nicht bie 
einzigen Abdrücke deutſcher Sage im ruſſiſchen Heldenkreis und ſo mag 
dieſelbe wohl noch auf andern Wegen dahin eingedrungen ſein. 
Afdotja ſtirbt vor Potok und zum zweiten Male wird fie ſogleich mit 
ihm begraben, bier konnten alfo die herben Zähren, welche blutig auf 
Helgis eiskalte Bruft fallen, Feine Stätte finden. Der Glaube, daß 
übermäßiges Weinen ber Burüdgebliebenen die Tobten nicht ruhen 
laffe, geht durch die Dichtungen verfchtevener Volker. Im bänifchen 
Liede von Aage und Elfe, dem auch fchwebifche entfprechen, bört ber 
Ritter unter ſchwarzer Erde die Wehllage ber Braut, fteht auf und 
Hopft mit dem Sarg an ihre Thür, fie läßt ihn ein und ſchlichtet 
weinend feine Haare mit dem Golblamm, er jagt ihr, fo oft fie fi 
freue, fei fein Grab innen mit Rofenblättern umbängt, fo oft fie ſich 
gräme, fei der Sarg mit Blut gefüllt; da kräht der ſchwarze Hahn, 
zur Erde müflen die Tobten, es kräht der rothe, des Himmelreichs 
Pforten Öffnen fi, fie folgt dem Tobten auf den Kirchhof, wo er ins 
Grab verſchwindet, den Monatstag darnach liegt auch fie in ſchwarzer 
Erbe 514, Das kommt dem Helgiliede noch nahe: nächtliche Yufams 
menfein, bie blutigen Thränen, der rotbe Hahn, mie jener, der das 
Siegvolk welt. Daß aber die Zurüdgelaflene, glei Sigrun, lebend 
und freiwillig in das Grab geht, dieſen bebeutenden Zug haben nur 
Volkslieder ſlaviſch-deutſcher Grenzgegend bewahrt. Ein wendiſches aus’ 
der Oberlaufig, das auch in Böhmen vorfommt, ift des Inhalts: ber 
Tobte heißt den neuen Schloßberen, feinen Ehenachfolger, deſſen Tritt 
das grüne Gras auf dem Grabe beugt, der jungen Herrin ausrichten, 
daß fie ihm ein andbres Grabhemd nähen möge, in biefem Tünn’ er 
nicht liegen, nicht verweſen; das Gras beugt fich wieder unter dem 


54 Udv. danske Viser u. f. w. 1, 210 fi. Swenska folk-wisor, utg. 
af Geijer och Afzelius 1, 29 ff. 2, 204 fi. Svenska fornsänger u. f. m. 
utg. af Arwidsson 2, 103 fi. Das daniſche Lieb ift in der vorzugsiweiie für 
Eagenftoffe denticher Herkunft gebräuchlichen Bersart abgefaßt. [Bergl. Schrif⸗ 
tm 7, ©. 416 biß 419. H.] 


201 


Fuße der Frau, die ein anbres, neugenäbtes Hemd bringt, das Grab 
iſt geöffnet, der Tobte heißt fie zu ihm herunterſteigen und bie Schlüffel 
davor liegen lafien ; die junge Herrin fteigt ins Grab, bitterlich weinend, 
nicht um das neue Schloß, nicht um den jungen Schloßherrn, nicht 
um die anbern Kinder, nur um den kleinen Liebling, der fo fill in 
der Wiege fchlief, und um fein Schwefterlein, das ihn fo ſchön ge 
wiegt 545, Mit weiteren Umftänden ein beutfches Lieb bes mähriſch⸗ 
fhlefifchen Kuhländchens: ein Herr hütet ſechs graue Roſſe auf einem 
wüften Kirchhof, da ruft aus dem Grabe, deſſen Gräfer er abhütet, 
fein Borwirth (Ehenorgänger) ihm zu, er foll dem jungen Weibe fagen, 
daß fie dem Begrabenen ein trodenes Hemb bringe, das erfte fer ihm 
fo naß geworden, meil fie immerfort meine; als die Frau dieß ner: 
nommen, gebt fie mit ihrem NRoden, an das Grab zu Hopfen: „thu 
dich auf und thu dich, Erdenkloß, und laß mich 'nunter auf feinen 
Shop!” da kräht die Himmelstaube, die Gräber thun ſich alle auf, 
die Schöne fteigt zu ibm hinunter; es Träbt das Höllenhuhn, bie 
Gräber thun fih alle zu, die Schöne muß unten verbleiben 54%. Gier 
iſt ſelbſt noch ſchwache Epur bes alten Tobtenritts, aber die grauen 
Heldenroſſe grafen gemächli auf dem Grabhügel. Immerhin ift es 
ein eigener Zufall, daß dieſe letzten Nachllänge der Helgenfage dem 
boreinftigen Suevenland angehören, der Laufit, wo die Semnonen 
wohnten, und ber großen fueniichen Gebirgsfcheide, wo bieffeits Si⸗ 
grun, die wiebergeborne Swawa, bei den Sewabergen weinend faß 
und jenſeits die Ingifchen Harier geipenftiiche Nachtfahrt hielten 347. 


I Boflslieder der Wenden in der Ober⸗ und Nieber-Laufis u. f. w., 
berausgegeben von Haupt und Schmaler, 1, 92 f. 851 f. Ein flavifches Volks⸗ 
Bed aus Oberfchlefien (deutfch von M. Waldau, im deutfhen Muſeum, heraus⸗ 
gegeben yon Brut und Wolffohn, 1 Jahrgang, Leipzig 1851, S. 136 ff.) 
erzählt, wie die nächtlich vom Todten abgeholte Braut fih auf dem Grabhügel 
mit ihm trauen läßt. 

546 Alte teutſche Bollslieder in der Mundart des Kuhländchens, heraus- 
gegeben von J. G. Meinert 13 f. 481 f. Über diefe ganze Lieder» und Mähren- 
gattung, andy mit Bezug anf Helgi, vergl. W. Wadernagel, zur Erflärung 
und Beurtheilung von Bürgers Lenore, in den Altbentchen Blättern 1, 174 ff. 

SIT Die Sage von Helgi und Swawa if nicht bloß Namenfage, fie if Pie 


202 


IL Wanderung und Nenfiedlung. 
1. Wanderſage. | 


Bon der heilig gehaltenen Geburtsftätte des Suevenvolles. aus ift 
bisher die Eage vesfelben oftwärts, nord: und nordweſtwärts verfolgt 
worden. Wie aber der große Strom der Völkerwanderung jüblih und 
ſüdweſtlich gieng, To haben auch die ſueviſchen Hauptzüge, an benen 
der Volksname haften blieb, beim Aufbruch aus dem alten Heimatfige 
den Weg nad) Süden eingehalten. Was von dieſer Triegerifchen Wanber⸗ 
fahrt, über die Anfievlung im eroberten Lande, bie Einordnung und 
Abgrenzung mit andern flüflig geivorbenen Volkern, ſagenhaft gemeldet 
ift, mie die mitgewanderten Götter, die angeftammten Glaubensvor: 
ftellungen in den neuen Niedeslafjungen zur Erſcheinung kommen, das 
alles bat jebt die Sagentunde genauer zu erörtern. 

Zunädft die Wanberfage. Die fabelhaften Erzählungen von der 
Ausfahrt und den Neifenbenteuern deutfcher Völker find ziveifachen 
Ursprungs, die einen Iönnen nur auf gelebrtem Wege zugerichtet fein, 
die andern ftammen aus volfemäßiger Überlieferung: ba jedoch auch die 
ver lebtern Art nicht in alten Liedern, überhaupt nicht in alter Volls⸗ 
Sprache, aufbewahrt find, fonbern im Latein geiftlicher Aufzeichner, 
fo haben auch fie den Beigeichmad der Schule mehr oder minder an 
genommen. Was und wieviel als echte Volksſage anzuerkennen fei, 
darüber muß jedesmal der innere Beftand des Erzählten entfcheiden. 
Insbeſondre gilt dieß von dem lateinischen Bericht über die Wande— 
zung der Sueven, deſſen handſchriftliche Duelle weder vorhanden noch 
in Beziehung auf Alter und Herkunft näher bezeichnet ift. Hier ber 
bauptfächliche Anhalt: | 

Sm Norden liegt eine Landſchaft am Meere, welche Suevien ge 
nannt fein fol. Eie war dem Gößendienft jo fehr ergeben, daß jähr 


Alteſte ſchwäbiſche, vielleicht deutſche Heldendichtung, ein Typus jchwäbifchen 
Namens und Weſens, zurückzuführen auf Germania 18: fo zu leben, zu fterben 
und neu zu leben. Stälin 1, 25, A. 2. Bon der weiten Ausbreitung der 
Sage wieder zu ihrem innern und urfprüngliden Beſtand ſich zu wenden, 
befien Gewähre in den älteften Zeugniffen, Zacitus und Appian, gegeben if. 
[Randbemertung von Uhland. 9.] 


203 


lich zur Ehre und Verfühnung ver Abgötter zwölf Chriſten erwürgt 
wurden. Zur Rache für diefes Chriftenblut ftrafte Gott die Bewohner 
des Landes mit Hungersnoth. Damals hatten fie einen rechtsver⸗ 
ftländigen König Namens Rudolf. Diefer beichied die angejehenen 
Männer, ohne ihre Kinder, zur Berathung, wie fein Bolt dem Hunger 
entgehen könnte. Einmüthig murbe befchlofien, daß Diejenigen, melde 
mehrere Söhne hätten, alle bis auf einen, ven liebften, töbten fol: 
ten. Bei diefer Verhandlung war Anshelm, Vater von fünf Söhnen; 
traurig gieng er nah Haufe, mo er, auf Anbringen feined Sohnes 
Dietwin, diefem die Urfache ſeines Kummers entvedie. Dietwin bes 
merkte, daß nun auch er umlommen werbe, weil fein Bater einen 
liebern Sohn habe; wenn er bei ber Beſprechung geweſen wäre, fo 
würb’ er vernünftigen Rath gegeben haben. Als nun zur Berkündi« 
gung des gefaßten Beſchluſſes eine neue Berfammlung gehalten wird, 
nimmt Andbelm feinen Sohn mit zu Hofe: Auf Erforbern des ber 
fümmerten Königs fagt Dietwin feine Meinung: man folle lieber 
Schiffe anfchaffen, in denen die zum Tode Beſtimmten ftatt befien 
über Meer geführt würden. Dieß erhielt allgemeine Zuſtimmung. Zwar 
erhub fih im Lande große Wehllage über die Ausweifung jo vieler 
Söhne und Töchter, als jedoch die Fahrzeuge bereit waren, fchifften 
Diejenigen fi) ein, welche font hätten fterben müfjen. Bald wurden 
fie von beftigem Sturm ergriffen und in den Hafen der Dänen, zu 
Schleswig, geworfen. Hier hieben fie die ſämmilichen Schiffe zu Stüden, 
damit Keiner von ihnen in die Heimat zurüdtäme Das Land durch⸗ 
ftreifend, gewannen fie jo reihe Beute, daß zwanzigtauſend der Ihrigen 
beritten gemacht wurden; die übrige Menge folgte den Neitenden zu 
Fuß. Nachdem fie diefed Dänenland mit ftarker Hand durchwandert, 
zogen fie zum Elbeſtrom, überfchritten ihn und verbreiteten fi) über 
die Rachbarſchaft. Zur felben Zeit war fchwerer Krieg zwifchen bem 
Frankenkönig Dietrih und Irmenfried, dem König der Thüringer. Die 
Urfache des Zwiſtes ift in der Geſchichte der Sachſen jo beichrieben. 
König Clodoveus batte vier Söhne und unter fie vier Neiche vertheilt. 
Der vierte, Dietrich, erhielt bad Land der Auftrafier, worin Met 
gelegen it, und durch Wahl der Franken war er dort zum Könige 
beftellt. An Irmenfried, ber mit feiner aus des Vaters rechtmäßiger 
Ehe ftammenden Schiwefter vermäblt war, ſandte Dietrih Boten um 


204 


Frieben und Eintracht, auch Beftätigung feiner Herrſchaft. Die Königin 
aber ließ durch Iring, den Ratbgeber ihres Gemahls, die Gejandten 
beſcheiden, daß Dietrich, als Sohn eines Kebsweibs, ihr leibeigen und 
fie die vechtmäßige Neichsnachfolgerin fei. Dietrich erbot feinen Dienft 
dadurch, daß er mit einem fränkiſchen Heer ın das Land der Thüringer 
einfiel und es zu verwüften anfıeng. Inzwiſchen hatten bie Sueben 
nach Überfchreitung der Elbe an der Grenze des Landes ihre Zelte 
aufgefchlagen. Damit nicht Irmenfried ihren Beiftand erlange, lieh 
Dietrich ihnen, die ihm näher Iagerten, foviel Land zum Eigenthum 
verheißen, als der Fluß Ealza bei feinem Ablauf in die Saale um- 
ſtrömte. Auf dieß Verfprechen eilte die geſammte Neiterei der Sueven 
ihm zu Hilfe, das Fußvolk blieb im Lager zurüd. Irmenfried führte 
eine erlefene Reiterfihaar gegen Dietrich, warb aber in diefem Zuſam⸗ 
menftoße feldflüchtig, fette fchnell über die Unftrut und leiftete auf dem 
Ufer dieſes Fluſſes den Feinden hartnädigen Widerſtand. Ihm war 
Dietrich mit den Schaaren der Franken und Eueven gefolgt und bielt 
drei Tage lang das gegenüberliegende Ufer beſetzt. Ex felbft Tagerte 
mit den Franken oberhalb am Strome, die Sueven unterhalb. Wider 
beide Heere glaubten die Thüringer nicht Stand halten zu können und 
beſchloſſen, ſich an Dietrich zu übergeben. Zum Unterhänbler beftellten 
fie Iring; wie er den Krieg angefchürt, follte er nun Yrievensftifter 
werden. Widerſtrebend und erft nachdem er feiner Schwefter gemahnt 
worben, verbünbete fi Dietrich mit den Thüringern unter ber Bebin- 
gung, daß, mas ſie erblich befeflen, fie jeßt von ihm zu Lehen nähmen. 
Zufällig geſchah es, daß ein Thüringer, Wito, den Habicht auf der 
Hand tragend, am einen Ufer berabfaın, am andern aber ein Sueve, 
Gozhold, heraufgieng. Wito ließ feinen Habicht nad einem Reiher 
über den Fluß fliegen, mo Gozhold die beiden Bägel auffieng. Der 
Thüringer bat um Zurüdgabe feines Geflügeld, er wolle dafür dem 
Schwaben etwas jagen, was diefer nicht wiſſe. Mit Gozholds Bewil⸗ 
ligung feßte er zu Roſs durch eine Furt, erhielt den Reiher mitfammt 
dem Habicht und eröffnete dem Schwaben, daß die Könige verjähnt 
feien und die Thüringer nach rings unnützem Rath ihren bisher erb: 
lichen Beſitz bienftpflichtig hinnehmen follen. Gozhold Tehrte mit ber 
vernommenen Nachricht zu den Seinigen zurüd. Diefe fürdteten, um 
Dietsih3 Zuſage betrogen, ober gar durch die verſchworenen Könige 


205 


aus dem Lande vertrieben zu werden, fie befchloflen daher, die durch 
Gozhold geiviefene Furt in der Nacht zu überfchreiten und unverſehens 
in das Lager der Thüringer einzubringen. Eo geſchah es, fie richteten 
eine ſolche Nieverlage unter den Feinden an, daß kaum fünfhundert 
mit Irmenfried entrannen, bie hierauf zum Hunnenkönig Attila wan⸗ 
derten. Die Sueven nahmen nad Bertilgung der Thüringer Alles ein, 
was von Feldern, Wiefen und Wäldern an die Unftrut grenzte, und 
wohnten fortan dort ohne Jemands Widerftand. ‚Das fuenifche Fuß: 
volf aber, das in den Zelten geblieben war, begab fi, fobald ihm 
fund geivorden, daß jene fich bleibenden Sitz erftritten haben, gleich: 
falls auf die Fahrt, um irgendwo anſtoßende Wohnftätten aufzufinden. 
Eie kamen an die Donau und überſchritten dieſe; nachdem fie hierauf 
mit großer Mühfal die Donaumoore durchzogen hatten, verbreiteten 
fie fih über ein ſehr angenehmes und meites Feld, das nad ihnen 
Schwabaue (Swabowa) genannt ift, um, wenn fie bier eine Weile 
gerubt, um fo freier die penninifchen Alpen zu überjteigen. Denn fie 
waren entichloflen, nach Lampartenland zu ziehen unb fich dort anzus 
ſiedeln. Auf einer Seite des Feldes war die Donau, auf der andern 
ein großer Wald. Dazumal hatten in dem Donaulande die Wilzen 
den Sohn Rorfteind von Wilzen, Alpker, ftatt eines Königs, zum Her: 
zog genommen, teil bei einer Nieberlage, die fie lange zuvor erlitten, 
ihr König mit dem ganzen Königäftamme umgelommen war. Zum 
König beitellten fie fi) deshalb aus burgundiichem Gefchlechte den 
Sohn des Königs Walderich, Adilvolk. Als nemlih die Sueven ſich 
auf beſagtem Felde gelagert, fchidte der Herzog Alpter Botichaft an 
den erlorenen König Adilvolk, daß er mit getvaffneter Macht kommen 
möge, um die fremben Völfer, die hier aufgetaucht, zu übermältigen. 
Als die Sueven dieß erfahren, befleibeten fie, nah dem Rath eines 
gewiſſen Luithold, ihre rauen mit ben beften Gewanden, fehmüdten fie 
mit Gold und Silber und lieben fie fo mit ben Kindern in ben Ges 
zelten zurüd. Die Männer giengen mit ben Waffen abjeits in ben 
Wald und bargen fi dort im Hinterhalt. Die Feinde rüdten an 
und als fie im Lager nur die rauen ſammt den Kindern fanden, 
machten fie reihe Beute und zogen, mit ven Frauen und Kindern fich 
belaftend, wieder ab. Da kamen die Sueven fachte aus ihren Ber 
fteden hervor, brachen in die Menge der Gewaffneten, entrifien ihnen 


206 


den Raub unb vertilgten dieſes ganze Burgundenheer, die Lande rings 
umher zogen fie unter ihre Herrichaft °%, 

Die Geſchichte diefer ſueviſchen Wanderung aus dem überfeeifchen 
Norden bis in die Donauebene läßt ſich in brei Abfchnitte theilen. Der 
erfte berichtet den Anlaß de3 Zuges und verfolgt viefen bis zum Über: 
gang über die Elbe. Auch die weiten Wanderfahrten der Gothen und 
Langobarben geben, jene nach Jornandes, diefe nach Paulus Diaconus, 
Saro u.%., zu Schiffe vom Norben, von ber Inſel Ecadan, Scanzia, 
Ecandinavia aus, die für den wahren Bienenftod ver Völkerſchwärme 
gehalten wird 549, Insbeſondre von den Langobarden wird ausführlid 
erzählt, wie bei eingebrochener Hungersnoth erft Vorfchläge der Tötung 
gemacht, zuleßt aber Diejenigen, welche das Land verlafien jollten, 
ausgelooft wurden und unter ben Brübern Ibor und Agio, auch deren 
Mutter Gambara, abzogen 5%, In den einzelnen Umftänden weichen 
die Berichte manigfach von einander ab "und jo bat aud wieder die 
ſueviſche Wanderfage, abgeiehen von ven gänzlich verichiedenen Ramen, 
zu viel Eigentbümliches, um lediglich der langobarbifchen abgeborgt zu 
fein 59, Sie allein gibt den fjagenhaften Zug, daß die gelanbeten 


58 Goldaſt, rer. svevic. scriptor., 2 Ausg., Um 1727, &.1fl. De 
Herandgeber jagt darüber in Hiterarifcher Beziehung nur dieß (prefat.): „Ano- 
nymus scriptor. Hoc sive fragmentum sive integrum scriptum debetur 
Marquardo Frehero a Kessingen V. N. et Consiliario Palatino, qui id ex 
Bibliotheca illustrissimi Principis Electoris Friderici IV sus manu de 
scriptum mecum, ut alia omnia, lubens communicavit.“ 

49 Jornandes ©. 66: „Ex hac igitur Scanzia insula quasi offieina 
gentium aut certe velut vagina nationum Gothi quondam memorantur 
egressi, qui ut primum e navibus exeuntes terras attigere, illico loco 
nomen dederunt* u. f. w. 

50 Baul. Diac. 1, 1 bis 3. 7. Prolog. edict. reg. Rothar. (bel, 
S. 8 f. Bergl. Vin, f) Saro 8, 157 fi. (Bergl. Stephan. not. 181 f.) 

551 Die ältefte Quelle, der Prolog, gibt gar Teinen Grund des Auswan- 
dernd an. Paulus bezeichnet als ſolchen die Übernölferung, hat aber and) 
andre Angaben gelannt (1, 1 in fin.) Nach Saro (der librigens den Paulus 
fennt, 8, 159: „Paulo teste“) zwingt dazu, wie bei den Sueven, ber Mangel 
an Lebensmitteln, durch unglinftige Witterung herbeigeführt. Ihm fällt das 
Ereignis in die Beit des Königs Snio, der, genauer befehen, der perfonificiexte 
Schnee iſt (Sagenforfchungen 34 ff.); vie Überlieferung, die ihm vorlag, mag 
au den mythiſchen Namen enthalten haben, was ihn zu biefer Einorbuung 


207 


Auswanderer durch Zertrümmerung ihrer Schiffe jede Rüdlehr abfchneis 
den; To Schlägt Hagen, nachdem er die Nibelunge über die Donau ger 
feuert, das Schiff zu Stüden 952 und es artet ebendahin, wenn ſchon 


veranlaßte, aber weil er nur gefchichtliche Berfonen ſah, Lonnte ihm das Schnee: 
wetter zur Dürre werden: „sive parum compluta humo, seu nimium 
torrida.* Ein andrer Anlaß zum Auszug if, nad) dem Long. anon., daß 
die Langobarden in der Heimat von Schlangen gequält find (Beuß 473 *), was 
wohl denfelben Sinn hat, wie wenn die Cimbern und Teutonen durch Über- 
fintung des Meeres (Florus 3, 3: „quum terras eorum inundasset oceanus“, 
Sprachg. 635) vertrieben werden. Das Ausloofen und was damit zufammen- 
hängt, ift im Prolog wieder verfefwiegen. Bei Paulus wird, ohne daß vorher 
von Zödtung die Rede war, die ganze Maffe in drei Theile getheilt und ein 
Drittheil durd) das Loos zum Wuszuge beftinmt. Saxo läßt erft anf Aggos 
und Ebbos Antrag den Tod der Breife und Heinen Kinder, wie auch die Fort⸗ 
ſchaffung des noch unmwehrhaften Alters befchließen (vergl. Diüller om Saxo 134 
(harter Winter]), dann aber durch die Mutter Gambaruc das Loos auswirken, 
jo daß, wenn diejes kraftloſe Greiſe träfe, ſtatt deren Stärkere freiwillig aus⸗ 
zögen. Die ſchwäbiſche Faſſung hat daflir den alten Anahelm mit feinem Sohne 
Dietwin. 

5 Tie Stelle von den Sueven, Goldaſt 1: „quo vi tempestatis appulsi 
cunctas scaphas minutatim consciderunt, ne denuo repatriaret quisquam 
eorum.“ (Saro jagt nur 8, 159: „desertisque navigiis solidum iter in- 
gressi“ u. f. w.) NRibelunge 1521: 


Dõ fi daz ſchif entluoden und gar getruogen dan 
fwaz dar Affe heten der drier Minege mar, 

Hagne ez fluoc ze fiuden und warf ez an die flxot. 
des hete michel wunder die reden küene unde guot. 


1622: „Zwiu tuot ir daz, bruoder?“ ſo ſprach Dancwart, 
„wie fuln wir fomen übere, ſo wir die widervart 
riten von ben Hiunen ze lande an ben Rin?“ 
fit dd fagt im Hagne, dag bes kunde niht gefin. 
15238: Dõ ſprach von Tronje Hagne: „ich tuonz Af den wän, 
ob wir an difer reife deheinen zagen haͤn, 
der uns entrinnen welle durch zegliche nöt, 
der muoz an diſem wäge linen fchemlichen töt.“ 
Im Eddaliede wirb das übel zerarbeitete Schiff unbefeſtigt den Wellen tiber 
laſſen, Sem. 255, 87: „Röa ndmu riki, rifo kiöl hälfan, beystu bak- 
Rllum, brugdusk heldr reidir, hömiu slitaudu, häir brotnudu, gerdut 
far festa ddr Beir fr hyrfi.* Beral Vole. 8. 6. 86 (Fornald. 8. 1, 
214 f. Yu Vilks. und Kämpevis. nichts davon). Vergl. Aler. 2642 biꝑ 2699, 





208 


bie abziehenden Helvetier Haus und Habe verbrennen oder wenn hinter 
dem balben Theile der wandernden Gothen bie Brüde einflürzt und 
fie baburch für. immer bon ihren Genofien getrennt find 55%, Die Un 
fahrt der Sueven und die Berftörung der Schiffe geichieht im Hafen 
der Dänen zu Schleswig, wohin der Sturm fie verichlagen hat 5%, 
Schleswig wird andermärts als ein Hauptſitz ber Angeln, vor ihrer 
Auswanderung nad Britannien, genannt und ebendort war, nad) ver 
ſchiedenen Meldungen, der Knabe Eceaf im fteuerlofen Echiffe, ſchla⸗ 
fend auf einer Garbe, dem Wahrzeichen des Anbaus, angefahren, wurde 
nachmals König des Landes und fteht als ältefter Ahnherr in angel 
fächfiichen Königsreihen, wie auch an ihn ver im Widſidslied als Herricher 
ber Langobarden benannte Sceafa gemahnt 5°. Die Sueven erjcheinen 


883 Gäfar, beil. gall. 1, 5: „oppida sua omnia, numero ad duodecim, 
vicos ad quadringentos, reliqua privata wdificia, incendant. Frumentum 
omne, preter quod secum portaturi erant, comburunt, ut domum redi- 
tionie spe sublata paratiores ad omnia pericula subeunda essent.* Fornan- 
de8 ©. 67: „medietate transposita pons dicitur, unde amnem transjecerät, 
miserabiliter corruisse, nec ulterius jam cuiquam licuit ire aut redire. 
Nam is locus ut fertur, tremulis paludibus voragine circumjecta con- 
cluditur, quem atraque confusione (?) natura reddidit impervium. Ve 
rum tamen hodieque illic et voces armentorum audiri, et indicia hominum 
deprehendi, commeantium adtestatione, quamvis a longe audientium, 
credere licet.“ 

55 Golbaft, I. c.: „vento arrepti vehementiseimo ejecti sunt in portu 
Danorum, in loco Sleswik nominato.“ 

885 Ethelwerdi (im 1000, 2appenb. 1, LVI fi. Won. 1, pref. 81 f.) 
Chronic, Lib. 1, in Monum. histor. britann. 1 Band, 1843, ©. 5608: 
„Porro Anglia Vetus sita esi inter Saxones et Giotos, nabens oppidum 
capitale, quod sermone Saxonico Siesuuic nuncupatur, secundum vero 
Danos Haithaby.“ (Der Chroniffchreiber iſt feld von Bniglihen Stamme, 
8. 4, €. 2, &. 514.) Ottars og Ulfstens korte Rejseberein, af R. Rask, 
Kjöb. 1816, &. 52 (vergl. 120 f. Anm.): „And of Ciningesheale he cvad 
(Ohtbere, König Älfreds, 871 bis 901, Zeitgenoffe) Pet he seglode on fif 
dagan to beem porte, pe mon het et Hædum, se stent betvuh Vinedam, 
and Seaxum and Angle, and hyrd in on Dene.“ ©.54: „Vulfstän sæde 
pet he geföre of Hedum“ u. f. w. Gaungu-Hrölfs 8. 6. 87 (Fornald. 
8. 3, 361): „Li Jötlandi eru margir höfudstsdir; sydst (a. enn fyrati er) 
{ Heidabe, annar { Ripum, Pridi { Arssi, fiordi { Vebiörgum; bar taka 
Danir konüng sinn.“ (Bergl. Fagrek. 56. 102 u. 124. Leo, liber Beow. 54.) 
Gul, Meld, (nad Kemble in Ettmüllers Beow. 5): „Iste (Scedf), ut fertar, 


209 


aber in jenem Lande nicht friebfam und feßhaft, gleich dem anglifcyen 
Sceaf, fie ziehen mit den erbeuteten Roſſen weiter an die Elbe und 
verbreiten fich jenſeits dieſes Stroms; auch arı Ufer der Elbe haben 
bie ausgeiwanderten Langobarden, nach einem ihrer Gejcichtfchreiber, 
zuerſt eine neue Wohnung gegründet 556, So läßt biefer erſte Theil 
der ſueviſchen Wanderfage in offenliegender Verwandiſchaft mit dem 
Beginn der langobarbifchen die ferne Zeit bucchbliden, da noch Sueven⸗ 
Langobarden und Weiterhin Sueven:Angeln die untre Elbe entlang bis 
zum Belte wohnten und auch im Götterbienfte der fuenifchen Küſten⸗ 
völfer, namentlich der Angeln, der Glaube an überfeeifche Herkunft ſich 
kund gab. 

Der zweite Abſchnitt ſteht in genauer Beziehung mit ſächſiſch⸗ 
thüringiſcher Geſchichtſage. Was Widukind vom Zuſammenſtoße ber 
Sachſen mit Thüringern und Franken umſtändlich erzählt, iſt den Be: 
gegniſſen des ſueviſchen Reitervolls mit Dietrich, Irmenfried und Iring 
nicht minder ähnlich, als der Auszug der Langobarden dem der Sueven. 
Die Thatſachen ſind im Ganzen die gleichen, nur ſind am einen Orte 
Sachſen, am andern Sueven das verrathene und zuletzt ſieghafte Hilfs⸗ 


in quandam insalam Germanie Scandzam, de qua Jordanes, hiſtorio- 
graphas Gothorum, loquitar, appulsus navi sine remige puerulas, posito 
ad caput frumeuti manipulo, ideoque Sceäf nuncupatus, ab bominibus 
regionie illius pro ıniraculo exceptus et sedulo nutritus, adulta wetate 
regnavit in oppido, qnod tune Blasvic, nuuc vero Haitheby appellatar: 
est auteın regio illa Anglia vetus dieta, unde Angli venerunt in Bri- 
tanniam, inter Saxones et Gothos (Jutas?) constituta.“ Vergl. Mytb. (1), 
And. XVII, ebend. XI: „Scedf ift fiherhaupt der ältefte heibnifche name 
in fäntlihen (angelj.) Rammdäunen.” Cod. exon. 320, 21: „Soedfa (veold) 
Longbeardum.“ 

6 Goldaſt, 1. c. S. 2: „eumque regionem illam Danorum manu 
valida (Sueri) peragrassent, ad Alb(i)am fluvium commigrarunt, eoque 
transito per finitima loca sese diffuderunt.*“ Langob. anon. (Beauf 472): 
„postquam de cadem ripa (Vindelici amnis) Langodardi exierunt, sic Scate- 
nauge Albise fiuvii ripa primis (sic) novam habitationem posuerunt.* 
über Scandianvia, Scandza, Skadan, Schatanavia, Bcatenauge, Scede- 
nigge u. ſ. w. f. Zeuß 157 bis 159. Sprachg. 726 f. D. Abel, Paulus 
Dialonus 261. Beſonders aber auch Leo, Über Beomulf 48 bis 56. (Wylfinge, 
Sähdaänen, vergl. in Beziehung auf Heidabee Fagrsk. 56 ob.: sunnan, 124: 
sudr til Heidabojar, Fornald. 8.3, 361: sydst ji Heidebe.) Ihm entgegen 
Mällenhoff, Nordalbingifhe Studien 1, 148 fi. 

Upland, Schriften. VII. 14 





10 





voll. Manches ſpricht nun dafür, die fächfifche Meldung für urfprüng 
lich, die ſchwäbiſche für erborgt anzufehen. Diefe ift namenlos, Alter 
und Ort der Abfaflung ift unbekannt, e3 wird fogar auf eine geſchrie⸗ 
bene Geſchichte der Sachſen ausdrücklich Bezug. genommen °97; jene tft 
bald nach der Mitte des 10ten Jahrh. im alten Eachienlande, zu Korvei, 
von einem namhaften Eingebornen aufgefegt, auch ift fie nach Inhalt 
und Ausführung reicher und knüpft überallbin an Örtlichleiten, ältere 
Sage, Sitten, Einrichtungen, Heidentbum des fächfifchen Landes und 
Volles an 558, Auf der andern Seite zeugen eben biefe bedachten 
Antnüpfungen, die forgfältigen Ausmalungen und die tohlgeitellten 
Reden der handelnden Berfonen pon der felbfithätigen Hand des Be⸗ 


857 Goldaft, 1. e. S. 2: „Ea tempestate grave duellum inter regem 
Franeorum Theodericum et Irminfridum regem fuerat Thuringiorum. 
Causa vero congressionis in historia Saxonum describitur talis.“ 

58 Ortsnamen bei Wibufind 1, 9: „in loco, qui dieitur Runibergun*, 
„in urbe, que dicitur scitbingi , sita super fluavium, qui dieitur Unstrode* 
(vergl. 1, 18 [S. 17 ob.]. Auf die Sage von älterer Feindſchaft zwiſchen 
Sachſen und Thüringern bezieht ih 1,9 [S. 11. n.]: „ad Baxones, qui jam 
olim erant Thuringis acerrimi hostes® u. |. w. Ausfehen, Charafter (vergl. 
1, 10 [S. 13 u.]), Tracht und Bewafinung der Sadfen 1, 9 [&. 12], nament 
li „habentes ad renes cultellos magnos.* Ihr Feldzeichen im der Sand des 
alten wodanartigen Hathagat 1, 11 (vergl. 1, 12 [S. 16): „divinum ei 
animum inesse c@lestemque virtutem“, fein Name übrigens auch bei Ruodalf. 
fuld. „Hadugoto.“ (Über ahd. loz, agf. gest, altn. gauir, gauti Gr. 2, 455. 
495. Myth. 341; Sprachg. 440 bis 442. 447. 774 u., f. 06.5 Graff 280 f.; 
vergl. GI. sax. 466: giotan, göt. Über altf. a und d Gr. 1 (8), 240, 7.) 
Serreintheilung 1, 9 [S. 120]. Verfaffung und Mecht 1, 14. Srminfänle 1, 
12. Bon ring, als mythiſchem Weien, ift noch befonders gu reden. Schon 
der ältere Auodolf von Fuld (gef. 865) jhreibt den Eieg über die Thüringer 
den von Dietrih zu Hilfe gerufenen Eachfen zu, knupft übrigens dieſes Er⸗ 
eignis unmittelbar an die Landung der lektern „in loco, qui vocatur Ha- 
daloha“, an, womit aud der Name ihres Führers, bier Habugoto, anflingt; 
er bat auch Scheidingen, aber flatt Runibergun einen andern Ortänamen 
(Berk 2, 674 f.) (Ekkehardi (Uraug.) Chronic. universale (Bert 8, 168): 
„A. D. 797. Expeditio facta est in Saxoniam et usque ad Oceanum ultra 
omnes paludes et invia loca transitum est, et rex [Carol.] de Hadoloha 
regressus (nam- id nomen est loco, nbi oceanus Saxoniam alluit) totam 
Saxonum gentem in deditionera per obsides accepit, et ad palatium Aquis- 
grani regressus“ u. |. w.) Bedenklich ift immerhin bei Widukind, daß er vie 
Thüringer zweimal von den Sachſen aufreiben läßt. 


211 


arbeiter3 559; gerade ba, wo das ſchwaͤbiſche Stüd fich auf die Geſchichte der 
Sachſen beruft, ftimmt es wenigſtens mit Widulmd nicht überein 560, wie 
es ibm auch fonft bei aller Kürze nicht an eigenthümlichen Zügen fehlt. 
Aterthümlich einfacher ftellt es namentlich den Kampf an ber Unſtrut 
dar; bei Widulind, dem dieß ohne Zweifel ſchon vorlag, bat Irmen⸗ 
fried, nachdem er in dreitägiger Schlacht bei Runibergen (Dorf Ronne 
berg) von Dietrich befiegt war, fih in die Stadt Scithingi (Burg 
Sceidungen) an der Unftrut geflüchtet, wo ihn nun die Sachſen förm⸗ 
lich belagern, erft die Borftabt einnehmen und anzünden und dann, in 
Folge des Geſprächs bei der Fallenjagb, zur Nachtzeit die Mauern er 
fleigen, wogegen ber ſchwäbiſche Bericht von einem Nachts überfallenen 
Lager der Thüringer weiß 5% und dem fcheidenden Flufle, der in 
den Wander: und Kampfjagen der alten Völler überall mitfpielt, feine 
volle und ausfchließlihe Bebeutung läßt: der Thüringer reitet, den 
H bicht auf der Hand, am einen Ufer hinab, ber Sueve am andern 
hinauf, Jener läßt den Habicht auf einen Reiher binüberfliegen und 
beide Vögel zufanmen fallen dort in des Sueven Hände 562; Widukind 


89 Tas fächfiiche Feldzeichen 1, 11 (vergl. 12 init.): „eignnm, quod apud 
c08 habebatur sacrum, leonis atque draconis et desuper aquile volantis“ 
(nachmals Wappen der Grafen von Ringelheim, Eagittaring, antiquit, regni 
Thuring. 2, 273), ſodann der GSiegesaltar mit den Säulen, 1, 12, wird 
man, abgejehen von den gelehrten Deutungen, nicht wohl zur alten Bollsfage 
rechnen können; Widnkind bat tiefe mit feiner anderweiten Kenntnis von fächfl- 
hen Dingen anzgefattet und bei der Irminſäule die Nachricht Eginhards ans 
Karls Sachſenkriegen vor Augen gehabt. 

5 Auf die Etelle Aum. 557 folgt eine Stammtafel Theoderichs, bie von 
den Angaben bei Wibulind (1, 9) bedeutend abweicht, librigens geſchicht⸗ 
licher ift. 

6 Goſdaſt 26: „decreverunt (Buevi), noctu vadum per Gozholdum 
monstratum transire ac Thuringiorum castre ex improviso irrumpere.* 

262 Goldaft ebend.: „Præterea forte accidit, ut quidam ex Thuringiis, 
Wito vocabulo, ripam fluminis, accipitrem manu gestans, descenderet, 
alteram quoque ripam Gozlıoldus quidam de Suevis e regione ascenderet, 
Et mittens Wito accipitrem ad irretiendam ardeam flumen transvolare, a 
Gozholdo amt aves sunt intercepte.“ Wibulind 1, 10 hat nur: „egres- 
sus est quidam cum accipitre, vietum queeritans supra litus Auvii supra- 
dieti. Emiss) vero volucre, quidam ex Saxonibus in ulteriore ripa illico 
eum suscepit*; dafür bewahrt nur er. den altepiichen Zug: „Saxo, statim 
emittens accipitrem, sociis retulit quæ audivit.“ 


212 


bat nicht bloß den Neiher vergeſſen, ver doch zur Flußlandſchaft mits 
gehört, fondern auch die Furt, die bei dieſem Anlaß der Schwabe kennen 
lernt, wodurch die Vogeljagd am Grenzftrom erft ihren Sinn für bie 
Enticheidung des großen Kampfes erhält; auch Gregor von Tours, die 
ältejte Quelle, fpricht von feiner Stadt, fondern einzig von ber Unſtrut, 
an ber die Thüringer eine folche Niederlage erlitten, daß ihre Leichname 
den Franken zur Brüde über das Flußbett dienten 569. Wornehmlich aber 
lommt aud) dem Suevennamen auf biefem frembfcheinenden Boden ein 
bedeutender gefchichtlicher Anhalt zu flatten. Beide Faflungen der Sage 
weichen gleichmäßig von ben beglaubigten Nachrichten ab, welche weder 
den Sachſen noch den Eueven einen thätigen Antheil am Sturze des thü⸗ 
ringiſchen Reiches einräumen; wenn jedoch der ungenannte Sagenfchreiber 
mit diefem Ereignis eine ſueviſche Anfieblung verbindet, fo ftcht er auf 
gutem Grunde, mag auch die Übereinftimmung mit der Geſchichte hiebei 
feine buchftäbliche fein. Er berichtet, Dietrich habe den Sueven für ihre 
Hüfleiftung ſoviel Land zu eigen verheißen, alö die Sala bei ihrem 
Ablauf in die Saale umfange, und nach Vertilgung der Thüringer haben 
denn auch diefe Sueven alles an die Unſtrut ftoßende Landgebiet ein: 
genommen und bleibend bewohnt 564, Fränfifcher, aber doch die vor: 
tragende Bedeutung der zurüdgebliebenen Sueven anerfennend, lautei 
was Dietrichs Eohn Theodebert an den Kaifer Yuftinian jchreibt: nad 
Unterwerfung der Thüringer babe die brfänftigte Macht des Volles der 


568 Gregor. Turon. 3, 7: „Denique cum se Thoringi cedi vehementer 
viderent, fugato pı® limore Herminefredo, rege ipsorum, terga vertunt el 
an Onestrudum ſluvinm usque perveniunt. Ibique tonta cædes ex Tho- 
ringis facta est, ut alveus fluminis cougerie cadaverum repleretur et 
Franci tanquam per pontem aliquem super «a in litus ulterius transirent.“ 
Erft Aimoin, im Anfang des Ilten Jahrh., fagt 2, 9: „Uermenfridus ipse 
cum paucis elapsus in munimenluın 'se contulit urbis“; er gedenkt aud 
einer zuvor von Sfrinenfried den Franken bereiteten Fallgrube. [Sagittarius 
200 f. 254.] 

861 Goldaſt, 1. c. 25: „Porro Suevi Thuringiis interemptis occupa- 
verunt cuncts in arvis, in pratis, in nemoribus Umstrort flumini conti- 
gua, ac deinceps nemine resistente coluerunt, (Die Zujage Theoderich® war 
ebend. 2a: „spopoudit eis terram illam in proprietatern traditurum, quan- 
tam fluvins Salza per deeurssum suum cingeret, delluendo in flumen 
Sala.*) 


213 


Rorbfuaven feiner Herrſchaft den Naden gebeugt 5%. Einer wirklichen 
Umfiedlung diefer Suaven wird erft in der Art gebacht, daß zur Zeit, 
da Alboin in Italien einzog (568), alfo einige Jahrzehnde nach dem 
Fall Irmenfrieds (530), von den Frantenlönigen Chlotahar (ft. 561) 
und Sigibert (ft. 575) Suaven in die Wohnftätien der mit Alboin aüf- 
gebrochenen Sachſen eingefegt wurben 366, Widukind bezeichnet dieſe 
fuevifchen Einwanderer ald die Suaven jenfeits der Bode 57, Auch 
ber Vollename hielt fih im Beſitz diefer Gegend, „Suevon“ hieß ein 
mittelalterliher Gau zwiſchen Saale, Bode und dem Unterharz, im 
Halberftabter Eprengel 58, In Italien entziveiten fi die Sachjen mit 
den Langobarden, teil letztere ihnen nicht geflatten wollten, unter 
eigenem Rechte zu leben; auf abenteurlicher Fahrt zogen fie in ihr altes 


565 „Id vero quod dignamini esse solliciti, in quibus provinciis habite- 
mus aut quæ gentes nostre sint, deo adjutore, ditioni subjecte: dei 
miserieordia feliciter subactis Thuringis et eorum provinciis acquisitis, 
extinctis ipsorum tune temporis regibus, Norsavorum gentis nobis placata 
majestes colla subdidit, deoque propitio Wisigothis, qui inoulebant Francie 
septeutrionslem plagam, Pannbniam [Aguitaniam?] cum Saxonibus Eu- 
ciis [?), qui se nobis voluntatse propria tradiderunt, per Danubium et 
limitem Pannonie usque in oceani litoribus, custodiente dco, dominatio 
nostra porrigitur.“ Duchesne 1, 862. Bouquet 4, 59. [Beuß 857. 887. 
362: „Die in der Heimath zurüdgebliebenen Warnen [?] treten an der Elbe 
in der Folge unter dem Namen Echwaben auf, auch beſtimmter Nordſchwaben 
genannt, zum Unterfchiede von den Schwaben im Süden, die, einft als 
Jutungen ihre Nachbarn, ben Namen aus dein Norden dahin gebracht hatten, *] 

566 Gregor. Zur. 5, 15. Paulus Diaconus 2, 6. Die Stellen nach⸗ 
ber im ganzen Zuſammenhang. (Berg. Edhart, Fr. or. 1, 84. Maæsc. 2, 
181, 9. 1.) 

567 Wibnfind 1, 14: „Suavi vero Transbadani illam quam incolunt 
regionem eo.tempore invaserunt, quo Saxones cum Longobardis Italiam 
adierunt, ut eorum narrat historia, et ideo aliis legibus quam Saxones 
utuntur.“ 

568 Zeuß 363. 568 bis 360. Spradg. 494. Cdhart, Fr. or. I, fl. 
gibt Regeſten dieſes Gaunameus mit den verjchiedenen Schreibweifen ver Ur⸗ 
tmmden: Urkunde Ludwigs des Frommen „pagus Svavia“; Ottos I, %. 941 
„in pego Svevon“; Ottos II, 978 „in pogo Swewa"; Heimihs IV, 1064 
„in pago Suabe“; ebend. 1073 „in pago Suabengowe.“ Nachzuſehen: Grupen, 
Origines 2, 397 fi. (Suevego). Ann. Quediiab, a. 1012 (Berk 5, 81): 
„In quadam ville Saxonice Suevie, Cocstede (Kohftebt) nomine“ u. |. w. 


214 


— 


Baterland, das fie mit Weibern und lindern verlaffen hatten, zurüd, 
als fie e8 aber von ben Schwaben und andern Vollerſchaften befeht 
fanden, führten fle mit denfelben Unterhanvlungen und Kämpfe, bern 
Gedäachtnis ſich nicht ohne fagenhaften Anftrich erhalten bat: die Suaven 
boten ihnen, um Frieden zu haben, erft den dritten Theil, dann bie 
Hälfte, ſodann zwei Drittheile bes Landes, endlich zum Lande nod 
allen Viehbeſtand, aber auch damit nicht zufrieden, begehrten wie 
Sadfen den Kampf und theilten zum voraus die Frauen der Suaven 
ımter ſich, als ob dieſe ſchon erichlagen wären, allein im Streite felbft 
fielen von 26000 Sadfen nicht meniger als 20000 und von - 6000 
Schwaben nur 480; zwar ſchwuren die übrig gebliebenen Eachfen, weder 
Bart noch Haare zu fcheeren, bevor fie fi) an den Siegern gerädt 
bätten, doch brachte der neue Kampf ihnen nur größere Rieverlage und 
fo warb fortan vom Ariege abgelafien 569%. Diefen übertreibenden Mel: 


569 Gregor. Zur. 4, 43 (Ben 886): „post hec Saxones, qui cum 
Langobardis in Italiam venerant, iterum prorumpunt in Gallias .. . seilicet 
nt a Sigiberto rege collecti in loco, unde egressi fuerant, stabilirentur .. 
Hi vero ad Sigibertum regem transeuntes, in locum, ünde egressi fuerant, 
stabiliti sunt.“ 5, 15: „et quia tempore illo, quo Alboinus in Italiam 
ingressus est, Clothacharius et Sigibertus Suavos et alias gentes in Joco 
illo posuerunt, hi qui tempore Sigiberti regressi sunt, id est qui cum 
Alboino fuerant, contra hos corsurgunt, volentes eos e regione illa ex- 
trudere ae delere. (Masc. 2, 182): At illi obtulerunt eis tertiam partem 
terre, dicentes: simul virere eine collisione possumus, Sed illi contra 
eos irati, eo quod ipsi hoc ante tenuissent, nullatenus pacificare volnerunt. 
Dehinc. obtulerunt eis iterum isti medietatem; post heec duns partes, sibi 
tertiem relinquentes. Nolentibus autem illis obtulerunt cum terra omnia 
pecora, tantum ut a bello cessarent, Sed nec hoc illi adquiescentes eer 
“ tamen expetant, Et inter se ante certamen, qualiter uxores Suavorum 
dividerent et qui quam post eornm exitnm acciperet, tractant, putantes 
eos jam quasi interfectos habere. Sed Domini miseratio, quæe justitiam 
facit, in aliam partem voluntatem eorum retorsit. Nam confligentibus 
illis, erant autem viginti sex millia Saxonum, ex quibus viginti millie 
oeciderunt, Suavorum quoque Sex millis, ex quibus quadringenti et oeto- 
ginta tantum prostrati sunt, reliqui vero victoriam obtinuerunt. IH 
guogue, qui ex Saxonibus remangerunt, detestati sunt, nullum se eorum 
barbam neque capillos incisurum, nisi prius se de adversariis uleiscerentur. 
Quibus iterum decertantibus, in majore excidio conruerunt, Et sic a 
bello orssatum est.“ Paulus Diaconus 2, 6. 3, 5 bis 7; aus 5. 6 (Mask. 


215 





dungen von fränkifcher und Tangobarbifher Seite, bei Gregor bon 
Tours und Paulus, gegenüber fteht die Gloſſe des Eachjenfpiegels mit 
folgender Enge: dieweil Hengift und feine Männer nad England aus» 
gezogen waren und ihre Weiber daheim gelaflen hatten, kamen bie 
Schwaben, bezwangen Sachſenland und nahmen ber Sachſen Weiber; 
da aber bie Eachfen wieberlamen und die Schwaben vertrieben, fo zogen 
einige Weiber mit den Schwaben fort, die (zurückgelaſſenen) Kinder diefer 
Weiber hieß man Schwaben, darum find die Weiber auch erblos aus 
diefem Geſchlecht und es heißt im Gefehe, daß die Sachſen das ſchwä⸗ 
bifche Recht aus Haß der Weiber behalten d?o. Der Saͤchſenſpiegel jelbft 
deutet den Grund dieſes Hafjes fo an: die Schwaben dürfen von weib⸗ 
halben kein Erbe nehmen, weil in ihrem Gefchlechte die Weiber gänzlich 
erblos gemacht feien um ihrer Vorfahren Miffethat willen 971, Übri— 
gend zeigen andre Stellen des Sachſenſpiegels, daß ſich eigenes und 
gleiches Recht des fchmäbifchen Stammes (foAnifcher art) mitten unter 
ſächſiſchem Geſetze leidlich gefriftet hat >72, Der ältere Widukind be 
merkt ohne Seitenblick, die nach dem Abzug der Sachen bereingelommenen . 
Eunven über der Bode gebrauchen andre Gejete, ala vie Sachſen 9°3, 


2, 181): „Certum est, hos Snzones ideo ad Italiam cam uxoribus et 
parvulis advenisse, ut in ea habitare deberent. Sed quantum datur in- 
telligi, noluerunt Longobardorum imperiis subjacere. ‘Sed neque eis a 
Longobardis permissum est in proprio jure persistere, ideoque wstiman- 
tur ad suam patriam repedasse.“ 

30 Br. Grimm, Deuftſche Sagen 2, 70 aus Glofſe des Sachſenſpiegels 
zul, 17 und 2, 12. Bergi. Edhart, Fr. or. 1, 84: Chron. duc. Brunsvic. 

371 Sachſenſpiegel, herausgegeben von Homeyer, B. 1, Urt. 17, 8 2: 
„Die jvaue ne mach of von wifhaluen nen erue nemen, wende be wif in irme 
jlechte al ernelos fint gemalet dur ir vorvaren mifſedat.“ B. 1, Art.18, 81: 
„Drierhande reht behelden be ſaſſen wider karles willen. Dat fveuiiche recht 
dur ver wine hat.” Vergl. Eckhart I.c. Rechtsalterth. 407. 472. 949, 

528. 1, Art. 19, insbefondre $ 2: binnen ſuaniſcher art u. |. wm. 
Sveviſch recht ne toeiet von feflifcheme nicht, wende an erue to nemene vnde 
orbel to ſceſden.“ 8. 1, Art. 29. B. 2, Art. 12, 8 12: „Scilt en foaue 
enes faffen ordel oder en faffe ienes (a. des fuavis, eimes ſuawen nrteil), dat 
muten fie vorme Toninge befceden, alfe hir vore geredet 14.“ 

673 Widnkind 1, 14 (f. Aum. 567) ſcheint in den Worten „et ideo aliis 
legibus quam Saxones utunfur * die Rechtöverichiedenheit als zuſtändig an⸗ 
zuertennen: darum, weil die Sachſen weggezogen waren. 


216 


Die Sachen ihrerfeitö batten auch, den Langobarden gegenüber, beim 
eigenen Bollsrechte verharren wollen. Tiber Entftehung und Änderung, 
Berfhiebenheit und eiferfüchtigen Gegenſatz der Vollksrechte haben ſich 
vielfach Sagen gebildet und zu ber Rechtsſage des Sachſenſpiegels mit 
feiner Gloſſe findet ſich ein treffendes Seitenſtück: find die nordſchwä⸗ 
bilden rauen wegen angeblicher Miflethat ihrer Ahnmütter erblos ge: 
worden, fo haben umgelehrt bie dänischen, bie zuvor kein Erbrecht 
Batten, folches zum Lohn der Treue für ihr Gefchlecht erhalten, als fie 
zur Auslöfung bes gefangenen Königs al ihren Goldſchmuck hingaben 57%. 
Zwei Jahrhunderte nad) dem Einzug der Nordſchwaben in das Land 
zwifchen Saale und Bode müflen [ich diefelben zu den Sachſen zählen 
laffen: König Pippin führt im Jahre 748 ein mächtiges Heer burd 


514 Saro 10, 187: „In qua fortunm violentia Sveno virili defectas 
auxilio foemineum experius est. Nam cum exhaustis regni opibus ne 
surum quidem redemptioni ejug suppetere videretur, tanta ei matronerum 
humanitas offuit, ut detractis aurium insignibus cw@teroue cultu certatim 
digestam pondere summam explerent, plus commodi in salute prineipis, 
quam amanitntis in Ornamentorum suorum specie rcponentes u. |. w. 
Nee illi qnidem ad premia matronarnm obsequio exsolvenda ingrats. 
mens fuit. Nam faminis deinceps participandarum hereditatum jus, 3 
quibus ente loge repellebantur, indulait.* Svenon. Agg. reg. Dan. hist. 
&. 4 (Langebet, Scriptor. rer. dan. 1, 53 fg.): „Delegantur ituque [Sclevor.] 
legati, qui Danis denunciarent, ut regem suum trino auri et argenti 
pondere redimerent. (Juod diu exequi non distulerunt. Nam universo 
ferme regni censu coadunalo, occurrentibus in Winningha cum rege cap- 
tivato Sclavis, Dani Svenonem redimere non detrectabant. Ast ubi census 
ejus solulioni non suffioeret, decreverunt matron® suis ornatibus suın- 
mam redemptionis explere. Igitur annulog, armillas, inanres, monilia, 
torgues, et quicquid illis pretiosum erat, regi liberundo impendebant. 
Qno expleto, Daui a rege silvarum et nemorum tum primum communis 
jimpetrarunt. Mulieribus quoque, eo quod prius paterne hereditatis 
prorsus essent exsortes, ob pr&stitum sibi a matronis farorem et bene- 
Nciorum collationem, in posterum primas tribuit, quatenns soror fratri, 
de c«tero, in dimidia familie hereiscund® portione communicaret, Omni 
namgus rationi oonsentancum duxit, aincere dileclionis exhibitionem pari 
remunerationis benevolentia compensere.* Bergl. Eagabibl. 8, 76 bis 79, 
Nachzuſehen nach S. 78, 4: Weftphal 1, 309, 622.) Rechtsalterth. 473. *) 
Sonſt dänifche Rehtsfage Saro 87 fg. (Müller, om Saxo 66) Friefiſche D. 
©. 1, 117 u., ff. 


217 


Thüringen nad) Sachſenland und unterjocht dort, mit Beihilfe von 
100,000 Elaven, die Sachſen, „die man Nordſuaven nennt” 575, So 
kann es nicht befremden, daß wieder zmweihundert Sabre jpäter ber 
Sachſe Widulind den fagenhaften Sieg über die Thüringer gänzlich den 
Sachſen zufchreibt und der Suaven Über der Bode nur nebenher ge 
denkt. Gregor von Tours dagegen, deſſen Lebenszeit noch ganz nahe 
an den Fall Irmenfrieds hinaufreicht, räumt in den Kämpfen der Nord» 
ſuaven mit den Sachſen um jenes Landgebiet entichieben den erftern, 
obgleich den minder zahlseichen, die Oberhand ein und fo Tann aud 
denfelben ein altes Anrecht an bie zwischen den beiden Völkern ſchwe⸗ 
bende Sage nicht abgefprochen werden. Die Gefchichte läßt, wie fchon 
erwähnt, Teines von beiden den letzten Thüringerlönig an der Unftrut 
befämpfen. Wie das Volksrecht ift auch die Volksſage zmeifältig und 
wollte man fie dem einen oder dem andern Theile ausfchlieplich zus 
ertennen, jo würde, kraft des Sachſenſpiegels, der Schwabe tas Urtheil 
des Sachſen fchelten, der Sadfe das des Schwaben. Der Wanderfage 
dritter Abſchnitt betrifft die Geſchicke des ſueviſchen Fußvolks, das in 
der Elbgegend geblieben war, als die Berittenen dem Rufe Theoderiche 
folgten. Auf die Nachricht, daß Diefe fich einen wohlgelegenen Aufent 
halt erkämpft baben, brachen auch die Andern auf, zunädit um ans 
grenzende Wohnftätten aufzufinden 976, fie kamen aber ſüdlich bis über 
die Donau. Die ſueviſche Heerorbnung ift ſchon aus Anlaß der Sem: 
nonenfage berührt worden. Dort kam die Hunderttheilung des Herres 
in Betracht, bier iſt das damit zufammenhängende Verhältnis der Reiterei 
zum Fußvolk hervorzuheben. Bon den Germanen überhaupt berichtet 
Tacitus, mit weldyer Fertigkeit die Mannfchaft zu Fuß das Reitertreffen 


675 Annal. Mettens. ad a 748, Berk 1, 880 (Zeuß 364): „Pippinus 
adunato exercitu per Turingiam in Saxoniam veniens fines Saxonum, 
yuos Nordosquavos vocant, cum valida mann intravit, Ibique duces 
geniis aspere Sclavorum in occursum ejus venerunt, unanimiter auxiliumn 
illi contra Saxones ferre parati, pugnatores quasi centum millis, Saxones 
vero, qui Nordoequavi vocaniur, sub sunm ditionem suLactos contritos- 
que subegit.“ 

56 Buev. or. 1, 26 fg.: „Et venientes ad Danubium (pedites Sue- 
vorum) trunsierunt illum u. f. w. ut illic aliquandiu pausantes liberius 
transcenderent Penninas Alpos. Decreverant enim, Longobardiam ire ac 
illam provinciam inhabitere.“ 


218 


mitmacdhe 977. Ariovifts Reiterfchaaren insbeſondre ſchildert ber kriegk⸗ 
fundige Gegner Cäſar mit fichtbarer Vorliebe: es waren 6000 Reiter 
und ebenfoviel der geſchwindeſten und tapferften Fußlämpfer, je von 
den einzelnen Reitern zu ihrem Schuß einzeln aus der ganzen Menge 
gewählt; mit ihnen bewegten ſich die Reiter in der Schlacht, zu ihnen 
zogen fie fich zurüd und wenn fie ins Gebränge Tamen, eilten jene 
berbei, umftanden Diejenigen, melde ſchwerverwundet vom Pferbe-ges 
fallen waren, und bei weiterem Vorbringen ober fchnellerem Rüdgug 
liefen fie gleich hurtig mit den Pferden, an deren Mähnen fie fi 
bieten 5%, Diefe Schilderung gibt nit nur ein böchft belebtes Bild 
kriegeriſcher Gliederung und Bewegung, fie zeigt auch, in der beſondern 
Genoſſenſchaft jedes Reiters mit feinem Fußlämpfer, eins jener inner 
lichen Bande, durch welche das germanifche Heer zufammengehalten war, 
Schaarung nad Vollsftämmen und Verwandtichaften, Nähe ver Weiber 
und Kinder, Gefolgstreue 579%, Die Wanderſage zeichnet nicht mit Cäſars 
Griffel, aber in dem eben bemerkten Zuſammenhang lafien doc, ihre 
Angaben über reitende und fchreitende Sueven cine nähere Beziehung 
zur alten Volksſitte vermuihen. Raum haben die Wanderer das fefte 
Land betreten, jo machen fie zwanzigtauſend der Ihrigen mit erbeuteten 


8577 Tacitus, Germ. 6: „In universum sstimanti plus penes peditem 
roboris, &oque mizxti proliantur, apta et congruente ad equestrem pugnam 
velocitate peditum, quos ex omni juventute delectos ante aciem locant.“ 
Claudian. de III cons.. Honor. ®. 28 (©. 302): „frena Suövi.* Ylorus 
©. 851, 43 u. Stälin 1, 67,9. 1. 
| 578 Cäſar, bell. gell. 1, 48: „Ariouistus hie omnibus diebus exer- 
eitum castris continuit, equestri pralio quotidie contendit. Genus hoc 
erat pugn®, quo se Germani exercuerant: equitum millia erant VI, toti- 
dem numero pedites velocissimi ac fortissimi, quos ex omni copia singuli 
singulos, sum salutis causse, delegerant; cum his in preliis versabanter, 
ad hos se equites recipiebant, hi, si quid erat durius, concurrebant; si 
qui grariore vulnere aceepto equo deciderant, circumeistebant, si quo erat 
longius predeundum aut celerius recipiendum, tanta erat horam exer- 
eitatione oeleritas, ut jalsis equorum sublevati cursum adeguarent.“ Bergl. 
4,2. Livius, histor. 44, 26 (a. C. 168, Almanam urbem? [Die Alamannen 
werben zuerft vor 213 genannt.] Sprachg. 460*, Ammianus Marcelliuus 16, 
12 (©. 155). 

579 Gäfar 1, 51 (generstimgue constituerunt m. f. w.). KXaritus, 
Germ. 7 f. 14. 


219 


Verden beritten und ihnen gefellt fih nun Schritt und Tritt bes 
übrigen Heeres >80; das ift die vollftändig geeinigte Volkskraft, nad: 
mals aber ſcheiden ſich Reiter und Yußvoll 581 und diefe Trennung ber 
Streitgenoſſen (commilitones), die wie jene zwei Götterjünglinge brüber: 
ih verbunden waren, mag den großen Riß im Gefammtleben der fuer 
vifchen Völker durch ihren Auszug nad verichiedenen Weltgegenden 
bedeuten. Der ſüdwärts gezogene Theil bat die Abficht, nachdem er 
ſich jenfeits der Donau gelagert, von da aus bie Alpen zu überfteigen. 
Es tft dieß der Weg jener ſueviſchen Juthunge, die um bie Mitte des 
sten Jahrh. Rätien verheerten und Stalien bebrohten 582. Freilich ge: 
ſchah das lange vor dem Untergang bes Thüringerreiches und dem Ein- 
tritte der Nordſuaven in die alte Heimat der zu ben Langobarben aus 
gezogenen Sachſen, aber den Grundftrichen nach richtig erhielt fich Doch 
in ber Sage die Scheidung der Süpfueren von ben Nordſueven. Diefe, 
nur um Weniges links der Elbe vorrüdenn, gründeten an der Bote 
ein Suevengau, nach Genen foll das mette Feld ihrer erſten Lagerung 
rechts der Donau Schwabaue benannt mworben fein 53. Die Raft an 


50 Suev. or. 1b fg.: „Deinde provinciam illam perlustrantes tanta 
ex ea spolia diripuerunt, ut viginti millia de suis ascensores predalorum 
siatuerent caballorum. Religua vero mullitudo ecomitabatur equitantes 
gradiendo.“ 

6% Ib. 2a: „Qua pactione saneita omnis equestralis ala Suevorum 
festinarunt Theoderico in nuxilium, relicto pedestrali exercitu in loeo 
eastrorum.“ 2b: „Pedites vero Saevorum, qui in papilionibus remanserant, 
ut cognoverant quis commilitones dimieando obtinuissent loca ad com- 
masendium oportuniora, profecti sunt et ipsi, ut sicubi reperirent habi- 
tetiones coutiguas sibi.“ 

“2 Ammianus Marcellinus 16, 10 zum J. 866: „Imperator (Constantius) 
.... adsiduis nuntiis terrebatur et certis, indicantibus Suevos Retias incar- 
sare“ u. |. mw. 17, 6 zum %. 358: „Juthungi, Alamannorum pars italicis 
eonterminans tractibus, obliti pacis et faderam, qua adepti sunt obse- 
erando, Retias turbulente vastabent, ädeo ut etiam oppidarum tentarent 
obsidia pr&ter solitum.* Ambrofius, Epist. 5, 27 (Amm. ed. Grouor. 
©. 181, n. t. Zeuß 812): „in medio Romani imperii sinn Juthungi popu- 
labentur Rhetias“ u. |. w. (Dieß unter Balentinian, aus beffen Zeit es bei 
Ammianns 26, 4 zum %. 364 heißt: „Gallias Retiasque... Alamanni pupu- 
lebantur*, alfo Juthungi = Alamanni.) Über Rätien vergl. Zeuß 238 u. 

3 Soldat 26 fg.: „deinde paludes ejusdem fluminis (Danubii) in- 
genti labore transeunies in campo ammnissimo ac latissimo, Swabowa ab 


220 


biefer fchönen Stätte wird aber den Anlöümmlingen von Wilzen 3 und 
Burgunten fireitig gemacht. Unter Wilzen find in dieſem Zufammen- 
bange die von Böhmen her andringenden Slaven zu verftehen, ber 
Name ihres Herzogs, Alpler, Rorfteins Sohn, lautet freilich deutſch. 
Dieſe Wilzen wenden fih um Hilfe an die Burgunden, wie fie aud), 
nach dem Untergang ihres eigenen Königſtamms, einen Sobn des Bur: 
gundenfönigs zum ihrigen beftellt haben; der entſcheidende Kampf geht 
gänzlich zwifchen Burgunden und Sueven vor 85. Die Burgunden, 
die nach Ptolemäus hinter den Sueven-Semnonen von ber Dber bis 
zur Weichjel wohnten, ftehen nad der Mitte des 4ten Jahrh., vor ihrem 
Weiterzug an und über den Rhein, im obern Maingebiete 5, Das 
ift nun eben die Zeit, für welche Sueven, Juthunge, Alamannen als 
Verheerer Rätiens genannt find; aus berfelben Zeit wird der Marl 
fteine zwiſchen Burgunden und Alamannen, ver Kämpfe zwiſchen beiden 


eadem gente modo nuncupato, sese diffuderuni“ u. ſ. w. „Suabowa® 
heißt auch eine Heine Halbinfel am Rheine gegenüber von Aheinau in Urkunden 
von 870 und 876, bei Neugart 448 (1, 375) und 500 (1, 407). 

84 „Wilzeburc (Wilzburg bei Weißenburg im Nordgau). M. B. 1, 136. 161. 
a. 1226. Zeuß 655, vergl. 649: Burgunden und Sorben gegen den Obermain. 

585 Goldaſt 3a: „Eo tempore Wilzhi Alpkerum, Slium Rorsteini de 
Wilzin (ift damit etwa jene Wilzeburc gemeint?), in ipsa regione creaverant 
ducem pro rege, quod iidem Wilzhi cum longe ante trucidarentur, rex 
suus („Walderiens“ ift bier unriehtig beigejeßt) cum omni stirpe rıgia est 
deletus, Quam ub rem ex Burgundionum progenie Adiluolchum, Wulderici 
regis fillum, regem sibi constitaere. Siquidem Sueuis, ut prefatum cst, 
in campo constitutis, Alpkerus dux legationem Adiluolcho regi fecerat 
in Burgundiam, ut copia armatorum veniret ac peregrinas nationes, quæ 
in illa provincia emersissent, opprimeret.“ „Adalvolch“ bei Graff 1, 148 a. 
„GBeruolc“, „Ratfolc“, Trad. Wizenb. „Sigefolc” Cod. Lauresh. „Cati- 
vulcus“ Gäjar, bell. gall 5, 24. 6, 31. Bei Remling, Urlundenbuch zur 
Geſchichte der Biſchöfe zu Speyer, Mainz 1852, mehrfad in Urkunden des 1Iten 
Jahrh. (S. 198. 206. 210. 211. 214. 223), 1283 big 1241 ein Adelvolckus 
(auch) Adelwolcus), Adelvolcus de Lache(n). &. 293: „Adelvolcus, deeanus 
et scolasticus“ des Domcapitels zu Speier, 1262. Anzeiger 5, 488 u. Beit 
ſchrift für deutfches Alterthum 2, 265. 

6 „ro vor Zuundav röv Zeuvorav (I$vag), oirıyas dınaovdı nera Cor 
Alßır anı vod slpnusvov udpovg apog dvaroidg usypı rou Jovnßov noranov. 
ai ro ru» Bovpowrav ra dpefhs zal ubzp vo Ovisrovla narayorrev.“ 


Beuß 769. 133 f. Eprachg. 699. 


221 


Volkern um Grenzen und Salzquellen (die von Schwähllh:Hall oder 
von Kifiingen) gedacht 597, Diefes obermainifche Burgundenland war 


87 Bergl. Anm. 582. Ammianus 18, 2 (S. 207) zum Jahr 359: „oum 
ventum fuisset ad regionem, eni Capellatii vel Palas nomen est, ubi termi- 
nales Japides Alnmannorum et Burgandionum confinia distinguebant, castra 
sant posita.“ 28, 5 (&. 586) zum Jahr 370: „dein quod (Burgundi) sali- 
narum finiamgue causa Alamannis- sepe jurgabant.“ Claud. DMamertin. 
Paneg. genethl. 2, 17 vom Jahr 291: „Burgundiones Alamannoruın 
agros Occupavere, sed sua quoque clade quæsitos. Alamanni terras ami- 
sere, sed repetunt.* (Beuß 466. Epradhg. 702.) Zeuß 466 f.: „Neben ven 
Alaniannen u. f. w. haben ſich die Burgunden behauptet und über ein Jahr⸗ 
hundert ruhig und den Römern unſchädlich hingebracht. Ihr Gebiet bleibt 
daher im Kriege Julians mit den Alamannen unangetaftet, und an ihrer Weſt⸗ 
grenze am Palas (dem Pfahl an der Jagſt und dem Kocher) ſchlug der Cäſar, 
um nur die unruhigen alamannifchen Könige zu vernehmen, fein Lager auf. 
Da ſüdwärts gegen die Donau die Juthungen ſaßen und im untern Lauf 
des Mainz bis zum Meine bie Gebiete der Alamannenfönige Hariobaudus 
und feines Bruders, des mächtigen Macrian, ſich ausoreiteten, fo waren die 
Gegenden des obern Maingebietes um dieje Zeit Burgundenland, wahrſchein⸗ 
lich weit rüdwärts bis an die Waldhöhen. Hier nennt fie Ammian (28, 5) 
bellicosoa et pubis immens® viribus affluentes ideoque metucndos finitimis 
‚universis. Sie haben fich gefondert gehalten, nicht, wie die Zuthungen, an 
die Alamannen angeſchloſſen, fih vielmehr gegen fie wegen der Örenzen und 
Ealzquellen im häufigem Streite erhoben. Dem Balentinian war es darum 
nicht ſchwer, fie gegen die Alamaunen aufzuregen und felbft zu einer beſtimm⸗ 
ten Unternehmung gegen diefelben zu gewinnen.” 312: „Wahrſcheinlich ift 
Capellatium die alte keltiſche Bezeichnung der römischen Befeftigungsmauer Palaz, 
das ih uch in Pfahl erhalten Hat, dasſelbe Wort, durch die Deutfchen um- 
geformt. Da aber bier Fein anderer Theil der römifchen Grenzbefeftigungen 
verftanden werden Tann, als der über dem Nedar an der Jagſt und dem 
Kocher, jo iſt anzunehmen, daß ſich von da nach Often die Burgunden ver⸗ 
breiteten. Cine andere Grenzbeftinnmung gibt no Ammianus 28, 5: Sali- 
narum finiumque causa Alamannis srepe jurgabant (Burgundii). Welche 
Salzquellen aber Bier verftanden werben müffen, ift faum zu entjcheiden, da 
die Burgunden ebenfowohl bei Hall als bei Kiffingen fid mit ven Alamannen 
berühren konnten. Gewiß ift, daß die Burgunden von der Donan entfernt 
waren; denn nie werben fie während ihres Aufenthaltes neben den Alamannen 
als Nachbarvolk von Rätien genannt, wohl aber die Juthungen. Es darf aber 
für ſicher gelten, daß die Burgunden einen beträdtlichen Raum einnahnıen 
und deswegen über das ganze obere Maingebiet ausgebreitet waren.” Gtälin 
2, 128: „Endlid gelangte ev (Julian) an die Grenze der Wlemannen and 
Burgunden, in eine Gegend, genannt Gapellatium oder Palast, wahrſcheinlich 


222 


nicht zu entlegen, um nad Hilfe gegen die an ber Donau gelagerten 
Sueven beichidt zu werben 58. So bietet fih auch für biefen letzten 
Theil der Erzählung eine örtliche und vollsgeſchichtliche Anlehnung; 
der fagenhafte Vorgang, die ſueviſche Kriegälift, findet fich nirgend 
anderwärts und auch die bier vorlommenden Berfonennamen laſſen fich 
jo wenig, als manche der früheren, fonft wo an Gefchichte oder Sage 
antnüpfen 569, Es ſpricht nichts dafür, daß der Inhalt der Dargelegten 
drei Abfchnitte von Alters ber in Lieb oder Enge verbunden geweſen 
fei; Überlieferungen, bie unter ſich nicht innerlich zufammenbängen, find 
bier gerade fo an einander gereiht, wie e8 mit den Abenteuern ber wan⸗ 
dernden Gothen, Langobarden, Sachfen geicheben ift. Merkwürdig bleibt 
aber, daß jeder Abfchnitt das Leben des ſueviſchen Bolles, wie ſolches 
erſt durch neuere Forſchung überfichtlich getvorven ift, auf einer befon- 
dern Stufe darftellt; der erfte gibt den Gefichtölreis der dem “Meere 
zugewandten Suevenvölfer, der ziveite die Trennung nah Süb und 
Nord und die neue Stellung des nörblihen Vollstheils, der dritte führt 
den füblihen Hauptzug auf den Boden, den er ſich zum neuen, blei: 
benden Wohnſitz erlämpft. Die Sage geht nicht vom femnonifchen 
Mittelpuntt aus, fie lommt über Meer und mißt den langen Heeriveg 
vom Geſtade des Belts bis in das ſchwabiſche Donauland. Nachdem 
in der großen Völkerbewegung das Wandern die allgemeine Loſung 


die Gegend um das falzquellenreihe Schwäbiſch⸗Hall, da fi auf der Grenze 
der Burgunden und Wemannen Salzquellen befunden haben follen, der Name 
der Gegend auf den nahen römiſchen Pfahl hinweiſt und die Wohnfike der 
Burgunden nördli von diefem Pfahl gedacht werden müffen.” Sprachg. 702 f.: 
„der bader um die falzquelle geftattet aber den ort der grenze an ben Kocher 
im ſchwäbiſchen Hal wie an die Saale bei Kiffingen zu legen (Ben ©. 312).“ 
Ebend. 803 u., f. ob. werben in den Burgunden die Lygier des Tacitus gefunden; 
diefe waren dod wohl mehr ſüdöſtlich. Vergl. Beuß 134 ob. 

%8 Goldaſt 3: „Siquidem Bueuis, us prefatum est, in campe con- 
stitutis Alpkerus, (Wilzorum) dux, legationem Adiluolcho regi fecerat in 
Burgundiam, ut copia armalorum veniret ac peregrinas nationes, que in 
illa provincia emersissent, opprimeret,“ 

%9 Bei Goldaſt, scriptor. rer. alam. 2, 1195 (unter den nom. propr. 
masc. in Alemannia Curiensi et Burgundionensi): „Vualdiricus, Vnaldri- 
eus.“ ber auch nicht felten in den Trad. Wizzeb., dem Cod. Lauresh. und 
bei Neugart. Ein Franle Waldricus bei Widulk. 1, 9 (S. 10). 





223 


geworben war, kann es nicht befremben, wenn ber Glaube an über 
feeifche Herkunft, Iandeinwärts dringend, auch Diejenigen ergriff, die 
ber Geburt im Binnenmwalde gehuldigt hatten, und fo die fuenifche Übers 
lieferung fih von Grund aus zur Wanderſage geftaltete. 

Noch gilt es, eine räthſelhafte Berfon aufzubellen, die beim Sturje 
des thüringifchen Reiches in bedeutende Mitwirkung gezogen ift, den 
unbeilvollen ring. Die Gefchichtichreiber, welche dem Ereignis näher 
fteben, kennen dieſen ring überhaupt nicht und nach ihnen fommt ber 
König Irmenfried dadurch um, daß er zu Zülpich unverſehens von der 
Stadtmauer herabgeftoßen wird 5%. Die fagenhaften Berichte lauten 
ungleich, der ſchwäbiſche weiß zwar von den Ränken rings, läßt aber 
den befiegten König mit den wenigen Überbleibfeln feines Heeres zu 
Attila entrinnen, ohne daß biebei rings bejonders ermähnt if; da⸗ 
gegen unterſcheidet Wibulind mas er für geſchichtlich anfieht, merflich 
von dem, was er als Sage beigibt. Zur Gefchichte rechnet er, daß 
König Irmenfried mit feiner Yrau, feinen Söhnen und wenigem Gefolg 
aus der von ten Sachſen überfallenen Stadt entwichen 591; weiterhin 
aber erzählt er als denkwürdiges Gerücht, welches Ende bie beiden 
Könige genommen. Iring, ber fich in Dietrihd Lager befindet, wird 
von Diefem durch große Veriprechungen zum Berrath an feinem Könige 
beſtochen; als Irmenfried, berbeigerufen, fich vor Dietrich niederwirft, 
wird er von Sring, der als königlicher Waffenträger mit bloßem Schwert 
zur Seite fteht, rüdlings erſchlagen; alsbald fpricht Dietrich: „allen 
Menfchen verhaßt, weil du deinen. Herrn erfchlugft, hab’ offenen Weg 
bon mir zu meichen! ich will deiner Echalkheit keinen Theil haben.“ 
„Mit Zug”, erwidert Iring, „bin ich allen Menfchen verhaßt morben, 
weil ich deinen Ränken gehorchte; bevor ich ſcheide, will ich meinen Frevel 
büßen, indem ich meinen Herrn räche.“ Wie er mit entblößtem Echwerte 
ſteht, erfchlägt er auch den Frankenkönig und legt über deflen Leichnam 
den feines Seren, damit Diefer menigftens tobt noch fiege. Ob man 
folcher Rebe Glauben fchenten wolle, ſchließt Widukind, ftehe beim Lefer: 
doch fei nicht gu verwundern, daß wermöge diefer Sage der Milchkreis 

0 Mascou 2, A. 21 f. 

sm Widukind 1, 11: „Cumgue penes regem, videlicet Irminfridum, 


samma victoria esset (?), requisitus, cum uxore ae liis ac raro comitatu 
evasisse repertus est.“ 


224 


am Himmel bis zur Stunde nad ring benannt werte 5%, So bat 
Widufind das Verdienſt, den Mythus, den er richtig berausfühlte, 
dennoch in Träftigen Zügen gewahrt zu haben. Die ſchwäbiſche Fafjung 
konnte bier nicht beipflichten , eben weil fie ihren Srmenfrieb nach Hunnen⸗ 
land rettet und bamit anderweitige Sagenverbinbung eingeht 3%, Syn 
den Gedichten des größern deutſchen Helvenkreifes befinden ſich am Hofe 
des Königs Ebel mehrere chriftliche SFylirften, die, durch inneren Zwift 
aus der Heimat vertrieben, fich unter den Schub des mächtigen Her: 
ſchers geftellt haben; vor allen Dietrich von Bern mit feinen Reden 
aus Amelungenland, dann aud, meift zufammen genannt, ber Landaraf 
Senfried von Thüringen, Hawart von Dänemark und ring. Über 
den letzten ſchwanken die Angaben. Nach dem Nibelungelieb ift er 
Hamarts Mann und wird auch ale Däne, als Markgraf von Dänemart 


52 Widukind 1, 13: „Qui autem finis reges secutus sit, quia memiora- 
bilis fama esi, prodere non negligo. Minsus denique Iring ad Thiadricum 
co die, quo capta est civitas, proxima noctu susceplus ab co permansit 
in castris. Audito autem, quis elapsus esset Irminfridus, egit, ut dolo 
revocarelur et Iring eum interäceret, lamquam claris muneribus ab ipso 
donandus ac magna potestate in rcgno honorandus, ipse vero Tlhiadricus 
ceedis illius quasi alienus existeret. Quod cum Iring zgre suscepisset, 
falsis promissiunibas corruptus, tandem cessit seque parere voluntaü 
illius confessus est, Revocatus ilaque Irminfridus, prosternilur vestigiis 
Thiadrici. Iring vero, tamquam armiger regalis stans secus evaginalo 
gladio, prostratum dominum trucidavit. Statimque. ad eum rex: Tali 
facinore omnibus mortalibus odiosus factus, dominum tuum interficiendo, 
viam habeto apertam a nobis discedendi; sortem vel partem tuse neguitise 
nolumus habere. Merito, inquit Iring, odiosus omnibus morlalibus factus 
sum, quia tuis parui dolis; antequan, tamen excam, purgnbo hoo scelus 
meum vindicando dominum meum. Et ut evaginato gladio Btelit, ipsum 
quoque Thiadricum obtruncavit, Sumenaque corpus domini, posuit super 
endaver Thiadrici, ut vinceret saltem mortuus, yui vincebatur vivus; 
viamıque ferro fuciens discessit. Si qua fides his dictis adhibeatür, penes 
lectorem est. Mirari tameı non possumus, in tantum ſamom preevaluisse, 
ut Iringi nomine Quem ita vocitant, lacteus cali circulus usque in pr®- 
sens sit notatus.“ (Deutide Sagen 2, 322 ff.) 

83 Golidaſt 25: „decreverunt (Suervi m. ſ. w.), Thuringiornm enstra 
ex improviso irrumpere. (Quo peracto tantam strugem de lıostibus dede- 
runt, ut vix quingenti cum Irminfrido evaderent, qui etiam comınigre- 
verunt ad Uunnorum regem Attilam,* 


225 


bezeichnet, übrigens ſteht er mit ben beiben andern an ber Spitze 
einer anfehnlihen Schaar von Thüringern und Dänen und im Kampf 
it er der vorragende Helv 59%; „mie ring erichlagen ward“ ift ein 


3 Nib. 1286: 
25 kom von Tenemarfe der !itene Gäwart 
unt Irinc, der vil fnelle, vor valfche wol bewart, 
Iruvrit von Düringen, ein wätlicher man; 
ft enpbiengen Kriemhilde, daz ſido re umoſen bin. 
(1326: Dit zwelf Hundert maunen, die fuortens in ir ſchar.) 
(1745: Häwart und Frinc, zwen üz erwelte man, 
vie jach man gefelleciichen bi den Plinegen gän.) 
1815: dö lömen die von Düringen, als uns daz iſt gefeit, 
und der von Tenemarlen wol tüfent küener man, 
von flihen ſach man vliegen vil trunzlne Ban. 
1816: Irnorit unde Haͤwart in den bnhurt riten. 
ir beten die von Rine vil ftofzlich erbiten, 
fi buten manege tiofle den von Dürengen lant. 
des wart von flihen dürkel manıc herlicher zant.) 
1965: Tb rief von Tenemarle der marcräve Frinc: 
„ih Han Af Ere laͤzen mu lange minin dinc 
und han im volles ſtürmen des Geften vil getän; 
bringet mir min gewäfre! ja wil ich Hagne beſtaͤu.“ (Vergl. 1967; 2.) 
1968: „Do wart gewäfent balde der degen Frinc 
und Irnvrit von Düringen, ein kllener jungelinc, 
und Hawart, der flarle, wol mit tffent man; 
ſwes Frinc begunde, fi woldens alle ine gefldm. 
1969: 28 ſach der videläre ein vil gröze ſchar, 
die mit ringe gemäfent komen dar. 
fie truogen uͤf gebunden manegen helm guot u. |. w. 
(1971: „Ru heizet niich niht liegen!“ ſprach Hawartes man.) 
1974: Jrinc von Tenemarken höhe truoc den ger n. |. w. 
1983: er (Giſelher) fluoc den Tenelender u. |. w. 
1988: doch wunder Jrinc Hagnen durch dem heimehuot. 
daz tet der heit mit Wasken, daz was ein mwäfen vil guot. 
1989, 3: al da muoſt im entwichen der Haͤwaries man. 
15: Do fiuont gein dei winde Frinc von Tenelant u. f. w. 
des hete der marcräve einen ich höhen mruot. 
19%, 2: der HAmwartes man u. |. w. 
2001, 2: er fchöz af ringen, den heit von Tenelant. 
2002: Irinc mmoR entwichen zuo den von Tenelant. 
2008, 2: den ſtarken ringen u. f. w. 
Ubland, Schriften. YIN 15 


namhafter Abfchnitt des großen Liedes: zweimal läuft er allein, jedes 
Geleit abweiſend, gegen den Saal an, den die Burgunden innebaben, 
das erfte Mal ficht er nacheinander mit Sagen, Voller, Gunther, Gernot, 
erichlägt ihnen vier Männer, wird felbft von Giſelher niebergefchlagen, 
bag er betäubt und für tobt im Blute Liegen bleibt, fpringt plötzlich 
wieder auf, vertvundet Hagen und entflieht unter deſſen funkenſchlagenden 
Schwertftreichen mit zerhauenem Schilde die Stiege hinab; das andre 
Mal fchießt Hagen, mit dem er abermals gewaltig Tämpft, auf den 
ſchon Berwundeten einen Speer, daß ihm die Stange vom Haupte ragt; 
fo muß ring zu den Seinen entweichen und als man ben Speer aus: 
bricht, nabet ibm ber Ton 3%. Die Klage weiß von den drei Fürften, 
daß fie in des Neiches Acht gelommen wären, dab man fie gerne zu 
des Kaiſers Hulden gebracht hätte, fie jedoch bis an ihr Lebensende 
unverföhnt blieben; Irnfried fei aus Thüringeland, mo er Landgraf 
bieß, verftoßen worden, Hawart fei Vogt in Dänemark geweſen und 
babe mit großer Gabe den kühnen ring, der in Lothringen geboren 
war, zum Manne gewonnen 5%, Im Gedichte von Dietleib, das mit 


2008, 4: do ſprach vor finen mägen der küene rede unt gemeit u. |. w. 
2005: Er ſprach zuo den von Düringen unt ben von Temelant u. |. w. 
2006: genefen niht eumohte der Hämaries mar, 

dd muos ed on ein flriten von den von Tenemarke gan. 
2007: Irnorit unde Hämart ſprungen für daz gadem 

mit tuſend helden u. f. w 
2008: der edel videlaͤre den Lanteräven ſluoc u. ſ. w. 

2009, 4: doch viel der lanteraͤve vor dem videläre tdt. 

2011: [DE] die Tenen unt die Düringe ir herren fähen tbt. 

2014: Thfent unde viere fümen in daz huͤs, 
bon fmerten fach man biiden vil manegen ſwinden füs. 
fit wurden body die reden alle brinne erflagen u. |. w. 

Fornald. 8.2, 12. 14: Hävardr, enn handram(m)i, in bänifcher Königereibe. 
5 Woentüre 35, bei Lachmann das 19 Lied. 
896 St. 185 ff.: 
bie Df gnäbe wären fomen 

Etzeln, dem richen. die dienten ängeftlichen. 

der wil ich iu nennen dri, daz ellin fant des wären pri, 

daz iht küeners drinne wäre, dame Irnfrit, der märe, 

und Häwart und Irint. den reifen wärn iriu dinc 

von grögen ſchulden (han ich vernomen, daz fl) ins riches ähte (wären) bomen. 

doch wart des vide fit gebäht, daz man fi gerne hete braht 


227 


ber Klage ven gleichen Verfafier bat 597, find tiefe zuſammengehörenden 
Neden gleichfalls foldhe, die um des Hafles ihrer Feinde willen ihr 


zuo bes feifers hufden; (doch) belibens in den ſcuiden 

an; an ir libes ende. fi hät mit gebender hende 

Etzel braͤht dar zuo, daz fi nu fpdt unbe fruo 

täten, fwaz er wolde; do man rechen folbe 

der Ichönen Krimbilde leit, des wärn fi willic unde bereit. 

man fagt, ala ich haͤn vernomen, von wanne fi dar wären lomen. 
Frufrit, der heit uz erlant, der het gerumet Dürenge lant, 

da er £ lantgräve hiez, 2 man in da verflieg. 

Hämart, der degen ſtarke, was vogt m Tenemarlke, 

Frink. der degen Az erforn, was ze Pütringe geborn 

und was ein ſtart küener man; mit grözer gäbe im an gewan 
Häwart, daz er wart fin man; ſus if uns daz märe lomen an. 
ſi heten üz gejundert driu unt drizec hundert 

RK braͤhten mit in in daz lant; der wart von Volleres hant 

f& maneger in dem fturm erflagen, daz manz immer wol mac fagen. 
och finoc der heit märe, ber ſpähe vibeläre, 

Senfribe, den rihen, im dem fiurme herüchen. 

w fluog von Zronge der belt ben Füenen und den üy erwelt, 
von Luiringe ringen. (mer) het bes gedingen, 

dag ieman Hiener folte leben? doch het im vollen kön gegeben 
den er daͤ flahen wolde tös, Hagen, der fit in der nödt 

Sefuont unz hinz dem’ leſten bi ben werben geften. 

Häwarten den fluoc Dancwart (Nib. 2010. Hagne). des ellen jelten was geipart 
in beheiner jlahte not. mich wundert bes, daz in ber töt 

ie getorfle beflän, wan er het da getän, 

daz man daz fagt ze märe, ob es zivelfen wäre 

ao Füenen geichehen, day mans müch für wunder jehen. 
(Abweichende Lesarten Anm. ©. 296 f. Helbenf. 155 f.) 

540 fi.: nu was od) der kunec Fomen, 

da er ringen vant, den mit williger hant 

des muotes unverdroggen Hagen het erfchozgen, 

da er im angeflic entran. fivie der Hämartes man 

wol firite mit dem degene umt ſwie der Narle Hagene 

von im wunt wäre, der lilene Trongäre 

bet den helt ze töde erilagen. ven begunde bö flagen 

mit Eheln, dem rien, alfo tlegelidyen 

der fürfte von Berne, fi fähen vil ungerne 

die fin bil tiefen wunben, od Hagte in am den ſtunden 

der alte meifter Hilkebrant alfd, daz manz wol ervant. 

ouch Hulfen Hagen in din wip des vil Hienen (Iringes) lip. 





228 


eigenes Land räumen muften; Sting aus Lothringen wird dem Herzog 
diefes Landes, von welchem er in Acht gethan ift, Irnfried von Thü- 
ringen dem Landgrafen, ber ihn vertrieben, auf Etzels Seite zum Gegner 
beftellt 58, Sonſt wirb ring für fi) allein in den Gebichten von 


den Hagte man von ſchulden; naͤh ſchöner wibe hulden 
efender man nie bay geranc; oc muos man im des fagen dank, 
daz er fd herlihen warp uud aljd gnendiclich erftarp 
vor maneges refen ougen u. |. w. 
562: der fünie Hagte jere 
des ftarfen Fringes ellen unde finer hergefellen. 
in hiez der wirt od) iragen dan und mit im brizic finer man, 
die bi im zuo den flunden oc töte wurden fanden. 
(Vergl. Anm. S. 803. Vergl überhaupt bieher Heldenf. 115 fe. Sommer im 
der Beitichrift 3, 202 f. Gegen den Zuſammenhang zwifchen Ienfrit und 
Hawart und dem Edeorid und Hadawart im Waltharius 755 bis 845, wie er 
Heldenf. 116*) vermuthet if, erllärt ſch J. Grimm,» Lateinifche Gebichte 116 f.) 
59% Helden. 159 ff. Lachmann, Aum. 287. W. Wadernagel, Geſchichte 
der dentſchen Fitteratur ©. 207. 210. 
5% Dietl. 1589: von Luttringe ring. 
8433 fi.: da bevalch er Ebel) gefundert ritter zwaintzigt hundert 
aus Luttringen dem Hienen Yringen; 
Habart und auch Yrnfrid, die zwen helden, riten mit u. f. w. 
6287 fi.: Da ſprach die edel Iunigin: „fo bevifch ich das gefinke min 
Zringen von Luttringen; des han ich gebingen, 
day ſy der ellenthafte man nach eren wol gelaiten fan; 
damit reit auch Hawart, fo fileget fich Die heerfart, 
und Srenfribt, der mweigant; die miehen doch ir jelber lant 
raumen durch ir veinde Haß; es zimbt im leicht deſter bas, 
ob ir in dem fireite dhainer wider reite.“ 
7722 fi. (Hildebrand fpricht): „den berzoge aus Luttringen 
ven fol ber Yringk beftan, von dem in achte ward getan 
der Etzelen rede aus Hımelant. Irnfride, den weigant, 
ben fchaffe ich billeichen dem lantgraven reichen, 
von dem der heit ward doch vertriben und elfenbe iR auch beliben 
in huniſchen landen bei Etzele(n) weiganden. 
So fchaffe ih Hawarte, der nie den leib geiparte 
m dhainer angftlihen not, wie wol er ſahe den tot, 
06 er da ſterben folde, den fürſten Berchtolde 
von der Smwaben lande” u. f. w. 
11614 ff.: und Syrenfrive von Züringen lant und Hawart, ben weigant, 
und ringe von Luttringen u. f. w. 
11627: der tewr degen Yrnfridt. 


229 


_ 


Dietrichs Flucht und von ber Schladht vor Raben unter den Helden 
deö bunnifchen Heered genannt, doch ohne irgend einen Bezug auf feine 
Herkunft und jein Geſchick; nur geventt er einmal feines Bruders Er 
win 39, Keines dieſer deutſchen Dichtwerke fpricht von ber nach dem 
Helden benannten Himmelftraße. Doch erfcheint biefelbe noch, wenn 
auch verbuntelt, in ber nordiſchen, aber meift aus nieberfächfifcher Über: 
lieferung zufammengetragenen Dietrihefage. Diefe verlegt ven Schaus 
platz ber Nibelungenotb nach Suſa (Eoeft), wofelbft die Steinmauer, 
an ver rung, von Hagen? Speer durchbohrt, nievergefunten und in 
welcher der Epeer feftgeftanden, noch immer Irungs Wand heiße ®®, 
Daß bier eine Verwechslung de3 deutfchen Wortes „Weg” (altn. vegr) 
mit dem altn. veggr, Wand, obwalte, unterliegt keinem Zweifel 1, 
ber Irrthum war aber auch dadurch hervorgerufen, daß ein Iringsweg 
keinen Einn hatte, wenn ber Held auf der Kampfftätte liegen blieb. 


Die Stellen find verzeichnet Heldenfage 116 197. 211 (Dietrichs Flucht 
5126: „der ftard Yrinck.“ Rab. 54. 709: „Yrinch, der mere”, vergl. Kl. 188: 
„ssenfeit, der märe“, 207: „ber heit märe, der fpähe videläre“ u. ſ. w.). Rab. 
542: „Hin fur trat her Yrind, als ein helt gut u. |. w. ſechtzehen tnfeut 
vollickliche, tie han ich hie” u. |. w. 548: „Ich und myn bruder Erwin“ 
u. |. w. (Epurwin? Dietrichs Flucht 9841 auch „Erin und Ploblin”; 
Dietrichs Flucht 5126 ff.: „ez waz der ftard Yrind und daz ander her Plodelin 

und von Elſen Troie her Erwin“ u. f. w. 5375 f.: „do ſprach Yrind und 
Blodelin und von Elfen Troie Erwin“ u. ſ. w. 5893 f.: „ber Yrind und 
ber Blobelin, ez fompt von Elfen Troie ber Erwin“ u. f. w. 7335: „Blodel 
und ber rind,“ 8567 f.: „rind und Blod(e)lin, Helph(e)rich und Er(e)win“ 
u. f. w. 9841 f.: „Elürinh und Plodlin, Walther und Erwin.” Rab. 56: 
„Erwin von Eifen Troie.“ Vergl. Wolfwin unter den Wölfinsen.) 

co Wilk. 8. ©. 860 (vergl. ©. 852): „Oc nn hleypur Irungur annat 
sinn i hollina at Hogna, oe nu varaz Hogni vid, oc snyr i gegn honum, 
oc leggur sinu spioti undir hans skiolld i hans briost, sva at sundur 
tekur bryniuna ok bLukinn, sva at umm lıerdarnar kom ut, oc tha letur 
Irungur sigaz vid steinvegginn, oc thessi steinveggur heilir Irungs veggur 
enn | dag, oc spiutid Hogna nemur stadar i steinvegginum.* Altſchwed. 
S. om Didrik af Bern (Stodh. 1850) €. 332; „iba sprangh jron järl j 
salen, tha fik haghen etlı spyuth stanglı ok stak til honum vndher skiöl- 
len ok gynon: brönio ok brysth saa at wtlı stodh om liärdhanar ok han 
störthe dödh op til mwren ok kallas tlız du j dagh Jrona regt. - Br 
(€. 822 richtiger: Irwngh) . 5 

@ı Helvenf. 179. 395. Mythologie 833. 


gr + 


230° 


Die Anlage der Nibelungenoth bradyte mit fi, daß bie Hauptftreiter 
in ihr Blut fanten; auch ring, einmal in dieſen Kreis aufgenommen, 
war tem Zuge deö Ganzen verfallen und das beutfche Lied, dem Feine 
Wortverwechslung zu ftatten kam, bat ſich mit Recht jeder Bezugnahme 
auf den myhthiſchen Weg enthalten. Wohl aber kennen alte Gloffen 
den „Iringes mer” als Sternbahn und die „ringes ſtraͤza“ der Auer 
berger Chronik, welche faft wörtlich nah Widukind erzählt, findet ſich 
noch bei Aventin in der Form „Euringöftraße” 62, Ein Nachllang 
davon, wie ring in Thüringen fi mit dem Echwerte Bahn bricht 
(„viamque ferro faciens discessit“), ift im Nibelungenlied ertennbar, 
wenn dieſer Rede feinen erften Angriff auf die Burgunden allein mit 
dem Schwerte macht und noch flüdtig, aus dem Blut auffpringend, 
jähe Schwertichläge gegen Hagen führt 8, In biefem Theile feiner 


© Mythologie 332. Aventin, Chronif, Frankfurt 1588, Bi. 1026: 
„König Euring, König Theffels Bruder, ift gefeflen oberhalb Taurnburg, jet- 
und Griechiſchen Weifienburg, in der Statt Schirmburg, jekund Sinching, 
umb die Donauw zu Deuifhhurg, da die Dra dreyn fellt, iM ein Künſtler 
und des Geftirns fündig gewefen. Bon im nennen die alten Teniſchen Eurings⸗ 
firaß, den weiffen Kreiß, fo man zu Nacht am Himmel fit, und die Römer 
und Griechen in ihrer Sprad von der Milch, auf Griechiſch Galaxia und 
lacteum circalum beiffen.” Bon Guring werben die Ortsnamen @uring, 
Euraßburg, Euringaßburg, ebend, BI. 108a. Bergl. Schmeller 1, 96. (Bom 
König Thefiel heißt es vorher, Bl. 1026: „wie die alten beyerifchen Heimen 
fagen, bat er hundert Zar gelebt, regiert nad) feines Vatters tod fünf und 
achtzig Far, in alt Beyern heiffen in die Bawren noch König Xheflel, fagen 

viel von im.”) [Die Mihfiraße Mmüpft an die Galater an, da |pielt dann 
Liv. 88, 16 fi. herein, vergl. was be’ Zeuß im Reg. unter Talaras, Galatia 
verzeichnet ift.] 

@s Nib. 1967 Iring zu Hagen: 

„j& wil ich mit dem fmerte eine dich beftän.“ 
1970 Voller: 
„Sehent ir, vriunt Hagene, dort ringen gän, 
der inch mit dem ſwerte lobete eine beſtaͤn?“ 
1987: Wie rebte tobelihen er üz dem bluote fpranc! 
finer fnelheite er mahte jagen danc. 
dd lief er fg dem bäfe DE er Hagnen vant, 
set 8 amd Sluog im flege fminde mit finer eilenthafter bant. 
1988: - *- DE dahte Hagne: „du muoft des töbes weien. 
dich envride der tievel, dune kanſt niht genefen.” 


231 


Rampfibaten ericheint ring, wie bei Widulind, als ver Held auf ſtreit⸗ 
barer Flucht. Als foldhen Tennzeichnet ihn aber auch fein Name. Die 
wenn auch vertvorrene Schreibung einer thüringifchen Glofſe „via secta: 
Juuaringes uueg“ 604 weiſt darauf, daß die Hauptfilbe in Srinc, Eu⸗ 
ring durch Zufammenziehung gebilbet fei, und als zufammengezogened 
Stammwort bietet ſich hiefür abd. Epar, Epur, ebir, heber, agf. &ofor, 
altn. iöfur (flalbiich für König), und hieraus gefolgert goth. ibre, 
ibrus 605; wie ber Name lormandes auf ein gotb. Iburnanbs, zfa. 
larnanps, ahd. Eparnand, zurüdgeführt werben konnte 606 und Euricus, 
ein weſtſueviſcher Königsname, auch in den vollftänbigeren gormen 
Eburicus, Heboricus vorkommt 607, fo ergibt ſich auch Euring, Srine, 
Hirinc ald Zufammenziehung aud Iburinc, Ebirine, Hebirine 6%, 
Urkunden der ahd. Zeit bringen den Ramen in beiver Weiſe, am bäu: 
figften zufammengezogen Irinc, daneben aber auch Eburing, Heberinc 
und in ber Mehrzahl als Drtsnamen Eboringa, Heburinga, bu: 


doch wundet Frinc Hagnen durch den helmehuot. 

daz tet der helt mit Masten, daz was ein wäfen vil guet. 
1989: Dd ver herre Hagne der wunden enphant, 

do erwagte im nngefuoge daz jwert an finer hant. 

al da muoſt im entwichen der Haͤwartes man, 

abe von der fliegen Hagne volgen im began. 

4 Myth. 332: „ungedrudte gloffen der amplonianischen bibl. zu Erfurt 
(1/, id. bi. 14a) haben „via secta: Juuaringes uueg“, weldyes Juwaring 
ſehr bemerlensiserth zu ber noch fpäteren Form Euring in Euringsſtraß bei 
Aventin 1026, 108.a ſtimmt.“ Da uu in uueg = w fteht (Gr. 1 (2), 137), 
fo wird auch Juuariug nicht für Juwaring, fondern für Zworing oder Jwaring 
zu nehmen fein; Schwanten zwiichen alt. a uud o Gr. 118), 231. 285 u., f. ob. 
[Eitm. lex. 66: „ring m. |. w. goth. Eisings. Eiziugs? u. |. w.“] 

0 Graff 1, 9 f. Er. 3, 826. Epradig. 276 u. 407, 2. 

©s J. Grimm, Diphth. 51. Über Fernandes 4 f. „Eharnand“ Graff 2, 1098. 

602 Iſidor. Hilpal., hist. Goth. Vand. Suer., herausgegeben von Rösler, 
S 58 Mascon 2, U. 167 f. Aſchbach, Geſchichte der Weſtgothen 211, 69. 
Dagegen iſt der Name des weſtgothiſchen Euricus zufammengezogen aus Eu- 
tharins, Ifid. ©. 31. Mascou 1, 485 ff. (au Euridicus, Euaricus), über 
Jomandes 5, 2. 

8 Über Zornandes 59. Sprachg. 449: „jelbft der heſdenname ring 
ſcheint nichts als ſtarke kürzung von Epurdurinc.“ Bergl. ebend. 598, 2. Die 
Zufammenziehung aus durinc hat 3. Grinım aufgegeben, damit ati abet’: 
nicht die aus Epur-, bir. 


233 


ringa 9, einfach Ibor erſcheint im Namen des Iangobarbifdhen Sagen: 
beiden 610, Ebor in einer alamannifhen Urkunde Ss. Ca ift früher 
bemerkt worden, daß im beutichen Altertum ber in den Wald geflohene 
Berbannte ald Wolf gedacht und bezeichnet war und daß vermutblich 
auch dem jagenhaften Geſchlechtnamen Wölfinge diefe BVorftellung zu 
Grunde liegt.“ Ähnliche Bewanbtnis hat es, wie nun gezeigt werben 
fol, mit Eber und Ebring. Der norwegiiche Königsſpiegel vom Schluſſe 
bed 12ten Jahrh. reiht unter die Mertwürbigleiten Irlands Folgendes 
ein: „bort ift nod) ein Ding, das wunderbar bedünken mag, die Männer, 
die man Eber nennt; die Urſache davon, daß Männer zu Ebern werden, 
ift diefe: wenn Kriegsvolk zufammentrifft, in zwei Schlachtorbnungen 
geſchaart, und breite heile gewaltigen Schlachtruf erheben, ta Tann 
es furdtfamen Männern, die nie zuvor ins Heer gelommen find, ge: 
ſchehen, daß fie vom Echreden, der fie tort ergreiit, ſinnlos merben 


0 eine, Hirinc, über ganz Deutſchlaud verbreitet, bedarf feiner beion- 
deru Belege, wit dem Genitiv find mehrfih Ortsnamen gebildet (vergl. Done, 
Unterfuchungen 74 f, Anzeiger 5, 260. Mythologie 334 oh). ım alemanıifchen 
Urkunden „Irincheshuſa“ (Irgenhauſen Kant, Zürich) Nengart 176 vom J. 812; 
„Iringesberc“ (Igeisberg, im wirtembergifchen Oberanıt Freudenſtodt) Cud 
Hirs., Auen 2, 64, Gerbert, hist, silv. nig. &, 222 (Stälin 2, 437: „partem 
montis iringesberc*), „Eburing“ Grafj 1, 9% u., f. ch. „Heberinc” Neugart 
886 von J. 859. „Eboringa“ Reugarı 114 v. J. 791, „Heburinga“ ib. 120 
v. 3. 798 (vergl, Hebriringa ib. 268), „Ebringa“ ib, 401 v. J. 861, „Ebriu⸗ 
gen“ ib, 7 zw. 716 bis 720, „Eburingen“ Cod. Lauresi. 2668 (überall 
Ebhringen im Breisgau, verfhieden von „Eueringiu“ Neugart 877, Efringen 
bad, W. Lörrach, beide Orte auch bei Dünige, Reg. Bad. Ortsreg. ©. 167), 
„Zburinga* Neugart 53 vom J. 778 Überlingen), ſtait deſſen in Walafr. Str. 
vita b. Galli 6, 15: „ad Iborninges villam* (Golidaft, Ser. rer. alam. 1, 
154). Für letztere Schreibung fommt die dunkle Namenform Churun, Chorun, 
Chan, Eburin (f. die Rauıenreg. bei Neugart, Zeuß, Cod Iauresl.) in Frage. 
Neugart 596 (1, 486): „birinesora”, Ind, geogr. (13) „&bersan.” 

6 Baulus Diaconus I, 7. Myihologie 336. Diphth 51. Eprachg. 686. 

Sl Goldaſt, script. rer. alam. 2, 29, XIV {nicht bei Nengart]: „sign. 
Ebores“, Mitzeuge: „sign, Ebaroli“ = Irolt (vergl. Gubr. Bolim. Str. 310 
bis 318. 665). Gregor. Zuron., Hisi. ececlesiast. Fraucor. B. 7, G. 13: „Ebe- 
ronem, eubicularfium Childeberti [2] regis* u. f. w. 


ee So wohl auch Wolfuni, wie Helmuni (3. Grimme, über eine urlunde 


inch: 68 ah. 16, Meichelbedl 108), vergl. Er. 2, 174 u., f. 994 ob. An- 
zeiger 6, 473. 475, 3. Gtaff 1, 850: „Wolfene.“ 


233 


und hernach von ben Leuten hinweg in Wälder laufen, wo fie wie 
Ihiere fih nähren und gleich den Milde bie Begegnung der Menſchen 
fcheuen“ 612. Aber auch auf Jsland war diefe Vorftellung heimiſch. 
Eyrbyggia⸗Saga erzählt zum Jahr 981, wie in den blutigen Streitig⸗ 
fetten der beiden Asländer Thorarinn und Thorbidrn ein Schotte, Ras 
men! Naglı, der bei Zenem zu Gafte war, als er die Waffen ſchwingen 
ſah, erfchroden davonlief, in das Gebiry hinauf, und zum Eber ward; 
nah Beflegung der Gegner reiten Thorarinn und feine Begleiter dem 
Flichenden, den fie oben an der Berghalte hinlaufen fehen, eiligft nach, 
um zu verbüten, daß er nicht im die Eee oder über die Feljen hinab 
fpringe, fie ergreifen ihn auch, weil er vor Müde erlegen ift, aber zwei 
Schafknechte Thorarinns, welche Naglı, die Nachreitenven für Feinde 
baltend, in feine Flucht mit fortgeriflen hat, flürgen fi vom hoben 
Gipfel des Bergfalles zu Tod, der aud nad ihnen binannt ift *18, 


612 Konge-speilet, Chriſtiania 1848, Cap. 11, ©. 27, wo dieß noch weiter 
abenteurlich ausgemalt wird: „b& er enn einn sd hlutr er undarligr mun 
Pykkja um menn p6, er geitir eru kalladir. En Pessi er sök til, ef menn 
verda at gelti, ai bar sem lid kemr samun, ok ekipat med tvennum 
fylkingum, ok oepu hvärirtveggja herop äkafligs, bi kann hat at henda 
blauda menn ok oskufulla, Pä sem cigi hafa fyrr I her komit, at heir 
late vıt sitt af Peirri ögu ok hrezlu, er beir fä par, ok hlanps aidan f 
sköga fra ödrum mönnum, ok ſdedaak bar sem dyr, ok avd fordaak peir 
manna fund sem villidyr. En svä er sagt frä fölki bPessu cf Pat lifir f 
skögum 20 veir med Pessum haetti, 54 vaxa fjedrer a likömum Beirra 
sv& sem n fuglum, ber er hylja mä likam bairra med fyrir frusti ok 
kulda, en enger her störfjadrar, er beir megi llaug af aka sem fuglar. 
En svä er mikill sugdr Njötleikr Peirra. at eigi S6 adrir menn nälgask 
fund Peirra, ok eigi mjöhundar heldr en menn, Pviat Pat fölk mä näliga 
jafnakjött fara hit efra f trjäm sern apynjur cda ikarnar.“ Die Abfaſſung 
Des Königajpiegels wird zwiſchen 1190 und 1202 gefegt. Fort. VILf. Bu 
beachten iR ebend X*: „De este af Beretningerne om Irland findes ogsaa, 
skjont noget forskjelligt, bus Girgldus Cambrensis, i hans Topograpbia 
Hibernie , ses Finsens Dissertata furan den store Udg. af Kongespeilet, 
hvor Citaterne findes anförte.“ | 

a3 Eysbyggia-Saga u, |. w. Havn. 1387, Gap. 18, ©. 54 (a. 981): 
„Peita sumar kom üt skip i Salteyrar 08i. oe &ttu häulft Norrener. het 
Biörn styrimadı beirra. hann för til vister & Eyri til Steinpors. halft 
skipit atin Sudreysker menn [Hebudenses|. oc Allgeirr styrimadr beirra. 
hann för til vistar i Mäfehlid til Pörarins Svarta. oc felagi hans ıncd er Nagli - 





234 





Durch diefe Meldungen erhellt fih dann aud das ältefte altnorbifche 
Zeugnis, ein Spruch der Liederedda: „auffchauen folft du nicht in ber 
Schlacht, dem Eber gleich werden ber Männer Söhne“ 814. Der ein 
zelne Kriegamann fol an feiner Stelle fortlämpfen, ohne fih durch ben 
BE in das große Schladhtgewühl den Sinn zu verwirren und dem 
Eber glei, d. h. felbflüchtig zu werden; bamit fpricht fi) noch merfwürbig 


het. mikill nadr oc fothvatr. hann var Skotzkr at kyni“ u. ſ. w. S. 58 fi.: 
„p6 geck börarinn üt.. oc Peir felagar. oc runnu epler beim börbirne 
u. ſ. I bessu kvramu peir Pörarinn epter. oc vard Nagli skiötastr. 
enn er hann sé at heir ofrudu vappum. glupnade hann. oc hli6p um 
fram. oc { fiallit upp. oc vard at giallti. Pörarinn li6p at Pörbirni. oe 
hi6 med sverdi { höfupit. oc klauf 6fan { iexla u. |. w. peir pPorariun 
töku hesta beirra börbiarnar. oc rija heim. oc sä peir p& hvar Nagli 
liöp et efra um hlipina. Or er heir kvamo f tünit s& peir at Nagli var 
kominn fram um garpinn. oc stefndi inn til Bülandzhöfds. par fann 
hanu Prela Pbörarins tvo er räku saudi or höfpanum. hann segir heim 
fondinn. oc sva lipamun hverr var. kaellapiz haun vist vita at prarinn. 
oc hans meun voru lätner. Oc f bvi sä heir at menn ribu heiman epter 
vellinom. Pä t6ko beir börarinn at hleypa pvi at peir villdu hidlpa 
Nagla at haun hiypi egi & si6 eda fyrer biörg. oc er beir Nagli si& at 
menninner ripu wsiliga. hugbu peir at Pörbiörn mundi par fara. tku 
peir nd räs af nyiu aller inn til höfpans. oc runnu har til er beir koma 
Par sem nü heiter preelaskrida. Bar fengu peir börarinn tekit Nagla. 
Pviat hann var näliga sprunginn af mepi. enn hrelarner hiupu per fyrer 
Öfan. oc fram af höfpanum oc tynduz. sem van var. vi at höfpinn 
var sva härr at allt hefer bäna bat er har ferr hſan. Sidan föru peir 
P6rarinn heim.“ Bon gleihem Schreck wird bei einem andern Etreithandel, 
den diefelde Saga erzählt, der Thräl Dfeigr ergriffen (C. 37, S. 190 a. 999): 
„hann varb sva breddr, at hann geck näliga af: vitino, oc liöp T flall 
upp, oc bapann f foss einn oe tyndiz, oc heitir bar Öfeigsfors.“ He 
fehlt aber das bildliche: „vard at giallti.“ 

64 Havamal Str. 180 (Mund 18. Raſt 265, 20. [Dietr. 28, 181]): 
„Ridumk Per, Loddfäfnirt en bäü räd nemir, njöte mundu ef PA nemr: 
upp lits skalattu { orrosta; gjalti glikir verda gumna synir, sfdr Pitt 
um heilli helir.* Zu der letzten, fchwierigen Zeile j. Finn Magnufen, den 
wldre Edda 3, 135 und über die ganze Str. ebenb. 162: „Vore Forfedre 
brugte den Talemasade om dem som i Slaget tabte Bevistheden af Frygt 
og saaledes löbe til Fielde eller Skove, at de bleve forvandlede til Brian 
eller Vildgalte. Dette forklarede nogle siden bogstavelig, hvorved en ny 
Overtro opkom. See Werlauffs Anm. til Vatnedela (Kbbarn. 1812, 4.) 
8. 107.“ 


235 


das Bewuſtſein des Gleichnifjes, ber bilblihen Meinung aus. In 
ſolchem Eberwerden tft nun freilich nur das blinde Rennen bes fcheuen 
Thiers nach der Wildnis aufgefaßt, anderwärts dient jeboch der Eber 
vielfach zum Bilde der Kühnheit und Streitbarkeit, die er eben dann 
berborlehrt, wenn er verfolgt und verwundet ift 615, So heißt es in 
ber Nibelungenothb von Dankwart, der nad dem Berluft aller Ritter 
und Stuechte, fogar feines mit Wurfjpeeren befchwerten Schildes, ſich 
auf blutgenektem Pfade zu feinen Herrn burchichlägt: „da gieng er vor 
ben Feinden, gleichtwie ein Eberſchwein zu Walde gebt vor Hunden, wie 
fönnt’ er kühner fein!” 616 Dasfelbe befagen, nur altertbümlicher, alt- 
hochdeutſche Liedesftüde aus dem alemanniſchen St. Gallen, bes In⸗ 
halte: „Wenn Rafcher andrem Rafchen begegnet, dann wird fchleunig 
Schildrieme zerfchnitten. Der Eber geht an ber Halde, trägt ben 
Speer in der Seite, feine rüftige Kraft läßt ihn nicht fällen. Ihm 
find die Füße fudermäßig, ihm find die Borften gleichhoch dem Forfte 
und feine Zähne zwölfellig“ 617. Am heftigen Zufammenftoß ift dem 


615 Ofen, Naturgeſchichte 7, 1182 (das Wildſchwein): „Im Ganzen find 
He furchtſam. Sehen fie einen Menfchen, fo bleiben fie plötzlich ſtehen, ſehen 
ign eine Zeit lang an unb laufen enbli davon, wenn er näher kommt.“ 
1133: „Berwundet rennen fie auf den Feind los und bauen mit ihren Zähnen 
kitwärts in die Höhe, wodurch fie manchem Hund den Leib aufreißen. Die 
Sanjagd erfordert iiberhaupt viel Geſchicklichkeit und Muth.” 
65 Nib. 1882: 
DO wändens in betwingen, dd er niht fehildes truoc. 
kei, waz er tiefer wunden durch die helme fluoc! 
des muoje vor im ſtruͤchen manic klener man; 
dar umbe lop vil grögen der lüene Dancmwart gewan. 
1883: Ze beiden ſinen fiten fprungen fi im zuo. 
jaͤ tom ir eteßlicher im den ſtrit ze vruo. 
do gie er vor den vinden, alfam ein eberſwin 
ze walbe tuot vor bunden; wie möht er füener gefin? 
1884: Sin vart din wart erniuwet von heizem biuote naz. 
wie fund ein eimic rede geftriten immer baz 
mit finen vienden, dann er bete getän? 
man fach Hagnen bruoder ze bove herlichen gän. 
1, Wadernagel in der Zeitfchrift für beutfches Altertum 4, 470 |. 
Soſe nel fnellemo pegagenet andermo, 
So uuirdet jliems firfniten feiltriemo. 
Der heber gat in litun, tregit fper in fitun: 


236 


Helben der Schild weggehauen und jebt, wie Dankwart, ſchirmlos fi 
turdhlämpfend, bat er fein Gleichnis an dem Eber, der, in der Seite 
den Speer, dennoch mit aufrechter Kraft riefenmäßig dahergeht *18, 


fin bald ellin ne lazet in uellin. 

Imo fint fuoze fuodermagze, 

imo fint burſte ebenho forfte, 

unde zene fine zuuelifelnige. 
Ebend. Leſeb. 1, 110 ff. und auderwärts. 

618 Die angeführten Strophen find einer lateiniſchen Rhetorik aus St 
Gallen als Beifpiele ſtiliſtiſcher Yiguren, die tritte ald Beleg der Hyperbel, 
einverleibt, nicht zu einem Ganzen verbunden, aber mit geringen Zwiſchen⸗ 
räumen auf einander folgend. Daß fie, wenn auch nur als Bruchſtlcke (zwi⸗ 
[hen der erften und zweiten mochte der Bedrängnis eines verwundeten, zum 
Beiden genöthigten Helden gedacht fein), zufammengehören, if im Obigen zu 
zeigen verſucht worden; dem Berfaſſer der Rhetorik lag das Ganze im Gedäch ⸗ 
wis und zog ihn von einer Stelle zur andern. Wadernagel, dev dieſe Strephen 
um das Jahr 1000 entftehen läßt, vermuthet in ihnen eine freie Verdeutſchung 
ooidifcher Verfe aus der Jagd des ungeheuern Ebers von Kalydon (Metam. 8, 
282 fi. 329 ff. 415 fi. 482 ff.), Zeitſchrift für deutſches Alterthum 6, 280 f., vergl. 
Geſchichte der deutſchen Litteratur 80, 20). Allein neben dem unverlennbar 
Ahulihen nach diefer Seite beftht doch zugleich die manigfachſte Berlihrung wit 
den Eberjagden mittelalterliher Sagen und Gedichte, wobei das belämpfte Thier 
meift auch als ein dämoniſch riefenhaftes erſcheint. Das Heimiſche deuten ſchon 
die einfachen Austrüde an: „illnd teutonicum“, „sicut et teutonice de apro“, 
wie glei) nachher vor einer entſchieden beutichen Redensart: „similiter teuto- 
nice u. f. w. alles liebes gnuoge“, und ebenfo die fanktgakifche Logik vor ihren 
kerndeutſchen Sprichwörtern (Altdentſche Blätter 2, 135 f., vergl. Lefebuch 1, 
123 f.); wirllich zeigen auch die deutſchen Strophen feine Spur von Zwange 
der Überſetzung, dagegen merllichen Einklang mit volfsmäßigen Nedeformen 
andrer altdeutſcher Lieder (vergl. Str. 1: „Sofe fnel fnellemo“ u. |. w. mit 
ME. 3, 1356: „hert ift daz fpil, waͤ fuen gen fuene ritet uud oud menlichen 
firitei” u. ſ. w. ebend. 149a: „waͤ kraft gen kreften ift gewegen” u. |. w.; 
Etr. 2: „fin bald elin“ u. f. w. mit Nib. 1872, von den Knechten: „waz half 
ir baldez ellen? ft muofen ligen töt.* Str. 1887, von Dankwart: „ez bet fin 
ſtarkez ellen vil michel wunder getän“). Hauptfächli aber gebören die althoch⸗ 
deutihen Stüde keiner Erzählung an, fonvern geben, durchaus im Präfens ge 
halten, erſt einen allgemeinen Ausſpruch, von der Kampfluſt rüfiger Männer, 
dann ein Bild, die ungebrochene Kraft des Ebers. Sie nähern fih bamit der 
Beife altnordifcher und angelſächſiſcher Spruchdichtung, welche gleichfalis menſch⸗ 
liche Zuflände in lurze Gedentverfe faßt und in enifprechenten Raturbildern 
abjpiegeit; fo läßt fih zu Etr. 1 ein Spruch der Liederedda halten: „Ogishelm 
Symbol der Gewalt) ſchützt Keinen, wo Zornige fämpfen („hvars skolu reidir 


237 


Solcher Art find die Anfhauungen, die dem Iandflüchtigen, zugleich dem 
auf der Flucht noch ftreitbaren Manne den Namen fchufen. Diefer 
lautete wohl in ältefter Zeit einfach Eber, entſprechend jenem ſprich⸗ 
wörtlichen Eberwerden. Ibor beißt der eine Führer der durch das Roos 
aus ihrer Heimat vermwiefenen Langobarden 619, Wildeber (Vildifer, 
Vildefer) nennt fih, in der norbifchen Dietrichsfage, ein fremder Necke, 
der feinen Dienft dem Berner anbietet, in unfcheinbarer Kleidung, aber 
buch einen goldnen Armring, der darunter vorfcheint, gute Ablunft 
verratbend 6%; der Sagenfchreiber erläutert noch eigens, Wildeber heiße 
der Mann darum, weil er niemals bei feinen Blutsfreunden oder in 
feinem Baterlande fei, ſondern beftändig bei auswärtigen Häuptlingen 623, 


vega“, nnllingend an: „fofe fnel jnellemo*“ u. |. w.), das findet, wer unter 
Mehrere (a. unter Beherzte, „med frecnom“) kommt, daß Keiner allein ber 
Tapferſte (hvatastr) ift* (Sesam. 188, 17. 18, 65, vergl. 197, 28); ander⸗ 
wärts wird das Leben des freundlofen Mannes als eine Gemeinfchaft mit reißen 
den Wölfen dargeftellt (Cod. Exon. 342, 24 ff., wogegen zwei Brüder vereint 
den wilden ber angreifen oder den grimmigen Bär, ebend. 844, 17 fi.), oder 
als das Berkommen eines einſamſtehenden Baumes (Sem. 16, 51); das Ger 
fräd beredter Männer als Glut, die fih an Glut entzlindet, die Eintracht 
unter fchlimmen Freunden als bald verloderndes euer (ebend. 17, 58. 16, 52) 
[Bergi. noch Freidank 95, 18 f. 96, 27 fi. 97, 24: vriunt von vriunde u. |. w. 
3. Ziemer, Deutiche Gedichte des 11ten und 12tem Jahrhunderts. Wien 1849, 
©. 73.) 

619 Brofper, chron. ad a, 379 („Iborea[?] et Asone ducibus“). Paulus 
Dieconus 1, 3. Zeitjchrift. für dentfches Alterıbum 5, 1. Mythologie 386: „Fbor 
= abd, Epur, agſ. Eofor, altn. Jöfur, d. i. eber (aper) held“ u. f. wm. 
Sprachg. 684 f. 

0 Wilk. S. 6. 109: „nu spyr Thidrikur Kongur hvad mann hann 
ee? Hann svarar, ec heiti Vildifer“ u. {. w. 8. om Didr. K. 131: „Ko- 
Dungen sporde hweat man a’stw. han swarade Jak heter wildefer.“ Bergl. 
Cod. Exon. 379, 23: „me ves Deor noma.“ [bend. 342, 26. 844, 22 
wird deor von Wolf und Bär gebraucht.) Seem. 186, 2: „Göfngt dyr ek 
heiti, en ek gengit hefk inn-m6durlausi mögr; födur ek äkka sem fira 
syair, geng ek einn saman.“ 

1 Wilk. 8. C. 162: „villigoltur, thad er a tlıydesku Villdifer, ſirir 
ihri er hann kalledur eva, at haun er alldrigi med sinum frendum, oe 
gi a sinni fosturjordu, helldur iafnann med utlenzkum hofdingium. 
Villigoltar er allra dyra froknastur oc verstar vid at eiga theim er vei- 
dir“ n. ſ. w. 8. om Didr. K. 171: „Tha förde iy en willegalt thz heter 
vppa iydzeke wildefer. thy kalladis han sa. han war aldrey na’r sina’ 


238 


Das läpt doch Teinen Zweifel über den angegebenen Sinn des Eber 
namend. Sieber reiht ſich aber auch noch das merkwürdige Bruchſtück 
eines altbeutfchen Gebichtes von: Abor, der wieder benfelben Namen 
trägt; dieſer ebellühne Weigand räumt eben das Land, mo er in einer 
Selshöhle feine Eifenrüftung, die er vor Ermattung nicht mehr zu tragen 
vermag, zurüdläßt und mit dem Schwert allein nach dem Nordwalde 
geht, in dem er drei Tage vor ſchrecklichem Gewürm nicht raften Tann, 
bis er zu einem Jungbrunnen kommt und dort jchlafend von einem 
wilden Meeriweibe gefunden wird, das ihn frifch und geſund bavet, auch 
wit wunderbaren Begabungen ausrüftet, fo daß er nachmals „feinen 
Gefellen und die Königin“ erldſen Tann 622, Die mythiſchen Züge diefes 
Bruchſtücks lafien um fo mehr das Ganze vermiffen, wenn auch dieſes 
ber Abfafiung nad erft dem 14ten Jahrh. angehörte. 

In den aufgezählten Fällen ift es, außer bei Ibor, der einzelne 
Held, ber ins Elend zieht, der Sondereber 823, der fich durchhaut, ja 
ed wird auf dieſes eigenträftige Alleingehen Nachdruck gelegt 624. Die 
Beziehung des landflüchtigen Eberbelden zum Geſtirnwege kann nun fo 


fra'nder eller i sit fa’dernes land. vtan han war mz wtlendzeka hoff- 
dingia® u, ſ. w. 

622 Abor und das Meermeib, von Jak. Grimm, Zeiurfchrift für deutſches Alter- 
tbum 5, 6 fi. „Der berre von dem feine gie, fein fwert er da niht enlie 
n. f. w. alfuft nam er urloup und gie von dan, der edel kune wigant, alfe 
rumt er do daz lant. Do gie der berce balde zu einem nortwalde drie tage im 
einem vorfle u. ſ. w. do faz der nothafte man nider an daz grune gras, flafes 
im do not was. Do flief er unlangen; fein ſwert bet er gevangen in beide fine 
bant, ein wildes merwip in do vant a. ſ. w. in ber felben liten u. ſ. w. jech6 
wochen und zwene tage a. |. w. fint erlofte der berre gut finen gelellen und 
onch die kunegin.“ Ähnlichkeit mit Wolfbietrichd Abentenern iſt nicht zu ver 
lennen. [Bergl. auch Bartſch in Pfeiffers Germania, V. Wien 1860. 8. S. 105 
bis 108. 9.) 

023 Rotter Bi. 79 (Hattemer, Dentm. 2, 28°): „ber eber üzzer walde.“ 
„der einlnzzo uuilde ber. der mit Demo fuaneringe me gät.” „der anbermo 
finero gemözicefte ne jehet, der ift fingularis (finnbir Ebir).” [bir, verres, Gr. 
8, 826.] (Der „Schwanring*, Heldenſ. 30. 888, ift hier nicht haltbar, vergl. 
Schmeller, 3, 259. Mone, Unterf. 77. Wackernagel, Wörterb. DXiII. Groff 
4, 1169 erflärt nicht.) 

624 Nib. 1884, 2 (von Daufwart): 

wie fund ein einit vedie gefiriten immer bag 
mit finen vienden, dann er bete getän? 


239 


gebacht werden, daß er auf die weitefte Wanderſtraße binausgetrieben 
ſei, ungefähr wie in den Achtformeln ber Berbannte in die vier Straßen 
der Welt gewieſen wird 625, Über den einzelnen Wanderer hinaus führt 
aber die patronymifche Yorm Iring, fie deutet, wie in jenen Orts 
namen, auf eine Sippfchaft von Eburingen 626, einen größern, gemein. 
famen Wanberzug. Diefelbe Form in der Mehrzahl beftand für zwei 
der vier altenglifchen Haupttwege, Erminge: und Wätlingeftaße, welch 
letztere Benennung zugleich der himmlischen Milchſtraße zulam 87°. Er⸗ 
minge find aber mwörtlih arme Leute, bie bebürftigen Pilgrime 628, 


25 Kleinſchrod, Abhandlungen aus dem peinlichen Nechte, Th. 2. Erlangen 
1798, &. 6 (Bannformel): „mir weifen dich in die vier Straßen der Welt im 
Namen des Teufels.” J. Grimm, Irmenſtraße 57. Daß etwa der mit 
dem Blute feiner Feinde beiprengte Weg des fliehenden Kämpfers gemeint fei, 
wie abermals von Dankwart 1884, 1: „Stn vart bin wart erniuwet von hei⸗ 
zem binote naz“ (vergl. 1888, 8. 1892 f.), it nicht anzunehmen, da die Milch⸗ 
Rraße, wie auch diefer Name befagt, überall licht und weiß gedacht war Irmen⸗ 
ſtraße 22. 28). 

28 Dann iſt Irine an die Stelle von Ebur getreten, wie in Völs. 8. 
Völsängr den agſ. noch in Welse erhaltenen Ramen des Stammvaters ver- 
drängt bat (Helbenf. 16). Wie unter den Wölfingen Wolfinc, Wolfmin u. ſ. wm. 
(ebend. 238. 240. 102), fo bieher Zrinc und Erwin (Anm. 599) = Eburwin; 
wieleicht auch Irolt = Eburolt, vergl. Gudrun (Bolimer) 310 f.: 

Der wirt biez zuo im flgen die zwene junge man, 
Frolden und Höranden. vrägen er began, 

von warnen fi dar wären fomen in day riche. 

„war mir gäben geſte bi minen ziten nie fd Lobeliche.“ 
Do ſprach der rede Horant: „Daz wil ich iu fagen. 
Berre, Af genäbe 18 müezen wir in Magen: 

wir fin vertribene Iinte von unfer felber Lande, 

ez hät ein lünic ride getän an uns finen grözen anden.“ 

= Mythologie 880 f. 1214. 

8 Ettmiiller, Lex. anglos. 30: „earming (erming) -es, m. miser, 
mendiens. si6 An fröfer [solatium] ermings, Boeth. 84, 8. ermingstret 
(irming, yrmingstieet) -e, f. via publica, nisi potins eormenstret, irmen- 
street legi debeat, Som.“ Boswortb 75: „Earming, es; m. A poor mise- 
rable being.“ „Ermingestrete* Thorpe, anc. laws ©. 192. Mythologie 
(2) 830, vergl. (1) 218. ME. 1, 88: „Mir feit’ ein ellender pilgerin“ u. |. w. 
1, 59: „des armen pilgerins“ u. |. w. Die Pilgericheften, befonbers nad 
Rom, waren fchon zur angelfähhfifchen Beit Rarl im Gange; Beda 5, B ad a. 
725: „Peregrinari, quod his temporilus plures de gente Anglorum, igno- 


210 





Wätlinge, in deren Straße die ber erfteren einläuft, jcheinen Ausge- 
triebene zu fein 62° und die gemeinfame Straßenmünbung für Beide war 
zu Dover, der Einichiffungäftätte nach dem Feſtland im Süden 65%, Daß 
auch auf der Iringsſtraße nicht bloß ber einfame Wildeber gieng, be: 
ftätigt ein altſächſiſcher Name der hell leuchtenden, von der Milchſtraße 
durchichnittenen Sternginppe, die den Griechen Drion hieß: „eburdrung“, 
Eberhaufe 691, (Waren die belgiichen Eburonen, die zu Cäſars Zeit am 
Ardennenwalde wohnten, deutfchen Stamms germaniſche Auswandrer 
und Anſiedler umter den Galliern des linken Rheinufers, fo iſt ein ganzes 
Volk von Ebern gefunden und der Vertilgungskampf der Römer gegen 
dasſelbe gibt ein volllummenes Wald: und Japdftüd #92; noch im Laufe 


biles, nobiles, laici, cleriei, viri et femin® certative congueverunt.“ ap 
penberg 1, 198 f. (ebend. 230. König Offas Römfahrt.) Philips 26. 

629 Ahd. wazan, abigere, Brafj 1, 1087: „nuie; abigebat m. ſ. w. geunäz- 
jeni u. ſ. w. persecatio u ſ. m.” (Bergl. Wackernagel, Wörterbud DUXXVIII. 
Grammatil 2, 75, Nr. 259; ij nicht umgelehrt abigere die urfprüngliche, olere die 
abgeleitete Bedeutung?). Mythologie (1) 214*: „wäre vallingustreet verderbt 
ans vadhlinga strei (via vagantium)? obgleich ich Fein agf. vadholing, nur 
vadhol (vogabundus, errations) fenne; dann läge earmingastreet der beveu 
tung ganz mabhe.* Bergl Ettmüller lex 75: „vädia, m. vädle, f. n. adj. 
vagabundus. mendicus, pauper u, ſ. w vädie, e, f. mendicatio, inopla u. f. w. 
sädljan u. f. w. vagarı, mendicare, indigere.“ n. j. w. eo, restitad. 4. 

650 Britaunia u. |. m. auth. G. Camdeno, Pranlfurt 15%, &. 262: 
(von Dover): „Ueleberrimus enim est trujectus, cautumque olim lege erat, 
ut nemo, qui religionie gratia peregre prolficisceretur, alibi trajicerel.“ 
Die Straßenzüge find auf der Karte „Britannia Sexunica* bei Lappenberg 
Bd. 1 angegeben. 

Mythologie 689 f. (Suhm, Symbole 369a: „Oriona, edirdhning.“ 
371a: „Orion, eburdn(rJang.“ Unmittelbar darauf 372b: „Via aecla, irin- 
ges nuec.“) Schon bei Deget. 3, 19, 16: (Bergl. auch oben den fuchtering.) 
„a vaganlibus globis, quos vocant drungos.“ FMone, Urgeſchichte des badi⸗ 
ſchen Landes 1, 188.] 

62 Gäfar, bel. gali. 2,4: „Condrusoe. Ehurones, Ceeresos, Premanos, 
qui uno nomine Germani appellantur, arbitrari ad XL millia.“ 5, 24: 
„Eburones, quorum para maxims esl inter Mosam et Rhenum, qui sub 
imperio Ambiorigis et Cativulci erent* u. |. m. Zwar fagt Ambiorig 5, 27: 
„esse Gallie commune consilium u, |. mw. non facile Gallos Gallis negare 
potuisse , preeserim cum de recuperanda commuei libertate consilium 
initum videretur u. f. w. magnam ımaaum Germanorum conductam Rhenum 
transisse, hanc adfore biduo“ u. f. m. (Bergl. 6, 34: „Cesar ad finitimas 


241 


des Mittelalters hieß ein Abelögefchleht eben dieſer Gegend: Eher der 
Arbennen) 633, 


eivitates nuntios dimiltit, omnes evocat spe preede, ad diripiendos Eburones, 
ut potius in silvis Gallorum vita, quaın legionariorum, vericlitaretur“ u. f. w.); 
aber anverwärts beißt es wieder, 6, 32: „Segni, Condrusique ex gente et 
numero Germanorum, qui sunt inter Eburones Trevirosque, legatos ad 
Cssarem miserunt oratum, ne se in hostinm numero duceret, neve omnium 
Germanorum. qui essent citra Rhenum, caussam esse unam judicaret: nihil 
se de bello cogitasse, nulla Ambiorigi auxilia misisse, Cesar, explorata 
re questione captivorum, si qui ad eos Eburones ex fuga convenisgent, 
ad se ut reducerentur, imperavit: si ita fecissent, fines eorum se violaturum 
negavit.* (Bergl. 2, 3: „reliquos omnes Belgas in armis esse, Germanos- 
que, qui cis Rhenum incolant, sese cum his conjunxisge“ u. ſ. w. worauf 
dann 2, 4 die obige Aufzählung diefer &ermanen: „Condrusos, Eburones“ 
u. |. w. folgt. Zeuß 190 u., f. 06.) Über. den Ardennerwald und die Flucht 
babin 5, 3: „in silvam Arduennam u. ſ. w. que ingenti magnitudine per 
medios fines Trevirorum a flumine Rheno ad initium Remorum pertinet“ 
u. |. w. 6, 29: „Ipse (Cesar) u. |. w. ad bellum Ambiorigis profectus, per 
Arduennam silvam, quæ est totius Gallie maxima atque ab ripis Rheni 
Snibusque Trevirorum ad Nervios pertinet, milibusque amplius quingentis in 
Jongitudinem patet, L. Minucium Basilum cum omni equitatu premittit“ 
u. J. w. 6, 30: „Basilus, ut imperatum est, facit, celeriter contraque onmium 
opinionem eonfecto itinere, multos in agris inopinantes deprehendit; eorum 
indieio ad ipsum Ambiorigem contendit, quo in loco cum paucis equitibus 
esse dicebatur. Multum cum in omnibus rebus, tum in re militari fortuna 
potest. Nam sicut mıagno accidit casu, ut in ipsum incautum atque etiam 
imparatum incideret u. |, w. sic magne fuit fortune, omni militari in- 
strumento, quod circum se habebat, erepto, rhedis equisque comprehensis, 
ipseam effugere mortem. Sed hoc eo factum est, quod wdificio circumdato 
silra (ut sunt fere domicilia Gallorum, qui vitandi eestus caussa plerumque 
silvarum et fluminum petunt propinquitates), comites familieresque ejus 
angusio in loco equitum nostrorum vim paullisper sustinuerunt. lis 
pugnantibus, illum in equum quidam ex suis intulit: fugientem silve 
texerunt. 31: „Ambiorix u. f. w. clam dimissis per agros nuntiis, eibi 
quemgne consulere jassit: quorum pars in Arduennam silvam, pars in 
continentes paludes profugit. Qui proximi Oceano fyerunt, il in insulis 
sese occultaverunt, quas wstus eflicere consuerunt (wie Abor beim Meerweib). 
Multi, ex finibus suis egressi, se suaque omnia alienissimis crediderunt,. 
Cativaleus, rex dimidie partis Eburonum. gui una cum Ambiorige con- 
silium inierat, state jam confectus, cum laborem aut belli aut fugæ ferra 
non posset, omnibas precibus detestatus Ambiorigem, qui ejus consilii 
auctor fuisset, taxo, cujus magna in Gallia Germaniaque copia est, se 
upland, Schriften. VM. 16 


242 


Um reichften bevöllert aber, als Wander» und Heerweg, irdiſch 
zugleich und am Himmel vorgebilvet, zeigt fi diefe Straße in chrift- 


exanimavit.“ (Ofen 8, 358 [Eibenbaum, taxus, gemeine @ibe, t. baccata]: 
„Der Soft aus Rinde und Blättern ift giftig.”) 6, 32: „Tum copiis in ires 
partes distribatis, impedimenta omnium legionam Aduatucam contulit. Id 
eastelli nomen est. Hoc fere est inmediis Eburonum finibus, ubi Titurius 
atque Aurunculejus hiemandi caussa consederant“ u. f. w. 6, 33: „Ipse 
(Cesar) cum reliquis tribus (legionibus) ad flumen Scaldem, quod inflait 
in Mosam, extremasque Arduennz partes ire constiluit, quo cum paucis 
equitibus profeetum Ambiorigem audiebaı“ u. ſ. w. 6, 34: „ubi euique 
aut vallis abdita, aut locus silvestris, aut palus impedita spem presidii 
aut salutis aliquam offerebat, consederal“ u. |. w. 6, 35: „Hæc in omnibus 
Eburonum partibus gerebantur n. ſ. w. Trans Rhenum ad Germanos per- 
venit fama, diripi Eburones atque ultro omnes ad preedam evocari. Cogunt 
equitam II millia Sicambri, qui sunt proximi Rheno“ u. f. w. 6, 43: „ac 
sepe in eum locum ventum est, ut non modo visum ab se Ambiorigem 
in fuga captlivi, sed nec plane etiam abiisse ex conspeetu contenderent; 
ut spe consequendi illata atque infinito labore sueceplo, qui se summam 
a Cesare gratiam inituros putarent, psene naturam studio vincerent scm- 
perqne paullum ad summam felicitetem defuisse videretur, atque ille 
latebris ac silvis aut saltibus se eriperet et, noctu occultatus, alias regiones 
partesqne peteret, non majore equitum presidio, quam IV, quibas solie 
vitam suam committere audebat.* Gäfar rechnet tie Eburonen geographiſch 
und politiih zu Gallien und den Galliern („Gallie commune consillum“, 
„Gallos Gallis“ u. ſ. w. Masc. 1, 35,N.8: „weil fie bereits mit den gallifchen 
Böllern in einer gemeinfamen Staats-Berfaffung flunden”), der Name des Bots 
hat Anfang mit ven Feltifchen Eburovices (Gäfar 8, 17. Beuß 204), Ebrodanum 
(Herden), Eporedoriz (Cäfar 7, 76) u. ſ. w. (Mone, gall. Spr. 96 f. 
Zeuß 189%), der Hauptort der Eburonen Aduatuca weiſt auf ihre Nachbarn 
Aduatuei, die den Galliern (2, 30: „hominibus Gallis*) beigezählt.find, die 
Namen ihrer Flihrer Ambiorix und Cativulene gemahnen an andre keltiſche 
Manngsnamen anf -rix und an die Bollsnamen Ambivareti, Ambiani (Pivins 5, 
34: „Ambigatus“), Ambibarii (7, 75 neben Aulercis Eburovicibus, Zeuß 
204 u.), Catu-riges, Volce (Beuß ebend.), auch die Namen der übrigen mit 
den Eburonen unter der Bezeichnung Germani vereinigten BVölter lauten um- 
deutich und Germani felbft ift nad der befannten, aber noch immer nicht 
ins Klare gebradgten Stelle des Tacitus, Germ. 2, ein Name, weldyer den 
zuerft fiber den Rhein gefhrittenen Deutſchen, den nahmaligen Tungri aud 
im Ehuronenlande (Zeuß 213 f.), von Nichtdeutichen gegeben war und den 
neuere Forſcher anf keltiſchen Urfprung zurüdflhren (Sprachg. 787. Leo in der 
Beitichrift für beutfches Alterthum 5, 514. Vergl. ebend, 4, 480, A. 4. Zenß 69 
[Mahn I. Pfeiffer Germania 4. 494 f. Dagegen ebend. 14, 488. KR.) 


243 


Eicher Umwandlung. Auf der Jakobsſtraße giengen im Mittelalter die 
zahlloſen Pilgrime nad S. Jago von Compoftella in Gallicien, die 


Andrerfets zieht Caſar, der übeshaupt zwiſchen Galliern und Germanen jcharf 
unterfcheidet und dem Germani, Germania die gegebenen Beneunungen für 
deutichen Stamm und deutfches Befammtland find, jene Ardennenvöller ex gente 
et numero Germanoram noch beſonders dadurch in den großen Stammverband, 
dafı er fie Germanen dieffeits (meftlich) des Rheines (Germanos, qui cis Rhenum 
incolunt, qui essent citra Rhenum) benennt, alfo mit den jenfeits bes 
Stromes wohnenden unter Eine Gattung zujammenfaßt. Leicht erklärt fidh, wie 
en verhältnismäßig Feines Boll (5, 28: „civitatem ignobilem atque humilem 
Eburonum“) mitten unter Galliern auch galliiden Zufhnitt annahm (vergl. 
ewius 21, 38: „gentibus semigermanis“, Zeuß 227), aber daß ihm germanifcher 
Urfprung zuerlannt war, liegt deutlich in den Angaben Cäſars. Derſelbe ber - 
richtet auch von den Aduatikern, die von ihm nicht unter die Ardennengermanen 
eingerechnet find, aber an die Eburonen grenzten und mit ihnen zuſammenhielten 
(Eäfar, beil. gall. 5, 38: „Ambiorix statim cum equitata in Aduaticos, qui 
erant ejus regno finitimi, profieiseitur n. |. w. Aduaticisque concilatis“ n. f. w. 
5, 39: „Eburones, Aduatici“ u. f. w.), fie feien Ablömmlinge der Eimbern 
und Teutonen, von diefen auf ihrem großen Zuge, 6000 an ver Zahl (zu 
Säfars Zeit wurde ihre Streitmacht anf 29,000 geſchätzt, 2, 4), zur Wahrung 
ihres am weſtlichen Rheinufer niebergelegten Geräthes zurüdgelafien und nad 
manderlei Kämpfen mit benachbarten Böllern ‚bier jeßhaft geworben (2, 29: 
„Ipei (Adustici) erant ex Cimbris Teutonisgue procreati; qui cum iter in 
provineiam nostram atque Italiam facerent, his impedimentis, que seeum 
agere ac portare non poterant, citra flumen Rhenum depositis, eustodie 
ex suis ac presidio VI millia hominum una reliquerant. Hi, post eoram 
obitam, multos annos a finitimis exagitati, cum alias bellum inferrent, 
alias illatum defenderent, consensn eorum omnium pace facta, hunc sibi 
domieilio locum delegerunt“). Die germaniſche Verwandiſchaft erfiredt fich 
nod weiter in Raum und Zeitz auch diejenigen Belgen, welche fidh rühmten, 
die Cimbern und Teutonen, in der Bedrängnis des gefammten Galliens, allein 
non ihren Wrenzen abgewehrt zu haben, wollten body, nad) Ausſage von Ab» 
gefandten der Hemer, eines beigifchen Volks, deffen Rame in Rheims erhalten 
M, gröftentheils von den Germanen abftammen, vor Alters über den Rhein 
gezogen fein und die dortigen Gallier ausgerieben haben, als Belgen werden 
ſofort mit den Adnatikern die Eburonen und die andern unter dem Namen ' 
®ermanen begriffenen Böller verzeichnet. (2, 3: „Remi, qui proximi Gallie 
ex Belgis sunt ı. ſ. w. neque se cum reliquis Belgis consensisse u. |. m. 
reliquos omnes Belgas in armis esse, Germanosque, qui eis Rhenum 
incolant, sese cum his conjunxisse“ u. ſ. w. 2, 4: „Cum ab his queereret 
(Ceser), qum civitateg guanisque in armis essent et quid in bello 
possent,, sic reperiebat, plerosque Belgas esse orios a Germania, Rhenum- 


244 


Salobsbrüber 894 und in benjelben Namen war auch die himmliſche 
Iringsſtraße umgetauft 69°; der Gürtel Orions, ein Theil des germar 


que antiquitus transductos, propter loei fertilitatem ibi consedisse Galloe- 
que, qui ea loca incolerent, expulisse; solosque esse, qui patrum nostrorum 
memoria, omni Gallia vexats, Teutones Cimbrosque intra fines suos 
ingredi prohibuerint. Qua ex re fieri, 'uti earum rerum memoria magnam 
sibi auctoritatem magnosque epiritus in re militari sumerent.“ Hieran 
ſchließt fi dann die Aufzählung der einzelnen Bölter und ihrer Streitkräfte, 
vergl. Zeuß 188.: Eine weitere Erinnerung an den verheerenden. Zug der Cimbern 
und Teutonen durch Gallien 7, 77. Xacitus, Germ. 28: „Treveri et Nerrü 
circa affeciationem Germanicse originis ultro ambitiosi sunt, tanquam per 
hane gloriam sanguinis a similitudine et inertia Gallorum separentur.“) 
Iſt al dieß nicht lediglich Erbichtung der Ehrfucht (moflir Zeuß 190 f. im ber 
angeführten Stelle des Tacitus die Duelle findet), fehlt e8 der Sage, wie 
anderwärts, nicht gänzlich an geſchichtlichem Hintergrund, der bei Grenzvöllkern 
wohl gedenkbar und durch den Germanennamen auf beiden Seiten des Rheins 
glaublih gemacht ift, fo wird die ältere Einwanderung in Gallien von bem- 
ſelben germaniſchen Nachbarvolke ausgegangen fein, von dem nachher die Er⸗ 
oberung ausgieng, von den Sigambern (Gäfar 6, 85: „Sicambri, qui sunt pro- 
ximi Rheno“ u. ſ. w.; fie kamen zwar, nicht eben brüderlich, zur von Cäſar aus- 
gerufenen Ausplünderung der Eburonen herüber, wandten fi) aber dann gegen 
die Römer ſelbſt), frliherem Namen der Syranfen, die auch noch vorzugsweiſe @er- 
manen hießen (Zeug 834 *. Sprachg. 788). Unter den älteften Franlennamen 
eriheint nun Ebero (Greg. Tur. 7, 13. Sprachg. 546. 541) und auch zu Cati- 
vnleus gefellen fi) aus karolingiſcher Zeit die Namen Beruolc (mit Kerunc, Ger⸗ 
man), Natfolc (Trad. Wizenb. 272. Bergl. oben Adiluolchus, und zum erften 
Wort Catti, Catualda, Tacitus, annal. 2, 62. 63), Sigefolc, Cod. Lauresh. 
ind. onom. Oben Anm. 585. Beitjchrift für deutfches Alterthum 2, 255. 

638 Reiffenberg, Monuments pour servir à l’histoire des provinces de 
Namur, de Hainaut et de Luxembourg ı. f. w. 8. 1. Brurelles, 1844. 
Prelim. ©. XXXIX: „Ardenois ou Sangliers d’Ardenne.“ 

64 Bollglieder 302, 1: „Wer das clend bawen wel, ver beb fidh auf 
und ſei mein gefel wol auf fant Jacobs ftraßen!” 803, 2: „al ob den wed 
fint Jacobs "waert” u. |. w. Hormayr, Taſchenbuch fir vaterländifche Geſchichte 
1837, ©. 168, aus der Vorrede des Büchleins: „Die Straß zu fant Jacob“ 
u. |. w. Nürnberg bei Jobſt Gutknecht 1520: „Ich Herrmann Kunig von 
Bade mit der Gotts Hilf will machen ein Feines Büchlein, das’ ſoll fant 
Jacobs Straß genannt fein, darinn will ich leren Steg und Weg und wie fein 
ein yeder Jacobs Bruder wol pfleg mit Trinken und auch mit Eſſen“ u. f. w. 
Lacomblet, Ur. 184. 185 (a. 1061): „Jacobswech“. Mythologie 1914. Jacobs- 
Brüder: H. Schreiber, Theater zu Freiburg, S. 12. Wadernagel, Lefebuch 2 
(1 Auag.), 1589 u. Schmeller 2 263. [Schriften 4, ©. 315. 316. 9.) 


245 


niſchen Eberbrungs, wurde zum Jakobsſtab 636, Die ältefte Meldung 
von dem neugeweihten Wege gibt der felbft fagenhafte Turpin im Einr 
gang feiner vor dem Schluß bes 11ten Jahrh. abgefaßten Gefchichte des 
fpanifchen Heerzugs: nachdem Karl der Große feiner driftlichen Herr⸗ 
ſchaft weithin die Reiche unterworfen, befchließt er, von der Mühjal des 
Krieges fortan auszuruhen, beim Aufblid zum Himmel aber gewahrt 
er einen Weg von Geftirnen, der fi) vom friefiihen Meere zwifchen 
Deutfchland und Stalien, Gallien und Aquitanien, über Gasconien 
und Hifpanien bis nach Gallicien hinzieht; mehrere Nächte hindurch finnt 
der Kaiſer eifrig über die Bebeutung diefes Weges nah, bis ihm ge 
fichtweife ein Held von unfäglicher Schönheit erfcheint, der ſich als den 
Apoftel Yacobus zu ertennen gibt, deſſen Leib in dem von den Eara- 
cenen ſchmählich unterbrüdten Gallicien unbelannt liege; wie nun Karl 
bon dem Herrn über alle irdischen Könige erhoben worden, fo fei er 
auch erwählt, die Straße des Apofteld zu bahnen und das Land bes 
felben aus ben Händen ber Unglaubigen zu befreien; der geftirnte Weg 
am Himmel beveute, daß der Kaifer mit großem Heere biefe Kriegs⸗ 
fahrt antreten und nach ihm bis zum Ende biefer Zeit alle Völker, 
von Meer zu Meere pilgernd, bie Kirche und den Sarg des heiligen 
Zwölfboten andachtvoll befuchen werben 837, 


635 J. Grimm, Irmenſtraße 16 bis 19. V. d. Hagen, Irmin 38 bis 41. 
Mythologie 331 *. 1214 ob. Den Jalobspilgern war, wie den Geefahrern, 
weiſendes Geſtirn nicht überfläffig, Hormayr a. a. DO. S. 170: „Im Jahre 
1430 pilgerte Jobſt Keller, Bürger zu Augsburg, in Folge eines in großer 
Lebensgefahr geihanen Gelübdes, nah ©. Yago de Gompoftella, ohne felbes 
Anden zu können. Drei Jahre darauf machte er diefe Wallfahrt zum anderten 
Male, gieng aber dabei fo oft irre, daß er erſt am Ende des fünften Monats 
Bas Biel feiner Reife erreichte.“ Auch via Rome foll zuweilen gleiäbebeutend 
mit Müchftraße gefunden werden, J. Grimm, Irmenſtraße 17. 

636 v. d. Hagen, Irmin 89. Mythologie 690. Leg. aur., herausgeg. 
von Gräfe, 423: „Cui (Hermogeni) Jacobus baculum suum dedit“ u. f. w. 

697 De vita Caroli magni n. |. w. ed. Ciampi (fiber das Alter des Buchs 
W. Grimm, Ruol. 2. XXXIV [Schriften 4, S. 854, Anm. 1. $.)), C. 1: 
„Hic vero Carolus postquam multis laboribus per multa climata orbir 
diversa regna, Angliam, Galliam, Teutonicam, Baoieriem,, Lotharingiam, 
Bargundiam, Italiam, Britanniam ceterasque regiones innumerasque urbes 
as mari usque ad mare, divinis subsidiis munitus, iuvincibili brachio 
potentie sum acquisivit et ab Saracenorum manibus abstulit christiano- 


216 


Das Ergebnis diefer Nachweifungen kann fo gefaßt werben: Jring 
gehört weder der Geſchichte an, noch urfprünglic der. Helvenfage, in 
ihm ift der Ebergang zum Walde, das Bild des Ianvflüchtigen Reden, 
perfönlich getvorden, der Vertriebene zieht die Straße Ebrings, bes 
Eberhelden; in die Cage vom Untergang des thüringifchen Reiches if 
ring dadurch gelommen, daß König Irmenfried und fein flüchtiges 
Heer die Ebringäftraße fuhren, fo fangen die älteften Lieber von dieſem 


que imperio subjugavit, gravi labore ac tanto sudore faligatus, ne am- 
plius bellum iniret, et ut requiem sibi daret, proposuit; statimque in 
celum intuitus est quemdam caminum stellarum, incipientem a mari Frisie 
et tendentem inter Teutonicam et Italiam, inter Galliam et Aquitaniam, 
rectissime transeuntem per Gasconiam, Blascam et Navarram et Hispa- 
niam, usque ad Galletiam, qua beati Jacnbi oorpus tunc temporis latebat 
incognitum. Quam viam cum Carolus per singulas noctes seepe perspi- 
ceret, cœpit swepissime preemeditari, quid significaret. Cui hc summo 
studio cogitanti heros quidam, optimam et pulcherrimam, ultre quam diei 
fas est, habens.speciem, nocte in ecstasi apparuit dicens: „Quid ais, fili mi?“ 
At ille inquit: „Quis es, domine?“ „Ego sum, inquit, Jacobus apostolus, 
Christi alumnus, filius Zebedei, frater Joannis Evangeliste, quem Do- 
minus super mare Galilee ad predicandum populis suis ineffebili gratia 
eligere dignatus est, quem Herodes rex gladio peremit, cujus corpus in 
Galletis, quæ a Saracenis adhuc turpiter opprimitur, incognitum requies- 
eit. Unde ultra modum miror, cur terram meam a Saracenis minime 
liberasti, qui tot terras tantasque urbes acquisivistii. Quapropter tibi 
notifico, quia sicut Dominus potentiorem omnium regum terrenorum te 
fecit, sic ad preparandum iter meum et liberandanı  tellurem meam a 
manibus Moabitarum te inter omnes, ut tibi coronam sterne retributionis 
exinde preparet, elegit. Caminum siellarum, quem in celo vidisti, hoc 
significat, quod {u cam magno exercitu ad expugnandam gentem pagano- 
rum perfidam et ad visitandam basilicam meam et sarcoplagum meum 
ab bis oris usque ad Galletiam iturus es, et post te Omnes populi a mari 
usque ad mare peregrinantes, veniam delictorum suorum a Domino im- 
petrantes, illuc iterum ituri sunt, narrantes laudes Domini et virtutes 
ejus et mirabilia ejus, quæ fecit; a tempore vero vite tun: usque ad 
presentis seculi finem ibunt. Nunc autem perge, qua citius poteris, 
quia ego ero auxilistor tuus in omnibus! Et propter laborem tuum im- 
petrabo tibi coronam a Domino in cwlestibus, et usqus ad novissimum 
diem erit nomen tuum in laude.“ Taliter beatus apostolus tribus vicibus 
Carolo apparuit. His itaque auditis Carolus, apostolice promissione fretas 
et coadunatis sibi exercitibus multis, ad expugnandas gentes perfldas 
Hispaniaın ingressus est.“ 


247 





— — 


meitlundigen Ereignis; auch an Etzels Hofe, der Freiſtätte geächteter 
Helden (namentlich der Wölfinge) 638, lebt Iring in Gemeinſchaft mit 
folhen, mit Yrufried und Hawart, eben nur weil fie den Iringsweg 
giengen 5°9, und daß er bald Thüringer, bald Däne, bald Lothringer 
heißen Tann, fpricht wieder für feine allgemeinere Bedeutung; vom bild⸗ 
lichen Ausdrud zur Perfönlichkeit gelangt und: in die epiiche Handlung 
eingedrungen, verläugnet er gleihmwohl aud in ben einzelnen Zügen 
feinen Urfprung nicht: verübte Gewaltthat, beſonders gegen ben recht⸗ 
mäßigen Herrn, nöthigt zur Landflucht 649 und fo wirb Iring in Thür 
ringen zum Verräther an feinem König, erfchlägt dieſen und, über: 
Inbener Weife, den Frankenkönig dazu, nah den beutihen Gebichten 
aber bat er des Kaiferö oder des Herzogs von Lothringen Huld ver: 
wirkt, wie er dann überall auch fliehend ſich als Held erweilt und mit 
dem Schwerte ſich Bahn bricht, ift oben gezeigt worben; die Sternen: 
firaße nach ihm zu benennen, war dennoch fein thüringiiches Helden: 
thum wenig geartet, auch biebei muß zum weiteren Sinne feines Weſens 
gegriffen werben, für ben irbiihen Weg der Heimatbflüchtigen, beren 
Bertreter Iring iſt, ergab fich ein großartiges Gegenbilb in der Himmel: 
fitaße, auf die derfelbe Name übertragen ward. Darf man aber von der 
mittelalterlichen Borftellung, wonach diefer. unermeßliche Zug zahllofer 
Sterne nicht bloß dem einzelnen Pilger, ſondern einem ganzen Heere 
von Glaubensftreitern die Bahn vorzeichnete, auf die altgermanifche 
Meinung zurüdichliegen, fo war hier die Iringſtraße das leuchtende 
und weiſende Himmelszeichen für jene allgemeine Heertvanderung ter 
Bölter, die aus ihren alten Wohnfiken in ungelannte Ferne drängten 
oder getrieben waren 611, 


63 Bergl. Zeitfchrift für dentſches Altertum 3, 198, 2. 202, 4. 

9 1. 568: „des ſtarken Iringes ellen unde finer hergeſellen.“ 553: 
„ellender man nie baz geranc.* 3, Grimm, Irmenſtraße 51: „do muoſten fi 
cheren dan zum Hunen fluhticlichen.“ (Mus welcher Handſchrift der Mage?) 

60 Bergl. die Berfolgung des flüchtigen Mörders im Bacharacher Blutrechte, 
14te8 Jahrh.: „mit wofingefchrei, ınit glodenflange, durd den büfteren walt, 
als lange bis in die ſchwarze nacht benam.“ Rechtsalterth. 879. I. Grimm, 
Irmenſtraße 51: „Auch der altventfhe ring war ein entrinnender, land- 
röumiger Miffethäter, ein fogenannter utlagr und vogelfreier Mörder.” (Vergl. 
noch Nibelungen 1488, 2 f. 1492, 4.) 

641 Berg. noch Hickenildestrete (Mythologie 3300. Camden -37) und 


248 


Auf den Wanderzug der Sueven felbft ift in dem lateinifchen Be 
richte die Eage von ring und feiner Straße nicht bezogen, auch ver- 
bürgen die jchwäbifchen Iringsberge eine Aneignung dieſer Sage fo 
wenig, als die aus Ebur abgeleiteten Geſchlechts- und Drtönamen. 
Unverfennbar aber ift die Iringsſtraße gemeint, und zwar merkwürdig 
als irdifher Weg, wenn noch in einer Urkunde von 1489 ein Ader zu 
DOfterdingen mitten in Schwaben bezeichnet wirb: „off Herrichs ftraß 
gelegen“ 642, Auch darf nicht unberührt bleiben, daß die lekte und 
mweitefte Suevenwanderung, die zu Anfang bes 5ten Jahrh. in Gemeins 
Ihaft mit Weftgotben und Vandalen unternommene, genau benfelben 
Meg nahm, der nachmals dem Kaifer Karl und feinem Heere am Stern 
bimmel gezeigt ward. Gallicien, das Ziel der Jakobsſtraße, wurde der 
Sitz des fpanifchen Suevenreichs, deſſen Ichter König Eburik hieß. Die 
Nachrichten über dieſe faft zweihundertjährige Herrfchaft der Weſtſueven, 
aus der Feder hifpanifcher Beiftlihen, find dürr und für die Eagen- 
forfhung durchaus unergiebig. Eher vielleicht könnte fie an einen im 
jpäteren Mittelalter auf gallicifchem Boden erwachſenen Mythenkreis 
anknüpfen, wenn er in reineren Quellen erhalten wäre. Im Lande 
Salvaterre, denen befannt, die in Gallicien fahren 643 (ven Jakobs⸗ 
Pilgern), auf dem Berge Montſalvatſch, ftand der Tempel und bie Burg 
des heiligen Grals, Pfleger dieſes Heiligthums aber war ein fönigliches 
Geichleht, in dem eine Reihe deutſch gemahnender Namen auffällt: 


chemin de Brunehaut, beides irdifche Heerftraßen. Die Milchſtraße als Wohn- 
ort der Herven, Macrobius in Ciceros somn. Scip. und Philopon. in Ariftoteles 
Meteor. (Manil. Astronom. 1), ». d. Hagen, Irmin 30, 72a. 38, 103a. 
St. Jakobs heroiſche Erjcheinung ebend. 39 f. Perez de Gusman, Valerio u. f. w. 
(Salamanca 1587) S. 28 bis 30. 245. Auf einen Heerweg deutet auch die 
malerifche Benennung der Milchftraße Broneldenftraet, wenn rau Hifde gemeint 
iR (Mythologie 262 f. 1214 od. Bergh 117 verweilt nur auf Grimm). 

62 Spital zu Tübingen Zinsbuch (handfchriftlih) von 1528, BL. 109. 
In Rotenburg a. N. vormals und vielleicht noch eine Heringsgafle. In einem 
Herrenberger Zins- und Gültbuch von 1470: „Herings lehen“ zu Haslach. 

643 Titurel, Drud von 1477 (Bl. 166, 8): „Wer in Galitz if varende, 
Der waift ſant falvator und Salvaterre.“ Hahns Ausgabe 306, 4: „Swer in 
Galitz ift geweſen, der weiz wol fancte jalvator und Salvaterre* |öfter]. Bollks⸗ 
lieder 802, 25 (Jacobslied): „Den Yinftern Etern (Finisterre) wellen wir Ian 
fan und mwellen zu Salvater ein gan, groß wunderzaichen an ſchawen“ u. f. w. 
Die Straß zu fant Jacob u. |. w. 1520 (f. Anm. 684): „Ealvatera” u. f. w. 


249 


—— 


Titurifon, Titurel, Frimutel, Sigune; in der Wildnis unferne ber 
Burg fit in den Äſten einer breiten Linde Jahre lang die jungfräus 
liche Sigune, einen Todten im Schooße haltend, die unverblühte Leiche 
ihres im Speerlampf gefallenen Geliebten, den fie durch ihren Klage: 
ruf wieder ind Leben wecken möchte 614, gleich jener aud im Namen 
anlautenden Sigrun unter den Suevenbergen, die am Arme des er 
ihlagenen Helgi im Hügel ruht 48, 


644 Barzival 188, 22 f.: „den fürſten töt DA vander der juncfroumen in 
iv ſchöz.“ 141, 24: „nu minne in alid töten.“ 249, 14 fi.: „vor im üf 
einer linden faz ein magt, der fuogte ir trime nöt. ein gebaljent ritter töt 
lent ir zwiſchenn armen.“ Ziturel, Hahns Ausg. 5162: „Hey leben flimme zv 
ſchricken. daz do mir bift fo tevre. Damit ich moht ergwiden. dir an leben 
daz fügze und day geheore. Alfam der lewe fine fint die toten. Ivncfrowen zobtic 
tunen. wolt ich zu liebe gar durch dich verſchroten.“ 

65 Sem. 168, 35: ;Nü kved ek enskis Örreent vera sid nd snimma 
at Sevafjöllum, er bä & armi Ölifdum sefr, hvit ? haugi Högnadödttir! 
ok ertu kvik in konungborna.“ Vergl. 166, 23. 168, 33 f. Die gleichen 
Ramen find e8 allerdings niit; Sigfine (reimend mit brüne, Barzival 188, 
17 f.) mag bei den mhd. Dichtern erſt in der Herlibernahme aus dem Alt- 
franzöfifchen zum langen & gelommen fein und urſprünglich der weibliden Ab⸗ 
leitungsform ahd. (Sig-) un, unna, altn. yn, ynja (Gr. 2, 175. 819. 994. 
1002 ahd. Hruadun) angehört haben, während Sig-rün ein zufammengefetter 
Rame if, deffen zweites Wort in ahd. und alt. Frauennamen socia (colloquii) 
bedeutet (Gr. ‚2, 517: Eigirfin); da übrigens dieſe Zufammenfegung mit rün 
vorherrfchend im Norden gangbar ift, fo könnte eine ſueviſche Sigun zur Sigrün 
bes Eddaliedes umgewandelt worden fein. Dagegen heißt Sigyn, Sigun 
(Sig-yn) im nordifden Mythus die Gattin Lolis, die bei ihrem von den Ajen 
gebundenen Manne fittt und das auf ihn herabträufelnde Echlangengift in 
einem Beden auffängt (Sem. 7, 39. 69. Sn. 70), wozu Finn Magnufen 
(Lex. myth. 423) bemerft: „Siguna (ni fallor) in Germanorum medii evi 
romanensibus fabulis ac poömatibus celebratar nt fildissima uxor aut 
amasin, sed humana tantummodo, et longe alio viro vel amatore gau- 
dens.“ Mythologie BEI**: „Zit. 105, 4 heißt es merkwürdig: „Sign, diu 
figebaft Af dem wal, da man welt magede kiuſche umd ir fliege.” Die nächfte 
Str. 106 (Lachmann S. 408) fährt fogleih fort im deutfchen Wortjpiele mit 
Gigiin und figehaft: „Din dir hät ane gefiget, du folt figenunft erflriten mit 
dienfllicher triwe an ir” u. f. w. Auch das Hemd, das Sigime dem Geliebten 
auf die Fahrt gab und von dem mohl aud das „Bleigertüchlin” ©. 217 ff. 
feinen Urfprung hat, erſcheint nur im Geſchmacke des ritterlichen Minnedienſts, 
gleichartig mit St. Georgen Hemde, das Wolfvietrih von Sigeminne (Mytho⸗ 
logie 1053), tann auch mit dem Schildbande, das Hromund von Svanhwit 


250 


2. Hauptvölker. 


Die allgemeine Bewegung der germaniſchen Völker bewirkte nicht 
bloß den Wechſel ihrer Wohnſitze und ihrer örtlichen Stellung zu ein⸗ 
ander, aus ihr ergab ſich auch eine burchgreifende Veränderung ber 
Madtverhäliniffe, die Zerfegung alter Gemeinfhaften und die Bildung 
neuer, das Verfchwinden Tangberühmter und das Auftauchen Taum oder 
gar nicht vernommener Bollönamen. Wohl war der ſueviſch-alaman⸗ 
niſche Einbruch über den römiſchen Grenzwall im Südweſten, ſchon 
gegen Ende des 3ten Jahth., von folder Stärke, daß er nicht bloß 
augenblidlih Sthreden und Niederlage weithin verbreitete, ſondern 
auch dem Stamm und Namen der Sueven nachhaltigen Fortbeftand 
im neueroberten Lande ſicherte. Allein biefer Abſtoß war doch nur 
ein Bruchtheil des großen fuevifchen Verbandes, ver in Altgermanien 
als vorherrihende Macht 'gegolten hatte, aus dem frühe ſchon bebeu- 
tende Glieder (Katten, Hermunburen, Lygier) felbftändig berbortraten 
und neben den Sueven oder feindlich ihnen gegenüber genannt twurben, 
der aber fortan nad allen Seiten bin fich auflöfte, auf weiten und 
entgegengefegten Wegen ſich zerſtreute. Im Laufe bes 5ten Jahrh. 
gieng ein ſueviſcher Zug mit den Banbalen die nachmalige Jakobsſtraße 
weſtlich bis über die Pyrenäen, zahlreich genug, dort ein gallicifches 
Suevenreih aufzurichten, die Sueven⸗Angeln aber jchifften in Geſell⸗ 
haft der Sachſen über die Norbfee und wurden Mitgründer der ger 
manifchen Herrfchaft in Britannien; um bie Mitte bed 6ten Jahrh. 
ftifteten die ſüdwärts abgezogenen Sueven-Langobarden ein zweihundert⸗ 
"jährige Reich in Uberitalien. Noch mehrfach erfcheinen wandernde 
und angefiebelte Sueven mit ober unter anderen Völkern und zunächſt 
der alten Heimath blieben jene nur über die Elbe worgerüdte Rorbfuaven 
am Harze zurüd. Während aber al diefe Abflüffe altſueviſcher Volle 
kraft in neuen Böllerverbindungen und Staatenbildungen aufgehn, 
treten in das deutſche Reich, das ſich aus den Strömungen der lang⸗ 
andauernden Wanverflut emporhebt, die Sueven-Alamannen als einer 
der vier Hauptftämme ein, die fi das Mittelalter hindurch in ihren 
Herzogsgelchlechtern die Königswürde ftreitig machen: Franken, Sachfen, 


empfangen bat (Fornald. S. 2, 373 f.), endlich ſogar mit Helgis Schwerte, der 
Namengabe von Ewamwa- Sigrun. 


251 


Schwaben und Baiern, mit denen Anfangs noch die Thüringer Schritt 
halten 6%. Waren altgermanifch die Sueven das hervorragende Bolt, 
fo find e8 im Aufbau des deutfchen Geſammtreichs die Franken; von 
ihnen hat auch dasfelbe zuerft ben Ramen und nach den mittelalterlichen 
Rechtsbüchern ſoll der König fränkifches Hecht haben, von welchem 
Land oder Schild er geboren fei 617. Die Gemeinichaft der Alamannen 
ift, wie die altfuebifche, eine mehr im Stammgefühl, als im ftaatlichen 
Verband haftende, wielberrfchaftlihe, an ihrer Spite ſtehen in Mehr: 
zahl Herzoge oder fogenannte Könige (duces, reges, reguli) 648; bei 
den Franken dagegen ift alles Streben auf einheitlihe Staatägemalt 
gerichtet und der anfteigenbe Herrſcher rottet Die eigene Berwanbtichaft 
aus, um allein die Zügel in der Hand zu halten und fie ebenfo feinem 
Nachfolger zu überliefern 94, In Chuodomars Alamannenbeere müfjen 
beim Beginn der Schlacht die Häuptlinge vom Pferde fteigen, damit 
fie das Schickſal des mistrauenden Fußvollks theilen 550, der Franken⸗ 


646 Stälin 1, 334, Anm. 2 und 3. Schwabenfpiegels Landrecht 120: „von 
vier landen.” | 

67 Dtfried, bei Graff S. 1 [bei Kelle ©. 3. H.]: „Ludouuig, ther fnello 
n. ſ. w. er öſtarrichi vihtit dl. fo frankono Hining fcal. Ubar frantono 
lant. fo gengit ellu fin giuualt.“ Diut. 2, 370: „Germania, franchono 
Iant.” Ecmeller 1, 615. Schwabenſpiegels Landrecht 123 6: „Alfe der künig 
erweit wirt. von fwelen landen er geboren if. daz reht hat er verloren. 
vnd fol haben frendiches reht. von fmweler geburt er geberen if. daz reht hat 
er ouch verloren. vnde fol haben frendiches reht.“ Sachſenſpiegel 3, 54, 84: 
„Die toning fal hebben vrenkeſch recht, fuenne be gefoxen is, von fvelfer bord 
be of fi, wanne alfe die vranke finen lif nicht verwerlen ne mach, he ne werde 
in her hanthaften dat gevangen, oder yme ne fi fin vrenleſch recht verbelet, aljo 
ne mach deme foninge neman an fin Iif fprefen, yme ne fi dat rile vore mit 
ordelen verdelt.“ 

8 Stälin 1, 157 f. Mone, Urgefchichte des babifchen Landes 1, 811 ff. 
Mertel, de republ. Alam. S. 4 fg. 26, IU, 1. 

69 Löbell, Sregor von Tours 164 u., f. 227. 268. 

6 Ammianıs 12, 16 [S. 157]: „subito Alamannorum peditum 
fremitus indignationi mistus auditus est, unanimi conspiratione voci- 
ferantium, relictis equis secum oportere versari regales, ne si quid. con- 
tigisset adversum, deserta miserabili plebe facilem discedendi copiam 
reperirent. Hoc comperto, Chnodomarius jumento statim desiluit, et 
secuti eum residui idem facere nihil morati, nec enim quisquam ambi- 
gebat, partem suam fore victricem.“ | 


— — — — — 


könig Chlodowig ſchlägt im Angeſichte feines ganzen Heeres mit ber 
Streitart den Kriegsmann zu Boden, der fein Loos an ber Beute, ein 
Kicchengefäß, auf altes Frankenrecht trogend, herauszugeben verweigert 
bat 651. Gtraff im Innern angezogen und jeden Zuwachs von außen 
feft an fich Inüpfend, mufte dieſe Gewalt in einer Zeit gährender und 
zu neuer Geftaltung bdrängenber Kräfte über jede zerfahrene, in fid 
u fihre Macht entfcheivenves Übergewicht erlangen. 

Die Schwaben haben ihren alttundbaren Namen behauptet, wenn 
er auch eine Weile durch den der Alamannen in Schatten geflellt war; 
Sadfen, Franlen und Baiern werden erft fpäter lautbar, aber bie 
Völker felbft griffen zuvor fchon thatkräftig in die deutſche Gefchichte 
ein, als Cheruster, Sigambern, Markomannen 832, Unter diefen alten 
Namen; in den früheren Wohnfigen oder in Heerhaufen, die von da 
ausgeben, befinden fich die nachmaligen Hauptvölfer verfchiedentlich ſchon 
Säfarn gegenüber in Streitgenoflenfchaft oder Grenznachbarſchaft; in 
Arioviſts Heere Marlomannen und Sueven, weiter unten am Rheine, 
wo Säfar den Strom überfchreitet, Sueven, Cheruster, Sigambern 653, 
Am merlwürbigften aber ftehen alle vier in den Waffen, als fünfzig 
Sabre nachher Drufus in Germanien einbringt. Die Kriegsgeſchicke 
biefes jugendlichen Helben find bei den römischen Gefchichtfchreibern 
jelbft in. jagenhaftes Licht gehoben und es läßt fich dabei felbft ber 
Einfluß germanifcher Vorftellungen mutbmaßen. Drufus iſt fühn genug, 
im friefifchen Meere die Eäulen des Hercules, von denen ihm gefagt 
war, aufſuchen zu wollen, aber der Dcean widerſetzt ſich dem Erfor: 
chen heiliger Geheimniſſe 654. Waren es Gebirge des höbern Nordens, 


61 Gregor. Zuron. 2, 27: „Quo mortuo reliquos abscedere jubet, 
magnum sibi per hanc causam timorem statuena.“ (Lübell 212 ff.) 

6% Liber das erfle Vorkommen der drei neueren Namen |. Beuß 150 
(Saxones). 326 (Franci). 866 (Baiuvarii), über die Gleichheit der Böller 
ebend. 380 ff. (Saxones = Cheruseci). 826 }. (Franci = Sigambri). 364 fi. 
(Baioverii = Marcomanni), vergl. Zeuß, Die Herkunft der Baiern von ben 
Marlomannen u. |. w. Münden 1889. Sprachg. 624 f. 520 fi. 504 f. 

653 Säfar, bell. gall. 1, 51: „Marcomannos u. ſ. w. Suevos.“ 4, 19: 
„Suevos u. |. w. Sigambros.“ 6, 10, 35: Sueven, Cherusfer, Sigambern. 
Sueen und Sigambern zufaminengenannt in der consol. ad Liviam 13. 311. 
(Sprachg. 521 u.) 

654 Tacitus fpricht Tavon im feierlihem Tone, Germ. 34: „Ipsum quin 


J 


253 


bie von ber Anfahrt des Donnergotts erzittern 6557 Warnende Vorbedeu⸗ 
tungen feßen feinem Heerzug im innern Lande an den Ufern ber Weſer ein 
Biel. Hier läßt fich ein Bienenfchwarm an einem Sauptzelte nieder und 
bedeckt die davor aufgeftedtte Lanze ®5%, ein altrömifches Vorzeichen und 
body dasfelbe, das noch vor der. Sempader Schlacht Herzog Leopolds 
Waffen anfliegt 657; ernſter noch iſt die Erſcheinung des germanifchen 
Meibes von übermenſchlicher Größe, das ibm Halt gebietet und fein 
nabes Ende weifiagt 658; er ftirbt an einem Sturz mit dem Pferde 
und der Eigelftein zu Mainz fol ein Denkmal feiner Siege fein 69°. 
Sn feinen Tagen war, nach Florus, in Bermanien folcher Triebe, daß 
die Menſchen umgewandelt ſchienen, das Land ein anbres, der Himmel 
felbft milder und weicher als fonft 660, Derfelbe redneriſche Schrift: 


etiam Oceanum illa tentavimus. et superesse adhuc Herculis columnas fama 
vulgavit: sive adiit Hercules, seu quidquid ubique magnificum est, in clari- 
tatem ejus referre consnevimus. nec defuit audacia Druso Germanico: sed 
obetitit Ocearus, in se simul atque in Herculem inquiri mox nemo tentavit: 
sanctiusque Ac reverentius visum, de nctis deorum credere, quam scire.“ 

655 Sem. 67, 55: „Fiöll öll skielfa, bygg ek & för vera heiman 
Hiörrida.“ 

6 Div 45 [Masc. 1, 67 A.]. Zul. Obfequens, de prodig. 1, 132 (ver- 
muthlich aus Livins): „In Germania in castris Drusi examen apum in 
tebernaeulo Hostilii Rutilii, castrorum prefecii, consedit, ita ut funem 
pretendentem prefixamgne tentorio lanceam amplecteretar. Multitudo 
Romanorum per insidias gubacta est.“ 

657 Livius 21, 46: „Apud Romanos haudquayuam lanta alacritas erat, 
super cetera recenlibus etiam territos prodigiis. nam et lupus intraverat 
castra, Janiatieque obviis ipse intactus evasernt. et examen apum in ar- 
bore pretorio imminente eonsederat.* Bergl. ebend. 24, 10. 27, 28. Halb» 
faters Sempader Lied (Wadernagel, Leſebuch 1, 921): „bo fam ein imb ge- 
flogen, in blinden er gniftet bat: be ans herkogen waffen er flog, als do 
- "der jelbig herkog wol für die linden z0g. „Das bitet frömbde zefte”: fo redt 
der gmeine man.” Florus 4, 2 (6, 286): „examina in signis.“ Vergl. S. 3593. 

8 Dio 65, 1 (Mythologie 375). Suetonius, Tib. Claud. 1: „Hostem 
etiam frequenter cesum ac penitus in intimas solitudines actum, non 
prius destitit insequi, quam speciea barbares mulieris humana amplior 
vietorem tendere ultra sermone latino proliibuisset.“ 

5 Mascon 1, 68 f., U. 8. Moptbolugie 349. Weisthlimer 2, 744. 
(Schwert. zu Mainz?) 

660 Florus, rer. rom. 4, 12: „En denique in Germania pax erat, ut 
mutati homines, alia terra, cœlum ipsum mitius molliusque solito videre- 


254 


— — 





fteller gibt aber zuvor auch eine Kriegsmaähre, in der feines jener vier 
deutſchen Volker fehlt: 

Nachdem Druſus mit ausgezeichneter Kriegsbeute von den Marko⸗ 
mannen einen erhabenen Hügel als Siegesmal aufgeſchmückt, greift 
er die gewaltigſten Völker, Cherusker, Sueven und Sigambern, zugleich 
an. Dieſe haben zwanzig römiſche Hauptleute verbrannt und unter 
folder Weihe den Krieg unternommen, mit fo zuverſichtlicher Sieges⸗ 
hoffnung, daß fie zum voraus bie Beute vertragsmäßig getheilt: die 
Cherusker haben die Pferde gewählt, die Eueven Gold und Silber, 
die Sigambern die Gefangenen. Aber Alles geht umgekehrt: Drufus 
ift Sieger, ihre Rofje, Herden, Halsketten, fie felbft ala Beute ver 
tbeilt und verlauft er 661, 

BVoreilige Theilung der Beute, wie fie Gregor von Tours auch 
den Sadjen bezüglich der juenifchen Frauen zuſchreibt 662, iſt nad» 
mals in deutlicher Heldenfage ein beliebter Scherz. Wolfdietrich. begegnet 
mitten im Walde zwölf Schächern (Räubern), die fich fogleich jeber 
- fen Theil an ibm auserfehn: dem erften ſcheint der Lichte Schild 
in die Augen, der zmweite will das Rofs haben, der britte den Helm, 
ber vierte die Eifenhofen, der fünfte das Schwert, der fechfte bie 
Platte, der fiebente die Roſsdecke u. ſ. f., da e8 aber am eilften, 
Thon ausgeht, fo verlangt ber zmwölfte, daß, wie fie doch ſämmtlich 
ihr rothes Blut wagen müflen, auch Alle gleichen Theil empfangen, 
und jo wird auch befchlofien; allein der Held ftredt fie der Reihe nad) 
zu Boben und fpottet dann: „Nun feib ihr Alle zu gleihem Theil 


tar.“ Horatins, carm. 4, 14, 51 fg. (ad Augustum): „Te cede gau- 
dentes Sygambri compositis venerantur armis.“ (Bergl. carm. 4, 4.) 

wi Florus 4, 12: „Nam Marcomannorum spoliie insignibus quendam 
editam tumulum in trophei modum (Drusus) excoluit. Inde validissimas 
nationes, Cheruscos Suevosque et Sicambros, pariter aggressns est: qui 
viginti oenturionibus concrematis hoc velut sacramento sumserant bellum, 
adeo cerie viclorie spe, ut predam in antecessum pactione divi- 
derent. Cherusci equos, Suevi aurum et argentum, Sicambri captivos 
elegerant. Sed omnia retrorsum. Victor namque Drusus equos, pecora, 
torques eorum ipeosque preda divisit et vendidit.“ (Beuß 94. Gtälin 
1, 10, % 5. Sprachg. 521. 565 u., f. ob. Zum Menfchenopfer vergl. 
Tacitus, ann. 1, 61.) 

62 Uregor. Turon. 4, 43; f. ob. Anm. 569. 


255 


gelommen“ 668, Ebenſo reitet Wittih, Wieland Sohn, einer Stein 
brüde zu, an der zwölf Kämpen räuberifchen Zoll einfordern; von den 
Binnen ihrer Burg jehen fie den Ritter heranlommen und Jeder nimmt 
fich ſchon fein Theil: Waffenftüde, Roſs, Gewand, Schatzgurt (fegyrdil, 
wohl vasfelbe, was Wolfdr. Frankf. Hof. BI. 101 a: „fin ftarles yſen 
jlos.”), jelbit eine Hand, einen Fuß, der Letzte das Haupt; aber auch 
fie verrechnen fi, fie werben erfchlagen und ihre Burg verbrannt, 
nachdem all ihr angefammeltes Gut, Gold und Kleinod, weggenommen 
iſt 664, Dieſe Theilungen find mit gutem Bebachte zugeſpitzt, fle fchla- 
gen jämmtlich ins Widerfpiel um, der gleiche Theil wird fpottiweife zu- 
gemeflen, in der Wahl der Etüde felbft zeigt ſich ein Fortichritt won 
Hab’ und Gut zu Leib und Leben. So find auch bei Florus die Ge: 
fangenen das britte Loos und es mag nicht bloßer Zufall fein, daß 
den Eigambern, dem nachmals herrſchenden Franken, eben diefe Wahl 
zugeſchrieben wird, die auf die Berfon des Feindes geht, mit deſſen 
Bewältigung auch alles Andre gegeben ift. Die vorjchnell Theilenden 
find bier ganze Völker, die drei mächttgften, und es fcheinen damit 
frühe fchon jene Wahrzeichen angeveutet, welche nachmals die deutfchen 
Hauptflämme im Guten oder Böfen einander reichlich zuerkennen. 
Näher tritt dieß in einer Sage, die freilich nur noch aus weit abge: 
leiteter und trüber Quelle, Tritenheims übelberufenen Frankengeſchichten 
vom Anfang des 16ten Jahrh., geichöpft werden kann: 

Die Alemannen, auch Sueven genannt, waren ſchwer von ven 
Römern bevrängt und riefen deshalb die Franken, Thüringer und 
Sadjfen zu Hilfe. Der Frankenlönig Chlodomer ſchickte fofort ein ger 


cs Wolfdierih, Frankfurter Handſchrift BL. 995 f. Schluß Bi. 102: 
„Er fpot(et) ir mit fchalle, als wir es hant vernomen, er ſprach: nu fint 
ie alle zů glichem teil befomen.“ (Heldenbuch, Hagenam 1509, Bl. nitij b fi. 
fo. d. Hagen, Heldenbilder 81].) Kürger im Wolfdietri der Amıbrafer Hand- 
ſchrift [S. 85]: „Wie Er die Schacher ſchlüg in dem Walde.“ Kaſpar von der 
Aön Str. 199 ff.; dort find es unpaffend 50 Räuber und werben 24 erjchlagen, 
Bier 40 und 20. [Der große Wolfvieterich, herausgegeben von A. Holtınann. 
Heidelberg 1865. 8. Strophe 840 bis 864. 9.) 

“ Wilk. 8. 6. 35 f. ®Bergl. Sagen om Didrik af Bern C. 82 big 89. 
Eigenthümligde Behandlung des Räuberlampfs: „Li Monisges Guillaume“ 
8. 443 fi. (T. Hofmann, fiber ein Fragment des Guillaume d'Orenge, 
Ringen 1851, ©. 21 fi.) 


256 


waltiges Heer unter feinem Bruder Genebald, aud die Könige der 
beiden andern Böller lichen es nit an Hilfsmacht fehlen und bie 
Römer murben mit ungeheurem Berlufte gefchlagen. Als nun bie fieg: 
baften Deutſchen im Lager berfümmlicher Weife die Beute theilten, 
beffuldigte ein Sueve, Adelbert, einen Thüringer, Gunther, etwas 
von dem gemeinfamen Gute heimlich entwendet zu haben. Dieler läugnete 
und jener erbot fi zum Beweiſe durch Zweikampf, -ben auch tie 
Führer zuließen. Im ziveiten Gange fiel der Thüringer und bei Ent 
Heidung feiner Leiche fand man das Geftohlene. Über biefe Beſchä⸗ 
mung waren die Thüringer höchlich entrüftet, verbargen zivar ihren 
Ingrimm, aber 120 aus ihrer Mitte beichlofien, Rache zu nehmen. 
Sie überfielen in der folgenden Nacht das Zelt, darin fie" den Adelbert 
vermutheten, und verlangten, tab ihnen ber Mörber zur Vergeltung 
audgeliefert werbe. Die Sueven, entfchloffen, ihren unfchuldigen Ge 
noffen zu ſchützen oder mit ihm zu fterben, ſtürzten fih auf bie 
120 Thüringer und erfhlugen fie faft ale. Darüber erhob ſich am 
Morgen ein allgemeiner, blutiger Kampf zwiſchen beiden Völkern. Die 
Thüringer, ſoviel ihrer übrig blieb, flohen in das zwei Meilen ent: 
fernte Lager der Franken, die fo wenig als die Sachſen vor gefchebener 
Sache davon gewuft hatten. Die Führer ber zwei leztern Heere 
ſuchten Frieden zu ſtiften, brachten aber nur einen Waffenſtillſtand 
auf drei Jahre zu Stande. Von dieſer Zeit an blieb zwiſchen Sueven 
und Thüringern ein heimlicher Groll, obgleich Viele die Urſache nicht 
mehr wiſſen. Nach Ablauf der dreijährigen Friſt ſagten die Alemannen 
den Thüringern den Krieg an. Dieſe, ihrer Kraft mistrauend, ſuchten 
Hilfe bei Chlodomer, der ihnen jedoch die eigene Gefahr von Seiten 
der Römer und Gallier, ſowie die große Entfernung der Alemannen 
von den Franken entgegenhielt, da erſtere den Urhab, letztere die Mün⸗ 
dungen des Rheins innehätten. Die Boten erwiderten: die Thüringer 
befiten ein breites, fruchtbare und angenehmes Land, von welchem 
König und Boll das befte Stüd, an den Ufern des Mains gelegen, 
ben Franken abtreten wollen, damit diefe ihnen, den Thüringern, eine 
Mauer und den Alemannen eine Grenzmark werden. Dieß Erbieten 
fand Beifall und demnächſt zog eine mächtige Frankenſchaar, Gewaff⸗ 
nete, Aderbauer, Werkleute, mit rauen, Kindern und aller Habe 
unier Gencbalds Befehl vom Nieberlande herauf und nahm freudig 


257 


von dem verheißenen Gebiete Beſitz. Als aber die Alemannen vernah⸗ 
men, daß zwiſchen ihnen und den Thüringern die Franken ſich am 
Maine nievergelaflen, erſchraken fie, ſchickten an Genebald Botfchaft 
um Frieden und ftellten den ganzen Hader mit den Thüringern in fein 
Ermeflen. Ebenfo thaten auch diefe und damit war der große Zwie⸗ 
Ipalt durch Genebalds Klugheit beigelegt. Der Dirt, mo die neuen 
Anlömmlinge fich zuerft nieverließen, bieß ehemals „Lunaw“, jebt iſt 
dort die fränkische Stadt Wirzburg 86°, 

Tritenheim ſetzt diefe Borgänge in die Jahre 312 bis 316 n. Chr.; 
Chlodomer ift ihm der 36fte in einer Reihe fränkifcher Könige, die vom 
Sahr 440 v. Chr. an läuft, von ber aber die Geſchichte nichts meiß. 
Geſchichtlich erjcheint der Name Chlobomer erſt als ein merowingifcher im 
6ten Jahrhundert. Genebald, dem ein Eohn Marcomer zugetheilt wird, 
ift gleichnamig mit dem beglaubigten Genobaudes, der gegen Ende bes 
4ten Jahrh. mit den Brübern Marcomer und Sunno die Franken bei 
einem den Römern furdtbaren Einfall am Niederrhein anführt 666, allein 
bei Tritenheim kommen drei Brüder Genebald, Marcomer und Sunno 
wieder bejonders als niederfränkiiche Herzoge im Anfang des Sten Jahr. 
vor und auch fonft Spielen dieſe Namen verjchiedentlich in feinen Königs: 
und Herzogsreihen 667. Als feine Hauptquelle für bie Zeit bis zum 


665 De origine gentis Francorum compendium Joannis Tritenhemii 
abbatis, ex duodecim ultimis Hanibaldi libris, quorum sex primos Wast- 
balldus conscripsit, ab introitu Sicambrorum, ad partes Rheni in Ger- 
maniam u. |.w. (Joh. Trithemii u. f.w. prime partis opera historica u. |. w. 
Trantfurt 1601, Fol.) S. 74 fo. Ej. Compendium sive breviarium primi 
voluminis annalium sive historiarum, de origine regum et gentis Fran- 
eorum u. |. w. (Bueignung von 1515, ib.) ©. 24 bis 26. Am Ende des 
Buchs de orig. (S. 99) fteht die Jahrzahl 1514, am Schluß der Zueignung 
des compend. 1515. Letzteres ift übrigens, namentlich auch in obiger Er⸗ 
zähfung, ausführlicher und im Drude vorangeftellt. Löbell (484, 1) fieht die 
orig. fiir einen Auszug des compend. an, fie geht aber viel weiter in der Beit, 
bis auf Ludwig den Deutichen, während dag compend. mit Hilderich, dem letzten 
Merowingen, fließt. 

666 Sulpic. Alerand. bei Gregor. Zur. 2, 9. Claudianus, de land. Stilie. 
1, 241 biß 245: „Marcomeres Sonnoque m. f. w. fratres.“ Beuf 340 f. 
DMatcou 1, 311 f. (Tragiſches Geſchick der beiden Brüder.) 

67 Orig. ©. 79: „Eodem anno (403) Marcomerus et Sunno duces et 
fratres Genebaldi Francise inferioris mortui sunt“ u. ſ. w. Vergl. Compend. 

Upland, Schriften. VIII. 17 





258 


Tode des Chlodoveus bezeichnet er Hunibalde, eines Zeitgenofien des⸗ 
felben, zehen Bücher fränkifcher Gefchichten 5686. Auf dieſen Gewährs⸗ 
mann beruft er fich beſonders auch zweimal in der Erzählung vom 
Gtreite der Schwaben und Thüringer 69%, Der Franke Hunibald aber 
fol für fein Tateinifch verfaßtes Werk aus Liedern und Schriften der 
Priefter feines Volks geihöpft haben 670%, Hiernach follte man, wenn 


S. 33, 17 ff. Anderes weilt der Inder unter diefen Namen nad. Unter 
feinen Gewährsmännern, jedoch erſt flir die Beit, bei welder Hunibald abbricht, 
nennt Zrithemius, comp. ©. 42, auch den Gregorius, archiepisc. Turonensis. 

68 Compend. ©. 2: „ls [Hunib.] etenim solidus Frencorum historio- 
graphus clarnit iu humanis Clodovei regis, quem sanctus Remigius, præeui 
Romanorum, baptizavit, temporibus, anno dominice nativitatis quingen- 
tesimo; et scripsit post Doracum, philosophum, Wastlaldum, historicum, 
et alios plures rerum gesterum antiquissimos scriptores insigne opus, 
quoı iA libris decem et octo distinxit. In sex primis gentis Francorum 
primeram deducit originem ab excidio Trojano usque ad mortem Ante- 
noris regis, quem Scanziani, Gothi, Suecique sive Suedi, eircn Dunubii 
ostia Interfecerunt, anno videlicet ante Christi nativitatem quadringente- 
simo quadragesinıo. In aliis vero sex libris tempns compleclitur ab in- 
teritu regis Antenoris memorali usque ad Faramundum, regem Francorum, 
eecundi ordinis quadragesimum tertium. A Faramundo reliqui sex libri 
continuantur usque nd ultimum annum Ciodovei, primi ex regibus Fran- 
corum christieni, qui obiit anno dominice nativitatis quingentesimo quarto- 
deeimn.“ ©. 4: „Quantas vero difficultates in itinere habuerint (die Bor- 
väter der Franken), qus bella cum obsistentibus sibi populis gesserint 
quantaque pericula vel inciderint, vel evaserint, si quis ad plenum secire 
desiderat, memoratum scrintorem [Hunib.] legat in libro historierum 
gentis Francorum, cujus initia sicuti sunt miranda. sic mihi videntar 
(salva pace judicantium melius) in pluribus esse fabulosa.* (Der Name 
Hunibald findet fi im Cod. Lauresh. 1, 26, a. 770. „Qunbald“ in der 
Urkunde des Cod. Wizeburg bei Maßmann, Abſchwörungeſormeln 183. Bei 
Neugart. „Hunpolb.*) 

68 Orig. ©. 25: „Ab eo tampore Sueros Doringi semper de perfidia 
habuere suspectos et usque in pressentem diem (ut Ilunibaldus loquitur) 
occulto et manifesto in eos Odio laborant, cum plures caussam mulus 
nesciant insectationis hujus.“ ©. 26: „Exiverunt gutem [Pranci] non 
simul ung vice Omnes, sed Successive per turmas, die præscripto inci- 
pientes, donec tandem in mense Septembri nuınerum complevere pre- 
signatum, Hunibaldo Francorum testante historico.“ 

#0 Compend. ©. 4. „Usque in hunc annum (a. Chr. 412) Wasthald 
Seytha, sive Sicamber, patrio sermone, historierum opus gentis sus 


259 


nicht Tautere Geſchichte, doch um fo reicheren, uralten Sagenſchatz erwarten 
dürfen. Leider jedoch bietet dieſer tritenheimtiche Hunibald nidt ein 
Dentmal aus Chlodwigs Tagen, fontern einen fpäten, felbft mit 
einigen deutſchen Säben in niederrheiniſcher Mundart etwa bes 1Bten 
Jahrh. 671 ausgeftatteten Verſuch, bie Zeit vom trojanifchen Urfprung 


deduxit, per annoe plus minus D. CC. LVIII. ab excidio ineipiens Trojano, 
in quo varias geperis sul mansiones describit et sedes, duces quoque et 
bella, reges et eörum gesta diversa per ordinem. Post quem Hunibald 
Frencus ex carminibus et scriptix flaminum, gentis Francorum continuavit 
historiam per annos D. CCCC. XXVI. usque ad ultimum regis Clodovei 
annum, qui primus ex regibus Francorum fidem Christi suscepit, a sancto 
Remigio beptizatus, anno domini COCC. XCIX.“ S. 20 fg.: „Eodem 
anno, quo Severus in Britannia fait a Fulgentio peremtus, Sunno, rex 
Fraocorun: , Germanis et Saxonibus auxilia ferentibus, transmisso flumihe 
apud castellum Delonum, Gallias vastavit depopulatayue regione per 
geyrum spoliisque ditatus .remeavit vietor. Reliqua vero, quæe magnifice 
et pace gessit et bello, Hildegast, philosophus Francorum vatesque insignis, 
earmine Germanico et post eum Hunibaldus prosa descripsit sermone 
Letino, de quibus et nos in primo annalium diximus. Moritur autem 
Sunno, rex Francorum, anno regni sui octavo atque vicesimo, dominice 
vero nativitatis CC. XIII. indietione Romanorum sexta.“ ©. 28: „Hilde- 
gast etiam, sapiens Francorum memoratus, nobilium filios docuit in citha- 
ris et in variis aliis instrumentis musicie, gesta majorum carminibus 
lingua decantare materna“ u. j. w. ©. 8: Heligastus. ©. 9: Busanus, 
Amerorlacus. S. 19: Vechtanus, 

671 Compend. ©. 8: „Hinc prorerbium exivit inter Sicambros, ut 
quoties alter ab altero vidisset seu audisset aliquid legi contrarium, 
dicebat: „Hort opp, !ieff man! kent gy nit dy grote funig Bafan?* (S. 7 u. 
Basangoth) ©. 13: „Sicambri autem, sub eorum rege Franco audacissime 
dimicantes, nomen sui ducis Franci Quasi numen quoddem crebrius 
vociferanies, clamabant: „Sie Frand, Hie Franck.“ ©. 14: „Ex eo tem- 
pore Bicambri, priscum nomen deponentes, regis anıure sui Francos sese 
naseupare coöpernnt. Enimvero, Hunibaldo testante, non solum proceres, 
sed milites quoque omnes et universus totias gentis populus, ipsa novitate 
nominis usquo adeo fuerunt delectati, quod regem precibus inducerent, 
quatenus edicto publico sanciret, eos deinceps perpetuo non Sicambros, 
sed Francos fore dicendos. Quod rex tanto libentins constituit, quo 
nominis imamortalitatem sut cupidius amavit. Dicti sunt igitur Franei, 
qui prius ab aliis Sicambri, ab aliis dicebantur, foederis ratione, Ger- 
imani. Et mirum quidem in modum gloriabantur noritate hnjus vocabnli. 
quippe qui multie deinceps temporibus, quoties mutuo sibi Ooccurrissent, 


260 


ber Franken bis zu den geſchichtlichen Meromingen mit einer Langen 
Folge erträumter Könige, druidiſch und römiſch zugeſtutzter Prieſter, 
Sänger und Weiffager, mit bebenflichen Erflärungen ver Volks⸗ umd 
Drtönamen, dann mohl aud mit fpärlichen Bruchftüden urkunblicher 
Geſchichte und vollsmäßiger Überlieferung auszufüllen 672, Bon biefer 
letzten Art ift die ausgebobene Grenzſage. Sie bildet, auch in Stil 
und Haltung, ein Seitenftüd zu der ſueviſchen Wanderfage 673. Auch 
in ihr fpiegelt ſich eine vollsgefchichtliche Thatfache: die Einſenkung des 
oftfräntifchen Keils zwiſchen Thüringern und Aamannen. Wann. and 
unter welchen Umftänden biejes Ereignis ftattfand, davon gibt es bei 
den Gefchichtichreibern Teine ausbrüdlihe Meldung. Noch über bie 


ita salutabant: „Ein guten tag, fryer Frand!“ &, 22: „Hinc Germani su- 
mentes proverbium, qguoties viderunt aliquid vetusta simplicitste fabre- 
fectum, sive depictum, sic laudantes antiquitatem dicere consueverunt: 
„Das ift ein gut alt Frändifch Werd.” Orig. &. 74: „Quod cum nanciatum 
fuisset in castrie Thoringorum, mox in furorem coneitsti, mane diluculo 
in Suevos prosiliunt, cum insania voeciferantes: O gy verreverß böswidt!“ 
(Compend. 5: „Ecce Camber u. f. w. Si Camber“ u. ſ. w. ib.: „qui 
prius Novimagi, idest Neumage, quasi novi cognati dicebantur a Saxo- 
nibus, deinceps vocabantur Sicambri“ u. f. w.) 

672 Über den vielbefprochenen Hunibald f. Löbell a. a. O. 484 ff. Trithemius, 
von feinem Geburtdorte Tritenheim an der Mofel fo genannt, vieljähriger Abt 
zu Spanheim am Hunbsrüd, zulegt und zur Zeit ber Abfaffung des compend. 
und der orig. Abt des Klofters St. Jakob in der Borftabt von Würzburg, war 
ganz in ber Stellung, fi an der Geſchichte der nieberrheinifchen wie ber 
Mainfranken gleich lebhaft zu betheiligen. Dieß jchließt aber keineswegs aus, 
daß ihm bei dem größeren Werke, wovon daß compend. eben nur ein Auszug 
if, nit ein bereits mit dem Namen Hunibald geftenpelter Zuſammentrag 
fabelhafter Srankengejchichten vorlag. Es wäre doch der Mühe werth, dem 
„Exemplar der Chronik des Abtes Tritheim, von dem Berfafler eigenhändig 
geſchrieben“ (Willen, Heidelberger Bäerfammiungen 216 [vergi. 137]), auf 
der Milnchner Bibliothek nachzuſpüren. Joh. Trithemius u. f. w. ine bie 
graphifche Skizze von Ph. 5. Horm. Würzburg 1813. Drud von C. A. Zürn. 
40. [Silbernagel, Johannes Trithemins. Eine Monographie. Laudshut 
1868. 8, 9.] 

673 Bon Freher erhielt Goldaſt das Stüd de orig. Suevor., |. oben Aum. 
545, Freher gab aber auch Zritenheims Werte herans (1601), theils ans 
älteren Druden, theils auch Handſchriften, wie der Titel befagt. Nachzufehen 
wären noch: Viror. doetor. ad Melch. Goldast. epistole ex bibl. H. G. Thy- 
lemanni, Francf. et Spire 1688. 4. Willen 128. Bodmer, Minnef. 1, ZVIL 


261 


Mitte des sten Jahrh. ftehen die Burgunden am obern Main und find 
dort mit den Alamannen im Grenzſtreit begriffen, wovon in jener 
fuenifhen Wanderſage fi Spur gezeigt hat 67%; im Anfang bes fols 
genden Jahrh. aber erfcheinen fie an und über dem Rhein und auf 
ihren Abzug aus dem Mainland if wahrfcheinlidh die fränkifche Befie 
nahme erfolgt 67%. Das iſt nun ungefähr die Zeit, für welche Geno- 
baubes, Marcomer und Sunno als fränkiſche GHeerführer gegen die 
Römer am Nieberrhein bezeugt find 87%, und aus ben unten Rhein: 
landen führt auch Tritenheims Genebald die Franken in den Maingau. 
Der geichichtlihe Name kann gleichwohl von der Sage abgelöft werben, 
in bie er auf gelehrtem Wege, aus Gregor von Tours, Eingang ges 
funden zu haben fcheint 677, Die Vollsfage bat, eben in Ermanglung 
geſchichtlichen Willens, durch lebendige Handlung anſchaulich gemacht, 
wie es lam, daß bie Thüringer über den Wald, die Schwaben über 
den Main geiviefen find, die Franken aber fich auf dem fchönen Land⸗ 
ftreif zwiſchenein gelagert haben, und fie hat ben erfien Anlaß biefer 
Handlung den Eigenichaften entnommen, melde bie beutichen Völker 
in Schimpf und Ernſt gegenjeitig einander zufchoben. Dergleichen 
findet man in mittelalterlichen Gedenkverſen, lateiniſchen und beutfchen, 
zulammengeftellt 68 und in einem ber erftern beißt ed: „brei Diebe find 
gleich einem Sad und zwei Thüringern” 97%. Dazu ftimmt nun, daß 


674 Anm. 586. 587. Die Nachrichten Ammians betreffen die Jahre 859 und 
370 (aud) noch 871. 374, Beuß 846). 
65 Zeub 346 f. 468 (412. 413). Stälin 1, 144. 145 u. Bergl. 150. 
676 Yum. 666. (Zeuß 840: „Segen das Ende des Jahrhunderts“ u. ſ. w.) 
5 Anm. 667. (Zum Namen Genobaudes |. Sprachg. 539.) 
678 Bergl. Mone im Anzeiger 7, 607 f. W. Wadernagel in der Beitichrift 
für deutſches Alterthum 6, 254 fi.: „Die Spottnamen der. Völler. “ 
69 Mone a. a. D., aus And. Gartneri proverb. dicteria, Cod. Monac. O. 27: 
„Sunt fares trini: saccus binique Thuringi, 
hospitat invitus vagos, aed honeste chorizat, 
halec assatum Thuringis est bene gratum, 
de solo capite faciunt sibi fercula quinque.“ 
Bei Langebel, Scriptor. rer. danie. 1, 71 ſteht nur ber erſte Bert, in andern 
Berbindungen: 
„Sunt fures terni saccus biniqve Tyringi.“ 
Bu „honeste chorizat® vergl. Barzival 689, 7 ff.: 
„da was werber knappen vil, wol gelert üf feitfpil. 


262 


der Thüringer Gunther eın Stüd von der gemeinfamen Kriegsbeute ent» 
wendet. In demfelben Spruche wird aber auch geſagt: „Suevien bridt 
Verheißungen um ein Geſchenk“ 680, Dieß geftattet bier ſoweit Anwendung, 
als der Schwabe fich nicht ſcheut, um eines fo Kleinen Beutetheild willen 
befreundete Heere, was auch betont wird, in ben Harnifch zu jagen; bie 
Thüringer rufen ben Schwaben zu: „O ibr verräthrifche Böjewichte !” und 
baben fie von biefer Zeit an im Verdacht der Treulofigleit 81, Schon 
bei Florus kann darin, daß die Sueven in der Beutetheilung Gold und 
Silber wählen, ein Anzeichen ver Habſucht liegen. Der Streit um geringen 
Gegenſtand (querelle d’Allemand) zieht immer weitere Kreife, der Bor: 
wurf, der Einen Volksgenoſſen trifft, wird von den Volksheeren blutig 
ausgefochten. Die Franken und die Sachſen treten nicht in ven Kampf 
ein, aber Jene, wie fie einft ala Sigambern das wichtigſte Beuteftüd, 
die Gefangenen, ind Auge faßten, ziehen jebt als Vermittler und Herr: 
ſcher vom ganzen Haber ben Gewinn, die Erftredung ihres Gebiets 
zwiſchen bie zwei ftreitenden Völker und den Zuwachs ihrer Macht 682, 


im feines kunſt was Doch ſo ganz, fine müeſten flrichen alten tanz; 

niwer tänze was daͤ wenc vernomu, der und von Dürngen vil ift fomn.“ 
Zum Hering vergl Filharts Gargantua Gap. 4 (S. 79). Ebent.: „Diebs⸗ 
oder Sommißjäd.” 

650 Mone a, a. O.: 

„Suevia promissa percepto munere frangit, 
vitat tarpe loqui, quie nobilis atque superba.“ 
Bei Langebek 1, 70: „Swevie promissa percepta muners frangit, 
Vitat turpe logvi, quia nobilis atqve superba. 

681 Trithemins, orig. 74: „Caussa turbationis fuit, quod miles ille Suevus 
nomine Adelbert dixerat, Thuringum nomine Gunther nescio quid (ebenjo 
compend. 24) furtive de preda communi omnium subtraxisse.“ Ebend.: „in 
Suevos prosiliunt (Thuringi), cum insania vociferantes: „O gy verredercß 
böswidhtl” Ebend.: „Atrox inter amicos pugns committitur (ebenfo compend. 
%), in qua plus quam duodeeim millia Thuringorum a Suevis peremta 
sant, ceteri fuga lapsi“ u. ſ. w. Compend. ©. 25: „Ab eo tempore Suevos 
Doringi semper de perfidia habuere suspeetos“ u. f. w. Bergl. Sebaftian 
Franks Überſetzung BI. 216: „als ob fie (die Schwaben) trewbrüchig wiber 
jre gelübd und bündtnus gehandelt” u. |. w. 

62 Comp. ©. 25: „Super his (Landanerbieten der Zhliringer) consul- 
tstione prehabita, Franci consensere libenter, utpote quibus nihil magis 
cordi erat, quam nomen Francum dilatare, simul et regnum.* 65, 2%: 
„Ducem vero populi Francie orientalis rex Clodomirus Genebaldum, frairem 


welcher nachmals die Freiheit der Alamannen und das Neich der Thü- 
ringer gleihmäßig unterliegt. 

Wenn die Thüringer in der Grenzfage zum Epotte den Schaden 
haben, fo nehmen fie ſpät noch an den Schwaben Vergeliung; fie be: 
haupteten, in dem Kampfe zwifchen König Albrecht und ihrem Land⸗ 
grafen Friebrih bei dem Dorfe Luca, im Jahr 1307, haben die 
Schwaben tie Roſſe aufgeichnitten und feien barein gekrochen, woher 
das Sprichwort: „EB gehet dir nun als den Schwaben vor Luca“ 688, 
Bas man den Schwaben fonft noch in Gutem und Böſem nachſagte, 
wird noch zu befondrer Ausführung kommen. Mandmal ift auch in 
den Gedenkverſen der Schmährede fogleih ein Lobſpruch beigefügt und 
der ſchwäbiſchen Habgier mwiderfpricht geradezu ein anbres Stichelwort: 
som guten Muthe der Schwaben. bei bartenı Leben 8*4. 


saum, constituit, cui exercitum simul ei adwministralionem totius ducalus 
sub his conditionibus, Francorum more, commendavit, ut videlicet tam 
ipee quam ejus filii heredes et successores perpetuo sub ditione regum 
Francorum permaneant eorumque mandatis in cunctis fideliter obediant, 
cum ipsis ad bellum contra quöscungne adversarios procedant et reli- 
quorum consuetudine dneum regri Francorum servitutem ipsis regibus et 
bonorem ubique debitum impendant.“ 

3 Schmeller, bairiiches Wörterbuh 3, 524 aus Hofmanns Xhliring. 
Ghronit Cgm. 1012, Bl. 127: „Da wart alfo gros mordt, das die Schwaben 
die roß ufichnitten und krochen borin; und von denen wart ein jprihwort 
als: Es gehet dir nun als den Schwaben vor Luca.” 

684 Der Minne⸗Falkner Str. 73 (Schinellers Labrer ©. 185): „Mit guten 
gedinge und hertem leben nimmet der Swab fein ende.” Allgemeiner bei Sreidant 
43, 12 f.: „Dem armen ift niht m? gegeben warn guot gedinge uud fibel leben.” 
An den Ballen eines Hanſes zu Hanover war noch 1541 eingejchnigt worden: 
„Dan dem armen 98 nycht beters gegeuen Alfe gude hopenynge unde ouel leben.“ 
K. Gödele, Reinfrit von Braunſchweig 110, 111. Ein Sprud aus einer Wolfen⸗ 
bättler Handſchrift des 16ten Jahrh. in Eichenburgs Dentmälern 417 fehließt: 

„Die Schwaben überflüſſig zehren, 

Bor allen landen fie doch geben u. |. w. 

In den Sanden findt man rei und arm, 

Schwaben hüpft auf mit leerem darm.“ 
Der Ring 1 9, 306, 7 fi: 

Hab geding und laß es nict, 

Ob dir jody niemer guot geſchicht! 

Ban oft ein Swab der nimpt fein end 

Mit guotem troft, der fmerzen went. 


264 





Den vier beutfchen Hauptvblkern wurbe felbft an der Gründung 
des römifchen Kaiſerthums, das ſich nach der Vorftellung bes Mittel- 
alters ununterbrochen in den deutſchen Königen fortfeßte, eine weſentliche 
Mitwirkung zugetheilt. Sie waren es, die den erften Herrfcher dieſes 
Weltreichs, ihren eigenen Belämpfer Julius Cäfar, auf den Thron 
hoben. Davon berichten die Kaiſerchronik und das Leben des b. Anne, 
Gerichte des 12ten Jahrh., Folgendes: 

Die Nömer ließen aus Erz alle die Lande gießen, die fie bezwun⸗ 
gen hatten. Über jedes hängten fie eine goldene Schelle, die alsbald 
ohne Menſchenhand erflang, wenn tasfelbe fi) empörte. Eines Tags, 
als der Senat zu Rathe faß, lautete eine Schelle, daran fie erfannten, 
daß beutfches Voll wieder aufgeftanden war. Sie entjandten ben 
Helden Julius mit 30,000 Helden, denen er gleiche Zahl zufügte, weil 
ibm die deutſche Kraft mohl befannt war. Ex wandte fi) zuerft gegen 
die Echwaben, beren Herzog Brenne ihm mit Heer entgegenritt. In 
breit Feldſchlachten wehrten die Schwaben ihr Land, bis er fie in Güte 
zu einem Teibing bat, wo fie das Land in feine Gnade gaben. Sem 
Gezelt hieß er da auf den Berg Swevo fchlagen, nad dem das Boll 
geheißen ift. Nach der Schwaben Rathe zog er auf die Baiern, die aus 
Armenien ftammen, wo Noe auf dem Ararat aus ber Arche gieng; dann 
machten ihm die Sachſen zu fchaffen, einft Mannen bes wunderbaren 
Alerander8 und von den Mefjern benannt, mit denen fie die Thüringer 
treulos erfchlugen; zulegt naht er fich feinen alten Verwandten, den ebeln 
Franken, deren Vordern von Troja, nad Zerftörung der Stabt, ande 
zogen und, von Franke geführt, fich unten am Rheine nieberließen, den 
er für das Meer nahm. Alle dieſe deutſchen Völker überwältigt Julius 
. nur in blutigem Kampf und es wirb die Waffentüchtigleit jedes einzelnen 
bejonders gerühmt. Als ihm aber zu Rom felbft Gegner erftehen, kehrt 
er zurüd zu den Deutichen, klagt ihnen feine Noth und bietet ihnen. 
fein rothes Gold. Da folgen ihm die Schnaren ber Tapfern aus Gallien 
und Germanien mit glänzenden Helmen, feften Halöbergen und fchönen 
Schilden nad Lamparten gegen die Übermacht des Pompejus. Es hebt. 
ſich der härtefte Volfftreit, ber in dieſem „Meergarten” je gefchehen 
fonnte: wie die Banzerringe Hangen, da die Rofle zufammen fprangen, 
Heerhörner tojten, Bäche Blutes flogen, bie Erbe unten bröhnte, die 
Hölle entgegenhallte, da die Hebreiten in der Welt fi) mit Schivertern 


265 


ſuchten! Cäſar ift Steger und bemächtigt fich des Reichs, erbricht bie 
Schatlammer und gibt ben Schab feinen Getreuen; ſeitdem maren 
deutfche Männer zu Rom ftet3 lieb und geehrt 685, 

Vorhergehende Sagen von den früheften Gefchiden beutjcher Voller 
waren fichtlich aus Iebenbiger Überlieferung genommen, von ben Ges 
fchichtfchreibern mehr ober weniger glüdlich mit urkundlichen Nachrichten 
ausgeglichen, in gelehrier Sprache und Redeform auögeführt. Umgelebrt 
nun Tonnten die Ableitungen vom Berge Swevo, aus Armenien, von 
Alexanders Heer und der alten Troja, ſowie die Verwandiſchaft und 
Streitgenofienihaft mit Julius Cäfar, nur von Schriftlundigen aus» 
geben, haben aber ihren Weg ins Volk gefucht und find auch theilmeife 
durch Behandlung im Stil des deutichen Heldenlieds 688, ja durch Ber: 


EB Die Stelle tiber die Schwaben lautet nah Maßmanns Ausgabe ber 
Kaiſerchronik 265 fi. (vergl. Annoliev 279 ff.): 
„Zulins was ein guot kneht, vil fchiere machete er fich gereht 
und ander fine holden, die mit im varen folben. 
er Tärte ingegin Swäben, den tet er michil ungnäde. 
zuo Swäben was dö geſezzen ein herzoge virmezzen, 
genant was er Brenne. er reit mit here engegene. 
Daz buoch tuot uns kunt, er vaht mit in briftumt 
mit offenem firite. fie flusgen wunden wite, 
fie vrumeten manigen bluotigen rant. die Emwäbe irwereten wol ir Iant, 
ung fie Julius mit minnen irbat zuo eineme tegedinge. 
ie lant fie dä gäben in fine gnäbe. 
fin gezelt hiez er flahen dd Nf einen berc, hiez Smwind; 
von dem berge Swervo fint fie alle geheigen Swaͤbe, 
ein liut ze räte vollen guot; fie fint ouch rebefpähe gnucc, 
die ich dide des vurndmen, daz fl guote reden wären, 
wol vertic unde wol wichaft; iedoch betwanc Juͤlius alle ir kraft. 
Die Smwäbe rieten Fülio, er kerte Af die Baiere“ u. ſ. w. 
Ob das Annolieb ans der Kaiſerchronik geihöpft habe oder umgelehrt, barliber 
iR verfchiedene Anficht; der erſtern Meinung ift Maßmanı (Kaiferchronit 1, XV. 
Begzenberger, Anno 31 fl.), der letztern W. Wadernagel (Litteraturgefehichte 172). 
686 Kaiferchronit 499 ff. (vergl. Anno 448 ff.): 
„ba wart der bertefte volcwic (alf’ iz buoch noch quit), 
der in difeme meregarten ie geprumet mohte werben. 
dwi, wie bie farringe Mungen, do die march zefamene fprungen! 
herehorn duzzen, beche bluotes vinzgen. 
[A. d'erde dar umtine dunite, die heile engegine glumite, 


266 


webung mit der Nibelungenfage 68°, in gewiflem Grade volksmäßig 
geworden. Die balbgelehrten Einbilbungen hatten aber auch, fchon 
wo fie zuerft auftauchen, ein beftimmted Abſehen auf das wirkliche 
Vollsleben, auf die neue Staatengründung. Es handelte fih Darum, 
die neue Ordnung ber Dinge der alten Borftellung von den vier 
Weltreichen einzureiben, bie auch in ber Kaiferchronit bei dieſem An: 
laß aus Danield Traumgefichten gedeutet wird 68, und insbefondre 
die emporftzebende Frankenherrſchaft ala unmittelbare Erbin ber alt 
römifchen zu beglaubigen 689, Daß die Julier, das Geſchlecht des 
erften Cäfars, von Julus, des Anens Sohn, abftammen, war aus 
Virgil und Livius befannt 69 und daß die Franken von Troja geloms 


dd die Heriftin in ber weride fuohtin fi) mit fwertin u. ſ. w.] 
da belac manic breite ſchare, mit bluote berunnen alje gare.“ 
Bergl. Aler. 4654 ff. (Bweilampf, einmwic): 
„zeſamene fi do fprungen; woh, wi di fvert clungen” u. |. w. 
4707 fi.: 
„da wart gevollit manic furh mit dem bfute al rot. da was die grimmifte not, 
die dar ie dehein man in folcwige vernam.“ 
Rother (Maßmann) 4249 ff.: 
„Do lagen uf den doden bie tliere mar verfcrodin. - 
von den wundin vloz daz blut. Da Wolftat, der helet gut, 
ze bem volkwige quam“ u. ſ. w. | 
Ludwigslied (Wadernagel 106, 23 ff.): 
„Sang was gifungan, Uuig was bigunnan; 
Bluot flein in unangon; Spilodun ther urankon“ u. ſ. m. 
687 Bergi. W. Grimm, Helbenfage 87. Lachmann, zu den Ribelungen 836. 
8 Kaiſerchronik 581 ff. Anno 175 fi. Daniel 7, vergl. 2, 31 bie 45. 
689 Löbell a. a. O. 194 fi. Waitz, deutfche Verfaffungsgefchidhte 2, 
128 f. 144. 
880 Äneis 1, 286 ff.: 
„Nascetur pulchra Trojanus origine Ceesar, 
Imperium oceano, famam qui terminet astris, 
Julius, a magno demissum nomen Iulo.“ 
(Wohl von Auguftus? Vergl. Aneis 6, 789 ff.) Living 1, 8: „Nondum ma- 
tarus imperio Ascanius, nee filius, erat; tamen id imperium ei ad 
puberem wtatem incolume mansit. tantisper tutela muliebri (tanta indoles 
in Lavinia erat) res Latina et regnum avitum paternumque puero stetil. 
Haud nihil ambigam (quis enim rem tam veterem pro certo affirmet?), 
hiccine fuerit Ascanius, an major quam hic. Creusa matre Ilio incolumi 


267 


— — — — — 


men, willen ſchon Schriftſteller der merowingiſchen Zeit 601. Auch 
was die Kaiſerchronik namentlich von den Schwaben meldet, iſt Mis⸗ 
verftänbnis ſchriftlicher Meldungen. Ob im Herzog Brenne ein galli⸗ 
fcher Brennus ober jener Brinno, den bie Canninefaten auf den Schild 
erhoben, nachklinge. muß bingeftellt bleiben 692, Der Berg Swevo, 
nad) dem die Schwaben geheißen find und auf welchem Cäfar nad 
ihrer Unterwerfung fein Gezelt auffchlagen läßt, iſt Doch nur der von 
Blinius und nad ihm von Solinus genannte Berg Sevo, bei Iſidor 
Suevo, mit Beziehung auf den Volksnamen, jo wenig die Lage diejes 
Berges auf Cäfars germanifche Feldzüge paßt 6%. Daß Schaaren aus 
Gallien und Germanien zu Cäfar fteben, ftimmt mörtli mit römifcher 
Geichichtfchreibung 6%; in der pharlaliihen Schlacht entichieben für 
Gäfar die deutfchen Cohorten, die einen fo heftigen Angriff auf die zahl: 
reiche ‚Neiterei des Feindes machten, daß Dieſe Fußvolk zu fein, Jene 
zu Roſs anzufprengen Schienen 6%. Das bat die Katferchronil, wo fie 


netus comesque inde paterne fuge, quem Julum eundem Julia gens 
suctorem nomitis sui nuncupat.“ 

691 fiber die trojaniſche Abkunft der Franlen ſ. W. Grimm, altbinifche 
Heſdenlieder 431 fi. Dione, Anzeiger 4, 1 ff. Löbell a. a. D. 479 fi. Rett⸗ 
berg, Kirchengeichichte Deutfchlands 258 fi. Bezzenberger, Anno 108 f. 110. 
80. Zeuß 402* (8. 2. Roth, die Trojafage der Franken, in Pfeiffers 
Germania 1, Stuttgart 1856. 8. ©. 84 bis 52. Man vergl. auch Ber- 
mania 2, ©. 379. Joſeph Wormſtall, Die Herkunft der Franken von Troja. 
Zur Löſung eines ethnographiicden Problems. Münfter 1869. 8. 9.) 

632 Livius 5, 38.48, 88, 16. Florus 2, 11. Zuftinus 24, 6 fg. Tacitus, 
bist. 4, 15 fg. (Brinno). Bergl. aud die Könige Brenner bei Avent. Reg. 
und ebend. Ingram, König in Baiern. 

63 Zeuß 76. 156. 265. Myth. 387. Die Stelle bei Iſidor, orig. 10, 2: 
„dieti autem Suevi putnntur a monte Suevo, qui ab ortu initium Ger- 
maniz facit.“ Ob. Anm. 141. Erufius, P.1, L.12, c. 9 (©. 336.): „Comes 
Geroldus a Pussen: arcis insignis (que in medio Sueuise sita, antiquitus 
Sueuia dieta est: et Prineipum Sueui® auita sedes fuit: ac mons Sueuus, 
bodie Der Buß) et Bauarie itemque Sueuie Prefectus“ u. f. w. 

6 Kaiferchronit 469 fi.: „Do fie virnämen finen willen, dd ſameneten 
fh die fnellen, Azir Galli und üzir Germänie komen fchare manige (Unn. 
413 ff., 420: „alf ein vlät vüren fin daz lant)“ u. ſ. w. Florus 4, 2: „hine 
Gallici Germanique delectus.“ 

68 Florus 4, 2: „Sed nec minus admirabilior illius exitus belli. Quippe 
cum Pompejus adeo equitum copia abundaret, ut facile circumventurus 


268 


von der Bluttaufe des römischen Reiches handelt, fich nicht entgehen 
laſſen; es ift „der deutſchen Herren Troſt“, der Cäfarn bei Kleiner Zahl 
feines Heeres ermuthigt 6%. Einheimiſch deutſche Sage, aber aud fie 
durch ältere Schriftwerke vermittelt, zeigt fih in der Aufzählung der 
vier von Cäſar bezwungenen Völfer bauptfähli& nur beim Streite der 
Sachſen mit den Thüringern, in Betreff der Schwaben aber in ber 
entiprechenben Stelle des Annoliebs, welche bie Borbern der Schwaben 
an dem namengebenden Berg Zelte fchlagen läßt, nachdem fie mit 
mancherlei Bolt über Meer dahın gelommen waren, was zu bem erften 
Theil der Wanderfage ftimmt 697, Allen vier Stämmen iwirb reichlich 
Lob gezollt und von den Schwaben, die zwar den Baiern gegenüber 
nicht mohlgefinnt erfcheinen, wird gefagt, fie ſeien rathfundig und berebt, 
erprobte Reden, rüftig und ftreitbar 6%, Der meifte Glanz aber fällt 
doch wieder auf die Franken, die „viel eveln”, womit eben ihr hohes, 
zum Herrfchen gebornes Gefchlecht verftanden ift, die alte Verwandt⸗ 
ſchaft mit Cäſar in der gemeinfamen trojanifchen Abkunft 6°. 

Die Schwaben, wie fie fpät zu ihren Tagen kommen, ſaßen volle 


sibi Cæsarem videretur, circumventus ipse est, Nam quum diu z»quo 
Marte contenderent, jussuque Pompeji fusus a cornu erupisset equitatus, 
repente hinc signo dato, Germanorun: cohortes tantum in effusos equites 
fecere impetum, ut illi esse pedites, hi venire equis viderentur. Hanc 
stragem fugientis equitatus levis armature ruins comitata est. Tunc ter- 
rore latius dato, turbantibus inviccm copiis, reliqua strages quasi una 
manu facta est.“ Appianns, de bell. civ. 2, 64. 78. (Bezzenb. 111 u., f. ob.) 

686 Kaiferchronit 495 ff.: „Juͤlius kerte in ingegene, iedoch mit minmerre 
menege, durch der diuflen herren tröft.“ 

697 Anno 279 f.: „Unttr bergin ingegin Suäben biz her vanen üf Haben; 
deri vordirin wilin mit herin dari cumin wärin ubir meri mit miglicheme volle” 
u. ſ. w. In der lebten Beile findet Bezzenberger 105, 283: „eine hiumweifung 
auf die Alemannen.“ 

6s S. ob. Aum. 685. 

899 Kaiſerchronik 848 ff.: „Car begonde dd nähen zuo ſinen alben mägen, 
zuo den Franten, den vil edelen. ir biderbe vorderen fömen von Tröje der 
alten“ u. f. w. Anno 848 f. beſſer: „iri beidere vorberin quämin von Xröie 
der altin” u. |. w. Auch ein galliihes Hilfsvolk Cäſars rühmt fi) der Ber 
wanbdtfchaft mit Rom durch Abftamınung von Jlium, Lucan, Bharfal. 1, 427 f.: 

„Avernique ausi Latio se fingere fratres, 
sanguine ab lliaco populi“ u. |, w. 
(8. Grimm a. a. O. 439.) 


269 


acht Jahrhunderte hindurch in ber neugeimonnenen Heimath, bis an 
ihnen, nach Franken und Sachſen, die Reihe war, ein geiftesmächtiges, 
jagenberühmtes Gefchlecht aus ihrem Stamm an die Spige des deutſch⸗ 
römischen Reiches zu ftellen. 


9. Golleinium. 


Jener germanifche Einfall über den Bfablgraben gegen Ende bes 
sten Jahrh. befchräntte ſich nicht darauf, die alten, zum römifchen 
Zehntland gewordenen Wohnftätten zmifchen dem Oberrhein und ber 
Donau wieder zu erobern. Die weite Strede vom Main bis zur Aar, 
von ben Vogeſen bis zum Lech und den rätifchen Alpen, wurde ſueviſch⸗ 
alamannifches Gebiet 700. Es war ein langer und verheerender Kampf. 
der bier die ftets noch gewaltige Römerherrſchaft brach. Wie man die 
Überrefte verfunfener, von der Sturmflut tveggeraffter Stäbte unter 
dem Meereöfpiegel zu fehen glaubt, fo liegen unter dem Boden, über 
den die Sueven: Alamannen hinfuhren, überall zertrümmerte Römer: 
werte. Bon dem Rebe römiſcher Heerftraßen und Grenzwälle, von 
Städten, Thürmen, befejtigten Lagern, blieb nur der bebedte Grund: 
bau mit einzeln bervorragenden Bruchſtücken übrig. Diefer Mauer: 
kranz Triegerifcher Rieberlafiungen war es ja eben, der dem ungeftümen 
Vorbringen der Germanen Widerſtand geleiftet, ihnen felbft früher 
innegehabtes Land verfchloffen hatte; er mufte niebergeivorfen und 
ber Erde gleich gemacht werden, damit fich dem Wanderzug beutfcher 
Vollsheere freie Bahn öffne. Es war aber noch ein tieferer Beweg⸗ 
grund im Leben biejer Völker, ber fie zu Feinden und Bertilgern der 
römischen Stäbtegründungen machte. Schon Ariovift drohte mit feinen 
waffenrüftigen Germanen, die binnen vierzehn Jahre unter fein Dad 
gegangen 701; alterthHümliche Ausdrucksweiſe, monad im Norden nur 
der ein Seefünig hieß, der niemals unter rußigem Ballen fchlief 702, 
Auch als Grund des jährlichen Ackerwechſels läßt Cäfar die Germanen 
anführen: damit nicht das kriegeriſche Leben mit dem ftätigen Landbau 

70 geuß 317 u., f. (Mlifaz). Stälin 1, 146. 292%. Sprachg. 708 *. 

m S. ob. Anm. 8. 

M Yngl. 8. C. 34: „undir s6tkum däsi“; Sagenforſch. 215. Nod in 
einem Wallenſtader Rodel die „ruofigen Hafen” (Dachſparren), Bezeichnung bes 
Hansfriedens, Schwabs Schweizerburgen 2, 31. 


270 


vertaufcht und, um Froft und Hike zu vermeiden, kunſtlichere Woh⸗ 
nungen gebaut werben 708, Tacitus erflärt es für eine befannte Sache, 
daß die deutfchen Volker keine Stäbte bewohnen und nicht einmal zu 
fammenhängende Wohnfige dulden "94. Die Mamannen insbeſondre 
batten, als Julian im Jahr 356 feinen erften Feldzug gegen fie unter 
nahm, 45 Städte der linken Rheinfeite in Ajche gelegt oder geplündert 
und, wo fie welche in Beftk genommen, tie, nach heutigen Namen, 
Straßburg, Brumat, Elfaßzabern, Selz, Speier, Worms und Mainz, 
bewohnten fie doch nur das umliegende Gebiet und mieden die Städte 
felbft wie Yangnege und Gruben 705, Nicht ohne fagenbaften Anflug 
find die Nachrichten über frühere Verheerungen des Alamannenktönigs 
Chrokus in Gallien, von denen die Trümmer großer Stäbte zeugten; 
die alten Tempel ftürzte er von Grund um, befonders zu Clermont 
einen Göttertempel von ausgezeichneter Feftigleit und Pracht. Bor 
diefem Heerzug hatte er feine Mutter um Rath gefragt, mie er ſich den 
Beinamen eine® Großen verdienen lönne, worauf fie ihm zur Antwort 
gab: „Mein Sohn, wilft tu bir in der Welt einen Namen madıen, 
jo reiße die großen Baumerfe der Römer nieder und vertilge die Ein- 
wohner! denn fchönere Gebäude fannft bu nicht aufführen, auch durch 
Kriegsruhm jenes Volk nicht übertreffen.” Der Sohn befolgte den Rath 
dee Mutter ivie einen Götterfpruch 7%, Der eigentlide Sinn tiefer 


038 Cäſar, bell. gell. 6, 22: „Ejus rei multas adferunt caussas: ne, 
assidua consuetudine capti, studium belli gerendi ogricultura commutent 
n. f. w., ne accnraltius, ad frigora atque estus vitandos, wdificent“ u. |. w. 
(Damit glei gebt die Nadtheit, Cäfar 4, 1 fin. Germ. 24, Armalausi, 
Heruli u. |, w. Ammianus 15, 4: „corpora nudantes intecta® u. ſ. w.) 

?0%4 Germ. 16: „Nullas Germanorum populis urbes habiteri, satis 
notum est, ne pati quidem inter se jnnctas gedes.“ 

05 Yulianns, Orat. ad S.P.Q. Athen. (Masc. 1, 246, 4. 25): „Ergo 
adultis jam frugibus castra movi, innumera Germanorum multitudine 
eircä eversa per Gallies oppida commorante. Quorum numerus Oppido- 
rum ad quinque et quadraginta pervenerat, burgis et castellis minoribus 
omissis.* Stälin 1, 125. Ammianus 16, 8: „Audiens itaque [Julian.] Argen- 
toratum, Brocomagum, Tabernas, Salisonem, Nemetas et Vangionas et 
Mogontiacum civitates barbaros possidentes, territoria earum habitare 
(nam ipsa oppida ut eircum.ata retiis busta declinant), primam omnium 
Brocomagum occapavit“ u. f. w. Stälin 1, 155. Zeuß 317. 

06 Greg. Turon. 1, 30: „Horum [scil. Valeriani et Gallieni] tempore 


271 


gottgebotenen Zerftörung mag im Gegenfage des römifchen Städte: 
weſens und Tempelbaus mit dem germanischen Walbleben und Hains 
dienfte zu fuchen fein. Schon der Name bes Helden, Chrocus, ahd. 
hruoh (greculue), agf. hröc, Ruh, Kräbe, ift eine Stimme aus ber 
Wildnis 707, Daß heidniſcher Glaubenseifer mitwirkte, beftätigt eine 
fpätere Angabe des Agathiad, wonach die Alamannen ſchonungslos 
aud die chriſtlichen Kirchen verbrannten und entfchmüdten 708, 

Eines jedoch unter den germanischen Völkern wird, mit Hinweifung 
auf feinen Ramen, als dem Burgbau ergeben befonvergeftellt: bie 
Burgunden. Ammian führt zwei Gründe an, warum die Burgunden, 
damals noch in der obern Maingegend, ſich von Valentinian wider bie 
Hamannen aufftiften ließen: einmal weil Jene fich von alten Zeiten 
ber römifche Ablömmlinge mwuften, ſodann meil fie um ber Salzquellen 
unb Örenzen willen bäufig mit ven Alamannen haderten 79%, Bu erläus 
tem verfucht ift die Beziehung zu den Römern bei Orofius: man fage, 


et Chrocus ilie, Alamanorum rex, commoto exercitu, Gallias pervagavit. 
Hie autem Chrocus multe arrogantie fertur fuisse. Qui cum nonnulla 
inique gessisset, per consilium, ut ajunt, matris iniquse, collecta Ala- 
mannorum gente, universas Gallias pervagatur cunctasque wedes, que 
antiguitus fabricatree fuerant, a fundamentis subvertit“ u. ſ. w. Act. S. 
Privati in Act. 8. 8. Boll. Aug. ®. 4, ©. 439: „Alemanni, transmisso 
Rheno, Gallias petierunt numero quoque potius, quam virtute preevalidi; 
quibus Crocon regem illo tempore prefuisse confirmat antiquitas. Hæc 
itaque gens multitndine innumerabilis cum locustarum more non solum 
Gallie pervagnta, universa perterreret vel deleret (quod etiam magnarum 
urbium protestantur ruine), in Gavaldane regionis excidium animum atque 
arma convertit“ u. f. w. Stälin 1, 118, woſelbſt A. 1 binzugefligt wird: 
„Hauptquellen find andy Act, 8. Desiderii ib. Maj. B. 5, ©. 244 und bei 
Bouguct 1, 641.” | 

707 J. Grimm über Jornandes 88: „an den alanıann. namen Chröcus, 
Chruocus (ahd. hruoh, cornix)“ u. f. w. Gramm. 3, 361. Graff 4, 1149 f. 
Schmeller 8, 20. Ein andrer Alamannenkönig tiefes Namms in Aurelius Bictor, 
Epit. 41 (Stäfin 1, 120, 4. €). 

"8 Agathiad 2, 1: „To Alanavızcv arav döyovv vovg 150g apsıdag zul 
aznyldi,ov.“ Stälin 1, 162. 

09 Ammianus 28, 5b (©. 6585, a. 370): „Gratanter ralione gemina 
prineipis accepie sunt littere: prime, quod jam inde temporibus priscis 
subolem ee esse Romanam Burgundi scinnt. dein qund salinarum finium- 
que causa Alamannis sepe jurgabant.* 


272 


die Burgunden feien einft, nachdem Drufus und Tiberius das innere 
Germanien unterivorfen, in die Lager vertheilt worden und fo (mit 
den Römern) au einem großen Volle verwachſen; auch ihren Namen haben 
fie vom Werke bergenommen, meil man zahlreih im Grenzland er 
richtete MWohnftätten gemeinhin Burgen nenne 710. Im vollen Sagen 
zuge begriffen ift enblich die Erzählung des Byzantiners Solrates: 
Jenſeits (rechts) des Rheinſtroms wohnt ein Voll, Burgundionen 
genannt; biefe führen ein ftet3 friebliches Leben, denn fie find faft alle 
Bauwerkleute und nähren fih vom Lohn viefer Arbeit. Ihr Land 
wurde burch beftändige Einfälle ver Hunnen bebrängt und oft wurden 
viele Leute von denfelben getödtet. Aus Rathloſigkeit aber nahmen fie 
zu keinem Menfchen ihre Zufludt, fondern wollten ſich lieber einem 
Gott anempfehlen. Indem fie nun bedachten, daß der Gott der Römer 
träftig denen belfe, die ihn fürchten, griffen fie einmüthig dazu, an 
Shriftus zu glauben. Sie begaben ſich in eine galliihe Stabt und 
erbaten fi von dem Bilchof die chriftlihe Taufe Als hierauf ber 
Hunnenlönig Uptar in ber Nacht von Überjättigung zerplagte, über: 
fielen die Burgunden das führerlofe Heer und fiegten ihrer wenige im 
Kampfe gegen große Überzahl, nur Dreitauſend exlegten fie gegen 
Zehntaufende, und von da an mar das Volk mit Inbrunft hriftlich 711, 
Der Name Burgundionen beftand ſchon, als das Volk, ferne von 
römischer Berührung, zwiſchen Ober und Weichiel wohnte 12. Die 


210 Oroftus 7, 82: „Burgundiorum quoque, novorum hostiam, cœpit 
novum nomen, qui plusquam 80 millia armatorum ripz Rheni fluminis 
insederunt. Hos quondam, subacta interiore Germania a Druso et Tiberio, 

adoptivie tiliis Cæsaris, per castra dispositos. ajunt iu magnam coaluisse 
_ gentem. Atque etiam nomen ex opere presumsisse, quis crebra per limi- 
tem habitacula constituta burgos vulgo vocant: eoramqne esse preevalidam 
et pernicioseam manum Gallie hodieque testes sunt in quibus preesumta 
possessione consistunt. Quamris providentia dei omnes Christiani modo 
facti, catholica fide nostrisque elericis, quibus obedirent, receptis, blande, 
mansuete, innocenterjue vivant, non quasi cum: subjertis Glallis, sed vere 
cum fratribus christianis * Masc. 1, 276, 4. 2b. Zeuß 402°. (Über bie 
verworrene Stelle bei Liudprand, antapod. 3, 44 [Reuber ©. 126] |. Sprad- 
geſchichte 701.) 

711 Socret. scholast. Constentinop. histor. ecclesiast. 7, 30. Jeuß 469 f. 

712 Plinius, hist. net. 4. 28: „Vindili, quorum pars Burgundiones* 
Masc. 1, 4). Ptolem. (Yeuß 759, 4). Zeuß 133 f. 


273 


ungeſchichtliche Stammverwandtſchaft ober Verbrüderung desſelben mit 
den Römern iſt nur ein Verſuch, die vorausgeſetzte gemeinſame Bau⸗ 
fertigkeit beider Völker zu erkllären. Die Römer waren, nach Geſchichte 
und Eage, wie nod in der SKaiferchronit Cäſar, die Erbauer fefter 
läge, beſonders den Rhein entlang "13. Diefem Beilpiel die Burgun: 
den folgen zu lafien, war der Bollaname ſelbſt für römiſche Schrift: 
fteller einlabend; burgus, als Bezeichnung eines Kaſtells, ift ſchon 
dem Begetius, im 4ten Jahrh., befannt tt. Wirklich bebeutet aud) 
Burgundio einen Bewohner der Burg, der ſchützenden, bergenden 
Stätte 715, und die Entftehung des Volksnamens muß ſich auf den 
Gebrauch einer feiteren Bauart für das einzelne Haus ober für ge: 
meinſame Ummallung beziehen. Damit ftand inöbejondre das leichte 
Baumefen der Alamannen in ſchneidendem Gegenſat; eben als dieſe 
in der Maingegend Grenznachbarn der Burgunden waren, gedenkt 
Ammian ihrer gebrechliben Wohnungen und viel fpäter noch läßt der 
Redner Ennodius die von Theoderich nad Oberitalien verſetzten Ala: 
mannen ih Glüd wünſchen, daß fie, vom Schilf befreit, aus den 
Haffenden Wohngelaffen zu einer fefleren Bebedung gelangt feien 1%, 
Nur von den Alamannen am unten Main bemerkt Ammian noch 
eigens, daß ſich bei ihnen forgfältiger nach Römerweife gebaute Woh⸗ 
nungen befunden haben 112; feftere Bauart mies auf römische Muſter 
und fo muſten die burgbauenden Burgunden ben Römern befreundet 


73 Kaſtellbau des Drufus: Florus 4, 12 (S. 402, vergl. 413, Tacitue, 
ann. 4, 5): „Nam per Rbeni quidem ripam guinquaginta amplius castellu 
direxis“ Dio L. 44. Mate. 1, 67, A. 8; Balentinians: Ammian. 28, 2. 
D, N. Stälin 1, 134; Share: Kaiſerchronik 879 ff., je eine Stadt der andern 
„zt huote”; anders und weniger aufchanlich Aunolied 499 fi. Berg. Annolieh 
479 #. Kaiferchronit 688 f. 

116 Begetius 4, 10: „castellum parvulum, quem burgum vovanı“ u. |. w. 
Epradg. 700 f. Mone, badische Urgeichichte 1, 188. 

75 Spradig. a. a. D. Zeuß 183 %*, 

76 Ammian. 18, 2: „sepimenta fragilium penatium.“ Ennodius, panc- 
gyr. Theoderico regi diet. (Manſo, Geſchichte des oftgothifchen Reichs 478): 
„Ulris liberata gratulatur |Alamannie generalitas], terram ineolens, que, 
hactenus dehiscentibus domiciliis, solidiori sarcine [a. schani] emergebat 
beneficio.* Stälin 1, 155. 

717 Ammian. 17, 1: „domieilis u. f. w. curatius ritu romano con- 
strucla.“ | 

Upland, Egriften. VIII. 18 


274 


ericheinen. Dem noch jet forivauernden Unterſchiede bes ftäbtifch 
romanifchen Eteinbaus und ländlich alemannifchen Holzbaus entfprad 
unter den Germanen felbft, in einfadhen Zügen, daB Berbältnis bur⸗ 
gundifher Bauart zu derjenigen der andern Völker 76. Da jebod 
diefe die vorberrfchende war, erichien jene als eine abſonderliche, fie 
galt, eben meil fie beileren Schutz gewährte, für unkriegeriſch und 
damit fielen die Yurgunden der Epottfage anheim, mit ber- die deut 
chen Etämme, wie an andern Beifpielen gezeigt worden, fich wechſel⸗ 
ſeitig befchentten. Der bhzantiniſche Kirchengeſchichtſchreiber, der bie 
Belehrung der Burgunden erzählt, mochte ſich dieſes Ereigniffes ernſt⸗ 
ih freuen, aber die Umftände, unter denen basfelbe vorgegangen fein 
lol, find der belle Volksſcherz, der vielleicht fchon in gänzlich vorchriſt 
licher Zeit auf ähnliche Weife gefpielt hatte. Weil die Burgunben fi 
mit Baugewerk abmühen, find fie nicht waffenrüftig; rate und thatlcs, 
weber ber eigenen Kraft noch auf ben Beiſtand tapfrer Völler ver: 
trauend, erwarten fie alle Hilfe von einem Gott, dem fremden Chriſten⸗ 
gott. Der Sieg, der ihnen unverdient, durch das Berften des heiß⸗ 
bungrigen Hunnenkönig® zufällt, lautet wie ein uraltes Märchen. 

Nah dem Gedichte von Dietleib führt Hagen, der Berwanbte und 
Dienfimann des Burgundenlönigs, in feiner Fahne eine Burgzinne 719. 
Auch einer Drtsfage vom Urſprung der Stadt Hall im Schtunben ift 
bier zu gedenken: 

Wo jet der Ealzbrunnen von Hall fließt, war vor Alters im 


‘8 Vergl. A. Schott, die deutfchen Golonien in Piemont, Stuttgart 1842, 
€. 119 ff. (AVI: burgundiſches und alemanniſches Haus; das burgundijche 
wird nur in der anziebenden Ausführung als allgemeiner romaniſches anfzu- 
fafjen fein. Burdhart, Unterſuch. über die erfte Bevölterung des Wlpengebirgs, 
biftorifches Archiv 4, S. 51 bis 58.) Nachzuſehen Stablins bier angeführte 
Abhandl. im ſchweiz. Geichichtsforich. 4, 850, wo aud ven der Bauart. 

‘19 Dietleib 2380 f.: „in der Burgonie lant fuere fg an ungenad.” 
2386 fi.: „do horten fy wit ſchiere fagen von einer burge, die was güt, dar⸗ 
auf ſaſſen vil heehgemät viertzig ritter oder bas u. f. w. man fagt in von ber 
burge fint, daz die Tronie was geuant, das haus und auch das güte lant was 
alle Hagene undertan m. |. w. von Tronige die burgare u. |. w. 2768: „ber 
neve mein.“ 2843: „von dem herren mein.” 9817: „nu fa er einen fanen 
tragen mit einer burgzinne, die lag gefniten darinne; den fuert Hagene und 
feme man.“ Heldenfage 180. 


275 


unwohnlichen Wald eine herbe Lache, zu der das Wild lief und daran 
Iedte, wodurch die Bottedgabe des Salzes offenbar wurde. In dieſer 
Bildnis ftanden nun bald fieben feite Thürme, von benen ber Ort 
„pin fieben Bürgen“ geheißen mar. Die Bewohner berjelben trieben 
oft umbefireifende NRotten ver Römer mit großem Berlufte zurüd und 
ala einmal ein römifcher Bote fi) dahin verirrte, ſah er aus einem 
der Thürme ein Banner hängen, das ber Befiter biefer Burg, vom 
Adelsgeſchlechte ver Berler, einem römischen Hauptmann im Streit 
abgerungen und bort den Hömern zum Epott audgeftedt hatte. Der 
Berlertburm, bei St. Michaels Kirche gelegen, ift erft im Jahr 1718 
eingeftürzt und auch die Stellen der andern ſechs Thürme oder Stein 
bäufer find wohl befannt 2°, 

Waren es nun diefelben Ealzquellen, um melde zus Römerzeit 
die Burgunden mit ven Alamannen lämpften, fo ift die Frage zuläßig, 
ob nicht in diefen fieben Burgen, der alten Benennung des Drts, ein 
fpäter‘ Rachhall des burgundifchen Namens zu bören fei. 

Die Burgunden, die bei ihrem erften Erfcheinen hinter den ſueviſchen 
Semnonen, nachher am Ubermain norböftlich im Rüden der Alaman: 
nen ftanden, batten fih nad ihrem Rheinübergang, nachdem fie, in 
Maınz einen römischen Gegenlaifer, Jovinus, eingejeht und ihnen 
tömifches Gebiet in Gallien und dem vormaligen Helvetien eingeräumt 
war, in weiter Ausdehnung ſüdweſtlich vor den Alamannen gelagert 721, 
Ihr Rame rief auch im neuen Lande die gleiche Deutung berbor. 
Wieder belehrt eine Schmeizerchronif, die von Rom und bie von Trier 
haben einander manig Jahr bekriegt, die letztern aber virl edler noth⸗ 
fefter Leute in bieß Land geſetzt, welde die Wege von Lamparten 
herein über die Schneeberge hüten follten, damit die von Rom keinen 
Durchgang haben möchten; da jeien ſoviel Burgen im Lande gemadt 
worden, daß man ed das mindre Burgund genannt, und jei ber 
Edlen und Landsherren eine große Zahl geworben *22, Aber auch 


0 Lacorn, handſchriftliche Chronik von ſchwäbiſch Hall 1700, Band 1, 
S. 10. 3 f. 513. 612 bis 614. Bergl. Erufins 2, 226. (Burgunden in 
Dacien Zeuß 447, vergl. 465, Eiebenbürgen?) 

21 Zeuß 468 bis 470. Masc. 1, 874, 880 f. 

7 Konr. Yuftingers Berner⸗Chronik, heransg. von E. Stierlin und J. R. 
nß, Bern 1819, ©. 18: Münzen bezeugen, daß SYovinus zu Trier als 


276 


lebendig burgundiſche Eage kommt von dorther, deren verfdiebene 
Faſſungen fi auf folgende Hauptzüge zurüdführen laſſen: 

Der Herzog von Burgund gerieth in forglichen Krieg mit dem 
König von Frankreich. Man warb zu Rathe, den Streit durch Zwei 
kampf zu entfcheiden. Bon fränlifcher Seite ward ein Kämpe gewählt, 
der dafür galt, zweier Männer Stärle zu haben, von burgundiſcher 
ein ebler Herr, Theoderich, der Stifter des Haufes Strätlingen am 
Thuner Eee, Diefem bie man bald den Imbiß bereiten und als er 
genug gegeflen und getrunfen hatte, ließ er fi in den Ring führen, 
da er kämpfen follte. In einem Seſſel figend, martete er feines 
Miderfachers, bis er im Warten einſchlief. Als nun der fräntifche 
Kämpe herbeikam, der burgunbilche aber in tiefem Schlaf, Allen hörbar, 
„rußte”, da erſchral Jener und ſprach. „Fürchtet ex mich fo wenig, 
daß er fchläft, das ift ein Zeichen, daß ich mit ihm nicht kämpfe.“ 
Eo gewann Theoderid den Kampf mit Schlafen, der Herzog aber 
gab ihm zum Tante feine Tochter Demut zum Weibe, famınt dem 
Lande Minderburgund, beſonders den Wenbelfee (Thunerfee), den 
Burgunderberg und das Land um GSträtlingen, wo Theoderich eine 
ftattlihe Burg erbaute, die er Söhnen und Enteln hinterließ 723. 

Daß nad der einen Yaflung der Erzengel Michael fampfgerüftet 
neben dem Echlafenden erſchien, iſt ein legendenbafter Beiſatz zum 
Ruhme ver Michaelökirche zu Einigen; dafür ift in der andern der 
Krieg unpaflend zwiſchen Frankreich und England erhoben. Franten 
und Burgunden eignen ſich dem örtlichen Anhalt der Eage. Der Kern 
derfelben aber, der Sieg des Fürftreiters im Echlafe, ift ein echter 
Burgundenſchwank, Seitenftüd zu dem Siege mittelft übler Berbauung 
des MWiderfachers "24, nur daß der fchnarchende Löwe achtbar genug 
ericheint, um urfprünglid von Burgunden felbft erſonnen zu fein. 
Kaifer anerfannt war, Masc. 1, 874. Bergl. die Thürme der burgunbifchen 
Königin Bertha (Buliiemin, la reine Berihe 7). j 

723 Yuftinger 2U bis 22, ausgeglichen mit den Angaben der Einiger Chronik, 
Echweizerburgen 2, 826. 512 (Schilling?). Vergl. Vurchart a. a. D. 53, 
Graff 2, 562: „Ruzjan (und ruzon) u. |. w. stertere® un. |. w. Stalder 9, 
294: „Rufen, ruuſſen u. |. w. furren, ſummen u. |. w. im Schlafe fchnardhen“ 
uf. w. Rollei. 160, 7: „der lem begonde rußen.“ 

U Die Burguuden felbft fcheinen im Nufe großer Eßluſt geftanden zu 
fein, Eidonius Apollinaris, carm. 12: 


277 


Bon den fühmweftlich gezogenen Völkern waren die bauenden Bur⸗ 
gunden die erften, welche dem Chriſtenthum bulbigten, fie werben wegen 
der milden Eitte gerühmt, die fie in Folge defien annahmen 725, aber 
fie ließen auch am frübeften ihre Sprache und ihr deutfches Volksthum 
in romanifcher Überwältigung aufgehn. Die zerftörungsluftigen Ala- 
mannen 726 blieben bis zum 7ten Jahrh. unbekehrt '27, vertrieben die 
römischen Niederlaffungen und bildeten fortan eine Grenzwehr germas 
nifcher Art und Sprache. 

Ein lateiniſcher Dichter des 4ten Jahrh. umfchreibt in der Auf 
zählung von Attilas Hifsvölfern den Alamannen, ohne ihn zu nennen, 
ala Denjenigen, den der Nedar mit fchilfichter Welle befpüle 728, Diek 
it eben dag Schilfrohr, das, nach Ennodius, die Alamannen für ihre 
Wohnungen vertwendeten. Der „barbarifhe Nedar“ ift eigentlicher 
Alamannenſtrom und PBalentiniand Siege über dieſes Bolt ſchildert 
der Lobredner fchmeichlerifch ald cine Gefangennehmung bes erft hiedurch 
namenfundig werdenden Nedarz, gleichfam eines vom Water Rhein 
zu Geifel gegebenen Königöfohnes 72%, Aber der gepriefene Kaifer 


„quod Burgundio cantat esculenlus, 

infundens scido comam butyro u. f. w. 

tot tantique petunt simul gigantes, 

quod vix Alsiuoi culina ferret.“ 
Liutprandi bistor. 3, 12. Neuber 126]: „an Burgundionum voracitaten 
atque superbiam ignoratis? u. |. w. Burgundion«.s eos quasi gurguliones 
appello, vel quod ob superbiam toto gutture loquantur, vel qnod verius 
est, quod edacitati, que per gulam exercetur, nimis indulgeant.* Bergl. 
Stälin 1, 156. 

725 Drofiuß (a. 417) 7, 32: „quamvis prövidentie dei omnes Christiani 
modo facti, catholica fide nostrisque clericis, quibus obedirent, receptis, 
blande, mansuete, innocentergue vivant, non quasi cum subjectis Gallie, 
sed vere cum fratribus Christianis.“ Zeuß 469. Masc. 1, 381. Milde ihrer 
Gelege: Masc. 2, 21, A. 3, Anm. ©. 10 f. Daß die Burgunden denn doch 
au unter den verheerenden Bölfern, neben den Alamannen genannt werten 
(Zeuß 466. Masc. 1, 202, X. 8), begreift fich leicht. 

26 Bon ihnen konnte gefungen werden: „wi fi vefte burge brechen“, Annc⸗ 
lied 4. 

7 Stälin 1, 160 n. 163 ob. 

= Eidem. Apoll. carm. 7, 324 f: „Bructerus, ulvosa quem vel Nicer 
blait unda, prorumpit Francus“ u. |. w. Zeuß 319. 352. 

729 „Barbarus Nicer“ Eumen., paneg. Coustant. 13. Stälin 1, 121. 





278 


fonnte nur noch an ber Ausmündung biefes Ylufles eine von defkn 
Fluten untertvühlte Befeftigung mittelft Anbersleitung desſelben neu 
berftellen 30, Alle von den Nömern gegründete Anlagen aufwärts bis 
zur Quelle des Stroms waren längft in bie zerftörende Hund ber 
Alamannen gefallen. Zahlreich find die verfchütteten Reſte Tiefer 
Römerbauten befonderd im oberen Nedarthal, mitten in der Land» 
firede, die einft von ber germanischen, mahrfcheinlich fuebifchen Vorhut 
an ber belvetiichen Rheingrenze eingenommen war. Die jobenannte 
peutingerfche Tafel, mittelalterliche Nachbildung einer römischen Etraßen- 
farte, gibt den Heerimeg von Vindonissa, Windiſch, hi Reginum, 
Regensburg, mit feinen Raftorten und unter dieſen ift einer mit ber 
Beiſchrift „Samulocenis“, durch zwei Häufer oder Thürme ausgezeichnet, 
wie es nur bei bebeutenden Plätzen, meiſt Colonien, d. b. durch Her 
jendung römischer Bürger und Veteranen, ſowie durch ftantärechtliche 
Bevorzugungen der großen Mutter Rom veräbnlichten Stäbten ber 
Fall ift 91, Der beigefehriebene Name hat auch feinen örtlichen Anhalt 
gefunden, feit unter den römischen Bautrümmern in und bei Roten 
burg am Nedar, die jchon durch ihren Umfang und den weiten Zug 


Mone, badiſche Urgefdhichte 2, 288. Zeuß 319: „der Nedar, der Fluß des 
Alamannengebietes.” Symmach., laud, in Valent. Aug. 2, &. 21 (ed. Mesji 
1815): „Quod Nigrum fluvium quasi quoddam pignus acı pimus, jam 
minus nirum est, quod tibi regum liberi pro federibus offerantur. Nee 
Rhenus, ut ita dixerim, romana pace gauderet, niei amnem convenam, 
velut obsidem, tradidisset u. |. w. Ipsi illi vates exoticie nominibus 
licenter ornati, cum ad indicum Gangem et Borysthenem acythicum «ar- 
men extenderint, Nigrum parem maximis ignoratione siluerunt. Nunc 
primum victoriis tuis externns fluvius publicatur. Gaudeat serrvitute, 
capius innotuit.“ Stäfin 1, 188. 

iR Ammian. 28, 2: „Denique cum reputaret [Valent], munimentum 
eelsum et tutum, quod ipse a primis funderas auapiciis, prieterlabente 
Nicro nomine fluvio, paullatim subverti posse undarum pulsa immani, 
meatum ipsum aliorsum vertere eogitavit“ u. ſ. w. Symmach. 6.7. Stm 
t, 186. Done a. a. O. 243 ff. 

31 Stälin 1, 29 f. 89, U. 11. 91. Bon dieſem Straßenzug überhaupt 
ebend. 96 fi., insbefondre warum ter Etraßenbogen im Gegenfab mit der 
Zeichnung der Tafel nördlich ven der Donan zu ziehen fei, 101 f. Die Tafel 
it weniger eine geographifche, als eine Marichlarte, weshalb auch die Meilen: 
zahl von jedem Ort zum andern angezeigt if. 


279 


einer großartigen Wafferleitung von einer beveutenden Stabtanlage 
zeugen, zahlreiche Überrefte hervorgezogen worden find, welche bie In⸗ 
fhrift Colonia Sumlocenne aufweifen 7°, Zugleich treten bürgerliche 
und Eriegerifche Ämter und Würden, Zahl und Namen von Hrerab- 
theilungen, Gewerbthätigleit, Götterverebrung in einer Menge aus: 
gegrabener Bildwerke, Dentfteine, Säulenftüde, Gefäße, Münzen, und 
igren Aufichriften zu Tage. Zeitangaben, nad den Jahren von Er: 
bauung dir Stadt Rom ober nad Conſuln, verbürgen dieſer Golonie 
eine Dauer von 97 bis 303 n. Chr. alfo wenigftend von zwei Jahr: 
hunderten. Die Römerftabt war jomit noch vorhanden, nachdem Raifer 
Probus (geft. 282) den Germanen, welche den Grenzwall von Neuem 
überftiegen und in Gallim 60 Städte eingenommen, eine furdtbare 
Niederlage beigebracht und ihre Überbleibfel über den Redar und die Alb 
zurüdgeworfen batte, ja fie fcheint, wenn fie burd früheren Einfall 
der Germanen zerflört war, eine von denen zu fein, melde diefer Kaiſer 
im Barbarenland neu aufbaute und mit Beſatzungen verſah 733, 


2 Sauptfählih die reihen Entbedungen v. Jauuanus: Colonia Sumlo- 
cenne u. |, w. Etutigart und Tübingen 1840; nachträglich hiezu: Bufauımen- 
Rellung der zu Rottenburg am Nedar anfgefundenen römiſchen Inſchriften (im ten 
Jahrbüchern des Vereins von Altertfumsfreunden im Rheinlande 15, ©. 68 fi. 
unbe von 1850: ebend. 16, 134. 18, 221); unter den weiteren Auffinbungen 
bejonders eine Weihetafel vom Jahr 97 u. Ghr., deren Inſchrifi den Ortsnanıen 
vollſtöndigſt gibt: „SALVS SVMELOCENNENSIS“ (Schwäbiſche Kronik vom 
Aten Januar 1861). Bergl. Stälin 1, 39 f., Nr. 84. 91 bis 98. 

733 Bopiscus, vit. Tacit. 6.8: „Nam limitem tranerhenauum Germani 
rapisse dicuntur, ocoupasse urbes validas. nobiles, divites et potentes.* 
Matc. 1, 192, 9.2. Stäfin 1, 30, U. 7. Bopiscus, Prob. C 18: „His ges- 
dis, cum ingenti exervitu Gallias petit, que omnes, Oocciso Posthumio, 
tarbate faerant; interfecto Aurelianu, a Germunis poasesse. Tante suien. 
lic proslia feliciter gessit, ut a barbaris sexaginia per Gallias nobilis- 
simes reciperet civilates, pridam deinde omnem. qua illi, preter divitien, 
etiam efferobantur ad gloriam. Et cum jam in nostra ripa, imo per om- 
nes Gallies securi vagarentur, casis prope quadringentis millibus, qui 
Romanum occupeaverant solum, reliquies ultra Nieram Auvium et Albanı 
remorit, tanium his preedee berberice tulit, quantum ipsi Romanis abs- 
tulerani; eontra urbes Romanas et casıra in solo barbarico posuit stque 
illie milites collocavit. Agros et horrea et domos et annonam Trans- 
rbenanis omnibus fecit, iis videlicet, quos in exrubiis eollocarit® u. ſ. w. 
Max. 1, 194. Erälin 1, 70. 118 u., f. ob. 


280 


Die Inſchriften geben aber, neben „Sumlocenne*, für denſelben 
Ort gleichzeitig einen zioeiten Namen:. „Colonia Solicinium* 34 und 
diefer Inüpft fich an ein andres, von Ammian umſtändlich berichtetes 
Ereignis der alamanniichen Kriegsgeſchichte Im Eommer des Jahrs 
368 untemahm der Kaiſer Balentinian von Gallien aus einen Einfall 
in das innere Land der Alamannen. Diefe waren damals noch von 
der Maingegenb herauf am Rheine gewaltig. Dort hatte ein alaman- 
niſcher Häuptling Ranto die Stadt Mainz bei der Feier eines ri: 
lichen Feftes überfallen und Männer und Frauen mit reicher Habe him: 
weggeführt; am Oberrhein ftand der jugendliche König Vidikabius ’°, 
deſſen Bater Bitomar 736 mit feinem Bruder Gundomad 14 Jahre 
vorher dem Kaifer Conftantius den Rheinübergang bei Bafelaugft ver: 
webrt hatte, dem Ausfehen nad zart und kränklich, aber kühnen und 
tapfern Geiftes, den Krieg gegen die Römer unaufhörlich ſchürend. Nach⸗ 
dem Diefer durch Meuchelmord hinweggeräumt und in Folge feines Todes 
der alamannifche Anlauf erfchlafft war, rüftete Balentinian gemächlicher 
einen bebeutender als gewöhnlich angelegten Feldzug gegen die Ala: 
mannen aus, um fie von neuer Bewegung abzujchreden. Mit dem 
großen und mohlverfehenen Heere zog er in Begleitung feines, obgleich 
noch nicht Tampffähigen Eohnes Gratian, ohne Widerſtand zu finden, 
über den Nhein und einige Tage landein; Saaten und die verlafjenen 
Wohnungen wurden verbrannt, fonft aber die Lebensmittel gefammelt 
und bewahrt. Dann fchritt er langfamer vor, bis er in der Nähe eines 
Ortes, deſſen Name Solicinium, wie vor einem Riegel anbielt, indem 
gemeldet war, daß die Feinde von Weiten erblidt worden. Diefe hatten, 
der Ortlichkeit kundig, einen hoben und fchroffen, nur auf ber Storbfeite 
gelinvder abhängigen Berg beſetzt. Der Kaifer felbft wollte mit wenigen 
Bertrauten einen Weg auf die Höhe auskundfchaften, gerieih aber in 


4 Jaumann, Bufamnmenftell. 59 f. Stälin 1, 93. Solicinium if bis 
jet nur auf Scherben von Geſchirren gefunden worden, teren eine nad dem 
bezeichneten Conſulat das Jahr 237 ergibt. 

‘38 Vergl. Neugart, ind. ouomast. unter: Widogaug, Witagowo, Witi« 
gauwo, Witigamo, Wiligowo, Wittagame. Myth. 349 f.  Babomar?) 461. 
(Cod. Laur. 2, 570, Nr. 2788: „Wivegavenhufa", Stäln 1, 316 ob.) 

736 Über Badonarius und fein merkwürdiges Geſchict ſ. Ammian,, ind. rer- 
unter diefen Namen. Masc. 1, Regifter. Stälin 1, 123 u., f. ob. 


281 


Eümpfe, aus denen er einem feindlichen Hinterhalte faum entritt, wäh: 
send fein Kämmerer, der feinen mit Gold und Evelfteinen geichmüdten 
Helm trug, zufammt dieſem völlig untergieng und nachher weder lebend 
noch tobt wiedergefunden wurde. Die Erftürmung bed Berges und ber 
bartnädige Kampf, der fidh oben entſpann, ift umftänblich befchrieben. 
Letzterer endigte damit, daß bie übrig gebliebenen Alamannen ſich zer: 
freuten und in die Wälder bargen; doch war auch ber Verluſt auf 
Eeriten der Römer nicht unerheblich. Der Kaifer führte fein Heer in 
das Winterlager nad Trier zurüd 82. 

Die Entfernung der vormaligen Eumlocenne von irgend melder 
Übergangsftelle am Oberrhein ftimmt mit den ungefähren Angaben über 
die Dauer des Zugs bis in bie Nähe von Solieinium. Ortlichkeiten 
ber Gegend von Rotenburg, auf melde die Beichreibung des Gefechts 
bezogen werben Tann, find ermittelt worden, doc läßt fi) darüber nicht 
entjcheiven, bevor der verfunlene Kaiſerhelm twieder aufgefunden iſt. 
Des Nedars geſchieht nicht Erwähnung, aber Einfall und Angriff kam 
auch nicht von biefer Eeite. Balentinian wird den Fährten einer alten 
Römerfirafe vom Rheine ber gefolgt fein 9. Solicinium ſelbſt wird 
nicht als eine noch aufrecht ftehende Etabt, fondern nur als ein Ort 
diefed Namens in einer den Wlamannen heimifchen Gegend bezeichnet 799. 


37 Anımian. 27, 10 (vergl. 80, 7), daraus: „Vithicabius rex, Vado- 
marii filius ı. ſ. w. Parabatur post hac lentioribus curis et per copias 
multiformes in Alamunnos expediiio solitis gravior u. |. w. Contracia 
igitur undique mole maxima catervarım, armis et subsidiis rei cibarie 
diligenter instructa u. |. w. anni tempore jam tepenie Valentinianus cum 
Gratiano Rlıenum [Bar.] transgressus, resistente nemine u. |. w. per regio- 
nes longn itu porrectas u. |. w. quoniam aliquot diebus emensis nullus 
potait, qni resisteret, inveniri u. |. w. Post hec leniore gressu Princeps 
ulterius iendens u. f. w. horrenda eircumsonantibus Alamanuis u. |. mw. 
Gratianoque apud signa Juvianorum retro detento, cujus wetas erat elinm- 
tum proeliorum impatiens et laborum u. f. w. radices aggerum“ u. |. w. 
Weiteres je an betrefiender Stelle. 

3 Vergl. Jaumann, Col. Suml. 87 f£ Schmid, Reue Nachweiſe über 
Römerftraßen bei und um Tübingen, in den Wiürttembergifchen Jahrbilchern 
1851, Heft 2, ©. 68 ff. 

39 Anımtan. 1. c. ©. 544: „cum prope locum venisset, cui Soliciuio 
[9]. Soliconmo] nomen est, velut quadam obice stetit, ductus procarsan- 
tum relatione veriseima Barbaros Inpge conspecios. Qui nullam ad tuen- 





282 


Vom Gelingen der Unternehmung im Ganzen ſpricht Ammian etwas 
zweifelhaft *4% und das Bedenken rechtfertigt fih dadurch, daß Vale 
tinian im folgenden Jahre nöthig fand, den ganzen Rhein entlang 
Burgen zu erbauen und eine, wie fchon erwähnt, früher von ihm ge 
gründete am Nedar, aber erft am Zufammenflufie besfelben mit dem 
Rheine, berzuftellen 41, 

Aufonius, der Erzieher der Ebhne Balentinians, gedenkt in feinem 
Gedicht auf den Mofelftrom der zu Trier gefeierten gemeinfamen Triumphe 
des Baters und des Sohnes, nachdem die Feinde über den Nedar und 
Lupodunum und die Duelle der Donau getrieben worden 712, Ob bie: 
mit derſelbe Heerzug vom Jahr 368 gemeint fei, den Ammian nur bis 
Solieinium führt, der fih aber jenen Falls bis zur Donauquelle er⸗ 
ſtreckt haben müſte, ober nicht ein fpäterer Streifzug Valentinians, der 
im Jahr 374 einige Gaue der Alamannen verheerte und dann in der 
Nähe von Bafel die Vefte Robur erbaute, darüber beftehen verfchiedene 
Anfichten *43, Für die erftere Annahme enticheivet Aufonius ſelbſt in 


dam salutem viam superesse cernentes, nisi se celeri defendissent occursu, 
locorum gnaritate conßsi, unum spiranlibus animis montem ocenpavere 
precelsum“ u. f. w. 30, 7, S. 654: „Alamannis congressus [Valentin.] 
prope Bolicinium [ohne Bar.] loeum“ n. ſ. w. 

40 Amm. &, 545 f.: „dum turmarum funeribus mutais res gerebatur 
u. |. w. In hae dimicatione nostri quoqne oppetiere non contemnendi 
u.f.w. Hisque tali casuum diversitate perfectis, milites ad hiberna, Im- 
perstores Treveros reverterunt.* Giünftiger 80, 7, &. 654: „ubi iusidiis 
pene perierat circamventus, ad exitium ultimum delere potuit universos, 
n} paucos velox effugium tenebris amandasset.“ 

A Ammian. 28, 2. 80, 7. Symmach. C. 7: „duorum fluminum u. ſ. w. 
gasra dedecus u. f. w. manus geminss aggerum institutiones mole valla- 
vit.“ Stälin 1, 184 f. 

«42 Yufon., Mosella 40 ff.: 

„nee premia in undis 
 sola, sed Auguste veniens quod manibus urbis 
spectavit junetos nalique patrisque trinmphos, 
hostibus exactis Nierum super et Lupodunnm, 

et fontem Latiis ignolum annalibus Histri. 
Hæc profligati venit modo laurea belli, 
nıox alias aliasque feret“ ı. |. w. 

243 Jaumann, Sumloc. 74 f. bezieht die Stelle des Aufonius anf eine 

Meſdung Ammians 30, 3 (zum J. 874): „Secuto post heec anno, Gratiano 





283 


weiteren Äußerungen, die man zu wenig beachtet hat. Im dritten Epis 
gramm läßt er den Danubius, der fi) den Zweiten nach dem Nil rühmt, 
das Haupt freudig aus feiner Duelle heben und bie Augufte begrüßen, 
den Bater und den Sohn, als Bote will er zum Euxinus laufen, das 
mit Valens erfahre, daß die Sueven durch Niederlage, Flucht, Flammen, 
untergegangen feien und nicht mehr der Rhein Galliens Grenze bilbe; 
wäre feiner, bes Danubius, Etrömung, wie der bed Meeres, ein Rück⸗ 
gang vergönnt, fo könnte er den Sieg über die Gothen von bort zurück⸗ 
bringen 744, Im folgenden Epigramm redet Danubius, das Haupt im 
innerjten Lande verborgen, abermals die Mitlaifer an, unter deren Ger 
walt er, mit feinen Nebenftrömen, nun gänzlicy fließe, ebenfo wo er 
mitten unter den Sueven feinen fühlen Quell ergieße, ala wo er Ban- 
nonien burcjchneide und waſſerreich in den Pontus münde; die nächte 
Balme ſei dem Valens befchieben, der felbft noch die Quellen des Nils 
auffinden werde 795, Das find die drei Mitlaifer in ber Stellung, bie 


alscito in trabew societatem AByuitio Consule, Valentiniano post vasta- 
tos aliquos Alamannie pagos munimentum zedificanti prope Basiliam, 
quod appellant aconle Robur, offertur prefecti relatio Probi, docentis 
Ilyriei clades.“ Schluß des Gap.: „Treveros Valentianus ad hiberna dis- 
cessit.“ Anders Stälin 1, 133. Mone, badiſche Urgefichte 2, 328 f. Diele 
wieder unter fich abweichend. Zofim. 4, 9. 
‘4 Yufon., opp. &. 4: „III. Danubius Augg. alloquitur. 
Illyrieis regnator aquis, tibi, Nile, secundus 
Danubius letum profero ſoute caput. 
Salvere Augustos jubeuv, natumgue patremgne, 
Armiferis alai quos ego Pannoniis, 
Nuntius Euzino jam nunc volo currere pouto, 
Ut sciat hoc Superäm ecura secunda Valens, 
Ceede, fuga, lammis stratos periisse Buevus, 
Nec Rhenum Gallis limjtis esse loco. 
Quod si lege marie refluus mihi curreret amnis, 
Huc possem victos.inde referre GoLhos * 
8 ©. 5: „IV, Idem eosdem allognitur. 
Danubius penilis caput occultatus in oris, 
Totus sub vestra jam ditione fluo; 
Que gelidum fontem mediis effundo Suevia, 
Imperiis grovides qua seco Pannonias, 
Et qua dives aquis Scythico solvo ostia ponio, 
Omnia sub vestrum flumina mitto jugum. 





284 


fie im Jahr 368 eingenommen haben: Valens befriegt die Gothen an 
der untern Donau 745, während fein Bruder Balentinian und deſſen 
Sohn Gratian ald Befieger der Sueven-Alamannen an der Donau: 
quelle ftehen, die, nach der Schmeichelei im Mofelgebichte, vor ihnen 
den römiſchen Geſchichtbüchern unbelannt gemwefen fein foll 47. Der 
Dichter feiert aber auch noch in Lieberfpielen, obgleich ein bejahrter 
Mann, vie blauen Augen und blonden Haare, tie blühende Geſichts⸗ 
farbe Biflulas, eines Heinen Suevenmädchens, das, jenfeit des Nheins 
geboren, am Urfprung der Donau heimisch, ihm ala Kriegäbeute zuge: 
fallen, aber von ihm freigelaflen und als Pflegtind behandelt fer 7. 


Augusto dabitur sed proxima palma Valenti. 
Inveniet fontes hie quoque, Nile, tuos.“ 
Danuvius als Flußgott in einer Botivinfhrift zu Ristiſſen: „I. O. M. ET. 
DANVVIO. EX VOTO.* Stälin 1, 49. 100. 

6 Anımian. 27, 5. »Dagc, 1, 269. 

4 5. 0b. Anm. 742. Stäln 1, 133, 4. 4. Die perfönlide Gegen- 
wart Balentinians und feines Sohnes zu oberft an der Donau ift doc in den 
Berfen des 3 Epigramms unvertenubar ausgebrüdt (Ann. 7.44): 

„Danubius letum profero funte caput. 

Sulvere Augustos jubeo, natumque patremque, 

Armiferis alui qnos ego Pannoniis.“ 
Man vergl. was der Vater zum Sohne fagt, als er denfelben, in Jahr 367, 
feierlich zum Auguftus aufnimmt, Ammian. 27, 6: „Aceingere igitur pro 
rerum urgentium pondere, nt patris patruique collega, et assuesce impa- 
vidus penetrare cum agminibus peditum gelu pervios Histrum et Rlıenum“ 
u.f. mw. Übrigens machte Gratian den Zug nad) Soliciniun zwar mit, dınfte 
aber, feiner Jugend wegen, am dortigen Gefechte nicht theilnehmen, ebend. 27, 
10: „Valentinianus cum Gratiano Rlenum transgressus u. |. w. (ratia- 
noque apud signa Jovianorum retro detento, cujus wtas erat etiamtun 
pra@liorum impatiens et laborum“ un. ſ. w. Durd Obiges widerlegt fid, 
was Mone (Badifche Urgefhichte 2, 829 u.) annimmt, daß an der Donauquelle 
nur die Bejatungen von Angft und Windiſch einen Eeitenangriff gemacht. 

‘#8 Aufon., opera, ed. Bip. S. 167: 

„Ut voluisti, Paule, cunetes Bissule versus habes, 
lusimus quos in Sueree gratiam virguncule.“ 
©. 108: 
„Biseula, traus gelidum stirpe et lare prosata Rlıenum, 
consceia nascentis Bissula Denubii, 
capta manu, sel miesa mann, dominalur in. ejus 
delieiis, enjns bellica praeda [uit. 


285 


So ergänzen fi die beiden Echriftfteller gegenſeitig. Auſonius, der 
von Solicinium fchweigt, bietet dafür ben bei Ammian vermiften Nedar 
fammt Lupodunum und der ihm reichlih fprubelnden Donauquelle. 
Solicinium dort und Lupodunum bier entfprechen ven beiden Schlachten, 
durch welche ver Lobrebner Symmadus feinen Kaifer Alamannien heim: 
fuchen läßt 749, Ammian bat ohne Zweifel einen guten Gewährsmann 
gehabt, der Dichter übertreibt, fcheint aber mit gegentwärtig geweſen zu 
fein. In feinen Angaben ift e& nur Zupobunum, was irre macht. Daß 
Ladenburg urfprünglich fo genannt war, läßt fich nicht verfennen. Die 
Lorfcher Urkunden der Karolingerzeit geben: Loboduna civitas, Lobodo 
castrum, Lobedenbure u. ſ. w., und für den zugehörenden Gau: Lubo- 
doniasis, Lubdunensis, Lobodunensis pagus, Lubdengowe, Lobo- 
dungowe u. ſ. w. 750; die ganze Ortslage bringt e8 nahe, daß eben 


Matre carens, nutricis egens, nescivit herai 
imperium . . ... 
Fortune ac patrie qu& nulla opprobria sepsit, 
illico inexperto libera servitio, 
Sie Latiis mutata bonis, Germana maneret, 
ut facies, ocnlos cerula, flava comas. 
Ambiguam modo lingua facit, modo forına puellam, 
bec Rheno genitam preditat, heec Latio.“ 
6. 169: „Delicium, blanditie, ladus, amor, voluptas, 
Barbara, sed que Latias vincis alumna pupas, 
Bissula nomen teners rusticulam puelie, 
borridulam non solitis, sed domino venustam.“ 
(Bergl. E. 167: „Poematia, que in alumnam meam Inseram“ u. f. w.) 
©. 169: „Ergo age, pictor, 
puniceas confunde rosas et lilia misce, 
quique erit ex illis color aeris, ipse sit oris!“ 
(Berg. A. Bacmeifter, Alemanniſche Wanderungen. 1. Eiuttgart 1867. 8, 
€. 76 bis 92. 9.) 

WW Symmad., Laudes in Val. Ang. I (ed. Maji 1815, ©. 10): „Fru- 
etra tunc tibi perauellis motus optavit Alamannia, cni tantum miserite 
invexit eonflictns tuus, quantum praliis.debebatur ambobus.* (Stälin 1, 
188, X. 1; über die Zeit der Laudes ebent. 115 u.) 

’W Codex Lauresh. 226 (1, 320): „Actum in Loboduna civitate 
(aano XIII regni Pippini reg.).“ 281 (1, 358 f.): „in pago Lobodo- 
unse in villa Hantseuesheim super fluvian Neckar u. ſ. w. Actum In 
Lobodone castro (anno XII regni domini Pipini reg.).“ 440 (1, 453): 
„ia Lobedenburg (öft..* 532 (1, 501 f.): „in publico mallo apud Lobe- 


286 


— — — — — 


die von Valentinian gegen die Alamannen in der Rheinneckarecke ge⸗ 
gründete und im Jahr 569 neuhergeſtellte Burg Lupodunum geheißen 
babe 51, Wie foll aber dieſe Nedarburg mit der Donauquelle ſich be 
rühren? Dazu fand doch Aufonius den Dingen zu nabe, um nicht zu 
willen, was er zufammennannte. Dieß führt zur Annahme eines andern 
Lobodunum, deſſen Stelle man in der längft zesftörten Bergveſte Lupfen 
(Zuphun, Luphen) zu finden glaubt 75%. Es gibt mehrere galliſch⸗ 
sömifche Ortönamen, die fi in verſchiedenen Gegenden wiederholen 39, 
fei e3 wegen gleichbeichaffener Ortlichkeit, oder auch in abfichtlicher Fiber: 
tragung. Balentinians Veſte an ver Nedarmündung wird von Ammian, 
fo umftänblich biefer den mühſamen Bau verfelben beſchreibt, ohne 
Namen gelafien, der gleichzeitige Aufonius muß ein fernentlegenes Lupo- 
dunum meinen; vermittelt wäre jeder Widerſpruch in der weiteren An: 
nahme, daß Baleniinian, als fein Befeftigungstvert wider die Alamannen 
vollendet war, basjelbe nad einem Drt benannte, an bem er fie im 
Sinnern ihres Landes befiegt zu haben gepriefen wurde. 

Ammian und Symmachus fprechen von Alamannen, Aufonins 
überall von Sueven und es ift fein ausreichender Grund, dieß bei cinem 


denbarg u. f. w. in pago Lobedenburg.“ 251 (1, 337): „in pego Lub- 
doninse u. |. w. in Suabeheim“ u. f. mw. (Letsteres öft. f. Ind. geogr. unter 
Suabeheim in Lobod. Sueboheim ia Worm.) 947 (2, 51): „in pago Lubi- 
dunense.“ 2457 (2, 478): „in pago Lubdengowe.“ 274 ff. (1, 353): „ia 
pago Lobdunensi, Luabdunensi, Lobodonensi, Lubudoninse, in pngo Lobo- 
don, in pago Lobodungowe.“ Dann Lobodengowe, Lobedengowe, Lob- 
dengowe, Ind. geogr. Bergl. Euch, Politiiche und Kirchen - @eichichte von 
Labenburg u. |. w. Heidelberg 1843, ©. 56 ff. Schon Freher, de Lupoduno, 
antiquiseimo Alemannie oppido, .commentariolaus, Masc. I, 273. [Ba 
meifter, Alemannifche Wanderungen 1, S. 10. H.] 

51 Mone, badiſche Urgeſchichte 1, 245 f. 

72 Jaumann, Col. Suml. 75. Stälin 1, 134, A. 1. Sattler, Hiſto⸗ 
riſche Beidhreibung des Herzogtums Wlrtemberg 2, 78: (a. 1095) „de Lap- 
hun.* Neug. Nr. 970 (2, 229. a. 1268): „Luphen“. Römiſche Alterthümer 
foınmen am Lupfenberge nicht vor, wohl aber eine heidniſch⸗alamanniſche Be 
gräbnisftätte, v. Dürrich und W. Menzel, die Heivengräber am Lupfen u. f. w. 
Stuttgart 1847 (Jahreshefte des mirtenbergifchen Alterihuums- Vereins. 3 Heft. 
1846). Nah Cruſius 3, S. 318 wurde die Burg 1415 zerflört. 

3 Mone a. a. ©. Will man lem doppelte Lapodunum, fo fällt man 
in ein zweifadhes Solicininm, Stälin 1, 134, 4. 2. 


287 


gleichzeitigen, den Greignifien jo nahe ſtehenden Schriftfteller einzig für 
dichterifche Namengebung zu erllären 79%. In der Gegend, in welcher 
der Schwabenname nachher als der allein volksthümliche vortrat, Tonnte 
berfelbe gar wohl ſchon im sten Jahrh. gehört werden, wenn nicht als 
Nachlaß der einft hier angefjedelten grenzhütenden Germanen, doch ver 
möge des ſueviſchen Beſtandtheils im Alamannenbunde. Gerade bei 
ben Hlamannen an beiben Seiten der Alb, und fat ausfchließlich bei 
ihnen, bat fi aud noch im Bten und Hten bis ins 11te Jahrh. die 
merfwürbige Spur fuevifcher Landtheilung nach Hunderten erhalten: auf 
der Donaufeite, in der Gegend von Ehingen, Riedlingen, Saulgau, 
Siwerzenhuntari, Ruadolteshuntari, Muntharishuntari (Munderlingen), 
Goldineöhuntari und noch über den Bobenfee, im Thurgau, Wald⸗ 
hramnishuntari, auf der Nedarfeite Munigifingeshuntari (Münfingen), 
Ölehuntra, worin Holzgerninga (Holjgerlingen am Schönbuch) gelegen, 
und Hattenhuntari, darin Hachinga (Hechingen), Masginga und Dala- 
heim (Möflingen und Thalheim, Bezirks Rotenburg), auch Hattin⸗ 
bunta geichrieben und fo zufammengenannt mit Suligeutwa, in welchen 
der Drt Tuzzilinga (Dußlingen bei Tübingen), im Sulichgau beſonders 
aber die Ortsnamen Kirichheim (Sirchentellingfurt bei Tübingen) '°>, 


4 GSlaubian und Gibonins Apollinaris nehmen keinen Anftand, die Ala⸗ 
mannen im lateinifchen Verſe zu nennen, Glaubian, de laudib. Stilie, 1, 238 f.: 
„Quoties sociare catervas 
oravit, jungique tuis Alen.ania signie!“ 
De IV cons. Honor. 449: 
„Imploraique tuum supplex Alamanuia nomen.“ 
Sidon. Apoll. carm. 5, 376: „irux Alamannus.“ 
car. 7, 373 f.: 
„Rhenumque, ferox Alaınanne, bibebas 
Romanis ripis“ u |. w. 
7, 389: „Leges qui veniam poscant, Alamanne, furoris.“ 
Aufonius ſelbſt gibt epigr. III [S. 4] gegenfäglih „Susvos“ und „Gorhos“ 
und edyil. Vill, 29 (8. 171]: „Frencia mixta Suövis,“ alfo Sueven zufau« 
men mit den eigentlichen zeitgemäßen Namen aubrer Hauptoöller; wenn im 
legtern Gedichte „Getes“ den Goihen bedeutet, fo beruht dieß auf allgemeinerer 
Zeitanficht (Jeuß 408). 
8 Urkunde der Grafen Eberhard und Rudolf von Zübingen vom Jahr 
1296; fie verlaufen: „Eorchain taz dorf bi dem Meder, waulayı, und wennmen⸗ 
velt m. |. w. mit allen den rehten, din wir an ben ſelben gueten beten und an 


288 


Argsfiingen (Ergenzingen) und Sulicha (Sülden), das alte Soli 
einium 79, 

Daß der Drt Solicinium, ivenn glei die Stadt von römiſchem 
Bau längft gebrochen war, doch auch für die Alamannen befondre Be 
deutung batte, darauf weiſt nicht bloß ihr Stillftand, ihre Ortskunde 
und ihre ernſtliche Gegenwehr an diefer Stelle, ſondern mehr noch das 
Fortleben des Ortänamens in ausgezeichneter Weile. Set freilich iſt 
Sülchen nur noch eine einzelnftebende Friebhofliche außerhalb Roten: 
burg, aber nad Solicinium war Jahrhunderte hindurch ein ganzer Gau, 
eben der Eulichgau, benannt, wre nach dem rheinifchen Zupodunum ber 
Kobvengau. Im Leben des h. Meinrad wird gejagt, derſelbe fei im 
Ulamannien geboren, in dem Gau, den tas Altertbum nad ber Billa 
Sulichi Sulihgau genannt habe 757. Das Gut Sulicha erſcheint auch, 


uns braht waren, von unjeren vorderon u. ſ. w. an holze und au velde, 
an wafen und an zwige, an waßer und an maide ı. f. w. und Cunrades, des 
ritters von Wildenomwe, unſers bieuftmannes, muiftat ze Tälinsfart” u. |. w. 
Bgl. Mone, Zeitihrift für die Gejchichte des Oberrheins 8, 484. 

7566 Über das ſueviſch -alamanniſche Wefen der Huntare Merkel, de republ. 
Alam. ©. 4, III. 27,2; 9 u. 36 f., II: „Equidem non tam, ubi pagi 
centenarum nomine vocantıır |. w., quam ea documenta distinguo, Qui- 
bus centenas (Huntari) in comitatam ac psgos transiisee ostendatur m. |. w. 
Hæ cenienarum reliquie omnes ad Sueviam spectant neyue in Trans 
rhenunis Alamannie, neque in Alamannicis aut Franci= orientalis aut 
Burgundie partibus, neque in Helvetia (preter centenau Waldhromnis- 
huntari ete.) vestigise ejus rei inveniri possunt“ u. f. w. (Das Fuer 
anderfchieben von Gau und Huntari zeigt fi, außer „in pego Hattinbunta 
es Buligeuwa“, namentlid; auch in „centena Eriggeuwe et Apphon*, Stälin 
1, 281 u. 293.) Genane Aufzählung der alam. Gaue und Huntare bei Erxälin 
278 fi. 544 ff. Zum Waldbramnish., der nit in Stälins Bereich fäbt, !. 
Mertel ©. 37 ch. Nengart, Ind. geogr. 286 ob. Beachtenswerth Ruaboltes- 
Huntare und Pfalzgraf Ruodolt, Stälin 1, 250. 338 u., f. ob. Zu den Pfalzgrafen 
von Tübingen? Sonſt von den Huntaren Rechtsalt. 532 |. 756 f. Sprad- 
geſchichte 252. 491 f. 551. 586. Waitz, Deutſche Verfaffungsgefchichte 1, 82 bis 
38, 42 f. (Meg. 295.) Es ſcheint, 100 Höfe, aus deren je ein Mann zum 
Heere zu fielen waren, haben ein Huntari und wieder 100 der lehtern (pegi, 
Gäfar, Tacitus) das große Gemeinweſen, eivitas, gous, gebilbet. Bergi. 
Baig 1, 51. 

‘57 Vita 8. Meinradi (} 861) Bernune auetore (aus dem 11 Jahrh. 
Stäun 1, 239, nad Mone 10 Jahrh.): „Temporibus Karoli, religiosissimi 
imperatoris Francorum u. ſ. w. pıedietus vir in Alamannia natus est in 


289 


wie fchon früher das erwähnte Tuzzilinga in Hattinhunte und Sulih⸗ 
geuma und nachmals Kirihheim im lehtern, als Töniglicher Befig und 
wirb von Heinrich IV zum Seelenheile feiner Großeltern Konrad II 
und Gıfela und feines Vaters Heinrich III zum Marienaltar der Kirche 
von Epeier vergabt, welche feine Ahnen ald Tönigliche Begräbnisftätte 
geftiftet hatten und wo Jene felbft beftattet waren 56. Wahrfcheinlicher 
Grund der früheren Wichtigkeit des Orts ift der fruchtbare Boden feiner 
Umgebung. Ihre Kampfftellung batten die Alamannen, wie ihre ſue⸗ 
viſchen Vorgänger, am Rheine hin, aber dort waren fie auch beftändig 
ben verheerenden Einfällen der Römer auägefeht und es muſte ihnen 
zur Sicherung ihres Unterhalt oder bes jeweiligen Rückzugs von ver 
Grenze cin tiefer im Lande gepflegter Anbau Bedürfnis fein. Daß fie 


pago, quem ex villa Sulichi Sulichkeuue vocavit antiquitas.“ Vergl. 
Ldeichtlen, Schwaben unter den Römern 130 f. Etälin 1, 310 und die Les- 
arten bei Mone, Quellenſamml. der badifchen Landesgeſchichte 1, 53. [Bacmeiſter, 
Memannifdye Wanderungen 1, ©. 32. 33. H.] Eine Kreuzlinger Urkunde von 
1213 Hat „Sulfin“ (auch „Sölken“), im Dupl. „Eutihin, Sulichin“; eine 
andre von 1264 „Sulchen.“ 

78 Urkunde Heinrichg IV aus Worms 1057. (Dümge, regesta Badens. 
106): „quoddam predium Svlicha nominatum, in pago Svlichgowe in 
eomitatu Hessonis situn“ u. |. w. (Für unecht angefeben ift die Urkunde 
Konrads III von 1140 bei Dümge 181 ff., worin „Sulecho“. Daß Konrad II und 
Gifela zu Speier beigefett find, |. Hahn 2, 250. 254. Heinrichs IV Leiche 
wurde fünf Jahre lang nicht in die Kaifergruft zugelaffen, ebend. 3, 94 f.) 
Rahmals gehörte Sülchen dem Klofter Hirichau, Cod. Hirsaug., Etälin 2, 
6%. König Arnolds Schenlung vom %. 888 (Neugart 581. 1, 473 f.): „in 
pago Hattinhunta et Sulibgeuwa in comitatibus Perengarii et Eparhardi, 
villa, que dieitur Tuzzilinga, ecclesiam cum curte et domo* u. f. w. ift eine 
Hingabe Desjenigen zum Eigenthum, was fein Bater Kaifer Karl nur auf Lebens⸗ 
zeit bewilligt hatte. Heinrich II übergibt 1007 an Bamberg ben „locus Kirih- 
heim dictus, in pago Sulichgonue u. f. w. situs“, Mon. Boic. B. 28, Nr. 244 
(Ctätin 1, 810. 523 ob.). Über die königl. Güter in Alamannien ſ. Gtälin 
1, 339 u. 344. 522. Sülchen, von Speier wieder an Klofter Hirſchau ver- 
gabt, Cod. Hirs. (Cruſius Th.2, 8.10, C. 15, ©. 429): „Sigefridas, Spi- 
rensis Episcopus (Crufius: is opinor, qui 1031 |?) vixit), flius preedicti 
Sigehardi, pro fratre suo Godefrido dedit molendinum ad Sulichin. Postea 
residua sua“ u. ſ. w. Ebend. (Erufius ©. 430): „Richmunt de Suichen 
dedit 1 h. in Schadwiler, que data est pro alia in Wurmlingen.“ Leicht- 
len 142 |. Nachher häufig Edelleute von Süldhen, 1075: „Domnus Ezzo de 
Sulichen“, ebend. 145 (mie in voriger Stelle „Richmunt de Sulchen“). 

Upland, Schriften. VL. 19 


un — —— 


290 


— — u — cam —— 


einen ſolchen ſchon von den bier ausgetriebenen Feinden beftens be 
gründet fanden, ift durch die aus den Trümmern der Römerſtadt auf 
gefammelten Bildwerke bezeugt. Bier zufammengehörende Denkſteine, 
jet abgerieben und verwittert, aber am Ende des 17ten Jahrh. ald fie 
noch befier erhalten waren, vollftändig abgezeichnet, bringen in ben ein: 
gegrabenen Bildern die verfchiedenen Lebenskreiſe der Colonie zu fin 
reiher und umfaflender Darſtellung. Reben einigen fchwieriger zu 
enträthfelnden Geftalten zeigt fich der mit befahntem Epeere anfteigende 
Krieger, vielleicht Mavors felbft, wie es einem Lagerplatz anfteht, aber 
auch der Mercuröftab und jelbft Melpomene und Thalia, je mit der 
Maske in der Hand, fehlen nicht; daran reiht fich in einfachen Zügen 
das häusliche Xeben, der Mann, das Widellind tragend, die Frau mit 
Hausgeräthichaften, ein größeres Kind mit vorgefpanntem Biegenbode 
fahrend, weiter der im Baumjcatten bingeftredte Hirte, ein Lamm 
ätzend, der Adergang, durch zwei zufammenfchreitende Stiere ausgedrüdt, 
fogar der Weinbau, durch zwei Männer, die an gelchulterter Stange mit: 
einander eine Bütte tragen, und eine Frau, die eine Hufe auf dem Kopfe 
bält, noch deutlicher durch traubenreiche Rebengewinde verbilblicht 799. 
Beſonders anziehend für eine Sagenkunde find endlich unter der Menge 
von Bruchſtücken fchmudreicher Gelchirre aus gebranntem Thon die: 
jenigen, deren halberhabene Bilpnereien Yabeln des Hafliichen Alter 
thums, auf die Pflege vieles frifch geaderten Bodens bezüglich, dar: 
ftelen. Bor Allem ein Sämann, den Sad über den Kopf gelegt, mit 
vorgebeugtem Leib und vorgeftredter Hand, und binter ihm die Stempel: 
ſchrift: Consivius 760, alfo der göttliche Stammvater Janus, der jenen 
Beinamen batte, weil ihm die Ausfant des Menſchengeſchlechts zuge: 


#599 Col. Suml. 180 fi. Tab. VI bis IX. Bergl. Gruflus, Paraleip. 
6.14, &. 57: „Ante inferiorem autem portam Rotenburgensem, qua Tybin- 
gam descenditur, quædam stant prisca Romanorum lapidea monuments, 
que, ex ngro eflossa, a patre supradicti M. Georgii (Walchi), ibi collocats 
eunt. Ergo Romani quondanı his in locis dominati. (Add. ex M. Ser.) 
u. ſ. w. Reperta sunt circa Rotemburgum, cum foderetur, varie siroc- 
turee lapidee, magna cadavera tria, magna ossa, item monete ex auro 
et argento. Unde colligitur, priscam Landskronam fuisse magnam urbes: 
et a Romanis havitatam.“ 

760 Jaumann, Zuſammenſtell. 82, 11 (auch ſchon Beilage zum Schwäbi⸗ 
ſchen Merkur 17 Dec. 1847) und nad eigener Anſchauung. 


291 


— — 





ſchrieben war und deſſen früher bei Anlaß der geſäten Sueven gedacht 
worden iſt, ein paſſender Vertreter ebenſo der eigentlichen Feldbeſtellung, 
als der im Barbarenlande geſchaffenen Pflanzftätte 71; ferner in manig⸗ 
faltigen Gruppen ber Kampf der Pygmäen mit den Kranichen, benn 
diefer ergehliche Krieg wird im Yrühling um- die von ben wandernden 
Vögeln gefährdeten Saaten geführt 762; beiden Stüden ift der zutreffende 
Rame des gemeinjamen Töpfers, Cerialis, beigevrüdt 783. Mehrfach find 
auch die Gefäſſe von Reben umrankt, unter denen geflügelte Liebeögätter 
ſpielen oder Leſe halten 6), womit, wenn es ſich auf fo frühen Wein- 
bau in bortiger Gegend bezieht, den Bergen binter Sülchen größere 
Ehre wiederfährt, als ihnen heutigen Tages gezollt wird. Probus, ver 
überhaupt als ein vorzüglicher Förberer des Yeld- und Weinbaus in 
den römischen Provinzen befannt ift, hinſichtlich des letztern zunächſt in 
Gallien und Pannonien, und der fich diefer Wirkſamkeit felbft rühmt, 
hatte, nach Zurüdtreibung der Alamannen über Neckar und Alb und 
bei Herftellung römischer Städte und Lager auf barbariichem Boden, 
namentlich auch zum Beſten der von feinem Standort aus überrheinijchen 
Beſatzungen für Aderland, Speicher und Häufer gejorgt 7%. Die Flur, 


761 Open 11, 1, 3. 66. 70. 

762? Col. Sum]. 216. Tab. XVIII, 1. Schwend, Mythol. der Griechen 
604 ob. vergl. 505 u. Plinius, hist. nat. 7, 2 I8. 1, 10 u]. 10, 30. 
Den 7, 549: „Zhre [dee Kraniche] Nahrung beiteht aus Würmern, Schneden 
u. f. w., auch aus Körnern, Beeren und der grünen Saat, wo fie mandınal 
ihädlich werden, befonders in Erbſen und Bohnen.“ 

78 Col. Suml. 201, m. Bufammenfl. 82, 10 bis 12. Beil. zum Schwäb, 
Nat. 17 Dec. 1847: „Cerialis, von dem fo viele Geichirre in München aus 
Rheinzabern u. |. w.“ 

164 Col. Suml. 216 u. Tab. XXII, 7. XXVII, 2, Berge. Nitſch, myiho 
logiſches Wörterb. 162: „Ein Amor von weißem Marmor (in der Billa Negroni 
zu Rom) reitet, mit Weinreben befränzt und eine Weinrebe in der Hand hal- 
tend, auf einem Leoparden von ſchwarzem Marmor“ u, |. w. (Col. Sumt. 106, 
Stalin 1, 107 u. Mone, bad. Urgeſch. 1, 54.) 

18 Bopiscus, Prob. ©. 14 (&. 694): „Agros et horres et domos, 
et annonam Transrhenanis omnibus fecit, iis videlicet, quos in excubiis 
collocavit.“ (S. ob. X. 783.) C. 15 fin des Kaifers Schreiben an den Senat, 
compositis rebus in Gallia): „Subaeta est omnis qua tenditur late Germa- 
nia u. |. w. Omnes jam barbari vobis arant, vobis jam serunt et contra 
interiores gentes militant ı. f. w. omnes penitus Gallie liberate u. f. w. 


292 


wo der römische Conſivius den Samen auögeftreut, tft noch in chriſt⸗ 
licher Bollsfage von höherer Hand beftellt und gefegnet: ein Bauer be 
fuchte, fo oft er dort zu pflügen hatte, in der Sülchenfirche die Mefle 
und ließ die Arbeit ruhen, dann fam jebeömal ein Engel und führte 
für ihn den Pflug; zum Dante ließ der Bauer auf diefem Felde die 
Theoberichötapelle bauen 786, Sprichwörtlich, menn aud minder poe 
tifch, hieß die Gegend von Rotenburg eine „Schmalzgrube”, fie ift dem 
Chronikfchreiber „der rechte Kern des von Fruchtbarkeit wertberühmten 
Landes” 767, 


Pr&de omnis recepta eat. capta etiam alia et quidem major, quam fuerat 
ante direpta. Arantur Gallicana rura barbaris bobus, et juga Germanica 
captiva prebent nostris colla cultoribus; pascuntur ad nostram alimoniam 
gentinm pecora diversarum; equinum pecus nostro jam fecundatur equi- 
tatui; frumento barbarico plena sunt horrea. Quid plura? illis sola relin- 
yuimus sola, nos eorum omnia possidemus.“ €. 18: „Gallis omnibus et 
Hispanis ac Britannis hine permisit, ut vites haberent vinumque conficerent. 
Ipse Almam montem, in lllyricoo circa Sirmium, militari manu fossum, 
lecta vite consevit.*“ C. 20: „Causse occidendi ejus he fuere, primum, 
quod nunquam militem otiosum esse perpessus est. siquidem multa opera 
militari manu perfecit, dicens, annonam gratuitam militem comedtre non 
debere“ u. f. w. Aurel. Victor in Ces. C. 87: „Post quem Probum, in 
lllyrico factum, accepere, ingenti belli scientia, exercitandisque varie 
militibas, ac duranda juventute, prope Hannibalem alterum. Namque ut 
ille oleis Africe plerague per legiones, quarum otium reipublice atque 
ductoribus suspectum rebatur, eodem modo hic Galliam Pannoniasque 
et Masorum colles vinetis replevit, postea sane quam barbarorum at- 
tritee gentes sunt, que nostris principibus, suorum scelere interfectis, in- 
ruperant“ u. f. w. Masc. 1, 198. Col. Sumloc, 67 bis 69. 

66 E. Meier, Deutfche Sagen u. j. w. aus Schwaben, Stuttgart 1852. 
©. 157. 

767 Handſchriftliche Chronik der Stadt Rotenburg a. NR. „dur Chriſtoff 
Lugen von Lutenhartt. 1609.” (Stuttgarter Archiv.) Bd. 1, ©. 15, in einem 
gereimten Lobſpruch auf die Stadt: 

„Wie jo mandherlai 
Zrudt vnnd wein, darzu groß guet 
In diſem Bürdhel wachen thuet, 
Derbalb ift fy gar meit befant 
Brnd von Bilen ſchmalzgrueb genandt.“ 
Br. 3, ©. 28: „Sowil aber den Feld vnnd Aggerbaw, auch Wein vnnd Wiß- 
wachs, jo dann Bartenwerdh, Bewäldung, Vihezucht vnnd dergleichen Nott- 


293 


— — — — 


Die beiderlei noch unerklärten Benennungen der alten Colonie 
werben fo angeſehen, daß der römiſche Name „Solieinium“ derſelbe ſei 
mit dem barbarifchen (feltifchen) „Sumelocenne® 768, Der Übergang 
der einen Form in bie andre bleibt aber ſchwer zu vermitteln und ber 
Zweck zweifacher Geftaltung bes nemlichen Worts läßt fich nicht abjehen, 
da aud) Sumeloeenne mit lateinifcher Ableitung gebraucht wurde (Samu- 
lIocenis, Sumelocennensis) und mit Solicinium doch fein römiſches Wort 
gewonnen war. Sind die Namen verſchiedenen, wiewohl beidemal nicht: 
römischen Urfprungs, fo wird man von Neuem daran erinnert, daß 
biefer Landſtrich, als zuerft von ihm durch Cäſar Kunde ward, germa⸗ 
nifche Bevölkerung batte und nicht erft von geftern, fondern von un« 
beftimmter Zeit ber. An Drtönamen haftet zumeift die Spur früherer 
Bewohner 76°, wie bieß für die Kelten reichlich in Aniprud genommen 
wird, aber auch von Germanen im geeigneten alle gelten darf, felbft 
das Berbleiben ſueviſcher Vollörefte, nachdem dad Decumatenland haupts 
ſächlich mit helvetifchegalliichen Einwanderern bejegt war, tft keineswegs 
unmwahrjcheinlich 77%, Das Waldgebirg des Rheinbogens, der Schwarz⸗ 
wald, hatte fhon während der Römerherrſchaft, zu dem keltiſchen Namen 
Abnoba 771, den zweiten, marcianifcher Wald, erhalten und für lehteren 
Ausdrud nimmt die neuere Forfchung einhellig germanifchen Urſprung 
an, im Sinne von Marl, Grenzwald ‘72; deutihe Bezeichnung des 


vund Nutzbarliche Herrlichlait belangen thut, diſer Ortt Lu vnnd Fruchtbar⸗ 
thaitt halber vilen aubern flrzuziehen Iſt, dann vmb diſe gegne der Rechte 
Kern deß von Fruchtbarkeit weitberliembten Landes, daher woll die Statt vnnd 
wit vnbillich von etlihen Ein SpeißSammer oder Schmalzgrueb genant württ.“ 

8 Stälin 1, 98. Leichtlen 151. Col. Suml. 126, 3. |[Bacmeifter, Ale⸗ 
mannische Wanderungen 1, ©. 32. 9.] 

769 Sprachg. 202 u.: „Am fchwierigften bleiben ortsnamen, weil fi in 
ihnen zumeift die fpuren fremder und früherer bewohner eingebriidt haben.“ 

To Stälin 1, 62 f.: „Die Vehutfamfeit, mit welcher Tacitus der Ge⸗ 
fammtbevölterung tes Landes das deutjche Weſen abfpricht (non numeraverim), 
erlaubt anzunehmen, daß fich auch noch Deutfche, melde wohl dem Marobod 
nicht inegefammı nad Böhmen gefolgt waren, im Lande gefunden haben.” 

71 Plinius, bist. nat. Tacitus, Germ. ©. 1 (Lesarten bei Mafmann). 
Btolem. 2, 2. Avien. deser. orb. (4 Ihd.) 487. Zeuß 10°", Erälin 1, 6. 
Mone, Urgeih. 79. [Bacmeifter 1, S. 189. 9.) 

7% Benting. Taf.: „Silva marciana.“ Ammian. 21, 8 (a. 361): „Dis- 
cedens inter heec Julianus a Rauracis u. |. w. Profecturus itaque per 


294 


Grenzgebirgs konnte aber nur von innen fommen, von Germanen, denen 
der Schwarzwald eine Grenzhut gegen Helnetier und Gallier war, und 
fie wird von den Römern erft gebraucht, nachdem auch dieſe in das 
innere Land eingebrungen waren. Sumelocenne ift in der Schreibung 
Samnlocenis Zwifchenglied einer ganzen Reihe gallifcher Ortsnamen an 
der Römerftraße und fällt damit am natürlichiten berfelben Abftammung 
anheim 773, Solteinium 77% dagegen und noch mehr die an Ort und 
Stelle hervorbrechenden Formen Sulicha, Sulidin, Sulibgema, weiſen 
auf ein verſchiedenen Zweigen des deutichen Sprachſtamms gemeinfames 
Wort, das mit feinen Ableitungen in der Bedeutung von Pflug, pflügen, 
Pflugfeld 7°5, bervortritt: agſ. sulh, aratrum, sulhung, aratio, was 
ein Berbum eulhian, arare, vorausſetzt; ahd. fuoli, ſuohili (aratiun- 
eula) 776, Das würde ſich der dargelegten Beichaffenheit der Gegend 


Marcienas silvas viasque junctes Histri Quminis ripis“ u. f. w. (Hermann. 
Sontract. a. 1030: „circa silvam Martianam*.) Stälin 1, 130. Zeuß 10%**., 
Necdhtsalt. 497. Grenzalt. 110 f. 116. Spracdg. 499, 2. 503 ob. 628, 4: 
„Marklo“. 740 u. Selbſt Mone, der dem Galliihen nichts vergibt, nimmt 
zwar nicht für erwiefen an, ob Dart ausſchließlich deutſch fei, bringt aber 
ſchätzbare Velege alamannifcher Waldmark bei, Urgeſch. 2, 14f. Zu Myrkvidr 
eb. ©. 115 f. 

773 Man vergl. auch Arusena I. Abusena (Stälin 1, 101) der penting. 
Tafel, Nemetocenna (Beuß 220*), silva Argoenna, Arduenna (ebend. 9. 11), 
Badubenna (Myth. 61. Epradhg. 585 ob.)? Bacenis? (Sprache. 875 u. 491 ob. 
594 ob. 618, 2). Aber auch ahd. Buohunna (Zeuß 9. Sprachg. 594 ob.). 
Häufige Ortsbezeichnungen mit och, ahd. u. mihd. 1öh (Tat. Incus), Sprachg. 
61, 2. 63 u. 409, 2. Graff 2, 127 u., f. Die Lochen find im Volksmunde 
Plural, bei Erufius, Paraleip. 34: „auff der Lochen“. Inuava vAn? Aber die 
goth. u. ahd. dat. plur. gehen auf -m. 

74 Die Tefung bei Mommfen 201: „saltus Sumelocennensis® läßt ver 
mutben, daß Sumelocenne da8 größere Waldgebiet, Solicinium die angebante 
Umgegend der Stadtanlage bezeichnet habe, Jenes die Marl, Diejes das Pflug⸗ 
land, vergl. Grimms Rechtsalterthümer 498, 6, 

775 Bergl. „Pflugueld“ a. 1276, Stälin 1, 817. 

76 Gramm. 3, 415: „Agf. sulb, Gen. sulhes, oder sul, aules (aratrum), 
wie ich glaube masc., wovon analog jenem huohili (Goth. höha, aratrum], 
cin sulincle (aratiuncula) abſtammt; im engl. hat fi) sull, wenigſtens propin- 
ziel erhalten u. f. w. Und aud jenes sulh mag ſich früher weiter erſtrect 
haben, da die ahd. mundart neben huohili, ein fuoli (aratiuncula) dat. pl. 
juolinun befaß, gl. mons. 329, Dor. 220a, das auf ein simplex fuel = 
ſuhol oder vielleicht ſuloh führt*), wenn man nicht vorzieht, fuohili von tem 


295 


— — —— — — 


von Sulicha wohl eignen und Cäfar ſelbſt beſtätigt, daß ſchon bie Sueven 
ſeiner Zeit den Ackerbau übten und den Betrieb desſelben geordnet 
hatten, wenn er auch nicht ihre Hauptnahrung ausmachte 77, 

Spätere Geichlechter, die auf dem Schutte der Römerftabt wohnten 
und pflanzten, muſte diefe begrabene Herrlichkeit nachdenklich machen, 
befonders jo lange die Baurefte noch anfehnlicher, die ausgepflügten 
Zunde noch reicher waren. Gefchichtliche Kunde darüber war nicht vor: 
handen und fo muſte die Sage Rath ſchaffen. Erft am Anfang des 
i6ten Jahrh. befaßten fich die Gelehrten mit der Frage nad den Ger 
ſchicken, die bier gewaltet, aber auch ihnen fam nur noch fagenbafte 
Antwort entgegen. Wieder ift es Tritenheim, der fich, in feiner Chronik 
des Kloſters Hirſchau, mit feltfamen Entvedungen berbeiläit. Zum 
Jahr 1112 meldet er, daß damals die Stadt Rotenburg am Nedar 
burch ein Erbbeben von Grund aus erjchüttert und gänzlich zerftört 
worden, aber nicht fange bernach von den Einwohnern, die fi in die 


nachher anzuführenden fuoha (occa) abftamımen zu laßen. Das agj. sulh aber 
jheint das lat. sulcus masc., die durch den pflug gezogene furche; ein agſ. 
verbum sulhian (sulcare) folgt aus sulhung (aratio). *) in abd. urkunden 
erſcheint fol, ſoͤl? (neutr.) zur bezeihnung urbares landes: in daz haganina 
ol Wirzburger grenzurkunde), in daz Grimen fol (daſ.); birkinen folen, det. pl. 
wibinen folen (Schannat 695) u. ſ. w.” 8, 416: „Das gepflügte land ahd. 
u. f. w. juohili (aratiuncala) Maßm. denfm. 103. vergl. juoli vorhin f. 415; 
huchili vorhin f. 415; agf. sulincle.“ Sprachg. 56: „Das gotb. wort lautet 
böha, wofür aud ahd. huoho gemutmaßt werden darf, weil ſich huohili ara- 
tiuncula vorfindet, genau wie ahd. fuoili juoli auf fuol ſuhol führen, das dem 
agj. syl sul sulb aratrum entſpricht und uod im provinziellengl. sull 
fortvauert. sulh aber fcheint das lat. sulcus, die pfluggezogene furdhe, und 
sulhian arare folgert fi) aus sulhung aratio.* 69 ob. 303 u. „uärog“ 
(eulcus). 401 ob. 409 u.: „lat. sulcus, agj. sulb, ahd. fuloh? u. f. w.“ 
Bergi. Graff 6, 186 ob. Bosw. 213, Ettmüller 650 (eulub). Bon fulih 
m. (vergl. Gr. 2, 284, 1) a)), das noch in der Zujammenjegung Sulihgeuma 
erſcheint, Pflug, abgeleitet: ſulicha (Dümge 106), julecho (ebend. 132), nom. 
neutr. Pflugland, dat. sing. fulichin (Br. 1, 609 u. 629 u.)? Gehören sullı 
und sulcas aud etymologiſch zufammen, fo hatten fie doc der Bedeutung nad 
verfchtedene Richtung genommen (Pflug und Furche), wodurch die Stammoer- 
wandifchaft verbuntelt war. Plautus, Trucuientus Act 1, Scene 2: „volo 
babere aratiunculam pro copia hic apud vo:.* Not. Zaubm. „Aratiunculam 
i. sgellum conductaum, queın arem.“ 
7 Käfer, beil. gall. 4, 1. 


296 


Wälder geflüchtet, wieberbergeftellt worden fei; ferner unter Berufung 
auf das zu 1112 Bemerkte, als ähnliches Ereignis: im Jahr 1280 fei 
die Fürzlih vom Erbbeben zufammengeftürzte Stadt nad Anorbnung 
und auf Koften deö Grafen Albrecht von Hohenberg in den vorigen 
Etand gebracht worden; zur Zeit des Königs Faramund haben bie 
Franken diefe Stadt erbaut und ihr den Namen Landskron gegeben 77%, 
Etatt defien wird auch Landsort, Landsfurt gefchrieben. Andre, die 
nicht zwei Erbbeben und Mieberberftellungen annehmen wollten, be 
mübten ſich verfchiedentlich,, die Zeitangaben zu berichtigen 779. Urkund« 
lich ift allein, was zwei gleichzeitige Jahrbuchſchreiber aufgezeichnet haben, 
nemlich der in jener Gegend heimische Konrad von Wurmlingen, zum 
Jahr 1280: dazumal fei nahe bei Rotenburg eine neue Stadt mit 
Mauern und neuen Gebäuden angefangen worden 78%, wobei unter 
Rotenburg noch die alte, im 17ten Jahrh. abgetragene Burg auf ber 


"8 Trithem., Annal. Hirs. 1514 ad 1112 (Leichtlen 148): „Anno quo- 
que przenotato Rotenburg, juxta Necari fluminis ripas in Suevia oppidum, 
terre mota concassum funditus, et in toto cecidit conrulsum penitus et 
destructum; sed non diu postea per incolas, qui ad nemora confugerant, 
instauratum est. Ad 1280. Item anno preenotato oppidum Rotenburg, 
ad litus Necari flaminis Suevie situm, quod nuper [?] terre motu fun- 
ditus corruerat, consilio et impensis Alberti, comitis de Hobenberg, jactie 
fundamentis atque repositis ad pristinum statum est restitutum. Hujus 
oppidi similem ex terre motu ruinam et restitutionem longe supra reci- 
tavimus in primo volumine, a. 1112. Quod quidem oppidum Franei olim 
temporibus Faramundi regis construxerunt et Landeskron, vel ut codices 
habent vetustiores Landskorn [Landsort?] nominaverunt, aut loci ame- 
nitate provocati, aut guardie opportunitate?“ (Landesſchutz, guardia?) 

779 Naucler, Comment. Chron. Bl. 286 (Leichtlen 147). Grufius Tb. 2% 
8.9, 8.5 (S. 819). Th. 2, 8. 12, C. 18 (©. 574). Th. 3, 8. 2, 6.2 
(©. 126). Parnleip. €, 14, ©. 57. Der Dentftein von 1602 (Leichtlen 149) 
bedarf feiner Erörterung. 

70 Conradi de Wurmelingen annal. Sindelfing. a. 1280 (Böhmer, 
Font. rer, german. 2, 465): „Civitag nova prope Rotinburch muris et 
novis edißciis fait inehoata.“ Martinus Minorita (Eccard 1, 1632): „1281 
in ÄL Rotenburg super Neccarum resdificatur, ubi retroactis temporibus 
egregia' ejusdem vocabuli eivitas sita fuit.“ Haug, Chron. Sindelf. S. 15, 
N. 1: „veteris roman civitatis ruinas u. f. w. tunc plerumqne solo 
squatas esse opinor. Rotenburg a. adhuc 1307 simplicıter interdum 
Nova Civitas appellabatur.* 


297 


Waldhöhe (Weilerburg) verftanden ift 781; ſodann der Minderbruber 
Martinus zum Jahr 1281: in der Faften diefes Jahrs fei Rotenburg 
am Redar wieberaufgebaut worden, wo in altvergangenen Zeiten eine 
berrlihe Stadt desfelben Namens gelegen. Ein Naturereignis, durch 
welches legtere untergegangen, ift in beiden Stellen aud nicht leiſe an» 
gedeutet. Wirklich hat bier weder Faramund eine Etabt erbaut, noch 
das Erdbeben eine verfchlungen. Wovon die Erde gefchüttert, das mar 
der Sturmfchritt ftädtebrechender Alamannen. 

In dichtem Walde bei Lenzburg im Yargau fteht riefenbaft der 
moosbedeckte Römerftein, einziger Überreft einer feſten Stabt, die bier 
erbaut geivejen fein fol, in ber Nachbarſchaft ver größeren Vindoniſſa; 
ceinft in der Nacht erhob fih Sturm und Gewitter, die Erbe fpaltete 
fi) und die Stadt verfant 782; das ift diefelbe Cage, wie von der Stabt 
am Nedar, nur daß von Solicinium mehr als Ein Stein Kunde gibt. 

Sn den Trümmern diefer Nömercolonie haben ſich, nachdem die 
Götter des Alterthums gemwichen, germaniſche Pygmäen eingeniftet. 
Darüber befagt die handſchriftliche Chronif der Herrn von Zimmern 
vom Jahr 1566, „es fei gewislich wahr, daß bie „Erdenmendle“ vor 
Sahren viel Wohnung und Wandels um das jebige Rotenburg am 
Nedar gehabt. Die Stadt habe vormals Landsort oder Landskron ges 
beißen und zu felbiger Zeit ſei Eülchen die Pfarrkirche geweſen. Diefe 
alte Stadt jei 1112 den Zten Jänner von einem Erdbidem und unver: 
ſehenen Gewäſſer verwüftet worden und zerfallen, bis im Jahr 1271 
Graf Albrecht von Hobenberg die Stadt Rotenburg dahin, wo biefelbe 
jegt gelegen, erbaut habe. Auf derfelben Seite des Nedars haben bie 
Erpmännlein gewohnt, denn, menn man von Rotenburg gegen bem 
Wekenthal binausgehe, finde man nicht fonbers tief in der Erde ein 
wunberbarliches Gebäu, nemlih einen Gang, wie ein Porticus ober 
ein Kreuzgang, der fich in die Länge erftrede und auf ber einen Seite 
mit Biegelfteinen zugemauert, auf der andern mit Heinen fteinenen 


781 Nach der Beichreibung des Dberamts NWottenburg 144 foll die neue 
Burg ſchon 1216 vom Grafen Burkard von Hohenberg erbaut worden fein, was 
aber des Beweifes bedarf. 

762 Echmweizer- Sagen u. f. w. ton Fr. Dite (Better), Straßburg 1840. 
©. 71 f. Die Duelle der poetifhen Bearbeitung ift nah Anm. S. 86: „Münd- 
Ihe Sage.“ 





298 





Eäulen gebaut geweien, offen und oben gewölbt, inwendig durchaus 
hohl, zweier gemeiner Werkſchuhe breit und vier folder hoch, das Pavi⸗ 
ment des Porticus ſoll mit „geleften” Steinen aufs zierlichfie gemacht 
fein, auch wiſſe man weder den Anfang noch das Ende folches Porticus, 
noch wo er bingangen, denn fein Zweifel, daß er von Menſchenhänden 
nicht gemacht tworben, viel weniger daß er zu menſchlichem Gebraud 
jollte dienftlich fein” 89. Mit dieſer Anfievlung der Erdgeiſter befindet 
fih die Sagenkunde im Übergang zu der weitichichtigen Unterſuchung 
des ſueviſch⸗ alamanniſchen Götterglaubene 


— — — — — 


IV. Götterweſen der Iueven- Alamannen. 
1. Natur- und Schhidfalsgätter. 


Die Zeugnifle zur Kenntnis des ſueviſch⸗ alamanniſchen Heidenthums 
Iprechen theild nur von Verehrung der Natur in ihren gegenmwärtigften 
Erfcheinungen und fühlbarjten Kräften, tbeil aber auch von Gottheiten 
mit perfönligem Eigenleben. Es erfcheint zmedmäßig, von den Auf: 
fafjungen ver erftern Act auszugeben. Cäfar fagt von ben Germanen 
überhaupt, wobei er jeboch zumeift die Sueven im Auge hatte, daß fie 
zu Göttern nur diejenigen zählen, die ihnen fichtbar feien und beren 
Einfluß ihnen offenbar zu Statten komme, Sol, Bulcanus und Luna, 
von den übrigen haben fie nicht einmal gerüchtiveife vernommen "4; 
biebei fteht die römische Götterwelt im Hintergrunde, aud ber den Ger 
manen nur das finnlih Wahrnehmbarfte erreichbar war. Eigens die 
Alamannen im eroberten Lande betrifft bie Hauptftelle bei Agathias 
(} vor 582): „gewifie Bäume verehren fie und Fluten der Ströme, 


783 Bimmerifche Hoſchr. v. 1566, im flrfil. fürftenberg. Archiv zu Donan⸗ 
eichingen, &. 1081 ff. [Ausgabe von Barad 4, ©. 229. 280. H.] 

7% Cäſar, bell. gall. 6, 21: „Germani multum ab hac consuetudine 
[Gallorum] differunt. Nam negue Druides habent, qui rebus divinis pre- 
sint, neque sacrificiis student. Deorum numero eos 80los ducant, quos 
cernunt et quorum opibus aperte juvantur: Solem et Vulcanum et Lunam; 
reliquos ne fama quidem acceperant.“ Gchwend, Mythologie der Römer 
58 ff. 121 f. 


299 





Berghöhen und Thalfchluchten; diefen weihen fie, als ob fie damit Heis 
liges vollbräcdten, Pferde, Ochien und unzählige andre Thiere, indem 
fie denfelben die Häupter abjchneiden” "8, Wie Säfar dem roben Natur: 
bienft der Germanen die übervolle Götterhalle der Römer entgegenftellt, 
fo der neubelehrte Grieche dem der Alamannen die dhriftliche Gottes: 
verebrung der Franken. Ein früherer und ein fpäterer Gemährsmann 
unterftügen. diefed Zeugnis. Der römiich-heibnifche Dichter Claudian, 
am Ende des Aten Jahrh., rühmt, bezüglich auf Alamannien, den fteg: 
reihen Etilico, der es dahin gebradt, daß nun fernhin durch das 
öde Schweigen des herlyniſchen Waldes ficher gejagt werden dürfe und 
römiſche Arte ungeftraft die durch alte Verehrung fchaurigen Haine 
fchlagen und Eichen, die den Barbaren für eine Gottheit galten 786. 
Sodann noch in der erften Hälfte des 8ten Jahrh. jagt eine Ermahnung, 
die dem h. Pirminius zugelchrieben wird, einem Glaubensboten zu den 
Alamannen und Stifter des Klofterd Reichenau: „Betet feine Gößen an, 
weder an Felfen nod) an Bäumen, weder an abgelegenen Orten noch 
an Quellen, auch nicht auf Kreuzwegen bringet eure Anbetung und 
eure Gelübde dar!“ 787 

Diefe Kundgebungen, von fo verfchiedenen Standpunkten ausgehend, 
einigen fih darin, daß dem Alamannen die ganze umgebende Natur, 
Gebirg und Thal, Wald und Strom, Baum und Quell, eine gött: 
liche Weihe hatte. Wenn von chriftlicher Seite, namentlih in päbft- 
lihen Sendſchreiben und den Beichlüffen der Kirchenverfammlungen, 


%5 Agatbias, Histor. 1,7: „Asıdpa re yop rıra ilusaovrar nal peidpa 
norauay nal Acpuvg nal Yapaypya.. Tuvrors, Gonep udıa dowvrag, imnovs 
rs nai Boaz nal alla ürra uvoia naparouovrrig dauderchorser.“ Gtälin 1, 
161 f. Masc. 2, 15, 9. 8. 

76 Gfoubian, de laud. Stilie. 1, 228 ff.: 

„Ut procul Hereyni® per vasta silentia eilve 
venari tuto liceat; Incosque vetusta 
religione Iruces et robora, numinis instar 
berbarici, nostre feriant impuue bipennes. 
Ultro .quin etiam devota mente tuentur 
victorique favent; quoties Bociare catervaß 
oravit jungique iuis Alemania signis!“* 

Erälin I, 162. 143. 

7 Neugart, episcopat. Constant. 73. Stälin 1, 163. 19. 


300 


wie auch in den Leben der Heiligen, das germaniſche Heidenthum häufig 
als rohe Anbetung der Naturgegenftände felbft aufgefaßt ift, fo laſſen 
doch die angeführten Zeugniſſe durchblicen, daß den Alamannen bie 
Ahnung einer im Naturleben waltenden höhern Macht nicht gefehlt hat, 
in demfelben Sinne, wie fchon den Germanen des Tacitus im Schauer 
des geweihten Haines und am heilig gehaltenen Salzftrom die unſicht⸗ 
bare Gottheit nahe war 8. Die geringen Spuren von Tempeln ober 
Gögenbildern der heidniſchen Alamannen 78° heben nicht auf, daß vor 
herrſchend es auch ihnen widerſtrebte, die Gdtter in Wände zu bannen 
ober im Menfchenbilbe barzuftellen 7%. Ihrer alten Abneigung gegen 
den geichlofienen Bau ift fhon gedacht worden, überhaupt aber waren 
die germanifchen Völker jener Zeit nicht dazu gerüftet, fi in Werfen 
der bildenden Kunft zu verfugen. Auch nachdem die Deutfchen in die 
Ubung und Pflege diefer Kunftgattungen eingetieten waren, nahmen fie 
ihre Richtung weniger auf die finnlich abgerundete Geftalt, als auf bie 
ahnungsvolle, ungemeffene, von der ungreifbaren Gegenwart bes Geiftes 
durchdrungene Natur. In der Malerei erſchloſſen fie die Landſchaft 
und was fie aud in jedem Fache Tüchtiges geleiftet, fo hat doch ihre 
eigenfte Kraft in derjenigen Kunft ſich ſchöpferiſch ertoiefen, die zugleich 
in den ftärkften Maſſen arbeitet und am meiften der Gedankenwelt an 
gehört, in der Baufunft; aber auch hier bauten fie ald Hauptzwed wieder 
nicht ein Haus, fie pflanzten einen Wald mit riefenhaften Stämmen 
und Wölbungen, fie thürmten ein Gebirg mit himmelan ragenden Gipfeln. 
Der alamannnifche Naturbienft, den bie beſprochenen Stellen in 
allgemeineren Zügen bezeugen, ift nun in feine beſondern Gebiete zu ver 
folgen und e8 werden im Fortgang aud) die Geifterwefen, die im Innern 
derfelben leben und wirken, erfennbar und vertraulid herankommen. 


‘8 Germ. 9: „lucos et nemora conseerant deoramgue nominibus 
appellant secretum illad, quod sola reverentia vident.* 39: „silvam, 
auguriis patrum et prisen formidine sacram“ [vergl. A. Claud. „Iucosque 
religione truces“] u. {. w. „ibi regnator omnium dens“ m. |. m. 
“57: „Bumen gignendo sale fecundum u. f. w. religione insita, 

locas propinquare clo precesque wortalium a deie nasguam 

iri.“ 

fin 1, 161. 162 m. 

m. 6. 9: „nee cohibere parielibus deos neque in ullum ha- 

»eciem assimilare ex magnitudine colestium arbitrantar.* 





301 


a) Erde und Erdgeifter. 


Mar die nährende Erde als Mutter angerufen, fo wurden Berg 
und Geftein als Vater oder Urvater benannt; fo der Altvater zwiſchen 
Schleſien und Mähren, der Altlönig, Altling, mit den vermuthlich 
alamanniihen Steinringen, die Schweizerberge Altmann und Egel 91, 
Diefer letzte Name ift auch der mittelalterliche des Hunnenlönigs, Laut: 
verichiebung von Attila (abd. Azilo, Ezilo), Diminutivform des goth. 
atta, Vater 7%, Oſtgothen zogen in Attilas Heer und waren ihm be 
ſonders betraut 799, in der deutſchen Heldenfage ift fein Hof div Zus 
fluchtftätte aller vertriebenen Helden, namentlih Dietrihs und der 
Amelunge; ihm zur Seite fteht Frau Helche, Herche (altn. Herkja, 
Erkea), zugenannt die Gute, die an elenden Reden mütterlich handelt 
und durch deren Tod die von ihr erzogenen Jungfrauen verwaiſt find 794, 
wohl auch namengleich ber gefchichtlihen Kerla, einer gaftfreien Ges 
mahlin des Hunnentönigs 7%; gaben nun ihm die Gothen den Vater: 


791 Bergi. J. Grimm, Zeitſchrift des heſſiſchen Vereins für Geſchichte 2, 
139 big 143, Beitfchrift für deutſches Alterthum 1, 26, altdeutfche Blätter 1, 288. 

2% Grimm, Gr. 3, 820. Zeitſchrift fiir dentſches Alterthum 1, 25. 
Sprachg. 271 u. 289, 15) 17). 475. Neugart, ind. onom.: Atilo, Azzilo. 
(Zeuß 719: „Aradıg“, „*) Al. Aria, 'Arrilag Men. ©, 301, Etel, Itil, 
die Wolga bei den Türfen.“) 

733 Jornandes 6.38: „Inter quos Ostrogotbarum preeminebat exercitus, 
Wealamire et Theodomire et Widemire germanis ductantibus u. |. iv. eum 
[Ardaric. Gepid.] et Walamirem, Östrogotharum regem, super cteteros 
regulos [Attila] diligebat. Erat namque Walamir secreti tenax, blandus 
alloquio, doli ignarus ı. |. w. Sed solus Attila, rex omnium regum, super 
omnes et pro omaibus sollieitus erat.* (Magc. 1, 430, A. 2.) 

798 Dierr. FI. 4820 ff.: „fraum Helche weinen bes began; fie ſprach vil 
muterlih: awe, Dietrich!“ 4918 f.: „daz ir fo muterlihen tut an manigen 
ellenden reden gut.“ Nib. 1184, 4: „an ber ift nu vermweifet vil maneger junc⸗ 
froumwen lip” u. |. w. Vergl. Heldenfage 68. Mythologie 232. 

785 Prise. S. 68: „Postridie ad domus Attil® interiora septa me con- 
tuli, dona ferens ejus uxori, qu® Cerca vocabatur. Ex ea tres illi liberi 
u.f. w. Eam famulorum multitudo in orbem circumstabat, et ancille ex 
adverso humi sedentes telas coloribus variegabant, qu® vestibus barba- 
rorum ad ornatum inseruntur“ u. f. w. ©. 68: „Interea Reccam, Attile 
uxor, qu® ejus res domesticas curabat, nos etiam ad coenam invitevit. 
Ad eam, ut erat multis Scytbiee principibus comitata, accedentes, contigit 
nobis etiam humanitate frui. Illa vero nos excepit mellitis et jucundis 





302 


namen, warum nicht auch ihr einen mütterlihen? Und fo wird man an 
jene agf. Erce, der Erbe Mutter, gemahnt und es fragt fidh weiter, 
ob nicht das dunkle Wort Erce eben eine Urmutter bedeute, alſo bem 
männlichen Bergnamen Atilo, Azilo, der weibliche Name einer Erd⸗ 
göttin Ercha entfprochen babe. Im einem Eddalied erfcheint Herkja 
mit Atli 796, zugleich aber ift in ber j. Ebba unter den Rieſenweibern 
(von Riefenart find die Urweſen) eine Herkja aufgeführt 797, Einer 
Erdgottheit eignet fi) auch das Meifte, mas norbdeutiche Bollefagen 
von der riefenbaften Frau Harke, Herke überliefert haben 7%. Aliwater 
beißt noch ein großer Felsblock im Schwarzwald, bei Kalmbach, ben 
der Volksmund als den älteſten der umberliegenden Steine bezeichnet 7#. 
Helvenlieder der Edda kennen den Eid auf heilige Steine, der Bruber 
Sigruns von den Suevenbergen hatte ihrem Geliebten Helgi Eibe ge: 
Ichworen beim lichten Wafler des Stroms und dem falten Steine der 
Flut 800, 


confabulationibus et magnifico epularam apparatu® u. |. w. ( Iſt Gerca 
diefelde Berjon mit Reccam?) Bergl. Heldenfage 68. 345. Lachmann, Anm. 384, 3. 

196 Seem. 237, 46. 238, 53 f. vergl. 237a: „Herkja hèt ambött Atla, 
bon hafdi verid frilla hans,“ 

197 Sn. 2106 (Tröllgqvenna heiti: Heera (?), Herkja, nachher auch Ama, 
o. Amma, Atla. Atla neben Eyrgiafa und Jarnsaxa, welche gleichfalls ven 
Gebirg anzugehören jcheinen, Sem. 118, 35. Mund 70, 3. Galzburger 
Berbrüderungsbud 101, 17: „attita” f. (iara, ioru vellir, Heitföhrift für dentſches 
Altertum 7, 316 ob., vergl. Mythologie 232: Hera, Gr. 3, 676 f. Diminur.; 
&rada, ärda, herd, iörd auch abgeleitet, einfach ero, hero, Mythologie 229.) 

78 A. Kuhn und W. Schwark, Norddeutſche Sagen u. ſ. w. Ar. 126. 
Hieher überhaupt Mythologie 232. Spradg. 819, 1u. 

79 Eifert, Nachrichten zur Geſchichte von Calmbach und Höfen, 1850, ©. 5: 
„Der Heimenhartt heißt in unfer jebiges Deutich überſetzt: der Riefenforft, und 
die Sage von ungeheuren Niefen, die Hier gehauft haben, bat ſich jo ſehr er- 
halten, daß man fogar erzählt, der lebte diefer Art u. f. w. fei unter dem 
gröſten TFelsblod in der Gegend, dem Langenftein auf dem Meiftern ober unter 
dem Altvater begraben, den der Vollswitz als den älteften der umberliegenden 
Steine bezeichnet“ u. |. w. €. Meier, deutſche Sagen aus Schwaben ©. 97. 
[Heimenflein im Neiblinger Thale. 9.) 

&00 Sem. 165, 18: „pik skyli allir eidar bita, beir er Helga hafdir 
unna; at enu liosa leiptrar (vergl. 48, 28. En. 4. 218a u.) vatni ok at 
ürsvölum (®r. 2, 789. Stem. 160, 11) unnar steini.* 237, 47: „ber mun 
ek alle bess eida vinna at inum hvita heiga steini“ u. f. w. 248, 32: 


303 


— — 





Bon der mätterlichen Erbe iſt nun auch aus dem Alamannenlande 
Mandyes zu jagen. Zunädft in ihrer urftofflihen Ruhe ift fie Gegen: 
fand finnbilvliher Handlungen, aber auch fo ſchon fichtbar heilig ge 
balten. Im alten Gefeß der Alamannen trüt ein foldhes Verfahren 
beſonders lebendig vor Augen: wenn Streit entftanden ift zwiſchen zwei 
Geſchlechtern über die Grenze ihres Grunbeigentbums und Einer jagt: 
„bier ift die Grenze”, der Anbre an eine andre Stelle gebt und fagt: 
„bier ift unfre Grenze”, dann ſoll der Graf dieſer Vollögemeinde gegen: 
mwärtig fein und ein Seichen legen, wo Sjener und mo der Andre bie 
Grenze haben will, und fie follen um den ftreitigen Raum einen Kreis 
ziehen; iſt dieſer gezogen, fo follen fie in die Mitte treten und, in Gegen: 
wart des Grafen, von diefer Erde heben, was die Alamannen Zurfodi 
nennen, und Zweige von den Bäumen in die Erde fteden, die fie er 
heben, und die ftreitenden Gefchlechter follen jene Erde in Gegenwart 
be3 Grafen aufheben und fie in feine Hand befehlen. Er wickle fie in 
ein Tuch, lege ein Siegel an und befeble fie in fichre Hand bis zum 
feftgeießten Gerichtstag. Dann geloben fie unter fich ven Zweikampf; 
wenn fie zum Kampfe gerüftet find, dann legen fie die Erbe in bie 
Mitte und berühren fie mit ihren Schwertern, mit denen fie lämpfen 
follen, und nehmen Gott den Schöpfer zum Zeugen, daß, weilen bas 
Recht, defien auch der Sieg jet, und fämpfen. Welcher von ihnen fiegt, 
der nehme den ftreitigen Raum in Befig und die Andern, die ſich bes 
felben anmaßten, büßen, weil fie das Eigenthum wiberfprochen, mit 
zwölf Eolidi 801, 

„eida opt um svarda uk dr of nefnda, at söl inni sudrhöllu ok at Bigtys 
bergi“ u. ſ. w. Rechtsalterth. 897. 

WW Lex Alam. €. 83: „Si qua eontentio orta fuerit inter duas genea- 
logias de termino terre eorum et unus dicit: hie est terminus, alius 
revadit in alium locum et dieit: hic est noster terminus, ibi præsens sit 
comes de plebe illa ei ponat signum, ubi iste voluerit et ubi ille alius voluerit 
terminum, et girent ipsam contentionem. Postquam girala fuerit, veniant in 
medium et presente comite tollant de ipsa terra, quod Alamanni zurfodi 
dicunt, et ramos de ipsis arboribus infigant in ipsam terram, quam tollunt, 
et ilie genealogiee, quæ contendunt, levent illam terram presente comite et 
commendent in sua manu. Ille involvat in fanone et ponet sigillum, com- 
mendet fideli manu usque ad statutum placitum. Tunc spondeant inter 86 
pugnam duorum. Quando parati sunt ad pugnam, tunc ponant ipsam ter- 
ram in medio et tangant ipsam cum spatis suis, cum quibus pugnare debent, 


304 


Gregor von Tours erzählt, als die Sueven, d. h. Alanıannen, 
in Gallicien mit den Vandalen in Grenzftreit gerathen, fet vom Köniz 
der Erftern die Enticheibung durch Zweikampf vorgefchlagen mworben; 
aus den beiberfeitigen Heeren fchritt je ein gewaffneter Süngling hervor, 
der Kämpe der Bandalen unterlag und wurde getöbtet, morauf fie von 
der fpanitchen Grenze abzogen 802, Wie bier der Krieg zulammengren: 
zender Völker, fo ift nach der Geſetzſtelle die Fehde zwiſchen zwei nad; 
barlichen Gefchlechtern in den minder blutigen Einzellampf der beiden 
Vertreter abgelentt. Das Geſetz ftellt diefen unter Obhut des Richters 
und orbnet dafür ein Verfahren von finnbilblihem und zugleich aus 
geiprochen religiöfem Gepräg an. Das Abzirlen des ftreitigen Plabes 
wird urfprünglich bezwedt haben, dieſen felbft als Kampfkreis einzuhegen. 
Durch die Aushebung des mit Zweigen beftedten Torfes (Raſenſtücks) 
aber wurde der Platz ſymboliſch auf bie orbentliche Gerichtsſtätte ver. 


et testiicentur Deum creatorem, ut cujus sit justilia, ipsius sit victoria, 
et pugnent. Qualis de ipsis vicerit, ipse possideat illam contentionem, et 
illi alii presumptiosi, quia proprietatem contradixerunt, conponant cum 
XII solid.“ NRedhtsalterth. 114 f. (Genealogia bereutet wohl urſprungliche Ber: 
wanbifchaft, dann aber Marlgenoffenfhaft u. dergl., die alamannifchen -inge.) 
802 Gregor. Turon. 2, 2: „Post bee (an. 406) Vandali a loco sao 
digressi, cum Gunderico rege in Gallies ruunt. Quibus valde vastatie, 
Hispanias appetunt. Has secuti Suevi, id est Alamanni, Galliciam ad- 
prehendnnt. Nec multo post scandalum inter utrumque oritur populum, 
quoniam propinqui sibi erant, Cumque ad bellum armati procederent ac 
jamjamque [a. acieque in conflictu] in conflictu parati essent, ait Ala- 
mannorum rex: „Quousque bellum super cunctum populum commoretur? 
Ne pereant, quæso, populi utriusque phalange, sed procedant duo de 
nostris in campıum cum armis bellicis et ipsi inter ge confligant! Tune 
ille, cujus puer vicerit, regionem sine certamine obtinebit.“ Ad heec cunetus 
consensit populus, ne universa multitudo in ore gladii rueret. His enim 
diebus Gundericus rex obierat (an. 428), in cujus locu Trasamundus 
obtinuerat regnum. Confligentibus vero pueris, pars Vandalorum victa 
euccubuit; interfectoque puero, placitum egrediendi Trasamundus spopondit, 
ut scilicet, præparatis itineris necessariis, se a finibus Hispanie remc- 
veret“ [Anmerkung zu „Trasamundus“: Sic semper Corb.; Regius A vero, 
Bec., Regm. [et Clun.] cum aliquot editis Transimundus, alii Trasimun- 
dus. Hsc non sub Trasamundo, sed sub Genserico contigerunt. Gunderico 
successit Gensericus, non Trasamundus, qui post Gundabundum regnare 
capit anno 496.] Dan vergl. die Zweilämpfe, bie zwiſchen Wlamannen und 
Thüringern, Burgunden und Franken verabredet waren, oben ©. 256. 276. 








305 


jet. Wie der einzelne Kämpfer feinen Stamm vertrat, fo ber aus: 
gehobene Torf dad Grundſtück, um das geftritten wurde. Auch für 
Übertragung des Eigenthums oder Befikergreifung ftellt im beutfchen, 
namentlich ſchwäbiſchen Rechtsalterthum die Scholle, der Wafen, bie 
Rebe den Ader, die Wiefe, den Weingarten vor 809, Die religiöfe Be- 
beutfamteit des ausgebobenen Rafens bewähren angeljächfifche Aderfegen, 
in denen Heibnifches mit Shriftlichem verfeßt ift: aus ben vier Seiten 
bes zu jegnenden Aderd genommene Torfe werden mit Baumäften und 
Kräutern, auch DI, Honig, Hefe, Milch belegt und mit heiligem Waſſer 
betropft, fo zur Kirche getragen und nachdem vier Mefien darüber ge: 
fungen find, auf den Ader zurüdgebraht, wo dann jene Segen?: 
ſprüche erfolgen, in denen die Erde und ihre Mutter zugleich mit den 
heiligen Namen des Chriftenglaubens angerufen werben 89%, Was mehr 
nur eine Segnung zur Tragbarkeit des durch böſen Zauber ver: 
dorbenen Aders geworden ift, zeigt gleichwohl noch die Spuren eines 
der Erbgöttin gebrachten Dpferd, denn fie felbft wird noch mitange- 
fleht 200. Menn daher im Beginn des alamannifchen Grenjftreits die 


&03 Bergl. Rechtsaltertb. 112 bis 117, liber „curfodi“ ingbejondre 114 u., 
f. ob. Grafi 5, 706: „Zurft, Xorf, angelf. ıurf, altmorb. torf, gleba, cespes. 
De ipsa terra, quod Alamanni zurf (var. zturf, zcruf, zuruft, surfo, curffo, 
carffodi) dicunt. L. alam. 84. zurba, cespes, terra avulsa. L.“ Pergament- 
Urkunde von Hotweil 1320 (im ftäbtifchen Archiv zu Herrenberg): „bi waſen und 
bi zwie, es fie an holcze, an vefde, an aderen vi an wifan“ u.f.w. Hier lebt 
ion neben dem Symbol: Waſen und Zweig, die Sache felbft: Holz und Feld. 
Horber Stadtrecht, Pergament- Handichrift des 15ten Jahrh. Bl. 10a: „Was 
pfaud man ouch vertäbingen wil, die varende hab find, die fol ain richter jehen. 
ZR es aber ligent güt, wingarten, ader oder wifun, fo fol man ainen ſchollen 
oder reben da von bringen vnd den richten laffen ſehen“ u. |. w. Stelle des 
wirtembergilchen Landrechts von 1554 UL, 120. 124, Rechtsalterth. 114. Ebend. 
113 von „Swabſted“: „mit ener grönen joden” (Weftphalen 4, 8119 ſa. 1415]). 
554 Raft, Angelsaks. Sproglere, Stodholm 1817, 157 (aus Nyerup, 
Symb. Hafn. 1787, 147, vergl. XXIII f.). Mythologie 1185 fi. | 
58 Mythologie a. a. D.: „eordan ic bidde and upheofon.* (Auch 
„upbeofon,“ der hohe Himmel, der mit der Erde zufammenmirten fol, findet 
fh, in gleichem Verbande, noch in der Eprache des nordiſchen Heidentbums, 
Sem. 1, 3: „iörd fannsk eeva né upphiminn“, 70, 2: „iardar hvergi ne 
upphimins“, 241, 15: „iörd düsadi ok upphiminn.“) Zur Segnung ein- 
lentend: „Erce, erce, erce, eordan mödor, geunne Pe se alvealda &ce dryhten 
äcera veaxendra“ n. |. w. und doch zugleich wieber der alte Götteranrnf: „hal 
Upland, Sqriften. VII. 20 





306 


beiben Kämpen mit den Schwertern das Nafenftüd berühren unb babe 
Gott den Schöpfer zum Zeugen nehmen und um Sieg bitten 9%, fo iſt 
kaum zu zweifeln, daß auch biefer Anruf in heibnijcher Zeit der heiligen 
Erde ſelbſt gegolten babe, die durch ihre fieggebende Kraft für das Recht 
entſcheiden ſollte. Bon der wirkſamen Erdkraft ift altnordiſch und 
angelſächſiſch mehrfach die Rede; für ſich allein oder in Verbindung mit 
andern Urkräften gibt fie der heranwachſenden Jugend Gedeihen, ben 
Kanten und Wunden Heilung, den Unfichern Feſtigkeit, den Kämpfenden 
Sieg 207. Diefen befonders betrifft eine angelfächfiiche Formel, welche 
anweift, mit der rechten Hand unter den rechten Fuß Erbe zu werfen, 
denn Erde fei mächtig wiber jebes feindliche Weien, und dann bie Sieg 
weiber (Wallürsen) anzurufen, daß fie nicht zu Walde fliegen, ſondern 
dem Flehenden wohlgeſinnt fich zur Erbe nieberlafien 8%. Beſtimmter 


ves Bü folde fira mödor!*“ wie Sem. 194, 4: „Heilir æsir, heiler 4synjur, 
heil sis in flölnyte fold!“ 

806 „tunc ponant ipsam terram in mediv et tangant ipsam cum spatis 
suis, cum quibus pugnare debent, et testificentur Deum creaiorem, ut eujus 
sit justitia, ipsius sit victoria® u. ſ. w. Im bajuvarifdyen „wähadinc“ (Lex 
Bajuv. 11, 5): „eui Deus fortiorem (a. fortiem) dederit et vietoriam“ u. f. w. 

7 Sem. 118, 36: „S& var (burr) aukinn iardur ınegni, svalköldum 
sw ok s6nardreyra.“ (Bergl. 233, 21 vom Tranke mit vielartigen Bekand- 
tbeilen: „bat var um aukit urdar magni, svelkoldum sw ok sönardreyra“ 
u. ſ. w.) 119, 40: „ss ver aukinn (burr) iarder mrgni.“ 27, 26: „hvars 
pü öl dreckr, kids p6 ber iardarmegin, Pvfat iörd tekr vid öldri“ u. f. w. 
Mothologie 608. Dann im mehrgedadhten Anrufe Srem. 194, 3 f.: Heill Dagr, 
heilir Dage synir, heil Nött ok nipt (vergl. So 123; „Hvernig skal iörd 
kenna? «. f. w. döttir Nätter, systir Auds ok, Dags“ u. ſ. w.) ok gelit 
sitjondom sigur! heilir wsir u. f. w. heil su in fiölnyta foldi mal ok 
mannvit gefit okr merom tveim ok leknishendr ınedan lifum!“ Angel 
fächfifcher Wundfegen Mythologie 1193: „eorde be oubere mid eallum kire 
mihtum and mägenum, P&äs gealdor mon mag singan on vunde.“ (Stalder 
2, 156: „Landakraft f., was aus dem Baterland herfimmt. Wenn der Schweizer 
im Ausland Schweizerfäfe findet, fo jagt er: das iſt Landskraft: auch eben fo, 
wenn er da einen Landsmann antrifft.”) 

38 Mythologie 1198. 402: „nim eurdan oferveorp mid Bine svidrau 
handa under pinum svidran f&t and cvet; 

fö ic under f&t, funde ic hit. 

hvät, eorde mäg vid ealre vihta gehvylce, 
and vid andan and vid »=minde, 

and vid Pa micelan mannes tangan 


307 


geftaltet ſich dieß in einer Sage bei Sao: Froger, der norwegiſche König, 
en Bohn Odins, hat von ben Göttern die Begabung erhalten, von 
Reinem befiegt zu werden, der nicht zus Zeit des Kampfes ben Staub 
unter feinen Füßen mit der Sand hinwegraffen lönne; ebenfo ftreitbar, 
als reich, bleibt er bis in fein Alter unbefiegt, da werben von dem Dänen» 
tünige Frotho dem Tapfern zehn feiner Jarle aufgerieben und zuletzt 
er felbft auf feinem heimathlichen Eiland zum Zweikampf gefordert; es 
werben zwei Bierede, einer Elle lang, in den Boden gezeichnet, je als 
Stand für einen der beiden Kämpfer; nachdem fie ſich aufgeftellt, ver: 
langt Frotho den Umtauſch der Waffen und der Pläbe, wozu Froger 
einwilligt, teil ihm ber blendende Waffenglanz feines Gegners läftig 
it; von ber Stelle, die er verlaflen bat, greift Frotho ben Staub auf, 
als Gewähr bes Sieges, der ihm alebald durch Erlegung Frogers zu- 
fällt 80%. Die Erde, durch deren Nährkraft alles leibliche Lehen, Wachen 


(wider den großſprechenden, fiegesfihern Gegner). and vid on forveorp ofer 
greot Bonne his virman (?) and cved: 

sitte ge sigevif, sigad 16 eorden! 

nsetre ge vilde Il. ville] 16 vuda fleogan ! 

beo ge svä gemyndige mines gödes, 

svä bid mannagebvylc metes and £deles!“ 
(Grimm überfegt: „sedete bellone, descendite ad terram, nolite in silvam 
volere! tsın memores esiote fortune mes, quam est hominum quilibet 
eibi atque patrie!“) 

&09 Saro 4, 67: „Cui (Hugleiho) Frotho succedit, cognomento Vegetus, 
qui ipsam cognominis speciem corporis animique firmitate testatus, denis 
Norvagie ducibus bello cansumptis, insulam, qute ex eo posimodum nomen 
obtinuit, ipsum postremo regem invasurus accessit. Frogerus Aic erat, 
gemine admodum sorte conspicnuus, quod non minus armis quam opibus 
illastris regiem ditionem athletico decoraret officio, tantumque gymnicis 
palmis, quantum dignitatis ornamentis pulleret, Hic, ut quidam ferunt, 
Othino patre natus, a diis immortalibus, benefcium præstare rogstis, muneris 
looo obtinuit, non ab alio vinci, quam qui certeminis tempore suhjectum 
pedibas ejus pulverem mana eenvellere potuisset. Quem Frotho tanta 4 
superis üirmitate donatum comperiens, duelli postulatione solicitet u, |. m, 
Ita e diverso bina quadrats forms spatia cubitalibus fgurata lateribus 
hami denotat, a locorum usu doeumenti (Unterricht im Kampfe) initium 
editarus. Quibus descriptis assignatam uterque sibi pertem complectitur. 
Tum Frogerum Frotho arma secum ac locam permutare jubet. Nec diffieilis 
admissio fuit. Frogerum siquidem hostilium nitor coneitsbat armorum, 


308 


und Erftarfen bebingt ift, mochte deshalb überhaupt ſchon zur Stärkung 
im Kampfe angerufen werben, aber Träftigend zum Siege durd das 
Stehen auf ihr, durch die Berührung mit ihr, mufte fie befonders ba 
ericheinen, mo es fih um die Behauptung bes angeftammten Bodens 
handelte. Der Staub des eigenen Landes unter bes ftreitfertigen Königs 
Füßen, bie aufgegriffene Erbe, die der Angelſachſe unter feinen redkten 
Fuß wirft, und dann erft fein Aufruf an bie Siegmweiber, wie es fcheint, 
gleihfalls zum Beiftand in ver Vertheibigung feines Erbguts 810, das 
Berühren bed Hafenftüds mit den Schwertern der um gleichen Befik 
tampfbereiten Alamannen mit Berufung auf göttlihen Siegenticeid, 
alles dieß trifft in derſelben Vorſtellung von bilfreicher Kraft der mütter: 
lichen Erde zufammen 811, 

Eine altnordiihe Benennung des Raſens iſt: „Bruftfchmud ber 
Erbe“ (iardar men). Damit tritt die Erbinutter perfönlich hervor. Der 
Ausdruck gehört aber nicht den Skalden an, fondern ber Rechts⸗ und 
Gejelichaftsiprache und er gibt ebendamit glänzendes Zeugnis, wie 
lebendig die Erde auch in den Formeln und finnbilblichen Handlungen 
biefer Gebiete aufgefaßt war. 


quod Frotho preditum auro capulum ioricamque specie radiantem, sed 
et cassidem in eundem modum eximio comptam fulgore gestaret. Igitur 
Frotho, Joei, quo Frogerus excesserat, pulvere correpto, omen sibi victoris 
datum existimavit. Nec augurio elusus, continuo Frogerum oceidit, tem 
parvulo vaframento maximam fortitudinis gloriam assecutus. Qaippe quod 
nullius ante viribas licuit, astutia preestitit.* L. Ettmüller, Altnordiſcher 
Sagenſchatz. Leipzig 1870. ©. 186. 137. 9] 
810 Die Berszeilen: 
„beo ge sv& gemyndige mines gödes, 
sv& bid mannagehrvylc metes and &deles!“ 
erklärt J. Grimm, Mythologie 402, dahin, daß die Stegweiber gleich Nornen, 
unter Berfprehung von Gaben, ins Haus geladet werben. Sie gehen wohl 
eher auf ven Schub des angefochtenen Eigentums, der Nahrung (metes), dei 
Stammguts (&deles, vergl. Rechtsalterth. 265. 492); gedentt, nehmt euch an 
meines Eigenthums, wie wenn es eures wäre, wie Jeder fich das feinige an- 
gelegen fein läßt! 
811 Wo, flatt Kampfes, der Eid entfcheidet, wird das Schwert, anf das 
er zu ſchwören ift, in bie Erde geſteckt, Rechtsalterth. 90, 2. Vergl. ebend 
166 ob. 117 f. 896, 4. 


— — — — — — — — 


Abhandlungen 


aus 


Dfeiffers Germania. 





1,1) Bar fhwäßifhen Sagenkunde. 


Eine Zeitfehrift für deutiches Altertum, die fi in Schwaben be 
grünbet, ſchien mir ber geeignete Drt zu fein, an tem dieſe Proben 
einer noch unabgeſchloſſenen Arbeit zur ſchwäbiſch-alemanniſchen Sagen: 
funbe niebergelegt werden könnten. Die lünftige Einreihung in irgend 
einen größeren Zuſammenhang bleibt ihnen, wie ben etwa nachfolgen- 
ben, vorbehalten. Wenn die Forſchung ven meiner nächſten Heimat 
ausgeht, fo verzichtet fie deshalb nicht darauf, meitere reife zu ziehen. 
Es ift aber im Gebiete der Sagen immerhin raikfam, ven Blid in 
da8 Allgemeine und Entlegene an ber genauen Beobachtung des Be: 
iondern und Heimifchen zu fchärfen. 


1. Die Pfatzgrafen won Tübingen. 


Die Grafen von Tübingen, eın ſchwäbiſches Geſchlecht, das in 
feiner blühenden Zeit durch ausgebreiteten Beſitz, Anſehen am beutfchen 
Königähofe, ftattliche Lehens- und Dienſtmannſchaft, kriegeriſch befonvers 
buch tapfere Vertheibigung feines Stammfiges fi hervorthat, auch 
unter den freigebigen Eängerfreunden nicht ungenannt blieb !, waren 


1 Wibertus Bohemus (Mitte des 13ten Jahrh.): Palatini Tuingorum 
vassallis exgnisitis et ministerialibas potentibus abandantes Buevos alios 
preecesserunt. Stolin, Wirtembergifche Geſchichte 2, 21. 429 fi. Belagerung 
Tübingens (castri Alamannorum, quod Twingia vocatur, Gests Trev. C. 58) 
im Kampf der Gegenkönige 1078 (Stätin 1, 510. Schmid, Geſchichte der 
Pfalzgrafen von Tübingen 27 f.): abgewiefener Angriff Welfs des Jüngern 
1164 (Stätin 2, Sf: Schmid 80 ff.), woräber noch Wolfram von Eſchenbach 


312 


gegen Mitte des 12ten Jahrh. Pfalzgrafen in Schwaben und bamit, 
wenn nicht früher ſchon, Bermwalter oder Lehenträger Töniglichen Kam: 
merguts, namentlih ber Reichs[1, 2jforfte 1, geworden. Ihre Burg 
Tübingen lag auf der Grenzfcheide zwiſchen dem Schwarzwald be 
Nagoldgaus und dem in ndrblichem Höhenzug fich vorſtreckenden Buchen 
walbe, dem Neichsforfte Schainbuoh, Schönbuch, den fie vom Reiche 
zu Zehen batten?, Sie waren nun auch von ber Zuft und Herrlich 
teit ihres mweitausgebehnten, nach der einen Seite das ſchwarze Nabel: 
holz, nach der andern den grünen Laubwald umfafienden Jagdgebiets 
wahrhaft hingenommen und ben vollen Zauber diefer Waldliebe legt 


fpotter (Willeh. 331, 26 ff. vgl. Haupt, in den phifol. hiſtor. Berichten der 
ſächſ. Geſellſch. der Wiſſenſch. 1, 189). Minne. 2, 89 (Tanhauſer): 

Ein junger belt von Abenbert 

und Hug, ein Z[ujwingäre, 

die worhten heide herren wert, 

fi buozten manigem ſwäre (vgl. Stälin, 2, 436). 

I Stälin 2, 4130 f. 438. 6538. Schmid, Nachtr. 267 f. 

? Stälin 2, 233. 718 f. (Crufius, annal. 2, 491 herzogf. Urf. v. 1187). 
Schmid, Url, 8. 6. (1191). Ebd. 89 (Urk. Gr. Rudolfs des Scheerer& von 
1310): „won ber vorgenante wald, der Schainbuoch, vnſer Iehen ift von dem 
Römſchen Riche.” Die vorherrfchende, richtige Schreibung der Urkunden ıf 
Schainbunoch (daneben begegnet Schaienbuoch, Schaigenbuodh); hiemit hängt zu 
fammen der urkundliche Name des Schönbuchbaches Schaich (wonach der Schaich⸗ 
bof, der Schaichberg): „birrebalb dem hache, den man nemner die Schaiadh, biz 
an den Bailigen brunnen” (Schmid, Url. 8. 88, in voriger Urk. von 1310) 
Buoch bedeutet Buchwald (vgl. Schneller 1, 146), wie Aich Eihwald, Ton 
Zannenwald; die Zufammenfekung Schainbuoch weift auf ahd. Scagin-buo$ 
(Gramm. 1, 3te Ausg., 183) und wenn gleid: ſcago m.. Gen. fcagin, nicht mehr 
im ahd. Wörterſchatze zu finden ift (abd. ſcahho, promontorium, Schmeller 
3, 816, widerfirebt der Kürzung), jo kommt altnord. skagi, m., Vorgebirg, 
der jütiſche Skagen und eine der Norbipiten Islands: Skagi, mit ben Zuſam⸗ 
menfeßungen Skagafördr , Skagaströnd, zu Hilfe und diefen ähnlich IR der 
Schauibuoch, feiner Lage im Sprengel der Pfalzgrafen gemäß, Buchwald dei 
Vorbergs. In Schaiach — Stagaha (vgl. Gramm. 3, 884) darf man an⸗ 
ſchiagen, „wie nabe das g felbfl dem j und dem übertritt in i lag“ (Gramm. 1, 
Ste Ausg., 184). Roh anderwärts im mittelalterlichen Schwaben begegnet man 
villule Scegenbuoch (Done, Beitfchrift für die Gefchichte bes Oberrheins 1, 316), 
Shaienbuoch (ebd. 2, 70), Schainbuoch (2, 91. 3, 476), Schagenbuoch (6, 92), 
jetzigem Hofe Scheinbuch zwiſchen Salem und Überlingen. Zu bemerken if 
noch bei Neugart 1, 322 (Urk. von 861): in saltu Ska. 





313 


eine Sage dar, die hier zum erftenmal, aus der handſchriftlichen Chronik 
der Herrn von Zimmern mit ber Jahrzahl 1566, in den Driud ge 
geben wird 1: 

„Die aller elteft gedechtnuß von erbmenblin bat fi vor etlich 
hundert jaren bei aim pfalenzgrafen von Tübingen begeben. Es ligt 
noch ain dorf uf dem Schwarzwald, genant Pfalzgrafenweiler, in dem 
ain burg geweſt, die hat noch heutigs tags greben, aber von lenge 
wegen der zeit iſts fonft in ain fjoldhen abgang kommen und mit fo 
großen beumen verwachſen, daß es fchier kaim burgftal mer geleichnet. 
Sn difem ſchloß und weiler hat aines ain graf von Tübingen gewonet, 
der hat under andern kurzweiln vil gepflegen zu jagen, wie dann bie 
alten Deutichen, unjere vorfarn, fih des waidwerks vil beflißen, dar 
von auch der Ceſar fchreibt. Uf ain zeit ift der graf abermals ufs 
holz zogen, bo ift ime uf dem wald ain wunderklains jegerlin entkom⸗ 
men, das fuert zwai [1, 3] jaghündlin mit fi) an ainer fuppel; das 
menblin nampt fi) maifter Epp, dergleichen bie hünblin das ain Will, 
das ander Wall, waher fie aber kommen, das findt man mit gejchriben. 
Der graf bet ab dem jegerlin maifter Eppen und jeinen zwaien hündlin 
fovil gefallen, daß er die mit ime haim name gen Pfalzgrafenweiler, 
und behielt die vil zeit aljo bei fich und fürohin, als oft der graf mit 
maifter Eppen und feinen ziwaien hündlin uf deu wald zoge, jo fieng 
er allimegen wilpret, daß er ungefangen nie haim kam; zu dem gieng 
eö dem grafen, jo lang er diß erdenmendlin ober jegerlin bei ſich er: 
balten, glüdlich und wol an leib und guet und an allem dem, das er 
fürnam. Ainsmals unberftuend fich ber graf abermals zu jagen mit 
feinem jegermaifter Eppen und denen zwaien hündlin Willen und Wallen 
an dem Weilerwald, allernegft hinder Feherbach dem fchloß 2; wie fie 


1 Sorgfältige Abfchriften der vielen bei wiederholten Aufenthalt in Donau- 
eichingen von mix bezeichneten Stellen diefer werthvollen Handſchrift, Bap. Fol. 
verbante ich der großen Zuvorkommenheit der dortigen Herren Ardivbeamten. 
Die nachfolgende Erzählung ſteht &. 1086 fi. [Ausgabe von Barad 4, S. 287 
bis 239. H.] Im Abdruck find mer die Buchftabenhäufungen und Ungleichheiten 
ber Echreibweife vermieden. 

⁊ Der Name des zerfiörten Schloffes Vörenbach über der Waldach iſt noch 
durch den Weiler Börbah im Bezirke Freudenſtadt erhalten, AR. Mofer, Be 
ſchreibung von Württemberg 2, 681. 





314 


nun in den Wald Samen, da prachten die zwen hündlin ain mechtigen 
haupthirß, der nit von bifen landen was, uf die füeß. Der hirß namb 
die flucht gen Horb der flat und ab für ain wald, haißt der Weitom !, 
und füro Tübingen zu, ba neben aber für Gemünd, Ellwangen, 
Dinkelöbühel, Nürmberg und durch den Behemerwald bik gen Prag in 
ainen wald barbsi gelegen. Der graf und fein jegermaifter Epp mit 
iren bunden Willen und Wallen zugen alles binnad alle tag, biß daß 
fie die naht begriff, und allgeit morgens frue wider uf, zugen aljo 
hernach biß gen Prag; fie famen an die burg, darin damals ain Fünig 
vor Behaim mit feinem hofgefind. Wie aber der graf, auch fein jeger 
und die hund an bie porten Tamen, da mas es beſchloßen. Es waren 
aber bie zwai jaghündlin Will und Wahl fo wol lauts, daß ſich menig: 
lich darob verwundert. Diſe ding waren dem Tünig gleich fürbradt, 
der bieß fie einlaßen. Do zog der graf mit feinem jeger und benen 
bünblin. big in bes künigs fal, darin hiengen ob den taufenven hir 
gehüm. Wie aber die baid hündlin under das gehürn kamen des hirk, 
den fie alfo gejagt beten, da ſahen fie über fi uf und waren aber 
mals fo wol lauts, daß ber künig und alles hofgeſind ain groß wunder 
darab nam, Man tete ußer des künigs befelch bie gehüm ainstails, 
die des negſten gefangen waren, herab und legt bie für bede jaghünble, 
melde als fie über bas vecht gehürn kamen, da fielen fie darein, zu 
gleicher weiß als die hund tuen, die ein hirß beftettigen. Darauf Tagt 
des künigs jeger, daß berfelbig Birk erft bei ainem tag barbor war 
gefangen worden, barbei man auch wol erkennen font, daß es ber 
birß [1,4] war, ber bes erften an dem Weilerwald bei Feherbach, wie 
obgemelbt, uf die bain mar gebracht morben. Darauf ward der fünig 
von Behem größlicdhen verwunbern, mie e8 umb dife ſach ain geftalt 
bette; aljo erzalt ver graf dem künig ben anfang bi ans ende, erſtlich 
wie im fein jegermaifter, maifter Eppp, das Hain menblin, fampt 
feinen zwaien jaghündlin uf bem holz iveren ufgeftoßen, auch wie im 


1 Der Withow erſcheint auch im Herkommen der Stadt Horb, Berg. 
Hodſchr. des 14ten Jahrh. (Schmid, Urt. 8. 264), ſodann in einen alten Seel⸗ 
buch der Pfarrei Eutingen bei Horb: „das Holt, genant ber wythow“ (ebd. 217). 
Horb war im 18ten Jahrh. tübingiſch. Die zimmriſche Chronik ſchreibt: 
Weytow, richtiger wäre kurzes i, der Name bedeutet: Holzſchlag (vgl. Schneller 
4, 200 f.). 


315 





hernach allemal uf tem jagen gelungen und nie ler ober ungefangen 
were haim Iommen, mer wie er bifen birk am Weilerwald bes erſten 
ber antroffen, dem weren fie darnach alle tag bik daher nachgezogen. 
Da nun der künig foldhe abenteuer vername und horte beB grafen 
namen, ba kante er ine wol, und fand feinen namen gefchriben in 
etlichen brieven, darauf aigentlichen abzunemen und zu erweilen, daß 
er des Fünıgs von Behem ofiner und abgefagter feind mas; darab er 
fhrod der graf nit wenig. Alſo fprach der künig, er folt barab nit 
erfchreden, dann er were leibs und guets ficher. Die herren und ander 
bofgefind, fo darbei waren, redten fovil zun jacken, daß der künig und 
ber graf freintlicden und allerbings verainiget wurden, unb ließ der 
fünig alle ungnab fallen. über etliche zeit, ald ber graf mit feinem 
jegerlin maifter Eppen und den zwaien jaghündlin Willen und Wallen 
wolt hinweg ſchaiden, da bat in ber künig fo ernftlih umb die zwai 
bünble mit vermelben, wo ex ime bie ſchankte, wolte er ime nichts ver- 
fügen, warum er ine auch bete, das zimlich were. Daruf bedacht fich 
der grave und underrebt fich mit mailter Eppen, feinem jegermaifter, 
deshalben. Maifter Epp widerriet dem grafen das zethuen, fo verſagt 
auch ver graf dem Fünig ungern feiner bit, thete e8 auch noch vil un: 
gerner. Wie er alſo in langem zweifel ftonde, dorft ers dem künig nit 
abiehlagen und ſchankt im letztlich die hündlin. So bald das beichach, 
do wolt fi das jegerlin maifter Eppe von feinen lieben jaghündlin, 
dem Willen und Wallen, nit ſchaiden, jonder blib auch bei dem künig 
zu Prag. Unlangs hernach da ruft der künig von Behem ven grafen 
von Tübingen mit tnechten und pferven, aud anderer fchenfin nad 
füniglihen eren ımb ließ in mit allen gnaden. abſchaiden. Der 
grafe raift wider haim gen Pfalzgravenweiler und bald darnach Fam 
in ain verlangen an nach jeinem maifter Eppen und den jaghünblin; 
das meret fih an ime fo vil, daß er anfıeng an leib und guet abzu: 
nemen, auch bald darauf ftarb. Hernach haben feine nachkommen difen 
fig Pfalzgravenweiler verlaßen, daß kainer mer an berfelben art ! ges 
feßen, gleichwol dem borf der nam bliben, und ift aud die herrſchaft 
von dem grawen von Tübingen in frembbe band fommen. Bil ver: 


1 Art bedentet hier: Gegend, Landſchaft, |. Schmeller 1, 111. Deutſches 
Wörterbuch 568, 





316 


muetungen nad fo bat fi diſe hiftoria under kaiſer Heinrich dem dritten 
des namens begeben, der den Fünig von Behem überzogen, und bat 
damals nit allain der römifch Taifer, ſonder auch mertails alle fürften 
und ftende des [1,5] deutſchen lants ber kron Beben abaefagt, und 
wiewol die biftoria von wilen mögte als für unglaublich geachtet, fo 
mag doch nit vernaint werben, daß fich vor zeiten wunderbarliche fachen 
in beutfchen landen begeben.“ 

Als nächte Duelle des Vorſtehenden nennt bie Chronik das hand 
ſchriftliche Geſchichtbuch eines gewiſſen Beienfelber, der, von Horb ge⸗ 
bürtig, daſelbſt, ſeit 1424, 29 Jahre lang Amtmann geweſen und, 
nachdem er noch anderwäris in verfchiedenen Dienften fidh befunden, 
ebenbort um 1470 in gutem Alter geftorben jei !; befien Gewährsmann 
wird hinwider fo angegeben: 

„Die biftori aber mit maifter Eppen und feinen bunden, auch dem 
pfalzgraven von Tübingen, bat er von ainem gar alten ebelman ger 


1 Der nähern Anzeige feiner Lebensumftände ift noch beigefügt: „Bei jeinen 
zeiten ift er oil gepraucht worden bei fürften und herren, auch allem umb⸗ 
geſeßnen adel wol befant geweſt, in welcher zeit er vil wunderbarlicher hand» 
lungen, die allenthalben im reich fürgangen, gejehen und erfaren, die er den 
merertail zum fleißigften Hat ufgezeichner und beichriben, ſonderlichen aber um 
(and zu Schwaben und den nechft umbgelegnen ländern, derhalben ime and 
billich zu erkantnuß und ainer ſchuldigen dankbarkeit fein leben der gedechtnuß 
ſoll hevoichen werben.” Das Schichſal feines Werks, das, nach ber gegebenen 
Probe, flir die ſchwäbiſche Sagenkunde Loftbar fein mitfte, wird mit Hecht bitter 
beflagt: „Daß ich aber wider uf unfern Beſenfelder kom, der die alten fachen jo 
fleißig und mit allen notwendigen umbftenden befchriben, fo ift zu mwißen, daß 
ſolch buech bei feinen nachkommen ain guete zeit hernach zu Horb bliben, und 
wiewol es noch heutige tag ain gar groß dides buech und aller volgefchriben, 
fo ift doch wol zu fehen, daß man fein bievor nit vil geachtet, aller verplateret 
und vil darauß verloren ift worden, wie bann bei den unverſtendigen foldhe 
herrliche monumenta laider gering geſchetzt werten, daß ſchad if, daß folk 
werk alfo imperfect verſtreuwet ift worden. Die fragmenta darvon fein bei unfern 
zeiten feiner nachkommen [einem,) einem beden, worden, der wonet zu Schem⸗ 
berg [Echömberg, Bez. Rotweil?), haißt ... . und wiewol der weber fehreiben 
oder leſen [fan], nah dem [noddann?] kan man ſolchs buech mit großer müche 
und arbait von ime erlangen und zuwegen bringen, allain ber urſach, ſeitmals 
man fo große nachfrag darnach [beit?], jo went er, es jei waiß was anbers, 
ußer grobem unverfland.“ Doc mag aus diefem Buche gerade mandhes Sagen- 
bafte ſich in die zimmriſche Chronik gerettet haben. 








317 


bapt, bat Steffan von Emershofen gehaißen; der ſaß bazumal im 
ſchlößle Feherbach, zwiſchen Horb und Haiterbad an der Waldach ge 
legen, berfelbe hats von feinen voreltern in gefchriften befommen. Difer 
edelman von Emerähofen hat fonft noch etliche mer dörfer gehapt, an 
dem obgenanten mweßerlin, der Waldach, darunder ains hieß Krespach. 
Allernechſt bei diſem ſchlößle Feherbach, darauf der von Emershofen 
gewonet, do ligt das dorf Pfalzgravenweiler, in welchem der alt pfalz⸗ 
grave von Tübingen gejeßen, dem die geſchicht mit maiſter Eppen be 
gegnet. Man ficht noch heutige tags das burgftal und bie greben, 
die barumb fein gangen, und follen des obgehörten von Emeröhofen 
voreltern der pfalenzgraven von Tübingen lebensleut und biener ge: 
weſen fein 1.“ | 

[1, 6] Damit verliert ſich die Überlieferung in unbeftimmte Yerne. 
Der Berjuh einer geſchichtlichen Anknüpfung des jagdluſtigen Pfalz⸗ 
grafen an ven Böhmenfrieg Heinrichs III bleibt füglich zur Seite liegen. 
Meifter Eppe und feine Jagdhündlein find Geftalten aus dem alten, 
großen Märchenreich und es ergibt fich für fie ein merkwürdiges Seiten« 
ſtuck aus meitentlegener Gegend. Walter Map, ein englifcher Geifl- 
licher, wahrſcheinlich an der Grenze gegen Wales geboren, erzählt in 
einem lateinifch gefchriebenen, an Bollsfagen reihen Bude, das in 
feinem Hauptbeftand aus ben achtziger Jahren des 12ten Jahrh. ſtammt, 
von der gaftfreundlichen Grenznachbarſchaft zwischen Herla, einem Könige 
der älteften Briten, und dem bes Zwergvolks; bie beiden Herrfcher laden 
fi gegenfeitig zur Hochzeit, diejenige des Zwerges wirb in ber von 
vielen Lampen erleuchteten Höhle eines hoben Felfen gefeiert, aus mel: 
der Herla, reich beſchenkt mit Roſſen, Hunden, Habichten und Allem, 
was zu Waidwerk und Vogelfang gehört, wieder abziebt; beim Abſchied 
gibt ihm ber Ziverg noch einen Heinen Spürhund mit ver Weifung, 
daß Niemand vom Gefolg abfteigen folle, bi8 der Hund von feinem 
Träger vorfpringe; im Sonnenlicht und auf feiner Reichsgrenze ange 
kommen, fragt Herla einen alten Hirten nad feiner königlichen Ge⸗ 


1 Über das Geſchlecht von Emmershoven und insbejondere den gegen Mitte 
des 15ten Jahrh. geftorbenen Stephan von E. |. Sattlers Hiſtoriſche Beſchrei⸗ 
bung des Herzogthums Wlirtemberg 2, 82 f. Als Zübinger Bürger in einer 
Urkunde von 1397: Hans von Jmershofen, Schmid 395, Anm. 1. 





318 


mablin, der Hirte jeboch verfteht kaum die Sprache des Fragenden, ba 
diefer ein Brite, er ſelbſt ein Sachſe ift; die ibm genannte Königin, 
berichtet ex, foll bie Frau des voreinftigen Vritenkönigs Herla geweſen 
fein, der, wie man fable, mit einem Zwerg am Felſen bier verſchwun⸗ 
den, ſchon zweihundert Jahre lang haben die Sachſen feit Vertreibung 
ber alten Bewohner biefes Land inne; vor Staunen hierüber hält ber 
König, der nur drei Tage verweilt zu haben glaubte, ſich kaum in ben 
Bügeln; einige feiner Gefährten, die der Warnung bes Zwerges uner⸗ 
achtet abgeftiegen, werben alsbald in Staub aufgelöit, weshalb er- 
nochmals abmahnt, vor dem Herabipringen des Braden die Erbe zu 
berühren, der Hund ift aber noch nicht herabgelommen; es geht eine 
Sage, daß jener König Herla in ewiger Irre mit feinem Heer wüthende 
Umfahrten raſt⸗ und ruhelos abhalte, Viele glauben dieſes Heer oftmals 
geliehen zu haben, zulegt aber, jagen fie, im jahre ber Krönung bes 
dermaligen Königs Heinrich babe basfelbe aufgehört, das Reich her 
fömmlich wie vorher zu befuchen; dazumal ſahen viele Walifer es au 
der Wye, einem Fluß in Hereford, verfinten 1. Etwas verfchieben 
meldet Walter in einem fpäteren Abjchnitt [1,7] mit Anderem, die 
Genoſſenſchaft Herlethings (mie bier ber Nante lautet) ſei zulekt an 
der Grenze zwiſchen Wales und Hereford im erften Regierungsjahre 


1 Guslteri Mapes de nugis curialium distinctiones quingue. Ed. by 
Th. Wright u. ſ. w. print. for the Camden society. London 1850, & 14 ff. 
(Dist. I, cap. XI. De Herla rege.) Die hieher befonders bezliglichen Stellen 
find (S. 16): Celebratis igitur ibi nuptiis et talione pygmeo decenier im- 
pensa, licentia data recedit Herla, muneribus onustus et xeniis equorum, 
canum, &ccipitrum et omnium, que venatui vel aucupio prestantiore 
videntur. Couducit eos ad tenebras usque pygmsus et canem modicam 
sanguinarium portatilem presentat, omnibus modis interdicens, ne quis 
de toto comitatu suo descendat usquam, donec ille canis a portatore sao 
prosiliat, dictaque salute repatriat u. |. w. (S. 17): Quidam autem ex 
sociis suis ante canis descensum immemores mandatorum pygmei deseen- 
derunt et in pulverem statim resoluti sunt. Rex vero, rationem ejus 
intelligens resolutionis, prohibuit sub interminatione mortis consimilis, ne 
yuis ante canis descensum terram contingeret. Canis autem nondum des- 
cendit. Una fabula dat, illum Heriam regem errore semper infinito eir- 
cuitus cum exercitu su0 tenere vesanos sine quiete vel residentia u, f. w. 
Bol. Philips, Walter Mapes, in den Situngsberichten ber faiferl, Acab. der 
Wifſenſch. PHilof.-hifter. Claſſe, Bd. 10, Jahrg. 1858, ©. 819 ff. 


319 


Heinrichs 1, um Mittag, in ber Weiſe gejehen morben, wie jet ber 
Hof mit Wagen und Säumern, Tragfätteln und Körben, Vögeln 
und Hunden, unter dem Zulauf von Männern und Weibern, umzu⸗ 
fahren pflege '. 

Weder von den Erbleuten, noch vom Wuotesheer und ber milden 
Jagd ift an diefem Ort ausführlich zu Iprechen, fo Manches fonft über 
die genannten Ericheinungen bie ſchwäbiſche Sage varbietet. Es handelt 
ſich hier zunächft um das märcdenhafte Bild einer unbegrenzten Jagd⸗ 
uf. Schade, dab bie oberrheinifche Chronik nur mit wenigen Worten 
eines großen Streites. gedenkt, der im Jahr 1208 von ben Herren im 
obern Schwaben von eines Hirſches wegen befchehen 2. Ginläßlicher 
find fchon in alter Heldenfage Jagdfahrten geichilbert, tie fi Tage 
und Wochen lang Über weite Landſtrecken Bintreiben und, mweil im blim 
den Eifer in fremden Bann eingebrochen wird, ein verberbliches Enbe 
nehmen, fo die Wiſendjagden des Jarls Iron in ber norbifchen Dietrichs- 
ſage? und die Eberjagd im altfranzöfiichen Heldengebichte von Garin 
dem Lothringer. Der Bruber diefes Helden, Begues von Belin, rennt 
einem rieſenhaften Wilneber durch manche Landfchaften und große 
Ströme mit ſolchem Ungeftüm nad, daß er feine brei Kleinen Hunde, 
die nicht mehr folgen Tünnen, zu fih aufs Pferb nehmen und in 
feinen Armen tragen muß 4. Das ftreift einerfeitö an die unaufhalt 


1 Gualt. Mapes ©. 180: Hæe hujus Herlethingi visa est ultimo familia 
in merchie Walliarum et Herefordie anno primo Henrici secundi, circa 
meridiem, eo modo quo nos erramus cum bigis et aummariis, cum cli- 
tellis et panariolis, avibas et canibus, concurrentibus viris et mulieribns 
u. ſ. w. Bgl. oben ©. 195. 196. 9.) 

2 Oberrheinifche Chronif, beransg. von F. K. Grieshaber, Raſtatt 1860, 
S. 22: do [1208] beſchach der finde merfart und ein großer ftriit von den 
deren in obern Swaben von eins hyrzes wegen. 

3 Saga Thidriks konungs af Bern, udg. af C. R. Unger, Chriftiania 
1853, Gap. 264. 258 ff. - 

4 Li romans de Garin le Loherain u. ſ. w. par M. P. Paris. ®. U 
(Baris 1835), S. 228: 

Li dus séoit sor un cheval de pris, 
Chasse le porc et mout sovent le vit. 
Entre ses bras dui verais chiens a pris 
Une grant piece el pan de son hermin, 
Tant que il furent moult bien entalenti. 


320 


fame [1,8] Nadjage des Pfalzgrafen vom Weilerwalde bis zum Grab 
hin, anberfeits an den mäßiggroßen Traghund (canem modicum 
sanguinarium portatilem) in Herlas Zuge. Richt den Helden allen, 
auch ausgezeichneten Rofien und Hunden gab man gerne munderbarm 
Uriprung; bei Saro befigt ver Räuber Bidrn einen Hund von furdt 
barer MWilbheit, der allein. zwölf Männer überwältigt und, dem Ber 
nehmen nach, früher die Herde des Rieſen Ofote gehütet hat ?, dagegen 
ift das Schoßhünblein „Petiteriu”, deſſen zauberifches Farbenſpiel und 
füßer Schellenflang ben liebefranten Triftan tröftet, aus dem Feenlanbe 
bergefandt ?; fo war ed denn auch angemeflen, eine, kundige Spür 


Resvigor6s et moult. bien refrechis 

]i les mit jus lez un abat£is 

Si pres du porc, que ohascuns bien le vit; 
Hapant le mainent et picant & estri, 

Li autre chien accoururent au cri. 

Etwas verjchiedener Tert bei Mone, Unterfuhungen zur Gefchichte ber teut- 

hen Heltenfage, Quedlinburg 1836, ©. 229: 
et li dus sist sus l’auferant de pris, 
que li dona l’emperöres Pepine, 
n’ot tel por corre dusqu’& l'eaue du Rin; 
entre ses bras III petis chiens a pris, 
une grant piece les porta li marchis u. ſ. w. 

i Saro Grammaticus, historia danica (Ausgabe non Stephan. Enrö 
1644) 6, 97 [Ausgabe von P. E. Müller 1, ©. 260. H.]: Preteren 
Biörnoni inusitates ferocitetis canis extabet, horrende quidem acerbitatis 
bellua atque humano convietui formidolosa, qus seepius bissenos sola 
viros oppresserit, Sed quoniam tradita magis quam cognita referantur, 
fidem arbiter penset. Hæo siquidem, ut accepi, deliciarum quondam looo 
habita, Ofoti gigantis inter pascua tuebatur armentum. Oiöti ſteht and 
unter den iötna heiti der En. Edda (Arm. 1, 556. 2, 4716. Raſt 2116), 
Fornald. 8. 2, 131: Oföti ur Ofötanshrdi; fußlos, ſchwebend, ſcheint er ein 
Sturmriefe zu fein, wie Thrymr, ber feinen Hunden Goldbänder fliät, Säm. 
Edda (Mund) 47, 6, vgl. 49, 23, Mythus von Thör 101. 

2 Triftan (Maßmann) 3897, 7 ff.: 

ein purper, ebel unde rich, 
vrembe unbe wunderlich, 

al naͤch des tiſches maͤze breit, 
wart vür in üf dem tifch geleit, 
ein bündelin dar üf getragen. 

daz was gefeinet, hörte ich jagen, 


321 


bunde für eine Zucht ber winzigen Erbmännlein gelten zu lafien, fie 
zugleich einem Jägermeiſter von entiprechender Geftalt zu untergeben 1. 
Die menihlichen Gefchäfte und Ergökungen werden überall auch auf 
andere Weſenkreiſe übertragen. Ein guter Jagdhund war unge 
mein [1, 9} bochgebalten. In den alten Vollksgeſetzen, namentlich dem 
alamanniſchen, find die Bußen für Todtung oder Entwenbung ber ver: 
fihiedenen Arten von Jaghunden genau verzeichnet ?. Zu Gelnhaufen, 


und wart dem berzogen [@ilän] gefant 
fg Avelun, ber feinen Iant, 

von einer gotinne 

durch liebe unt durch minne. 

1 „Pygmseus“, „Lomuneio“, „ain wunderklains jegerlin“, „das mendlin“, 
erdenmendlin“. Auch der Zwerglönig Laurin if, nach feinem ganzen Aufzug, 
ein Freund des Waldes und der Jagd, Heldenbuch, Straßburg 1504, BL Ib f. 
(mit Lesarten andrer Drude): | 

vorn an dem fpere fin 

do ſchwebet ein fan fibin, 

daran zwen winde, 

recht als fi liefen geſchwinde 

in einem twilben walde 

nach fchnellen tieren balde; 

ſi luonden, ala ob fi lebten 

und an dem baner jchwebten. 

fon und helm gab liechten ſchin, 

daruf fo jungen vögelin, 

nachtgal, lerchen, zife, 

ſchone in ſtiller wife, 

lieplich als ob fi lebten 

und in dem walbe ſchwebten, 

mit liften jo was es gedacht 

und mit zonber volbradht; 

es fuort ein goldfarben ſchilt, 

der wart mit fperen nie verzilt, 

daran von gold ein leopart, 

recht als er wolte an die fart, 

der ſtuond, recht als er lebte 

und nad) gewilde ftrebte. 
Gedicht des 15ten Jahrh. (bei Laßberg, Friz von Zolre 86); in dem Hort 

ich, das aim getwert | in ainem horne jagte (ugl. nachher &. 825, Aum. 1). 
2 Lex Alamann, Tit. 82. I. 5i quis canem seusium primum cur- 
salem, id est qui primus currit, involeverit, solidos sex componat; qui 

Uhland, Schriften. VII. °ı 


322 


in der töniglichen Pfalz, lag ein Brade mit beirauften (gefledten?) 
Ohren auf Polfter und Kiflen von Seibe, mit ſeidenem Leitſeil und 
fülbernem, übergoldetem Halsband, gleichmäßig einer zu Büdingen und 
einer zu Wächtersbach, um dem König, wenn ex im bortigen Reiche» 
walde birfhen wollte, bereit zu fein!. Im Lieb und Sage wurden 
edle Braden nambaft gemacht, und mie diefe ſelbſt gefoppelt giengen, 
jo findet man ihre Namen alterthümlich durch den Stabreim oder 
andern Anklang verbunden. Wirklich werben auf Irons Jagd vier je 
durch den Riemen und den Reim zufammengebaltene Paare (Stapp 
und Etutt, Lusfa und Rusfa u. f. f.) von dem Sarl felbft, feinem 
Jägermeiſter, Truchſeß und Schenken tiber den getvaltigen Wiſend 


seenndum, solidos tres componat. II. Qui illum ductorem, qui hominem 
sequentem dueit, quem lajtihunt dicunt. furaverit, duodecim solidos com- 
ponat u. |.w. ®gl. Lex Sal. Tit. 6. 7. Lex Baiurar. Tit. 19. 20. Begurs 
von Belin ſchlägt feinen nom Eber getöbteten Leithund überaus Hoch an 
(Garin 2, 226): 

encontre mont li sangles est drecies u. . w. 

là gieta mort le gentil liemier, 

nel voulsist Begues por mille mars d’or mier. 

Bei Mone (Unterfuchungen 2928): 
ne-l' vosist Beges por c. 8. [?] de deniers. 
1 Büpdinger Reichswalds Weisthum. von 1880 (J. Grimm, Weisthümer 

3, 426): „Dis ift des riches recht ober ben Budinger walt, daz die zwolf furſter 
off irn eyt gedeilit hain. Zum erfien beylen fie, daz daz riche oberfle märder 
jy ober den walt, und darnoch, wan eyn riche in der burge zu Geyinhnfen 
lige, fo fal eyn furftmeifter, der von alter geborn darzu fy, von rechte dem 
ride halten, wan er [d. h. der König, das Reich perſönlich; Wadernagel, 
Wörterbuch 438, vgl. Titurel, Hahn, Str. 1284: Er drabt ouch eine ſchone 
mit einem leithunde, | ev fur gelich der krone m. ſ. w.) birfin wulde, eyn braden 
in der burg zu Geylnhuſen mit bebraufrin oren, und ſal ligen off eyme ſyden 
kolter und off eynem ſyden kuſſen, und fin leydeſeyle ſyden und daz halsbant 
filberin und oberguldet. Item und derſelben einer zu Budingen und einer zn 
Wechtersbach in derfelben maße.“ Ähnliches im Dreieicher Wildbann von 1338 
(BWeisthiümer 1, 502). Bgl. oben ©. 320, Anut. 2, ferner die Befchreibung des 
koſtbaren Bradenjeils im Titurel (Lahmann Str.-187 ff., dafelbit 142: nie feil 
baz gebunder | wart, oudy was der hunt vil mol gefeile. Hahn Str. 1147 fi.) 
und Spangenbergs Fagteufel (Theatr. diabolor. Frantf. 1569, UL 813): Was 
wirt vergebens gelts auff die zier vnd ſchmuck der hund, auff famet, feiden, 
geflidte vnd gewirkte fappen, leitriemen, halsbande vnd dergleichen, darzu au 
gülden vnd fübern jpangen, vnd fchellen, gewandt? 


323 


— — — — — 


nad einander in den Kampf geführt 1, auch iſt ausdrücklich angemerkt, 
daß bie zwölf beiten [1, 10] Hunde des Jarls alle in beutfchen Liedern 
genannt jeien?. Wille und Walle, von Meifter Eppen an ber Koppel 
geführt, reimen ſich gleichfalls und ihre Namen bebeuten übereinkom⸗ 
mend den eiftigen Anlauf, den emfigen Waldgang 3; durch beftänbige 
Wiederholung beider Namen zeigt der Erzähler fein Wohlgefallen an 
diefem Zuſammenklang. Die Nüblichleit des mohlabgerichteten Jagd⸗ 
hunde im alten Walbleben, das tagelange Zufammenfein mit bem 
Hugen Thier auf einfamen Wandel in der Wildnis, das gemeinjame 
Hinftreben nach dem gleichen Ziel der zu erhafchenden Beute, gaben 
dem Verkehr des Waidmanns mit feinem treuen Begleiter ein Geprag 
inniger Vertraulichkeit. Eine gereimte Erzählung aus dem 14ten Jahrh. 


I Tbidr. 8. Gap. 257, ©. 231: ba er Iron jarl hœyrir sagt fra ber- 
sum tidendum. kallar hann. Hvar er Nordian mınu enn b:ezti ueidimadr. 
bni mina hunda skiott. tak nu Stapp minn enn bwata racka. oc tac 
Stutt hann uil ek oc haua med mer u. f. w. oc Bracka oc alla mina ena 
beztu racka. tak nu oc Losca [®. Luska] er ec veit allra tika bezta oc 
Rusca. Cop. 263, ©. 285: Enn fyrsti kemr at Nordian veidimadr u. |. w. 
oe hann hævir i taumi .Il. bunda ena bæztu iarlls Stutt oc Stapa. oc 
lila sidar Iron iarll. oc bann hevir i taumi Paron oe Bonikt. pa ridr 
drottseti isrls oc hevir i taumi Bracca ou Porsa. par nest kemr sken- 
kiari iarlisens. honum fylgia tikrnar Rusca oc Lusca. So auch Fornald. 
8. 1, 11 (im Berfe): ok hätu Par | handa nöfnum | Hoppr ok HÖ. 

2 Thidr. S. Gap. 258, ©. 231: Iron iarll ridr nu af Brandinaborg 
med sina hunda. Oc hat er met i sogum. ut wigi mun getit vera betri 
veidihunda en hann atii. XII. voru nir beztu hundar Peir er allir nefndir 
i Pydeskum kvedum. en allz hafdi hann med ser. LX. godra veidihunda. 

3 Abd. walldn, ambulare, meare; willo m. impelus, Graff 1, 822. 
Allegoriſche Diinnejagden aus tem 14ten bis 15ten Jahrh. laſſen auch einen 
Hund Wille 108, der ebenjo begrifflih gemeint if, wie feine @enoffen Liebe, 
Zreue, Wunſch, Troſt, Yuverfiht u. |. f. (Hadamars von Laber Jagd Str. 17. 
33 und öfter, Liederfaal 2, 293 ff. Spiegel 126, 22 f.); doch mag gerade ber 
Begriff Wille durch den wirklich gangbaren Bradennamen hereingelommen fein 
and man meint den leibhaften Geſpann des Walle zu vernehmen, wenn «8 
einmal heißt (Tiederfaal 2, 297): 

do hort ih Wille[n] clingen, 
daz ez durch den wald erdoß. 

Ein gelehriger Hund Willebredyt, der mit feinem Herm fpricht, Liederſaal 
1, 297. Eppe, der Name des Jägers, ahd. Ebbo, Eppo, ift Abkürzung von 
Ederhard 


324 


banvelt von bem guten Hunde Harm!, der als geichidter Fänger feinen 
Heren, einen armen Ritter, und beflen ganzes Haus ernährt; fein 
Thier entgeht ihm, er fängt den Fuchs und ben Bären, die Hindin 
und das Schwein, und da der Ritter das Erjagte mit feinen Gefellen 
theilt, fo theilen dieſe binmwider ihr Gut mit ihm. Der Katjer, dem 
die Trefflichleit des Hundes fund geworben, bietet für venfelben einen 
Weiler, der jährlih hundert Pfund Gilte trägt; über dieſe Botfchaft 
beginnen bie Kinder zu weinen und ber Ritter felbft ließe jeinen Hund 
ungern um taufend Pfund töbten oder mishanbeln, doch vermag er 
dem Begehren des Kaiſers micht zu widerſtehen unb fo begründet 
Harm, nachdem er einen mörberifhen Probelampf mit ben kaiſerlichen 
Rüden fiegreich beftanden bat, den Wohlſtand feines alten Herm 2. 
„Geſell! [1, 11] trauter Hund! Gefellmann, ich zu bir und bu zu 
mir!” mit ſolchen Schmeichelworten ruft in den Waibfprüchen ver Jäger 
feinen Leithund an?. In fortmährender Anſprache mahnt er vie 


1 Sarm, barme, m. Hermelin; vgl. Eneit 1769 f.: her was ein vil edel 
hunt, | daz ander teil was alfe ein harm. Xiturel (Hahn) Str. 1151: Der 
brade was harmblanc gevar ein Mein vor an ber flirne. 

3 Lieberfaal 2, 411 ff. Von dem Nitter fagt der Eingang: „er haißer 
Hainrich von Nümeich, | dem aventür wil beſchäch“; hiezu fragt Laßberg: „vielleicht 
Neuenegg, NReunel?“ und es wäre ſchon willkommen, auch diefe Jagdſage dem 
ſchwäbiſchen Schwarzwald und dem Eprengel der Pfalzgrafen von Tübingen, 
in melden die von Nuwnek, Niwenegge gehörten (Gtälin 2, 528. 669. Schmid 
436. 480. 495), aneignen zu können, aber der Heim auf „beſchach“ erforkert 
„Niuwenach“ oder „Niunach“; einige Fäden fpinnen ſich gleichwohl an. oberhalb 
Neuneds, an denifelben Flüßchen Blatt, liegt der Ort Aach, im 12tem Jahrh. 
urtundlih: predium Ahs (Stälin 2, 815. 466), fo daß fi etwa Neunach 
zu Nenneck verbielte, wie unweit davon Schiltah, Fluß und Gtäbtchen, zu 
Scilted, Burg (in einer vom Pfalzgrafen Otto von Tübingen mitbeflegeiten 
Urkunde von 1274 eben als Zeugen beifammen: Wernherus de Schildegg, 
Tragebotus de Nuwenegg, milites. Schmid, Url. 8. 51), auch ſpricht „baz 
geribt in ber Ahe“ noch im Sabre 1400, vor „jungher Abrechts von Nunegk“ und 
drei andern Edelleuten, was von Alter Ger Recht geweſen mit ber Jagd auf 
Düren, Schweine, Wölfe, Rothwild, „und welle arman ainen bunt fiber jar 
hät, der mag wol ainen baflen fahen“ (J. Grimm, Weisthümer 1, 387). 

3%. Grimm, Waidfpriihe und Jägerſchreie (Altdeutſche Wälder 3, 98 ff, 
Nr 96 bis 104. 115 ff. 187 ff). Jägerkunſt und Waidgeſchrey u. f. w.. Nürn- 
berg 1610. 8 (na 5. Leyſers Abſchrift). Liederſaal 2, 298, 5 bis 7. 34. 808, 
352. 304, 401. [Bergi. Schriften 2, &. 857. 858. 5.) 


325 


„lieben“ Hunde, fragt, „tröftet“ und dankt er, ruft er fie befonders 
auf, dem ebeln Hirſche nach der Bruft, nach ber prächtigen Krone zu 
greifen . So fallen auch die Hünblein des Meiſters Eppe noch in 
das abgenommene Gehör des von ihnen fo meit gejagten Hirfches, 
das fie unter taufenden herauskennen und vor dem fie, wie fchon vor 
dem befchlofienen Burgthor, „Io mol lauts“ geworden find. Die „wol 
lautendben“ findet man in ben Waidſprüchen als gewöhnliches Beimort 
guter Jagdhunde. Damit ift zwar zunächſt nicht der Wohllaut im 
beutigen Sinne gemeint, ſondern ber belle, rechtzeitige Anfchlag bes 
Spuͤrhunds, das weithörbare Klaffen der verfolgenden Meute, das auch 
ben Jäger den Weg weiſt?, aber eben dieſes muntre Gebell Tautet 


1 Liederfaal 2, 802, Bil f.: fin ſprüch warent maifterlih | und jagt im 
horn waidenlich. 804, 884 ff.: da hin, Trit, mins herzen trut! | fchrai ich und 
troft min fieben bunt | und jagt im born zu ber felben flunt. 304, 891 FE: 
jener jeger troft fintt Hunt, | ich troft dü min, fo ich beit kunt. J. Grimm, 
Waidſpr. Nr 137: dies ift der edle hirſch, fo dir heut gangen an, | da er z0g 
her müt feiner prächtigen Iron u. |. w. | dem haſtu, mein Geſellmann, recht ger 
than. Jägerkunſt u.f.w. Nürnberg 1610, letztes Waidgefchrei Str. 5: 

Gefellmann, tritt zu mir, ale ich zu dir! 

id trag dir, bo Ho w. gut, des edlen hirſches gehurn für, 
greif im von dem end nad) der bruft! 

du Haft, ho Ho w. aut, fürften und herrn gemadt ein luft, 
greif im nach der obern kron! 

davon empfangen wir, bo bo w. gut, auch unfern Ion, 
Gefellmann, Hab bant! 

das ift, ho bo w. gut, der erfle anfank. 

Mit Singweife fteht ein Wohlauf an Nitter und Knechte, dann mehr noch 

an die „lieben Hund”, in G. Forſters frifchen Lieblein 2, 1565, Nr 81, Schluß: 
Da lauft der edel birfch da ber, 
nu hımbt berzu, ir gefellen all, 
und greifet zu mit reichen ſchal! 

2 Zägertunft u. |. w. Waidgefchrei Mr 61: 

Lieber waidmann rund, thue mir Tund! 
haſtn nit hören jagen 

drei wollautender jaghund ? 

Lieber waibmann, das fan ich bir wol jagen, 
dort in einem grünen grund 

da höret ich jagen drei wollantender jaghund. 
Der ein war weiß, 

der jagt den edlen hirſchen mit allem fleiß; 


326 


ihm herzl1, 12Jerfreuend 1 und, zufammen mit dem Halle des Hift: 
horns, Hang es den Söhnen einer jagbeifrigen Zeit wirklich wie Muſik 
in bie Ohren. Walther von der Vogelweide (18, 26 ff.) fchließt feine 
guten Wünſche für das volllommene Glück eines fürftlichen Gönners 
damit niht wildes mide ſinen ſchuz, 

ſins hundes lonf, fins hornes duz 

erhelle im und erſchelle im wol naͤch eren! 

Umgelkehrt findet ſich in einem Spruche des 14ten Jahrh. (Liederſ. 2, 
427, 300 ff. Regensburger Handſchrift BI. 190) die Verwunſchüng: 
ich wünſch, day im ze fainer ſtunt 

kain jagbimd icht erfar, 

war gu er fer dar 

daz al gefwigent fnell; 

ich wünſch, daz im icht heil? 

an dem gejait fin walthorn, 

daz ez den hals hab verlorn 

und e; werd timmer. 
Das feinfte Gehör für ven Wohlklang bes Bradenrufs bewährt jedoch 
Wolfram im Titurel (Str. 132): 


der ander ift fal, 
der jagt den edlen hirſchen über berg und tiefe thal, 
der britt war roth, 
der jagt den eblen hirſchen biß uf den tod. 
1 Ebd. Nr 57: 
Lieber waitman frei, 
was ift alier jäger frembengefchrei? 
Der Tieben jaghund jung und alt 
nad einem birfchen im grünen wald. 
In der Eneit (1667 fi.) wird bie Abſicht der Königin, eine Jagd zu ver⸗ 
anftalten, fo ausgebrüdt: 
ir mut truc fie darzu, 
daz fie eine morgens vru 
in den walt riten wolde 
und fi da banechen folbe, 
boren bie hunde 
unde furzen bie ſtunde. 


2 Megensburger Handſchrift: nit erhell. 
I Regensburger Handſchrift: fein laut. 


327 


Sus lägen fi unlange, do gehörten fie jchiere, 
in beiler ſüezer Rimme üf. rötvarwer vert naͤch munden: tiere 
ein brade kom hoͤchlutes zuo zin jagende. 

Bekannt ift die Zegenbe von dem frommen Kloſterbruder, dem ein 
Böglein durch fo fühen Geſang die Freude des Himmelreichs fund gab, 
dag er, um es zu fangen, ihm in den Wald folgte, als ibn aber die 
Glocke nach dem Klofter zurüdtief, ward er von Niemand mehr er: 
tannt, denn e3 waren in feiner Entzüdung hundert Jahre und drüber 
bingegangen. Andrer, weltlicher Klang läßt den unerfättlichen Jäger 
Raum und Zeit vergeflen; der [1, 13] Pfalggraf von Tübingen rennt 
feinen erbmännifchen Hunden bis in ein meitentlegenes Land nad, 
König Herla bat, gleich dem bingerafften Mönche, mehr als ein Jahr⸗ 
hundert verträumt und geht mit Hunden und Habichten, ben Gaben 
des Zwergkönigs, in den endlofen Umzug der nächtlichen Geifterjagd 
über. Wie fich das Leben bes rüftigen Mannes zwiſchen Waffen und 
Wald theilte, jo zog er auch nad feinem Tode bald kampfmäßig in 
Wuotes Heere, bald als Jäger im Sturme bes wilden Gejaibs. Das 
Ihwäbifhe Märchen meldet zwar vom Pfalzgrafen nichts dergleichen, 
aber die mündliche Volksſage weiß noch vom ewigen Jäger zu Pfalz⸗ 
grafenweiler, ven man jeine Hunde loden hört, ſowie von einer ge 
fpenftifchen Jagd im Wurmlinger Obernwald nächſt ver Pfalz Tübingen: 
erſt kommen zivei Beine Hunde, mit einer Kette zufammengebunden, 
hundert Schritte weiter ebenfo ein größeres Baar und dann ein brittes 
ganz großes, Hinter ihn der Jäger auf rieſenhaftem Gaul; es Heißt, 
derfelbe ziehe von biefem Walde bis ins Unterland, indem die brei 
Koppeln immer vor ibm berlaufen und er ſelbſt Iauten Jägerruf aus 
Rößt 1. Dieß meitfahrende Halloh gemahnt doch merklich an die pfalz- 
gräfliche Hirſchjagd mit den elbifchen Hunden vom Weilerwalde Tübingen 
zu und fürber bis in den Böhmerwald. 

In dem Märdien felbit Liegt aber auch ein tieferer mythiſcher 
Grundzug. Dasfelbe befagt im Eingang, daß der Graf, fo oft er mit 


1 €, Meier, deutſche Sagen u. |. m. aus Schwaben, Stuttgart 1862, 
Ar 113, 1. 126, 5. Dieſe reichhaltige und forgfältige Sammlung der noch 
jet im Munde des ſchwäbiſchen Volkes förtlebenden Übertieferungen tritt Manche, 
was ich aus ſchriſtlichen Zeugniſſen voriger Jahrhunderte Heibringen fann, fiber- 
raſchend zur Seite. 


328 


Meifter Eppen und den beiden Hünblein von Pfalzgrafenweiler auf den 
Wald zog, niemals ohne Yang heimgelommen, zudem es ihm, fo lang 
er dieſes „Erbenmenblin” bei ſich behalten, glüdlih und wohl au Leib 
und Gut, auch an allem feinem Vornehmen ergangen ſei; ſodann am 
Schluſſe, nachdem er ungern und wider ben Nath bed Heinen Jäger⸗ 
meiſters bon dieſem und den Hünblein gefchieben, es fer ihn bald nad 
der Heimfahrt ein Verlangen nach ihnen angelommen, welches fich fo 
gemehrt, daß er angefangen an Leib und Gut abzunehmen, auch bald 
barauf geftorben fei, feine Nachkommen aber haben ben Sik Pfalz 
grafenweiles verlafien und dieſe Herrichaft, obgleih dem Dorfe ber 
Name geblieben, fer in frembe Hand gerathen 1. Nun find die Erb: 
männlein, zu denen Meifter Eppe ausdrücklich geftellt wich, dieſes un: 
zäblbare Arbeitsvolk der. mütterlihen Erbe, nicht bloß im inneren 
Erdgrunde [1,14] raftlos geſchäftig, fie find auch treue und trauliche 
Genofien der auf ihm errichteten und gepflanzten Heimivefen. In ben 
Mohnftätten der Menſchen verfehen fie millig und ohne Lohn jeden 
häuslichen Dienft, fie pflegen den nährenden Viehſtand, auf der Wide 
belfen fie beim Heumahd, auf dem Felde zur Erntezeit, im Holze bemm 
Reifichbinden, und fo gewähren fie auch dem Pfalzgrafen, ver gänzlich 
im Walde daheim ift, ihre heilbringende, beutereiche SSagdfolge 2. 
Allein dieſe geheimnisvollen Mächte find empfindlih, ihre Hingabe iR 
eine freiwillige und verlangt Erwiberung, der Graf aber zerreißt das 


1 Die Burg Weiler (castrum Wilare), an die das Märchen ſich knüpft, 
gehört ſchon 1165 den Pfalzgrafen, nad) denen fie zugenannt ift; 1228 madıt 
Rudolf II fie mit andern feiner Erbgüter dem Bisthum Straßburg Iehnbar, 
1297 aber iſt fle im Befite der Grafen von Eberflein (Stälin 2, 99. 445. 
Schmid 139. 149. 244). Das Märchen ſelbſt ift ein nicht zu verachtendes Zeug- 
nis für dei Zuſammenhang der Pfalzgrafen von Tübingen mit ben alten 
Grafen bes Nagoldgaus (Stälin 2, 428. Schmid 28 f.); noch in der vorge 
dachten Lehenbeftellung von 1228 fliehen castrum Wilere und ecelesia Nagelte 
beifamınen. 

2 Auch im alten Norden begleiten die Landgeifter (landvzettir) auf Jagd 
und Fiſchfang (Landn. Th. 4 C. 12: Pat sA üfreskir menn at landveettir 
allir fylgdu Hafrbirni P& er hann för til Pings, enn Porsteini ok bordi 
bredrum hans b4 er peir föru til veida ok fiski. Bgl. Gulath. Christenr. 
in Norges gamle love 2, 308: at trva a landveettir at se j Ivndum sda 

havgum wdJa forsom, ebd. 326 f. Lex myth. 561 f.). 


329 


innige Band, indem er den Meifter und die Hünblein in andre Hände 
gibt, und er muß das büßen burch die ſchmerzliche Sehnfucht nad 
ibnen, die ihn, an Leib und Gut berabgelommen, bald in das Grab 
legt 1, fein heimatlicher Sit am Walde gebt, gleich jenen, in frembes 
Eigenthum über. Es fühlt fi) eben in dem Bezuge zu den Erdgeiſtern 
eindringlich durch, wie dieſes Grafengeſchlecht von Alters her dafür an: 
gefehen war, zum Forſte geboren zu fein. 

Daß in ber fabelhaften Erzählung die Sinnedart und jelbft der 
Schichſalsgang ber Pfalzgrafen von Tübingen richtig aufgefaßt iſt, er 
bärten geichichtlihe Thatſachen. Zu biefen darf die Erbauung des 
längft abgegangenen Jagdhauſes Königswart, in berfelben Schwarz 
waldgegend, von ber. das Märchen feinen Ausgang nimmt, durch den 
Pfalggrafen Rubolf im Jahre 1209 füglich gezählt werben, wenn aud) 
die lateiniſchen Inſchriften, etwa das Werk eines Mönches von Neichen- 
bach, Teine gleichzeitige waren. Davon melbet, an das Jagdmärchen 
anfchließend, twiever die Hauschronik von Zimmern: 

„Bemelte pfalzgraven haben noch bei vierthalb hundert jaren große 
jagen ufm Schwarzwald gehapt, under denen ein pfalzgraf Nuebolf 
das ſchloß Künigswart zu ainem jaghaus erbaumen, und zu ainer ges 
dechtnuß bat er in dasſelbig gegen Schwarzenberg mit lateinifchen worten 
in ain ftain haumwen laßen: 7 DOMUM ISTAM FECIT RUDOLFUS 
PALATINUS COMES DE TUWINGEN ANNO INCARNAT. DNI 
1209 OB MEMORIAM SUI +4. Gegen Rath [Röth] Hat er laßen in 
ain ftain baumen: + RUDOLFUS PALATINUS COMES DE TU- 
WINGEN FECIT PORTICUM HUNC ANNO INCARNAT. XPI 
1209 IN MEMORIAM SUI +. innerhalb aber in dem fchloß bat er 
bife wort einhauwen laßen: + RUDOLFUS P. C. DE TUWINGEN 
DOMUM ISTAM PROCURAUIT FIERI ANNO INCARNAT. CHRI 
1209 UT OMNES HIC VENATURI [1,15] SUI SINT MEMORES 
ET SALUTEM ANIMAE [ejus] IMPRECENTUR 4.“ ? 


1 Wie fehr diefe geifterbaften Weſen gefchont werben müſſen, zeigt auch 
nod) in der gerrübten Herlafage der Traghund, vor dem, folang er nicht von 
ſelbſt herabfpringt, jeder Abfeigende fogfeih in Staub zerfällt. Vgl. oben 
&. 1%. 318. 5.) 

2 Zimmriſche Chronik a. a. D. vgl. mit der Stelle bei Steinhofer (Wirten- 
bergifche Chronik 2 Theil, Tilbingen 1746, 5. 124), der von diefen Infchriften 





330 


So wird felbft die Sorge für das Seelenheil dieſes Pfalzgrafen den 
Jägern empfohlen, obgleich fonft ihre Andacht, die Jägermeſſe, nit 
in befondrer Geltung ftebt 1. Die Tübinger gefielen fi, neben dem 
Waidwerk, aud in Merken der Frömmigkeit durch Klofterftiftungen, 
die ihren Landbeſitz beträchtlich fchmälerten. Der Erbauer des Jagd- 
hauſes im Schwarzwald hatte früher im Schönbuch das Klofter Beben 
haufen gegründet, wo er nud feine Grabftätte fand; über feine Nach⸗ 
kommenſchaft wuchs dieſe Abtei jo mächtig herein, daß ber tiefuer 
ſchuldete Pfalzgraf Botfrid I im Sommer 1301 Burg und Gtabt 
Tübingen mit aller. Zugehör 'an pas Klofter verlaufte?. Zwar wird 
dieſer „Zitel feiner Geburt“, wie er felbft Tübingen urkundlich bezeich⸗ 
nen ließ 3, bald darauf wieder eingelöft, aber bei feinen Entelföhnen 
fommt es wieder dahin, daß fie, von Schuldenlaſt gebrängt, im Sabre 
1342 den alten, anſehnlichen Stammfit an den Grafen Ulrich von 
Wirtemberg enbgiltig verängern. Da beißt es im Kaufbriefe: 
wie von noch beftehenden fpricht und ben Ort fo bezeichnet: „Königswart, der 
alte Burgftall des unter den dornfettifhen Schirm gehörigen Kloſters Reichen 
bach zwiſchen Beeſenfeld und Illensperg.“ Cruſius 2, 497 |. Stälin 2, 442. 
Schmid 117. Der Name Königswart (vgl. Schmeller 4, 160 f.) beutet auf 
einen Bau im Reichswalde, wie auch das benachbarte Pfalzgrafenweiler lenn⸗ 
baren Bezug bat. Ein anderes Jagdhaus auf dem Schwarzwal in einer 
Urkunde von 1270 (Mone, Zeitſchrift 1, 371): „Nos Otto senior, comes de 


. Eberstein u. f. w. domum venacionis construzimus.“ 


1 Schmeller 2, 266: Die Jägermeſſe, das Yägermeislein, eine Tarze, 
flüchtige Meffe „Kurze Mes und lange Yagd | einen guten Jäger mad.“ 
Jagtenfel (Theatrum diabolorum BI. 2985): „Etliche [Iäger], die barneben 
aud) ein wenig für andechtig und geiftlich möllen gefeben fein, die hören zuvor 
eine predigt und dörfen begeren, ja fie wöllens alfo haben, daß man etwas vil 
feier, denn ſonß gewonheit, inen ein predigt mache und allein das euangelium 
fage, oder darliber gar eine kurze vermanung thue und bieweil andere gebreud) 
liche geſenge übergehe und anftehen laß und alles kurz überlaufe, wie man 
* denn folddes ſchnappenwerk im bapsthumb jägermeflen genennet hat; wie barbei 
die andacht fei, ift wol zu erachten, denn fie body mit gedanken allbereit im 
hotz und feld find.” Kürzeſtes Zeitmaß Titurel (Hahn) 5683: fo lanc ein mefle 
von einem fnellen prifter fi geſchehende (vgl. 5562). 

2 Schmid 310. 

3 Ebd. Url. 8. 102: dominiam sen titalum noetre natinitatis seilicet 
opidum Thuwfagen; 103: prenarrati dominii atque tituli; 104: dominium 
seu titulam sue natiuitatis scilioest opidum Thuwingen. (gl. Homeyer, 
Bantgemal 35: natalium suorum principalem locum.) 


331 


„Bir Gbtze [Gotfrid III) und Wilhelm, gebrücber, graven zu Tuwin⸗ 
gen, verjehen offenlich an diſem Briefe... das wir ... haben verkouft 
und zu koufen geben reht und reblih... unfer veftin Tutwingen, burg 
und ftatt, lüt und guot, geſuocht und ungeſuocht, fundens und un- 
funbens, intvenbig ber veſtin und ußwendig, under erben und darob, 
an veld, an walb und an waſen, an ziwigen, an waßer, an waßer⸗ 
zinfen, an gelt, an vellen, mit aller [1, 16] irer zuogebörbe-... dem 
edlen graben Uolrih von Wittenberg und allen finen erben umb 
zwainzig tuſend pfund guoter und gäber heller.“ 

Nur von Einem laflen die Tübinger auch da nit: „und haben 
uns daran kain reht behalten dann allein die hundlege zu Beben: 
bufen und das gejaid in dem Schainbuodh 1.” Zwei Jahre nachher, 
1344, erläßt jenoh Graf Götz dem Klofter Bebenhaufen auch ven 
Anſpruch der Hundlege, der ihm auf deſſen Gjtern zu Weil im 
Schönbuch und anderswo zuftand  Zunor fchon kann das Anrecht 
der beiden Brüder auf den Schönbuch nur noch ein ſehr befchränktes 
geweien fein. Als Neichsleben befand fich dieſer Forft mit ver Ge: 
waltfame über Wildbann, Hunblege und Gejägd feit 1334, und zwar 
ſchon vom Water ber, im Beſitze des Pfalzgrafen Konrab von ber 
Tübingen Herrenberger Linie, der aber au, im Jahr 1348, das 
Ganze „und mit Namen den Wildbann“ ven Grafen Eberhard und 
Ulrich von Wirtemberg zu kaufen gibt. Die Verkäufer konnten übri- 
gens beruhigt fein, daß ber Wald wieber in gut maibmännifche Hand 
fam. Denn nicht umfonft führten bie Wirtemberger Hirichgeweih und 
Jägerhorn im Wappen, tvorauf in Lieben des 15ten und 16ten Jahrh. 
mehrfältig angejpielt wird 4, auch find ihre altherkömmlichen Haus 


1 Sendenberg, selecta jur. et histor. 2, 232 f. Sattler, Graven 1, 
Zte Aufl., Beilage Nr 100. Eine Urkunde des Grafen Ulrich von Helfenftein 
von 1302 über den Verlauf ferner Burg Herwartſtein nebſt Zugehör zu Gunſten 
des Klofters Königsbronn enthält den Ähnlichen Vorbehalt: reservavimus tamen 
nobis et nostris successoribus jus venandi (Beſold, doc. rediv. 637), [Man 
vergl. Uhlands im Fahre 1847 entflandenes Gedicht „Der letzte Pfalzgraf“ in 
den Gerichten, fechsundfünfzigfte Auflage, Stuttgart 1872, ©, 854. 356. H. 

2 Beſold 409 f. 

3 Schmid, Urt. B. 166. 175 f. 

43. 2. in einem auf Herzog Ulrichs fieghafte Wiederlehr (Heyd, Schlacht 
bei Laufen 70): 


332 


namen Eberhard und Ulrich der Jagdſage nicht fremd geblieben. Ein 
Graf Eberhard von Wirtemberg wird auf der Birſch im grünen Walde 
dur die Erfcheinung eines bahberbraufenden geipenfterbaften Jägers 
mit eingefchrumpftem Gefichte verwarnt, der einft bier Herr geweſen, 
und, da er nie Jagens fatt werben konnte, zulegt Gott gebeten, bis 
zum jüngiten Tage jagen zu bürfen, wie er denn auch feit fünftbalb 
bundert Jahren unabläffig einen Hirfch verfolgt 1; von einem Grafen 
Ulrich wird als befondrem Liebhaber der [1, 17] Reiter: ober Jäger: 
meſſen erzäblt . Aber die Jäger von Wirtemberg bliefen auf, wäh—⸗ 
rend bie von Tübingen abbliefen. 

Derfelbe Chronikichreiber, ver die wunderſame Jagd des alten 
Pfalggrafen wohlgefällig nacherzählte, rügt doch bei anbrem Anlaß mit 


mich freut fein pfeif, fein faitenfpil, 

wären barpfer, geiger noch fo vil, 

fo freuet mich gott und 's jägerhorn. 
Auch in demjenigen, welches man glanbmürdig ihm jelbft zufchrieb: Ich ſchell 
mein borm ins jamertal u. |. w. Meine Bollslieder Nr 179, vgl. Heyd, 
Ulrich 1, 92.) 

1 Meifterfang Mich. Behams aus dem 15ten Jahrh., Sammlung für alt- 
dentſche Litteratur 48 ff. Vgl Jagteufel (Theatrum diabolorum 305 5b): „Eimer 
hette einmal gejagt: wenn unfer herr gott wolte mit im wechſeln laſſen, fo wolt 
ich, daß er mich für mein theil des himmelreichs hie ewig möchte jagen laflen. 
Seind das nit feine reden?“ Das Gleiche von Hadelberg im Kicchbofs 
Bendunmuth 4 (Frankf. 1602), 342 [Ausgabe von fterley 3, ©. 357. $.) 
umd in ſchwarzwäldiſcher Bollsfage vom ewigen Jäger bei Nenbulach, E. Meier 
a. a. O. Nr 125. 

2 Wendunmuth 1 (1602), 61 [Ausgabe von Öſterley 1, ©. 54. £]: 
„Einer von Wirtenberg, Ulrich genannt (da fie noch grafen geheifen worden), 
der auch wie fein nachkommen ein guter weidmann und jäger war, wolte ein- 
mals eilends nach feiner gewonheit auf die jagt, dann im feine diener von 
‚Schönen wolgebornen hirſchen, an eim end ſtehende, verkündigt hetten, beſorgte 
fie würden, da er lang verzög, verſcheicht werben, wolte doch der zeit: gebrand) 
nad ein meſs hören, faget darumb zu feinem capellan, er folte ein reuter⸗ oder 
ein jägermeis leſen, das iſt (wie man fpricht) furz und gut machen. Der ein⸗ 
feltige priefter fucht das ganze buch auß, und da er niergend, ba ein renter- 
oder jägermefs ſtunde, erjehen mögen, bat er bem herren, ber ja fo gem 
gewölt heit als der pfaff, daß fie funden were, ſolches traurig angezeigt, der 
ig nicht mit wenig lachen feiner und aller diener deſſen underrichtet, fonft glaub 
ich, Das gute pfäfflein ſuchet noch biß tezt dran. Ob fie auch ungemeflen ober 
nicht anf die jagt geritten, hab ich noch nicht erfaren.” 


333 


Enträftung die üble Wirthfhaft des Nachkommen Götz und gibt zu 
deſſen Bild einen neuen, ergänzenden Zug (©. 689 f.): 

„Difer unnuten leut in den gefchlechtern bat man vor jaren vil 
gefunden, under denen ſonderlich pfalzgraf Gotfrid von Tübingen ein 
fürnem man geweft und feines übelbaufens halb wol bekant ift. Der⸗ 
felbig gewan ain follih unmillen zu feinen ligenden güetern, daß er 
fich entſchloß derfelbigen kaine zu behalten, juecht auch alle mittel, daß 
er deren megte ablommen. Darumb hab er dem grafen von Würtem: 
berg alles übergeben und zu Tübingen fei er zum tor hinaußgeritten, 
do hab er fih umbgelert und ganz frölich zu feinen dienen gejagt, 
nun freut er fi von ganzem herzen, daß er doch ainmal des wueſts 
fete ablommen. Das war ain ftim mer aind ochſen ober ains maul⸗ 
tierd dann aines mentfchen. Aber dem von MWürtemberg war es ain 
eben fach, der bet wol leiden megen, da& alle feine nachpurn dilen 
finn heiten gehapt. ... Ich glaub, er [Gotfrib] hat in großer armuet 
erben müchen, ain wunber unnuger man ift er geweſen, der im bergen 
gehapt, follihe nugliche und herrliche güeter von feinem ftammen und 
namen hinweg zu geben und fich deſſen fo berzlichen zu erfreuen.” 

Nachdem diefer Pfalzgraf Götz fich feines ganzen Beſitzthums in 
den heimiſchen Gauen entjchlagen hatte, blieb ihn gleichwohl eine Zus 
fluht auf dem Erbgut feiner Gemahlin, einer Gräfin von Yreiburg, 
ber Herrſchaft Lichtened im Breisgau. Die zunmrifche Chronik felbft 
weiß, noch aus ihrer Beit (1866), von einem feiner Ablömmlinge, dem 
Grafen Konrad von Tübingen zu Lichtened, zu erzählen, und zwar 
(S. 1116 f.) zwei Beifpiele bartberziger Strenge, deren eines bier 
ftehen mag: 

„Sp tft ain gemain gefchrai, daß graf Conrad ain firenger uns 
barmberziger man feie. Das beichaint ſich wol an dem, daß er ain 
alten tor[1, 18]wart zu Liechteneck gehapt, der ainsmals bie jchlüßel 
am tor vergeßen, bo bat im der graf zu ainer ftraf die wal ufgeben, 
eintweders in tum ober aber er fol ain forglichen felfen zu Liechtened 
hinab kleten. Das bat ber arm man ußer großer fordt angenommen 
und verpracht, aber [mit] follichen geferden, daß kain wunder, ba er 
ſchon zehen hels abgefallen were.“ 

Ulbermäßige Sorge um die Thorſchlüſſel von Lichteneck, nachdem 
diejenigen des alten Stammhauſes längft verſchleudert waren. 





334 
Dem Berlommen des pfalzgräflichen Geſchlechts ift hier nicht weiter 
nachzugehen, die lehte, dunfle Epur einer Nachkommenſchaft besfelben, 
noch vom Anfang des vorigen Jahrhunderts, führt durch ein befonbres 
Geſchick nach dem Schwarzwald zu der Frau eines Jägers 1. 


ſi, 304} 29. Dietrich von Kern. 


Bon der Bollsihümlichkeit Dietrich8 von Bern im alten Schwaben: 
lande gibt e8 noch unbendhtete Zeugniffe, die bier mit. den fchon be 
fannten zufammengeftellt und erläutert werben follen; der Inhalt feiner 
Sage wird hiebei nur ſoweit berührt merben, als es zu dem angegebenen 
Zwecke nöthig ſcheint. 

Das Dorf Wurmlingen bei Rotenburg, auf der Thalgrenze zwiſchen 
Neckar und Ammer mit einer weitumſchauenden Bergkirche gelegen, war 
einſt die Wohnſtätte zahlreichen Adels. Die beurkundete Reihe des⸗ 
ſelben eröffnet Anshelm, Ritter von Wurmlingen, welchen der Pfalz 
graf Hugo von Tübingen in einer Handfefte von 1174 als weiland 
feinen febr lieben Dienftmann bezeichnet ?. Der Ortöname lautet fchon 
bier Wurmelingen, dann 1252 Wurmlingen ®, aber auch noch in Ur 
funden von 1273 und 1276 Wurmeringen *; gleichertweife beißt das 
viel früher vorkommende Wurmlingen bei Tuttlingen in St. Galler Ur: 
funden des Sten und 9ten Jahrh. Yurmeringa, Burmiringum u. |. m. °, 


1 Zeller, Merkwürdigkeiten von Tübingen, dal. 1743, ©. 47: „da id 
mich erinnere von 1701, daß in dem Galwer Amt eine Jägerin, eine wahre 
abflanımende von diefen Grafen gewejen iſt.“ (Bgl. Schmid 602.) 

2 Eiyzabeth, magistra conventus sororum [Marthell.], filia Anselmi 
quondam militis de Wurmelingen, nostri karissimi ministerielie, Schmid 
108. Stälin 2, 432. 

3 Stälin 2, 447: in villa Wurmlingen. 

4 Kreuzlinger Archiv, nach Kauslers Abichriften, 1278: Albertus dietus 
Randal de Wrmeringen ... Montis in wrmeringen; 1276 (vgl. Schmid. 
Url. 8. 39): in monte Wrmeringen. 

I Neugart Nr 126, a. 797: in pago, qui vocatur Perahtoltipara, in 
vico nuncnpante Vurmmeringa, Nr 135, a. +93: in Wurmmaringas; 
Nr 584, a..882: in Wurmiringum. Stälin 1, 287. 








335 


im 18ten Jahrh. ift aber auch bort r zu I geworden !. MWurmringen 
gefellt fi zu den benachbarten Polteingen, Entringen, Gärtringen, 
Gündringen, welche patronymifch von den ahd. Mannönamen Paltheri, 
Antberi, Kartheri, Kundheri abzuleiten find, wie jenes von Wurmheri?, 
dem Stammvater der Wurmeringe. Beſitzthümer desſelben Geſchlechts 
in verichievenen Bezirken find nicht felten gleih benannt, urkundlich 
läßt fich jeboch ein ſolcher Zuſammenhang zwiſchen Wurmlingen in der 
Berhtolbz[1, 305]baar und dem bei Rotenburg nicht aufweiſen?. Für 
leteres hat die vollsmäßige Anſchauung im Stamm: und Ortönamen 
ein Bild erfaßt, das eines Lindwurms, und basfelbe, mit Anwendung 
auf bie vorbemerfte Ortölage, zur Drachenfabel ausgeitaltet. Ein wurm⸗ 
förmiges Ungetbüm führten auf Helm und Schild nicht nur Diejenigen, 
bie fich eigens von Wurmlingen nannten, ſondern auch die dortherum bes 
güterten von Steinhülwe und von Hölnftein An Namen und Wappen: 
bild lehnen fich Bollsfagen, die, obichon unter fich abweichend und ver: 
werren, darauf hinausgehn, daß in einer Kluft der Wanbelburg, einer- 
platten Abjtufung am ſüdweſtlichen Abbang des Wurmlinger Berges, 
ein Lindwurm gehauft babe, der, mit dem gleichverberblichen Wurme 
des Ammerthals im Schwärzlodh ab: und zumanbelnd, die Umgegend 
beraubte, auch aus den Kirchgängern fich feine Beute holte und fo ben 
Gang zur Bergkirche (früherer Pfarrkirche) auf diefer Seite fperrte, bie 
ein Ritter von Wurmlingen, deſſen Rüftung mit Spiegelgläfern behängt 
war 5, den durch fein eigenes Bilb in Staunen verfeßten Gegner mit 

I Wie anderwärts Pirninga zu Birlingen (Bierlingen, Stälin 1, 287. 
302. 344. 383), Gerringen zu Gerlingen (ebd. 316 f. 386), Holzgerminga zu 
Hohggerlingen (ebd. 295. 521. 561. 600), Hurningen zu Hirrlingen (ebd. 2, 507). 

2 Bei Reugart, ind. onomast. (unter Vnrinher, Burmberi, Wurmhar) 
iR dieſer Name reichlich vertreten, doch faft nur aus dem Thurgan. 

I Edellente, nah erfterem Orte genannt, lommen 1259 und 1261 als 
Dienfmänner der Grafen von Bollern vor (Stäfin 2, 506. 522. 528). 

4 Grufius 3, 115: In planitie alba, glaucus erocodilus, ein blawer 
Zintwurm. An zwei Urkunden im Staatsarchiv von 1348 als Siegel Hainrichs 
von Wurmlingen, Abzeihnung duch Hrn Dr L. Schmid: ebd. Url. ®. 178. 
182. 211. Nah Thidr. 8. Cap. 185 führt der Fafnistödter Sigurd einen 
Draden im Schild und auf dem Helme. 

9 Der Meduſa Hält Perfeus den Spiegel entgegen, vgl. bei Marner (M. 
©. 2, 45a): ein fiftallin ſchilt. Der Baſilisk flirht, wenn er ſich im Haren 
Waſſer fieht. 


336 





dem Speere durchſtach; ein Schnitzwerk am Altar wird für eine Dar 
stellung dieſes Kampfes angefehen. Den Wurm im Ammerthale traf 
gleiches Geſchick am Brunnen in einer Klinge bei Schwärzloch 2. Der 
Wohngelaß dieſes Hofs ift in einen kirchlichen Bau romaniſchen Stils, 
Kapelle des 5b. Nicolaus, eingeſetzt, auf deſſen fühlicher Außenwand 
unter dem eingehauenen feltiamen Bildwerk ſich beſonders krolodil⸗ 
und dradenartige Thiergeftalten hervorheben, wohl geeignet, die Sagen 
dihtung anzuregen; auch war noch vor vierzig Jahren im Innern be 
rundbogigen Chors ein großer Thierſchädel [1, 306] an die Mauer ge 
fettet, der für den Kopf des erlegten Lindwurms auögegeben wurde; 
die Gegend bei Schwärzlodh, hinter welchem ber verderbliche Drache ge 
hauft, fei damals ganz wild und fumpfig geweſen?. “Die zwei nad 
barlichen Würme bezeichnen beutlich genug das noch unbewältigte Ge 
mwäfler der beiden Flußthäler, an deren Grenzſcheide der Wurmlinger 
Berg auffteigt. Vergleihung anderer Drachenſagen, namentlich ber 
Heldenthat Schrutans von Winfelried und ihrer Ortlichfet, twürbe bieß 
noch mehr ins Klare ftellen. 

Der Bezug auf den Lindwurmkampf ſetzt fih in den Namen 
der Wurmlinger fort. Bei denſelben Geſchlechtern, die das Ungethüm 
im Wappen führten, ift der Name Dietrih zu Haufe. Dietriche einfad 
„von Wurmlingen” find nachweisbar zu den Jahren 1185, 1225, 


I Nach gefälliger Aufzeichnung des Herrn Pfarrers Laun in Wurmlingen. 
Die Schnitarbeit am Altar der erft gegen Enve des 1Tten Jahrh. nenauf- 
gebauten Bergklirche wird derſelben Zeit erfi angehören; in einem Schreiben des 
Kreugfinger Pflegers zu Rotenburg vom 2dten Nov, 1681 an den Abt genannten 
Kofters wird empfohlen, daß auf den Mitar mit andern Heiligenbifbern and 
das Gt. Georgs gerichtet werben möge, „als welcher Heilige der orten für einen 
fouderbaren Patron wegen |. v. rofs und viehs verehret wird” (Archiv. Wurm⸗ 
lingan., ein bei bortiger Pfarrei befindlicher Band mit Urkunbenabfchriften von 
1773, die Berhältniffe des Kofler Kreuzlingen zu feiner Pfarrei und Pflege 
Wurmlingen betreffend, S. 886 f.). Das Schutzamt bes h. Georgs ber die 
Pferde rührt wohl von feiner Eigenicheft als Witter ber; ob fein Drachenkampf 
auch ſchon in der alten, abgebrannten Kirche dargeſtellt war, if wicht erfichtlic. 

2 E. Meier, Sagen 210 ff., eine ganze hieher einfchlagende Sagenreihe: 
„Der Lindwurm im Ammertbale.“ 

3 Aufzeichnung des Herrn Procurators Abel in Stuttgart. Frilheſte Kuute 
von Schwärzlodh im Codex Hirsangiensis S. 63 und bei Sattler, Graven 4, 
Beilage S. 369. Bgl. Schmid 52. 54. 


337 


1279. 1, Dietrihe von Steinhülwe zu 1285, 1298, 1301, 1353 und 
noch 1400 ?. Neben und mit dem Ortsnamen Wurmlingen tritt aber 
zu Dietrich auch noch ein allmählich zum Geſchlechtsnamen erwachſender 
Beiname; zueft in einer Urkunde von 1261: Theodericus merbelt, 
Ritter in Wurmelingen, weiterhin in folden von 1277, 1296, 1299, 
1301, 1323, 1333, 1339, 1343: Dietrich der Märehelt, oder genannt 
Märhelt, mehrmals mit dem Berfate: von oder in Wurmlingen ®. Die 
PMärbelde (fpäter, im 16ten Jahrh., fchrieb man Mörhild) [1, 307] 


1 Kreuzfinger Urkunde von 1185 (Ar, Wurml. 1 f.): testes sunt Albertus 
cum duobus filiis suis, Bertoldo et Alberto, et patruo eorumdem, Dietrico, 
et Kuonrado cum fratre suo, Ruodolfo de Wrmelingin u. f. w. Urkunde 
Alberts von Rotenburg 1225 (ebd. 7 ff.), unter den Zeugen: Dietericus de 
Wrmilingin ... Ruodolfus, sacerdos viceplebanus in Wrmilingen u. |. w. 
Conradi de Wurmlingen annal. Sindelfing. ad a. 1279: Joannem et soro- 
rem suam copulavi legitime, pueros Dieteriei, militis de Wurmelingen. 

2 Urkunde von 1286 (Mone, Zeitihrift 3, 446): Nos Dietricus et Diemo, 
fratres, flii quondam Alberti, militis, dicti de Stainhülwe... omnia bone 
nostra in parochia ville Wurmelingen sits ... vendidimus u. f. w. Urkunde 
von 1298 (ebd. 4, 281): Dietrih von Steinhuli. Wurmlinger Urkunde vpn 
1801 (Ard. 82), unter den Zeugen: Dietricue de Stainhülwe. Urlunde von 
1358 (Schmid, Url. B. 182): ze bürgen ... Dyetrih, den pfützer von Stam- 
büfwe u. |. w. mit deſſen Drachenſiegel. Kundjchaft von 1400 (Weisthümer 1, 
387): jungher Dietrihen von Stainhülm (auch Stainhulme) u. ſ. w. In einer 
Urkunde von 1289 (@erbert, hist. nigr. silv. 3, 222): Diemo de Stanihul; 
Diemo, Dieme, fheint Kürzung von Dietmar, wie Tanımo von Tancmar 
(&r. 8, 694). 

3 Urkunde von 1261 (Monumenta Zollerans 192): tbeodoricus blarrer, 
theodericus merhelt, milites in Wurmelingen; einer von 1277 ift bemerft 
in der Beſchreibung des Oberamts Rotenburg 215; Notenburger Urkunde von 
1296 (Arch. Wurm. 32), als Beuge: Dietrich der Märehelt; Wurmlinger 
Urkunde von 1299 (Regeften des Stiftes Kreuzlingen von PBupilofer Nr 118): 
Allen tünd ich Dietrich der Märehelt [fo ift ſtatt Märchelt zu lejen] von Wurme⸗ 
lingen ... Benze fälige der Märehelt [ebf.], min bruoder u. ſ. w. Wurmlinger 
Urkunde von 1801 (Arch. Wurml. 82): Dietericus, dictus Merehelt de 
Woarmelingen; Rotenburger Urkunde von 1323 (Staatsarchiv, auch abſchriftlich 
in Weitenauers Traditionenbuch des Stifte St. Manriz in Ehingen, 1674 bis 
1678, ©. 56): Dietericus, dictus Meerhelt, in Wurmlingen, armiger ... post 
interitam quondam Dietrici, fratris mei dilecti u. f. w.; Urkunde aus Noten- 
burg von 1833 in einer 1346 bezeugten Abſchrift (Staatsarchiv): Dietriden dem 
Märbelt ... der vorgenannte Märhelt; Urkunde von 1339 (Staatsarchiv): Ich 
Balfan vn Wurmlingen, Dietrichs dez Märheltz fun; Urkunde von 1343 (ebd. 

Npland, Schriften. VIN. 292 


338 


eriheinen bejonders zahlreich in den Schenlungs: und Jahrzeitbüchern 
gerjtlicher Stiftungen des benachbarten Rotenburg und feiner Vorſtadt 
Chingen. Laut der vorhin mitaufgezählten Urkunde von 1323 wurde 
Lem Dietrich, genannt Märhelt, zu Wurmlingen von der Stabt Tübingen, 
deren Bürger den Tod feines Bruders verfchuldet hatten, zur Errich⸗ 
tung einer Kaplanei für deſſen Seelenheil ein Sühngeld von 20 Pfund 
Heller zugefichert und er jtiftete biefelbe zum Altar des b. Kreuzes in 
der S. Morizlirhe zu Ehingen, in der dann auch die Märhelbe ihre 
cigene Kapelle und Begräbnisftätte hatten; der umgefommene Bruder 
diefes Dietricha hieß ebenfo und auch in der Folge taucht der Name 
Dietrich mehrmals auf, mo Vergabungen oder Jahrtage ver Märhelde 
eingetragen find. Daß dieſe urfprünglich demfelben Gefchlecht ange 
hören, das früher einfach von Wurmlingen benannt war, läßt fid 
faum bezweifeln, da nicht bloß der Vorname Dietrich durchläuft, ſondern 
auh Vater und Sohn, der eine mit bem Zunamen Märheld, der andre 
ohne denjelben mit dem Ortsnamen verzeichnet werden?, überdem 


abfehriftlih ans den in München befindlichen Bebenhäufer Soder): Ich Diettrich 
der Märhilt, mit mir min bruder Benge u. |. w. (Die Urkunden von 1323, 
1333 und 1339 nad, Abſchriften des Herrn Drs 2. Schmid.) 

I Lugen von Lutzenhart Rotenburg. Beichreibung vom „Jahre 1609 (hand 
ſchriftlich im Staatsarchiv zu Stuttgart), btes Bud: Unno 1359 lebt Herr 
Dieterich Merhild, Nitter; ebb. unter den Jahrtagen der Mörbilde in der Gtifts- 
firde zu Ehingen: Item [annivers.] Werner Mörhildts, quondam Scalteti 
in Rottenburg u. j. w. Item Dieterich Mörhildts, filii predicti Wernheri 
Merhildts u. |. w.;, ebd. aus dem Todtenkalender zu den Carmelitern: Theo 
derici Mörbild, eines Ritters, Chriſtinä Mörhildin, feiner Hausfrawen, Wernher 
Mörhilts, des Schultheißen und feiner Hausfrawen, Renhardts von Wurmlingen, 
feines Baters u. ſ. w. (val. Beichreibung des Oberamts Rottenburg 216); ebb., 
Seelbuch des Spitals: Hic habeatur memoria Wernkeri Mörhild et Hainriei, 
sacerdotis, et Theodorici, filioram suorum u. |. w.; ebb.: Kofler Ror- 
balden ... obiit Theodoricus Mörhild u. f. w. As Schultheiß der Stadt 
Rotenburg fit dafelbft ein Weruher Märhelt öffentlich zu Gericht nach einer 
Urkunde von 1383 (Staatsarchiv, abſchr. dur Herrn Dr Schmid), als Land- 
richter nach einer von 1391 (Staatsardiv): Ich Wernher Märheld, ain frige 
lantribter ze Routemburg am Neder von mins gnädigen herren herzog Albrehtz 
hen ze Delterih ... gewalt tuon funt ... da; ich ge geribt faß uf dem hoff 
ze Rontemburg an der offenn frigen küng ſtrauß u. |. w. 

2 Stellen der vorigen Anm. ergeben: Bater Renhart von Wurmlingen, 
Eohn Wernher Mörbild, deffen Sohn Dietrich Mörhild. 


339 


fämmtlihe Marheldbegängniſſe ber Morizkirche von ber Stiftung jeneB 
vollgenannten Dietrih Märbeld in Wurmlingen ber Urkunde von 1323, 
mit welcher Ichon bie von 1261 in ben Benennungen übereinlommt, 
ihren Ausgang nehmen; das Lindwurmmwappen führen aud die Mär 
beide 1. [1,308] Der BWortfinn dieſes ala Geſchlechtsname feitgetuorbenen 
Beinamen in feiner echten Geftalt ift vollfommen Mar. Die ältefte 
Urkunde, von 1261, fchreibt ihn „merhelt“, die von 1301 befier „Märe- 
belt”, die von 1323 bat „Märbelt“, rein und nicht durch Einfügung in 
Internischen Text verfümmert geben ihn bie beutichen von 1296 uni 
1299: „Dieterich der Märehelt“; alfo buchftäblich mittelhochbeutfches „ber 
märe belt”, d. 5. der berühmte Held. In der anhaltenden Verbindung 
mit Dietrich kann aber bier kaum ein Anbrer gemeint fein, als der 
gepriefene Dietrich von Bern, der, gleich mehrem herrlichen Reden, 
in ben Helbenlievern jelbft als „ber märe, der belt märe” bezeichnet 
mb angerebet wird ? und befien vollsthümliche Berühmtheit faft ſprich⸗ 


1 Schon der Urkunde von 1299 (S. 337, Anm. 8) Hatte der Ausfteller Dietrich 
der Märehelt fein Inſiegel angehängt; ob basfelbe noch vorhanden oder tie es 
befhaffen, wird nicht angegeben. Die Siegel Dietrihs an der Urkunde von 
1923 und Balfans an der von 1339 Haben has Ungethüm. Bei Zug von 
Zugenbart a. a. D. ift das Wappen gemalt. 

2 Rlage 213 f.: des wart ir fiberheit getän | von dem Bernäre. | fd fprach 
ver heit märe u. ſ. w. Rab. 195: als fi) der Bernäre | des goldes under 
want, j ürloub nam der märe (vgl. der heit von Berne Rib. 2182. 2273. 2293. 
2801. Dietrichs Ylucht 8262). Bon Andern Nibelunge 375: ir Heike märe 
(ogl. 652). 1917: der märe heit quot. 1992: Nu löne dir got, Frinc, vil märe 
heit guot! 2216: die beide märe. Klage 207: der belt märe (ebenfo 718. 
1%01,. 449: märer belt guot! 458: heit märe! 917: den heit märe (ebenfo 
1048. 1949). 1298: vie beide märe (ebenfo 1980). 1461: Heibe märe. 2010: 
die ſtolzen hefoe märe. Gudrun (Bolimer) 848: ein märer belt ze finen handen. 
412: ter märe beit guet. 867: ein märer heſd guot. Dietleib 9086: der Het 
vil märe. 12321: der heit märe. Dietrichs Flucht 6476: helde märe! Hab. 67: 
der märe heit halt. 276: edel Heide [a. reden) märel 989: heit märe. Nuol. 
191, 21 (auch 236, 26): der heit mare. 194, 6: beide vil mare. 219, 16: 
der mare beit Ruolant. 219, 25: manc beit mare. 2823, 18: du heit mare! 
Selbſt im Barcival 268, 9: den küenen helden mären; vgl. 835, 17. Die 
Belegſtellen find bier gehäuft, um die Berbinbung des Adj. „märe” mit bem 
Eubf. „heit“ ala eine fo geläufige darzuthun, daR ihr der fragliche Beiname 
ungezwungen zufällt. Nicht zu überſehen ift auch das altnerbreitete ... mer ... 
mär in zufammengefetten Mannsnamen, wie Lintmär und Santınar neben ahd. 


340 


wörtlih darin ihren Ausbrud fand, daß von ihm die Bauern, der ge 
meine Mann, foviel fingen und fagen!. Auf biefen Helden bezogen, 
- erlangt der Name Dietrich erſt feinen anfchaulichen Berband mit dem 
[1, 309] Stamme der Wurmeringe, ihrem Wappenbild und ihrer Lind: 
twurmfage. Denn Dietrih von Bern war, gleich feinem Ahnberre 
Wolfdietrih, mit dem er in norbifchen Darftellungen, nicht ohne innern 
Sagengrund, gänzlich zufammenfällt, ein gewaltiger Drachentöbter und 
muß noch immerfort bis zum jüngften Tag in der Wüfte mit Würmen 
ftreiten, wie denn eben auch die Wurmkämpfe als Gegenſtand bes ge 
meinüblichen Singens und Sagens von ihm nambaft gemacht werben ?. 


Adj. lintmäri und Verb. liutmaͤran, mhhd. Subſt. neutr. lautmäre, Yelcındr 
und Dietmär neben altnord. Adi. Biodmerr. (Gr. 2, 571. Graff 2, 197. 
829. Benede 2, 785. Törftemann, altdeutſches Namenbud 1, 906 fi.) 

1 Aunales (Juedlinburgenses, dem Grundbeſtande nad un 1000 (Berk, 
Monumenta 5, 31): Amulung Theoderic dicitur u. ſ. w. Et iste fait Thideric 
de Berne, de quo cantabent rustici olim; zu diefem und den fich anfchließen- 
ben Beugniffen bei W. Grimm, Heldenfage 32. 281. 286. 808, kommt noch 
die Stelle des älteſten deutichen Zürcher Jahrbuchs: Anno domini CCCCC, 
umb daz felbe zit richindte Dietrich von Bern, von dem die puren fingent, wie 
er mit den wurmen hab geftriten und mit den helden gefodhten u. j. w. (Mit- 
theilungen ber antiquarifchen Geſellſchaft in Zürich 2, 60; vgl Mone, Quellen 
und Forfchungen 1, 178 f.); ſodann eine Aufzeichnung ans dem 1dten Jahrh. 
bei W. Wadernagel, die altdeutſchen Handichriften der Basler Lniverfitäts- 
Bibliothek S. 34: Dietrich von Bern, von dem die puren fingend; ferner die Mel- 
dung der Ehronik von Köln BL 895: Ind was der Deberih van Berne, van 
dem die bueren fo vifl ſyngent (Lerih in den Jahrbüchern des Bereins von 
Alterthumsfreunden im Rheinlande 1, 34). In den Heldengedichten ſelbßt. 
Dietrihs Flucht 2482 fi.: day ift der Bernäre, der mit maniger manbeit | 
alliu diu wunder Hät bejeit, | davon man finget unde feit. NRofengarten 1095: 
Ich [Kriemb,] Hören fint diner Tintheit [a. von diner küenheit ſo] vil fingen 
unbe fagen. Dietrich und feine Gefellen 162: vff bürgen, in fteten, in berffen | 
horte ich Rentw.] ime ie daz befte jehen. 

3 Beugniffe fiber Dietrichs Drachenlämpfe wieder bei W. Grimm, Helden⸗ 
fage 89. 234. 236. 250. 255. 281. 291; das neueſtens gebrudte größere Ge 
diät von Dietrich und feinen Gejellen, freilich eines der fnäteften und willlür⸗ 
lichſten dieſes Kreiſes, wimmelt von furchtbarem Gewürme, das unter bes 
Berners und Hildebrands Schwertſchlägen verendet. Der ſchwäbiſche Nitter 
Hermann von Sachfenheim, der in feiner 1458 verfaßten Mörin mehrmals anf 
Dietrid Bezug ninnnt, weiß and) von den fortdauernden Wurmlämpfen (Ausg. 
Worms 1539, BL. Ala): Man ſpricht, herr Dietherih von Bern | der leb in 


341 


Die Geſchichte des beutichen Namenweſens bei ben verfchiebenen 
Ständen und Genoſſenſchaften erheifcht einen beſondern Abjchnitt vom 
Auflommen der Beinamen an lehen⸗ und bienftberrlichen Höfen. Dafür 
bietet der ſtammverwandte Norden die alterthümlich einfachſten Vor⸗ 
bilder aus fagenhaften wie aus gefchichtlichen Heldenkreiſen. In ſolchen 
gibt der Hofherr dem eintretenden Gefolgsmann einen neuen Namen 
oder einen Beifah zu dem bisher geführten, wodurch der Mann von 
gleichnamigen Genofien unterſchieden, überhaupt ausgezeichnet und zu⸗ 
gleich dem neuen Verhältniſſe wie ein eben erſt Geborner eingekind⸗ 
ſchaftet wird; man hieß das „den Ramen mehren“ oder „Tängern“ und ein 
Geſchenk des Herrn, bie „Ramenfefte”, am liebften ein Schwert, fortan 
dem Dienfte des Gebers geweiht, war das fichtbare Zeichen bes ges 
Ihlofjenen Bundes 1. Solche Ramen[1, 310]mebrungen, in Ernft und 


wäßter rumenei | vnd fecht all tag mit würmen brei (vgl. Etzels Hofhaltung 
Str. 192. Mone, Unterfuchungen 66). Über das Singen der Bauern vom 
Burmftreite die Stelle des Zurcher Jabrb. in voriger Anm. Den Namen Wolf 
dietrih, der nur ans ter Heldenfage ſtammen kann, führt im 16ten Jahrh. ein 
Angehöriger des zu Wurmlingen begiiterten Adelsgejchlechts Megiter (Cruſius 8, 
115, vgl. 736), über deſſen Zufammenbang mit den älteren Wurmlingern jedoch 
nichts erhellt; ein Wolſdietrich aus dem 18ten Jahrh. Heldenfage 161, einige 
aus dem 16ten in Mones Anzeiger 5, 144. 8, 488. 

1 Fornald. 8. 1, 72 (8. Hrölfs kon. Kraka C. 86): konungr segir... 
ok nü vil ek hann heiti eigi Höttr lengr ok skal hann heita Hialti uppfr& 
Pessu; skaltu heita eptir sverdinu Gullinhialta (ogl. Nib. 1722, 2: daz ger 
hihze was guldin); ber König feib empfängt feinen Beinamen 1, 86 (C. 42): 
ok sem bessı madr [Vöggr] kom fyrir Hrölf konung, b& meeiti hann: 
Punleitr er bessi madr ok nokkr kraki t andlitinu, eda Er betta konungr 
ydarr? Hrölfr konungr melti: nafn hefr hä gefit mör, bat sem vid mil 
mun festagt, eda hvat gefr hä mör at nafnfesti? (Bgl. En. Edda, Arnam. 
1,892. Sayo 2, 81.) Wie die zwei Halföreden, Vrüder des gleihen Namens 
Steinn, als Innsteinn und Ütsteinn unterſchieden werden, |. Fornald. S. 2, 
37 (8. af Half C. 10); Ähnliches von zwei andern gleichnamigen Brüdern in 
Halfs Gefolge ebd. 2, 86: hät annarr Hrökr hinn svarti, en annarr Hrökr 
hion hrid. Ferner wie An bogsveigir (Bogenkrümmer) und fein Sohn borir 
baleggr (Hochbein) zu ihren Beinamen kommen, Fornald. 8. 2, 831 f. 369 
(Ans 8. 6.3. 7 [vgl. eben &. 108. H.)). König Olaf Tryggvafon als Ramen- 
geher an Stalden und wehrhafte Dienfimänner, Forum. S. 2, 51: En er 
samt um viärnefnit, segir Hallfredr; hvat gefr hä mör at nafnfesti, ef 
ek skal vondrzedaskald heita? Konungr svarar: 58 ek at betta vill hä 


342 


Scherz, aus Geftalt und Eigenfchaft des Zugenannten, aus einzelnen 
Borfällen, überall frifch aus dem Leben und der Eingebung des Augen: 
blicks gegriffen, darum an ber Perfon des Empfängers haftend und 
für Übertragung auf die Nachkommen nicht zum voraus beftimmt, find 
auch als die Grundlage der Zunamenbildung zu betrachten, mie biee 
fett dem 12ten Jahrh. beim deutichen Lehen: und Dienftabel in fort 
fchreitendem Wachsthum, aber auch immermebr ber urjprlinglichen Weile 
fremd getworden, zu Tage tritt. Befonbrer Anläfle wird fo wenig mehr 
gedacht, als irgend einer Yörmlichleit nach Art ver Gefellentaufe bei 
den Handwerkern und wohl auch der Namengebung in ver Singfchule, 
benn bie Beinamen, zivar als ſolche durch vorgefeßtes „dietus, «ugno- 
mine, genant, den man nemnet“ u. f. iv. noch Tenntlich gemacht, ftchen 
doch überall fertig und meift fchon anererbt, als Geſchlechtsnamen, in 
den Urkunden. Aber auch fo noch fprechen fie ihren reinperfönlichen 
Urſprung gröftentheils vernehmbar aus und daß fie dem Erftbenannten 
burch Zuruf der Genoſſenſchaft, am nahbrüdlichften aus dem Munde 
des Dienftberen felbit aufgeprägt murben, macht eben ihr fürmlicher 
Gebrauch in den vom Heren und den Mitvienftleuten beurkundeten 
Handfeften wahrfcheinli 1. Dem perjönliden Bezug entſpricht auch 
die neckiſche Laune und gejchäftige Einbildungskraft, woraus mandıe 
dieſer Namenihöpfungen hervorſprangen. Man wird bad nicht ber 
Tennen, fo ungewis bie eigentlichite Veranlafiung bleibt, wenn z. B. 
Lehenträger oder Dienftmänner ver Pfalzggrafen von Tübingen bie 
ftändig gewordenen Zunamen führten: „Sunnundalp“, Sonnenläfer ?, 


kenningarnafn eiga, ok bigg hêr af mör sverd hbeldr fridt u. ſ. w. 3, 88: 
Konungr svarar: nü mun ek lengja nafn Pitt, ok kulla pik porleif iar- 
laskald ... vil ek gefa ber skip 1 nafnfesti med mönnum ok reida x. f. w. 
3, 188: Konungr melti B&: mun ek nä auka nafn Pitt, ok kalla Pik 
Dorstein uxaföt, ok här er einn hringr, at ek vil gefa ber at nafnfesti. 
3, 203: Konungr svarar: nü skal auka nafn Pitt, ok kalla Dik Porstein 
skelk hedan af, ok er hör sverd, at ek vil gefa per at nafnfesti. 

1%. Grimm, über eine Urkunde des 12ten Jahrh., Berim 1852, ©. 20, 

2 Urkunde des Pfalzgrafen Rudolf II von 1228, auf Burg Herrenberg: 
cum Rodegerus de Rosenowe predium in feodo tenuisset de manu nobilis 
viri Algoti Sunnunchalbi in villa Nuzdorf super lacum pothamicum sita 
. etidem Algotus idem prasdium de manu nostra titulo feodali tenuisset u. f. w. 
(Schmid, Url. 8. 14). Eine anſehuliche Urkundenreihe von 1206 bis 1259 gibt 


343 


„diu [1, 311] Letanie“, Litanei !, „din Nixe“?. Neben fo abenteur: 
lichen Kennzeichnungen kann es nicht wundern, auch einer auf bie deutſche 


biefen Adelsnamen Sunnundalb, Sunnuntalp u. f. w. theil® unmittelbar hinter 
deu Zanfnamen, theils mit vorgefetem cognomento oder dietus (Bader, Marl« 
graf Hermann V von Baden 77, wol. 83 bis 86. Mone, Zeitſchrift 2, 75. 85. 
83. 99. 3, 69. 470. 472 f. 4, 246. Monumenta Zollerana 178). Zur - 
Deutung des Worts Myth. 688: „coccinella septempunctata u. ſ. w. gottes- 
talb, Herrgottstalb u. |. w. Marienkälblein“; E. Meier, Kinderreime aus Schwaben 
Nr 72: „Sonnewögele‘, Nı. 74: „Frauekühle“ KTobler 205 a); Notter Pf. 104: 
junchener (Hattemer, Denkmäler 2, 880 5, Graff 4,878. 6, 240 f.). | 
1 Bfalzgräflihe Urkunde “on 1287: Marquardo, dicto Letania (Schmid, 
u. 3. 58); 1296, Abſchrift: din Latenij von Nippenburch (ebd. 202); 1297: 
Fridericus de Nippenbure, dietus Letanıe (ebd. 108, vgl. ebd. 84.108). Für 
litania ſchrieb man im Mittelalter aud) letania, altfranz. letanie, deutſch: der 
pfalıne was Davies letanie (Schiller, glossarium 536; vgl. Maßmann, deutſche 
Gedichte des 12ten Jahrh. 63). 
2 Bfalzgräfliche Urkunden von 1285 und 1286: Agilwart, dicius diu Nixe, 
mil, (Mone, Zeitſchrift 8, 448. 445. 448); non 1286: Aigelwardo, milite, dieto 
Nize (Schmid, U. 8. 60); Urk. von 1328 mit Giegel, 1336 und 1337: berre 
Johannes, [gemant] din Nire [ritter], von Schafehufen (Schmid, U. 8. 159 f. 
155. Staatsardiv); 1838: Hans Nire (Staatsarchiv); 1346: her Johans din 
Nire, ein ritter (Mone, Beitfehrift 6, 344); doch auch ſchon in einer Urkunde 
von 1327: hern Johannes des Nigen, ich Sohanıes der Nire, im Siegel Joha. 
dieti. Nix (ebd. 6, 191 f.), ſodann 1843: herre Johanns der Mire (Monu- 
menta Zollerana 297, vgl. 296); noch mehr zum Geſchlechtsnamen verhärtet 
1410: Renhart Rir, genannt Entberg (Monumenta Zollerana 526 f.), 1459 ff: 
Rig von Hohened, genannt Enzenberg, Bifchof von Speier (Mone, Zeitſchrift 3, 
444), 1461: der vefte Wilhelm Nix von Hohened, genannt Nutzberger (Befolo, doc. 
red. 590), um 1512 fogar Frau Margreth Nirin, Abtiffin des Kloſters 
Franenald (Mone, Zeitichrift 3, 489). Die Siegel an den Urkunden von 1327 
und 1328 ergeben nichts für den Sinn bes Zunamens. Un eine feenhafte 
Undine ift bier laum zu benlen. Abd. @loffen flellen nihhus zu crocodilus, 
eine aud) zu fem. corcodrille (Graff 2, 1018 f., vgl. Gr. 2, 274. 1000. Myth. 
456); dem ahd. Phyſiologus iſt daz nifhus, wieder das Krofobil, ein Bild des 
Todes und der Hölle und es fließt ſich taran der Abſchnitt „von dem tieren, 
tie da heizzent Sirenen, totfurgiu tier fint” (Karajan, deutſche Sprachbentmäler 
des 12ten Jahrh. SO f.; vgl. Hoffmann, Fundgruben 1, 25. Dintifla 3, 25 f. 
MS. 2, 252 a: wie fleze iſt Sirenen bön und ark bes cocatrillen zom, | oud 
drachen vinrin kel u. |. w.), und wenn Konrad von Würzburg „der vertänen 
wazzernixen“ mit der frommen Bitte gedenkt, „daz uns ir geböue iht ſchade“ 
(MES.2, 8116), fo treten diefe eben Hieburch als die Sirenen bezeichnete Weſen 
auch ihm in eine Meihe firmbilblih auf die Gebeimniffe des Chriſtenthums 





344 


Helvdenfage bezüglichen zu begegnen. In biefelbe Zeit, zu welcher exfs 
mals ein Märehelt urkundlich auftaucht, fällt die Jugend bes berühmten 
Grafen Albreht von Hobenberg und Haigerlob, unter welchem bie 
Reuſtadt Rotenburg erftand und der auch ſchon 1268 über Güter im 
nahen Wurmlingen lehnsherrlich verfügte; von diefem in Sarg und 
Schrift der Zeitgenofien bochgepriefenen Kriegshelden! wurbe gejagt, 
er fei einer der zwölf Kämpen, was mit gutem [1, 312] Schein auf vie 
zwölf fiegreihen Einzellämpfe Dietrichss von Bern und feiner Reden 
im Rofengarten zu Worms bezogen wird 2. Verglich man einen tapfer 


bezogener Thiere mit fabelhaften Eigenſchaften. Symboliſche Nifhusbilder ſtanden 
aber am alten Bau von Schwärzieh, wie heute noch (©. 886), fo ſchon zu 
der Zeit längft vor Jedermanns Augen, ala am Hofe zu Tübingen Herr Agil- 
wart bin Nire Zeugſchaft ausfellte. oder im nahgelegenen Reuften Herr Johannes 
din Nire an des Reiches Straße mit bem Grafen zu Gerichte ſaß. Die ſcherz⸗ 
bafte Bergleihung mit der Nifhes wird weniger befremden, wenn man bei 
Walther Tieft, weiche Beichnung der „wunderliche“ Herr Gerhart Abe fi am 
Thüringer Hofe gefallen laſſen mufte: im gent din ougen umbe als einem 
affen, | er ift ala ein guggaldei geichaffen u. |. m. (Walther v. d. Vogelw. 82, 
17 fi. vgl. 104, 7 ff.) 

. 1 Aldertus Argent., Urfiifius 2, 106: Albertus vero priedictus multa bona 
fecit tempore suo et Jaudabilia. Fuit bellicosus, animosus et probus et 
cantatum fait a quodam magistro, qui dicebatur Kumier [?], quod idem 
Albertus esset snstentacalum Romani imperii [et] totius Suevie. Ottadı 
Cap. 71: ez wirt in Swaben lant | nimermer geporn, | da fo vil an werd ver 
lorn, | als an im, der bo iſt tot. Konrad von Ammenhauſen (Kurz und Weißen 
bad), Beträge, 52): von Hochenberg graf Albrecht, | der was an afle jchanbe 
ſlecht | und zuo der welt gar ein heit. Über ihn v. d. Hagen, Minnel. 4, 8 fi. 
Fr. Bfeiffer, Heingelein von Konſtanz VII fi. 

2 Albertus Argent. 1 c.: De animoso et probo comite Alberto de Haiger- 
loch et Hobenberg, qui dicebatur esse unus de XU pugilibus. 8. d. Hagen 
a. a. O. 85 Im Rofengartenliebe wird vielfach der Zwölfe gedacht, 447 
(8. Grimms Ausg): Noch häten fie niht alle die zwelfe üzerlorn; weiterhin 
fagt Hildebrand 527 ff.: der beide Han wir elfe, die int der märe frö, | wolbefn 
den zwelften daͤ beſtaͤn, vil lieber bruoder Ilſd u. |. w. | wär eg, daz uns ge 
Iunge, ber näd über täfent jär | man von ums feit umt junge; daz fagen id 
dir viir wär; and in Überfhriften, S. 58: Hie kempet den eilften [famp]) her 
Dietrih und Sifrit von Niderlant. S. 6b: Hie fehtet Hiltebrant und küneg 
Gibeche den zweiften kamp. Bgl. Ottad. Gap. 161 (Heldenf. 170): dech wigget 
ficherliche, dag von Bern her Dieteriche | follich ellen nie wart jchin | gegen 
Sifrit, dem hürnin, | ın dem rofengarten. 


345 


Fechtenden überhaupt gerne mit Dietrich von Bern, fo lag, wenn er 
ſelbſt Dietridy hieß, der Gebanle an ben Berner doppelt nahe, wie dieß 
der nieberrheinifche Dichter bewährt, welcher den fchwertichwingenven 
Dietrich von Kirnsbetg in der Schlacht bei Göllheim dem andern 
Dietrich gleichflellt, der von Berne genannt war !. Der Nitter von 
Wurmlingen, der zuerfi als Dietrich der märe Held begrüßt und hie⸗ 
durch bon den andern Dietrichen bes dortigen Dienftabels ausgezeichnet 
wurde, muß gleichfalls ein ftattlicher, ſtreitbarer Mann geivefen fein. 
Ausgeiprochene Dietrihe von Bern find nun aud von 1120 bis 
1373 in Urkunden aus Weftfalen und von der Mofel, aus Augsburg, 
Dberbaiern und vom Oberrhein nachgewieſen?; ob zwar in jebem dieſer 


1 Godefr. Hagen, Reimdronil der Stadt Cöln 4754: als Dederich van 
Berne fi ſtreden, ebb. 5003 f.: Ähnliches bei Andern. Maßmann, Bruchſtücke 
vom Riederrhein in ber Zeitfchrift für deutiches Alterihum 8, 24: van Kirens⸗ 
burg Deiderih, | deme andren Deiderich gefich, | die van Berne was ge 
nant; | fin fwert dat geinc an finer hant, | dat got felve vrachde mere, | we der 
ritter were; | die engele muſten lachen, | da hei is ſus kunde machen. 

3 Die Belege find der Beitfolge nach diefe: 1) 1120, Urkunde aus Corvei 
coram subscriptis testibus ... Thiedrico. Bern. Thietmaro. ministerialibus 
... Thiedrico un. |. w. (Halle, tradit. Corb. ©. 214. Mone, Unterfuchungen 66. 
J. Grimm, über eine Urkunde des 12ten Jahrh., ©. 19 f.); ich leſe Thiedrico 
Bernensi und ändre Thietmaro nicht in Thietmari sc. filio, was den Beinamen 
zu jehr dehnen würde, ‚die Heldennamen Dietrichs und ſeines Vaters Dietinar 
binden fich in dem weſtfäliſchen Geſchlechte nicht mehr an dieſe genealogiſche Ord⸗ 
mung (vgl. ©. 837, Anm. 2: Dietrieus et Diemo, fratres), weiterhin zeugt noch 
ein einfacher Thiedricus, von dem ſich der vorhergehende eben durch den Zu⸗ 
namen unterfcheidet (ogl. &. 887, Anın. 8: Dietericus, dietus Merrhelt ... Dietrici, 
fratris mei). 2) 1162 ooram multis Augustensium civibus ... Cives ... 
Dieterich vone Berne u. ſ. w. (Monumenta boica 83, 1, 42. Haupt, Zeitſchrift 4, 
579). 8) 1175 Dietricas Veronenesis, Zeuge für das Kiofter Bollingen (Öfele, 
rerum boicarum scriptores 3, 8306. Mone, Unzeiger 8, 434). 4) und 
5) 1265 Urkunde von Kochem an. der Mofel, ald Zeugen Th. de Elenze. Th- 
[Theodericus] de Berne, milites, dann in einer folden von 1297 als Aus«- 
feller ego Sewardus, armiger, filius quondam Theoderieci, militis in Kocheme, 
dietus de Berne (@finther, cod. dipl. rhenomosell. 2, 344. 519. Lerſch 
a. a. D. 83, vorher ausführlich über Bonn-Berona J. Grimm a. a. D. 20); 
auch Hier iſt nicht geboten, dicti zu feßen, der erblidh gewordene Zuname mufte 
auch andre Bornamen bulden und wenn der verftorbene Bater in ber Kochemer 
Urfaunde von 1265 als Dietrich von Berne, Ritter (neben dem vielleicht ver- 
wanbten Dietrich von Elenze), bezeichnet war, fo konnte 1297 fein Erbe füglich 


346 


Fälle dem [1, 313] Bornamen Dietrich der Zuname von Bern, wie dort 
„des märe belt“, aus ber Dietrichsſage felbft angewachſen, ob nicht ein 
Bürger zu Augsburg oder ein Geſchlecht am bairifchen Gebirge nad 
feiner Herkunft aus der Marl Verona, eines zu Kochem nad ber fei- 
nigen aus Bonn⸗Verona, benannt worden fei, bleibt ungewis, aber 
das ergeben die manigfachen Borlommnifle, dab der Mannöname 
Dietrih und der Drtöname Bern fortwährend einander angezogen 
haben, und der Grund biefer gegenleitigen Anziehung kann nur darin 
gefunden werben, daß bie Helbenfage dem allgemeinen Bollsbemuft: 
jein ftet3 gegenwärtig vorſchwebte 1. 

Am oberen Nedar felbft, defien Anwohner die Märhelde waren, 
läßt fih, ziemlich aus berfelben Zeit, eine ganze Sippfchaft ſchwäbi⸗ 
ſcher Dietrihe von Bern aufweiſen. Es find diejenigen, weldhe auf 
der Burg zu „Berne“, außerhalb der Etabt Rotweil über dem Nedar 


Seward, genannt von Berne, Sohn weiland Dietrichs, Ritters zu Kochen, heißen 
(vgl. ©. 337, Anm. 3: ich Dietrich) der Märcbelt von Wurmelingen ... Bene 
fälige der Märehelt, min bruoder). 6) 1828 „Dietrich Berner (wie oben Ber- 
nensis, Veronensis) zu Gerberäweiler im Elſaß. Schwarz. Buch vom Beuggen 
Fol. 237% (Mone, Anzeiger 5, 144). 7) „m Jahr 1878 kommt in emer 
Urkunde von Sädingen als Zeuge vor: vnt Dietrich von Bern von NRinfeen 
Schwarz. Buch von Beuggen Fol. 128” (Mone, Unterfuchungen 66). Nicht 
mitgezählt ift aus dem Anzeiger 4, 414: „Signum Theoderici Bernensis" mit 
Berufung auf eine Urkunde von S. Amand bei Balenciennes, unter dem Abt 
Abſalon; nad einer durch Liebrechts Vermittlung aus dem Archiv zu Lille a- 
baltenen Abſchrift der Nr 86 im 2ten Band des Cartulaire de Saint-Amand 
lautet die fragliche Unterfchrift in diefer Urkunde von 1142, worin ber venera- 
bilis abbas Absalon genannt if: 8. Theoderici comitis Flandrie; auch im 
Berzeichnis des Gartulars ift fein Tb. Bernensis gefunden worden. 

1 Die Heldennamen find, wie andre, altes Gemeingut, und tie Annahme 
abſichtlichen Bezugs auf die Sage muß je durch nähere Anzeigen unterftügt fein. 
Sigifrid, Chriemhilt, Brunhilt, Kundheri, Hagano u. ſ. w. in ©. Galler Ur 
kunden einzeln vorlommend, beweifen noch nichts für alemanniſche Aneignung 
der Nibelungenfage, dagegen kann es nicht für bloßen Zufall angejehen werden, 
wenn berlei Namen, zugleich mit dem fränkiſchen Stamm- und Bollsnamen 
Ribelung, in Urkunden, welde Worms, den Wormsgau und defien Rachbar- 
gaue betrefien, befonders häufig find und manchmal ihrer mehrere beifamumen 
ſtehen; ebenfo erlangen die Dietride von Wurmlingen erfi dur den hinzu⸗ 
tretenden „Märehelt“, andre erft durch den Beifab „von Berne“ ein Anrecht anf 
den Helden der Amelungenfage. 


347 


gelegen, ihren Sit hatten und in einer Reihe von ihnen außgeftellter 
oder auf fie bezüglicher Urkunden aus den Jahren 1289 bis 1861 mit 
jenem vollen Namen zu Tage treten 1. [1, 314] Hiebei ergeben fich die 
geſchichtlichen Umſtände: daß im Jahre 1289 Dietrich, ein Ritter, und 
Ludwig, Gebrüder von Berne, mit ihren Bettern Kuonrat und Gerung, 
auch Gebrübern von Berne, über die um ihre Burg zu Berne gelegenen 
Güter, darunter das Bernerfeld ob der Burg, ſich gütlich vertragen 2, 
dag im gleichen Jahre biefelben Gebrüber von Bern, Dietrich und 
Ludwig, den Markgrafen Heinrich von Hachberg mit „vnſer herre“ und 
dadurch fich als feine Lehens⸗ oder Dienftleute bezeichnen ?, daß 1330 
Dietrih von Berne ald Bürger zu Notweil vor dem dortigen Gerichte 
verhandelt, was 1336 und noch 1361 miberlehrt 4, daß 1334 „ber 
erbar Ineht Dietrich von Berne, unfer lieber biener,” feine Burg Bern 
mit Zugehörbe von dem Grafen Gotfrid von Fürftenberg zu Lehen hat, 
daß 1355 die Grafen Heinrih und Hugo von Fürftenberg ihrem lieben 
getreuen Diener Dietrichen von Bern um ber getreuen Dienfte millen, 
bie er ihnen und ihren Vordern gethban, feine Burg Bern, die er und 
feine Vordern von ihnen und den ihrigen biöher zu rechtem Lehen ge: 
habt, zu eigen geben, daß, wie ſchon 1289 der Stamm veräftet er- 
ſcheint, aus ber einen Burg zu Berne brei abgetheilte Burgfitie geworben 


1 Die über diefes Gefchlecht zu meiner Kenntnis gelommenen Urkunden mit 
dem Namen Dietrich von Berne flellen fi den Jahren nah fo (bei mehreren 
vom gleichen Jahr ift ihre Zahl angemerkt): 1289 (2), 1380, 1884, 1886, 
1854, 1355, 1356, 1357 (2), 1361. Sie befinden ſich im Staatsardive zu 
Etuttsart, mir Ausnahme einer von 1289, die ich befonders angeben werde. 
Ohne Jahrzahl zum 28 Aug. „D. Dietrih von Bern“ im Anniverfarienbudh des 
Kloſters Maria⸗Hof hei Neidingen, berausg. von Fickler 2, 11 (vgl. ebd. 1, 
34 f. 45. 2, 14, U. 2). 

2 Urkunde vom 15 Juni („in brachade“) 1289 mit dem Siegel der Stadt 
Notweil n. a. im Staatsardiv. 

3 Bader in Mones Beitfährift 2, 380 f., vgl. Gerbert, histor. silve 
nigre 2, 18. 

4 Diefe drei Urkunden im Staatsardyiv, die von 1361 aud nad Band 5 
der fogen. Armbruſterbücher zu Rotweil „offer dem Alperspocher Rotten Biechlin 
gezogen“. Fol. 168, mir vom Herm Rector Rudgaber abfchriftlich mitgetheilt, 
vgl. deffen Geſchichte von Rotweil, Band 1, Vorr. X. 

5 Die Urkunde von 1334 „ze Ürfelingen“, die von 1355 „ze Haßlach“ aus» 
geftellt, beide im Staatsarchiv. 


348 


find, die in drei beſondern Berläufen, von 1357 und 1365, aus dem 
Befi der Ebelleute ablommen, zivei an bad Klofter Alpirsbach, der 
dritte an einen Bürger von Rotweil und von diefem 1377 an bie 
Stabt!, daB endblih 1417 die geiftlihen Herren von Alpirsbach 
[1, 315] urkundlich verfprehen, die von Rotweil auf keine Weiſe darum 
zu bebelligen, meil biefe vor Jahren die Veften zu Berne gebrochen 
baben *. Trümmer biefer Burgfige jollen noch in neuerer Zeit ſicht⸗ 
bar geweſen fein ?, der Name bes ritterlihen Geſchlechts aber begegnet 


1 Urkunde im Staatsarchiv, gegeben „aht tag nad) jant Benedicken tag 1357", 
wonach vor dem Hofrichter, ber auf dem Taiferlichen Hofe zu Notweil zu Ge 
richte jaß, „ber frome erber man Dyetrih von Berne“ und deffen Töchter Anna 
und Hailwig, diefe mit Bewilligung ihrer Vögte, ben Halbtheil der Burg Berne 
mit aller Zugehör zwiſchen dem vordern und dem Hintern Graben und mit dem 
Bühel ob der Burg an Alpirsbach um 180 Pfund Heller verkauften; ebenbort 
Urkunde vom gleihen Jahr 1357, „aht tag nad fant Joh.⸗tag ze Süngihten“, 
über die Verhandlung vor Schultheiß und Gericht zu Rotweil, mittelft welcher 
Hug von Tannegge, Bürger daſelbſt, und Abelbait von Berne, feine ehliche 
‚Hausfrau (ebenfalls eine Tochter Dietriche), mit Willen ihres Vogts, auch ihren 
Halbtheil der WBurg zu Berne mit ZIngehör „inrenthalp den graben, als ber 
grabe get, vncz an ben Neler“ u. |. w. benfelben geiftichen Herrn zu Alpirt- 
bad, ſelbſt ſchon Bürgern zu Rotweil, um 250 Pfund Heller zu Laufen gaben. 
(Abfehriftlich ſtehen dieſe zwei Urkunden auch im Lagerbuch der KL. alpirsbach⸗ 
ſchen Pflege Rotweil, Staatsarchiv, unter: „Bern das Burgftall*.) Einer noch 
übrigen „hinderen Burg ze Berne” entäußerten fi erfi 1365 Hermann und 
Beter von Bern, Peters Söhne, an Berchtold Boller, Bürger von Rotweil, 
dem fie 1377 die Stadt wieder ablaufte (v. Lagen, Beiträge zur Geſchichte 
der Stadt Rotweil, daf. 1821, ©. 348 f.; über letztere Verkäufe liegen, nad 
Rudgabers briefliher Bemerlung, eine Schufburkunde Bollers gegen Notweil 
von 1865 und der Kaufbrief von 1877 im ſtädtiſchen Archiv). 

2 Bergleichsurkunde zwifchen der Stadt Rottweil und dem Klofler Alpirs- 
bach von 1417, abſchriftlich im vorgebachten Lagerbuch BL. 8: „Es if and mit 
namen beredt vnnd gedinget von deswegen, alls wir eegenannten von Rottweyl 
die vefinan [acc. pl. vgl. Schmeller, Mundarten 8.858. Ebd. Wörterb. 1, 
576] au Berne vor ettwienil zeiten vnnd jaren gebrochen haben, das ba die 
vorgenannten herrn zue Alperspach noch ice nachlhomenden vnms noch vnnßere 
nacfhomenden von desſelben brechens wegen nun hinnenthin aud nit zu⸗ 
ſprechen, noch vnß khains wegs barumb nit befhlimbern noch beirendhen follendt 
noch wellenbt* u. ſ. w. (vgl. Langen 849). 

8 Langen 847. Das „Bernerfelb” in ber Urkunde von 1289, auch in einer 
von 1458, als no gebräuchliche Benennung bei Audgaber 1, 88. 


u 


349 


in der vordern Hälfte bes 15ten Jahrh. anderwärts unter den Vafallen 
von Wirtemberg 1. 

Wieviel es Dietriche waren, unter welche bie mit ihrem Namen 
außgeftatteten, einen Zeitraum von 72 Jahren umfafienden Urkunden 
fih vertheilen, ift nicht genauer zu entnehmen, doch muß ber 1289 
bereit3 als Ritter urkundende ein anbrer fein, als „ver erbar kneht“ 
in bes Hanbfefte von 1334, der auch bier, wie in derjenigen bon 1355, 
als fürftenbergifcher Diener bezeichnet ift; von beiben wird ber Bürger 
in Rottweil zu unterjcheiden fein, der 1330 einen Gültenverlauf be: 
tätigen läßt und einerlei fein Tann mit demjenigen, ber in gleicher 
Eigenfchaft und vor demfelben Gerichte, laut Urkunde von 1357, in 
Gemeinfchaft zweier Töchter, den Halbtheil der Burg zu Berne an 
Alpirsbach verlauft und 1361 noch befonders „durch finer fele baile 
und aller finer vorbern felan hailes willen“ dem genannten Kloſter 
Ader und Halden, „alles daz, daz er ze Berne hatte“, vergabt, was 
auf einen Mann von weitvorgerüdten Alter fchließen läßt ?. 

In diefem Gefchlechte beruht der Beiname „von Bern“ auf einem 
wirklichen Befigthum, einem örtlich ermittelten Stammgut. Damit 
ftehen aber die Burgen am Nedar noch nicht außer dem Bereich ber 
Sage. Die eine der beiden älteften Urkunden, von 1289, gibt bem 
Drüderpanre Dieirich und Ludwig von Berne den Markgrafen Heinrid) 
bon Hachberg zum Herrn, wohl zum Lehnsherrn, gleich den fpäter ein: 
tretenden Grafen von Fürftenberg, und das angehängte Siegel Lud⸗ 
wigs von Berne zeigt den hachbergifchen Schrägballen mit etwas Ber: 
zierung ®; da überdem ſchon um 1203 im [1, 316] Nobel von St. Beter, 
eines Hausftiftung und Begräbnisftätte der Zäringer, ald Zeuge in 


1 Als folder Wilhelm von Berne 1420, 1482 und 1485. 

2 Im Eingang der lirfunde von 1830, 1386 und 1361 thun der Schult- 
heiß, der Burgermeifter und bie Richter zu Rotweil fund, „das vor Uns ftuont 
offenlich ze Rotwil vor gericht Dietrich von Berne, Unſer burger“ oder „der erber 
man Dpetrih von Bern, linfer burger“ u. |. w. Das tft zwar herlömmliche 
Formel, aber in die noch fagenlundige Berfammlung fpielte doch wohl auch 
das Gedächtnis des Helden herein, von dem es im Liede heißt (Alphart 72, 
vgl. 69): „da ging der vogt von Verne vor fin veden in den ſal“ u. f. w. 

5 Auch das an Urkunden von 1380, 1886, 1864, 1856, 1357 und 1361 
erhaltene Siegel des Notweiler Bürgers Dietrich von Bern hat dieſen Echräg- 
ballen mit drei fogenannten Eifenhütchen. 


350 





Gegenwart des Herzogs Berthold und feines Sohnes Rudolf, ein 
Burchardus de Berno vorkommt 1, fo iſt wahrſcheinlich gefunben 
worden, „daß obige Gebrüber einem alten zäringiſch-hachbergiſchen 
Dienſtmannsgeſchlechte angehörten, befieg Name mit ber Stadt Bern 
und der Mark Berona zufammen hängen bürfte” 2. Gerade diejenige, 
jüngere Linie des Haufes Zäringen, welche ven Titel Marlgrafen von 
Verona führte, nahm auch als befondres Wappen ven rechten Schräg 
balten an und ber in jener Urkunde von 1289 genannte Markgraf 
Heinrih war Gründer der auf die Herrichaft Huchberg weiter abge 
theilten zaͤringiſchen Nebenlinie der Markgrafen von Hachberg?. Daß 
im Namen ber durch Berthold V von Zäringen 1191 gegründeten 
Stadt Bern eine Erinnerung an die Marlgrafichaft Verona (bei den 
Deutſchen Bern, Dietrichöbern) gelegen fei, die fein Ahn Berthold I 
von 1061 bi8 1073 inne hatte, ift um fo glaublicher, als basfelte An- 
denfen auch in dem beiagten Titel lange noch erhalten blieb *. Die 
berniſche Ortsfage, wie fie vorn im 18ten Jahrh. aufgezeichnet ift, Täßt 
zwar den Herzog Berthold feiner neuen Stadt Namen und Wappen 
nad dem erften Thiere geben, dad man im bortigen Eichwalb fieng, 
einem ſchwarzen Bären, es wird aber noch weiter gemelbet, daß beim 
Holafällen gerufen und daraus ein gemein Sprichwort geworben fei: 
„Holz, laß dich houmen gern, | wann bie ftabt fol heißen Bern!“ >, 
was doch nur dann verftänblid ift, wenn an diefem Namen fchon ein 


1 Leichtlen, die Zähringer, Freiburg 1881, ©. 64 f.: Rotul. San-Petrin. 
1%03, 88 9. 10. 

2 Bader in Mones Beitfchrift 2, 830 f.; da übrigens im Rotul. San-Petr. 
$ 9 der Zeuge Yurfard von Bern ben liberis hominibus zugezählt wird, fo 
iſt Schon hier eher Lehenz- als Dienſtmannſchaft anzunehmen. 

3 Stälin 1, 561. 2, 302. 806 f. 

4 Stälin 2, 296. W. Wadernagel, bie deutſche Heldenfage im Lande der 
Zähringer und in Bafel, Zeitſchrift fiir dentſches Altertum 6, 157. Ebd. 
Geſchichte der deutſchen Litteratur &. 110, 61). Baber a. a. D. Bei Meier 
Boppe vor 1280, MS. 2, 383 a: „von Baden und oud von Berne den alten 
and den jungen” (vgl. Stälin 2, 213, W. Wadernagel, Zeitſchrift für deutſches 
Alterthum 8, 847 f.). 

5 Gonr. Juſtingers Berner-Ehronif, herausg. von Gtierlin ımd Wyß. 
Bern 1819, ©. 10f. Bgl. Stumpff 2, 248. Tſchudi 1, 94 f. Berthold IV, 
Vater des Erbauers von Bern, hatte zuvor fchon im Üchtland eine zweite Stadt 
Freiburg gegründet (Stälin 2, 296). 


351 


befondrer Glanz haftete, ein folcher, wie ihn die Markgrafenwürde 
und mehr noch die gemeinktundige Helbenfage verleihen Tonntee Mah—⸗ 
nungen an bie Dietrichöfage, die den Zäringern in ihrer heimiſchen 
Umgebung tor Augen flanden, find nachgewieſen aus den Nachrichten 
von einer alten Malerei an ber jettt abgebrochenen Schloßlapelle zu 
Burgdorf, beſonders aber in den Steinbilbern eines Säulenkapitells 
vom Anfang des 12ten Jahrh. im Münfterhore zu Vaſel, beiden Orts 
Darftellungen eines Ritterd, der einen andern aus dem Schlund eines 
[1, 317] Drachen erldft und in Burgdorf als der auch in die nordiſche 
Thiohrilsfaga eingetretene Held Sintram genannt war, in Bajel aber 
durch den Schild mit dem Löwenbilde ſich als Dietrich ſelbſt kenntlich 
madst 1. Geſchah es nun nach dem lehnherrlichen Beifpiel, daß ein 
zäringiicher Vaſall feinen Sis am Redar die Burg zu Berne nennen 
ließ, fo ift bier durch den nachhaltig mitbeſtehenden Namen Dietrich 
die beivufte Anlehnung an die Heldenſage deutlich ausgeſprochen. 
Übrigens fallen dieſe Erſcheinungen, welches auch ihr Zufammenhang 
im Einzelnen fein mag, gemeinfaın einer größeren Bewegung anheim, 
die feit geraumer Zeit in die oberbeutichen Gefchlechter hoben und niedern 
Adels gekommen war. Um die Reichsgewalt in Italien zu behaupten, 
muften bort Träftige und zuverläfiige Statthalter deutichen Gebläts 
aufgeftellt werden. So war bie Bertvaltung der Mark Verona 1061 
an den Zäringer Berthold I, damals auch Herzog in Kärnten, fiber: 
tragen worden. Aus ber Drienau finmmte Konrad von Lüttzelhard, 
den Kaifer Friedrich I zum Markgrafen von Ankona und Fürften von 
Ravenna berief ?. Unter demſelben Kaifer ift, urkundlich feit 1183, 


18. Wadernagei im angeführten Aufſatz, Zeitſchrift für deutiches Alter⸗ 
tum 6, 158 fi. 

2 Chron. Ursperg. ed. 1609, ©. 225: Milites quoque teutonicos [Frid. 1] 
in dignitetibus Italisee constituit, nam quendam Bidelulphum ducem Spo- 
leti effecit. Marchiam quoque Ancone et principataum Ravenne Cunrado 
de Luzelinhart contulit, quem Italici muscam in cerebro nominabant. 
(Lüßelhard, zerfallene Burg bei Selba an der Schutter, gegenfiber von Hohen- 
gerofbsed, Stälin 2, 109. 586 f.) Zu diefem neuen Vespasianus musca in 
eerebro, muscancervello, vgl. Schmeller 2, 549, dann Lied bes Heſellohers 
(Volkslieder Nr 249, Str. 2): „im hirn da het er grillen“, etwa auch Jahrzeiten⸗ 
buch von Wurmlingen in der Baar BI. 16: Berchtoldus, dietus spinnenhirn, 
U. 20: dominus Syfridus spinnenhirn. 


352 


Konrad von Ürslingen Herzog von Spoleto, dann unter: Heinrich VI 
auch Reichöverivejer in Sicilien, nad Heinrichs Tobe kehrt er in bie 
deutſche Heimat zurüd, fpäterhin aber befinden fich feine Söhne Reinold 
und Berthold, Herzoge von Spoleto, erfterer noch 1242 Statthalter 
von Tuscien, gleich dem Vater, überall in Stalien, im Lager und in 
der Verwaltung, den Hobenftaufen zur Seite; beim Sinken bieles 
KRaiferhaufes aus Italien getrieben, Inüpften bie Urslinger ven Herzogs⸗ 
titel an ihre Heine Herrfchaft in Schwaben und an den Namen ihrer 
Stammburg Ürslingen, deren Mauerrefte noch (beim Dorfe Irslingen, 
Bezirks Rotweil) zu fehen find, und mit welcher fie zu den nächften 
Nachbarn der Dietrihe von Bern gehörten !. Es begreift fih, daß 
dieje ſchwäbiſche Statthalter in Welfchland ihre ſchwierige Stellung nicht 
obne [1, 318] ein Gefolg heimatlicher Lehens⸗ und Dienftmänner, ver: 
wandter oder nachbarlich vertrauter Landsleute, einnahmen, und fo 
entipann fih ein Verkehr des Schwarzwalds mit dem Schauplak ber 
Dietrichsfage in und bei den Städten und Burgen zu Bern (Verona), 
Garten (Garda), Naben (Ravenna) u. f. f., wie dann auch in ben 
Heldengedichten die Reden Dietrich und des römiſchen Kaiſers Ermen⸗ 
rich als Herzoge, Markgrafen, Grafen, mit den meiften ber bebeuten- 
dern Städte und Landichaften Staliens, vornehmlich des obern, belehnt 
find und in den blutigen Schlachten vor Bolonie (Bologna) und Raben 
Fridung und Sigber von Zäringen, auf Ermenrichs Seite, mitlämpfen ?. 
Solche Bermittlungen babnen den Weg vom berühmten Dietrichshauſe 


1 Über die Herren von Ürslingen, Herzoge von Spoleto, Stälin 2, 586 fi. 
und die dort angeführten Schriften. Desfelben Schlags, wie die Titelfürften 
von Verona und Spoleto in Schwaben, gab es, feit Anfang des 15ten Jahrh., 
bairiſche Edelleute „von der Leiter, Herren von Bern und Bincenz“, vertriebene 
Ablömmlinge des Hauſes bella Scala, das feit 1262 über Verona, nachmals 
auch über Vicenza, Padua und andre oberitalifche Städte geberricht hatte umd 
beffen Urfprung wieber in einem deutſchen Geſchlechte, dem gräflichen von Burg- 
Baufen und Schallach, gefunden wird; der letzte jener Nachkommen in Baier, 
um 1600, hieß Hanns Dietrid von Bern (v. Gumppenberg im oberbairifchen 
Archiv 7,3 ff.). 

3 Dietrichs Flucht 8611: Fridunc von Zeringen. Rab. 716: Sigher hiez 
der hoͤchgemuot, er was von Zeringen. Dietrichs Flucht 2882 ff.: do reit er 
[Ermrich] u. |. w. | zu Spolet in das herzogtum, | do tet er ſchaden ſtarke, 
zu Anton uf der marke | do wuſt er Iute und Iant. 7818. 


353 


zu Bern an der Etſch nach den verfchollenen Burgftätten der Dietriche 
von Redarbern !. 

Ergänzend kommt hiezu die hachbergiſche Hausfage nach einer hand⸗ 
ſchriftlichen Chronik, die um 1500 verfaßt ift: 

„tem des marggraven von Nidern Baden land ift ain guts klains 
land mit wein und korn und andern notturften, als vifch, vogel, 
wilbpret u. |. w. und bie ſag ift, die marggraven von Hachberg feien aus 
Lamparden mit Karolo Magno, Röm. kaiſer und fünig zu Frankreich, 
in teutfche land komen und feien des geſlechts herrn Dietrich von 
Bern, der ba geweſen ift ain künig in Stalia, und der exit marggraff 
bat gehaißen Hacho, ain ſtarker fraidicher herr; der hat das gſlos Hach⸗ 
berg, im Preiskei gelegen, erftlich erpatwt und das noch im Hachberg 
genant, und in dem benannten gſlos fol ain prum ften, dor eın gehawt 
dife gefchrift: Hacho haiß ich, | diffen prunen macht ih; | und er ift 
ain wilder und varchtſamer herr geweſen und von im ift auf heutige 
tag ain fprichwort gemadt, wann ainer rummorifch ift, fo Spricht man: 
du biſt ain wilder Hach ?. Und das geflecht fol gewert haben biß auf 
die regirung kaiſer Friebrich des erften, der von gepuerbt ain hertzog 
von Swaben geweſen iſt. In des regirung find bie herrn von Hach⸗ 
berg abgeftorben und Faifer Fridreich obgenannt hat ainen aus den 
fünen des marggraven von [1, 319] Diethrichsbern mit im als ainen 
geifel ober pargen in teutiche land geflert und ben in die herichaft 
Hachberg gelegt und in ain[en] bern zu Hachberg gemacht und im 
namen und wappen ber vardern marggraven verlihen. Der felb tft 
über ettliche jar in leiberben vergangen, da haben der adel und inn» 
woner der marggrafichaft Hachberg nach dem eltern nefen ober vettern 


1 Selbſt die Wurmlinger Märhelde wurden auf Stalıen zurüdgeführt. 
Cruſins 3, 830 nerzeichnet das Adelsgefchlecht der Walde, die mit ben Herrn 
von Bollern (vgl. Mone, Zeitfchrift 4, 118) aus Welſchland, wohin ihr Name 
weiſt (Schmeller 4, 69), gelommen feien, umd fügt dann bei: Venerat etiam 
alters familia cum Walchis quondam ex Italia, Morhildorum nomine, 
que non amplius est; eine Andentung weiter, baß mit letzterem Namen an 
Dietrich von Bern gedacht war. 

2 Fiſcharts Bralt. 1623, 6 6b: Wildhachen Binder dem Ofen. Gargantua 
Gay. 30: ein junger Hach, ein Waghertz. Lied bei Baul von over Aelft 1602, 
&. 712 und 96: ein junger hach (der Reim verlangt hacht, meine Bollslieder 
S. 113, vgl. Schmeller 2, 143. 148: Hacht, Habicht). 

Rpland, Schriften. VII. 23 


354 


des geftorben niarggraven gen Diethrichäbern ‚gefanbt, das ber felb als 
der negft naturlich erb bie herſchaft befiken fol, und prachten den mit 
innen und feßten ben in bie marggraffchaft und ſchworen im ala im 
naturlichen herrn. Aus den felben marggraven find die marggraben 
von Baden enifproßen und Tomen“ 1. 

Die Lehenherren ftammen von Dietrich und aus Dietrichsbern, die 
Bafallen nennen ſich und ihre Burg nach beiben. 

Bleiben Schritts mit dem Fortleben der Dietrichsfage in perjön- 
lihen und Ortsnamen gieng die andauernde Pflege berfelben in ritter 
liher Dichtung und im Volksgeſang. Mitten unter den böfifchen 
Meiſtern der Abenteure, welche Rudolf von Ems in feinem Alexander 
(zwifchen 1230 und 1241) und dann wieder im Wilhelm von Orleans 
(vor 1241) aufzählt 2, werben beibemal zwei Dichter genannt, die nad 
allen Anzeigen ven Segenftand ihrer Tarftellungen der vollamäßigen 
Sugendgeichichte Dietrich von Bern entnommen baben. Diefe Dichter 
find Albrecht von „Kemenate“ und Heinrih von „Linouwe“. Den 
erftern rühmt zwar Rudolf nur allgemein, ohne Benennung eines 
Werks, als einen weiſen Mann, der meifterlich dichten könne und an 
den, fintt an ihn ſelbſt, Frau Abenteure fich hätte wenden follen 3, 
ed kommt aber bier der Eingang des Brucftüds von Golbemar, einer 


1 Ladislans Suntheims aus Ravensburg Chronik der Fürften und Länder 
(Hochdeutſchlands), Handſchrift der öffentlichen Bibliothek in Stuttgart, BL 58 
Gedruct ift diefe Stelle bei Öfele, rerum bolcarum scriptores 2, 587 b; bie 
Kenntnis von derſelben und die abfchriftlihe Mittheilung aus der Stuttgarter 
Handſchrift verdanfe ich Pfeiffers thätiger Beihülfe. 

2 Die Zeitangaben nah W. Wackernagels Geſchichte der bentfchen Fitteratur 
€, 171 und 185. 

39 d. Hagen, MS. 4, 867, auf der Münchner Papier-Handichrift des 
Alerander: von Kemenate ber Albrecht | der unft getet witer ſchowe (Haupt, Zeit 
fchrift 6, 525 befiert: des kunſt gert witer ſchouwe). Wild. v. Orl. in Laßbergs 
Pergament⸗Handſchrift S. 18, C. 2: ouch hetti iuch mit wishait | ber Albreht 
bas denne ich gefait, | von Keminat der wife man, | der maiſterliche tihten fan | 
an den foltin ir fin komen (vgl. Adelung, Radır. 1, 65. Docen, Miscellaneen 
2, 154. Diutifla 2, 61. v. d. Hagen a. a. O. W. Wadernagel, altdentſches 
Leſebuch 605 a). Das Beiwort „wiſe“ gibt Rudolf mehreren ferner erzählenden 
Dichter; mit dem Präj. „lan“ bezeichnet er einen noch Lebenden. (Die von 
Sommer, Flore XXAIII, berborgehobene Seile lautet in Laßbergs Pergament- 
Handſchrift 13 6: da wis ich do bi den tagenn.f.w. vgl. Gr. 1 2te Ausg., 962.) 


355 


Zwerg⸗ und Riefenfage aus Dietrich früherer Beit, entgegen, worin 
Albrecht von SKemenaten als Dichter diefer Märe namhaft gemacht 
toird 1. Über den andern, den von Leinau, gibt Rudolf die nähere 
Anslunft, daß [1, 820] derfelbe „Ekkennes manheit“ gebichtet habe, das 
ſei „ver walläre” 2, Keines Eden Mannbeit ift nun irgend aus beutichen 
Gedichten bekannt, als besjenigen, von welchem „Eggenliet” ben Namen 
bat ® und auf den aud die Bezeichnung ala Waller, d. h. Fußwandler, 
vollfommen zutrifft, denn, weil den jungen Rieſen kein Roſs trägt, 
zieht er, „der küene man“, zu Fuß aus, um ſich mit dem Helden von 
Bern zu meflen; vierzehn Nächte lann er geben, ohne dab ihm Hunger 
oder Mübde die Kraft benimmt, er rennt über Berg und Thal von 
Köln am Nheine nad dem Etfchland, wobei das Lied nicht abläßt, als 
eigenthümlich hervorzuheben, daß ein ritterlich getvappneter Mann ohne 
Roſs auf der Kampffahrt fich befindet, und es ift ein treffliches Bild, 
wie ber rüftige Waller, um Streit flehend, neben dem reitenben Dietrich 
einberfchreitet *. Entiprechend der Berufung des Goldemarsliedes auf 


I Soldemar Str. 2, nad Schmellers Abfchrift (vgl. Haupt, Zeitſchrift 6, 
520): Nu merkent, ir herren, daz ift reht, von Kemmenaten Albrebt, | der titet 
viffe [Haupt verbeffert: tihte dige] märe, | wie das der Bernär vil guot | nie ge- 
war gen frouwen hohen muot u. |. w. Die Stelle bei Königshoven (Helben- 
fage 281): „wie er [Dietr.] mit Eden, dem rifen, ftreit und mit den querchen,“ 
laun fi) ebenfowohl auf Laurin, als auf Goldemar, beziehen. 

2 Alegander (v. d. Hagen a. a. O. 867 5): ber Heinrich von Linomwe | hat ouch 
vil fueffe arbeit | an den waller. geleit. Wilhelm von Orleans, Laßbergs Hand⸗ 
ſchrift 13 6: ouch wäre iumere getihte | komen in beffer fchoume | mir dem non 
Zinowme, | der Eflennes manhait | hat getihtet und gefait | das ift der walläre 
(ogl. die S. 854, Anm. 3 verzeichneten Drude, auch Zeitfehrift für deutſches 
Alterthum 1, 213). Im Bücherſchatze der Erzberzogin Mechthiſd zu Roten⸗ 
burg a. R. befanden fill no um 1462 (Puterichs Ehrenbrief 99): „Leowen 
weller“, d. i. „Leittauen waller“ (v. d. Hagen MS. 4, 886 a). 

3 Schluß des Sigenot, Laßberg Str. 44: „fus hebt fi) Eggen fiet“. Über 
ben Genitiv bes Eigennamens hei Rudolf hemerkt W. Wadernagel, Geſchichte 
der deutlichen Litteratur ©. 185: „Zwar wäre Effens eine mögliche Genitipform 
(vgl. Watens Rol. 266, 19. pfaͤns Ulr. v. Liechtenſt. 485, 25. ſmerzens Kol 
Cod. 287), aber daß Rudolf ein Edenlied jo Hoch gejchägt hätte, darf bezweifelt 
werben.“ Davon nachher. Im Pahrzeitenbudhe von Wurmlingen in der Baar 
Bl. 9: „henij bur“, Gen. „henninis buren“, 

4 Lapberg Str. 34 bis 36. 44. 69. 72. 74. 192: „er Inf gewaffent ſam 
er ng.” Ein Seitenſtück if, in Ulriche von Türheim Fortſetzung von Wolf 


356 


Albrecht von Kemenaten, wird aud im Gdenliebe, wenn man einer 
verborbenen Zeile desſelben die nothwendige Herftellung angebeihen Läßt, 
Heinrich von Linouwe ald Gewährsmann des unheilvollen Zuſammen⸗ 
treffend der beiben Neden ausbrüdlich genannt. Rudolf ftellt durch 


rams Willehalm, der riefenhafte Rennewart, der geharnifht und mit feiner un 
geheuern Streitſtange (wonach er altfr. Rainoars an tinel heißt, Hist. litt. de 
la France 22, 529 ff.) zu Fuß nah dem Klofter St. Julian wandert uub 
zwei baherreitende Mönche in großen Schreden fett (Heidelb. Perg. Hdſ. 404, 
Bl. 154 a): „do erichrad in fere der fin, | daz in die varwe wart vil bleich 
unde in bie macht vil gar entweich, | do fie faben in fo fangen | mit finer grozzen 
ftangen | unde er truoc day harnaſch an; | nu ſprach der wallent man“ u. |. w. 
die Stange nennt er (ebd. BL. 150a, 155 a) feinen „Romeſtab“ und „wale 
ftab”, auch die Stadtgemeinde wird durch feine Ankunft aufgefchredt (BL. 1546): 
„fie Hiegen zuo fturme linten“, wie bei Edens Beſuche zu Bern das Volk auf 
die Thlirme flieht (Str. 81). 

1 Die vielbejprodene Str. 69 lautet nad Laßbergs Handjchrift 137 a: 
„Erſt fait von Lune Helferih, | wie zwene fürften Iobelich | im walde zefamen 
Tamen[t], | ber Egge und ouch her Dietherich | die riument baide ſament mich, 
won fi den jchaden namen, | fo rehte vinfter was der tan, | da fi an ander 
funden, j ber Dietherih und der fuene man, | won an ven jelben flunden | hir 
Egge der kam zuo gegan, | er lie da haim vil roffe, | das was fer miſſetan.“ 
Ede hat im Wald einen todwunden Ritter gefunden, der auf Befragen fi 
„Helfrich von Yun“ nennt, als den Urheber feiner furdhtbaren Wunden ben 
Berner bezeichnet und vor der Begegnung mit demſelben warnt; gleichwohl 
läßt Ede nachdem er den Mann verbunsen, fi von ihm den Steig angeben, 
den Dietrich weiter ritt, und eilt fofort diefem nad, nun aber hebt Str. 69 
an: „Erft [a. uns] ſait von Lune Helferich“ u. |. w., was durchaus feinen Sinn 
gibt, da Helfrih, der noch eben, Str. 67, fagte: „des lig ich als ein toter 
man, | zerhowen gen dem herzen“ n. |. w., unmöglich folgen kann, auch feiner 
fortan gar nicht mehr gedacht wird. Bwar fol im Terte der Dresdner Hand 
ihrift damit geholfen werden, daß ein Zwerglein alsbald Heilkräuter herbei- 
Schafft (Str. 74 big 77, in v. d. Hagens Heldenbuch 2 Theil, Quartausgabe), 
und im alten Drude hinkt, jelbft ohne diefe Hälfe, der Wunde hintennach, hört 
Dietrich Geſpräch mit Eden und belaufcht ihren Kampf (Schabes Ausgabe 
Str. 62. 90, 3. 6, hiezu Str. 130 His 136), allein an beiden Orten verräth 
fih alles auf Helfrihs Nachkunft Bezügliche [don durch Sprade und Reim als 
fpäteres Einjchiebfel, während feltjamer Weife der Anlaß dazu, das ſchon in 
die Handichriften eingefchlichene „von Lune (Ron) Kelferih“, im a. Drade, 
Str. 63, verſchwunden und durch ein dürres „Wir funden bye geſchriben flan” 
erſetzt if, Ich Iefe nun, nad Rudolfs Weifung, unbedenklich: „Erft feit von 
Linou Heinrih” (.Linon” für „Linoume* gehört zu den vielen Kürzungen in der 


357 


borgefeßtes „ber“ die [1, 321] zwei Dichter, Albrecht und Heinrich, zum 
Ritterftand. Die von Linoume waren ein allgäuisches Adelsgeſchlecht, 
das zu Leinau bei Kaufbeuren feinen Sit hatte und in dem ber Name 
Heinrich ſchon aus ber zweiten Hälfte des 12ten Jahrh. aufweisbar 
fi, Kemenat, Kemenaten, ein in vielen Gegenben [1, 322] vorlom» 


Sprache diefes Tiebes, wie faum zuvor „von Lin“); erſt jetzt kommt die Haupt⸗ 
fadhe, die rechte Mannheit Edens, fein töbliher Zuſammenſtoß mit Dietrich, 
und dafür wird Heinrich von Leinau als Gewährsmann namhaft gemacht, ber 
Schreiber jedoch wiederholt ftatt deffen den eben erft gefchriebenen Heldennamen. 
Ein nächſtverwandtes Beifpiel von NRamenverwirrung bietet der im Taßbergifchen 
Eoder voranftehenvde, doch von andrer Hand als das Eckenlied herrlihrende 
Wilhelm vorn Orleans 41a: „Smwer hat vernomen alder gelefen | von dem 
walläre | bern Eflenes märe, | dem ift wol kunt, wie järlih | aliln turnay da 
hebet fich | in der mitten ongeſt zit | und ain ſpärware burch flrit | alta nf ges 
ſezzet wirt, | den richiu Loft niht verbirt“ u. |. w.; das ift unzweifelhaft die Ge⸗ 
ſchichte mit dem Sperber in Hartmanns Erek 186 ff. und e8 muß darum ſtatt 
„walläre” und „Eklenes“ gelefen werden „Onwäre” und „Ereckes“; der Schreiber 
hatte freilich weiter oben, in der Stelle von den Dichtern (5. 854, Anm. 8), 
„Eltennes manhait“ und den „walläre“ eingetragen, fo glaubte er auch bier 
feßen zu müffen, obne zu erwägen, baß dort 18a noch befonders gefchrieben 
war: „oder der Dwäre, | der und Ereches getat | und von ben [dem] leun 
ger[tjichtet hat.” Nach Pfeiffers Mittheilumg ſteht wirklich, beim Turnei, in 
der alten Münchner Handfchrift, cod. germ. 63, Bl. 41a: „Eredes“, in ber 
Hanger Bergament- Handfcrift „erkeynnes“, in der Haager Papier- Handfchrift 
Bl. 181a wieder „ereckes“, in der Gafler und Stuttgarter „erdes”, in der 
faßbergifchen Papier-Hanbichrift „erckings“. Anderjeits Hat flir Das zweimalige 
„Her Egge” des Liebes, Laßberg Str. 69, eine Mituchner Handſchrift (Carmina 
Burana 71) „Erelte” und „Erele“. 

1 Kür Linouwe gibt Laßberg die Wahl zwifchen Laimnau bei Tettnang, 
von wo in einer Urkunde von 1271 ein Hainricus de Laimowe unter Schiede⸗ 
Ienten vorlommt (Reugart 2, 282), und Leinau im Allgäu, unweit des Klofters 


Irſee, mit gleihnamigen Evellenten; da jedoch erſteres überall mit m und ſchon 


ım Bten und Iten Jahrh. mit ai ober el geſchrieben wird (Neugart 1, 47 in 
einer Urkunde von 762 zwar zuerft: in Limauuis, dann aber: actum Laimau- 
gawilare, nnd 1, 242 Urkunde von 839: ad Leimowo), fo verdient Leinau 
entſchieden den Vorzug; für dieſes ſtimmt auch ein Fridericus de Linowe, ber 
im Salbuche des Kloſters Weſſobrunn, unter dem Abte Adalbert (1065 bis 
1111), als Beuge zweimal genannt ift, erfimals ausdrücklich unter testes nobilee. 
Ebenjo if im Salbuche des benachbarten Stiftes Raitenbuch, bei Vergabungen 
aus dem 12tem Jahrh., Friderich de Lina, Fridericus de Lino (£inou f. die 
vorhergehende Anın.), wieder mit der Bezeichnung nobilis homo, als Geber und 








358 


mender Ortöname, gemahnt bier beſonders an bie nächſt Leinau liegende 
Ortſchaft Ober: oder Schloß⸗Kemnath; die nach ihr benannten Edel 
leute ftanben in der erften Hälfte des 18ten Jahrh. im Verbande ber 
Dienftpflicht zu dem tiroliichen Grafen Ulrich von Ulten, an ben durch 
Erbrecht feiner Mutter, ber Tochter des ſchwäbiſchen Markgrafen Hein 
rich von Ronsberg, um 1212 ein Theil des ronsbergiſchen Gebiets mit 
der Burg Kemenaten im Allgäu gelommen war; einer bon ihnen 
trug fogar, laut Urkunde von 1231, im Etfchthale felbft ein bei Mais 
gelegenes Gut von dem Grafen Ulrich und hierauf vom Biſchof von 
Trient zu Lehen ?; in ber zweiten Hälfte des Jahrh. find fie Kam 
merer des Herzogihums Schwaben und aus biefer fpäteren Zeit wird 
Her Volkmar von Kemenaten, ein Betreuer Konradinz, auch er noch 
mit Tirol in Verbindung ftehend, als freigebiger Beherberger der fah⸗ 


Zeuge mehrmals aufgeführt (Greinwald, origin. Raitenbuchzee 1, 200 j), 
wohl derfelbe mit dem Zeugen für Weſſobrunn; in die Zeit des Dichters Heinrich 
von Linouwe ſetzt ſich die Rolle der Raitenbucher Vergabungen nicht fort, der 
gegen fteht in der Abjchrift eines alten Verzeichniſſes fiber den Lehenhof des 
noch näher bei Leinau gelegenen Klofters Ottobeuren, ſchon von ber Zeit des 
Abtes Ifingrin (1145 bis 1180), ein Heinrich von Linhöwe (Feyerabend, Jahr⸗ 
bücher von DOttobeuren 2, 184), d. i. Kinouwe, denn ein Ort Leinhofen findet 
fh dortderum nicht ımd kaum zuvor ift and „de Sumerhowe“ gefchrieben für 
„Sumerouwe”. 

1 Die Kemnater des Allgäus hat, auch bezüglich anf den Dichter, Stäfn 
2, 764. 771 hervorgehoben. Über dieſelben und ihr tiroliſches Verhäftuis 
j. Hormayr, Werke 2, 100 bis 102. 113, auch Urkundenbud LXX f., Ei 
Beiträge zur Geſchichte Zirols 1, 2, 336 f., Urkunde von 1241 (vgl, v. d. Hagen, 
MS. 4, 649 f.): Ulricus, dei gratia comes de Ultimis ... concedimus, ut 
quiequid‘ Volmarus de Chemensta, seu czeteri ministeriales nostri de 
propriis ipsorum possessionibus, nec non vasalli nostri de prediis ad 
capitaneum locum nostrum Rumesperg pertinentibus Wiltinensi ecelesie 
».. contulerint, libere facere possint ... Acta sunt hc in castro Cheme- 
nata u. |. w. Marlgraf Heinrich von Ronsberg (an ber Binz), den ber Graf 
von Ulten beerbt Hatte, war Bogt von Ottobeuren und Stifter yon Irſee. In 
ben Urkunden des Kloſters Steingaben, feittwärts zwiſchen Kaufbeuren und 
Züßen, werben die Kemenater öfters genannt, Monumente boica 6, 516: 
1325 Volcmarus de Kemenat. 6, 537: 1275 Volkmarus Chamerarius de 
"Chemenat u. |. f. 

3 Sormayr, Beitr. 1, 2, 862 f.: Isti sunt vasalli de allodio ipeius 
comitis, quos ipse ... assignavit ... Folchemarium de Caminat, feudum 
jacet apud Mays. 


359 


senden Sänger, bei Leben und nad feinem Tod, in Liedern geprieien 1. 
Dem vorarlbergifchen Rubolf von Ems, der im Alexander die [1, 323] bei- 
den Dichter unmittelbar zufammenreiht, waren Linouwe und Kemenaten 
nicht abgelegen ?. Hier im oberſchwäbiſchen „Albegöu”, an ber - Pforte 
des Gebirgs, durch das die Straße von Schwaben nah Tirol führt, 
zunädft der Stelle, an meldher Schwaben, Baiern und Tirol ſich mit 
dem Fuße berühren ®, konnten zwei bichterifch geftimmte Nachbarn, 
teren einem das fagenreiche Etſchland noch eigens befreundet war, fich 
im die jugendlichen Berg: und Walbabenteuer Dietrich! von Bern 
theilen, welche „ze Tirol gen dem walde“ (Edenliev, Laßberg Str. 48) 
ihren Berlauf zu nehmen pflegen. Das allein macht Bedenken, daß 
unter den ſchwäbiſchen Kemnatern ein Albrecht noch nicht aufgefunden, 
tagegen der hier vermifte Name eben jebt bei ben tirolifchen. „von 


1 Meifter Kelin, MS.3, 24: „Wil ieman bin gegen Smäben... | Bol 
märe von Kemenäten | dem fage er mine leit .... | der mich amd ınanigen 
gernden da mit gäben wol beriet, | fit fang ich ime in zwein landen driu lobe- 
fiet” u. ſ. w. NRümelant von Swaͤben, MS, 3, 69: „Swelich rider ift an eren 
went, | der denfe an den von Nifenbere | unde an den edelen heit von Keme⸗ 
näten ... | Volxich was ganzer tugende vol, | in Yunde niht entwenten ! Bolc- 
mär u. |. w. | ir lib if töt, ir lop kan niht erſterben.“ Wie bier im. Liebe 
eben auch im einer Urkunde aus Meran von 1254, als Schiedsmänner über 
die Erbfeharı des Grafen Albrecht von Zirol, neben einander Bollmar von 
Kemenaten und der tirolifche Ulrich von Neifenberg (Hormayr, Beitr. 1, 1, 229. 
232, vgl. v. d. Hagen, ME. 4, 649 f.). Boppe, MS. 2, 883 nennt zufam- 
men: „die bi der Etſche und auch die ftolzen Smwähen.” Dieſer Meifter halb- 
fogenhaften Namens, ein Basler, der im gleichen Liebe die beiden von Baden 
und von Berne rühmt (S. 860, Anm. 4., weiß auch vom Herzog Meinhard von 
Kärnten und Tirol zu melden (MS. 2, 384 5) und zählt zu den wunderfichen 
Forderungen feiner Schönen: „mit drin belfanden fol ih da bi Zirol gamzen 
hezzen“ (ebd. 386 a). 

2 Beigt fih and in feinen Berzeichniffen kein burchgeführter Grundſatz 
der Aufammenorbnung, fo ift doch nicht anzunehmen, daß ihn dabei überall 
feine Gedankenverbindung befiimmt habe. Im Alegander fließt fih an den 
Kemenater der von Leinau, der Mitdichter am der Dietrihsfage, zugleich als 
Nachbar in Frage kommend, im Wilhelm ein andrer Oſtſchwabe, der „Tür⸗ 
heimäre“, ebd. „min frinnt ber Wolrich von Türheim“, jet Ober- und Unter- 
thürheim an der Zufam (v. d. Hagen, MS. 4, 2705, vgl ©. 855, Anm. 2). 

3 So deutete man bie drei zujammenreichenden Yüße im ältern Wappen 
von Füßen, der ſchwäbiſchen Grenzſtadt gegen Tirol, deren brei Thore nad 
eben jenen drei Landichaften milnden (Lerilon von Schwaben unter Füßen). 





360 


Chemenaten“, jekigem Kematen im Taufersthal, entbedt worden if, 
und zwar, wie gemünzt auf den Dichter, in einer Urkunde von 12411. 
Ein Zuſammenhang zwifchen biefen Dienftmannen des Herm von 
„Tuvers“ und den vonäbergifchen des Grafen von Ulten läßt fich nicht 
wahrnehmen. Müffen aber die beiden Dichter örtlich geſchieden werben, 
fallt Albrecht ber tirolifchen Süpfeite, Heinrich der ſchwäbiſchen Nord⸗ 
balde des Gebirge anheim, fo treffen fie nur befto merkwürdiger auf 
andre Weile zufammen: fie verkehren in demſelben Sagenftoffe, werden 
gemeinfchaftlih als Kunftbichter belobt und dann auch, wovon weiter 
zu handeln ift, in vollsmäßigern Liedern gleicher Versart der Eine wie 
der Andre ald Gewährsmann angeführt. Dem ſchwäbiſch⸗oberbairiſchen 
Grenzlande bleibt jevenfalls ber Berfafler des Wallerö und es wieder⸗ 
holt fi) in dieſen Gauen die Erjcheinung, daß Dietrich von Bern mit 
feinem vollen Namen auch unter den Lebenven wandelt. In bortiger 
Ammergegenb lagen die Klöfter Raitenbuch und Weflobrunn, beren Sal⸗ 
bücher den Adelsnamen von Leinau mehrfach aufweiſen (S. 357, Anm. 1), 
fowie das Stift Pollingen, für deſſen Kirche 1175 ein fchon befannter 
Dietrieus Veroneneis Zeugſchaft leiftet und mehrere Leute dieſer Kirche 
vom Dorfe „Poule“ (Päl) zu Mitzeu[1l, 324]gen bat; vermuthen läßt 
fich, daß ebenviefem Gefchledht aus dem Ammergrunde ſchon „Dieterich 
done Berne”, Bürger zu Augsburg, in einer dortigen Stiftöurfunde von 
1162, angehört ?, gleichwie viel ſpäter noch ein geiftlicher Träger des 


1 Den verdienfllihen Nachweis gibt 3. ®. Bingerle: „Albrecht von Keme⸗ 
naten“ (Germania 1, ©. 295 f.). 

2 ©. Seite 345, Anm. 2. Nach freundlicher Mittbeilung des Herrn Archivars 
Serberger findet fi, außer der Urkunde von 1162, feine Spur eines damals in 
Augsburg verbürgerten Geſchlechts von Verne und werben erſt 1330 Fridericus 
Berner de Aychach, 1350 Betz Berner de Werlinswank, 1378 Sans Berner 
v. Btingen, 1886 Berner, Kichherr ze Reumgen, als Bürger aufgenomnıen, 
Stephan Berner allein if in einer Urkunde von 1406 als ingeſeſſener Bürger 
anfgeflihrt; gleichwohl ſtimmt ber Drud des Namens in den Monumenta boica 
33, 1, 42 mit der von Herrn Dr Rodinger gefällig verglicdenen Original- 
urfunde von 1162 im Münchner Archive genau liberein. Dieſelbe iſt unter dem 
Biſchof Konrad (1150 bis 1167) aufgeſetzt, der ſchon 1159 das zur bifchöflichen 
Kammer gehörige Gut, die Kirche und den ganzen Zehnten zu „Boule* den 
Brüdern feines Domftifts überlaffen hatte (Braun, Geſch. der Bid. von Augsb. 
2, 104 f. 119 f. Scherbairiies Archiv 9, 226. 240), und eine folde Ber- 


361 


Namens, „Bruder Dietterih von Bern“, ber 19852 und 1353, bann 
noch einmal 1361, als Deifter bes Spitals zu Memmingen im Allgäu 
amtet 3. 

Es ift bereitö angebeutet worben, daß bie Lieber von Eden Aus⸗ 
fahrt und von Goldemar nicht den darin genannten Dichtern, Heinrich 
bon Leinau und Albrecht von Kemnaten, beizulegen feien; als Erzeug- 
niſſe dieſer müften fie wenigſtens vor 1241 entftanden fein, twährend 
doch Sprache und Stil fich keineswegs für die erfte Hälfte bes 13ten Jahrh. 
und namentlich für die ritterlihe Dichtkunſt damaliger Zeit eignen; der 
Abftand ift auch zu groß, um dadurch erklärt werben zu können, daß 
überhaupt für Darftellungen aus ber heimifchen Helbenfage gegenüber 
denen aus dem romaniſchen Rittertbum verjchiebene Formen üblich 
waren; zubem reichen die Hanbichriften des Eckenlieds und der gleich 
artigen Stüde faum in ven Schluß des 13ten Jahrh. hinauf? und 


bindung mit Päl konnte der Anlaß fein, daß ein Adlicher aus fehterer Gegend 
im Jahr 1162 zu Augsburg anfäßig erſcheint. In der Bollinger Urkunde von 
1175 if} zwar der Schluß des Zeugenverzeichniffes et alii quam plures de 
villa Poule nur auf die Zeugen de familie ecclesie ipsius, nicht auf die vor⸗ 
bergehenden, unter denen Dietricus Veronensis, zu beziehen, aber in gleicher 
Reihe mit diefem fteht auch ein Otto de Pöle und ebenfo urkunden an andern 
Stellen desfelben Salbuchs Dietpolt, Berhtolt u. ſ. w. de Poule; in dem des 
benachbarten Klofters Weſſobrunn zeugt unter dem Abte Lantold, 1160 bis 1166, 
neben Andern Dietericus de Poule, omnes homines ecclesie (Monumenta 
boica 7, 352). 

1 Leonhardt, Memmingen im Algow, daf. 1812, ©. 287 fi. Es ergibt 
fi für diefen Br. Dietrich kein zu Memmingen einheimifches Geſchlecht, er 
felbft wurde von dort ausgewiefen. 

3 Laßberg jeibft beſtimmt feine Handichrift in Schwabs Bodenſee, 2te Ausg, 
1840, ©. 244: „Cod. membr., sec. XIII exeuntis“. Bgl. über biefelbe 
Fr. Bfeiffer in der Zeitſchrift für deutſches Altertfum 8, 156 und Maßmann 
in den Wiener Jahrbüchern der Titteratur 64, 173. Die Schrift der „carmina 
Burana“, unter denen die befannte Str. 69 bes Edenlievs einzeln ſteht (Ood. 
Monac, perg. pietur. 73, Bl. 90 5), bezeihnet Echmeller (Borerinn. XI) als 
„von brei und mehr verfchledenen Händen des 1Bten und 14ten Jahrh., größern- 
theils aber von einer zierlichen des erſtern, herrührend“; zu ben älteren Schrift 
Rüden eignen fi aber am wenigflen die deutſchen Einzelſtrophen, die in den 
lateiniſchen Hauptbeftand auf leergebliebene Blattſtellen eingetragen find, ein 
ſolcher Eintrag zwifchen Tateinifchen Gedichten if jene Str. 69 (mit der Schrei⸗ 
bung „chrafft“, was außerdem nicht reimt). Benedictbeuren, wo die Hdf. gefunden 
wurde, liegt, wie Weflobrunn und Pollingen, am Trauf des bairifchen Gebirge. 


362 


endlich ift fchwer zu glauben, daß Rudolf von Ems, [1, 325] der zwar 
noch anderwärts Dietrich Kämpfe nicht zu ben unwürdigen Gegen 
flänben bed Vortrags vedhnet, fie vielmehr unmittelbar vor „Artüfes 
bübfcheit“ nennt 1, aber doch zuoberft den kunſtvollen Gotfried von 
Straßburg fi) zum Vorbilde genommen und ihm das eifrigfte, aus 
führlichfte Lob gefpenbet hat, dabei auf bie Errungenſchaft bed reinen 
Reims beſondern Werth legt ?, daß derſelbe Rudolf mitten unter den 
Meiſtern der Kunſtdichtung und ihren umfangreichen Werken die Ber- 
fafler jener kurzbemeſſenen, freigereimten, unböfifchen Lieder wiederholt 
einer rühmenden Erwähnung gemwürbigt haben follte®. Selbſt bie 
Tugenden der Lieber, ihr ungezierted Weſen, ihre Raſchheit und Friſche, 
beſonders des Eckenlieds, zeugen wider die Verfaſſerſchaft Albrechts 
und Heinrichs. Sollten daher die Lieberftellen: „von Kemenaͤten 
Albreht, | der tihte ditze märe“ und, nad der geforberten Lesart: „erſt 
ſeit von Linou Heinrich“, dasfelbe ausbrüden, mas ber unbeftrittene 
Dichter bes Iwein, gleihfalls in britter Perſon redend, von ſich aus- 
fagt: „er mas genant Hartman [| und was ein Dumäre, | der tibte 
dis märe” 4, fo würden jene Lieder mit berühmten Dichternamen auf 
ähnliche Weiſe ſpielen, wie wenn im Wolſdietrich Wolfram von Eſchen⸗ 


1 Auch im Alexander (Maßmann in ben Heidelberger. Jahrbüchern 1826, 
©. 1209 f): „nuo ſcheident aber die liute fih, | ir fitte fint vil mislidh: | 
einer höret gerne, | wie Dieterih von Verne | mit craft in frömden landen 
fireit, | von Artüfes Bübfcheit | wil ouch einer hören fagen, | eimer von den 
liehten tagen, | einer von minnen, | einer von twifen finnen, | von gote ouch 
maniger hören wil, | den fitte hat ouch linte vil, | daz in’ ift alleg fagen 
entibt, | der in von ribalden iht | feite, baz ift genmoger fitte u. ſ. w. Nur 
das Letzte gilt dem Dichter für verwerflichh. 

3 Wieder im Alexander (Maßmann a. a. O. 1127, vgl. MS. 4, 866 a}: „von 
Beldich der wife man, | der rehter rime alrerſte began, | der Kinfteriche Heinrich” 
u. |. w. und (Maßmann ebd. 1198): „ez hat ouch näc den alten fiten | Rumpf 
Hd, niht wol befniten, | ein Lampreht getibtet.“ 

3 Bu diefer Frage vgl. Haupt, Zeitſchrift 6, 525; W. Wadernagel, Ge⸗ 
ſchichte der deutſchen Litteratur S. 212; K. Gödele, deutſche Dichtung im Mittel⸗ 
alter 524, Ebd. Gengenbach XXIV. 687 f.; v. d. Hagen, Heldenbuch 1855, 
LIU. LXIU f. 

4 wein 21 ff., vgl armer Hein. 1.ff. Gregorins 1 fi. Der Dichter 
bes Eckenlieds fpricht fonft von fi in erſter Perfon, Laßberg Str. 126. 
2337. 245. 


363 


bach und am Schlufle des Laurin Heinrih von DOfterbingen als Ber 
faflee angegeben find !, jedoch mit dem Unterſchied, daß die Icht- 
benannten Meifter fi) niemals nachweislich auf deutſche Heldenfage 
eingelafien haben, dafı, 326]gegen Heinrich von Leinau als Dichter einer 
Eckenmäre durch Rubolf bezeugt iſt und auch der gleichbelobte Albrecht 
von Kemnat nicht von ber Dietrichöfage abgewiefen werben Iann. Ges 
nau angejehen betreffen aber obige Stellen ihrem Wortlaute nach nicht 
nothivendig die Abfaſſung der Lieber, fondern viel natürlicher die Ge 
währjchaft der Märe, des Sageninhalts, durch deſſen frühere nambafte 
Bearbeiter ?, Eden Ausfahrt nennt aber auch ausbrüdlih noch eine 
zweite Duelle: gerabe fo, wie für das erfte nächtliche Zufammentreffen 
Heinrich von Leinau zum: Zeugen beitelt wird, eröffnet ſich ber Kampf 
des folgenden Morgens mit ber Berufung auf ältere Lieber, auf das 
fortlebende Gedächtnis in Sang und Sage?. Gemeinfam ift den jet 
vorhandenen Liedern von Edle und Golbemar eine breizgehnzeilige Strophe, 
welche nachmals des Berners Weile bie 4, und mit Zug, denn fie 
war die bevorrechtete für Dietrichs erfte Heldenthaten geworden und im 
ihr iſt felbft das meitfchweifige Dichtwerl aus dem 14ten Jahrh. von 


1 Wolſdietrich, Straßburger Handſchrift (v. d. Hagen, Orundriß 9):. „daz 
ſage ich Wolferan, der werde, der meifter von Eichebadh, | waz von dem ebeln 
riechen des dages beſchach.“ Heldenbuch, Hagenau 1504, BL. 866: „das ifl 
mir gar wol tund | mir wolffaram bem werben | menfter von eſchenbach“ u. 1. w. 
Laurin, Eitmüller 2932 f.: „Heinrich von Ofterdingen | dig märe getihtet hat” 
n.|.w. Heldenbuch 1504, BL. 2076: „henrich von ofterdingen | dife abentelir 
gefungen hat“ u. ſ. w. (vgl. ME. 2, 18, Str. 84). 

2. Die Lesart „Uns feit“ (Carm.. Bur. 71) ſtellt vollends den Dichter des 
Edenlieds dem Gewährsmann beftinnmt gegenüber. Albrecht von Kemenaten 
dichtete (Golden. Str. 2) „die märe*, nicht „diſtu Tiet“ (vgl. Ulrich: von Richten» 
Rein, Franend. 456, 22ff.: „ze hant ih tihten dd began... . | difin ritterlichen 
liet⸗; ME. 3, 2846, 8: „daz ich noch eim ninwez liedel von in tihte“). 

8 Edentied, Laßberg Str. 106: „Dar nach huob ſich ir alter has, | Do 
wart als erft [vgl. Str. 69: Ef m.f.w. 107: ale exit] gefiritten Bas, | Das 
wiffent von den lieben [1. lieden], | Sich bruoft ir baider herze lait, | Da von 
noch (man?] finget unde fait [vgl. Golbem. Str. 2: „wan feit uns”, neben „von 
Remmenäten Albreht“ u. |. w.], | € das fi fi da ſchileſden Die zwene beide 
lobefam | Mit egeslichen wunden“ u. |. w. Str. 119: „jait und das liet.“ Warum 
foliten das bloße Redensarten fein? 

49. d. Hagen, Einleitung zu Herzog Ernft XVIII. Grunbriß 38. 


364 


Niefens und Drachenkämpfen Dietrichs und feiner Gefellen (S. 340, 
Anm. 2) abgefaßt; diefer Bernerton ift aber eben auch eine, allerbings 
beträchtliche Erweiterung der einfachern Vollsweiſe, bie aus dem 12tm 
Jahrh. im Morolf herüberklingt 1, indeß andere Heldenmären, deren das 
Edenlied gebentt, die von Dinit, Wolfvietrih, Diether und Wittich, 
dem börmenen Siegfried ?, noch jetzt in weniger verwidelten Formen 
erhalten find. Dem Sagenbeftande nach teilen Edle, Faſold, Sigenot, 
Goldemar, ſchon als entſchieden mythiſche Geftalten, in fo fernes Alter 
thum hinauf und namentlich die beiden erflern waren jo weithin Fund: 
bar, baß man nicht annehmen Tann, die Bekanntſchaft mit ihnen babe 
bei Abfaffung‘ der Lieder in bes Berners Weife einzig auf den Did 
tungen Heinrichs und Albrecht3 beruht, wie man [1, 527] auch bei ander 
wärtigen, frühern oder fpätern Sagenzeugnifien einen befonbern Bezug, 
ſei e8 auf den Waller ober auf das Edenlied u. ſ. f., ohne beftimmtere 
Merkmale nicht vorausfehen barf?. Die ganze Erörterung führt 
darauf, daß gegen Ende bes 13ten Jahrh. zeitgemäß befunden ward, 
ältere Eagen und Lieber von Dietrichs Jugendabenteuern auch für ben 
Bollögefang, nach dem nun herrſchenden Geſchmack, aus dem alterthüm⸗ 
lich ſchlichten Vers in eine meifterfängeriich gedehnte Strophe umzu⸗ 
ſetzen, babei aber bie vorausgegangenen größeren Werke höfifcher Dichter 


1 Der Zuwachs im Bernerton ift zwiſchen die zwei vorbern und die brei 
hinteren Zeilen der Morolfsweife eingerahmt. Auch die abweichende Behandlung 
ber zwei leyten Zeilen im Goldemar und den Drachenkämpfen von derjenigen 
in Sigenot und Ede (Haupt, Zeitſchrift 6, 528 f.) if durch den freien Wechſel 
im Moroif angebahnt. Über die Moroifftrophe |. W. Wadernagel, Litteratur⸗ 
geſchichte 182. 

2 Omit und Wolfdietrih: Str. 21 bis 24, Diether und Wittih: Str. 
198 f. Siegfried: Str. 209, 

8 Nächſt Rudolf von Ems findet fi die frübefte deutihe Meldung von 
Dietrichs Streit mit Eden -in Enentels Fürſtenbuch um 1260: „wir haben bide 
vernomen, | wie der Berner wär komen, | da er bern Ellen vant, | und wie er 
in finog ze hant“ (Helbenfage 160. Maßmann, Kaiferchronit 3, 108); der aus⸗ 
führlihen Erzählung in Thidr. S. Gap. 96 ff. würde nad) Ungers Urtheil über 
Sprade und Stil viefer Saga (ort. IV) noch die erfte Hälfte des 18ten Jahrh. 
anzuweiien fein. Über Goldemar gibt es, neben dem tiedesbruchftiid, kein 
älteres Zeugnis, als das im Reinfrid, der nach 1291 gedichtet ift (Heldenjage 
174. Gödeke, Reinfr. 67. 92. [Bgl. Bartſchs Ausgabe des Reinfrid, Tübingen 
1871, ©. 735. 810. 8.]) 


365 


nicht unbenüßt zu lafien ! und durch Berufung auf ihre gewichtige 
Namen die neue Arbeit zu beglaubigen. 

Jene Kunftvichtungen ber beiden Ritter find, glei anbern von 
Rubolf verzeichneten, gänzlich verſchwunden, während zahlreiche Spuren 
vollsmäßigen Gefangs von Dietrichs wunderbaren Kämpfen und ins: 
befondre ber Verbreitung bes Edenliebs fi, wie nun gezeigt werben 
fol, in fhwäbifchealemannifchem Bereiche von der Neige des 13ten Jahrh. 
bis tief in das 16te binziehen. Der Marner, ein vielgewanderter 
Schwabe der erftbemerkten Zeit, zählt unmutbig eine Reihe von Liedern 
aus dem beutichen Sagenkreiſe ber, deren Vortrag bie Leute, Seber 
en andres, vom Sänger verlangen, und nennt darunter: „wie Dietes 
rih von Berne fchiet”, d. i. defien Abzug ins Hunnenreich, und weiter⸗ 
bin: „bern Eggen töt“?. Konrad von Würzburg, der zu Bafel 
beimifch war und, geft. 1287, bort beftattet ift, fchließt den [1,328] Hohn: 
ſpruch auf einen Kunftgenofien: „alfus fan ich liren, | fpracdh einer, der 
von Eggen janc“ ®. Gerade daß die Meifter auf ſolche Sänge, als 
gemeine und abgenüßte, berabjehen, beweiſt, wie lentkundig dieſe 
waren. Dasfelbe wird vorausgeſetzt, wenn in Lügenſchwänken, Namens: 


1 Auch der Gebrauch welcher Ausdrücke im Eckenlied ift von Haupt a. a. O. 
nachgewieſen. 

2 MS. 2, 2515. Der Marner ſelbſt bat eben fo wenig dieſe Lieder ge⸗ 
fungen, al3 was er in der übernächſten Str. 22 aufführt; er hatte wohl bie 
hievor (S. 362, Anm. 1) mitgetheilte Stelle aus Rudolfs Alerander vor Augen, wie 
dann weiter Hug von Trimberg, ein Verehrer bes Marners (Nenner 1224 ff.), 
den Spruch desfelben nachgeahmt bat (ebd. 16154 ff. vgl. 10307 fi. 21539 ff.); 
hieran reiht ſich noch ein Spruchgedicht, das unter foldden bes Teichners ſteht 
(Wiener Jahrbücher der Litteratur 1, Anzeige - Blatt S. 27): „fo will einer 
[[. emer, jener] nit fam der, | fo ſpricht einer: kumpt ber, | fagt uns non 
hern Ekklen Hingen! | jo fpricht der ander: er fol fingen, | wir haben an leichter 
predig genug; | fo fpricht der britt: es wer doch Hug, Jydas er ba redet vom 
manigen fachen, | kunt er es nur ſwäbiſch machen | nach unſer lantſprach auf 
und ab” u. f. w. de vertritt hier die ganze Gattung des Sagens aus dem 
dentfchen Heldenkreis; feine Klinge ift das berühmte „ſahs“ (Edefabs), von dem 
Edenlied (Str. 79 fi.) und Thidr. Saga (Gap. 98) umſtändlich handeln; das 
Schwäbiſche als ihre Landesſprache verlangen wohl die mit den Habsburgern 
nach Öftreich gekommenen Schwaben (vgl. Helbling 1, 455 ff.). 

IMS, 2, 8346. DB. Wadernagel, Litteraturgefhichte 110 und in ber 
Zeitfhrift Für deutſches Alterthun 8, 8348. Fiſcharts Pralt. 1628, Eiiij b: 
„Schwäbiſche blinde Leyrer.“ 


366 


ſprüchen, Spottreben nicht bloß häufig auf Dietrih, Eden, Yafoln ans 
gefpielt ift, fondern auch jedem Ohr vertraute Verszeilen des Eckenlieds 
anklingen. So bei Konrab von Ammenhaufen, Leutpriefter zu Stein 
am Rhein, in feinem 1337 vollendeten Schachzabelbuch, wenn er Namen, 
Stand und Wohnort in eine „räterfche” (Näthiel), dv. h. in die Anfangs 
buchſtaben verworrener Reimzeilen verftedt und biefe anheben: „Do 
Egge Dieterichen vant, Irmengart bie rief zuohant“ u. |. w.!, was 
eben auch der Anfang eines Gefähes im Edenlied ift: „Als Egge 
Dietberichen want, | do rief er fiber ſchiltes rant“ u. |. m. 2. Beliebter 
noch war eine andre Formel der Helbenlieder; in dem von Golbemar 
beginnt die Erzählung (Str. 3): „ber Dietherich von Berne rait” u. |. w., 
das von den Drachenkämpfen eröffnet einen Abfchnitt (Str. 14): „Es 
reit us Berne, alfo man feit, | durch fines libes tegenbeit | ber Diethe- 
tih von Berne” u. f. w. und auch die andern gebenfen gerne vieles 
Ausreilins, Sigenot (Str. 1): „er rait dik aine von Berne | buch 
mengen ungefügen tan” u. |. w., ebenbort Hilbebrand zu Dietrich 
(Str. 27): „mar haft bu dine finne getan, | das du ritefl ainge von 
Berne?” Eckenlied (Str. 48): „er reit, als man iu bie vergibt, | 3e 
Tirol gen dem walde“ u. ſ. w.; fo beißt e8 nun aud in einem Hohn⸗ 
gevicht auf Kaifer Ludwig über fein Ausbleiben bei einem Angriff auf 
Feldkirch: „Ez rait ug Bern her Dietrich, | Sivrit, der koen, was hürnin, | 
nu raten, ma wir uber Rin | wöllen ziehen al“ u. |. w. 3 und in einem 
- Rügenfprudh, aus der zweiten Hälfte des 14ten Jahrh., der durch ver 
Ichiebene Bezugnahmen auf. den Oberrhein weiſt: „Ez rait uz Bern, als 
man uns fait, | herr Dietrich von Berne, | da von könt ich gerne | harpfen 
unbe rotten” u. |. w.“, was wieder auf bie von ben Fahrenden ab⸗ 
gefpielten Dietrichslieder zielt, deren fabelhafte Kampfmären um bier 


1 Heidelb. Handſchrift 898, BL. 137, Sp.i. W. Wadernagel in deu Vei- 
trägen von Kurz und Weißenbach 1, 48 fi. 

2 Lohberg Str. 74. Bal. Krieg von Bartburg Str. 15 (ME. 2, 6b): 
8 wäre dem Berner genuoc gewefen, do in herre Egge want“; ſchon bei 
Enentel (ſ. ©. 364, Anm. 3): „wie der Berner wär komen, | da ex bern Ellen 
vant“ u. f. w. | 

9 Liederfaal 3, 122 f. Bgl. Edenlid Str. 9: Sifrit, der Himin. 

4 Liederfaal 8, 563. Cod. germ. Monac. 117, Bl. 106. U. Keller, alt- 
deutſche Gedichte 2, 6. 


367 


felbe Zeit ein ähnlicher Reimſpruch Suchenwirts verfpottet: „ein maus 
ein leben fluog zu tot | zu Tirol in dem walde [oben ©. 859], | bo liefen 
alfo balde | zwo neugeflagen leiven” 1. Am einfamen Ausritt bes 
jugenblihen Helden nad [1, 329] dem finftern Tann, wo ungeheure 
Kämpfe ihn erwarten, von denen alle Zukunft fingen unb jagen wird, 
lag urfprünglich etwas Ahnungsvolles, Spannenbes 2, das aber, bänkel⸗ 
fängerifch verbraucht, auch fehr wohl dem Scherze dienen Tonnte, doch 
bat daneben der alte Emft im Volle nachgebalten und noch 1516 fang 
Hand Umperlin, ein armer Bauersmann mit zwölf lebendigen Kindern, 
dem Zampfgerüfteten Herzog Ulrich von Wirtemberg nach: „Er ift bin 
aus geritten ! ald Dieterih von Bern, | manhaft on alles aittren, | er 
ift eins leibs ein Lern“ 3; die Bebeutfamleit des ausreitenden Dietrichs 


1 8. Sudenwirts Werle von A. Primiſſer S. 148: „Ein reb von hübſcher 
Iug”, 8.32 ff. Bgl. Yubinal, nouv. recueil de contes 2, 217 (Fatrasies): 
et une viele | chantoit em fessele | dou donay Ogier. Ansführliher noch 
der Spruch von den Wachteln (Maßmann, Denkmäler 1, 1136): „ber Dietreih 
von Pern f&oz | durh ain alten newn wagen | ber Hildeprant durhn Fragen, | 


ber EL durh den fchlgzelfreben, | Criemhilt verlos da ir leben, | daz pluot gen. 


Mainz ran, | ber Bafolt faum entran, | des leibs er ſich verwal, | fibenzehen 
wabteln in ſak.“ Diefe fiebzehnmalige Kehrzeile, mit ber ganzen Einrahmung 
des Lilgenmärcdhens in den Wachtelfang, erklärt ſich vollſtändig durch des Teich- 
ners Sprud „von valchneren“ (Wiener Jahrbücher 1, Anzeige-Blatt 85 f.): „Ich 
wän, man lieg nindert fo vil, | ſam ba man fait von veberfpil, | von gejaid und 
von paiz, | wa few in den finden Hais | fitent pei den trunchen fwär, | jo hör 
ich vil gelogner mär“ u. ſ. w. | „fo vieng ainer ainen tach | wachteln ainen vollen 
fach | und Hiet ir dannoch mer gevangen, | wär im ber tag niht abgegangen, | 
do traib in diu naht dervan“ u. . w. | „find daz nicht gelogenew mär? | alfo 
ſprach der Teichnär.“ Bgl. Tiederfaal 2, 887: „fiben wachteln zerftört | ein 
hoptloſer hofwart.“ Fiſcharts Bargantua Gap. 25, im Verzeichnis der Spiele: 
„Bier Wachtel im Sad“, auch: „Im Sad ein Rebhun“ u, f. w. und: „Wer 
Ian fieben LuUgen?“ Bunamen: „Peter der wahtelfac” (aus Ottack., Haupt in 
der Zeitſchrift 4, 578); „Luginnſachh“ (unter öſtreichiſchen Banernnamen des 
15ten und 16ten Jahrh. in Schotttys Vorzeit 1, 270. Mone, Anzeiger 3, 85). 

2 Liederanfänge mit dem Ausreiten waren überhaupt gebräudlich: „Ich 
will zu land uß riten“ u. f. w. (Hilvebr.); „Algaft der wolte riten“ u. ſ. w. 
(ME. 3, 408 0); „ES reit ein herre“ u. f. w. (W. Wadernagel, altdentiches 
Lefebuch 829, 81); auch meine Vollslieder Ar 74. 94. 108. 113, 8. 114. 
137. 139. 

3 Meine Vollslieder Nr 180, 


368 


mag fich felbft auf den Vollsglauben erfiredt haben, wonach vieler 
beutfche Held in fturmbrohender Zeit riefenbaft zu Roſſe gefeben ward !. 

Befondrer Unterfuchung bebarf die Parodie des Eckenlieds und ber 
Dietrichsfage überhaupt im „Ring“ von Heinrich Wittentveiler, einem 
Dichtwerle, das nicht fpäter als 1453 verfaßt ift . Darin wirb eine 
Bauernhochzeit zu Lappenbaufen gefchilbert, melches Dorf amt Nedar 
legend gebacht ijt, denn als bei Tiſch im Wetteifer, bie aufgelragenen 
Fiſche zu verfchlingen, dem fchnellen Barindwand bie Gräten eines 
Haupiftüds den [1, 330] Hals abftogen, trägt man feinen Leichnam in 
den genannten Yluß®. Ber gierig fortgefektem Wetteflen ſucht der 
ſchlaue Uß einen Mitbewerber unfchäblich zu machen (36 d, 4 ff.) „und 
ſprach: „ber Guggouch ift ein man, | der felber lieber tichten chan | ven 
Dietreihen dem Berner, | den hörten mir vil gerner, | denn daz wir 
alfo ſäſſin, | die totin filch da Aflin.” | Des daucht ſich Guggouch do 
gemait, | er huob fein tädind an und fait: | „EB ſaſſen held in einem 
fal, | die aflen wunder über al” | et cetera bis an ein end. | Die weil 
bie Lofer warend bebend | und affen auf die viſche gar, | e fein ber finger 
warb gewar.“ Die Worte Guggauc find eine leife Umwandlung ber: 
jenigen am Eingang bes Edenlieds (Str. 2): „Es ſaſen held in ainem 
fal, | fie rettont wunder ane zal | non userwelten reklen“ u. |. w. Diet: 
rich von Bern wird aber auch in werkthätige Theilnahme gezogen, denn 
als beim Tanze ſich blutiger Hader zwiſchen den Lappenhaufern und 
ihren Nachbarn, den Nifiingern, entfponnen hat und es hierüber zur 
förmlichen Kriegserklärung kommt, fchiden jene zuerft in alle Länder 
und bedeutende Städte um Beiftand, als aber dieß meiſt vergeblich 
it, wenden fie fi) an die umliegenden Dörfer und nad dem nahen 


1 Godefr. Colon. ed ann. 1197 (Böhmer, font. rer. germ. 3, 474 f.). 
Bgl. Otto Friſ. chronicon 5, B (Heldenfage 38) und 3. Grimm, fiber eime 
Urkunde des 12ten Jahrh. 20: Dietrici ex inferno. 

2 Herausgegeben in der Bibliothek des Titterarifchen Vereins in Stuttgart 
XXI; das Gedicht ift reichhaltig und von großer Lebendigleit, aber auch mit 
dem maßlofeften Wuſt des 15ten Jahrh. behaftet. Die Verſe 6b, 21 f. jagen 
noch: „Conſtantinopel fei derfant | den Tindern dört ze Chriechenland“; im Jahr 
1458 fiel dann aber die Haupiſtadt des griechiſchen Kaiferreidhs in die Gewalt 
der Zürlen. 

8 Ring 86 c, 36 ff.: „Alſo fuor de Barindwand | da Hin gen Schläuraffen- 
lant | mit feiner fel, daz was ir fuog, | den leib man in den Neler truog.“ 


369 


Heuberg, von wo ihnen auch bereitwillig die Heren, unter Führung 
ber einen Wolf reitenden Yrau Hächel auf Geißen bahberfliegend, zu 
Hülfe fommen, denen fofort die Riefen, fieben an ver Zahl, darunter 
Sige (Sigenst) und Ede !, fowie die Schweizer mit ihren Helmbarten 
fih anfchließen, wogegen bie Reden, melde gleich den Riefen unterm 
Heuberg auf grünen Wielen figen?, nemlich der Berner und fein 
Meifter Hildebrand, Dietleib und Wolfpietrich, nebft den Biwergen unter 
Laurein, abgefagten Feinden ber Hexen, den Niflingern zuziehen, ein 
wilder Mann aber, auf einem großen Hirſche ſitzend, als gänzlic Frei 
williger, mit feinem Kolben nad) beiden Seiten um ſich ſchlägt?. Bon 
ber ungebeuren Schlacht ift hier nur ſoviel [1, 331] zu jagen, daß Diet- 
cih von Bern den Niefen Ede zum zmweitenmal in Stüde baut, daß 
die Iebigen Thiere der abgeworfenen Hexen über den Heuberg binfliegen * 
und daß der neuverebelichte Bertichi, ald er das große Blutbad an- 
fieht, ſodann Lappenhauſen zerftört und feine junge Hausfrau tobt 
findet, fih mitten in den Schwarzwald begibt, wo er aud in volltom- 
mener Andacht fein Leben beichließt?. Das Ganze bewegt fih in 


1 Ede it nachher (54, 28 im Reime) zu Egger verehrt, was in Laßbergs 
Sigenot (Str. 84) als Abkürzung des Zwergnamens Eggerich dient. 

2 Ring 47%, 16 ff.: gen Leusaw unterm Höberg, | da faffen herren [1 häzen] 
und auch twerg, | vil nach da bei auf grunen wifen | fafien reden und and rifen. 

3 Diefes feltjame Weſen, bald „ein wilder Mann“, auch in Mehrzahl, bald 
„der wilde Mann“ (vgl. Myth. 454. 520. 881 f.), lebt noch in der Vollsfage, 
namentlich der tirolifchen, gehört aber auch ſchon herlömmlich zu den Abenteuern 
Dietrich im Walde von Zirol: Gigenot der Drespner Handſchrift Str. 81 fi. 
und des alten Druds Str. 30 ff., Laurın, Ettmüller, 171 ff., Heldenbuch 1506, 
HB, entihiedener als Thiermann (Herr der Waldihiere) in Dietrich und feine 
Gefellen, Dresdner Handſchrift Str. 106 fl.; fonft in alten Zeugniſſen: Orendel, 
3. H. 2. d. Hagen Ausg. 1271 ff., Meiſter Altfwert ©. 17 f., MS. 8, 2886, 5; 
ſodaun der däniſche diurekarl, Grundwig, Danm. g. Folkevis. 1, Nr 18, und 
der „waltman“ im Fwein 896 bis 599. 979 bis 988. 598. 622 (alıfr. bei 
U. Keller, Romvart 523 ff. 638. 541, Gh. Gneſt, Mabinogion 1, 137 ff. 148 
[vergi. mein Buch über Grefien von Troies S. 151 und meine Ausgabe bes 
Chevalier au lyon ©. 15. H.). Ein weiteres Wunder ber Wildnis fchweift 
im Eckenliede, Laßberg Str. 52 bis 54, das Halbroſs mit Speer und Schwert 
(altn. fnngalkn, Fornald. 8. 3, 473. 746 b. GEgüsfon, Lex. podt. 220 a). 

4 Ring 52d, 20 fj.: die häxen mägten II. naigten] fich zer erd, | ix phärde 
nber[n] Höberg | flugend bin ze aller vart, | wan ix aines ledig wart. 

5 Ring 579, 15 ff.: „Alfo fuor er bin fo bald | enmitten in den Swarcz- 

Uflan», Schriften. VI. 24 


370 


freiefter Dichtung, die Dorfnamen find meilt erfonnene, wie Zappew 
baufen, Torenhofen, Narrenhaim!; an dem Turnier bes Lappenhauſer 
im vordern Theile der Erzählung betbeiligt ſich der alte, bairiſch⸗ 
Öftreichiiche Neibhart, der Neimgebraud zeigt oftfränkiſche Mundart des 
Berfaffers an? und über fein Verhältnis zu ven Schwaben läßt ſich 
nicht3 entnehmen ?, dennoch tft durch Nennung des Nedard, Heubergs, 
Schwarzwalds vie ſchwäbiſche Ortlichleit ver Handlung deutlich abge 
ftedt 4. Der Henberg galt den Uumohnern nicht bloß für den Tum⸗ 
melplat der Heren®, man fab auf ihm zumeilm auch geſpenſtiſche 


wald, |.da nerbienet er vil gwär | in ganzer andacht an gevär | nach difem 
leid das ewig leben”; wie nach ibm Simpliciffimns auf dem Schwarzwald als 
Einfiebel lebt (Kellers Ausgabe des Simpliciſſimus 2, 817 f. 826 ff.). 

1 Ring 2, 1f. 475, If. 14. Vgl. ME. 8, 2005, 7: Jochhuſen (Gond- 
büfen?), Zumbenrein, Rarrental, Affenberc (ebd. 2136, 7: üz der affen tal). 
Nicht anders zu nehmen ift auch bei Hans Sachs B. 2 (Nürnberg 1560) 
Thl. 4, BL 89 das Dorf Pappenhaufen mitfammt vorgeſetztem: bey Rapperk- 
weil im Schweytzerlandt. 

2 Ring Mc, 1f.: waiß — gemäß; 290, 45 f.: Sebnttifait — Stät; 
478,3 f.: Häm — Narrenhaim; 48c, 17 f.: haim == ungenäm. Schmeller, 
Mundarten 149. 

8 Auch nicht aus der Berwendung eines Sprichworts auf diefelben in eimer 
Lehre, die dem jungen freier gegeben wird (306, 7 fi.): Hab geding und laß 
es nicht, | ob dir ioch niemer guot geichiehtl | won oft em Swab ber nimpt 
fein end | mit guotem troft, der fmergzeg went. Der Minne - altner Str. 73 
(Binter Hadamars v. Kaber Jagd, herausgeg. von Schmeller ©. 185): Mit gutem 
gedinge | und hertem leben nimmet der Swab fein ende. (Allgemeiner bei Freidanl 
43, 12f., vgl. @ödele, Reinfr. 110, 1IL) Spruch aus dem 15ten Jahrh. (Eſchen⸗ 
burg, Denkmäler 417): In den landen findt man reid und arm, | Schwaben 
häpft auf mit leerem darm. [Bgl. oben ©. 263 und Anmerkung 664 daſelbſt. H.)] 

4 Zu Rotweil am Neckar heißt der Oftwind: der Heubergerlufi, der Nord⸗ 
wind: Kniebisluft, ein abgegangenes Thor hieß Waldthor, weil es dem Schwarz⸗ 
mald zugelehrt war, welcher ſchlechthin der Wald genannt wird (Lauchert, Mund» 
art won Hotweil 11. 14). 

5 In den Rotweiler Herenprocefien ift die Luftfahrt zum Tanz auf bem 
Heuberg herkbumlich (Rudgaber in den Würtembergiihen Jahrbüchern 1888, 
1, 21. 25 f. Langen, Beiträge 438. 442 f., ebd. 435 Witt nach dem Bogele- 
berg anf einer Geiße); „Herenipiegel. Gin vberaus fchöne vnd wolgegrändte 
Tragedi” u. |. w. Tübingen 1600, S. 40: Sicht nicht daß ich mich dapffer 
jalb | an armen, vnd ja allenthalb. | Ey daß ich auf dem Hewberg wer u. |. w. 
S. 44: Da wir nächt kamen heim gar fpat | vom Hemberg u. |. w. 


371 
Kriegsſchaaren, die ihn zum Aufenthalt ſagenhafter Reden eigneten!. 
Zudem finden fich innerhalb jener hauptfäch[lı, 332]lihen Landmarken, 
mitten unter den erbichteten Namen und fabelhaften Geftalten, nähere 
Anhalte für örtlihen und geſchichtlichen Bezug in folgender "Stelle 
(48c, 9 ff.) beifammen, mit welcher die Aufzählung der Hülfsvolker für 
Lappenhaufen abfchließt: „doch fo warb in zuo gelant | von Indertrinn, 
dem teuffen land, | ein alter man und darzuo gra, | nicht mer fo vand . 
man ir auch da u.f. mw. | Des war fl. wär! auch chomen her Galvan, | 
ein ritter werb von Montalban, | Zanzelott und her Triftan, | Stolff [7] 
und ander herren gmain, | do muoften feu ir fchlofie retten | und andreu 
güter vor den ftetten, | ber Rüggel [I. Püppel] doch von Elrbach, 
den man nie berligen fach, | hiet ze ftreiten im berlorn, | da was er 
dannacht ungeporn.” Statt „Indertrinn“ Steht vorher (47d, 11) richtig: 
„das ander borff hieß in der Chrinn“?, was mit nachfolgentem „Leusam 
unterm Höperg“ unvertennbar auf bie Ortslage am Heuberg weit, 
nach welcher das heutige Dorf Weilen unter der Rinnen (Bezirks 
Spaichingen), etwas misverftänblih, benannt if. Daß dic Herren 
nicht kommen, meil fie ihre Schlöffer und andre Güter vor den Stäbien 
retten müflen, paßt auf eben jene Gegend, in welcher die Stäbte 1423 
das Schloß Hohenzollern, die Rotweiler insbeſondre fchon früher die 
Beften Bern gebrochen hatten und nachher, 1449, die Burg Hohenberg 


1 &rufius, Paraleip. (1596) 34: Non longe a Balinga maons ılle cele- 
bratissimus abest, quem Henberg appellant; ibique a sagis exercıtia (dıa- 
bolica fieri, vulgo persuasum est, Inde etiam est, quod vulgua spectra 
et meteora, qus in hoc monte freyuentia. sunt, pro prestigiis magorum 
et demonum habet. Aliis inde oriri videntar, quod circa Maximilieni 1 
tempors interdum pugus ila in locis commisse sint, sicut, quando Eber- 
hardus Barbatas cum Rotwilensibus bellum gessit, antegquam dux creatus 
‚ esset. Quemadmodum Pausanias quogue scribit ... in campis Marathoniis, 
in quibus Atheniensis dux Miltiades Persas vicerat ... multis etiam annis 
post speetra noctu esse visa, militares clamores hinnitusgue equorum 
auditos esse nec impane ferre, qui temere accedat (folgt die Stelle aus 
PBanjanias 1, 82, 3). 

3 Krinne £. bedeutet: Kerbe, Einfchnitt (lat. crena, fissura, |. Schmeller 
2, 887 f. Benede 1, 882.0), hier alfo Thalſchlucht, noch befonders angezeigt 
durch den Beifa „dem teuffen land“ (die Haudichrift ſetzt che vielfach für fr, 
tenf für tief, ſeu für fie nom. pl. m.) 





372 


an der fteilen Wand des Heuberg zerftörten 1. Der kriegeriſche Herr 
Püppli von Ellerbach, aus der ſchwäbiſchen Warkgrafihaft Burgau, 
ft wohl mehr eine perfönliche Belanntfchaft des Dichters; er war noch 
ungeboren, weil bie Begeb[1l, 333 ]nifle einer nebelhaften Borzeit angehören 
iollen 2. Dagegen bekundet fich wieder die unmittelbare Gegenwart in 
dem nachbarlichen Berlehr mit den Schweigern, die zur Lappenhauſer 
Hochzeit geladen werden (33a, 32 ff. 335, 34 f.) und nachher, male 
rifch geichilvert (48a, 43 ff.), den Nifiingern zu Hülfe ziehen; das 
förmliche Bündnis Rotweils mit der Eidgenofienfchaft fällt zwar erft 
in das Jahr 1463 und der „raue Schwarzwald“ ſchickt feine „unge: 
ftalten” Bauern den Eidgenofien erft 1477 zum Erſatz von Ranch, 
aber in beiven Fällen mwirb bie alte Freunbfchaft der Borbern aus: 


1 Die Berflörung der Burg Hollern, auf Auftoß und mit Beihülfe der 
Stadt Rotweil, war in Schwaben ein fo kundbares Ereignis, daß man danach 
bie Jahre gezählt findet. Außer dem Reimſpruch des Meifters Konrad Silber⸗ 
drat. wahrſcheinlich eines Rotweilers, und den lateiniichen Verſen darüber von 
Konrad Winzieher, Bürger zu Reutlingen, ift auch in der von Nicodemus 


Friſchlin zufammengetragenen handſchriftlichen Hauschronit der Edlen von 


Ehingen eines Liedes auf Grafen Fritz den Ötinger gedacht, dem eben bie 
Stammburg gebrochen wurde. Diefer Graf Friedrich ven Zollern, gen. Ötinger 
(f 1443), der Erbfeind Rotweils, überhaupt ein abenteurliher, ſtreitluſtiger, 
mit dem eigenen Bruder verfehbeter Mann (Stälin 3, 421 ff.), führte in feinem 
Siegel, wie es in mehrfacher Form vorliegt, den zottigen wilden Mann, mit 
bebeimtem Haupte, dem Speer in der rechten und dem Schild au ber linken 
Hand (Abzeihnungen in den Monumenta Zollerane 1, 530. 551. 576). Sollte 
das nur zufällig mit dem Toben des vilden Mannes im Lappenhaufer Kriege 
fich begegnen? (Vgl. Eutermann, Ravensburg 56: Sig. iudomiti viri.) 

2 Im Geſchlechte von Ellerbach war ber Name Burkard herlömmlich (Mo- 
numents boica 35, Index personarum 316 5); zwei diefer Burlarde aus dem 
14ten Jahrh. werden non Sucenwirt gepriefen, der ihren Kriegsthaten drei 
Neimreden widmet (Suchenwirts Werte S. 28 ff., vgl. 219 ff.) und von bem 
jüngern ausdrüdiih fagt: „Sein nam ift unverdrumet: | ber Buppli von Eller- 
wad, | dem trew und er nie gebradh. | Burkart ift fein rechter nam“, ferner: „ber 
Buppeli von Ellermad); | in der tauff ward er genant | Burlart, fein nam mas 
weit erlant“ (ebd. 30. 38); fir Wittenweilers Beit gedenkt eine Augeburger 
Urkunde von 1447: „des firengen bern Buppelins von Ellerbach, Ritters, bes 
eltern” (Monuments boica 34, 401 fj.), was noch einen jüngern besjelben 
Namens annehmen läßt. Kürzungen von Burkhard find im Jahrzeitenbuch wen 
Wurmlingen (Bl. 10. 16): Bürdi, Bürcki. 


373 


drũcklich bervorgehoben 1. Der ganzen Anlage nach hat Wittenweilers 
Arbeit ihr einfacheres und harmloferes Vorbild in dem unbezweifelt 
ſchwabiſchen Gerichte des 14ten Jahrh. von Bärſchis Hochzeit mit 
Mepen ?. Diefes ift im Ring mit voller Freiheit umgeftaltet, greller 
aufgemalt und ungemein erweitert. Dennoch find nicht bloß die Ramen 
der Hauptperfonen, des Bräutigams und ber Braut, ſowie mander 
Rebengänger, ftehen geblieben, fondern aud einzelne Darftellungen 
und Redeſätze faft wörtlich dem älteren Stüd entnommen ®. Insbe⸗ 
fonbre nun war ber durchlaufende Name des erfien Helden, Bärfcht, 
Beriſchi, d. h. Berchtold 4, ber auch für andre Mitjpielende fih mehr 
fach wieberbolt, nad dem Zeugnis alter Jahrzeitenbücher, ein beim 
Lanboolle der Berchtoldsbaar fo beliebter, daß er als [1, 334] förm⸗ 
liche Loſung bdortiger Landsmannſchaft angefehen werden kann. Der 


1 Der Bundesbrief von 1463 bezeugt „die trüw liebe und friimdichaft, fo 
unfer vorbern und wir lange zit mit einander gehabt hand“ (Mudgaber, Ge⸗ 
ſchichte won Rotweil Bd. 2, Abth. 2, ©. 220) Bon dem Hülfzug „gen Nanfee“ 
befagt ein Gedicht des 15ten Jahrh.: „und der rauhe Schwartwald | brachte 
bauren ungeflaft, | die nit zu verachten findt, | dann fie halber Schweitzer 
findt | in dem groben weien, | als ich hab gelefen: | die Schweiger und ir alt 
vorden | humen auß einem orden“ (H. Schreiber, Taſchenbuch u. |. m. 1844, 
S. 888). 

3 Liederfaal 3, 899 ff. Graff, Diutiffa 2, 78 ff. Liederbud der Hätzlerin 
259 fi. (Mörin, vom J. 1453, BI. 27: Do Meyer Bertfchen hochzeit was.) 

9 Man vgl. Metzen Hochzeit im Liederſaal U. 42 biz 44 mit Ring 23, 19. 
38, 7 68 9; Liederſaal 8. 822 bis 827 mit Ring 33, 21 bis 25; Lieberfaal 
B. 418 is 424 mit Ring 346. 48 bie 45; Liederſaal B. 483 bis 437 mit 
Ring 845, 8 bis 11; Diutiſta 2, 87 uud Häplerin B. 290 fi. (Liederfaal 
B. 4% fi. adgeriffen) mit Ring 986, 44 ff. Liederſaal B. 578 ff. mit Ring 
40, 55 fi. Triefnas Heißt im Liederfaal B. 102 nicht der Bräutigam, aber 
ein Berwandter besfelben, Guggoch, Iſengrin u. a. erfcheinen bier wie dort. 

4 &o wirb Bärtſchi im Wing bei der feierlihen Verlobung angerebet, 
82c, 21: „nu dar, herr Bertolt, Hörft du das?“ 82d, 228: „jag an, Perh⸗ 
toft, yei beiner treuw!“ Beide Formen gebraucht auch das Wurmlinger Jahr⸗ 
zeitenbuch, BL. 2: berchtoldus nadler, Bi. 8: berticht nabler. 

5 Bielfach begegnet er in mehrgebachten Wurmlinger Bude, öfters auch 
in einem bortigen Rodel von 1480 und im Reibinger Anniverfarium; häufig 
daneben am erflen Orte Met, Mätz (zugleih mit mecilt, Mechtbilt), einmal 
in derfelben Stiftung, Blatt 25 5 nıet und bertſchi. Ein in ſchwäbiſcher Mund- 
art verfaßtes, um 1630 gebrudtes Lied, Schilderung einer Bauernhochzeit, gibt 


374 - 


Hauptortöname Lappenhaufen, gleichartig mit Narrenhaim und Toren 
hofen (S. 370), iſt im älteren Gedichte, das feinen Ort nennt I, bock 
ſchon dadurch angellungen, daß es die am Tanze fpringenden Dörpel 
als „lappen” Yennzeichnet . Lapp, twober bann läppifch, der Läppiſch 
(das Läppilchthun), lappen, war in der Zeit und Gegend, welche ber 
Ring angeht, das bezeichnende Wort für die närrifche Luſtigkeit ver 
Bauern und den gleich brolligen Scherz, ber mit ihnen getrieben wird. 
Cine Meile unterhalb Rotweil, auf eine nad dem Nedarthal aus 
blidenden Höhe, fteht noch trümmerhaft bie Burg Herrenzimmem, 
einftiger Stammfig Herrn Johanna von Zimmern, zugenannt der Lapp, 
ber, um 1354 geboren und 1441 verftorben, ein jehr angejebener, ob⸗ 
gleich feltfamer Mann, durch feine Läppiiche Händel mit den Bauern 
von Wittershaufen (im Bezirke Sulz) diefe jo fagenberühmt machte, 
dak ihnen, in Gemeinfchaft mit denen von Gaienhofen am Zellerſee, 
die im Ninge von den Nifiingen mit um Hülfe befchidt werden 
(42c, 24), unter den Schmabenftreichen ein beſondrer Abfchnitt zu 
mwibmen ift3. So war auf diefem Boden für die Bauernſchwänke bes 


dem Brautpaare ſchon die firhlichen Namen Hänßle und Graetta, bezeugt 
übrigens, wie andauernd diefer poetiſche Stoff in Schwaben beliebt war, |Bgl. 
G. 8. Frommann, Die deutihen Mundarten 4, Nürnberg 1867. ©. 86 fi. 6.) 

1 Nur die Vauernnamen B. 28: Göswin, der Bäftnger, und B. 112: 
Wächringer lauten örtlich, jtir erſtern bieten fih etwa Böſingen (Bezirks Rote 
weil, eın andres Bezirks Nagold) und Baifingen (Bezirks Horb). 

2 3.464 f.: Dietorpel, nuo die lappen, | fprungent aljo vaft, | das im 
das ſtro taft | vz den ſchnochen uff den plan, j wann in die folan bafz [L. bos 
man. Dieſem wän (für wären, vgl. A. Kellers Megifler zu Martina ©. 763 0) 
im Heim auf plän, wie vorher 3. 315 f. mit gän, entfpricht noch die heutige 
Notweiler Mundart, in weldher r vor u ausfällt (Lauchert a. a. DO. 14, vgl 
Schmeller, Mundarten 682, allgemein ſchwäbiſch find ſolche Auslaffungen nice). 
Stammbaum der Dorflappen Faſinachtſpiele 525, 12 ff. vgl. 344, 17. 

3 Über diefen Johann von Zimmern |. Rudgabers Weichichte der Grafen 
von Zimmern, Rottweil 18W. S. 65 fi. Zum Worte Lapp vgl. Benede 1, 
989. Schmeller 2, 485 1. Die im Froſchmeuſeler zweimal genannten Lappen⸗ 
bäufer (9. Keller, Berxede zum Wing VIII) haben Bezug auf die aus bunten 
Lappen zujammengeflidte Banernkleidung. Das Lappenweſen ift um Laufe des 
1dten Jahrh., wie früher ſchon die Neidhartsdichtung, zur höfiſchen Mode ge 
werden. Davon zeugen reichli die bairiſchen Schwänte Hans SHefellabers 
($ 1470 als Pfleger zu Päl) und auch ein ſcherzhaftes Lieb feines Her, des 
Herzogs Ludwig von Baiern, in Münchner Handichriften des befagıen Jahrh. 


375 


Rings überhaupt ſchon mehrfältige Bereitihaft vorhanden. Auch das 
findet fich fchon im älteren Stüde, daß bei Metzen Hochzeit gefungen 
und gejagt wird, doch ohne daß ein Inhalt dieſer Vorträge angegeben 
wäre Der Dichter des Rings ſetzt nun den gangbaren Spruch, 
[1, 335] daß die Bauern fo viel von Dietrich dem Berner fingen und 
fagen, in lebendige Handlung. Überall zeigt er genaue Kemmtnis ber 
Sitten und Gebräuche des Landvolls, felbft wenn er fie im Zerrbilde 
lächerlich macht, aber eben vie Berfpottung und poffenhafte Übertreibung 
wäre zum voraus unverfiändlich geiveien, wenn fie nicht einen Gegen» 
fand in der Wirklichkeit gehabt hätte. Wenn er fonft Schwaben ins 
Auge aefaht hat, jo war ja gerade in biefem Lande das Edienlieb, das 
er ſcherzhaft verlehrt, entſtanden und vor allen andern vollemäßig ge 
worden; warum follten auch die ſchwäbiſchen Bauern nicht vom Dietrich 
gefungen haben, über den, nad einem Zeugnis aus Tübingen vom 
Sabre 1500, fogar geprebigt wurbe 2? 

Der Bang der Unterfuhung hat dicht an die Stätte zurückgeführt, 
wo- einft die Eheleute von Bern ſich und ihre Burgen nach dem Helen 


1 &eberjaal B. 808 ff.: „Ainer grogiert, der ander fang, | ber trit fait, ber 
fiexd fprang, | bilz da di brut geziert wart“ n. |. w., im Ringe wird beim Ge⸗ 
lag «ch von Berner gefungen und dann durcheinander (37 d, 17 ff.): „alfo Yaob 
do ieder man | ze fingen und ze fagen an, | und was ber herr hiet an ge 
haben, | e3 wär von fingen oder fagen, | daz chond der chnecht mit zlichten 
Rören, | niemant wolt den audern hören” u. |. w. Das Lied in ſchwähiſcher Mund⸗ 
art (&. 873, Anm. 5) läßt den Geſang vor der Brautlammer anfimmen, Str. 68: 
„As fingt an jedas wat as fan, | da blauha Stoarda [Gargantua Kap. 1: das 
biaw Gtordenlid; ME. 8, 8035, 15: der ander fang vom ſtörchen und von 
lerchen; meine Bollslieder Ar 10], dan Hanfelman, | das Scheafanappele, ba 
Granfa von Rom [Bollsliever Ar 299], | da Geredom, da Kemmatfeagar.“ 
(Bl. Schiltbürger Gap. BL: den Bentzenawer vor der Thliren gefungen, Volla⸗ 
Nieder Ar 174. Helmbrecht 1588. Ruddlieb XIV, 88 f.) 

‘2 Henr. Bebelii Commentaria n. |. w. Phorce 1510 (die Zueignung an 
Herzog Ulrich aus Tübingen 1500), Blatt 180: Et ego novi unum, qui sum 
concioni testimonium adhibuit ex gestis Theodorici, quem nostri dusem 
Veronensem vocitent, cum merum sit commentum, sicut omnes alle can- 
ones vernacule de gigantibus, de Fasoldo, Hildebrando, de duce Ernesto 
et de aliis w. |. w., nec pro veritate reciiantur a pradentibus, verum ger- 
manica est potsis, que prineipes ad reg fortiter gerendas illorum exemplis 
cokortetur u. |. w. (Bgl. Cruſius, annal. 3, 558. „Der jelen oil“ in 
Fr. Pfeiffer Auszug S. 7.) 





376 


— 


der Sage benannt hatten. Dem benachbarten und verwandten Ge 
Schlechte von Zimmern ! war es für fpäte Zeit noch vorbehalten, an 
der Dietrichömäre felbft fortzubichten. Ein Nachlomme Johanns mit 
dem Beinamen Lapp, der Graf Gotfried Wernber von Zimmern, nahm 
während der Unruhen bed Fürftenfriegs im Jahr 1552 feinen Mohnfig 
auf der im maleriſchen Donauthal beim SKiofter Beuron gelegenen 
Burg Wildenftein, einer Erwerbung feines wohlgelaunten Ahnherru. 
Ihn beftimmte dazu die überaus fefte Lage ber noch jetzt beſtehenden 
Burg auf einer fchroffabgerifienen Felszacke. Aus den Tagen viefes 
Aufenthalis erzählt fein Bruder Wilhelm Wernber, ber Geſchicht⸗ 
Schreiber des Haufed, Folgendes (Zimmrifche Chronil S. 1038 [Ausgabe 
von Barad 4, ©. 161. H.): 

„Sonft begaben ſich zu Wildenftain vil ſelzamer hendel. Der alt 
herr war mit fo großer forg in ein foliche unorbnung mit een, trinken 
und [1, 336] ſchlafen kommen, daß auch menigllich hernach deſſen höch⸗ 
lichen an der geſundhait entgelten müeßen. Es konte des morgens 
blößig ſiben uf der uren ober uf das ſpeteſt achte ſchlahen, er wolte 
den imbiß eßen, fo war noch niemands Iuftig, nochdann ime zugefallen 
mueßt man eßen; nach eßens berueft er ber fchreiber ein, mit bem 
zecht er und under ber zech macht er reimen bon bem Berner und ben 
sifen, wie dann folih buech, damit er vil müche und arbait gehapt, 
noch zu Wildenftain vorhanden” u. f. m. 2 

Nah Proben andrer Art, bie von der dichteriſchen Begabung 
Wernhers zeugen Fünnen 3, ift dieſe nicht hoch anzufchlagen und würde 

1 Jakob von Bern vermählt fi) 1464 mit Anna, geb. Yreiin von Zimbern, 
Witwe Diepolts von Geroldsed, Zimmriſche Chronit &. 190 [Nusgabe von 
Barack 1, ©, 852. 353. H.], vgl. Rudgaber a, a. DO. 81. 

2 Die Chronik fährt fort: „Nach den zwai uren nach mitemtag fieng er an 
das nachtmal, das weret biß umb die Bier uren ungefarlidden, do war aber 
niemonds luſtig; nachts umb die neun und hernach do bet ieberman erſt gern 
gefien. Alſo zu der zeit, do man fchlafen und an die rue folt geen, do fieng 
man erſt an zu dempfen, das weret etlich fund in die nacht. Mit ſolicher um 
ordnung warb ber fommer und auch darnach ber volgend herpk mertails vol⸗ 
pracht. Iſt damit dahin fomen, daß iren kains kain rechte bebarliche gefunthait 
nie gebapt. Und wiewol bie feind, wie obgehört, ufferm land, iedoch wolt ber 
alt herr dem wetter nit gleich trauen ober fo bald ven Wildenflain weichen.” 


Laßberg hat zuerſt auf die enge Stelle aufmerffam gemacht. 
I Bei Audgaber a. a. D. 257 fi 


377 


fein mühfames Reimwerk, nad Geift und Stil, nicht einmal mit bem 
inhaltverwandten von Dietrich und feinen Gefellen, gefchweige der ge 
priefenen Kunft Heinrich? von Leinau oder der Lebenbigleit des Eden: 
lieds, fich vergleichen dürfen. Dennoch ift der Verluft des Wilden⸗ 
feiner Buches fehr zu beflagen, da dem alten Zecher auf dem Felſen⸗ 
ſchloß jedenfalld die in feiner Zeit und Umgebung noch gangbaren 
Kunden aus diefen Sagenkreife zu Gebote flanden. 

Dieb ift, wenn aud nur in Brucdftüden, die Rechenſchaft über 
den befondern Beitrag Schwabene zu der gemeinfamen Anerlennung 
bes edelſten und volfsthümlichiten Helden im deutfchen Sagenrreiſe. 
Hiezu kommt, daß in Schtwaben die gothiſche Dietrichäfage ſoviel reich: 
licher vertreten war, ala die fränkische Siegfrieds- und Nibelungenfage; 
der fanctgalliihe Waltharius ift uriprünglih burgundiih und wenn 
auch die älteften Handichriften des Nibelungenliedes von der Nähe des 
Bodenfees kommen, fo bat doch das Lieb, wie es in dieſen ausgeftaltet 
iſt, den Abſchluß des großen Kampfes bereits in Dietrichs Hand ge 
legt. Die ſchwäbiſchen Zeugnifie reichen, foweit fie äußerlich beurfundet 
find, das Bildwert zu Bafel und einzelne Namenfpuren ausgenommen, 
nicht über das 13te Jahrh., die noch vorliegenden Lieber nicht über 
defien Neige hinauf, gehören fomit einer Zeit an, in welder bie 
Dietrihsfage längft durch mancherlei Wandlungen und Milchungen ges 
gangen, ihrem inneren Weſen nad nur noch balbverftanden und ihre 
lebendige Trieblraft am Erlöfchen war. Daraus folgt aber keineswegs, 
daß fie diefer Gegend nur erft in der Form ritterlich: märchenhafter 
[1, 337] Abenteuren zugelommen fei, im Gegentbeil macht ſich eine ältere 
und tiefere Begründung berjelben gerade bier fühlbar, fie iſt in alle 
Schichten des ſchwäbiſchen Volkes eingebrungen und Feines andern 
Helden Name hat fich jo nachhaltig in ben Gefchlechtern fortvererbt. 
Wirklich erfchließt ſich auch über die bemerkten Zeitgrenzen hinaus ein 
Zernblid nad) beiden Seiten der Sage von Dietrich, der geichichtlichen 
unb ber mythiſchen. Geſchichtlich oöortliche Beziehungen Schwabens zum 
Schauplatz der befungenen Kämpfe in Oberitalien und Tirol find aus 
dem 12ten und 13ten Jahrh. angebeutet worden. Ein viel engerer 
Berband war aber fchon volle ſechs Jahrhunderte früher angelnüpft. 
Dietrich von Bern, der ftehende Name in Lieb und Sage, weiſt zw 
gleich entſchieden in die Gefchichte, auf den oſtgothiſchen Theoderi zu 





378 


Verona, diefen meint ſchon das ältefte Sagenliev, das von Hilbebrand 
und Habebrand, wenn es ihn gleich in geichichtiwinrigen Zuſammenhang 
bringt, und ihn bezeichnen auch, obfchon zum Theile ven Widerſpruch 
rügend, die Zeitbücher, melde der Sage gevenlen. Diefer Amalung 
Theoverich, der Sohn Theodemirs (Dietmard), war, auf ber Höbe 
feines Ruhmes, ein bülfreicher Freund der Alamannen. Als die Madıt 
derjelben durch den Sieg Chlodwigs vom Jahre 496 gebrochen und der 
nörbliche Theil ihres Gebiets der fränliihen Botmäßigleit unterworfen 
war, nahm Theoderich, deſſen Herrichaft zuvor ſchon über Nätien fid 
erſtreckte, das ſüdliche Alamannien in feinen Schub und räumte zw 
gleich einer zahlreichen alamanniſchen Bevölkerung Wohnfige und Bau 
land innerhalb ber Grenzen Staliens ein. Mitten inne zwiſchen ben 
eiferfüchtigen Gewalten Chlodwigs und Theoderichs hatten dieſe Al 
mannen fich leßterer zugewandt und felbft dann noch, als nach Theode⸗ 
richs Tode das ganze Alamannenland unter fränkiſche Dberberrlichleit 
geflommen war und das Reich, das er begründet hatte, bem Falle raſch 
entgegengieng, waren es zivei alamannifche Herzoge, bie Brüder Lew 
tharis und Butilin, die, mit Wiberftreben bes jungen Franfenlönigs 
Theubebald, den Oſtgothen in ihrem lehten Kampfe gegen Narfes ein 
große Heer von Alamannen und Franken nah Stalien zuführten. 
Leutharis und ein bebeutender Theil feiner Kriegsſchaar wurden, auf 
dem Rückzug mit der gemachten Beute, von einer Seuche hinweggerafft; 
Butilin, dem die Gothen ihre Königswürbe in Ausficht ftellten, ſtritt 
553 die biutige Schlacht bei Capua, die ihm den Tob und feinem 
Heere Vernichtung brachte, womit aber auch die Auflöjung des Gothen- 
reichs entichieben war 2, Die [1, 338] Verbindung der Sübalamannen 
mit biefem Reiche hatte zwar unter Theoderich jelbft nur dreißig Jahre 


I Sein Yürfchreiben an Chlodwig bei Caffiodor, var. 2, 41; die Bande 
rung durch Noricum betreffend: ebd. 3,50 (vgl. Huſchberg, Geſchichte der 
Alemammen und Franlen 648). Ennodius, panegyr. 15, vgl. 17 (Zeuß 688 fi.) 
Agathias, hist, 1, 6. Theoderichs Herzog ber Rätien: Gafliovor, var. 1, 11. 
7, 4. Frilhere alamannifde Anfiedlungen am Bo und in den rätifchen Mipen: 
Ammianus Marcellinus 28, 5. Jornandes 55, 

2 Agatbias 1, 6f. 2,1618 10. Bgl. Gregorius Turonenſis, hist. France. 
4, 9. Panlus Diaconns, de gest. Langob. 2, 2. Rod einige Jahrzeheube 
fpäter Tieß der oftrömifche Kalfer Mamitius an die Spite feiner pompbaften 
Siegestitel nebeneinander feßen: Alemannicus, Gothicus. 


310 


und nad) deſſen Tode jehr kurze Zeit noch gebauert 1, aber die Volls⸗ 
geſchicke, unter denen fie zu Stande gelommen, waren ernſt genug, um 
bei den Alamannen tiefe Eindrüde zurüdzulafien und, wenn aud bie 
geſchichtlichen Erinnerungen als folche fich verbunlelten, dem Namen 
und Bilde des Netter und Beichirmers ein bleibende Gebächtnid zu 
fidern *. Theoderichs mächtiges Wirken in alien war von ziveis 
facher Beichaffenheit, erft ein Triegerifches, wie er in ben Kämpfen mit 
Dvoaler vor Berona, Ravenna, Mailand, ſich ein Reich eroberte, unb 
von diefen Kämpfen erhielten ſich Nachllänge im alten Hilbebrandss 
liede, bier felbit mit Doakers Namen, tann im Gebichte von ber 
Schlacht vor Raben und andern (vgl. ©. 352), fo jedoch, daß durch 
Beiziehung des früheren Ermanarichs and des hunniſchen Attila ſich 
Zeit und Berfonenftellung vielfach verwirrte ?; ſchon die proſaiſchen 


1 Agathias 1, 6. Bgl. Stälin 1, 151 f. 170. Eine Folge diefes einft- 
maligen Zuſammenhangs mit dem Gothenreiche mag es fein, daß ber Name 
Amelung, urfprünglich oftgorhiiher Stammname, jo häufig in alamannifähen 
Urfunden vom Ende des ten bis zu dem des 10ten Jahrh., beſonders auch 
bei Bögten des Klofters St. Gallen, alfo Männern von Anfehen, vorkommt 
(Reugart, ind. onomast. 93 0). Noch in der Urkunde von 1301, welde 
Dietericus, dietus Märehelt de Wurmelingen, an lebterem Orte ausſtellt 
(S. 337, Aum. 3), zeugt mit Dietericas de Stainhülwe auch ein Amelungus. 
In einer Urkunde aus Odenheim, unweit Bruchſal, von 1109 find Zeugen Ame- 
lungus, Diethericugs Franci (Wirtembergifches Urkunden» Buch 1, 338), es ifl, 
als hätten Amelunge fi durch den Zunamen Heimatredht auf fränkifchen Boden 
erworben. Die Bedeutung jener ſangalliſchen Amelunge hebt ſich noch dadurch, 
daß im ganzen Urkundenfchake der weitum begüterten Abtei neben den Einzel⸗ 
namen Sigifrid, Hagano u. |. w. (S. 346, Anm. 1) doch. nirgenda em ſtamm⸗ 
namiger Nibeling bervortritt. Im Waltharius wird diefer Stammname ſichtlich 
als ein fränfifcher bezeichnet (®. 655: Eranct Nebuilones). 

2 Rieger, in Wolfs Zeijchrift filr dentfche Mythologie t, 281 f., nimmt 
an, daß die Aamannen in Rätien und Noricum Erben der gothiſchen Helden⸗ 
fage feien. 

3 Die Quedlinburger Jahrbücher (S. 340, Anm. 1) nehmen feinen Anfland, 
den Amalıng Theoderich als Zeitgenoffen Artilas und deſſen Schükling wiber 
Ermanari und DOdoaler gelten zu laſſen fleilen jedoch den für geſchichtlich 
eradhteten Thatſachen mit den Worten: et isie fuit Thideric de Berne, de 
quo cantabent rustici olim, der früßeften Erwähnung dieſes Baueruſingens, 
Dietrihsmären gegenüber, die fie für fabelhaft gehalten zu haben fcheinen, wohl 
eben die noch Tangehin beim Vollke beliebten Wafvabenteuer. 


380 


Gesta Theoderiei aus dem Tien Jahrh., denen dieſe Beimiſchungen 
noch fremb find, lauten gleichwohl nicht mehr reingeſchichtlich und haben 
epilche Keime angejegt, die fortan in Lieb und Sage fi) weiter ent 
falteten 1. Auf die Begründung der ita[ı, 339]lifhen Gothenherrſchaft 
aber folgte die andre, frieblihe Wirkſamkeit Theoderichs, wie er int 
beſondre den Feldbau durch Urbarmahung verfumpfter Landftreden 
förderte und eben auch den Alamannen beftellbaren Boden anwies 2. 
Wenn nun aus diefer breißigjährigen Friedenszeit nicht bloß der Über: 


1 Gesta Theod. regis (Mones Anzeiger 4, 14f. 7, 855 fi. Canis. lect, 
anti. ed. Basen. 2, 188 fi. Aimsin. 1, 10. J. Grimm, Neinbart Fucht 
XLIX), woraus namentlich Folgendes: Theoderich flüchtet fih aus einer Schlacht 
mit Odoaker und den Herulern nad Ravenna, wo ihm feine Mutter vermweifend 
entgegentritt: er könne nirgenphin fliehen, ala wenn er in ihren Schooß zu- 
rüdtehre, tief beſchämt, will er lieber flerben als leben, wirft ſich mit fleiner 
Schaar auf die Feinde und vertilgt fie, geradwie Dietri in ben Lichern 
(Rofengarien, Edenlied, Nibel. m. a.), von Anfang kampfſcheu und zögernd, 
erft heftig aufgereizt werden muß, dann aber in feiner Zornflamme unwider⸗ 
ftehlich losſchlägt; auch die Erzählung der Gesta von Theoderichs Zweilampfe 
mit dem avarifchen Reiter läßt ihn zulekt, aber allein fieghaft, zum Gtreite 
gehen und ift zugleich ein treffliches Vorbild ähnlicher Kämpfe, durch die er ſich 
tapfre Genoffen erwirbt und mittelft welcher die manigfachen Heldengefchichten 
der nordifhen Saga in feiner Perſon verbunden find; dem jungen Theoderich 
zur Seite fleht ein Muger Berather und bis zum Tode getreuer Freund (cum 
Theoderico amieitias iniens, quas usgue in diem obitus custodivit), Ptole 
mäns, und es ift unter dieſem Ramen ein deutfcher Wigand, Wighere, Wighart 
vermuthet worden (J. Grimm, a. a. O. Maßmann, Kaiferdronit 8, 808); 
näher und gleich wortgerecht gäbe fi Hildebrand, ber weile und treue Meifter 
Dietrich, if doch, nad andrem Bericht, auch Theoderichs gothiſche Matter 
Erelieva in der Taufe zur griehifhen Eufebta umgenannt worden (Anonym. 
Vales. &, 719, vgl. Jornandes G. 52). 

2 Ennoding 1. c. 15. Manfo, Beichichte des oſtgothiſchen Reiches in Italien 
126 fi. Caſſiodors redneriſche Amisſprache im Namen des Könige Theoderich 
: fiber die abzumehrenden Greuel der Berfumpfungen rührt nahezu an das vnolls- 
mäßige Bild des Lindwurmlampfes, ver. 2, 21: ubi aquarum vasta profun- 
ditas terrenam gratiam ... absorbuerat; ... celatamque longa voracitate 
tellurem u. f. wm. 2, 32: paludem Decennonii in hostis modum vieine 
vastantem u, f. w. Hunc ergo audacem laborem aggressurum se... ut 
pereunte damnoso gurgite, que fuerant amisss, ulterius non perirent .... 
opus ezimium, quod erit cunctis viantibus profuturum. Bgl. ©. 886 und 
S. 40, Anm. 2. [Bergl. auch oben S. 278. 9] 





381 





fluß an Weizen und Wein, ſowie die allgemeine Sicherheit des Ber: 
kehrs angerühmt, ſondern letztere noch eigend damit beranfchaulicht 
wird, daß Theoderich nirgendwo Stadtthore machen ließ, daß aud 
innerhalb der Stadt die Thüren nicht geichlofien wurden und man 
ebenfo gefahrlos, ala im Umfang der Stabtmauern, Silber und Gold 
auf dem Felde laflen Tonnte, daher auch benachbarte Völker fih ihm 
in Bündnis untergaben und ihn zum Könige wünfchten !, fo find das 
tollfommen fagenhafte Züge, bie fi) ebenfo altnordiſch in Frodis Frieden 
vorfinden 2. An dasfelbe [1, 340] Heldenthum ber twaltenden Friedens 
band lehnt ſich dann auch die mytbifche Seite der Dietrichsiage mit 
ben vorzugsweiſe vollsthümlichen Liedern und fonftigen Überlieferungen, 
in welchen Dietrich als Bezwwinger der Wurme und Rieſen, bes Wald: 


1 Anonynı. Vales. (hinter Ammisnus Marcellinus cum not. Gronor.) 
&. 719: Cujus [Theodorici] temporibus felicitas est secuta Italiam per 
annos XXX ita, ut eliam pex pergentibus esset u. |. w. ©. 721: Bed etiam 
per elias civitotes multa benefßicia preastitit. Sic enim oblentavit vieinas 
gentes, ut se illi sub ſœdus darent, sibi eum regem sperantes. Negotiantes 
vero de Jiversia provinciis ad ipsum concurrebant, Tantæ enim djscıplıne 
fuit, ut, si quis voluit in agro suo argentum vel aurum dimittere, ac si 
intra muros civitatis esset, ita existimareiur. Et hoc per iotam Italiam 
augurium habebat, ut nulli eiviteti portas faceret, nec in civitate porte 
elaudebantur; quis, quod opus habebat, faciebat qua hora vellet, ac si 
in die. Sexaginta modios tritici in solidum ipsius tempore fuerunt et 
vinun triginta amplıoras in solidum. gl. Gaffiodor, var. 9, 10 (Atha⸗- 
larich von der Zeit feines königlichen Ahns): longa quies et culluram agris 
prsstitit et populos ampliavit. | 

? Sn. Edda, Arnam. 1, 874 f.: Syrir bri at Frödi var allra konunga 
rikastr & nordriöudum, b& var honum kenndr fridrinn um alla danska 
tangu, ok kalla Nordmenn bat Fröda-frid u. |.w. P& var ok engi biofr 
eds ränsmadr, svä at gullbringr einn l& 4 Jalangrsheidi lengi. Saro 5, 
92: Victor Frotho, pacem per Omnes gentes reficere cupiena, ut uniuscu- 
jusque rem familiarem a furum incursu tutam prestaret otiumque regnis 
post arma assereret. ermillam unam in rupe, quam Frothonis petram 
nominent, alteram apul Wig provinciam, babita cum Norvagiensibus 
coneione, defixit, edicte a se innocentiee experimentum daturas u. f. w. 
aurum absque custolia, mediis affixum triviis u. f. w. Jussit etiam, ne 
quis wdem vel arcam seris obfirmatam haberet, ant rem claustrorum ceu- 
stodis contineret, triplicem amissorum restitutionem promittens (vgl. ebd. 
5, 35 [vergl. Schriften 7, &. 118. H.). 


382 


manns, der Zwerge, allzumal leibbafter Geftaltungen wilder und 
widerfpenftiger Naturfräfte, dargeftellt ift; altgothiſchen Vorgang er 
geben biefür Dtnus und Wolfdietrihe Kämpfe mit den Lindwürmen, 
vor denen die Bauleute weder ihre Ader anzufäen, noch ihre Wieſen 
am Walde zu mähen wagen 1, überhaupt hat fich bier der gefchichtlice 
Sagenbeftand mis der Sinnbilbipracdhe des germaniſchen Glaubens von 
den rettenben Thaten volfliebender Götter und halbgöttlicher Helden 
verbunden. Nach Bertilgung der Rieſenbrüder Ede und Faſold, welch 
lesterer anderwärts als Wettergeift bezeugt ift?, kommt der Berner 
zu einem Bauern, ber auf feinem Gereut im Walde mohnt und ale er 
feinen liebften Herm, deſſen Verluſt ihm und feinen Kindern berber 
als der Tod geweſen wäre, wohlbehalten fiebt, ihn vor Freuden küßt 
und fi) ibm zu Füßen wirft dann ihn mit Braten, Huhn, Käie, 
Brot, Eiern. und gutem Weine bewirthet, wofür Dietrich dem getreuen 
Baumann den Hof für eigen bingibt 3; nicht minder bauernfreundlich 
erweift er fih im Rofengartenlieve, denn als er an Heeresfpige nad 
bem Rheine zieht, um mit den riefenbaften Hütern des Gartens zu 


1 Omit, Mones Ausgabe, Str. 567: „Do getorften die bulut [büfinte] ir 
eder nit gefeyen | und ouch nor bem walde der wijen nit gemeyen“; Ambraſer 
Handfchrift (na Bergmanns Abſchrift) Str. 521: „ſy torſten auf dem velde ir 
agler vor in nicht gefäen, | noch getorften vor den. walden ir wifen nicht ge 
mäen.” Str. 522: „jagern und gepauren namen ſy dag leben, | die warm wolten 
nyeman fairten fride geben“ (vgl. Ettmüllers Ausgabe VL 88 f. v. d. Hagen 
Heldenbuch 1855, 1, 60). 

2 Mythologie, Ite Ausgabe, Anhang OXXXII. 

3 Die laßbergiſche Handſchriſt des Edenlieds geht nicht ſo weit, aber die 
St. 267 fi des alten Druds find im Grundbeſtand echt; hieher beſonders 
Sir. 268: der tobt möcht. mir weger fein | mir ond den meinen finden | hab 
id) den herren mein verlor | das Mag ich heüt und ymmier | das ich ye ward 
geborn. Str. 269: er hieß mit nammen Dieterih | und waß der vogt von 
Berne | er was kuen an der flerde fein | edel reich und milde z. |. w. Str. 270: 
Bnd do der Berner das erſach er wandt dem bauten fein vugemach | bannen 
band ec vom baubet | den ſchilt und auch das haubet tach ſ als jn der meyer 
bloſſe fach | aller erft der baur glaubet das er fein rechter herre was | er ſchluog 
fi) zuo der brufte | vor großer frönden thet er das | fern herren er da Kalte | 
fiel oft auf die fueße fein | o wol mir heut und Yyminer | vil liebſter herre mem. 
Str. 374: der hoff fol gar dein eygen fein | da du bift auff gefeffen | ber 
banwmann regt die hende fein | do leyh er jm für eygen | huob auff jem ge 
gereyte [l. gülte] gar. 





383 


fireiten, dba feben die Reitenden manchen Bauern neben ſich zu Ader 
gehn, feinem arınen Manne nehmen fie etwas von dem [1, 341] Seinen 1. 
Nirgends in einem deutſchen Heldenlied, außer in diefen von Dietrich 
und dem verwandten von Dinit, ift eine® Bauern gedacht, um fo 
weniger kann es zuföllig fein, daß in erftern bie Riefenbelämpfung mit 
dem Wohlwollen gegen den Lanbmann zufammengeht. Auch das ſtimmt 
nicht von ungefähr, daß in der nordiſchen Götterfabel Thor, der Bew 
malmer ber Sturm: und Bergriefen, der Belämpfer des Midgards⸗ 
wurmd, damit auch Freund ber Bölfer, der dem Menfchengejchlechte 
hilft, der den bei Vornehmen angejebenften Mann dem Volle verhaßt 
machen Tann. zu dem bie Thräle nach ihrem Tode kommen, daß biefer 
ebenfo fchlagfertige als leurſelige Gott auf feiner Ausfahrt nach Jötun⸗ 
beim bei einem Bauern Nachtherberge nimmt unb- fortan deſſen beibe 
Kinder zum beftännigen Geleite hat?. Diefer Bezug auf den Donner: 
gott ift bier nicht weiter zu verfolgen, aber mit Kunden, mie die vom 
Baumann des Edenlieds, hänzt es gewis zujammen, daß die Bauern, 
zumal die fchmwäbifchen, vom Dietrih von Bern fo viel fangen und 
jagten. 


1 Nofengarten, W. Grimms Ausgabe, 799 ff.: Do riten gein dem Nine 
wol ſehzec täjent man, | fie ſahen manegen büren neben in ze ader gan. | 
dirre herren file was guot unt wol geribt, | kämen arme II. feinem armen] manne 
nämen fie des finen nibt. 

⁊ Hymiskv. 11: vinr verlyda. 17: briotr bergdana. 19: Purs-rädbeni. 
22: s& er öldum bergr | orms einbani (vgl. Harbarılsl. 23). Fornald. S. 3. 
33: Odion melti: bat skapa ek honum, at hann [SAirkadr] skal Pikja 
haedstr enım göfgussum mönnum ok hinum beztum. Pörr meet: leidr 

skal haun alpydu allri. Harbardsl. 24: Ydinn 4 iarla | hä er i val falla, | 

en börr & brela kyn. Sn. Eva, Arnam. 1, 142: Öku-börr för meil hafra 
sina ok reid u. |. w. koma peir at kveidi til eins bülanda uk f& bar nätı- 
stad u. |. w. börr baud til matar mei ser boandanum ok konu hans ok 
börnum peirra u. f. w. 





384 


[4, 35] 3. Bodman. 


In der norbmweftlihen Bucht des Überlinger See fpiegelt ſich, 
am linken Ufer bingeftredt, der Marktfleden Bodman mit dem hinter 
ihm anfteigenden Waldgebirg, auf deſſen Borfprüngen das von alten 
Linden umgebene Rapellenhaus des Frauenbergs und bie fchroffen, jetzt 
Altbodman genannten Burgtrümmer fih erheben. Bon dieſem Geftab 
aus wird nicht mehr weithin über ben Bobenfee und über alemanniſche 
Gaue geiwaltet, aber den Erforfcher vaterlänvifchen Alterthums zieht 
gerade das an, einen vom Heerivege der Gegenwart abgelegmern, ver: 
ſchatteten Ort in feiner einftigen Bedeutung für Geſchichte und Sagen 
funde wieder aufleuchten zu laffen. 

Die Geichichte von Bodman fol bier eben nur foweit erörtert 
werben, als es zum Verſtändnis der fagenhaften Überlieferungen, bie 
ih an ihr aufgerankt haben, erforberlich ift und die vorerft verfügbaren 
Hülfsmittel ausreichen 1. Sie theilt ſich in zwei noch wenig vermittelte 
Zeiträume, den älteren, der die Königspfalz und ihre gräflichen Inhaber 
betrifft, und einen fpäteren, welchem daß feit ver Mitte des 12ten Jahrh. 
bis auf diefe Tage dort anfäßige Adelsgeſchlecht zufällt. 

Bodman ericheint zuerft in der zweiten Hälfte bes Bten Jahrh. 
ala Sig königlicher Statthalter in Alemannien, dann in Urkunden des 
Hten u. 10ten Jahrh., ſowie in andern diefe Zeit angehenden Geſchicht⸗ 
- quellen, al Hof (ourtis, o. regis publica, regia), Weiler (villa, v. regia 
[auch als Burg (in castro), vgl. S. 396, Anmerl. 1. Pf.]), [4, 36] mit 
darin oder dabei befindlicher Königspfalz (Potamico palatio, pal. regio). 
Daß letztere nicht auf dem ſchmalen Grate des Frauenbergs oder bem 
etwas geräumigern Burgftall von Altbopman, überhaupt nicht auf ben 


1 Schätzbare Mittheilungen aus dortigem Familienarchiv, auf die ich mid 
im Kolgenden näher beziehen werde, verbanfe ich ver @üte des Freiherrn Joh 
Sigmund von Bodmann; hierunter auch eine handfchriftlihe Zufammenftellung 
der älteren Hausgefhichte von Herrn Dr Müller, fowie die Aufzeichnungen und 
Urkundenauszüge des Herrn Oberamtmanns Mattes zu Überlingen, der zugleich 
perfönlih mir förderfamft an Hand gieng. Freundliche Nachweije gab mir 
außerdem Herr Pfarrer O. F. H. Schönhuth, in deſſen „Nitterburgen des Höh⸗ 
gaus“, Heft 4, Konftanz 1834, Bobman eigens gejchichtlicy behandelt iſt. Der 
feltene Codex traditionum monasterii 8. Galli ftand mir nicht zu Gebot. 





Berggipfeln ftand, ergibt die Bergleihung andrer Pfalgen aus faro: 
Iingifcher und fpäterer Beit, die gewöhnlich, wie es einem wielbefuchten 
Konigshofe zulam, an bequemer und zugänglicher Stelle aufgebaut 
waren. Zu Bobman eignet fih dafür befonberö der unweit ber Kirche 
an den See ftoßende, altaufgemauerte Hofraum mit feiner flattlichen 
Linde. Bon der Lage im Thalgrund iſt wohl aud dem Ort und von 
diefem in der Folge dem ganzen See der Name geivorben (Beilage 1). 
Zwar bebesricht Bodman nicht die glänzende Breite des Schwabenmeer®, 
aber die von den Königen häufig befuchte und ihren Stattbaltern zum 
Sige der Verwaltung bienende Reichspfalz machte den Ort einft namen: 
kundig und feine Belegenheit war im Knoten der Gebiete jener bedeu⸗ 
tendften alemannifchen Geichlechter, welche der fränlifche Machthaber, 
nach dem Sturze des Volksherzogthums, zu verföhnen oder im Zaume 
zu halten bedacht fein mufte. Im jenfeitigen Überlingen, „Iburninge“, 
faß fchon 613 ein Alemannenherzog Cunzo, Gönner bed b. Gallus; 
von der Berchtoldsbaar bis füböftlih im Linz: und Argengau begütert 
und mit Graffchaftsrechten verfeben war der altherzogliche Stamm, 
deflen Ablömmling Gerold, Karla des Großen Schwager, Bannerträger 
und Heerführer, fagenberühmt als Erwerber des Vorftreitrechtes ber 
Schwaben, gefallen im Kampfe wider die Avaren, in der Reichenau 
beftattet worben iſt!; das oberſchwäbiſche Altdorf war Heimathaus 
der Welfe, die, gleich den Linzgauern, nad Bodman mehrfach herüber⸗ 
greifen; ſüdlich aus Rätien ftammten bie Burkharde, die den ſchwäbi⸗ 
ſchen Herzogsſtuhl neu aufrichteten. So kam es denn auch, baß die 
wichtigften Thatfachen der Gejchichte Alemanniens von der Mitte bes 
sten bis in das erfte Viertel des 10ten Jahrh. an die Pfalz Bodman 
und ihre nädjfte Umgebung fi) Tnüpfen 2. 


1 Hermanni Aug. chron. (Monumenta Germanie 7, 101. vgl. 2, MO): 
799 Geroldus u. |. w. signifer et coonsiliarius Karoli pius et religiosus, 
contra Hunos pugnans, occubuit, Augiegque, quam multis auxerat douis 
et prwdiis, sepultus est. 

2 Selbſt noch auf merowingiſche Zeit ſchien es zu weilen, daß an einem 
eis des Frauenbergs ein Monbbild entdedt wurde, demjenigen entiprechend, 
das einft König Dagobert als Grenzzeichen auf dem Felsgipfel bei Mondflein 
im Rheinthal einbauen laſſen (vg. Schwabs Bodenſee, Yıe Ausg. 2, 84); 
Urkunde Kaifer Friedrichs I vom 2’ten Nov. 1155 (Dümge, Reg. bad. ©. 189: 
ubi in verlice rupis similitudo lun® jussu Dageberti Regis ipso presente 

upland, Säriften,. VI. 25 


386 


[4, 37] Unter König Pipin, Karls Vater, führten Warin und Rud 
hard, Gaugrafen der Seegegend, beide mwahricheinlih von welfiſchen 
Stamme, die Verwaltung des ganzen Alemanniene 1. Eie waren mit 
dem Klofter St. Gallen über Güterbefiy in Streit geratben und als ber 
Abt Dimar fie zum zmeitenmal am Hofe bed Königs verflagen mollte, 
ſchickten fie ihm Kriegsleute nad, die ihn gebunden zurüdführten, und 
ftellten ihn felbft, eines fträflichen Umgangs angeichuldigt, vor Gericht. 
Er rief Gott zum Zeugen feiner Unſchuld an, meigerte fich aber, 
menfchlichen Richtern Rebe zu ftehen, und warb hierauf, wie es fcheint 
nach richterlichem Beſchluß, in die Pfalz bei Bodman eingeterfert und 
fogar einige Tage lang ohne Nahrung gelafien?. Nachher wirkte 
Gozbert, ein angefebener Mann, von den Grafen aus, daß fie ihm 
den Gefangenen übergaben, und Bielt ihn auf der Nheininfel Stein 
unter Obhut. Dort ſtarb Otmar bald hernach, zu Ende des Jahrs 
759, und fein Leihnam murbe daſelbſt beigefeßt, zeben Jahre ſpaier 
jedoch nad St. Gallen‘ abgeholt. Otmars dur viele Wunder und 
durch die Heiligfprechung beftätigtes Märtertbum wurde dem Stlofter 
zur Quelle reicher Begabungen und zur Waffe gegen feine mächtigſten 
Widerſacher. | 

Eines diefer Wunder, ein Eeebild, mag hier feine Stelle finden: 
Zehen Jahre nah Otmars Tobe murben bie Brüber von St. Gallen 
durch ein Gefiht vom Herrn ermahnt, den Leichnam in ihr Klofter 
beimzuführen. Eilfe von ihnen famen nachts auf die Rheininfel, öffneten 


seulpia cernitur, ad discernendos ierminos Burgundie et curiensis Rheiie 
(vgl. Urkunde von 890, Neugart Nr 596: usque ad Manen, v. Arr, Geſchichte 
des Kantons St. Gallen 1, 11. 87). 

1 Walafrid Strabo, vita S. Galli 3, 15 (bei Goldaft 1, 168): Comites 
vero quidam Warinus et Ruodhartus, qui totius tune Alamannie curam 
administrabant u. |. w. ®gl. Ej. vita S. Otmari & 4 (Monumente Ger- 
manie 72, 43). Stälin 1, 241 f. 

2 Walafrid, vita S. Otmari ©. 4 (l. c.): Virum etiam Dei Otmarum, 
cum pro hac re iterum prineipem adire vellet, missis clanculum post 
eum militibus, vinculis injectum per vim reduci fecerunt n. f. w. 6. 6: 
Coneilio sutem inique inchoato, iniquius terminato, vir Dei Otmarus apad 
villam Potamum palatio inolusns est. Quo cum nnllus intrare vel collogui 
cum ea permitteretur, aliquot ‚dies absque corporslis sustentaculo vicias 
transegit u. |. m, 


387 


das Grab und fanden denſelben gänzlich unverdorben, nur daß ber 
äußerfie Theil des einen, nom Wafler beipülten Fußes misfärbig 
und geſchwunden erſchien. Sie legten die Leiche auf das Schiff, zün⸗ 
deten Wachskerzen an und ftellten eine zum Haupte, die andere zu ben 
Füßen. Cifrigft ruderten fie dahin, ald Regen und Winde mit ſolcher 
Gewalt hervorbrachen, daß die Schiffenden [4, 38] kaum Rettung zu finden 
bofften. Aber durch göttliche Fügung biengen die aufgeftürmten Wogen 
ringsum über ihnen, ohne den Lauf des Schiffleins zu hemmen; wohin 
es kam, wurden die ſchwellenden Fluten von ihm nievergebrüdt, die 
Waſſermaſſen, Regengüffe, Windeswirbel umgürteten das Fahrzeug 
auf nicht geringe Entfernung wie ein. Zaun, fo daß nicht ein Regen: 
teopfe in dasfelbe fiel. Selbft die zu Haupt und Füßen des heiligen 
Abtes aufgeftellten Kerzen leuchteten beftändig fort. Als die Brüder 
dann, vom angefttengten Rudern ermübet, zur Imbißſtunde ſich nieder: 
gefet hatten und der Speife nun auch der erquidende Trank fich mifchen 
follte, gab der Diener zu verftehen, daß nur der Inhalt eıner Heinen 
Flaſche (quod in flascone parvo servabatur) übrig jei, wovon kaum 
jedem etwas, mehr zu koſten, als zu trinten gereicht werben könne. 
Sie ließen das Wenige unter Alle friedlich vertheilen und wunderbar 
begann in dem Heinen Gefäße der Vorrath fo zu wachſen, daß er 
durch anhaltendes Ausftrömen fih um nichts zu mindern ſchien, bis 
bie Trinkenden ſelbſt des Becherfüllens genug hatten (quoadusque bi- 
beutes poculorum copia vincerentur) und dem Spender alles Guten 
dankbar lobjangen (S. Otmari vita auct. Walafr. 6.7 bis 9, Mouu- 
menta Germanie 2, 44). Die geiftlicyen. Berichterftatter, der berühmte 
Reihenauer Abt Walafrid und der fanetgalliihe Schüler Eckehard IV 
in leoninifchen Berjen auf den h. Otmar, fchildern gleich lebhaft und 
feierlich den gewaltigen Seefturm und die ftillbrennenden Kerzen vor 
dem Tobten, ber nur zu ſchlummern fcheint, die rüftige Ruberarbeit 
der Klofterbrüber und die wunderbare Tranffpende 1. Später gab man 
diefem letztern, an den Olkrug ber Witwe gemahnenden Wunder die 
lehrſame Wendung: jo lange die Brüder zu St. Gallen unter Otmars 


I Ekkehardi 1V Rhythmi de S. Otmaro, Monumenta Germanie 2, 55: 
Vins eoronantur, epotaque non minuuntur, | miscet pincerna pleno magis 
utre phalerna. Bgl. Ebd. Bened. ad mens. 233. 


388 





Verwaltung mäßig gelebt, fei dem Fäßchen niemals ber Wein ausge 
gangen, obgleich fie ſich häufig daran erheitert, aber nah Bedürfnis 
und zu ebrbarer Labung, nidh zu frafbarer Üppigkeit; hievon fei auch 
wohl, zur Bezeichnung einer unverfieglichen Fülle, das Sprichivort von 
St. Dimars Lägel entftanden (Crufius 1, 310: proverbium de sancti 
Othmari lageene). Abgebildet wird der Heilige mit dem Buch in ber 
einen und dem Fäßchen in der andern Hand 1. 

[4, 39] Unmittelbar auf Bodman zu Pipins Zeit bezieht fe eine 
Blodenfage, aus der um Mitte des Hten Jahrh. verfaßten Xebensbeichrei: 
bung Hariolfs, des Stiftere der Abtei Elmangen: Auf dem Hofe des 
Königs Pipin am Bodenſee (apud curiam Pippini regis juxta mare, 
quod Podomus dicitur) befand fi ein Mann Namens Grimold. Er 
war in einer Nacht außen, um mit andern Wächtern die Pferde zu hüten, 
und ala er, nad Ablauf feiner Hütezeit, eingefchlafen war, vernahm 
er Glockenklang; ſich umſchauend erblidt er einen lichtgelleiveten Jüng⸗ 
ling, den er anrebet: „Mo ift, Herr, vieles fo füße Geläute von Gloden, 
das ich Böre (iste tinnitus tam dulcis campanarum, quem audio)?“ 
Jener ſpricht: „Zu Elmangen.“ Grimold erwacht und denkt ängftlic 
nad, mo diejer Drt fein möge. Nun ift auf demfelben Hof ein Bruber 
Hariolfs, Franco, der bemerkt, wie Grimold fih von Tag zu Tage 
mehr umgewandelt bat, und ibn befragt, ob er mohl Mönd werben 
wolle. Auf Grimolds Erwiderung: wenn er nur ben geeigneten Ort 
wüſte! bezeichnet ihm Franco den neuerlih von Hariolf angebauten 
Drt Elwangen; ſehnſüchtig begibt Grimold fi auf den Weg babin 
und wird zum Mönche geweiht (Monumenta Germanie 12, 13). Dieſem 
frommen Idyll, einem Gegenftüde zu der Schifffahrt im Sturme, fpürt 
man den Eindrud an, den, bei leifer Bewegung der Luft und des 
Sees, aus unbelannter Ferne herüberkommender Glodenllang in ber 
ahnungsvollen Seele wirken fann und den man ſich beſonders mächtig 
in jener Beit zu denken bat, als die Begeifterung für das Kllofterleben 


1 &o in einem fohönen Holzſchnitzbilde der Sammlung in der Gt. Loreny 
fapelle zu Rotweil (Verzeichnis derſelben 1857, ©. 18), aus der alten Pfarr 
fire zu Wurmlingen in der Baar, wo St. Gallen fhon am Ende des Sten 
Jahrh. begütert war (Bergabung Warins von 797, bei Neugart Nr 126) 
und auch fpäter noch den Kirchenſatz hatte (0. Arx, Geſchichte des Kantens 
St. Gallen 1, 464). 


389 


in ihrem Aufſchwung begriffen und der Wohllaut der Glodenjtimme 
noch ein neuer, nicht überall verbreiteter war. Pipin, in deſſen Dienfte 
Grimold zu Bodman ftand, hatte auf Bitten des Abtes Otmar zum 
Schmude des Stiftes St. Gallm eine Glode, vermuthlich bie erſte 
dajelbft, geipenbet 1. 

Daß Karl der Große jemals in der Pfalz Bodman vermweilt, oder 
doch derſelben in einer Urkunde namentlich) gedacht habe, läßt fich nicht 
nachweifen. Bon ihm und Sfambarb, dem aller Leben beraubten Sobne 
des Dimarfeindes Warin, gab es zwar im Hten Jahrh. [4, 40] eine mun⸗ 
tere Jagdmäre, aber diefe Wiſendjagd ergieng nicht am See, ſondern 
im Walde bei Achen?. Romanbaft ift die belannte Leidensgeſchichte ber 
Kaiſerin Hildegard, Karla alemannifcher Gemahlin, ver, als treue Be- 
gleiterin im Elend, ein Fräulein von Bodmen beigegeben wird ®, 
Vielfach genannt ift dagegen bie Pfalz, ver Hof Bodman als Aufenthalt 
oder auch fonft in Urkunden der nachfolgenden Tarolingiichen Könige: 
Ludwigs des Frommen, Ludwigs des Deutichen, Karls bes Diden, 
Arnulfs, Ludwigs des Kindes, Kunrads I. Doc werben erſt unter 
Arnulf die Ereignifie hieber wieder belangreich. 

Damals war Bodman Amtsflätte der Rammerboten, db. h. Ber: 
walter des Kronguts in Schwaben, einmal auch Richter genannt, ber 
Brüder Exchanger "und Berchtold, deren Abſtammung nicht gemeldet 
wird. Die Könige felbft aber vergabten Zubehöre von Bodman an 


i Vita 8. Galli, lib. ?, cap. 11 (Monumenta Germanie 2, 23): Inter 
c»tera quoque sus: munificentie donaria rogante abbate unum campa- 
num ad sencti loci dedit ornatum, quod ad usque nostre setalis tempora 
in coenobio eodem pro memoria beneficiorum ejus permansit. Pipin kam 
auch felbft nach St. Gallen, ebd.: ipse qui aderat u. |. w. 

2 Monachi Sangall. gesta Karoli lib. 2, cap. 8 (Monumenta Germenise 
2, 751 f. vgl. 2, 618. 615. 806. 1, 444); bei Neugart laſſen ih Warin und 
Ylanbard, als Thurgaugrafen, mit gleichnamigen Nachwuchs, durch eine Reihe 
von Urkunden verfolgen. 

8 Bruschii Monast. Germ. centur. prima, Ingolſtadt 1651, Blatt 266 f. 
(mit Berufung auf alte Kloſterannalen zu Kempten): Hildegardis adjanxit 
sibi vie et fortunarum suarum fidam sociam virginem quandam Rosinam 
de Bodmen, cum qua exul Romam adiit u, f. w. cum socia sua Bod- 
mana u. |. w. (Ju Friſchlins „Hildegardis magna‘: Rosina Podmies.) 
Bol. Srufius 1, 317. Maßmann, Kaiſerchronil 8, 909 ff. 

4 Ekkehardi IV cas. 8, Galli, Monumenta Germanie 2, 83: Nandum 





390 


den Konſtanzer Bischof Salomon, worüber die Kammerboten ihm auf: 
fäßig wurden, wie, nach der Bemerkung des Erzählers, Warin und 
Rudhard einft dem Abte Dimarı. Ealomon mufte fi) vor ihnen in 
einem Walblirchlein des Turbenthals verbergen und fandte von ba 
Boten an den Hof des Königs Arnulf, der fofort den Biſchof und die 
Kammerboten nad Mainz beſchied. Xebtere murben bis zur Aburthei⸗ 
lung in Ingelheim eingelerlert, jedoch auf Fürbitte des Klägers jelbft 
wieder freigelaffen und, nach beſchworenem Frieden, in ihre vorige Amte⸗ 
gewalt eingefeßt. Sunrab I, der, nad Abgang [4, 41] der Karolinge 
vom Mannsftamm, 911 zum Reich&oberhaupte gewählt worden, befand 
fid an Weihnachten besfelben Jahrs zu Konflanz und St. Gallen, 
auch wurde von ihm den 11ten Jan. 912 zu Bobman im Königshof eine 
Urkunde ausgeftellt, morin er, unter Vermittlung des Biſchofs Salo⸗ 
mon und mehrerer Grafen, zuvorderſt Erchangers, die Bergabung 
eined Befltes im Kleckgau an das Klofter St. Gallen vollzieht ?. Dieler 
königliche Beſuch am Bodenfee diente gleichwohl nicht zum Frieden. 
Früher ſchon hatte der Bilchof gegen die Kammerboten den Reichthum 
und Glanz St. Gallens, deſſen Abt er zugleich war, hoch geprielen, 
dort babe er Hirten, vor denen fie die Hüte ziehen und die Häupter 
neigen würden; bei der überaus fröhlichen Ehriftfeier im Klofter ward 
dem Biſchof nunmehr das Vergnügen, dieſe Täufchung der gräflichen 
Brüder ind Werk zu ſetzen. Zwar fuchte König Kunrad fie zu be 
ſchwichtigen, aber ex felbft verlekte fie noch empfindlicher. In ber 


adhue illo tempore Suevia in ducatam erat redacta, sed fisco regio pecu- 
liariter parebat, sicut' hodie et Francia; procurabant ambas camerze, quos 
sic vocabaut, nuntii u. f. w. Suerlam sutem Pertolt et Erchinger, fratres. 
2, 83 (8. Kunrad ſpricht): judiees meı. 

1 Eftebard 1. e.: Huie [8elomoni] u. f. w. cam elique Potamum, 
camerse nuutiorum juris oppidum, pertinentie a regibus darentur, sieut 
Werinhere et Ruodhnrt domnum Otmarum, sic ipei insegui conati samt 
et ipeum. Auf der ansführliden Erzählung Eflehards (Monuments 2, 83 
bis 88) beruht auch, was non der Geſchichte diefer Kammerboten hier nachfelgt, 
foweit nicht auf andermwärtige Quellen befonders verwiefen wird. 

2 Neugart Rr 680: interventu et admonitione fidelissimi Salomonie 
episcopi, comitum quoque Erehangarii et Chuonradi, Uodalriei, He- 
gonis u. |. w. Actum Potamis carte regia u. |. w. Rgl. Stätin 1, 268, 
Anm. 1. 


39 


Kapelle und vor dem Altare des heilig gefprochenen Dimars belanhte 
der König fh, ald Stammverwandten der Bedränger desſelben, ber 
Mitfchuld verfallen und fpendete zur Sühne dafür nicht bloß Tücher, 
Gold und Eilber, fondern übergab auch auf den Altar des Heiligen 
und in die Hand des Kloſtervogts mittelft befiegelter Urkunde ſämmt⸗ 


liche um den ſchon buch Karl (den Diden) dem h. Otmar vergabten: 


Ort Stammheim! gelegene Befigungen, welche bisher noch der könig⸗ 
lihen Kammer angehört hatten. Als die Brüder doch wenigſtens bie 
längft von ihnen über Stammheim erbaute Burg, ihr erivorbenes Eigen: 
tum, in Anſpruch nahmen, ſprach der König, die Burg werden fie 
nicht ohne Schaden der Einmwohnerfchaft behalten können und wenn fie 
diefer Unbill zufügen, würden fie feiner Gnade verluftig fein. Nach 
Kunrads Abreife fchreitet der Biſchof mit dem Vogt, alemannifchem 
Rechte gemäß, zu breitägiger Beſitzergreifung und vereibet bie Dienft- 
leute des Krongut3 dem h. Dimar?. Die Burgwache jedoch [4, 42] 
bedroht diefelben, wenn fie nicht im Gehorſam bleiben, und beidast fie 
gewaltiam, wogegen die Grafen keine Abhülfe fchaffen. in heftiger 
Ausbruch der Feindſchaft ift angezeigt, doch ruft das nächſte Jahr, ale 
ſchon aud der Zwiſt mit dem Könige begonnen hat, die alemannifche 
Wehrkraft auf ein andres Feb. Mit wenigen Morten berichten die 
Jahrbücher eine ruhmvolle Kriegstbat: 913 fielen, mie jchon in früheren 
Jahren, die Ungern in Alemannien ein, auf ihrer Rückkehr durch Baiern 
wurben fie von den Brüdern Erchanger und Berchtold und dem Grafen 
(des Argengaus) Ulrich, mit Hülfe des Neffen ver erftern, des Baiern- 
herzogs Arnolf, am Innſtrom angegriffen und vertilgt, formelbaft: 
bis auf dreißig Mann; in demfelben Sabre warb Erchanger mit dem 
König ausgeföhnt, welcher deſſen Schweiter, die Witwe Liupolbs (des 


3 Urkunde 8. Karls vom 28ten Mov. 880, bei Neugart Wr 570. Rat- 
perti cas. S. Galli, Monumenta Germanie 2, 78. 

2 Monumenia Germanie 2, 86: Invadit loca lege alamannica cum 
advocato episcopus, tribus diebus, uti jus erat, homines fisci juramentis 
saneto Otmaro vendicantes. Die geſchriebene lex Alamannorum gebenlt 
feines ſolchen Berfahrens. Ausdrüde wie: secundum legem alamannicam u. dgl. 
bedeuten überhaupt ſchwäbiſches Gewohnheitsrecht, den Landbrauch StälinZ, 672); 
jo gilt aud für den ſchwäbiſchen Borftreit lex ulemannica (Bertholdi annal. 
a. 1075, Monumente Ger naniæ 7, 278). Zur breitägigen VBefignabme 
vgl. Redhtsalteribiimer 190, 6. 567, 6. 


5 


392 


bairifchen Markgrafen) und Mutter Arnolfs, als Friedenspfand, zur 
Ehe nahm !. Dennoch kam es fchon 914, bei einer Begegnung der 
KRammerboten mit dem Biſchof Salomon, zum bittern Wortwechſel; 
Liutfrid, ein junger Schwefterfohn der Grafen, 309 fchlagfertig das 
Schwert und die Oheime brängten ihn zwar vom Bifchof zurück, führten 
aber diefen, ſchmählich behandelt, ala Gefangenen auf Diepoldsburg, 
wo Erchangers Gemahlin Berchta haushielt. Umftänblich wird erzäplt, 
wie die unheilahnenvde Frau den Sirchenfürften ehrerbietigft empfängt 
und beherbergt, aud bald barauf feine Befreiung und feftliche Ein- 
bolung (mit dem Gefangrufe: „Heil, berro, heil, liebo!“ vgl. Mon. Germ. 
2, 87, Nr 91) erfolgt. König Kunrad kam felbft nach Alemannien, 
nahm feinen Schwager Erchanger gefangen und verwies ihn des Landes. 
As bald darauf Burkhard, aus dem rätifchen Grafengefchlechte, das 
in Folge feines Streben nad ber Herzogswürde vertrieben war, ſich 
feindlih erhob, belagerte der König 915 die Burg Twiel, kehrte je 
doch, weil der Sachſenherzog Heinrih in Franken eingefallen war, da- 
bin zurüd. Sofort erfchien auch der verbannte Erchanger wieder [4, 43] 
in der Heimat, befämpfte in Gemeinfchaft mit Burkhard und Berchtold 
feine andersgefinnten Landsleute, beftegte fie bei Walawis (nächſt Bob: 
man) und warb ihr Herzog 2. Der König berief wegen diefer Vorgänge 
zuerft eine Fürfteniprache nad) Mainz, ſodann, 20ten Sept. 916, eine 
Berfammlung der Bifchöfe nach Hohenaltheim im Rieß, woſelbſt Erchanger 
und feine Genofien zur Riederlegung der Waffen und lebenslänglicer 
Klofterbuße verurtbeilt wurben; die Vollziehung gieng jedoch weiter 
und am 2iten Jan. 917 wurden Erchanger, Berchtold und Liutfrid, 


i Ann. Sangall. major. ad a. 913, Monumente Germanie 1, 77° 
Agareni Alamenniam intreverunt. Erchanger et Perchtolt, frater ejus, et 
Udalrieus comes, auziliante illis nepote eorum Arnolfo, optimo duce Baio- 
ariorum, totum exercitum eorum juxia Ine fluvium penitus oceiderunt 
nisi 30 viros. Ann. alam. ad a. 913, Monumente Germanie 1, 56: Dis 
cordia copta est inter regem et Erchangeram. Ungri in Alamanniam; 
quibus per Baioariam redeuntibus Arnolfus, Alius LiupolJi, et Erchangerus 
cam Perchtoldo et Uadalrico cum eis pngnaverunt et eos superarunt. Ipeo 
anno Erehanger cum rege pacificatus est, cujus sororem, Liupoldi reliclem, 
rex tamquam pacis obsidem in matrimoniam accepit. 

2 Über diefe Kämpfe: Ann. alam. a. 914. 915, Monumenta Germa- 
nie 1, 56. 


393 





auf Föniglichen Befehl, zu Aldingen (wohl demjenigen der Berchtoldé⸗ 
baar) entbauptet. Burkhard hingegen warb nunmehr von den ſchwä⸗ 
biſchen Großen, ohne Wiberfprud des Königs, zum Herzog der Ale 
mannen beftellt, der erſte einer neuen, durch Jahrhunderte fortgehenden 
Herzogsreibe !. jene dem Altar bes h. Dimars gehäflige Burg zu 
Stammheim ließ der König, fo großen Unheild wegen, zerflören und 
fandte jährlich feinen Kopfzins in Wachs, als Nachkomme der Peiniger 
bes Heiligen, zum Grabe besfelben; Kunrad farb ſchon 918, nachdem 
er, wie es hieß, aus dem Rampfe mit Arnolf, dem unverfühnten Neffen 
und vormaligen Mitftreiter der Rammerboten, eine Wunde heimgebracht 
hatte 2, Biſchof Salomon aber begab ſich auf eine Pilgerfahrt nad 
Rom, um den päbftlihen Sünbenerlak dafür zu erflehen, daß um 
fernetwwillen jene Drei hingerichtet worden. Die Pfalz Bobman wird 
als Aufenthalt ver Könige fortan nicht mehr genannt. 

Das mächtige Kirchentbum der Seegegend, mit dem Bilchofsfike 
Konftanz und den großen Abteien Reichenau und St. Gallen, äußerte 
feinen Einfluß auch darin, daß die ohnedies ausfchließlich in den Händen 
der Klofterleute haftende Gefchichtfchreibung vorherrſchend ein geiſtliches 
und fo auch die ſich ihr anſetzende Sage meift ein legendenhaftes Ge⸗ 
präge trägt. So verſtand es fi, daß, obgleih in einem Streit um 
zeitliche Güter, auf ben h. Otmar das lautere Licht, auf feine Gegner 
der tieffte Schatten fiel. Was ſodann die Gejchichte der Kammerboten 
betrifft, fo find bie Hauptquellen für biefelbe zweifacher Art, eines⸗ 
theils kurze Aufzeichnungen der älteren Jahrbücher, die mit wenigen, 
aber fichern Strichen den Ungernkampf der alemannifchen Grafen, ihre 
Auflehnung und ihren [4, 44] Untergang anmerken ®; anderntheils der 
umftänbliche, hundert Jahre nach ben Ereignifien gefchriebene Bericht 
des janctgalliichen Eckehards IV. Sein Werk tft meientlih und aus: 
geſprochen Kloftergefchithte, das Heldenthum der Kammerboten bleibt 
unbeachtet und bie Darftellung ihres Endes ift unerträglich mit ben 


1 Die Belegſtellen zur Verurtkeilung und Hinrichtung bei Stälin 1, 271 f. 
Über Burkhard und fein Geſchlecht ebd. 1, 267. 272. 415. 498. 

2 Widukind 1, 25 (Monumenta Germanie 5, 428). Bgl. Hahn, Reichs⸗ 
biforie 2, 9. 

3 Annal. alam. jagen zum Jahre 916 (Monumenta Germanis 1, 56) 
und heraus: Erchanger, Perchtolt et Liutfrid occiduntur dolose. 





394 


— — — 





gleichzeitigen Zeugniſſen (Stälin 1, 269. 272. 422). Der Marterer 
und Schugheilige Otmar ift zur einheitlichen, unfichtbaren Macht ge 
worden, die über ben Gefchiden feines Klofters und der Bebränger 
beöfelben waltet; der Frevel Warins und Rudhards wird von ben in 
ihre Fußftapfen tretenden Erchanger und Berchtold mitgebüßt, durch 
König Kunrad aber, den Stammperwandten jener älteren Statthalter, 
gefühnt und noch ein jugenpliher Welfenfohn aus Eckehards eigener 
Zeit, Heinrich, wird für die Verweigerung eines von feinem Bater 
Rudolf zu gleicher Sühne dem Heiligen geftifteten Bergwerkzinſes da⸗ 
durch beitraft, daß er am St. Otmarsabend auf ber Gemfenjagd in 
Tirol durch einen Felsſturz umlommt (Mon. Germ. 2, 87 f.). Bei allem 
dem erweift ſich Eckehard wieder billig und einfichtig; er verhehlt nicht, 
fo hoch ex. den Biſchof Salomon ftellt, Daß die Könige an denfelben 
Güter hingaben, die zu Bobman und bamit zum Rechtögebiete ber 
Kammerboten gehörten, daß der Biſchof fih an ihrer Beichämung 
durch feinen unzeitigen Scherz weidete (secum gaudebat) und daß fie 
eben damals dur eine neue Vergabung Kunrads zum Schaden bes 
königlichen Kammer tief gekränkt wurden ?, enblid daß Salomon fid 
felbft anklagte, die Urſache ihres geiwaltfamen Todes geweſen zu feim. 
Überdem weiß Eckehard, wos von beiden Seiten verfchuldet ward, 
unter einen allgemeinern gejchichtlichen Geſichtspunkt zu faſſen: Franken 
und Schwaben freien dazumal gleihmäßig nicht unter Herzoge, ſondern 
unter die Töniglihe Kammer geftellt geweien und von jogenannten 
Rammerboten verwaltet worden, dent Amtöbereihe der lekteren habe 
jeboch beiden Orts die königliche Freigebigleit gegen die Bilchöfe Vieles 
ent[4, 4ö]jogen, wodurch gegenfeitige Misgunſt und Feindſchaft erwachſen 
fei. Diefe Biſchöfe find Hatto zu Mainz (früher Abt von Reichenau) 
und Salomon zu Sonflanz, zwei einflußreiche, unter fih eng be 


1 Monumenta Germanie 2, 85: carpuntur iterum cordibus fratres 
illi ssepe dieti pro damno regii fisci; vgl. ebd. 2, 86: homines fisch. FR 
einigen Kaiferurtunden wird auch ausdrücklich das Kammergut von Vodwman 
genannt; Urkunde Ludwigs des Frommen von 889 bei Dümge, Reg. Bad. Anh. 
Rt 8): sub jure fisci nostri vocabulo potimiacus u. |. w. Actum bodomä 
pulatio regio. Beſtätigungsurkunde Karls des Diden von 886 (ebd. Rr 18): 
sub jure fisci vocabulo potamicus u. |. w. Actum potama pelatio. lrlunke 
Ditos I von 947 (ebd. Nr 24): fieci vocabulo potamieus. 


395 


— — 





freundete Männer, deren Macht und Beſitz die Könige mehrten, auf 
Koften und zur Hemmung der Kronbeamten, die, zumal wenn fie 
in ideen Bezirken heimiſch und begütert waren, die Herftellung ber 
eingegangenen Herzogtbümer befürchten ließen. Bezüglih auf Hatto 
bemerkt der Geſchichtſchreiber no, dab die Kammerboten in Franken, 
Adalbert und Wernber, neben ven gegen bie Könige felbft angegettelten 
Freveln, oftmals ben Ergbifchof zu verberben getrachtet haben; wie 
aber Adalbert durch Urglift aus der Stabt Bamberg gelodt und fofort 
enthauptet worden jet, konne ungefchrieben bleiben, meil es allgemein 
gefagt und gefungen werde (quoniam vulgo ooncinnatur et canitur). 
Sin der hierauf folgenden Erzählung von Salomon und den ſchwäbiſchen 
Stafen find die Handelnden und die Hergänge mit fo ausgeprägten 
Zügen ernfter und fcherzhafter, milder und firenger, felbft roher Art 
geſchildert, in fo anſchauliche Gruppen und lebendigen Redewechſel ge: 
bracht, daß fie fhon nahezu fertig einer epiſchen Wiedergabe fich dar: 
bieten und ebenfo einer Reihe Träftiger Handzeichnungen gerecht wären. 
Gleichwohl ift nicht anzunehmen, dab Edeharb, mie er der fränkiſchen 
Bollsliever von Adalbert gedenkt, fo nun auch fchmäbifche von den 
bodmaniſchen Kammerboten gefannt und benützt babe, ohne doch ſolcher 
zu erwähnen. Ex, der Überarbeiter des Waltharius, ift kein Berächter 
des Volksgeſangs, er wundert ſich, daß gewifie Lebensbeſchreiber des 
b. Ulrichs Manches verfchwiegen haben, was von demjelben im Bolle 
gejagt und gefungen werde 1, und er verwirft auch nicht bad Zeugnis 
jener Lieber von Adalbert, obgleich fie gewis nicht biſchöflich lauteten. 
Seine Gewährſchaft bezeichnet er im Borwort und noch an andern 
Stellen: er habe aufgefchrieben, was er von den Bätern, d. b. von 
ältern Kloftergeiftlichen, gehört 2; ex berichtet zwar aus münblicher über 
lieferung, aber aus ſolcher, wie fie im Klofter jelbft fortgepflanzt war. 
Klöfterlich ift die [4, 46] offenbare Hintanfegung des weltlichen Beitand- 

1 Monumenta Germanie 2, 109: Sed plara eos, que de vo cOncin- 
nentur vulgo et canuniur tacuisse, quum jufima quædam ejuns magna 
feceriut, etiam miramur. 

2 Ebd. 2, 77: temptantes quidem et nos, ea que a patribus andi- 
vimus u. f. w. edisserere. 2, 107: De sancto Uodalrico autem, qualiter 
nobiscum egerit, dicta patrum quedam audivimus, qu=s quidem in vita 


ejus, vel tercio jam scripta, non invenimas n. |. m. ut ipse patribus 
narrabat u. |. w. patribus ille dixerat, 


396 


theild und die Erhebung des Biſchofs Salomon zum Helden der Begeb 
niſſe; der Münblichleit ift es beizumeſſen, daß die reichgeftaltete Dar 
ftellung fi auf den Grenzen der Gefchichte und der Sage bewegt. 

Mit Bezug auf eine Urkunde des Königs Arnulf von 896 wird 
eines Grafen Ulrich gedacht, der auf der Pfalz zu Bodman gejeflen !. 
Der Rame Uleih war im Gefchlechte ber Grafen vom Argen: und 
Zinzgau, befonderd dem Afte von Buchhorn, langehin erblich und ber 
ältefte diefer Ulriche fol, nach einer fagenhaften Erzählung der im 
12ten Jahrh. verfaßten Chronik von Peteröhaufen, mit Bobman und 
Bregenz, Überlingen und Buchhorn zugleich ausgeftattet geivefen ſein? 
Wieder in der ſchon bemeriten, von Kunrad am Ilten Jan. 912 im 
Königshofe Bobman ausgeftellten Schenkungsurkunde (S. 5) wird neben 
dem Grafen Erchanger ein Graf Udalrich genannt, fei es eben ber, 
welchen die Handfelte von 896 meint, oder ein jüngerer Namensgenofle. 
Rabe gibt es ſich aber, den 912 mit Erchanger in der Urkunde zu 
ammenftebenden Grafen Udalrich für denfelben anzufeben, ber im 
folgenden Jahre 913 mit Erchanger und Berchtold die Ungern be 
lämpft 3, ſowie für den gleichen, von dem Eckehard Folgendes erzählt 
(Monumenta Germanie 2, 119 f.): 


1 Gallus Obem, der gegen Ende bes Idten Jahrh. eine Chronik von 
Neihenau fchrieb, gibt darin einen deutſchen Wuszug ber Urkunde vom 2Tten 
April 896 und jagt zur Einleitung desfelben u. U.: „von Graufe Ulrichen, der 
zu Bodmen uff des Kaifers Schloß ficzende,“ ohne daß beſtimmt zu erſehen if, 
ob auch bieß in dem nicht mehr bekannten lateiniſchen Terte ausgeſprochen war. 
(Rad gefäliger Mittheilung Stälins aus der in der königlichen Handbibliothel 
zu Stuttgart befindlihen Hd. S. 135 [Barads Ausg. ©. 69. H. Nun ik 
diefe Urkunde aus dem Original, wo aber das Datum vom Iten Mai 896 lautet, 
abgebrudt in Ficklers Quellen und Forſchungen zur Geſchichte Schwabens und 
der Oſtſchweiz. Mannheim 1859. ©. 8: com. Odalric. qui Potamis in nostro 
castro residet. Pf.]). 

2 Mone, Quellenſammlung 1, 119: Dedit quippe [imp.) eis Potamum 
et Brigantiam, Ubirlingin et Buochorn n. |. mw. Über bie Argen⸗ und Linz 
gauer Ulriche |. Stälin 1, 243. 828 f. 659. 

I ©. 892, Anm. 1. Auch auf einer von König Kunrad 912 ji Um gehaltenen 
Rathsverſammlung waren die Grafen Erchanger, Udalrich, Perchtold (ebemio 
Liutfrid) anweſend, vollſtändig die Namen der drei alemannifchen Ungernlämpfer 
des nächftfolgenden Jahrs (Urkunde vom dten März 912 „ad Feldun“, in 
Büttner? Franconia 2, 59 ff., vgl. Stälin 1, 268). 


397 


Graf Udalrich, vom Stamme Karls, erhält an feinem Wohnfike 
Buchhorn Botfchaft, daß die Ungern in Baiern, mo er begütert ift, 
einfallen, er greift fie mit feinen Rampfgenofien an, mwirb aber befiegt 
und nad Ungerland als Gefangener abgeführt. Um feine Gemablın 
Wendilgard, Enteltochter Königs Heinrich I, wird, ala das Gerücht 
den Grafen tobt fagt, vergeblich geworben; fie zieht fich [4, 47] nad 
St Gallen zurüd, wo fie neben der Klausnerin Wiborad fi ein 
Wohngemad erbaut und um ber Seele ihres todtgeylaubten Mannes 
willen den Klofterbrübern und den Armen viele Wohlthaten erweiſt, 
nachher aud vom Bifchof Salomon, mit Gutheißen der Kirchenver⸗ 
fammlung, den Schleier nimmt und fi in ſtrengen Berfchluß begibt. 
Zum vierten SJabrtag ihres Gatten kommt fie nad Buchhorm und 
tbeilt, mie gewöhnlih, Almojen aus. Udalrich, der Gefangenſchaft 
entronnen, befindet fi) unfenntlich unter den andern Zerlumpten und 
ruft die Gräfin um ein Gewand an; fie verweift ihm fein freches 
Betteln, gibt ihm aber, mit Zeichen des Unwillens, ein Kleid. Da 
faßt er zugleich mit diefem ihre Hand, zieht die Geberin an fich und 
küßt fie. Seine langen Haare auf den Naden zurückwerfend, ruft er 
den Leuten, bie ihn mit Badenftreichen bedrohen, zu: „Halter ein mit 
Schlägen, deren ich viele gelitten, und erkennet euern Udalrich!“ Er: 
ftaunt bören die Krieggmänner ihres Herm Stimme, erlennen unter 
den Loden fein Angefiht und begrüßen ihn laut, wozu bad Gefolge 
glüdwünfchend einftimmt. Wendilgard bat fi, als ob fie eine Schmach 
erfahren, in der Beſtürzung nievergefeßt: „Seht erft fühl’ ich meinen 
Udalrich tobt, da ih von Jemand ſolche Gewalt erbulden muſte.“ 
Als aber Udalrih ihr, um fie aufzurichten, feine mit einer vormals 
mwobhlbelannten Wunde gezeichnete Hand barreicht, da ſpricht fie, wie 
vom Schlaf erwachend: „Mein Herr ifts, von allen Menſchen der liebfte. 
Heil dir, Herr, für immer Heil, Holbefter!” Küſſe folgen und Um⸗ 
armung. Nachdem er gelleivet ift, geben fie zur Kirche, wo die Geift- 
lichen, die auf diefen Tag zahlreich ſich verfammelt, den Lobgefang 
anftimmen und das Volt einfällt, auch Mefien für den Lebenden, nicht 
für den Tobten, freudig gefeiert werben. Auf dem Gang zur Kirche 
bat Udalrich gefragt und erfahren, wer der Gräfin den Schleier auf 
das Haupt geſetzt babe. Bei einberufener Kirchenverfammlung forbert 
er feine Gattin zurüd, der Biſchof nimmt ihr den Echleier ab und 


398 


dieſer wird in die Schreine der Kirche niedergelegt, damit ſie denſelben, 
wenn der Mann vor ihr ſterbe, als Witwe wieder anlege. Sie werden 
neu vermäblt und aus dieſer frühe wieder getrennten Ehe ſtammt ein 
Sohn, der aus dem Echoße der todten Mutter gefchnitten und davon 
der Ungeborne zugenannt wird !. Er war [4, 48] voraus fchon von den 
Eltern dem h. Gallus gelobt und nun legt ihn der trauetnde Bater 
auf den Altar des Heiligen, unter Mitgabe von Ländereien und Zehnten. 
Im Klofter aufgewachſen, wird Burkhard der Ungeborne frühzeitig ein 
angejehener Abt desſelben. 

Es find eben die Höfterlichen Beziehungen, wodurch dieſe Kunde 
fih in Eckehards Buch eignete. Über den Kampf, in welchem ver Graf 
gefangen ward, ift nichts Beſtimmteres gefagt. Der Zeit nad würde 
der Ungerneinfall von 915, auch noch ber von 917 (Mon. Germ. 1, 
68. 614 f.), zutreffen, nicht mehr der ſechs Jahre nach Salomons Tod 
ergangene von 926. Wichtig ift jedoch gerade diefer dem Geſchicht⸗ 
fchreiber Et. Gallens, denn damals brachen die Ungern in das Ktlofter 
jelbit ein, der Abt Engilbert hatte, ein Riefe des Heren (Mon. Germ. 2, 
104: velut Domini gigas), mit den Fräftigften Brüdern, ben Harniſch 
angetban und die Klausnerin Wiborad erlitt den Märterertod; vie 
Sabrbücher fagen, dazumal haben die Schugheiligen Gallus und Otmar 
wit felbftthätiger Kraft ihr Eigengut ſiegreich geſchirmt ?. Won welt: 
licher Seite rühmt Edeharb aus diefer Zeit hauptlächli einen Helben 
des Yridgaus, Hirminger, der mit feinen ſechs Söhnen, ein Bater der 
Maccabäer, den Ungern am Rheine bei Sedingen einen fühnen Schlag 
beibrachte und die errungene Siegeöbeute feftlih in die Hauptlirce 
daſelbſt einführted. Sagenhaft ift die Erzählung von Udalrich und 
Wendilgard in gleihem Sinn und Mabe, wie diejenige von ben Kam: 


i Monumenta Germaniz 2, 1%0: Solebant autem fratres eum cogno- 
minare ingenitum. Über Ungeborne vgl. Myth. 361 f. Stälin 3, 47. 

2 Ann, slam. a. 926 (Monuments Germanise 1, 56): Ungari mons- 
sterium sancti Galli omni humano solatio destitutum invadunt. lpeis 
autem patronis nostris, beatissimo videlicet Gallo et Othmaro, per se ip608 
[Bar. solos] predium suum victoriosissime tnentibus, haud grandi et nen 
intolerabili Jesione loci rerumque recessere. 

3 Monumenta Germani&, 2, 110. Die Gleichheit der Kriegsiift Irmin 
gers mit derjenigen Gideons, Buch der Richter 7, 16 ff., bemerft Rochhoiz, 
Schweizerfagen 2, 253. 


399 


merboten; auf dem Grunde wirklicher Ereigniffe bat fie, ein Jahr⸗ 
hundert hindurch mündlich fortbetrieben, fi) gebichtartig ausgeftaltet. 
Unter den Heimfehrfagen, welche feit Odyſſeus, der auch, ald Bettler, 
zu Benelope wiederkam und an der Narbe erfannt ward, überall einen 
gleihförmigen Zufchnitt zeigen, ift auf ſchwäbiſchem Boden diefe von 
Walrich die ältefte, ihr nachfolgende werben weiterhin zur Sprache 
lommen. 

Wenn Grafen alemanniiher Gaue, in Anweſenheit bes Königs 
oder aufßerbem, bei Ausftellung von Urkunden, zu Bodman gegenwärtig 
und ihätig find, jo haben fie tarum nicht auch dort ihren [4, 49] 
Wohnſitz. Selbft Erchanger hat, wenigften® zeitweile, häuslichen Herb auf 
der noch unermittelten Diepoldsburg (©. 392). Daß aber die Amts: 
getvalt der Rammerboten, wie zuvor der Statthalter Warin und Rud⸗ 
hard, von Bodman ausgieng, dafür zeugt nicht nur die Eigenſchaft 
diefes Hofes als königlicher Pfalz, ſondern auch der ganze Streit mit 
St. Gallen, der fih um bodmaniſche Kammergüter drebte. Nach dem 
Sturze jener Kronbeamten erhellt mehr als hundert Jahre lang nichts 
über den Befiß des Ortes und erft wieder zur Mitte des I1ten Jahrh. 
meldet die Peteröhaufer Chronik, in jener Zeit haben viele Große fidh 
diefem Klofter befreundet und bort ihre Begräbnisftätte gefucht, unter 
ihnen Eberhard, Graf von Bodman (comes de Potamo, Mone, Quellen: 
fammlung 1, 1345), der das Gut „Hedewanc“ dahin gegeben und in 
ber Kirche vor dem Kreuze des Herm ruhe; um dieſelbe Zeit, 1055, 
farb auf dem Schloſſe Bodman Herzog Welf, der letzte des älteren 
Welfenftamms !. Dann aber vergeht wieder ein Jahrhundert, bis der 
erfte Rame des nach dem Drte gebeißenen und jeitbem dort jeßhaften 
Adelögeichlechtes auftaucht und den zweiten Zeitraum diefer ſagengeſchicht⸗ 
lichen Forſchung eröffnet. 

Als im Merz 1152 Friedrich I zum König gewählt ift, forbert 
ihn ein deutſcher Geiftlicher in Rom, Bruder Wetel, ein Anhänger 
Arnolds von Breſcia, brieflihd auf, zur Unterhanvlung wegen ber 
Kaiſerwürde fchleunig Boten nach Rom zu ſenden, und hiefür bezeichnet 
er die Grafen von Ramsberg und von Lenzburg nebit Eberhard von 


I Anon. Weingart. bei Heß, Mon. Guelf. 15: aub juvenili etate... in 
eastro Botamo morbo correptus. Stäun 1, 556. 568. 


400 


Bobemen. Arnold, der früher bei dem Bilhof Hermann von. Kon 
ftanz Zuflucht gefunden hatte, mag bort ben von Bodmen ald einen 
Mann von Geltung kennen gelernt haben !. Erſt aber feit ben fieben: 
ziger Jahren desfelben Jahrhunderts wird die Namenreihe der Stamm- 
genofien von Bodman dichter, e8 ergibt fih ein anſehnlicher Grund⸗ 
beſitz berfelben auf beiven Seiten des Sees, häufig beißen fie Ritter 
(milites) und mehrmals ift ihr Verhältnis ala Minifteriale des Bifchofs 
von Konſtanz ausgefprochen ober durch nöthig befundene Einwilligung 
des Dienftheren zu ihren Berläufen ange[s, 50]jeigt . Da jedoch bie 
Beſitzungen des Bisthums, wie fie in der berühmten Urkunde Friedrichs I 
vom Irten Nov. 1155 verzeichnet find und zu denen namentlich ein 
Hof in Bodman mit der Kirche gezählt ift, befonbers auch von Ber 
gabungen der Könige herrührten 3, fo führt dies auf die Vermuthung, 


1 Martene und Durand, vet. script. ampliss. collect. ?, 654 f., Wetzel 
ad Fridericum imperatorem: Comitem Rodulfam de Ramesberch et comi- 
tem Udalricum de Lencenburch et alios idomeos, scilicet Eberbardum de 
Bodemen, ... Romam quantotius poteritis mittere non dubitetis u. |. w. Bl. 
Frande, Arneld von Brefcia, Züri 1825, ©. 125. 185. 182 fi. Schwab, 
Bodenfee 1, 164. 

2 So gibt 1259 Rudulfus, nobilis de Bodemen, @üter im Thurgan. an 
den Abt von Kreuzlingen cum consensu episcopi const. (Reg. des Stiftes 
Kreuzlingen Nr 63); 1263 verwerthet Uli von Bodman, Domherr zu Kon 
fanz, an den Biſchof Eberhard daſelbſt Hoheubodman (Iandeinwärts von Über- 
lingen) nebft Zugehörung und werden die Samilienglieder in der Urkunde Mi⸗ 
nifteriale des Stiftes Konftanz genaunt (Aufzeichnung des Herrn Mattes); 1270 
übergibt Rudolfus, miles de Bodemen, in Gemeinſchaft mit Frau und Söhnen, 
Güter in Pfaffenhofen und Owingen käufli an das Kloſter Salem de con- 
sensu et voluntate, imo per manus Eberhardi constantiensis episcopi, 
cujus ministerialis est (Mones Zeitichrift 8, &8); 1273: eine Beftätigungs- 
urlunde, befiegelt vom Bischof zu Konftanz, als deſſen ministersales die bod- 
maniſchen Berläufer jeinen Gonjens eingeholt, sine quo proprietatem posses- 
sionum suarum alienare non poterant (ebd. 3, 87; vgl. 1, 328: Urkunde 
jhon von 1191, und 1, 829). 

3 Diimge, Reg. bad. 189 f.: omnia, que a sanctissimis et gloriosissi- 
mis antecessoribus nostris dire memorie regibus et imperstoribus ab 
omnibus retro temporibus usque ad nos in possessionibus u. |. w. eidem 
ecclesie [constanı.] vollata sunt, nos preesentis scripti privilegio commu- 
nivimus u. f. w. darunter: curtis in Podoma cum ecclesia. Hiemit faun 
nicht wohl der Königshof gemeint fein; curtis cum ecclesia heißt es in biefem 
Beihrieb von vielen Kirchftätten und es wird fich zeigen, daß die caria 





401 


dab die zu Bobman unvorbentlich eingefellenen Evelleute vor bein 
Übergang an Konftanz zu der alten Reichspfalz pflichtig geweſen feien 
(ogl. S. 391, Anm. 2. ©. 394, Anm. 1). Anders lauten freilich bie 
gemealogifchen Annahmen fpäterer Zeit. Glänzende, zu ben älteften 
Könige: und Fürftenhäufern auffteigende Etammtafeln des bobmanifchen 
Geſchlechts bat vornehmlich der gelehrte Gabriel Bucelinus im 17ten 
Jahrh. entiworfen!. Mit dem Ruhme ſolcher Altvordern mufte basfelbe 
zugleich den Unfegen ihrer Verſchuldungen hinnehmen. Auch die zim- 
meriſche Chronik von 1566 kennt derlei Vorgeichichten, aber fie iſt in 
ihren ausgibigen Berichten über Bobman, wie überall, vom frifchen 
Hauche vollämäßiger Überlieferung berührt und foll darum hier fortan 
Führerin im Gebiet der Sage fein. Diefelbe berichtet (S. 1324 f. 
[Ausgabe von Barad 1, ©. 50 ff. H.): 

[4, 51] „Das gejchlecht der Herren von Bobman iſt zu der zeit und 
auch davor umb die zegierung Caroli Magni in großer achtung und ver: 
megen zeitlicher güeter geiwefen und follen iren urfprung anfenglichs 
von den grafen von Montfort ber haben, unangefehen daß in wappen 
underſchid und fie bie feebletter füeren. Man jagt, nachdem gar vor 
alten zeiten die drei grafengeichlecdhter, als Bregenz, Montfort und 
Heiligenberg, gar nahe den ganzen Bodenfee ingehabt, dishalb fo hat 
fih Montfort derzeit weit außgetailt, wie das ire alte güeter, die fie 
vor jaren bejeßen, mol bezeugen, und als iren ainer feinen negften 
pluetsfründ und verwandten in ainem zorn umgebracht, foll er von 
gemainer fründſchaft von feinem namen und angebornen wappen binb: 
angewijen und im das alt jchloß Bobman fampt feinen zuegehörden 
ingeben jein worben, auch daß er und feine nachlommen binfüro die 
drei fjeebletter füeren und ſich herren von Bodman gefchriben megen. 
-.. Aber die herren von Bodman fein vor alten zeiten gar vernampte 
beisen, auch vor andern geſchlechtern weit beriiempt geweſen. So 
imperialis in Bodenıen sita noch 1277 Reichſsgut war; vgl. Lex Alam. Hiothar. 
Metel ©. 49): in curte presbiteri (parochieni) und (©. 41, 4): iu 
curte 'regis. | 

1 Im 2ten Theil feiner Germania sacra et profana, Ulm 1662, fodanı 
in feiner Constantia rhenana, Frankfurt 1667, Th. 3,. ©. 24, zuletzt in der von 
ihm 'verfaßten Deductio genealogica von 1650, die in einem Anhang zu Reati 
Rhenani institut. rer, german. illustr. a Jac. Otione, Um 1693, &. 488 ff., 
abgedrudt ift und auf welche fid die Anflihrungen im Folgenden bezichen. 

Uhland, Schriften. VIII. 26 


a8 


befinbt fih auch ußer wahrhaftigen biftorien, daß aine bes gefchlechts 
von Bobman bei der Taiferin Hilgarten, des großen kaiſers Garoli ger 
mahl, im frawenzimmer geweſt und bemelter Taiferin ganz gehatm und 
vertraut geweſen [S. 389]. Es haben auch die römifchen kaiſer der zeit 
vil wandels und wonung bei den herren von Bobma zu Bobman ger 
bapt, vermög ber freihaiten, jo allda ußgangen und deren datum uß⸗ 
weiſt: in palatio nostro imperiali; gleihmwol man vermaint, fol 
palatium fei nit uf dem fchloß, fo iezmals unjer frawen berg genannt 
wurt, geftanden, fonder e8 hab noch ain ſchloß oder Taiferliche wonung 
ſchon hieunden im fleden Bodman gehapt, darin die kaiſer bern enden 
gewonet, welches aber iezund alles vergangen, und wol zu achten, bas 
und anders fei von den unglaubigen Hunnis und andern barbarifchen 
völkern in grund zerftört und vergengt [Schmeller 2, 55] worden ober 
die von Bodman ſelbs habens ußer urſachen und mit millen abgeen 
Iaßen 1. Man bat noch heutigs tags für gewiß, St. Othmar jei [4, 52] 
zu alten Bodmen in der gefangnuß gelegen und nachdem er denen 
beten von Bodman von etlihen ſchwebiſchen fürften fenglichen über: 
antwurt, ſei er etliche zeit ganz bertiglih und one alle erbermbe von 
inen gehalten worden. Uf unfer frawen perg, da aineft das recht alt 
Bodman geitanden und darvon auch die herren iren namen gebapt, 
do zaigt man noch ain finftre® ungeheures gewelb oder kemmerlin, barin 
der hailig man ift gepeiniget worben, daher von altem ain fag uf 
unfer zeit kommen, es haben ſich tie von Podman derzeit an St. Othmarn 


Nachträglich befagt die Chronif, ©. 1408 [Ausgabe von Barad 1, S. 51. 
52. H.]: „Man findt, daß faifer Conradt der erfi (if ain berzog von Franken ge 
weſen) das kaiferlich palatium zu Bodman hat Taßen abbrechen von wegen der tal 
und gemwaltfame, jo Herzog Berchtoldt und berzog Erdinger von Schwaben wiber 
bifhof Saloman von Conftauz genebt haben. Allen anzaigungen nad) fo iſt das 
palatium nit weit vom Bodenſee und ter kirchen dafelbft im fleden geftanden 
und in der nidere gelegen. Möglich, jo man ſnechen [mwolte], man wurde noch 
die fundamenta desjelbigen finden.” Bgl. oben ©. 884 f. Übrigens ift das auf 
König Kunrads Befehl zerftärte Schloß nicht, mie mehrfältig angenommen wird, 
die Pfalz Bobman, fondern die Burg Stammheim, um weldye der heftige Streit 
zwifchen den Kammerboten und dem h. Otmar, d. b. dem Stifte St. Gallen, 
fih erhoben hatte (oben ©. 898. Monumente Germanie 2, 85: castellum 
quoddam super Stamhem. 2, 87: Rex vero castellanı illud odiosnm sancto 
Otmaro cauea mali tenti tradidit dirnendum). 


403 


alſo verſchuldt und verfündigt, daß ein fluech uf fie und ire nachkommen 
erwachſen, dann der merertail alle im geſchlecht ſchadhafte ſchenlel und 
füeß haben, welcher gebreften fich gleichwol bei unſern zeiten bei etlichen 
bes geichlehts war fein befunten. Ob es aber der urſach balb, mie 
iez gemelt, beichehe, das mag fein uber nit, ber waiſts am beften, 
bem nichts verborgen oder unbewiſt.“ 

Schon Lirerd von Rankweil Fabelwerk: „alte ſchwäbiſche Ger 
ſchichten“, zuerft gebrudt 1486, meldet, jedoch mit anbern Umftänben, 
die Ablunft des bobmanifchen Geſchlechts von den Montfortern, und 


jwar durch Hugo, Herrn zu Lindau, ben Entführer Einer von Ems, 


von welchem bie Lindauer ihre Freiheit um 42 Marl halb Gold und 
halb Silber erlauften !, womit er bie Veſte Bodam erbaute (Wegelins 
Ausgabe E 1). Eine dritte Auffafjung findet fih in Mangolds Chronik 
des Bodenſees von 1548: 

„Hernach im 917 jar, als die herzogen in Schwaben Berchtold 
und Erchinger den biſchof Salomon gefangen battend, da zerftort inen 
fung Conrad das ſchloß Bodman als urfach des übel Wie lang 
aber das zerftort fchloß in der eſchen unerbumt glegen ſei, Tan ich nicht 
finden, find aber, daß es erbumet worden fei von eim von Emps, 
welcher, wiewol er nun [mbd. niuwan, nur] vom [niedern] adel mas, 
fo bat er doch nach einer gräfin von Montfort vom roten fan geworben 
und biefelbigen auch erivorben. Als fi [4, 53] aber iren abel gefchwecht 
bat, do kam fi in ungnab irer brüber, iedoch warb entlich fo vil ge 
banblet, daß fi fi mit 42 mark halb filber und halb gold ußfauften, 
dergſtalt, daß [fi] ſich hinfür irs namens und wapens verziben fölte, 
ſonder ſolte hinfür für den roten fan füren drü grüner lindenbletter 
in wißem veld. Uff ſolchs erlangt er keiſerliche bewiligung, das zerſtört 
ſchloß wider ze buwen; alſo hub er an, das ze buwen und brachts wider 
in weien“ ?. 

Grafen von Montfort find erft feit Beginn des 18ten Jahrhunderts, 
nach Abgang der von Bregenz benannten, urkundlich bezeugt 3. Doch 


1 Bgl. Lex Alam., herausgegeben von Merfel, 48, VIII A: medietatem 
in auro valentem, medietatem cum quale pecuniam habet solvat. 

2 Extractus ex Chronica lacus Bodamiei de ao. 1548, auet. Gregorio 
Mangold, eiv. Constaniiens. Im Archiv zu Bobman. 

ↄ Stälin 2, 426: 488 f. 442 fi. 3, 688. 





404 


mögen ältere Beziehungen der Pfalz Bobman zu den Grafen vom Lin; 
und Argengau (ob. S. 396), welch letzterem Bregenz und Lindau an: 
gehörten, der jettt veriworrenen Sage ben Urfprung gegeben haben. 
Den vermeintlichen Übertritt der bodmaniſchen Stammeltern auf eine 
minder hohe Adeläftufe ſuchte man auf verſchiedene Weife zu erflären 
und verband damit die Entftehung eines neuen Namens unb beſondern 
Wappend. Nach Mangold hat dieſes, wie noch heute, drei grüne 
Lindenblätter in weißem Felde 1. Die zimmriſche Chronik fieht in dem 
felben drei Seeblätter (Graff 3, 8715: feblat, nymphee), denen zwar 
jet tie beralbifche Geltung fehlt, wohl aber ein örtliches Anrecht zur 
Seite ſteht. Sie find Wahrzeichen des Seegebietö, wie wenn im Gudrun⸗ 
liede der Held Herwig das Banner feiner Seelande wehen läßt (Bollmer 
Etr. 1373): 
[4, 54] Noch fihe ich hie bi weiben einen vanen breit 

von wollenbläwen fiden. daz ji in gefeit! 

ben bringet uns ber Herwic dä her von Selanden. 

jebleter jwebent dar inne. er wil bie vafte rächen finen anden; 


oder wenn die Frieſen fieben Seeblätter in ihrem Echilde hatten und 
unter biefem Zeichen zu fiegen glaubten (Myth. 620. 1147. 1221). Es 
war Kriegsbrauch, heimatlichen Laubfhmud als Feldzeichen aufzufteden?; 


1 Herr Mattes verzeichnet eine Urkunde von 1360, worin Kaifer Karl IV 
„den edlen Hans von Bodemen“ mit Hartman Meiers von Windeck Wappen, 
Schild und Helm, belehnt; von diefer Zeit an komme ın den Sigillen ber 
Steinbod nebſt Helm vor, früher fein es bloß drei Lindenblätter geweſen, 
wobei anf Siegel von 1295 und 1347 verwiefen wird. Die Form bes Linden⸗ 
laubs ift unverfennbar in dem Wappen „von alten Bobmen“ bei Stumpff 2, 63 b; 
den Steindod hat ebendort das „von neüwen Bodmen“, entiprechend demjenigen 
der Meier von Windel (daf. 2. 134). Der Steinbod ift überhaupt ein rätifches 
Schildzeichen: der Grafen von Churrätien, der Stadt Chur und des dortigen 
Bisthums. Ihn führt auch, in zwei verfchiedenen Formen, das Geſchlecht von 
Ems, weldhes Mangold und Lirer in die bodmaniſche Borgefchichte hereinziehen. 
Guler (Rätia 136) gibt diefe Wappen von Ems, das alte und das meue, forte 
nachher die von alten und neuen Bobmen (ebd. 143 b, gleich denen bei Stumpfl), 
mit dem Beifügen, daß 1268 die Herren von Bobmen ihren Theil der Kirche 
Feldkirch (montfortiich) dem Kapitel des Hochſtifts Chur übergeben haben. 

2 In der- Schlacht bei Sedenheim 1462 trugen die Pfälzer Nußbaumlaub, 
wie es die Bergſtraße fpendet, die Feinde Haberrohr. Mid. Beheims Reim 
chronik, Quellen zur bairiihen Geſchichte 3, 126: „Do nun alle ortnumg fur 


405 


dazu boten fich die Seeblätter dort am Rorbmeere, hier am Bobenfee, 
„der in der Swabe lande ſwebt.“! 

Die Chronik von Zimmern fährt nach der auögehobenen Stelle fort: 

„Bemelte herzen von Bobman haben umb diſe zeit und Zurzlich 
nad ©. Otmars tob ain große cer am Bobenfee erlangt, dergleichen 
im land zu Schwaben, dem fie in ungerifchen kriegen, als diejelbigen 
ſampt anderen ungleubigen völlern gar nahe ganz beutfche nation über: 
jogen und burdjitraift, die ftabt Coſtanz und ain großen tail bes 
Bodenjee vor überfall und verberpnuß verhliet haben. Welchergeftalt 
aber ſollichs beſchehen, das ift von unfern unfleißigen, lieberlichen vor 
farn nit verzaichnet worden, aber wol zu gebenten, fie haben vie feind 
zu waßer und zu land angriffen, inen allen abbruch geton und bamit 
ain ſolche herrliche victoriam erlangt, daher dann von felbiger zeit an 
der geprauch und ain fonberliche freihnit bei denen von Bobmen, daß 
fie järlich zu ainer befondern zeit im jar, fo der gangfifchfach am beiten, 
in ainem jagfchiff von Bodmen aubents außfaren, den fee biß gen Coſtanz 
nad) irem gefallen burchftraifen, mit großem jubel und [4, 55] gefchrai: 
„Huno! huno!“ zu ewiger gebechinuß des ſigs. Alsdann fo flüchen 
alle fifcher vom fee und laſt fich niemand fehen over von inen ergreifen, 
denn fo das befchech, mere inen berfelbig mit leib und guet verfallen, 
oder e3 mochten in bie von Bodmen nad irem gefallen ftrafen. Was 
fiich fie underivegen ankommen in laitichiffen oder anderm, das megen 
fie alla mit inen hinweg nemen. Sie faren mit aim follichen triumpf 


vol | zu dem ſchlahen und ſtrit vaſt mol | durchordnet vnd gemachet waz, | ward 
des pfaltzgrauen vold furbag | mit nußloub vB geredet, | gezeichent und beftedet.“ 
Das gleichzeitige Lieb in ber Heidelb. Hof. 387 (vgl. Fichard, Frankfurter 
Archiv 2, 61) redet den „leuwen,“ Pfalzgr. Friedrih, an: „mit noßbaümen 
laup merftu wol gefleyt, | die bumwern funden das eben gemerden.“ Mone, 
Quellenſammlung 1, 224 (zur Erklärung eines lateiniſchen Verſes): „Ceres 
hie accipitur pro avena, cum qua signati erant hostes, nux hic accipitur 
pro ranıis nucum, quibus Fridericas adjutoresque ejus signati erant.* 
Im gleihen Sommer 1462 ſchlugen fi) Baiern uud Brandenburger bei Giengen, 
wovon Hans Magensreiter, ein bairiſcher Mitlämpfer, meldet (Öfele, rerum 
boicarum scriptores 1, 398): „wir waren mit aichenlanb bezaichnet und bie 
feind mit pirdenlaub.“ Bgl. Stälin 8, 537. 540. 

1 Rudoris Weltchronik in einigen Handfchriften, ſ. Schwab Bodenfte 
1, 154. Flora des Vodenfees, bei Schwab 2, 55: Nymphea alba v. lutea %. 


406 


biß gen Coftanz zu der Reinbruden, ba hat es dann andere ceremonien 
und gebreuch, wie bie bernacd in bifer hiftoria an gepurlich ort mit 
allem bericht grundlichen vermeldet werben und diſe freihait inen von 
allen römifchen Taifern zu lehen verlihen, und ift ain große herrligkait, 
dergleichen in unfrem bezirt nit leichtlichen befunden mwurt. Zu was 
zeiten aber hernacdy die von Bobmen den berrenftanb verlaßen und ſich 
unter den gemainen abel gemifcht, wie auch von den bern von Empe 
und andern mer beicheben, das mag man aigentlich nit anzatgen.” 

Die verfprochene Fortführung des feltiamen Yilcherzugs zu den 
Gebräuchen an der Konſtanzer Brüde fcheint unterblieben zu fein, doch 
beifen andre Befchreiber ergänzend aus. Eo wieder Greg. Mangel, 
Bürger zu Konftanz (a. a. D.): 

„Im jahr 1542 gebruchtent ſich die von Bobman irer alten frei 
heit uf dem Underfee, welches dann mer dann in 30 jaren vorhin nie 
bejchehen was. Bon dem herkommen aber berjelbigen freiheit hab ih 
von den alten alje vernommen, daß die Huni dife landſchaften über: 
zogen, verbrent und verberpt haben, welches dann im jar 915, bor oder 
nach ongefar [beicheben], dann fi in 30 jaren diß land oft überzogen 
und beichediget haben; bo haben fi) die von Bobman und Fridingen 
uf fant Andres abent mit jonderlichen thaten erzeigt und inen großen 
haben zugfügt, daher dann inen diſe getwonheit und freiheit erwachſen 
ift, daß ft järlich uf fant Andres abent, fo der fiihfang am beften iſt, 
gwalt und herfchaft haben über die filchegen zwiſchet dem Paradis und 
Gotlieben. Und fo fich die des gebrauchen wöllent, fo nement fi es alfo 
zu handen. Erſtlich farents zu Bodman uß zu fchiff und fürent mit 
inen ein halbfüdrig faß mit win, item etliche brot, deren iedes 18 pfund 
ſchwer und fo breit, daß [e8], fo mans ufricht, fo hoch fei, daß man 
ab [I. ob] dem Inüm ſovil darab fehneiden mög, daß ein jeger und 
jaghund ein ganzen tag daran zu eßen haben [vgl. Rechtzalterthümer 
102 f. Weisthümer 1, 101.168. 240]. Er muß auch mitfüren [4, 56] 
ein frifchling. Wenn fi nun beruf kumment an das Eichhorn ob Coſtanz 
fo Iendents und bindent die ſuw an ein jung haſelſchoß und hawen 
darnach ein fuber holz. So dann die ſuw biewil nit abrißet, fo iſt fi 
des ſtatammans zu Coftanz, rißt fi aber ab, fo ift fi des banwaris. 
Dißen win, brot und ſuw wirt inen barzu geben von tren lehenlüten, 
bie das uß kraft der lehenſchaft ze geben ſchuldig find, und gat nit uß 


407 


dem iren. Nachdem fi nun das fuer Holz gehamen haben, fo ſarents 
der ftat zu, ſchreien an brü beftimpten orten: „Huno! huno!” und das 
sichicht zu marnung, damit, fo etwar uf dem fee wer, wichen möchte, 
tann fi gwalt haben, als fi jagen, ze fahen und zertrenken was fi finden. 
Denn fi dann fumment zum PBaradis und Gotlieben, fo vechtferlent ſis 
[Schmeller 3, 25], und müßent bekennen, daß fi vis nacht über bie 
fiſchetz herrn fein Darnach fo farent die fifcher mit in uf ben fee, 
und fo vil ieber fifcher beren geieht bat, fo vil maß mind müßents im 
geben. Nachdem fi nun ab dem fee kumment, To feßent fi fih zuſamen 
und zechent. Darnach ziehents den fee uf wiber dem beimet zu mit 
den filchen. Bil andere ceremonten bruchents, welche ih nit alle er: 
faren hab.“ 

Manches, was auch dem Konftanzer entgangen ift, verzeichnet noch 
1592 einer der Berechtigten, Hand Georg von Bobma, der jelbft den 
Zug ausgeführt hat: 

„EB haben von unvervenflichen jaren bero die von Bobma bie 
gerechtigleit, daß fie iedes jar auf Sanct Andres abent dörfen auf: 
faren, die zu Mekhingen und zu Bodma, und wenn fie auf dem Bein 
und fie zu felbiger irer außfart zu Goftanz am Rein ankhomment, rufen 
fie auß ixen fcheffen laut: „Hunno! hunno!“ und faren alddann auf dem 
jee fott, und wen fie finden, deſſen leib und guet ift inen, den von 
Bodma, verfallen; wann aber einem gnad befchicht,, werfen fie in, außen 
ein in Rein entzwerents geftellies fcheff, in ben fließenden Rein under 
das ſcheff; khumt er under dem fcheff herdurch und mag fich felbft oder 
durch hilf derjenigen, fo im fcheff feien, widerumb in das fcheff [heben], 
jo bat er gebfießet. Wann fie denn an ben Aichorn anthomment, 
haben fie macht, auß einem dafelbften vem comenthur auß der Mainaw 
zuegehörigen holz, fo vil fie bie nacht zu kochen und fonften brauchent, 
zu nemen. Betretten fie barunder den banwarten, binden fie im baibe 
händ zuefamen, Inipfen in an einen bom und einen proffel in das 
maul, ftedhen im under den einen arm 3 [4, 57] laiblen brot, under: 
den andern einen Tantten vollen wein, welcher ime, wann er bon ben 
feinigen geledigt wirbt, zum beften verbleibet, und ol bafelbften an 
einer ftauden, fo zweijärig, gebunden fein ein ſchwein, jo wenig nit bann 
vier gulden wert; reiße das ſchwein ab und wirdet Iebig, ehe bie von 
VBodma hinwegfaren, jo ift ſolliches des banwarten, reißet eö aber nit 


408 


ab, follen fie, die von Bodma, die [fuw] wider mit fich füeren und 
dem ftattuogt zu Coſtanz vereren; dargegen foll er ftattuogt und bie 
von Coftanz inen, denen von Bodma, vereren belanntlichen ein halb 
fiederlein wein, des beften, fo fie in ber ftatt haben und bi gaiſtlichen 
oder weltlihen befhommen mögen [vgl. Weisſsthümer 1, 141. 246], umb 
ſoll ter ftattwogt bi feinem aid anzaigen und beteiren, daß er khein 
beßeren in der ftatt nit wiße noch beibommen möge; ebenmäßig foll man 
inen auch vereren ein halb fierendeil wein, des geringften und ſchlechtſſtſen 
weins, fo in der ftatt befunden werben mag, wie auch, daß Ihein ge 
tinger befunden werden mögen, vermelter ftattuogt bei feinem aid be 
zaigen ſoll [vgl. Rechtsalt. 256]. Sodann gehören alle fiſch, fo felbigen 
abent in den beren und in den feginen gefangen werben, ınen, denn 
von Bodma, zue, doch jollen fie denen, fo die beren gejegt und wellichen 
fie zuegebören, geben drei laiblin brot und ein maß mein, wellichen 
fie auß einem faß, fo vier aimer tuet und bei fich habent, laßen follen, 
doc) wan man unden facht herauf laßen, follen oben durch ein reittern, 
meil heraußen gelaßen würbt, . . . welcher aber eine fegin füert, dem 
joll geben werben ain laib brot, welcher fo groß fein fol, daß er einen 
[einem] gewachſnen mann auf dem reichen ftehen und jo meit über das 
knie gebabt [?], daß er ob dem knie darab unfchaben fchneiven mag.” ! 


1 „Retulirt Hang Geörg von Bodma Selbdſten den 16ten Oltober —82. 
zue Mörßpurg, wie Er ſelbſten auf folligen Zug verrichtet habe.” Aus den 
Lehenhofsarchiv zu Karlsruhe dur Herin Baron M. von Bodmaun abſchrift⸗ 
lich mitgetheilt. Cine Wufzeihnung, wohl and dem 17ten Jahrh., im Han 
archive zu Bodman, befagt no‘: „So dan hat ein herr v Bodma [am Rande. 
Safpar gt: zue zeithen könig Henrici deß Erſten] in dem bluetigen krieg der 
Hunniten, wider die Ghriftenheit, alß Sie dz ganze röm: Weich tiberzogen, 
aine große Bictorj nehſt ahm Boden See erhalten, allwo Er als dan von 
denen röm: Tay: vndt königen mit fonderer gnadt vndt Prinilegio feines wol 
verbaltens halb allergnädigft angefehen worden. Bndt haben höhſt gedacht Eeine 
fan: vndt königl: Mayenftätt Ihme bern von Bodma dz fiſchendtz die Humo 
genannt auf dem ganzen Boden See volgender geftalten gegeben, dz Er vndt 
feine Nahkümling in Ewigfheit dz Zus haben, alljährlich in Vigilia S: Anudreẽ 
nad mitag von Bodma auß zue fahren, alle Schiff, fo man antreffen wurde, 
dinweg zue rauben, vndt zuer rantion ahnzuehalten, auch alle fiicher facht von 
Bodma auf bi hin gehn Ermatingen vnderhalb der Rheinbruggen zue Coſtanz 
gelegen, zue heben, vndt alle fiſch hinweg zue neitten, vndt fo gedachte herren 
von Bodma in der nacht vacher Coſtanz zue der Rhein bruggen komen, So 


409 


[4, 58] Bucelin (Deduct. geneal, 454 ff.) führt aus, Gaſpar von 
Vodman, der, wie es fcheine, zuerft Statt des agilolfingiichen Löwen feiner 
böhergeftellten Ahnen ven rätifchen Steinbod und zugleich die brei 
Lindenblätter von Lindau zum Wappen genommen 1, habe von der an- 
exerbten Befte Bobman aus ruhmreiche Thaten wiber bie Ungern volls 
bracht und fei deshalb von Heinrich I mit großen Borrechten ausge 
zeichnet worben, insbeſondre mit dem, daß er, zum ewigen Gebächtnis, 
in gewiſſen Zeiten des Jahrs Alles, was er von Schiffen oder Waaren 
auf dem See treffe, wegnehmen ober deſſen Loskauf erzwingen dürfe; 
überdies habe der König ihm und feinen Erben das Recht des Fiſch⸗ 
fange, „die Kuno“ genannt, im Rhein unterhalb ber Konftanzer Brüde 
zu ewigem Leben übertragen, mit ber Befugnis, daß der Älteſte dieſes 
Geſchlechts von Bodman vorbefagtes Recht gewiſſen am Rheine woh⸗ 
nenden Fiſchern meiter verleihen könne, welche Lehensleute noch auf 
den heutigen Tag ala jährlihen Zins beftimmte Hunderte von Gang: 
fiiden dem zu Bopman meilenden Herrn zu entrichten fchulbig feien. 
Derjelbe Gafpar babe ſich in dem von Heinrich I zu Magdeburg ver: 
anftalteten erften Turniere glänzend hervorgetban, zu befien Zeitung er 
vom Könige mitbeftellt geweſen, und in Folge jenes ihm über den See 
verliebenen Rechtes fei leßterer nach dem Befieger fo gewaltiger Feinde 
feitvem Bodenſee benannt worden. Bis zu dem verheerenden Einfalle 
der Schweden in die Seegegend jeien die Turmierwaffen der bobmanifchen 
Ahnen forgfältig bewahrt geblieben, damals aber im euer aufgegangen. 
Rah Ausfage der glaubwürdigſten Augenzeugen haben babei einige 
Lanzen von folder Wucht ſich befunden, daß faum zwei Männer eine 
vom Boden zu heben vermochten, ferner [4, 59] eiſerne Beinfchienen, 
welche unterhalb des Kniegelenks bis zur Ferſe jo lang waren, daß 
ber Kloftergeiftliche Hans Simon von Bodman, des Berichterftatters 


werden Ihnen die Selbige küttenen under ber Bruggen im Mhein geöffnet, auf 
dz Sie auch die öberige refler dei Sees gegen Ermatingen binab befuechen 
könden, Bolgendt in der rukhkher naher Eoftanz, würdt Ihnen dz thor bey 
der Iufhen geöffnet, allwo Sie mit Ihrem raub, den Eie befhomen haben, in 
die Statt fi) begeben, vndt den Tag darauf den ganzen Magiftrat der Statt 
Coſtanz gaftieren.“ 

1 Bgl. ©. 403 f. Wernherus Zimbrensis und Thomas Lyrerus find 
von Bucelin (a. a. D. 442) zu feinen Gemährsmännern gezählt. Das Wappen 
von Lindau zeigt jedoch nicht drei Blätter, fondern einen Lindenbaum. 


410 


Freund, ein Mann, der fait fieben Werkſchuhe maß, bei wiederholten 
Proben, wenn er den Fuß in diefe Schienen ftedite, bis um die Schentel 
einſank und doch nicht mit ben Zegenfpiten ben Grund erreichte. Auch 
Hirminger, muthmaßlich ein Sohn Gaſpars, babe Heinrih I feinen 
Heldenadel bewährt, nicht bloß in dem erfolgreichen Kriege dieſes Königs 
wider die Ungern, fondern noch durch befonvere Siege, die er an und 
auf dem Bodenſee, zum Schutze ber umliegenden Länder, über bie 
Barbaren erfochten, wofür ex durch erweiterte Vorrechte, namentlich 
damit belohnt worven fei, bag ihm und feinen Nachkommen am Jahres 
tag und zur eier feines fieghaften Kampfes geftattet fein folle, mit 
ſcheinbar bewaffneter Flotte den ganzen See zu befahren, alle dort 
Sciffende feindlich anzugreifen und zur Auslöfung zu nötbigen, was 
die Umwohnenden, in danfbarem Andenken an bie Rettung ihrer Väter 
durch Hirmingers Tapferkeit, fich von biefen erbichteten Feinden freitwillig 
gefallen laſſen. | 

Das baltlofe Gewebe Bucelins geht fichtlih von Rüxners Turnier: 
bud aus, welches (Ausgabe von 1566, Bl. 230) gleich beim erften 
Zumier, 938 zu Magdeburg gebalten, unter ben zur Wappenichau 
berufenen vier alten und vier jungen Nittern aus Schwaben „Herm 
Caſparn von Bobman, für einen alten” erwählt fein läßt. Heinrie I, 
bermeintlicher Stifter der Turniere, glänzt als fiegreicher Belämpfer 
der Ungern, die bei Rügner, wie vielfach anderwärts, als Hunnen 
bezeichnet werden, und fo empfahl es fich, dieſen König dem ſchwäbiſchen 
MWappenichauer Cafpar von Bodman zum Danke für feine Kriegkdienſte 
wider das Hunnenvolf jenes Yilchereivecht, das bei Bucelin „bie Kuno“ 
beißt, ertheilen zu laſſen. Dasjelbe beitätigt und verſtärkt Heinrich 
dem angeblihen Sohne Gaſpars, Hirminger, welchem offenbar ber 
Held des Fridgaus von 836 (©. 398) Namen und Ruhm leihen wmufte. 
Weniger läßt fich einfehen, wie bie Herren von Bobman Giege ihrer 
Ahnen über die Ungern und bie hiedurch bewirkte Rettung des See 
gebiet® damit gefeiert haben follten, daß fie, das feindliche Heer vor 
ftellend, an ihre Landsgenofien gewaltſame Hand legten. Beachten 
werib ift Dagegen die Meldung, wonach zu Bobman bis in die Zeit 
des breißigjährigen Kriege Waffenftüde von riefenhaftem Maß und 
Gewicht aufbehalten waren, An folderlei Erbftüde mochten alte Sagen 
des Haufes ſich gelnüpft, [4, 60] jeboch, unter dem Einfluß getftlicher 


411 


Freunde desfelben, einen balbgelehrten Zufchnitt erfahren haben, von 
dem ſelbſt di: vollsmäßigern Chroniken nicht frei geblieben find. Nur 
in lateinifcher Schriftiprache fand ſich für den Hunnoruf die entfprechende 
Form des Volksnamens: Hunnus; ſchwäbiſch, in münblicher Überlieferung, 
hätte diefer Name gelautet: ahd. Kür, mhd. Hiune (Heune). Den Schiff⸗ 
ruf „bunno” verzeichnet, gleich den Andern, der bodmaniſche Bericht: 
erftatter von 1592, aber er, der felbft noch den feierlichen Zug ausgerichtet 
hatte, fagt einfach, ohne allen Bezug auf den Ungerntrieg, die von Bob» 
man haben von unvordenklichen Jahren diefe Gerechtigkeit (S. 407). 
Dennoch fehlt e8 auch nicht an urkundlichen Nachweiſen des Erwerb» 
titeld. Mittelft einer 12377 zu Wien auegeftellten Urkunde vollzieht 
König Rudolf die Pfandverleihung des in Bodmen gelegenen kaiſerlichen 
Hofes (curie imperialis in Bodemen site) für 70 Pfund Heller an 
den lieben getreuen Johann von Bobmen; an Letztern, feinen Better, 
verlauft ſodann 1295 Ulrich von Bobman. Domberr zu Konftanz, um 
217 Marl Silbers „die newe Burg“ zu Bodman, bier wohl die auf dem 
nachmaligen Frauenberg geftandene, und dieſer Gegenfah fpricht weiter für 
die Lage der alten Reichöpfalz unten am See (S. 384 f. 402, Anm. 1). 
Beftätigt und namentlich auf das Freigericht ausgedehnt wird die bes 
ſtellte Pfandſchaft durch Hanpfeften ber Könige Adolf 1294, Albrecht 
1298, Heinrich VII 1309, Ludwig 1332, Karl IV 1361, Wenzel 1378, 
Auprecht 14061. Bald nachher treten Urkunden hervor, in welchen 
nicht mehr von Pfandſchaft, fondern von eigentlichen Reichslehen die 
Rebe ift, des Königshofs zwar nicht mehr gebacht, aber mit dem Frei⸗ 
gerichte zu Vodman belehnt und unter ven verliehenen Rechten zuerſt 
auch das Hunnfifchen genannt wird, doch mag dies fchon in einem 
bodmaniſchen Theilungägettel von 1889 geichehen fein, wonach der Bes 
ſitzer de forfterifchen Lebens zu Walwies das zweijährige Schwein zur 
Ausfahrt liefern mujte 2. Eine deutſche Pergamenturfunde, vom [4, 61] 


1 Borfichendes nad, jummarifcher Berzeichnung bes Herrn Mattes. Genauere 
Belanntihaft mit dem Anhalt diefer Urkunden wird aud den Bufammenhang 
der Rechtaverhältniſſe beſſer aufbeilen. 

2 Angemerkt von Herrn Mattes. Mangolds Chronit zum Jahr 1542 
(oben ©. 406 f.) bejagt allgemeiner: „wein, brot und ſuw wirt inen [denen von 
Bodman] darzu geben von iren Iehenlüten, die das uß kraft der Ichenfchaft ze 
geben ſchuldig find, und gat nit uß dem irn.“ 





412 


römischen König Sigmund am 17ten Jan. 1418 zu Konſtanz ausgeſtellt 
und befiegelt, enthält nun, daß vor ihn, den König, Tommen jeien 
die ftrengen Yrifhhand und Hanskonrad von Bobmen, Nitter, feine 
Räthe und lieben Getreuen, und ihn demüthiglich gebeten haben, ihnen 
nachgeichriebene Leben, die von ihm und dem Reiche zu Lehen rühren, 
gnädiglich zu verleihen, mit Namen das Freigericht zu Bodmen, item 
das Moos, gelegen zwilchen Bobmen und Walwis, item ven Baun, 
über das Blut zu richten, und Stock und Galgen zu Bobmen, item 
die Fiſchenz zu Coſtanz in dem Rhein auf fant Andres Abend, „pie 
man nennet die Hunn“; ex habe deshalb, angejehen ber jegigen Friſch⸗ 
banfen und Hanskonrads bemüthige und rebliche Bitte und auch ihre 
willige und getreue Dienfte, die fie ihm und dem Reiche oft und bid 
williglich und unverdroſſenlich getban haben, täglih thun und fürbaß 
zu thun allzeit willig und bereit zu fein meinen, ihnen bie vorgenannten 
Lehen mitfammt ihren Rechten und Zugehörungen gnäbiglic verliehen, 
was er ihnen daran von Hecht? wegen verleihen follte, biefelben für: 
baßmehr von ihm und dem Reiche zu rechtem Mannlehen zu baben, zu 
balten und zu nießen, auch haben die vorgenannten Friihhans und 
Hanskonrad gewohnlich Gelübd und Eide darauf gethan, ihm und bem 
Reiche getreu, geborfam und gemwärtig zu fein und zu thun und zu 
dienen, als dann Mann ihren Lehenherren von foldden Leben pflichtig 
zu thun fein. Gleichartig ift ein zweiter Lehenbrief König Sigmunbs 
aus Dfen 1424 für den ftrengen Hans von Bobman, der vor ihn ge 
fommen, und deſſen Brüber, abermals über das Freigericht und ben 
Blutbann zu Bobman, das Moos zwilchen dort und Walwis, ſowie 
die Fiſchenz zu Konftanz im Rhein auf St. Andreas Abend, „die man 
nennet die Huny“ 2. Auch Kaiſer Ferbinand I (1558 bis 1564) beftätigte 
viefelben „regalia umb das freigericht, das Mos, bann übers biluet, 
viſchenz zu Coftanz im Rhein, die Hund genannt“ 3. An ber Spite 
der bier aufgezählten Pfand: und Lebenbriefe ſteht die Urkunde von 
1277, welche ven in Bodmen gelegenen Königshof felbft betrifft, und 
wirklich find die in anhaltender Folge von den Königen ertheilten und 


1 Nach der Originalurlunde im Ardiv zu Bobman. 

2 Auszug der Urkunde bei Herrn Mattes. 

3 Regiſtratur u. ſ. w. 1589, Papier-Handfchrift im Archiv zu Bobman, 
Dlatt 25 6. 


413 


beftätigten Rechte, auch ihrer innern Beichaffenheit nad, ſolche, bie 
von der Reichögewalt ausgeben muften und darum einft der konig⸗ 
lichen Pfalz anbafteten: Freigericht, Blutbann, [4, 62] Filchregal. Im 
alte Zeiten weiſt beſonders noch die mitten unter dieſen Hoheitsrechten 
gehende Verleihung des Mooſes zwifhen Bobman und Walwies Das 
Moos if die vom erftern aufwärts zum letztern Ort eine Stunde meit 
fich erſtreckende Thalmulde, Moorgrund des zurückgewichenen Überlinger: 
fees; die Trümmer von Altbodman und Homburg, auch die entfernteren 
der Rellenburg, überichauen dieſes Geländ, an deſſen weftlihem Ende, 
auf einem fteilen Hügel, das Dorf Walwies ſich erhebt, ohne Zweifel 
nad) dem untenliegenden Wiefenfelde benannt. In der Königepfalz 
Bodman (Bodoma palatio regio) ftellte Ludwig ber Fromme 839 dem 
Klofter Reichenau (Sindleozesauua) eine Urkunde aus, worin Walmwies 
(uualahuis) zu den Orten gerechnet ift, an welchen Eigenthumsrechte der 
Löniglichen Kammer von Bodman (fisci nostri vocabulo potimiacus) be 
ftanden (S. 394, Anm. 1). Bei Walawis erftritt Erchanger 915 den Sieg, 
der ihn für den Augenblid zum Herzog ſchuf!. Dorthin berief nad; 
mals die Herzogin Habetvig eine Öffentliche Verhandlung obſchwebender 
Streitfachen und Staatögeihäfte . Indem mun noch die Lehenbriefe 
des 18ten und 16ten Jahrh. gerade zwiſchen Freigericht und Blutbann 
das Moos gegen Walwies nennen, fo ift auch für dieſes zur größeren 
Dingfätte wohlgeeignete Feld die vormals gerichtliche Bedeutung nahe: 
gelegt. Selbft daß Erchanger und fein Anhang eben bier, im Gefechte 
mit den eigenen Zandbögenofien (cum ceteris patriotis suis), den innern, 
alemannifchen Zwift über das Herzogthum zur Entſcheidung bringen, 
ift einem Rampfgerichte nicht unähnlich 3. [4, 63) Im Anſchluß an bie 


1 Annal. alamann. a. 915 (Monumenta Germanie 1, 56): Erchanger, 
de exilio reversus, cum Burchardo et Perahtoldo cum veteris patriotis 
suis pugnavit ei eos apud Wallawis [®. walawis] vieit et dux éeorum 
efflectus est. 

2 Eftehard IV, cas. 8. Galli 6. 10 (Monumenta Germanie 2, 125): 
Colloguium tamen publicum postea [Hadew] pro his et pro aliis regi- 
minis causis Walewis villa edizit, illuo quoque episcopum et abbates 
venire jusserat, 

3 Der Schreibung unalahuis, einzig in der Urkunde von 889, gegenüber 
Rebt in den folgenten von 886 bis 1247: Walawie, Walewis. Walwiſa. 
Abd. walawiſa wilrde wörtlid ein Schlachtfeld, eine Wahlftatt, pratum caedis, 


414 


Rechte höherer Gerichtsbarleit wird auch die von Bodman ausgehende 
„Fiſchenz“ von den Königen unmittelbar zu Lehen gegeben; der File: 
fang, für größere Gewäſſer frühzeitig zum Regal geworden (Rechts: 
altertbümer 247 f. Walter, Rechtögefchichte, Zte Ausgabe, $ 554), be 
währt fich hier ale ſolches noch eigens durch die weite Erftredung und 
die prunkhafte, gebieterifche Weife ver Hunnfahrt. Ein Seitenftüd zu 
diefer „ſonderlichen Freiheit“ und „großen Herrlichkeit“ (S. 405 f.) 
bietet der Wildbann in Reichöforften ver Maingegend und Wetterau, 
nach dortigen Weisthümern aus bem 14ten Jahrh.; derfelbe rührt gleich 
falls vom Reiche zu Leben, ftebt auch namentlich in Bezug mit ber 
Reichsburg zu Gelnbaufen, wie das Hunnfifchen mit Bobman und iſt 
ebenmäßig durch ftattliche Aufzüge, noch mehr durch ſtrenge Pfändungen 
und Bußen vorzeitlihen Geprägs, ala Ausflug einer höheren Gewalt 
gelennzeichnet (Weisthümer 1, 498 ff. 3, 426 ff. vgl. 1, 463 ff.. 
Allem dem entfpricht jchließlih der Name des bodmanifchen Fiſcherei⸗ 


stragis, bedeuten (vgl. Graff 1, 801. ®r. 2, 479 f. 1008). Auf bloße pugne 
duorum des alamann. Geſetzes erfcheint das ahd. Sammelmort wal („Snbe 
griff der Erſchlagenen“, Mythologie 889; angelf. väl aud von der einzelnen 
Leiche) nicht anwendbar. Aber auch der größere Kampf von 915 kann nicht 
den Ortsnamen veranlaßt haben, der ja fchon 833 beftand. Dagegen erinnert 
diefer an die im altnorbifchen Liedern und Sagen gangbare Sitte, nicht bloß 
das Gottesurtbeil des Einzellampfes (Holmgangs) an der mit Hafelläben um- 
ſteckten Gerichtsftätte abzuhalten, fondern auch in gleicher Weiſe den Heerſtreit 
auf gewiffe Zeit und abgeftedtes Feld anzuberaumen. (Bu hasla völl |. Redits- 
altertbitmer 809 f., ebd. 798: kampfraſen; Fornald. 8. 3, 7505, Egilsſon, 
Lex. poöt. 802 f.; Gisela Sög. ved K. Gislas. 6; mythiſche und fagenberähmte 
Schlachtfelder, vorausbeftimmte und abgemefiene vellir, beifpielsweife: Säm. 
23, 18: Vigridr heitir völlr | er finnask vigi at | Surtr ok in eväsu god: | 
hundrad rasta | hann er & hverjan veg, | s& er beim völlr vitadr. 
€äm. 815: Helgi hafdi völl hasladan & Bigarsvelli & priggja nätta fresti, 
vgl. ebd. 81, 35. Fornald. S. 1, 378: & Brävelli u. ſ. w. l&ta hasla konum 
völl ok taka beim orrostustad; aus gejchichtlicher Zeit in Heimsfringla, 8. af 
Ol. Tıyggv. C. 18: iarl u. |. w. hasladi völl Ragnfredi konungi ok tök 
orrustosted u. |. w. Par vard allmikil orrosta u. |. w. betta var & Pin- 
ganesi; nad Zacitus, Annales 2, 16 zogen die Germanen unter Arminius: 
prolium poscentes in campunı, eui Idistaviso nomen (Mythologie 872: 
„Idisia vieo, nympharum pratum“) In Erwägung kommt noch jenes den 
Alemannen verderbliche placitum in loco, qui dicitur Condistat, vom Jahre 
746 (Monumenta Germanie 1, 329. Stälin 1, 183 f.) 


415 


rechts. Im Lebenbriefe von 1418: „die Hunn“; in dem von 1424, 
wie gelefen wird (S. 4123): „die Huny“; in Aufzeichnungen aus dem 
16ten und 17ten Jahrh.: auf „ber Hunnen“, die „Huno“ ober „Hunno“, 
„Hunnofiüche” 1. Run ſteht ahd. mafe. hunno, [4, 64] namentlich in 
ſanctgalliſchen und reihenauifhen @loflen, für latein. centurio, tribu- 
nieius (Graff 4, 976), und man darf jenes ahd. Wort vorausſetzen, 
wenn in Urkunden des Sten und 9ten Jahrh., melde dad Thurgau, 
Argengau, die Berchtoldsbaar und anbre alemannifche Gaue betreffen, 
ber auf den Grafen zunächſt folgende centurio, centenarius, judex, 
verzeichnet ift (vgl. Neugart 2, index ©. 69, unter XI und XIII). Im 
18ten Jahrh. begegnet „Hunno“ mehrmals urkundlich als Gejchlechts« 
name und beſonders in einer Einfiebler Urkunde von 1217 ftehen unter 
ben Zeugen aus Schwiz: „Sunrabus Hunno“ und „Wernherus Weibel“, 
Richter und Gerichtäbote, bereits ala vererbliche Beinamen ?., War 
auch die Stellung und Zuftändigkeit des Hunno (in ſpäterer Yorm: 
hunne, honne) nach Zeit und Ort verichieben, früher wohl gemwichtiger, 


I Regiftratur 914: „Ain zebdei darin begriffen u. f. w. was auff ber 
hunnen des 89 jar fo man ſey [fe] gefaren verzertt” (Fahrten von 1542 und 
1592 ©. 406 f.). Auf der Rüdfeite des perg. Lehenbriefs 1418 von fpäterer 
Hand: „des fry gericht, moß boffs. flod u. |. w. vnd hünnen u. ſ. w. Re 
giftratur 256: „ain Bidimus von kayſer Ferbinanden gebner Freyhait vnnd 
Gonfirmation: Darinnen aud die Regalia vmb das freygericht das Moß bann 
obers binuet, viſchentz zu Coſtantz im Rhein bie Huno genannt.” 9Ba: „tem 
ain alter zedl feet oben im tittel hunno viſch zue Goflang. Darinn fleet wem 
bie wachten und Reiß verliden. Item das jerlich 2000 viſch verfallen, die feyen 
mit den von Fridingen tailt laut ains tail brief.“ 935: „Die Freyhaiten 
unnd Lehen brief der Hunno vnnd viſchentz zu Goftannk ligen zu Bodman.“ 
Auch bei Bucelin, Deduct. geneal. 454: Jus Piscationise d. die Huno in 
Rheno infra pontem Constenciensem. | 

2 Urkunde aus Einfiebein von 1217 (Hartmann, Annal. Heremi ©. 285 f. 
dgl. Tichudi 1, 114. Morel, Regeften der Benebictiner Abtei Einfiedein Nr 49): 
„de Suitz Gunradus Hunno, Blricus Kefjeler, Bvernberus VBveibel” u. ſ. w. 
(Kunrad Hunno auch ſchon in einer Urkunde von 1210, vgl. Kopp, Gedichte 
der eidgenöffifchen Bünde 2, 1, ©. 811. 821.) Urkunde aus Schwiz von 1282 
(Tſchudi 1, 189): „Cunrat dem Hunnen.“ Urkunde aus Züri von 1291 
(Kopp, Urkunden 1, 87 f.): „von Swiz u. |. w. bern Chvonraten Hunnen.“ 
(Mertel, Lex. Alam. 76 n. 53.) Bei Goldaſt, Scriptores rerum alamanni- 
carum 2, 102, tm Verzeichnis alamannifher Eigennamen „ex vetustissimo 
Codice Monasterii 8, Galli“: Hunno (Förſtemann, Namenbud 1, 7567) 


416 


als in der Folge, ftetd doch war es ein obrigfeitlicher Beruf !. Wie 
fi) nun ein ahd. Adj. hunnilih, tribunalis (Graff 4, 976), gebildet 
batte, jo bebeutet, in dem bargelegten Zuſammenhang, das fpäter vor 
fommende Subft. fem. hunni, bunne, bunn, bie feierliche Handhabung 
der zur Reichspfalz gehörenden Filchgerechtiame dur den Hunnen, 
deflen Ausfahrt („auff der hunnen, fo man fie gefabren”, S. 415, Anm. 1) 
der warnende Ruf „hunno!“ verkündete ?. Diefer herkömmliche Schiffruf 
und ber Name bes Rechts verblieben, auch als letteres längft nit 
mehr unter Führung [4, 65] des Gentenars, fondern durch die vom Reiche 
damit belehnten Ritter von Bodman geübt wurde. Fällt nach allem 
dem die Beziehung der Hunnfahrt auf das Heldenthum der Ungern⸗ 
Iriege hinweg, fo ergibt fich dagegen ein beachtenstvertber Beitrag zu ben 
deutfchen Rechtsaltertbümern und ihrer lebendigen Symbolik, die aud 
anderwärts in ſchwäbiſchen Rechtsgebräuchen zu Tage tritt (Beilage 2). 
Die Bindung des Bannwarts auf der Landipige Eichhorn, das Recht 
über Leib und Gut aller auf dem See Betroffenen, das Auswerfen 
aus dem Schiff und die Nöthigung zum Durchſchwimmen unter dem 
felben, all dieſe gewaltherrliche Androhungen, denen fich boch wieder 
mancherlei Scherz beigejellt bat, find faum anders, denn formelbaft, zu 
verftehen und grenzen an die niemals vollftredten „muthifchen” Strafen 
und Bußen ältefter „Rechtsfage” (Nechtsaltertbümer 520. 682. 695). 

‚ Nob am Ende des I4ten Jahrh. bat ein Nitter von Bobman, 
vielleiht im Glauben an altererbte Berufung zum Kampfe mit ben 
ungläubigen Feinden bes beutichen Landes, das Banner wider fie er 
boben. Bon ihm fehreibt abermals die zimmriſche Chronik (1340 ff. 
[Ausgabe von Barad 1, S. 217. 223. $.)): 

„Kaifer Sigmund hat anno domini (1392) ain ftattlicden Türkenzug 


1 Hierüber: Redhtsalterthlimer 756 f. Waitz, Berfaſſungsgeſchichte 1, Bf. 
2, 312 ff. 458. Walter, deutiche Rechtsgeichichte, Zte Ausgabe, 100. 292. 298. 
Im Richteramte, dem vorherrſchenden Geichäfte des Hunno, lag es nicht, fi 
califihe Rupungen im Namen des Königs einzuziehen (Waig 2, 316 f.); cher 
gemahnt der wehrhafte Schiffzug an die alterthlimliche Verbindung der richter- 
lichen &ewalt mit dem Befehl Über die gewaffnete Macht (ebd. 1, 36). 

2 Gleich mhd. „wäfendl” (Benede, Wörterbuh 3, ©. 456, 47 f.) fpäterem 
„feindiv, diebio, mordio, hilfio!“ u. |. w. (Schmeller 1, 8. Rechtsalterthümer 
876. Grammatik 3, 214. 247), Formwidrig erjcheint Subf. fem.: „die hunno,“ 
etwa Kürzung eines mit dem Ausruf zufammengefegten Wortes (vgl. hunns ⸗ſiſche) 


417 


geton, in dem doch nit oil außgericht, ja auch der kaiſer ſelbs fchier wer 
gefangen worden. Allerlai unordnungen haben fich in difer erpebition 
begeben, fonderlih ©. Yörgen fanen halb, do iſt ain großer zank umb 
geweien, welcher den füeren jolle. Aber herr Hanna von Bodman, ritter, 
bat den in Ungern ald aim Deutfcher erhalten und geftert, gleichwol 
nichts fruchtbarlich8 ußgericht worden. Es haben aud die Deutfchen, 
fo zugegen geweft, bezeugt, daß, fo das reich wider die ungleubigen 
und haiden zu veld ziehe, fo folle ain Deutſcher Sant Jörgen panner 
zu der band haben und füeren, darauf fie zogen für den Taifer Sig⸗ 
mund, auch die hurfürften. Aber eilich anfehenlich Behem haben herr 
Hannfen von Bodman feines fürgeben® gefolten, uf mainung, als ob 
er die unwarhait anzaigt, darauf herr Hanns von Bobman im jar 1392 
gemaine grafen, herren und von der ritterfchaft des lands zu Schwaben 
zujamen beichriben und erbeten. Die fein zu rettung der der ires batter- 
lands guetiwilliglicden erfchienen und haben herr Hannfen von Bebman 
feind fürgebens in Ungern, wie oblaut, zeugnu® geben, daß fie von 
iren voreltven auch nie anders vernommen und daß ſolchs aljo her: 
Iommen, barbei fie auch bleiben wellen. Darumb fein auch brief ufge: 
richt, die auch one zweifel den figlichen Behem ainstails fein zulommen 
und überantwurt [4,66] worden. Bei diſer Handlung fein geweſen u. |. w. 
[folgt die große Ramenzahl meift ſchwäbiſchen Adels]. Geſchehen uf 
den hailigen weihennachtabend im jar 1392” I. 

Wenige Sabre fpäter, 1396, fiel die blutige, für das chriftlidhe 
Heer verderbenvolle Türkenfchlacht bei Nilopolis in Bulgarien vor, aus 
welcher König Sigmund kaum entrann und von der Froiſſard in Bezug 
auf die dabei betheiligten Franzoſen fagt, daß feine Landsleute feit der 
Schlacht von Roncevaug, wo die zwolf Pärs von Frankreich umlamen, 
feinen fo großen Berluft erlitten haben ?. Er mißt die Schuld ber 
Niederlage dem voreiligen Losfchlagen der franzöfifchen Ritterſchaft bei, 


1 Diefe Kundgebung fteht vollſtändig bei Datt, de paoe publica 252 fi. 
und bei Burgermeifter, codex diplomaticus equestris 1, 1 bis 5. 

2 Les chroniques de Jean Froissart l. 4, ch. 52 (Duchon, collection 
des chroniques nationales frangaises Band 18, Paris 1825, ©. 398): par eux 
et leur orgueil fut toute la perte et le dommage qu’ils regurent si grand 
que depuis la bataille de Raineevanx oü les douse pairs de France farent 
morte ei deconfits ne regurent si grand dommage. 

Ubland, Schriften. VII. 27 





418 


an deren Seite auch die Deutichen fich tapfer gefchlagen. Davon weiß 
er nichts, was eine bandichriftliche Straßburger Chronik anführt, daß 
bei Nikopolis die Schwaben, als ihr beftehendes Recht, den Vorſtreit 
verlangt haben, worin ihnen aber die Franzoſen zuvorgekonmen !, 
Sollte das auch auf einer Verwechslung mit dem Borgange von 1398 
beruben, ſo erzählt doc, ein Augenzeuge, Schilvberger aus der Stabt 
Münden, daß Hans von Bobman einer der 24 Ritter geweſen fe; 
welche ber in Kriegegefangenfihaft gerathene Sohn bed Herzogs ben 
Burgund, Johann von Neverd, nad befondrer Bergünftigung des 
Eultans Bajazeih, ausgewählt habe, damit fie von der allgemeinen 


Niedermetzlung der mitgefangenen Chriften verfchont blieben ?; fehr. 


glaublich derſelbe [4, 67] Ritter Hans von Bodman, der 1392 die Fahne 
geführt hatte. Sigmund, der während dieſer Heerzüge noch erft König 
von Ungarn war, kann folder Ritterdienſte nicht uneingedenk geweſen 
ſein, als er, ſeit 1410 auch deutſcher König, die von Bodman durch 
Reichslehen, darunter die, Hunn mitbegriffen, auszeichnete. Selbſi 
Erinnerungen und Herkommen aus viel älterer Zeit, ba noch ber ale 
mannifche Heerbann mit der Pfalz zufammenbieng, machen fich fühlber, 
wenn ein Stammgenofie Johanna von Bobmen, ber 1277 den kaiſer⸗ 
Iihen Hof daſelbſt zu Pfandlehen erhalten hatte (S. 411), 1892 das 
Banner des h. Georgs vorträgt und als Wortführer dieſes beutfchen, 
mittelbar ſchwäbiſchen Vorrechts auftritt, wenn er hierüber ein feier 
liches Zeugnis von 237 Grafen und 430 Freiherren, Edelknechten und 


1 m der bei Datt 251 ausgehobenen Stelle befagt diefe Straßburger 
Shronit, der König habe gebeten, „daß fi ihm mit finem voll, den Ungarn, 
den vorftrit folten laßen, wann er fort, werend fi nit vormen am firit, daß 
ſi nit blibend und flühend. Dawider ſprachen die Schwaben, es were ir edit, 
wann ınan firiten wolt, daß fie allweg den vorſtrit hettend, alſo wolten fie aud) 
iegunt den vorſtrit han. Under ben bingen wurden die Franzoſen fidhtig uud 
Iprechend, fie werend von verren landen darlommen, fie wolten ben vorfrit 
ban, und ranten die haiden an ungefordert und ungemaiftert.“ 

2 Schildtberger ı. |, w. Nürmberg durch ob. vom Berg, vnd Birid 
Newber o. J., Bl. C 36: „Alß nun der Herkog von Burgunbi, feinen [beö 
Königs Weyafit] ernft und zoru vermerdet, bat ex jn, das er jhm etliche auf 
men ledig ließ, Die er haben wolt, das gemert jn der König, Da nam er auf 
jmeu, zwölff Herren auf feiner Iandtichafft. Item den Herr Stephan Syniher, 
vnd ben Herrn Harfen von Bodem.“ Bol Aſchbach, Geſchichte Kaiſer Sig 
munds 1, 108 fi. 


419 


Nittern des Landes zu Schwaben, hauptſächlich vom Bodenſee und aus 
dem Hegau, hervorruft und wenn fofort in derfelben Gegend, unter 
König Sigmunds befondrer Gunſt, die nachmals zum fhwäbiichen Bund 
erweiterte Geſellſchaft St. Jörgen Banners oder Schilds erfteht '. 

Die Chronik von Zimmern weiß noch Andres über Bobman und 
feine Burgberren zu berichten und eben ihr, die bad Walbmärdien vom 
Tübinger Pfalggrafen (oben ©. 813 ff.) erhalten hat, verbanlt man 
auch ein Märchen vom See, das mit dem verhängnisvolliten Ereignis 
der Hausgefchichte von Bodman in Verbindung gebracht ift. Nach Er 
zäblung der wunderbaren Reifeabenteuer eines Grafen von Bollern 
(Beilage 3a) fährt der Chronikfchreiber fort [Ausgabe von Barad 1, 
©. 281 bis 286. $.]: 

„Roh haben mir ain trümen Schwaben, der auch ain follicher 
landfarer geweſt, nemlich ainer von Bobman, ain ritter, bat ungefar- 
lich zu zeiten des obgemelten graf von Zollern gelept, von deſſen taten 
an ſonders capitel wär zu beſchreiben. Demſelbigen ritter ftarb fein 
weib, und war aine von... hieß... . die bet im geporen brei 
böchtern, waren verheirat, auch ziveen füne, ber ain, Conrad gehaiken, 
war unverheirat, der ander Hanns, berfelbig war über ain viertel jars 
nit alt, wie bie guet fraw ſtarb. Darab name ime ber ritter ain 
folchen unmuet und belummernuß, baß er: im fürfagte, hinweg zu raifen 
und in etlichen jaren nit wiberumb haimzukommen, befalch derhalben 
feine baid füne, auch haus und hofe, dem allmedhtigen got und feiner 
lieben mueter. Damit zoch er darvon in frembde land, in die haiden⸗ 
Schaft, jar und tag, in welcher [4, 68] zeit er wunderbarliche jachen er- 
fuere, auch vil ritterlicher tat begieng. Er ift nach langem uf folcher 
rais in ain große wildnuß fommen meit von aller mentichlichen wonung 
(u achten in denen lendern gegen miternadt, dann bie alten das ußer 
unfleiß nit verzaichnet). Als er fih nun feines leibs und lebens ver- 
wegen, ift er doch letztlich ſeins erachtens [an] ain groß waßer oder 
aim mer kommen, da er kain land mer gefehen. Da hat er feins ver⸗ 
mainens ain mentichen gefunden, ain Heines menble, bad hat ine an- 
geſprochen, mit fich in ain behaufung, mit lauter laub und gras über 
wachſen, gefüert und mit eßen und drinken wolgehalten. Mancherlai 


ı Datt 282 ff. Grätin 3, 384. 447 f. 619. 


420 


wein bat ch im fürgefeht, under anderm aber ain wein, welcher, ba 
in der Hanns von Vodman verſuecht, er geſprochen, jo er dahaim zu 
Bodman, fo welt er fprecden, es were wein von feinen reben ober 
feinem gewechs, darauf das menble gejagt, ja, es feie beö weins und 
gewechs von Bobman. Defien hat fich herr Hanns höchlichen verwundert 
und gefragt, wie das müglich, daß er feins weins, der doch nit bei 
beten, in fo verre und frembbe land Fond zuwegen bringen? Da bat 
er im frei befennt, es felbs fei kain natürlicher mentſch, ſonder ber 
Nebel, darumb könnde er der mertails Iendern den wein befommen, und 
was ober wievil weins von dem nebel bin und wider in ben wein 
lendern verberpt, das gang im zu nutz. Dameben bat er ine gelernt, 
jo ex zu ewigen zeiten feine weinreben zue Bodman vor dem nebel und 
haben wolle bebüeten, fo fol er im fleden Podma nimmer wider ben 
nebel leuten laßen (wie dann fonft gemainlichen beichicht, daß man 
morgen® wider den nebel zu leuten pfligt, den zu vertreiben), fo fol 
er vertröft fein, baß feinen reben zu Bobma kain nebel kain fchaben 
niemer ton werde. Das bat im der von Bodma verhaißen, barauf 
fein fie wider von ainandern gefchaiden. Im abſchid hat im das menble 
gejagt, es fei zeit, daß er wider ber haimat zu nehere. Derbalben im 
berr Hanne veriprochen zu folgen und ſich uf die fart zu machen, als 
er au geton. Mitler geit aber und er fich von haus geton und fein 
junge füne dahaimgelaßen, do ift Lorenz Teller geweſt, wie dann be 
ſchicht, wa die katzen ußerm haus, fo raihen die meus. Alfo ba ber 
guet alt here von land, fo kamen die dochtermenner und ſchweger ſampt 
iren mweibern mermald gen Bobma und war alles trauren umb ire 
liebe guete muetter und ſchwiger fchon hind [Schmeller 2, 217: hint 
fein] und vergepen. Inſonderhait fo [4, 69] kamen dahin uf fant Jo 
hanns ſonnenwendi abend, welchs nin jampstage war, herr Hanns von 
Schellenberg, ritter, mit feiner hausfrawen Anna, geborn von Bodma, 
Hainrich von Bluemeneck mit feiner hausfrawen Abelbait, geborn von 
Bodma, und Gottfriden von Krehen ſampt jeinem weib, Caibrinen, von 
Bodma. Dife alle drei waren ſchweſtern und des alten herren Hannſen 
von Bodmans döchtern, Dife warden von item brueber und ſchwager, 
Conraden yon Vodman, erlichen und wol empfangen und gehalten. Sie 
waren danfelbigen abent ganz frölih, wenig bedrachtend ben großen 
unfal, auch ven ellenden erhärmlichen tod, der inen fo nahe under augen 


431 


gieng. Rad) dem nachteßen fiengen fie an zu danzen unb alle kurzweil 
zu haben. Indes facht an ain groß wetter über das fchloß zu kommen 
mit bondern, bligen ganz greufenflid, des ſich doch die obgehörten 
nichts annamen, fondern fortfueren. Alſo erzaigt fich gegen dem abent 
ſpat ain groß wunderzaichen alda, dann es ließen fich ganze feurige 
fuglen und fträl ob dem ſchloß ſichtbarlichen fehen, daß ſolchs bie . 
wachter nit verhalten, fonder den evelleuten anzaigen müeßen, und fie 
waren, die fih nicht® daran ferten, ſonder danzten und ließen fich hieran 
nichts irren. Alfo zu angeender nacht do ließen fich bie feurinen kuglen 
berab und fchlueg der donder mit obgehörten firälen bermaßen in das 
haus, daß gleich das ober ſchloß und geheus aller voller feur, und als 
die alten ſchloͤßer aineft mertaild in bie höche gebawen, nur mit hilzin 
ftegen one alle andere verborgne oder haimliche abgeng verjeben, da 
ware aindmals jammer und große not vorhanden. Es war nit weil, ba 
lange beratfchlagung zu pflegen, dann ba war kain hoffnung ainigs 
bails, dann fo etiwer zu aller höche hinauß bet wellen fpringen, das 
aber ain unmügliche fach alle bedaucht. Derbalben als fie den gewalt 
und ſtraf gotte® augenfcheinlichen ſahen, baten fie gott umb gnad und 
verzeihung und ergaben fich gebultiglichen in den tob, der bald daruf 
volget. Dann die obgenannten vom adel und ire weiber verbronnen 
zu eichen fampt dem fchloß, dergleichen noch drei frawen; die ain bie 
Abelhait, war des jungen von Podmans, der noch in ber wiegen lag, 
faugamma; die ander zwo, die ain hieß Lucia, die ander Anna, diſe 
alle verbronnen fampt dem fchloß. In allem jammer aber und mord⸗ 
lichen geſchrai, wie wol zu gedenken, do bat die ſaugamma Adelhait ben 
jungen Hannſen von Bobma in wil mwinblen und lumpen eingewidlet 
und in ain [4, 70] großen erinen bafen, ber ungeferd damals obın im 
Ihloß an der band geiwefen, geftedt und als ir das feur ganz nahend 
fommen, bat fie den gueten jungen im hafen in gottes bes allmechtigen 
und unfer lieben frawen namen zum laden hinauß geworfen, unb 
wiewol es ain große höche, nochdann ift ber jung im hafen wunderbar: 
lichen faloirt worden und darvon kommen. Dann er ift gleich von ben 
nachpurn und feinen verwandten erzogen worden, da man ime ußer er« 
bermde alle treive bewiſen, und ift damals aller ſtamm beren von Bobma 
uf bifem jungen geftanden, dann von dem alten niemands gemwift, ob 
er lebendig feie ober tobt. Dife gefchicht ift befcheben an ainem ſamps⸗ 


422 
tag S. Johanns des teuferd abent fpat gegen der nacht im jar, alö 
man zalt 1307. Unlangs hernach diſer erbermlichen gefchicht bo iſt der 
alt herz Hanns von Bobman wider zu land kommen, iebod am erften 
gen Salmensweiler ind clofter, dieweil ex und feine vorfarn ire be 
grebtnuß allda gehabt, zudem ime ber apt auch fonberlichen wol bekannt 
war. Es bebielt in der apt ain tag etliche bei im, daß er in nit haim 
lagen wollt. Wie er aber Ienger nit pleiben [wollt], do nam er ine 
uf ain ort, fagt ime alle ergangne gefchicht mit beßten glimpfen, bat 
in darbei, daß er folches alles gott befelden und dem allmechtigen 
danken [folle], daß er feinem jungen fone jo munberbarlichen mit bem 
leben darvon het geholfen, mit teiteren worten herzu dienſtlich. Der 
alt herr Hanns vernam diſe geſchicht mit großem unmuet, verfuegt fi 
darauf haim und als er alles nad) notturft erfunbiget, do name er 
fein jungen fon zu fi, ven erzog er fürter mil allen tremen und von 
demfelbigen Hannſen von Bodman fein alle von Bobman, fo no in 
leben, ablommen. Man zaigt noch heutigs tags uf Bobman ben erin 
bafen, darin der jung zum fchloß iſt hinaußgeworfen worden, ber wurt 
zu eiviger gedechtnuß allva behalten. Der alt herr Hanns von Bodma 
bat das verbronnen ſchloß nit mer pawen wellen, fonder hat ben berg 
mit etlichen venten und gülten unfer lieben frawen geſchenkt und ge 
aignet, auch das alles dem abt von Salmensweiler und dem clofter 
übergeben, damit etlich fratres daſelbſt ewiglich erhalten werben, bie 
den gotsdienſt ieben follen. Das hat der abt angenommen, ain Firchen 
in ber er unfer lieben frawen fampt ainer behaufung darzu erbatven 
und fein ſtetigs zwen conventual alba, wurt unfer lieben framwen bexg 
genennt. Nach foldem hat herr Hanns von Bodman das ſchloß, fo 
iezo auch Bodma wurt genennt, [4, 71] erbawen uf den perg, da ed iezo 
fteet, und darin ain ganze übergülte ftuben gemadt, aller brauncirt 
und von der zeit an bo bat man dem nebel nimmermer zu Bodma 
geleut, wurt auch noch alfo gehalten. Man waift auch dargegen, baß 
der nebel von unverbenklidhen jaren dem wein oder den reben allda Fain 
ſchaden nie geton hat. Man fagt auch, es hab fich der alt herr Hanna mit 
feinem fone, ala der erwachfen, verglichen. daß binfüro alle des ftammens 
von Bobman mansperfonen follen Hanns genempt werten, wie das bei 
unfern zeiten noch gehalten wurt. ... Ich hab von glaubhaftigen leuten 
mermals gehört, Daß noch zu unfern zeiten, da ain groß metter zu 


423 


Bobman fich erzaig, feurine liechtle und kuglen uf ben zinnen, turnen 
und bechren fich ſehen laßen, und fo das beichicht, haben fie ußer ber 
deglichen und vilfeltigen erfarnuß barfür, das wetter thue kain ſchaden und 
bab nur [nun?] fain not mer; zu achten, folche Tiechtle feien inen zu ainer 
gedechtnuß und zu ainer ficherhait künftigs brands gegeben, wie dann ber 
regenbog gemainem mentſchlichen geſchlecht ain zaichen ift des bunbs und: 
daß die welt mit Fainer fünbfluet mer fol geftraft werben ober zergeen 1.“ 

Auf fehr abweichende Weife bringt das fchweizeriihe Heldenbuch von 
1624 den Schlokbrand von Bobman mit der Nebelfage jufammen : | 

„Umb das Jahr Shrifti ein taufent drei hundert und achte lebte 
Johann von Pobmen, des uralten adelichen Geſchlechts am Bodenſee, 
welcher in feiner Jugend ganz wunderlich bei bem Leben erhalten worden, 
fo fich alfo zugetragen. Es kame ein Schwarzlünftler und fahrender 
Schüler an diefes Ort, welcher dem Herren zugefagt und verſprochen, 
ex wölle durch fein Kunft zumegen bringen, daß forthin in derfeiben 
Gegne, umb den Bodenſee herumb, kein Näbel ober Rif den Wein: 
seben mehr Schaden bringen folle, welches man ime dann aus vorgeben. 
den Thaten geglaubt und große Frewd gehalten. Als nun das ganze 
Hausgeſind mit [4, 72] fampt den Junkperen frölich getanzet, fchluge 
unverfehen ein fewriger Etraal in das Schloß, alfo daß es an allen 
Drten anfieng zu brennen. Dafelbften feind fiben Edelmänner mit fampt 
dem Hausgefind, Knechten und Mägden, jämmerlich zu grund gangen. 
Zu diefer Stund erbarmet fi die Seugamm gar fehr ihres jungen 
Kind, und weil fie befierö nicht mögen, erwütſchet fie ein eherinen 
Hafen, feht das Kind darein, mache viel Tücher zu ring umb es, das 
mit es mol beveftiget wurde, und warffe es von einem hoben Thurn 
über das Schloß hinaus, da es dann auch bei dem Leben erhalten und 
von dem zulauffenden Voll erlennet und hin getragen worden. Der⸗ 


1 Nachträglich (S. 1516) bemerkt die Chronik: „Alſo befindt fidh in ber 
erfarnug, daß fouft ſolche liechtlin, fo man bie zue zeitem ficht, uff dem techern 
und tumen, was glücklichs und guets bedeuten.“ Es folgen Beifpiele ſolcher 
bedeutſamen Erfcheinungen auf dem Munſterthurme zu Konftang 154... und 1668, 
dann zu Marburg 1566. Bgl. Mythologie 868 f. und 1089 f. (Et. Elms- 
feuer); Fälle ſchlimmer Vocbedeutung bei Br. Grimm, dentfche Sagen 1, 868. 
(Ban vergleiche andy. Gedichte von Guſtav Schwab, vierte Auflage, Stuttgart 
und Tübingen 1851, ©. 421 bis 424. 5] 





424 


geftalten war Johannes allein von biefem Geſchlecht damahlen übe: 
blieben, aud in allen Tugenden tool aufferzogen. So balb er aud 
erwachſen, ift er dem Zeiferlichen Feldläger nachgezogen und [bat] ſich 
dermaßen wol gehalten, daß er zu Ritter geſchlagen worden. Nach dieſem 
kame er wider beimb, erneweret feiner Vorfahren Wohnung und bielte 
ſich vergeftalten loblich, daß ihne menniglich fehr geliebet. Es ſeind 
feine Nachlommen alle von ihme bar Johannes geheißen und ın dem 
Slofier Salmansweiler ebrlih zu der Erben beftattet worden, ba dann 
dieſe Hiftorien an einer Tafel gemalet 1.“ 

Andre Darftelungen halten das Nebelmärden unvermengt mit der 
Geſchichte des Brandes. So zuvörderſt eine handſchriftliche Aufzeichnung 
aus dem 17ten Jahrh. im Hausarchiv zu Bodman 2. Erſt wird hier bas 
Unheil von 1307 und die Stiftung auf dem Syrauenberge mit einigen 
nähern Umftänden gemelbet; als Umgelommene find befonberö genannt 
bie Herten von Schellenberg, Blumened und Hohenkrähen (Eidame bei 
Ritters von Bobman); die Kindsfrau legt den Knaben „in St. Joannis 
nammen” in das eberne Gefäß, daher au Alle dieſes Stammes den 
Namen Johannes fortan behalten haben; die Kapelle des Frauenbergs, zu 
welchem die zwei umliegenden Thäler fammt vielen Zebenten und an 
den Mitteln für Unterhaltung eines Geiftlihen aus Salmansweiler 
geſchenkt wurden, ift durch tägliche Wunder verberrlicht: [4, 73] „darbei 
noch die alte und wahrhafte gefäntnus ©. Othmari, erften abts zue 
Et. Gallen, unter anderen zue erfechen, welche alleinig in der brunſt 
übrig gebliben 9.” Für fich beſtehend folgt hierauf die Nebelfage: 

„Zue difem hat man auß uralten geſchichten, daß ber herr Hanns 
von Bodma, fonften der Landfarer genant *, fo anno . . . geftorben, 
fich von feiner fraw gemablin in entfernte länder begeben, in meinung, 


1 Schweitzeriſch Helbenbäch nm. f. w. Baſel, 1694 ©. 45 f. Darans ſchon 
mitgerheilt in DO. 3. H. Schönhuth® Neuem Führer um den Bodenſee u. |. w. 
tindau 1861, ©. 284 f. 

3 Defignation Waß ih dendwärdiges von denen Herten von Bodma ber- 
mahlen in actis findet. Papier, Solo, 2 Bogen. 

8 Bgl. oben ©. 402. Schönhuth a. a. O., S. 288, bemerkt die im Gteim 
gehawene Aufichrift des Heinen Gewölbs: Vestigium carceris St. Othmari. 

4 Hiezu Randbemerlung von andrer Hand: „mit welchem zue Raummen bau 
Er all jährlich auf vnſer lichen frawen berg zu Bodma aus dem noch verhande- 
nen alten jahrzeit bitechlin alß beuefactor werlejen wärdt.” 


425 


die ganze welt durchzueraifen. Sn der abrais aber bat er feinen gul⸗ 
denen rüng von der hand genommen, ſolchen entzwai gebrochen und bas 
aine ſtuck gedacht feiner fraw gemahl zue dem ende, daß, wan er nad 
langen jaren widerumben nacher haus kommen möchte, es ain Tenzaichen 
feiner perſon fein folle, gegeben; den andern halben tail aber bat er 
bei ime behalten. Als er nun lange jar ausgebliben und auf dem 
wilden mör von benen wellen in aine infel geworfen worden, alfo daß 
ex nicht mer fort kommen Fönnen, ſondern feines lebend verzweiflet hette, 
iſt ein wildes mänble zue ime kommen, ine feiner traurigfait befraget, 
fo er ime allen verlauf erzoͤlet bat; worauf diefes mäntle ime gefagt, 
es bette feine fraw fi} wiberumben mit ainem andern verheiratet und 
morgigen tags werde fie hochzeit halten; wan er ime weriprechen wolle, 
daß er in feiner berrichaft etwiglichen nicht mer wider die nebel leuten 
laßen wolte (urfachen, weilen er fein befte narung aus dem meinberg, 
wie Herrenftain genant, diſer herrſchaft babe), fo wolle er ine one allen 
feinen ſchaden und nadtail auß bifer gefar erheben und füeren, daß 
er morgen nach der malgeit feiner fraw gemabl beiwonen könde. Nach⸗ 
deme diſer herr won Bodma ein foliches zuegefagt und verfprochen, und 
es noch auf heütigen tag alſo gehalten würdet, als ift diſes mändle 
mit ime zue Bodma den andern tag, ald man bei dem hochzeitmal fich 
luſtig eingefunden, anlommen. Herr von Bodma aber ftellete fih als 
em armer und.begerte, ime ainen trunk zue raichen. Als er jolichen 
erhalten, bat er ainen trunk aus bifem gefchürr geton, in ben überigen 
wein aber mwurfe er den halben tail des guldenen [4, 74] rings, fo er 
mit fih zue ainem kenzaichen genommen, batte, difen trunk ſambt in- 
ligenven halben tail des guldenen rüngs der fraw hodhzeiterin zue prä 
jentieren. Als nun fie diſes gefechen, war fie alfobalden erfchroden, 
befalche gleich, iso den halben gulvenen rüng, fo in irem ſchreibtiſch 
Inge, beizuebringen, fo nun alfobalven mit mänigliches vermunberung, 
was es bebeiten folle, geichehen. Da fie nun baide ſtuck zuefammen 
füegte, [bat fie] iro difen armen zue der malgeit zue füeren befolchen, 
allwo fie ainanvern als liebe ebegemahl begrießet und diſe wunderbar: 
liche gefchicht fonverliche freüden erwecket bat 1.“ 


1 Späterer Beiſatz: „Dißes iſt das einzige Piece, fo von dem Nebel-Lerthen 
handlet, außer deme leine Spur in Actis verhanden.“ 





426 


Damit ftimmen zwei nach neuerlich aus dem Volksmund verbffent: 
lichte Fafſungen der Sage in den Hauptzugen überein, wenn auch ein 
zelnes Eigenthümliche beifügend, Nach der einen (bei E. Meier, Boll 
märchen aus Schwaben, Stuttgart 1852, Rr 61: Das Nebelmännle, 
mundlich aus Engen) kommt der Edelherr vom Überlingerfee, auf feiner 
fiebenjährigen Reife bis ans Ende der Welt, durch weite Wüſte zu 
einer hohen Bauer, die er, um zu erfahren, was dahinter fei, feinen 
zwei Dienern nacheinander erfleigen hilft, fie fpringen aber auf ber 
andern Seite hinab und lehren nicht wieder, denn es ift ber Paradies⸗ 
garten; allein kann er nicht binaufllettern und gelangt hernach zum 
Haufe eineß Leinen Menfchenfreflers, des Nebelmännleins: 

„Nachdem nun das Nebelmännle von dem Here von Bodmann 
erfahren hatte, wie er baber gelommen, fo fprady es zu ihm: „Sch will 
bir nichts zu Leide thun und will dich fogar nod in diefer Nacht zu 
deinem Schlofle führen (denn fonft hält beine Frau morgen mit einem 
Andern Hochzeit), wenn bu mir veriprihft, daß bu künftig das Läuten 
mit ber Nebelglode unterlafien mwillft.” Das veriprach ihm ber Herr 
von Bobmann herzlich gern und darauf nahm ihn das Nebelmännle 
auf feine Schultern und flog mit ihm, fchneller als der Wind, durch 
die Luft und fehte ihn am Morgen richtig vor feinem Schloſſe nieder. 
Wie der Herr von Bomann feine Burg betrat, erlannte ihn Niemand, 
ſelbſt feine Frau nicht. Dieſe reichte ibm Wafchwafler, und nachdem 
es ſich getwafchen, zog er feinen Trauring vom Finger und lieh ihn 
bineinfallen u. |. m. Das Läuten mit der Nehelglode, welches den Nebel 
verfcheuchen follte, ift ſeitdem eingeftellt worden.“ 

[4, 76] Nach der andern mündlichen Überlieferung (bei L. Reich, bie 
Inſel Deinau u. |. w. Karlsruhe 1856, ©. 228 ff.) Ipringen die Diener 
bed wandernden Nitterd von Bobman nicht in ben Parabiedgarten 
binab, fonbern ehren aus dem Heinen Haufe des Nebelmännleins, 
eines graufamen Feindes ber Menfchenlinder, nicht wieder; der Herr 
felbft, der ihnen dahin nachgefolgt, wirb vom Weiblein des Menichen 
frefierd verborgen, jedoch von Lehterem getvittert und muß aus bem 
Kellerloche hervortreten: 

„Aber wie erftaunte ex, als ihn der Alte nicht unfreundlich mit 
Namen begrüßtel „Woher wißt Ihr, wie ich heiße?” fragte verwundert 
der Ritter. „Ich weiß noch mehr,” fagte der Nebelmann, „morgen 


427 


früh wird Eure Bemahlim getraut in der Schloßlapelle zu Bobman; 
die 7 Jahr, die Ihr bedungen habt, find längft verflofien u. |. w. Ich will 
einen Bertrag mit Euch abfchließen;, wit ich bin der Nebelmann vom 
Bodenfee, und die Nebelglode, die jeden Abend in Bobman geläutet 
wirb, fchlägt mich jebesmal bummelnd um den Kopf; wenn Ihr mir 
verfprecht, das leidige Ding für ewige Zeiten in den Bobenfee zu ver. 
fenten, fo will ich Euch noch vor Tagesanbruch in die Heimat ſchaffen.“ 
Der Ritter willigte ein, worauf das Nebelmännlein einen feiner dienſt⸗ 
baren Geifter berief und ihn fragte: „Wie ſchnell bift du?” „Wie der 
Pfeil vom Bogen,“ Iautete die Antwort. „Du bift zu langfam,“ ver« 
feßte der Nebelmann und citierte einen zweiten: „Wie fchnell biſt du?“ 
„So fchnell wie der Wind,“ erhielt er zur Antwort. „Zu langfam, “ 
hieß es und ein britter wurde gerufen, ber auf die Frage, wie Ichnell 
er fei, zur Antwort gab: „So fchnell mie des Menſchen Gedanken.” 
„But,“ verjebte das Nebelmännlein, „vu bift der Nechte, auf mit ihm 
und davon!“ 1, Der Ritter wuſte nicht, mie ihm geſchah. Als er er 
wachte, lag er auf dem Gänsriederſteg bei Bodman. Liebli von der 
Morgenfonne befchienen, glänzte der See und die hohe heimatliche 
Burg; die Glocken riefen zur Kirche. Bei dem Feſtmahle, das der 
Trauung folgte, wird dem fremden, im Schloßhofe ſtehenden PBilgrim 
bereingerufen und ihm ein Ghrenplab angewieſen; die Braut ſelbſt 
fredenzt ihm den üblichen Trunk. Der Ritter läßt feinen Ebring in 
ben Wein fallen und die gute Frau, als fie Befcheib thun will, fieht 
dad Beichen auf des Becher Grunde liegen; fie wird aufmerkſam und 
ertennt in [4, 76] dem Gafte den tobigeglaubten Gemahl, und Alles 
endet in Freude, ber Ritter aber Löft getreulich fein Veriprechen wegen 
bed Nebelglöckleins. Gewöhnlich wird ber Geſchichte im Volksmunde 
durch Berfnüpfung ber fpätern Sage ein tragifches Ende gegeben. Die 
“Frau will den durch lange Jahre und Mühjeligkeiten gealterten Gemahl 
nicht mehr erkennen, worauf biejer des Himmels Strafe und Verderben 
über die Ungetzeue und ihr ganzes Haus heraufbeſchwört. Sogleich 
erfüllt fi) tie Verwünſchung. Ein Wetter zieht am Himmel auf und 
der Strahl entzündet die Burg, in welcher Alle in den Ylammen den 
Zod finden, mit Ausnahme des jüngften Sprößlings eines anweſenden 


1 Bgl. Sn. Edda, Arnam. 1, 154. 162 f. 








428 


Ritters von Bobman, ber durch bie Geifteßgegeniwart der Amme ge 
rettet wird. Noch fol zumeilen bei nieberem Waſſerſtand bie ver 
ſenkte Nebelglode gejehen werben. Das Nebelmännlein aber bat feinen 
Sig im „Löchle“, einer angeblich unergründlichen Tiefe des Sees bei 
Bobman, welcher Fleck bei gröfter Kälte niemals zugefriert. In fiillen 
Nächten fteigt der filberbärtige Alte auf, beirrend bie Schiffleute und 
beſchadigend mit Faltem Reife bie Neben.” 

Auch auf den kleinern, nadbarlichen Federſee ift bie Rebelmäre 
übertragen. Ein Graf von Stadion, der ſchon feit fieben Jahren reift, 
um das irdifche Paradies zu fuchen, bat fih in einem großen Hole 
verirrt und fommt zu der mächtig hohen Mauer, von ber feine beiden 
Knechte hinabipringen, dann zu dem alten Walbweiblein, da? ihn vor 
ihrem Mann, einem Benichenfrefler, verftedt; der Waldmenſch aber 
ftobert ihn auf, redet ihn als Grafen von Stabion an, gibt fi jelbft 
als das Kebelmännlein zu erlennen, will ihn übrigens verfchonen und 
rechtzeitig nach Stabion bringen, wo bie Gräfin am nächſten Morgen 
mit einem Andern Hochzeit halten werde, wenn er veripredhe, fein 
„verbeintes“ (Schmeller 1, 178) Glödlein, das ben Nebelmann nidt 
leiden könne und, fo oft derſelbe dort Übel anrichten wolle, an den 
Kopf ſchlage, in ven See zu werfen; der Graf gibt fein Wort und bes 
Morgens frühe fahren fie im Ru auf einer Nebelwolle nad Stadion, 
wo jener fih durch feinen Stahlring ausweilt, das Nebelglödlein aber 
läßt er in den Federſee verjenten !. 

Es ift dreierlei Inhalt, den die vorftehenben Erzählungen manig- 
fach verbinden ober ſcheiden: die Geſchichte des über Burg und [4, 77] 
Gefchleht von Bodman 1307 ergangenen Unheil und der Rettung des 
jüngften Sprößlings; bie Heimlehrjage; das Nebelmärden. Zum erften 
Gegenſtand, dem Burgbrande, befagt ver, laut Titele, auf Urlunben ges 
grünbete „Salmansweilifche Bienenftod“ (Apiarium Salemitanum, Prag, 
1708. ©. 148 f.), im Jahre 1309 jei durch die Biſchöfe von Eichſtädt 
und Konſtanz die Kapelle auf Unſer⸗Frauen⸗Berg beim Schlofie Bodman 
geiveiht worden, welche furz zuvor der Ritter Sohannes von Bodman 
. zur Ehre Gottes und ber Jungfrau Maria, fowie zum Gebächints aller 


1 Bon Herrn Dr Anton Birlinger nad) der Erzählung eines herungiehenden 
Korbflechters aus Wendelsheim anfgeichrieben. 


429 


deren, die bafelbft auf der älteren Burg durch Blitzſtrahl und Feuers: 
brunft umgelommen, erbaut und mit der Beltimmung dem Klofter 
Salem geichentt babe, daß priefterliche Mönche desſelben dort wohnen 
und Mefle leſen; dieſer erften Schentung haben ſich allmählich andre 
zum befiern Unterhalt foldher Geiftlichen angereibt. Ein fpäterer Ab- 
ſchnitt desjelben Buchs (©. 204 |.) erzählt umſtändlicher den Gewitter: 
brand am Abend vor St. Lamberti 1307, die Rettung des Kindes 
burch die Amme, von der es, beim Hinabwerfen im ehernen Keſſel, 
ber heiligen Dreifaltigleit und dem Täufer Sobannes, deſſen Namen 
ed geführt, empfohlen worden, woher dann aucd alle Nachkommen 
dieſes Stammhalters fortan mit dem erften ober zweiten Namen Johannes 
gebeißen, ferner die Erbauung ber Muttergotteslicche auf der Stelle 
des abgebrannten Schlofles durch ven heimgelommenen Vater und befien 
1832 (9) unter dem Abt Ulrich vollgogene Schenkung an Salmans: 
weiler, wofelbft in ver großen Stiftskirche, gegen ven Chor bin, fortan 
die von Bodman, als beſondre Wohlthäter des Nlofterd, ihre Begräb: 
nisflätte gehabt. Üffenbar liegt der Nachricht von obiger Bergabung 
ein lateinifcher Schenkungsbrief zu Grunde, der einem zu Salem im 
vorigen Jahrhundert gefertigten Urkundenbuch abſchriftlich einverleibt, 
jedoch mit Feiner Jahrzahl verſehen ift; darin urkundet Johann von 
Bodmen, daß er den Grund, auf welchem jein altes Schloß erbaut 
sat (fundum, in quo eastrum meum antiquum in villa Bodmen 
situm extitit et construotum), mit aller Zugehör an Wieſen, Bein: 
gästen, Weiden, Baumgütern, Wäldern und dem. Weiher, deren genaue 
Grenzbeſchreibung ſofort angefügt wird, melches Alles fih in feinem 
freien Eigentbum befunden, dem Dienfte Gottes widme und zu biefem 
Bebuf dem Abt und ber Bemeinichaft des Klofters Salem übergebe, 
mit Beiftimmung bes Biſchofs Gerhard von Konftanz, deſſen Dienft: 
mann er fei (cujus fore dignoscor ministerialis, vgl. ©. 400, Anm. 2), 
daß zwei Briefter aus diefem Klofter neben [4, 78] der auf dem Grunde 
befagten Schlofies erbauten Kapelle (in fundo dieti castri juxta ecele- 
siam seu capellam ibidem constructam) beftändig wohnen und auf 
den Altären derſelben tägliche Meflen leſen follen zum ewigen Gedächtnis 
Gottes und feiner glorreichen Mutter, des h. Otmars, der Märterer, 
Beihtiger und Jungfrauen, auch aller Heiligen Gottes, ſodann bes 
Stifters, feiner Eltern und vorzüglich feiner drei Töchter und ihrer 


430 


Gemahle, fowie feine Sohnes Kunrad, die im dortigen Schloffe durch 
das unvermuthet und zufällig ausgebrochene Teuer Häglid umgelommen 
(mei, parentum meorum et precipue filiarum mearum trium et 
meritorum earumdem a0 Cuonradi, quondam filii mei, qui in eastro 
ejusdem fundi ignis voragine, orti casu inopinato et fortuito, lamen- 
tebiliter perierunt), auch daß fein gleichnamiger Sohn Johannes zu 
Einhaltung und Gutheißung alles Vorſtehenden ſich durch einen leib 
lihen Eid verpflichtet habe; Gerhard, Biſchof von Konftanz. Ulrich, 
Abt von Salem, und Rudolf, Decan der Konflanzer Kirche und Kecter 
der Kirche zu Bobmen, beftätigen all dies unter Anbängung ihrer 
Siegel !. Für die bier fehlende Jahrzahl kann in keinem Falle 1332 
angenommen werden, da Gerhard von Benar nur von 1306 bie 1318 
als Bifchof zu Konſtanz bezeugt iſt (Stälin 3, IX. 115. 158). Sm 
legtern Jahre war freilich der 1307 als Säugling gereitete Johannes, 
welcher die Stiftung beſchworen haben fol, erſt eilfjährig und feiner 
mwunderfamen Erhaltung ift bier nicht erwähnt, wenn nicht eben bie 
feierliche Beiziehung desjelben darauf Bezug bat. Die Echtheit dieſes 
Schriftftüds überhaupt wird befler geprüft werben können, wenn bie 
Mittheilungen aus dem bis zur Müte des 14ten Jahrh. gehenden, per 
gamentenen Chartular von Salem, deffen Urkunvenabfchriften vom 
Anfang des 13ten Jahrh. an immer gleichzeitige find (Mone, Zeit 
ſchrift 1, 315), auf den bier in Betracht kommenden Zeitraum erftredt 
fein werben. In gänzlich unverbächtigen Urkunden begegnet der bod- 
maniſche Name Johannes zuerft 1281, dann 1288, 1293, 1298 und 
1817 (Mone, Zeitſchrift 3, 227 f. 235. 243. 250. 2, 490); mittelft 
letztbemerkter überlaflen ziwei Brüder von Hohenvels ein Beſitzthum zu 
Unterfiggingen dem Stifte Salem auf Bitte des geftrengen Ritters 
Sobannes von Bodmen (ad peticionem strenui viri Johannis de 
Bodmen) und alle zujammen Fönnen den Vergaber bes Frauenbergs 
an basfelbe Klofter betroffen haben. Wenn aber auch der fraglice 
Brief über [4, 79) diefe Schenkung nicht formgültig befteben kann, fo ft 
gleichwohl fein Anhalt ein weiteres Zeugnis dafür, daß die, bei aller 
Verſchiedenheit in Einzelnem, doch im Ganzen einhellige Überlieferung 


! Tom. III Litterarum Archivii Salemitani, ©. 580 fi. (Bibliothel zu 
Überlingen, vgl. Schwab 2, 181.) 


431 


des Ereigniſſes von 1807 allgemein belannt und geglaubt war. Alte 
Gebertzeihen kommen hinzu: ein auf Silbergrund gemaltes Bild, das, 
noch zu Salmansweiler befindlih, die Verunglädten, Inieend und 
betenb, varftellt und welchem fpätere Malereien in der Kapelle bes 
Srauenbergs !, zu Bobman und Mödingen entfprechen fobann ber 
eberne Kefiel, der noch im Herrichafthaufe zu Bodman bewahrt ift, 
früher auch in der Schloßlapelle zu Eöpafingen neben dem Altar auf 
gefiellt war 2. Als er einft in frembe Hände geratben, follen ihn die 
Herren von Bodman um einen’ Bauernhof zurüderlauft haben (Schön: 
huth, Führer u. |. w. ©. 287). 

Die bodmanifche Heimkehrſage ſteht in den meiften ver aufgeführten 
Berichte außer Zufammenbang mit dem Schloßbrand und zeigt in ben: 
felben das vollftändige Gepräge der Gattung, der fie angehört: durch 
übermenfchlichen Beiftand, der mütelft geleifteten Dienftes oder Gelbb⸗ 
nifies erlangt fein muß, trifft aus meitefter Ferne der Tobtgeglaubte 
und nur an befondern Merkzeichen Erkannte plöglih in ber Heimat 
ein, um feine bereitö einem andern Freier beftimmte Frau im Außerften 
Augenblide zurüdzuforbern 8. Her[4, 80 porgerufen durch die Aufgabe, 


1 Apiarium Salemitanam 206: „Es Reben die befagter Maßen verbronnuene 
Perfonen auff einer langen Tafel über alldaſiger Sacriftei-Pforten verzeichnet.” 
Bgl. ob. ©. 424. 

2 Tefignation (&. 424, Anm. 2): „und ift difer uralte hafen in dem marl- 
fleden Bodma [übergefchrieben und wieber ausgefriden: „den ſchloß zue Eipe- 
fingen“) in der Bodman. behaufung, mit der jabrzahl (1807) daranf gefchriben, 
anf heütigen tag zue ſechen.“ Bucelin, Deduct. &. 464: lebeti seneo, qui in 
bodiernam usque diem in Potama videndus asservatur (jam v. in secello 
Bepingensis castelli, juxta altare vieitur) n. f. w. In der Quellenangabe 
desjelben Schriftſtellers, der mit Simon: von Bodman befreundet war, finb auch 
genannt (S. 442): monimenta et picture diverse nnper arcis Bodmennice 
nunc exuste. Ebendort mochten auch die alten Turnierwaffen anfgeellt fein, 
deren barbarifche Zerſtörung durch die Flammen Bucelin beffagt tob. S. 409), 
Unter arz Bodmannica ift ohne Zweifel die Burg Altbodman verflanden und 
ihre Verbrennung in die Beit der ſchwediſchen Kriegsfühnng am Überlingerfee 
(1684) gejegt. Die villa Bodmen war um 1385 in einer Fehde des Herrn 
von Klingenberg mit dem Yon Bodmen durch die Leute des erfiern abgebrammt, 
da8 castrum aber damals nicht mitbetreffen worden (Johannes Bitoduranns 113). 

3 Derartige Sagen find reichlich aufammengeftellt: Mythologie 980; Wolf, 
Beiträge 1, 4 Fi. und Beitihrift 1, 6B fi.; Simrod, Mythologie 219 fi.; 





433 
der überraichenden, munbergleichen Wieberlunft den lebendigſten Aus: 
druck zu geben, bat fi diefe Sagenform verſchiedenen Zeiten und 
Drten angebilvet. Am Bodenſee bewegt ſich in ihr ſchon Die Erzählung 
von Udalrich aus dem erften Viertel des 10ten Jahrh. (E. 396 f.); 
fonft ift von ſchwäbiſchen Beilpielen vorzüglich der edle Möringer, der, 
abermals wie Odyſſeus, ſchlafend auf den Heimatboden verjegt wir, 
durch ein Lieb bes 15ten Jahrh. kundbar geworben (Beilage 3b). Die 
Abweſenheit des Burgheren bei der Verbrennung von Bobman ließ ſich 
damit erflären, daß man eine dort gangbare Wanderfage, wie es in 
der zimmrifchen Chronik gefchieht, auf ihn antvandte. Indem er freilich 
erft nach dem Tode feiner Frau und aus Betrübnis darüber auf bie 
Reife gebt, ift bier der altüblide Abſchluß Binweggefallen. Rur bie 
neueren Aufzeichnungen aus ber Volksſage führen den Wanderer bis 
zur Grenze des Parabiefes, doch ift aud das eine berlömmliche Bezeich⸗ 
nung ungemefiener Weltfahrt 1. Wirklich durfte die eigene Heifefabel 
einem Haufe nicht fehlen, das von Alters ber mweitfahrende Männer 
ausgefandt hat. Im Sabre 1217 gieng Albero von Bobmen über 
Meer, wo er auch geftorben iſt?. Nachmals, 1346, fuhren zwei Rad: 
bar, ein Herr von Bobmen und einer von Hohenvels, ber gegenüber 
liegenben Sängerburg, mit vielen andern Chriften aus, um bad heilige 
Land und fonft überfeeifche Gegenden zu beiuden; in der Faſtenzeit 
selten fie ab und vor Weihnachten famen fie freudig zurüd, nachbem 
fie viele Länder durchwandert und das Grab des Heilands fleißig be 
ſchaut hatien, wozu fie den Eingang von den Saracenen erkaufen 
muften; doch waren fie auch von einem beibnifchen König achtungsvoll 
behandelt und mit anfehnlichen Geſchenken bedacht worden 9. Diefer 


Schambach und Müller, Niederſächſiſche Sagen 889 fi. Menzel, Odin M fi. 
NReöchholz, Schweizerſagen 2, 114 fi.; woramf, abgejehen von den mythologiichen 
Grllärungen, bier verwiefen werben Tann. 

1 So für Aleganders inbifhen Bug und für die Fahrten Grels des Weir 
gereijten (vidförla, Fornald. 8. 3, 666); Mythologie 788, vgl, Brüder Grimm, 
Märkten 8, 6. 45 fi. 

2 Shartular von Salem, in Mones Beitichrift 2, 75: „Iu Ubirlingen 
Albero de Bodemin, filius quondam Alberonis, cum iret. ultra mare, abi 
et mortuus est, dedit nobis a, |. w. anno 1217. 

5 Johannes Bitodurauus a. 1346 (Ausgabe von Wyß ©. 240): In hiis 
etiam temporibus unus dominus de Podmeg et unus dominus de Hohenvels, 


433 


bobmanifche Pilger von 1346 lönnte ben Jahren [4, 81] nad der 1307 
ala Efugling wunderbar gerettete Johannes fein. Mit dem Zunamen 
„ber Zandfarer” warb au ein Hans von Bobma, vermeintlich eben 
der fabelhafte Weltburchreifer, alljährlich auf dem Frauenberg aus dem 
alten Sahrzeitbüchlein ala MWohlthäter verlefen (S. 424, Anm. 4). Sonft 
aber gebt unter dem Namen „LZanbftörzer“ (ogl. Schmeller 3, 659 f.) 
derjenige Hans von Bobmen, der, als Streiter wider die Türken in ben 
Jahren 1392 und 1396, zuvor beſprochen worden und über deſſen 
weite Wanderungen, nach Bucelin, vormals ein ganzer Band auöge- 
gangen war, der viel Merfwürbiges auf die Nachwelt bringen follte, 
doch leider nun für Geſchichte und Sagenkunde verloren zu fein fcheint '. 
Auch aus der Zeit dieſer Türkenkriege wird von wunderbarer Heimfunft 


cum multis aliis Christicolis tranefretantes ad visitandam terram sanctam 
et alias transımarinas, a quodam rege pagano reverenter tractati sunt 
et muneribus insignibus honorati sunt. Hii in quadragesima de domi- 
bus et de patria sus abeuntes ante natales Christi domum reversi sunt 
ovantes, multis terris peragratie Christique sepulcro diligenter perspecto, 
prins tamen pluribus florenis persolutie Sarracenis, qui eos ab ipeis 
extorserunt, antequam eis indulgerent introitum ad ipsum. Ich nehme 
dominas de Podmeg für gleichbedeutend mit vorhergehenden (zum J. 13835, 
Wyyß 113) dominus de Bodmen. Wollte man an Bobnegg (Weiler bei Ra⸗ 
vensburg, vgl Mone, Beitfchrift 8, 318 fi.) denken, fo würde das auch nicht 
genau flimmen und von Bodnegg ift Fein Adelsgeſchlecht nachgewielen. Da 
gegen werben die ritterlichen Nachbarn von Bodman und von Hohenvels m 
Urkunden von 1226 bis 1317 gäng und gäbe zufammen genannt (Mone, Zeit 
ſchrift 2, 487 f. 490, vgl. ob. ©. 430; 4, 246 f.). Auch in andern Fällen 
MR bei Johannes VBitoduranıs die Namenfchreibung nicht gleihmäßig und 
fehlerfrei, 3. B. Lindaudie, Lindaugia; lacus Bodanicus, Botannicas, Po 
tamicus, Potanicus, Potannicus, Bodmensis, Podmensis. 

1 Bucelin I. c. ©. 460: Johannes, dominus de Podman, Alten ei 
Hohen Bodman, tota Europa longe spectatissimus, eum circumquaque, 
quants quanta est, multoties perlustrevit, diversissimorum regum ac 
principum aulas frequentavit, ubique aceeptissimus, heroici ingenii speci- 
mina dedit et Teutonicis familiis magnam suctoritatem conciliavit, Viatoris 
etiam vulgo cognomine appellatus, ab aliis „der l.andtstärtzer“ dictus, de 
eujus peregrinationibus olim passim totam volumen prodiit multaque 
curiosa posteritati commendavit. Is denique aulam cmsaris consectatus, 
in ea se quoque probavit, a nemine non honoratus, haud sine maximo 
et aulicoram et sus familie luctu Vienne morte abreptas atque ibidem 
tumulatus est. 

uUplaud, Schriften. VII. 28 





434 





— 


gefagt: einer der frangöftichen Ritter, die, gleich dem von Bobman, bei 
Nikopolis in Gefangenfchaft fielen, der Herr von Bacqueville in ber 
Normandie, war, nad) fiebenjähriger Knechtſchaft und fchon zur Töbtung 
beftimmt, unter Obhut des h. Yulians, dem er eine Kapelle zu fliften 
gelobt hatte, über Nacht fchlafend in den Walb bei feinem Schloſſe 
niedergelegt worben und konnte fi) gerade noch feiner Gattin, deren 
MWiedervermählung am Morgen bevorſtand, mittelft des halben Gold⸗ 
rings zu erlennen geben, Alles bezeugt durch zwei Gemälbe in ber 
Kirche zu Bacqueville; wie Hans von Bodman die St.» Georgenfahne, 
trug der normannifche Ritter, feit 1414, das Banner von Frank⸗ 
[4, 82]veih, die Oriflanıme, vor und fiel unter ihr in der Schlacht 
von Azincourt!. 

Eigenthümlich der Heimkchrfage von Bodman ift das märchenhafte 
Nebelmännlein. Am Bodenſee kannte man von jeher geifterhafte Weſen, 
die in Luft und Waſſer malteten. Unter den Trümmern ver ratiſchen 
Römerſtadt Brigantium hatten die irifchen Mönche Columba und ſein 
Schüler Gallus die Kirche der h. Aurelia, nach Auswerfung der in ihr 
verehrten drei ehernen Götzenbilder, neu eingeweiht und fich mit ihrer 
Brüderfchaft dort angefiebelt. Als nun Gallus einmal in ftiller Nacht 
feine Fiſchnetze in den See legte, vernahm er das laute Geſpräch eines 
Geiftes von ber Bergfpige mit feinem Genofien (pari suo) in der See 
tiefe.” Jener, der Berggeift (deemon montanus), den bie Fremden 
aus dem Tempel getvorfen, ruft ven andern um Beiftand an zur Ber 
treibung derjelben, der Meergeift (deemon marinus) beilagt fi, daß 
er den Garnen der Fiſchenden nicht zu ſchaden nermöge. Beiden ge 
bietet Gallus, ſich überall bekreuzend, von diefem Orte zu meichen, 
meldet eilig, was er gehört, dem Abte und diefer verfammelt, dur 
Anſchlagen dee gewohnten Zeichens (solitum signum tangens) die 
Brüder in der Kirche. Ebenfo, als Gallus nachher von Arbon aus 
in bie Wildnis an der Steinach fein Netz trägt, muß er mit feinem 
Gefährten zwei meibliche Geifter, die an einem Strubel des Fluſſes 
zum Bade bereit fcheinen, ind Gebirg vermeifen, von wo ihre Stimmen, 
wie bie zweier Klageweiber, erfchallen, namentlid hört man Rufe vom 


1 Amelie Bosguet, Ja Normandie romanesque u. |. w. Paris 1846, 
©. 465 bis 470. 


435 


Himmelberg (de monte, qui dieitur Himilinbere) !. Es geſchah im 
Namen des Heilands, daß der Glaubensbote den ungeftümen Geiftern 
bes Gebirgs und des Sees abzuziehen befahl, alfo im Namen befien, 
der ſelbſt, nach den Evangelien, den Wind und das Meer bebräut, 
dem Wind und der Woge des Waſſers Stille geboten hatte. Dem kirch⸗ 
lichen Mittelalter gehören bie Götterweſen des verbrängten Heidenthums 
inögemein zum Reiche des Teufels und feiner Sippfchaft, gleichwohl 
verläugnen bie vom b. Gallus beichworenen Dämone keineswegs ihre 
Heimat; die nächtliche Zwieſprache des Berggeiſts ınit dem Meergeift ift 
eben dort an der Stelle, wo in der Seebucht von Bregenz ein Halbkreis 
hoher Waldberge ſich abichatte. Sonft [4, 88) gibt es auch Wetter 
fegen, in denen noch beutiche Namen der Hagel» und Sturmgeifter, 
Mermeut und Faſolt, verlauten (Mythologie, Ite Ausgabe, Anhang 
CXXXI f.). Mermeut, obſchon mit feinen Gefellen ald Herr bes 
Wetter (qui poeitus es super tempestatem) zur Abiwendung von 
Hagel und Schlagregen beichworen, fcheint doch dem Namen nad zur 
‚gleich im Waffer zu grollen (Mythologie 603), aus dem ja bie Wetter 
wolke auffteigt (vgl. Mythologie 564. 1041 f.) und das hinwider vom 
Sturme beivegt wird; die Beſchwörungsformel fteht in ciner Handſchrift 
des 11tem Jahrh. aus St. Pirmins Klofter am Tegernjee. Selbft im 
f. 9. Börterbude des h. Gallus ift ein perfönliher Name des Wollen» 
geifts entbedt worden, Ecrämunc, Einer vom Gefchlechte des Regens 
und Hagels2 Solchen Unholden gegenüber bewahrt ein Heiliger vom 
Bregenzer See und Walde, aus dem exften Viertel des 12ten Jahrh., 
PMerbot, pas Haferfeld einer Witwe durch fein Einfchreiten vor Hagel 
Ihlag ®. In der frommen Anftevlung Columbas und des h. Gallus 


1 Vita 8. Galli, Monumente Germanis 2, 7 ff. Bgl. die Über 
arbeitung dur Walafrid Strabo, Gap. 7. 12, bei Goldaſt 1, 150 f. 153. My 
thologie 466 f. Neugart Nr 866, a. 1155: ad flumen Stainaha ... ad 
montem Himelbereh (mons calius, Mönzeln). 

28. Badernagel, Wörterbuch zum Leſebuch S. CCCOLXVI und in der 
Beitfchrift für dentſches Alterthum 6, 290 f. (vgl. Ebd. Geſchichte der beutichen 
Litteratur 36). Die hauptjächlichen Belege, welche bier geltend gemacht werben, 
fiud: Vocabular. S. Galli (Xejebuch 80, 82. SHattemer 1, 14 b): nubus 
seronunc; Wigamur 1289, nach Wadernagels Berichtigung: [day ung] fein 
regen verſchraͤte; Schmeller 8, 502: „ſchräen, hageln“. 

8 Acta 55. Bolland. Eept. 8, 890a: Cuidam vidum sus avena per 


436 


biltete Gebetruf und Lobgefang ben Gegenfat zu dem mwilben Gebenl 
der über die Berggipfel abziehenden Dämone, das Glockenzeichen biente 
nur erſt, die Brüberfchaft in ber Kicche zu verfammeln. Epäter wurde, 
neben der Beſchwörung mit Evangelium und Eacräment, das Wetter: 
läuten ein übliches Mittel, den mit Donner und Hagelwolken in ver 
Luft fahrenden Teufel abzutreiben 1. In Überlingen war das Einftellen 
aller Tänze, bei Tag und Nacht, ftreng geboten, wann man „dem Better 
läute“?. So [4, 84] erjcheint nun auch das Nebelläuten im benadı 
barten Bodman als eine firchliche Bannung und Beſegnung; die Klänge 
der getauften Glode ſollen dem böfen Feinde mehren, daß er nicht mitielft 
der aus dem See aufgetriebenen Froſtnebel die Reben ſchädige?. Nach 
dem ſchweizeriſchen Heldenbuch follte das Gleiche durch die ſchwarze Kunſt 
eines fahrenden Schülers bewirkt werben, aber dieſer frevelbafte Zauber 
rief den rächenden Wetterſtrahl herab (S. 423). Denn wie man von 
beibnifcher Zeit her an ein berenhaftes Wettermachen glaubte ®, fo gab 


intercessionem $. Merbodi a grandine preservatur, Über viefen Heiligen 
gl. Bergmann in den Wiener Jahrbüchern der Litteratur Band 118, Anzeige 
Blatt ©. 4 f. 34. 

1 Bgl. Aug. Stöber, zur Geſchichte des Bolksaberglaubens aus Dr Joh. 
Geilers von Kaifersberg Emeis. Bafel 1866, S. 66 f. Über den Glockenhaß 
dämonifcher Weien: Brüder Grimm, Srifche Eifenmärden XCIV. Mythologie 
1039 f. Zn einer Handſchrift des 15ten Jahrh. ans Salmankiweiler ſpricht 
die Blode: est mea cunctorum terror vox demoniorum (Ünzeiger 2, 192) 

2 Zac. Reutlingers biftorifche Collectaneen von Überlingen, handſchriftlich 
anf dortiger Bibliothek, Band 11 (1580), Blatt 785 (unter den Räbdtrfchen 
Ordnungen): „Wann man aber dem wetter Ifitet, das fei tag ober macht, als- 
dann füllen alle tänz, die jeien erloupt oder hodhzeittänz, vermitten bleiben 
and mit mer getanzet ober zu tün geftattet werden, ouc bi bäß j lib. dn.“ 
Dieb erinnert an das vermeflene Tanzen im Gewitter auf dem älteren Schloſſe 
ven Bodman. 

3 Rach beiberlei Seiten wirfjam war eine Glode zu Nüdlingen (Bechſtein, 
Sagenſchatz des Frankenlandes 1, 247): „fo weit in der Umgegend ihr Schall 
hörbar war, gab e8 weder Fröfte im Winter noch Gewitter im Sommer.” 

4 Mythologie 1040 fi. Altnordiſcher Nebelzanber: die Nebellievder (boku- 
visur) Xhorleifs Jarlaſtalds, bei deren Vortrag die Halle fidh verfinferte 
(b& var myrkt 1 höllinni u. f. w. minkadi myrkrit, Fornm. 8. 8, 97 f.); 
dann der heitnifchgefinnte Eyvind Kelda, der fih und fein Zaubervolf in Nebel 
büllen wollte (giördi Eyvindr heim hulidshielm, vgl. Mythologie 432. 
Ev. Egilsjon 412, ok bokumyrkr sv& mikit, at konungr ok lid hans 


437 


es, neben ber Beſchwörung durch die Kirche, auch undriftlihe und 
trügeriiche Segenſprüche gegen das Wetter 1. 

Jener kirchliche Brauch des Nebelläutens wurde zum Anlaß einer 
heiteven Märchendichtung. Der Nebel unterhandelt leibhaftig mit dem 
Herrn von Bodman über Glodenflang und Weinreben. Auch anders 
wärts ift diefelbe Lufterfcheinung in freiem Spiele der Einbildungskraft 
perfönlich geftaltet worden, mehr ober minder mit geſpenſtiſchem Hinter: 
grund. Das altnorbiiche Räthjellied, in der Saga von Herbör und 
Heidrek, fragt: „Wer ift der Yinftre, der über die Erbe fährt? Waller 
und Wald verichlingt er, fürchtet vor dem Winde fi, vor Männern 
nicht, und liegt mit der Sonn’ im Streite;“ worauf bie Antwort: „Der 
finftre Nebel fteigt auf aus GHmis [ded Meergotts] Sigen und ver- 
fchließt bes Himmels Anblick, ex bämpft den Glanz der Gefpielin Dvalins 
[der Sonne], flieht allein vor Forniots Sohne“ [Käri, Beherrſcher der 
Winde, der Wind felbft] ?. [4, 85] Obgleich in dieſer Antwort dichterifche 
Bezeichnungen aus der Götterlehre gebraucht werben, liegt boch hier 
fein Mythus vom Nebel vor und mit der ausgejprochenen Löſung bes 
Räthſels, eines der beften in der Reihe, ſchwindet die ſcheinbare Ber: 
fönlichfeit des finftern Ungenannten 3. Nebelbilver laſſen ſich aud in 
den Fahrten eines geifterhaften Reiters erkennen, der, ſchwäbiſche Wal: 
und Wielenthäler entlang, dem Laufe des Waflers folgend und durch 
biefed hinrauſchend, gewöhnlich Abends, bie Begegnenven verwirrend 
und in die Irre treibend, in den Mantel gebüllt, auf feinem großen, 
skyldi eigi mega sid hä u. |. w. bokumyrkvi sd, er hann hafdi giört 
med Gölkyngi u. |. wm. Fornm. $. 2, 141. Bgl. Fornald. 8. 1,5. Gull- 
Pöris S. Gap. 17), 

1 Bom Wetterfegen auch eines fahrenden Schülers aus dem 14tem Jahrh. 
handelt Beilage 4. Joh. Bitoduranus berichtet zum Jahr 1347 (Wyß 241) 
von einem Schwarztünftler (nigromanticus) zu Dornbüren, zwiſchen Bregenz 
und Hohenems, der, unter andrem Blendwert, das Haus, worin er ſich ver. 


borgen hielt, als ein goldenes erjcheinen ließ. 

2 Fornaid. S. 1, 474 f. vgl. 533. Peterſens Ausgabe der Hervar. Saga 87. 
[Schriften 7, S. 134 f. H.) 

3 Doch beachtet der Errathende jogar noch das perjünlide adj. masc. sd 
enn mörkvi der Aufgabe, indem er nicht mit dem eigentlichiien Worte, subet 
fem. boka (nebula), fondern mit dem finnverwanbten subst. masc. mörkvinn 
(ohne Art. mörkvi, caligo) antwortet (vgl. S. 436 f., Anın. 4: Pokumyrkr n., 
bokumyrkvi ın.). 


438 


weisen Roffe ab und auf jagt, als ob er flöge (Barhreiter, Schimmel- 
reiter, E. Meiers deutſche Sagen aus Schwaben Nr 114. 118); er 
bat basfelbe fih aus dem Meere geholt, vor Sonnenaufgang ftieg der 
berrlihe Schimmel daraus bervor, Tieß fi) vom Reiter an ben Ohren 
faflen und ihn auffigen, trug ihn, ohne Eattel und Baum, wohin er 
wollte, mit bieſem vortreffliden Pferbe lann er in ver Luft, wie auf 
der Erde und dem Waſſer reiten . Das berührt ſich mit ber alt 
nordiigen Räthſeldichtung vom Nebel, der über die Erde fährt, den 
Sitzen des Meergotts entfliegen. Als elbifches Weſen ſpukt das alte, 
ungeftalte Nebelmännlein, unter dieſem Namen, auch auf ber Stutzalp 
in Graubünden; wann regenfchauernde, froftig graue Wollen nieder⸗ 
bangen, gleitet es leifen Schritt auf der Alpe umber, mitten am Tage 
bei den Herden, im fpäten Abenddunkel und in fehneeiger Nacht bei 
den Hütten, in altertbümlich ſeltſamer Landestracht, breitrandigem 
Hute, Holzſchuhen und weiter, nebelweißer Jade?. Zwar gilt es jegt 
für den rubelofen Geiſt eines [4, 86] ungerechten Hirten, der den Kühen 
das Salz nicht gleich zugewogen hat und nun vergeblich ihnen die Hände 
zum Leden binftredt, um dadurch erlöjt zu merden, aber dieſe lehr⸗ 
bafte Wendung jet doch den ſchon beſtehenden Bollöglauben an un: 
heimliche Nebelgeipenfter voraus, zu deren einem der böje Hirte ver⸗ 


1 Meier, Nr 124, 8. Die Bollsfage nennt zwar hier den „Ranzen- 
puffer“, einen nedifchen Waldkobold des Schönbuchs, aber die Erſcheinung iſt 
unvertennbar die des Schimmelreiters (fo auch jhon Nr 124, 3 an der Blau- 
lach, wie im Fortgange von Nr 124, 8). Überhaupt vermengen ſich die ver- 
jchiedenartigen Gefichte und jo muß auch der Nebelreiter den Kopf unterm Arme 
tragen, durch Verwechslung mit den reitenden Kampftubten, namentlid im 
Wnotesheere. Nächtlihe Epufgeftatten mander Art und Bebentung haben 
weiße Yarbe, bie auch im Finſtern ſchimmert. Mad Monnier, Traditions 
populaires. Paris 1854, ©. 94 f., weidet um die Quellen der Geine, im 
Sara, zur Etunde ter Morgendämmerung ei weißes Roſs und ſchwebt won ba 
in rafhem Fluge zum Gipfel des Berges auf (le cheval blane de Foncine, 
le cheval volant). 

3 Flugi, Bollsfagen aus Graubünden, Chur und Leipzig 1848, ©. 86 fi. 
Bernaleten, Alpenfagen S. 78. Nebelmann nennt ſich and eine nächtliche 
Erſcheinung bei B. Baader, Bollefagen aus dem Lande Baden, Karlarnde 
1851, Nr 71. Nievelmännden an der Maas, die bei Tag fchlafen und bei 
Nacht wachen, in J. W. Wolfs deutfhen Märchen un? Eagen, Leipzig 1845, 
Mr 72. 


439 


wünfcht werben konnte 1. Der Name, der Zufammenbang mit Wetter 
und Wolle, die nebelbaft verhüllende Tracht, laſſen keinen Zweifel über 
bie eigentliche Bebeutung bed dämmrigen Alpengängers; breitlrämpiger 
Hut, wie ihn Bauern und Wanderer tragen, weite, übergeiworfene 
Autte, find in Geſchichten und Sagen berfömmliches Mittel, fih un 
kenntlich und unfichtig zu machen, darum auch bier zu finnbilblicher 
Ausftattung des Nebelalbs geeignet. Selbſtbewuſt und mit bürren 
Borten erllärt dad Männlein der Bobmanfage, „es fei kein natür 
licher Menſch, fondern der Nebel;“ während aber das graubünbifche 
auf den Bergen fchmweift, bat jenes fein Weſen an ven Waflern. Nach 
ben älteren Aufzeichnungen begegnet dasſelbe dem Reiſenden, als er 
„auf dem wilden Meer von denen Wellen in eine Inſel geworfen 
worden” (6. 425), oder nachdem er „an ein groß Wafler oder Meer 
fommen, da er Fein Land mehr geſehen“ (S. 419), und der Chronik; 
fchreiber denkt fi) dabei, ganz angemeflen, die Länder „gegen Mitter 
nacht“ 8. Zu beachten iſt gleihwohl, daß die [4, 87] noch gangbare 


1 Gaͤnzlich ohne Bezug auf das Nebelmännden muß ein ungeirener Hirte 
geiftweiß umgehen bei Rochholz, Schweizerfagen 1, 117. 

2 Johannes PBitoduranus (Wyß 119) erzählt zum Jahr 1336 die Ber- 
mummungen, woburd ein Kriegämann und Feind der NRotweiler, Seduloch, 
auf defien Beifahung fie einen Preis geſetzt hatten, fie zu täuſchen wufte (&hn- 


- dh den Streichen bes Mönchs Eufladh), namentlich wie er in Bauernfleidung, 


mit weitoorgebenhem Hute, umerlannt ihnen entlam: veste insuper coloni 
sibi obviantis indutus, scilicet pileo longe pretenso rusticali, ut minus 
agnoscerelur, et amicabiliter salutatus, illesus effugit. Altnordiſch begegnet 
vielfach der breite, daß Geſicht verbedende Hut; ſich unkenntlich halten heißt in 
ſtaldiſchem Ausprud: den Hut der Verhüllung umthun (felda huldar hetti, 
Sy. Egilsfon 412 a. 152a, vgl. &. 486, Anm. 4: hulidshialm ok Pokumyrkr). 
Vie es nun die mythiſche Perſonenbildung mit fi ‚bringt, daß die Formen 
menfchlichen Lebens und Treibens auch auf die Götter angewandt werben, er- 
fein: Odin feibft, wo er nicht erlannt fein will, im Mantel (hekla) und 
ut dem breiten Hute (med stdum hetti), daher feiner vielen Namen einer 
„Breithut” Iautet (Stdhötir, Mythologie 133), 

8 Auch das Stammlanb der Ribelunge, Ablömmlinge bes Nebels, wird 
in den hohen Norden, die Mark von Rorwege, verlegt (Wibelungen 682, nad 
und B) und von dort fommt auch der unſichtbarmachende Mantel, die „tarıt« 
Tappe*, gleichartig der „nebellappe* Mabelgers, des Sohnes einer Meerminne 
(Morolt 8920 fj., vgl. Wolfdietrich, Handſchrift der Piariften Str. 691. 64, 
im gedbrudten Helbenbuch von 1509, Blatt I 5b; Hürnen Geifrid Str. 89). 


AAO 


Volksſage dem Nebelmännlein feine Wohnung in einer unergrüänblichen, 
niemals zufrierenden Seeftelle bei Bodman anweiſt (6. 428). Hiernach 
fonnte mit ihm ber Herr von Bodman auch am heimiſchen See den 
Vertrag abfchließen, vermöge deſſen einerjeits die Nebelglode nicht mehr 
geläutet, anderfeits das Rebland nicht mehr befchäbigt werben jollte. 
Noch Weiteres deutet darauf, daß diefes Nebelmännlein nicht urfprüng: 
ih zur Heimlehrjage gehört habe; nicht bloß bringt es in diefelbe einen 
fremdartigen Beiſatz ſcherzhafter Laune, fondern es ftört auch die Ein: 
beit der Handlung, indem es die Aufmerkfamleit vorwiegend auf ſich 
lenkt und die Sorge bes Ritters zwilchen feiner zurüdgelafienen &e 
mablin und feinen Weinreben theilt. Dennoch ift es nicht ohne ge: 
eigneten Anlaß ins Mittel gezogen. Snimer muß e3 ein Gott oder ein 
Dämon, ein Heiliger oder ein Schwarzlünftler fein, der die wunderbare 
Heimfahrt bemwerfftelligt; dieſes Geſchäft ift bier dem Nebelmännlein 
aufgegeben und wirtlich findet vie überrafchende Wiederkunft des ferne 
Berfchollenen darin einen dichterifchen Ausdruck, daß derſelbe, vom 
flüchtigen Nebelzuge weither über Land und Meer getragen, plötzlich 
aus der umhüllenden Wolle hervortritt 1. 

Es find Kunden manigfacher Art und verfchiedener Zeit, die in 
Bodman ihren Anhalt haben und der Reihe nach vorübergeführt wurben, 
fie betreffen Gefchichte, Rechtsaltertbümer, geiftliche und weltliche Sage, 
Märchenwelt. Einzelne Fäben laufen wohl von der einen zur andern, 
Gefchichtichreiber und Genealogen haben fih an größeren Zufammen: 
hängen verfucht und auch die volksmäßige Überlieferung bat ſich hierin 
gefallen, aber bei eingehender Unterſuchung muſte mehr wieder getrennt 
werben, als daß fich ein durchgreifender, innerer Sagenverband hätte 
berftellen laſſen. Zu ſchließlichem Überblide wird daher das Beiprochene 
am beften örtlih, im Landſchaftsbilde, zufammengefaßt werden. Den 
Standpunkt hiezu bieten die hochragenden Überrefte der Burg Altbobman. 
Am untenliegenden Geftab ift zwar die farolingifche Königäpfalz längft 
und gänzlich verſchwunden, dagegen zeigt fich dort der freundliche Wohn: 
fig des noch blühenden Geſchlechts, von deſſen Borfahren jo Bieles zu 
berichten war. Süpöftlih, nur durch eine Waldſchlucht [4, 88] von Alt- 


I Bgl. Schmeller 2, 670: „In der Nebellappen daherkommen, d. h. plöt⸗ 
Ih, ohne im Kommen bemerft worden zu fein.” 


441 


bodman geſchieden, ſpringt der klöſterliche Frauenberg hervor, wo einſt 
das thurmartige Stammhaus ſich erhob, auf das der verzehrende Blitz⸗ 
ſtrahl niederſchoß, und wo dann zum frommen Gedächtnis der im 
Feuer Umgekommenen, wie auch des h. Dtmars, die ſeitdem neugebaute 
Kapelle geſtiftet wurde. Weſtwärts, in das Hegau, erſtreckt ſich das 
Moos von Walwies, die alte Gerichtsſtätte und das Feld des Kampfes 
um Erneuerung des alemanniſchen Herzogthums. Vor allem aber haftet 
das Auge an dem weitgedehnten See, rauſcht er doch, lauter oder 
leiſer, in die meiſten Sagen herein! An ſeinem Ufer hatte der träu⸗ 
mende Hirte Pipins das wonnevolle Geläut aus unbelannter Ferne 
bernommen; mitten unter feinen aufgeftürmten Wogen ruberten die 
Klofterbrüder mit dem Leichnam ihres Heiligen winbftill dahin; ihn 
durchſtreifte das ftattliche Jagfchiff, mit dem fchallenden Hunnorufe der 
Bemannung; in feine bebrohlichen Froſtnebel hinaus erklang abwehrend 
die Slode von Bobman, zum Berbruffe des Nebelmännleind, das nun- 
mehr unſchädlich in der grundlofen Tiefe hauft. Die Burgtrümmer 
felbft, auf denen ber Ausichauende fteht, umfchlofien einft die „ver: 
güldete Stube“ (5. 4223), in welcher wohl auch, angeficht8 der erftaun- 
lihen Waffenftüde jtreitbarer Ahnen, manches Denkwürdige von Ungern- 
und Türlentriegen, von Sanct Yörgen Fahne, von den Lanbfahrern 
und ihren mwunderfamen Begegniflen abenblid erzählt wurde und zu: 
legt noch, beim Ausftichweine des Königsgartens oder von ben Herzen: 
fteinen, das Nebelmärchen feine Iuftigen Gebilde fpielen ließ. 


Beilagen. 


Beilage 1 (zu Geite 885). 
Bebman. Bobdeniee. 


Den Ortsnamen geben die älteren, Iateinifch verfaßten Urkunden und &e- 
ſchichtbücher in verfchiedener Schreibung und mit römiſchen Biegungen zweierlei 
Geſchlechts: masc. in loeo, qui dicitar Potamus, in palatio regio (Urfunde 
von 879, Reugart Nr 516), ad Potamum, palatio imperiali (Urfunde von 
881, Böhmer, reg. Karol. Rr 981), Otmarus apud villam Potamum palstio 
inelusus est (8. Otm. vita anct, Walafr. 6. 6, Monumenta Germaniz 
2, 43 f.), Potamum ... oppidum (Ekkeh, IV cas. S. Galli, Monumenta 


442 


Germenie 2, 83), in Potamo curte regis publica (Urfunde von 849, Nen- 
gart Nr 329), iu villa Potamo (drei Urkunden von 857, Neugart Mr 366, 
867 und Böhmer Ar 788), in Potamo (Urfunde von 901, Neugart Nr 688), 
in castro Botamo (Anon. Weingart. bei Heß, mon. Guelf, 15), Burcardus, 
miles de Pothamo (Urkunde von 1225, in Mones Zeitſchrift 2, 71), Cuonrado 
de Potamo (ebd. 2, 76); fem. ad. villam regiam, que Bodoma dieitur 
(Prudent. Trec, sunal. a. 839, Monumenta Germanie 1, [4, 89] 433), curtem 
Podomam (Ann, Fuld. a. 887, Monumenta Germanie 1, 404), usque 
Bodomiam (Vita Hludow. imp. €. 61, a. 839, Monumenta Germanie 
2, 645), actum Bodoma, regio palatio (Urkunde von 839, Neugart Rr 292, 
vgl. Dümge, reg. bad. S. 63 f., Böhmer Nr 494), in Potoma (Urkunde 
von 885, Neugart 558), curtis in Podoma (Urkunde von 1155, Nengart 
Rr 868), Uolricus de Bodoma (zum J. 1191, Mones Zeitſchrift 1, 328) 
Alles zufammen weiſt auf ahd. podam (Pl. podamä) m. Grund, Boden; im 
lat. Potamus ift das Geſchlecht des deutſchen Woris erhalten, zur Feminin⸗ 
bifdvung Potama, Bodoma, mögen bie beigefegten oder hinzugedachten fem. 
curtis, villa, gewirkt haben, doch wird andremal felbft neben diefen das masc. 
Potamus gebraucht. Das zu Grund liegende ahd. Wort befand fi vermuth⸗ 
lich, nad gewohnter Weiſe bei Ortenamen, im Dativ: (zua demu, zi) Pe 
dama, (ge) Podamo (Graff 3, 86); damit flimmt in einer Hrfunde von 1262 
ber mhd. Dativ: actum in Bodeme (%. Bader, Markgraf Hermann V, ©. 98), 
und mehrfach aus dem 12ten und 18ten Jahrh. Im Gefchlehtenamen: de Bodeme. 
Frühzeitig ftellt fi) aber auch eine Pluralform hervor: [qui Potamis in nostro 
castro residet, Urkunde vom Iten Mai 896, ſ. S. 396, Anm. 1. ®f.]. actum 
Potamis, curte regia (Urfunde von 912, Neugart Nr 680), vorausſetzend bem 
ahd. Dat. Plur.: (zua dem, zen) Podamum, Bobemon; im 12ten und 18ten 
Jahrh. geläufig: de Bodemen (Urkunde von 1179: de Bodeman, bei Pupi- 
kofer, Regeften des Stiftes Kreuzlingen Nr 16, fonft and de Bodimin, Bo- 
demin), nachher abgekürzt Bodı-en (3. B. Urkunden von 1297, 1298, 1317, 
Mones Zeitſchrift 3, 249 f. 2, 490). In deutichen Schriften aus dem 16ten 
Jahrh. ift noch üblich: von, zue Bodma, abwecjelnd mit Bodman (wie zuvor 
de Bodoma und de Bodeman), jet unrichtig Vodmann. Es war ganz ange 
meſſen, das Uferlond am Fuße des Gebirge, gegenjählich zu letzterem, durch 
ahd. podam, BI. pobamä, zu bezeichnen uud dann auch die dortigen Anfieb- 
Nangen, von ben ländlichen ‚bis zur Königspfalz (Potamico palatio), nad) 
folder Belegenheit im Grund, in den Gründen, zu benennen. (Stalder, 
ſchweizeriſches Idiotikon 1, 196, gibt unter den ortbezeichnenden Verwendungen 
des Wortes Boden hauptſächlich auch diefe: „rund, d. i. ein Thal, eine niebrige 
Gegend im Gegenfate einer höhere, Bödeler, Bödler, einer, ver im Thale 
wohnt, im Gegenſatze eines Bergers, d. i. eines andern, ber anf bem Berge 
wohnt.” Schmeizerifche Gelände, Ortfchaften und Anweſen foldhen Namens 
And: der Urnerboden, das Bödeli zwiſchen Thuner- und Briengerfee, das Bi 
demli im Frickthale, |. Rochholz, Schweizerſagen 1, 148; dann befonders zahl- 


443 


eich innerhalb der Grenzen Eines Kantons bei H. Meyer, die Ortsnamen bes 
Kantons Zürich, Mittheilungen der antiquariſchen Geſellſchaft 6, 82: „im Boden 
12mal, im bodmen, im bödmen, in böden, im bödeli“.) Die Ortslage von Bodman 
ſchildert Zohannes von Winterthur zum Jahre 1335 kurz und anfhaufid: ville 
longe, dicta Bodmen, sita inter lacum Bodmensem ex una parte et excel- 
sum montem ex #lis parte (Joh. Vitodur. chron., Ausgabe von Wyß 113). 

Die nun die an jenem Orte (in loco, qui dicitur Potamns, ad Po- 
tamum, apud villam Potamum) gelegene Pfalz im Latein der Urkunden und 
Zeitbücher ableitungsweife Potamicum palatium genannt wird (Urkunden von 
905, 909, 912, Neugart Ar 653, 668, Böhmer Wr 1241; Annal. alam. a. 
911, Monumenta Germanie 1, 55), ebenfo der denfelben Ort befpülende See 
lacus Podamicus, Potamicus (Ürtunden von 890, 902, 906, Neugart 
Nr 596, 637 und wieder 653; Walafrid Strabo, vita b. Galli, prolog., bei 
Goldaſt 1, 147; Monumenta Germanie 2, 159). Yindet man auch in einer 
um 850 gefjchriebenen Aloftergefchichte unabgeleitet: mare, quod Podomus dicitar 
(Vita Hariolfi, Monumenta Germanie 12, 13), fo lann dies als Aufldiung 
eines zufanı[4, 90)]mengeſetzten ahd. Podamſeo erflärt werden; und werm in fanct- 
galliſchen Diſtichen aus demfelben Jahrh. gefagt if: Rheni vel Potami litus 
(Dümmier, Yormelbuch des Biſchofs Salomo IIl, ©. 80), fo mochte der Klofter- 
ſchule jeder Zufat (lacus, mare) geradezu entbehrlich fcheinen, weil bei podam 
an oranog gedacht wurde, nach ausdrüdliher Bemerkung Walafribs (bei 
Goldaſt 1, 147): Jacui ... qui ... juxta grescam etymologiam Potamicus 
appellatur. In den Urkunden wird niemals der See, ſondern überall nur der 
Ort (locus, curtis, villa) durch Potamus bezeichnet und auch die Vollsſprache 
bat für den See kein einfaches Bodem. Der noch befiebende deutſche Name 
desfelben exjheint, meines Wiffens, zuerf in einer Urkunde von 1087 (Mohr, 
cod. diplom. 1, 189): „nsgue ad lacum Bodinst;“ weiterhin „Bodamsß, 
Podemst.* Die lateiniſchen Zubildungen des ahd. podam für die Benennung 
bes Sees reihen zwar weit in das Hte Zahıl. hinauf, zum Jahr 839 ift aber 
auch fchon des Ortsname „Bodoma“, zugleih mit regio palatio, urkundlich 
nachgewiefen worden und ſchon in das Fahr 759 fällt die Gefangenſchaft des 
Abtes Otmar, die nad Walafrid in der Pfalz apud villam Potamum flatt- 
gefunden hat. Nah dem rätiſchen Brigantium hieß der Eee voreinft der bri- 
gantifche (Blinius, hist, nat. 9, 29: lacus Retiae Brigantinus; Ammianus 
15, 4: lacum ... rotundum et vastum, quem Brigantiam accola Retus 
appellat; Walafrid bei Golaft 1, 147: Brigantium opidum ... lacui nomen 
dedit; Monumenta Germani® 1, 361: juxta lecum Briganticum, ebd. 364, 
873 [vergl. A. Bacmeifter, Alemannifhe Wanterungen 1, ©. 52. 53. 9.)), 
nach der Inſel Reichenan hieß ein dortiger Geetheil lacus Augiensis (Ür- 
funde von 1155, Neugart Nr 866); nad dem Orte „Podama“ konnte zu- 
nähft der angrenzende Seearm „PBobamflo” geheißen fein, in der Folge galt 
diefer Name für die ganze Strede bis zur Einmündung tes Rheins; in latei- 
niihen Schriften trat Podamicus völlig an die Stelle von Brigantinus (Er- 


444 


menrici vita S. Galli metr., 9te8 Jahrh, Monumenta Germanie 2, 32: 
Brigantinum mare ... pontus, qui modo Potamicus vocitatur; Urkunde 
von 8, Neugart Nr 596: ubi Rhenas lacum influit Podamicum; vgl 
noch Johannes Bitoduranus, Wyß 94, 286). Hiebei ift zu erwägen, daß von 
der Pfalz zu Vodman aus dur Pipins Statthalter und nachher durch bie 
Fammerboten die Heichsverwaltung über das alemannifche Land im Namen 
der nicht jelten auch perfönlich anmelenden Könige geführt wurde (©. 386, 
Anm. 1. ©, 389, Anm. 4). In folder Auffaffung if der Rame „Bodenfee” 
ein gefchichtliches Denkzeichen aus dem Zeitalter der Karolinge. 

(Zu der ſchwebenden Frage, ob der See nad dem Ort, oder ob dieſer 
nach jenem benanut jei, vgl. Förftemanns altdeutſches Raınenbud 2, 265 f. 
Zweite Bearbeitung, Rorbhaufen 1872, Sp. 295. 296. H.] und, flir letztere 
Anficht, das beutfche Wörterbuch von J. und W. Grimm 2, 209 f. 217. Ein 
voller Beweis wird nach feiner von beiden Seiten möglich fein, auch das deutfche 
Wörterbuch fpricht nicht entfcheibend.) 


Beilage 2 (zu Seite 416). 
Rechtsgebrauche. 
Epfendorf. 


Gimmriſche Chronik 14180 f. Musgabe von Barad 8, S. 30 bis 41. H.) 


„Diſes dorf iſt aineſt der graven von Sulz geweſt und bat zu Nederburg 
gehört, ift hernach den ebelleuten von Stain zu lehen verlihen worden. Es hat 
alda drei meierhöf gebapt, die Freihöfe gehaißen, haben dem gotshaus Petters- 
haufen zugehört. Und wiewol die grafen und dann bie ebeilent vom Stain, 
als inen das dorf zu leben verlihen, ires gefallen® haben gericht [4, 91] megen 
halten, fo hat doch der abt von Pettershauſen felbs oder fein anwalt brei tag 
im jar, nemlich am liechtmejsabent, am Maiabent und an ©.» Martins -abent, 
das gericht megen erfordern und bejeßen, dazu bat er den grafen von Enlz 
oder den inhaber des dorfs auch laden follen. Wann dann derjelb fommen und 
oin federſpil gehapt, het mau von den böfen dem hapidy ober ſperber ain 
ſchwarzen hennen geben und ben bunden ain laib brot. Es bet von langen 
jaren Hedwigis, ain Herzogin von Schwaben, das almenb zu Epfendorf der 
gemaind dafelb umb gots willen gejchentt, desgleichen das wafler den Reder. 
Derſelb ift fo frei gewefen, daß auch die frembben und fonderlich welche die 
vier ſchloß, Utslingen, Herrenzimbern, Harthauſen und Schentenberg, bejeßen, 
weil dife heufer noch in bie pfarr gen Epfendorf gehörend, daſelb ires gefallens 
vifchen mügen, doch die viſch nit hintragen, fonder zu Epfendorf in difer Frei⸗ 
böf ainem eßen jollen. Wann num die, fo alfo geftfchet, in das dorf kommen 
und die vifch ſüeden wellen, bat der mair uf dem ainen hof das falz geben 
miüeßen, der mair in dem andern hof die pfannen oder keßel leihen müeßen, der 
drit mair aber, in dem man die vifch eßen wellen, bat das holz und fur [fewr], 


nemlich guet dürr Holz, geben mileßen. Wa er fich aber des geipert oder fains 
gebapt, habend die gef guet fueg und macht gehapt, ain Iparren von bem haus 
zu nemen und die viſch mit füeden. Dife höf feind auch fo frei geweien, was 
ain teter begangen und in deren höf ainen kommen, ift ex gleich fo ſicher ge⸗ 
weien, als ob er in die Kirchen lommen wer; und ob der, dem ber teter etwas 
zugefliegt, denſelben in difer höf ainem, darein er fluchtsweis kommen, mit gewalt 
hinaußziehen oder fonft gewaltige hand an in legen welte, fo ift der mair, der 
den hof befiket, in zu befchürmen ſchuldig. Wa aber der erft nit nachlaßen 
wii, fo mag er im den Topf auf jeiner hausfchwellen abbawen und foll im 
drei Heller uf das herz legen, hiemit hat er im gebliehet und [if] weiter darumb 
niemand nichts ſchuldig.“ 

Dem Herrichaftsreihte von Bodman flellt fidh die freie Fifcherei im Nedar 
gegenfiber. Die Herzogin von Schwaben, welcher bie Ertheilung diefer Freiheit 
zugeichrieben wird, ift diefelbe, die einft zu Walwies tagte (S. 413, Anm. 2). In 
der Chronik von Petershaufen ſteht eine Urkunde Königs Dtto vom Jahre 994, 
wodurch er die Schenkung beflätigt und erneuert, welche von der Herzogin 
Hadewig (per traditionem bone memorie domnæe Hadewigis dueis) be- 
ſagtem Kloſter mit dem Gute Epfendorf (preedium Epfindorf) und deſſen 
ganzer Zubehör gemacht worden fei (Mones Ouellenfammiung 1, 128 f. 
vgl. 131); zum Inbegriff der an das Kloſter vergabten Rechte werben freilich, 
auch Wafler und Fiſchereien gezählt (cum aquis aguarumve decursibus, pis- 
eationibus), jedenfall® aber hat die Rechtsſage der volksfreundlichen Gefinnung 
jener merkwürdigen Frau ein dankbares Gedächtnis bemahrt. 

Zum Schirmrecht der Freihöfe, das bier in beſonders ſtarken Zügen aus- 
gedrückt iſt, vgl. Rechtsalterthümer 886 ff. 


Beffendorf. 
Gimmriſche Chronik 868 |. Ausſsgabe von Barad 8, ©. 471 f. H.) 


„Bald hernach [nach 1548] hat der abt von Gengenbach etliche höf und 
güeter ſampt ainer gerechtiglait im dorf Beffendorf, zu der pfandſchaft Oberndorf 
gehörig, dem Epitl zu Rotweil verfauft umb ein fpat [fpot] und [4, 92) tobten 
pfennig, wie man jagt. ... Die alt geredhtiglait aber hat eine folliche geftalt 
gebapt. Der merertail höf und güeter und auch die järliche zins darvon zu 
Beffendorf haben dem Mofter zu Gengenbach zugehört, wiewol bie hochen gericht 
daſelbs der hersichaft Zimber zufteefn]t. Nun hat aber das gemelt gotshaus bie 
gewonhait oder gerechtiglait gehapt, daß der fchaffner oter amptmann von des 
abts wegen drei tag iedes jars das gericht zu Beffendorf erfordern bat megen 
und das befiten auch die mair oder inmoner daſelbs, welcher etwas fträflichs, 
doch nur burgerlihs, begangen het, zu beflagen; und was uf dife tag geruegt, 
bo iſt der fretel namlich die zwen tail des abts, der drit tail darvon der obrig- 
fait. Und feind namlich das die drei tag: an dem liechtinefsabent, am Maien⸗ 
abent, an Eant-Martins-abent, und ſonſt fain anderer tag. Dann was fonfl 


446 


durchs jar geruegt wurt am jargericht, welches doch aim herr haben mag, Wann 
e will, da hat das gotöhaus nichts an. Aber uf die beftimbten tag, warn ber 
abt oder fein anmwalt das gericht erfordert, fo ift er auch fehuldig, dem welt 
lien oberherren des dorfs darzu zu verfunden und laden laßen. Wa derfelb 
dann kumen will, fol er mit dritthalben pferden [vgl. Redhtsalterthümer 255 ff.) 
von Oberndorf hinuf reiten und nit mer, iedoch begegnet im ain varender 
ihueler oder ain guete meß, die mag er wol laden, mit im zu ziehen, doch 
foll er demſelben ſchueler oder der metzen fain geren uß dem rod zerren. Bann 
er nun binuf kombt, foll er ain ſchwarzen lindſchen (Schmeller 2, 480] mantel 
umb haben und fol man fein vritihalben pferben das fueter geben, das mag 
der herr m ben mantel empfahen, doch joll der habern fo lauter und rain feim, 
daß im kain helmle an dem mantel behang, dann wann ſolichs geſchech, fo gibt 
man im anderen babern, biß er fo fauber if, daß im nichts am mantel be 
hangt. Doch jo bleibt im der erft habern aller, wieviel fein wurt, biß ex fo 
fauber wurt, wie gehört [WBeisthlimer 1, 254. 2, 22 f. 129). Bann man dam 
eßen will, fol man e8 fo wol bieten, als man imer befommen mag, außgenomen 
flüegends und fließends [Rechtsalterthümer 256]. Ob dann aln paur umb ain 
frevel gefiraft wird und wolt fi) den zu geben fperren, mag des abts anmalt 
demfelben pauren ain jeidin faden umb fein waichi fpannen, den foll er nit 
brechen, auch weder under ober über ben faben herauß geen, biß er bezalt. 
Ba er ſollichs aber verachtet, darliber oder darunder herauß ging, ober ben 
laden brech, jo if dem gotshaus fein Hof aigentlichen haimgefallen. Hiebei iR 
zu merlen, feither dife gerechtiglait bem fpital zu Rotweil zugefianden, fo hat 
die alt gewohnhait ain ende und laßens die karſchhanſen hingeen, die ſolche 
ſachen nit hoch achten.” 

Das Recht, unterwegs VBegegniende zur Mahlzeit mitzubringen, wirb ander- 
wärts ausdrücklich auf anftändige Gäſte beſchränkt (Weisihlimer 1, 124: „ein 
gut gefell“, vgl. 2, 83; 1, 139: „ainer oder zwen erber mann“; 1, 510 f.: 
„eyn gut man und eyn knecht, daz fal fon ein edelmann und fon knecht, oder 
eyn priefter und fon Inecht“; Archiv. Wurml. ©. 125, a. 1468: „ain biber- 
man"; ebd. ©. 179, a. 1580: „eine erlidhe perfon, eine oder mer“), Di 
Sapung von Beffendorf wendet das läflige Mitbringen ab, indem fie gerade 
nur folche Leute zuläßt, denen der anreitende Gerichtsherr auch unabgemahnt 
den Rod nicht zerreißen wird. Zum Seidenfaden vgl. Rechtsalterthlimer 188 f. 
Weisthümer 1, 81 f. 2, 220 und W. Wadernagel, Dienfimaunenrecht von 
”Bafel 19. 83 f. 

[4, 93) Schliengen. 
(Zinmrifhe Chronik 1414. [Musgabe von Barad 3, ©, 41. GJ) 

„Alſo hat es auch ain abenteuerlichen geprauh in ainem borf uf bem 
Schwarzwald gelegen, haiſt Schliengen, ift dem apt von ©. Bilafli gehörig. 
Daſelhs, mann das jargericht umb Martini gehalten, fo mueß diejelbig weil ain 
paur biünderm ofen fiten, im buet und lappen und wol angton, und haizt mau 


447 





darzwifchen nad) vortail ein. Das beichicht jerlichs ufs jargericht. Waher aber 
der gebrauch alfo erwachien ober was es foll bedeuten, das ift lenge halb ber 
zeit vergeßen und Münden bie einmoner deſſen kain urſach anzaigen.” 


Beilage 8 (zu Eeite 419 und 432). 
Wanderfagen. 
U. Friedrich von Bollern. 
(Zimmrilhe Ehronit 1508 ſſ. IAIusgabe von Barad 1, S. 278 bis 281. BD.) 


„88 heit vor vil jaren ain graf von Zollern gelept, genannt graf Yriderich, 
fein weib hat gehaißen Uedalhilt, ain gotsfürchtige fraw, bie nad) irem abfterben 
von dil leuten für Hailig iR geachtet worden. Wer fie vom gefchlecht geweſt, 
it lenge der zeit vergeßen. Diſer grafe, nachdem er etliche finder von feinem 
gemabl befommen, die er mertail® bin und wider am der filrften höf und ainstaile 
zu feinen nechſten freunden und verwandten zu erziehen verjchidt, bo name er 
me für, im die haidenſchaft zu raifen und weitgelegne Iender zu erfunbigen. 
Derhalben empfalch er feinem gemahl die grafichaft und was er het, ſchied ab 
von ir umd feinen undertanen mit wenig diener, kam über mer, ba if er 
etliche nit wenig jar in der haidenfchaft umbher gezogen, biß im zu letztem 
feine diener und pferd abgangen und alſo unerkaunt in großer armuet und 
mangel leben müeßen. Wie er nun in feinen größten nöten geweft, andh nit 
wohinanß und wohinan gewiſt, bo if ain gefpenft zu im kommen, das hat ine 
m mancherlai weis verfuecht, wie dann der Tauſendliſtig nit ruewen oder feiren 
tor, fonder von feiner boshaftigen art und aigenfchaft, wo er angft und laid 
oder unmmet waift, fi) einmilcht und zuſchlecht. Noch gab der allmedhtig dem 
großmiletigen grafen jovil verftands und guab, daß er dem feind in feinen an- 
fehtungen, darin er in von gott abzuflieren ſich underſtand, widerſteen Hınt. 
Letztlich bracht im ter 668 feind ain rof8 mit dem bericht, daß in foldhes an 
ale ort umd ende, dahin tm geluftet, one alle gefar feiner feel und des leibs 
in ainer geſchwinde tragen wiirde (mocht fich jchier des Pacolets rofs vergleichen), 
iedoch wenn er aubents ober fonft unbertags abftliende, folt er daB gegen nider- 
gang der fonnen abzenmen und abfatlen, jo würde er das fir und für fein 
lebenlang haben, ja auch die ganz welt darmit durdraifen linden; wo er aber 
jofhe® ainmal überfehen, wilrde er fein roſs emiglichen verloren haben, damit 
molte er ine gemarnet haben. Was nun der graf bargegen hat müeßen bem 
geſpenſt verhaißen oder laiften, wie ainef in follichen fellen gepreuchlich, das 
iR unbewißt und lenge halben ber zeit in vergeß komen. Hiemit if aber der 
bös gaift von im abgefhaiden und bat im verlaßen. Alſo if ber grafe noch 
etliche jar ain weiten weg [4, 94] mit diſem roſs geraift, iedoch Hat ine letztlich 
angefochten, demnach er vil jar anfgeweien, widernmb ſich zu feinen weib und 
lindern gu verfüegen. Hiezwiſchen aber bat man ine feines fangen außpleibene 
und daß man weder Raub noch flug von ime vernomen, gar verſchetzet gebapt. 


448 


Sein gemahl, die grefin, hat die landſchaft weislich und wol regiert, fo fein auch 
mitlerzeit die jungen berren und frölin erwachfen, die fein ainstails außgeflewrt 
worben, und Hat ſich fein niemands mer verfehen gehapt. Indes hat das 
wunberbarlid) roſs den grafen ain weiten weg getragen, daß er mit großem 
verlangen fein grafſchaft erraicht; do hat er, daß fein weib und finder noch im 
leben nnd alle fachen wol ſtanden, haimlichen, feitmals er bei meniklichen un- 
erlannt, erfaren, darauf ain potjchaft feiner hansfrawen uf Hollern geton. Wie 
derfelbigen alfo das potenbrot zufommen, ift die guet fraw eilends irem herrem, 
den fie in vil jaren nie gefehen, ſampt etlichen irer haider fünen und böchtern, 
für das ſchloß am berg herab emigegen gangen und haben ine mit großen 
fremden empfangen. Der grafe if auch von feinem roſs abgekanden umd hat 
ſein weib und finder berzlichen angeſprochen, ift mit inen hinauf ins fchloß 
gangen. In dien frewben aber hat ber graf feines roſs Weiters nit warge- 
nomen oder auch befolhen, wie man bas abzeumen und abfatlen falle, ſonder 
die diener habents binaufgefliert ins fchloß, fie fein aber nit recht mit ime nub⸗ 
gangen; derbalben jo ift das roſs angeſichts der diener verſchwunden, baß fie 
nit gewift, wohin es kommen, derhalben fie eilends zum grafen, irem herren, 
gangen und im zu wunder angezaigt, was inen mit dem roſs begegnet. Gleich 
bat er vermerkt, daß er ſelbs hieran ſchuldig und Daß die Diener ußer unmwißen- 
hait das roſs verwarlofet, und wiewol im das in feinem herzen ain große be 
ſchwerd, ieboch, ſeitmals im der allmedhtig alſo mit allen gnaden haimgeholfen 
-und der verluft des abentemrlichen ro nit mocht wiberbracht werben, ſchlueg 
ers ußerm finn ſovil müglich und ſprach zu den bienern: „Wolan, wie id) im tom, 
es ift beichechen und jeie damit got ergeben |" Darbei ift e8 aljo bliben, daß 
die Diener von im wider abgefchaiden und er lain bös wort dazu gerebt. Ju 
wenig ftunden hernach, noch desfelbigen tag, do fein drei fchöner jungframwe, 
in weißem angeton, an das tor uf Zollern fommen, und als fie von denen 
wachtern, was iren begern und zu wen fie wellen, geredhtfertiget, haben fie 
für den grafen perfonlihen begert. Wie das dem grafen fürbradht, hat er be- 
voldden, fie unverzogenlichen ein» und fürzulafien. Als das beichechen, haben fie 
vor ime ſich gemaigt und hat die ain under inen befannt, fie feten gaifler, bie 
feien verfluecht und im gewalt bes böfen feinds gewejen und durch die würkung 
desfelbigen haben fie drei ine ben grafen vil zeit und ain weiten weg im ber 
geſtalt des roſs getragen, und bieweil er aber umb den verluft des roſs mit um 
gebultig geweſt, fonder alles gott ergeben, fo feien fie iezmals ußer dem beu- 
ſeliſchen gewalt erlediget und all iv marter und pein abgefellt, auch fie ſtetig 
und ewiglichen behalten, da fie fonft biß an den jüngften tag heiten müchen 
von den hellifchen gaiftern geplagt fein; derhalben fie im fleißig gedamit, mit 
vermeiden, daß fie deu allmechtigen ewillidhen für ine und die jeiuen getrew⸗ 
lichen bitten wellen, und damit jein fie verſchwunden. Diſer grafe Friderich iR 
uf ain groß alter kommen und nach feiner rais dahaim pliben, hat noch ettliche jar 
in guetem [4, 95] friden gelebt. Er fol zu Stetten im Hofter begraben fein. Gem 
gemahl hat im fiberlept, die leit auch zu Stetten begraben. Solch frawenkloſter 


449 


haben difer grafe und fein gemahl bie grefin bei wenig jaren darvor geftift, 
namlich ao. domini 1259, foll vorhin aiıı Johanniterhaus geweſen fein, welches 
aber in den verloffnen kriegen zerfiört und in abgang kommen.” - 

Bol. Negeften der Grafen von Bollern bei Stälin 2, 527: „1627. Yan. 9. 
Notweil. Fridericus, comes de Zollern, ob perpetuam sui et dilecte sibi 
conjagis Udelhildis nec non carissimorum liberorum suorum memoriam 
in ville Stetten sub castro Zollern coonobium dominarum ordinis s. Augu- 
stini instituit.*“ Kurz erwähnt wird der Ehronikfage bei Stillfriev und Märder, 
Hohenzollerifche Forſchungen 1, 1830. 


B. Möringer. 


Sn der zimmrifchen Chronik folgt unmittelbar nad) der Sage von Bobman 
die vom edlen Möringer, in Proſa, doch fichtlih auf Grundlage des Liebes 
(meine Bollslieber Nr 2%8 und ©. 1032 f. [Schriften 4, ©. 286 ff. H.))-. 
Hieher nur Einiges, was der Chronilſchreiber eigenthümlich beigibt [Ausgabe 
von Barad 1, ©. 286 f. 291. H.]: 

„aber den eiteften landfarer, den wir in unjern hochen beutfchen landen 
gehapt, darvon wir noch wißen, das ift der evel Moringer geweien. Denfelben 
weiten etlih, er feie ain Meichfner oder ain Sar gewejen, gleihmwol auch ainer 
por jaren mag gelept [haben], fo der Moringer gehaißen, foll zu Leiptzig ge 
jeßen und in großem tuen [Schmeller 1, 422] geweſen fein, wie man fürgibt, 
aber difer Woringer ift ain Schwab geweſen und ain mechtiger landsherr. Er 
hat jein haimweſen zu Munderkingen an der Thonam, auch uf und umb den 
Buſſen gehapt. Gleichwol man fein geſchlecht aigentlihen nit waißt, aber ver- 
muetlichen ift er ain graf de berfommens von Habspurg, oder hat doch vaſt aim 
gleichfermigs wappen gehapt. So hat er audy fonft ain andern namen, dann 
der nam Moringer ift fein zuenam geweit, wie die alten im prauch gehapt. 
Man jagt, er hab den namen vom ftetlin Dieringen an der Thonuw befommen, 
aldo jei er geporen worden, welches vor alter nit Möringen gebaißen, ſonder 
Moringen; das bezeucht des fletlind wappen und figel, das fie von unverbedht- 
lien jaren bergebradht, mit dem morenkopf. Nun difer Moringer, er habe 
gleich gehaißen oder jei ains gejchlecht# geweſt, wie er welle, fo ift er doch im 
eren und zeitlichen glietern der vile gejeßen und dem es in allweg, nad) ber 
weit lauf zu rechnen, glüdlihen und wol ergangen, hat ain weib gehabt aines 
fürnemen gejchlechts und von deren ſchöne und fromblait vil wurt in liedern ge 
jungen u. |. w. Wie lang aber bemelter Moringer nach difer gefchicht noch gelept 
und wann er geftorben, das ift lenge Halb der zeit, auch ußer unfleiß unjerer eltern 
in vergeß kommen, aber bei wenig jaren ift fein, des Moringers, rennfan, den er in 
triegshandlungen gewon was zu flieren, noch vorhanden geweit; den Bat ain alte 
edle fraw, genannt Veronica Spettin, zu Freiburg im Preisgow bei handen gehapt, 
mit dem wappen, wiewol die farben verplichen und fchier gar abgangen geweſen.“ 

Was bier von des Möringers rau, ihrer vornehmen Herkunft, ihrer in 

Npland, Schriften. VI. 29 


A50 


Liedern vielbefungenen Schönheit und Trefflichleit, geſagt ift, ſtimmt zu eimer 
andern Meldung derfelben Chronik (bei v. d. Hagen, Minnefinger 4, 7608. 
883 a, vgl. 3, 408), wonach der Berjaffer ein altes handſchriftliches Liederbuch 
kannte, das namentlich auch Gedichte des Ritters Heimrich von Morungen ent- 
hielt. Die vorhandenen Lieder dieſes norbdeutfhen Minnefängerd find glei 
pornberein voll Lobes einer hohen Fran, welches nun ber ſchwäbiſche Erzähler 
anf die Gemahlin feines Moringer zu beziehen fcheint. Über Heimat und 
Wappen vesfelben ift er im Schwanken. Schild und Helm des Dichters hat in 
der MWeingartner Handſchrift (Ausgabe von Pfeiffer und Fellner S. 89, nicht 
in in der Pariſer Handfchrift) den Mohrenkopf, gleich dem vorerwähnten Siegel 
des Städtleins Möringen an der Donau, beiden Orts als „redendes“ Wappen. 


Beilage 4 (zu Seite 436. 437). 
Gimmriſche Chronik 1101. (Kusgabe von Barad 1, &. 378 f. H.) 


„Diſer herzog [von Ted] hat mertails uf Wasneck gemwonet, fein gemabel 
ift geweien din grefin von Froburg ußer der aidgnoßſchaft. Derjelbigen iR 
von jugent uf geweißagt worden, fie müeß von dem wetter erfchlagen werben, 
darvor fie nit werd fein künden. Nun Bat fie vil rats darliber gehapt, wie fie 
im tuen fülle, doch letstlich bat fie ain farender fehueler ain gewiſſen fegen 
darfür gelernt, mit der gewiſſen vertröftung, wafern fie zu anfangs ains ieben 
wetter oder daß fi das gewülk zu aim wetter zufamen ziehe, foldyen fegen 
fpreche, werde fie fiher fein. Sie bat dem varenden fchueler gevolget und all- 
wegen, jo fih das gewult zufamen hat gezogen oder anfahen brummen im luft, 
fo Hat fie den fegen geiprochen und damit hat fie ir fatum, wie glanblich, etlich 
jar ufgezogen. Es fein auch ire junfframen und bienernen aljo abgericht ge» 
weit, fo bafd fie was am hiniel oder dem luft ungewonlichs gefehen, haben fie 
ir das umverzug eröffnet. Uf ain zeit if ain junffraw umb mitentag zu ix 
fommen, die hat ir von aim Heinen welffin, das am himel feie, anzaig getom, 
darauf fie den nechſten ans fenfter gangen, aber fie bat das Hein wellie ver 
acht und den fegen nit geiprocdhen. Unverſehenlich hat das wetter zugemomen, 
zu ir ins ſchloß geichlagen, daß fie noch am fenfter von dem dunfl ift erfidt. 
. Sie und der herzog, ir gemahl, ligen baide im Hofter zu Oberndorf in ainem 
ſchönen erhepten jarch begraben. Er fol der letst herzog diſes gefchlechts ge- 
weit fein. Es war aineft ain alter baursman in der herrſchaft Oberndorf, der 
ſprach, diſer herzog were alfo edel geweit, daß man ine nad) feinem abfterben 
von Wasned herab het müeßen zur begrepmus tragen. Das font ime menig 
lichen wol glauben.“ 

Der Nante bes Herzogs von Ted, für den die Ehronif feeren Raum läßt, 
kann andersher eingetragen werden. Eliſabeth, Gräfin von Froburg, Herzog 
Lutzmanns von Ted (der auch ſchon in Urkunden von 1801 und 1314 genannt 
if) eheliche Wirthin, beftunmt 1336, daß fie und ihr Gemahl nach des Einen 
Zod eine Schentung an das Klofler zu Oberndorf zahlen werben. Lutzmann 


451 


war Abrigens nicht der Leute feines herabgelommenen Geſchlechts und Obern- 
dorf, in defin Nähe die jet zerftörte Burg Waſſeneck lag, Hat erft 1374 
Herzog Friedrich, ein Brudersſohn Lutzmanns, an Hohenberg veräußert (Stälin 
3, 695 ff.). 


(8, 66] 4. Die Todten von Lufnen. 


1. 


Ritterlihe Dienftmannen der Tübinger Pfahgrafen (oben ©. 311 ff.) 
faßen im nahen Luftnau, gleichen Stammes mit Denen von Wildenau, 
einem abgegangenen Weiler bei Rübgarten im Schönbuch!. Beide 
werden in Urkunden häufig zufammen genannt und hatten ein ge 
meinſames Wappen, ben weißen Hirfehlopf?, Sinnbild der alten 
Waldheimat, bevor ein Theil des Geſchlechts von der wilden in bie 
luſtſame Aue am Nedar herabgezogen war 3. Dort oben betrieb man 


1 Pfalzgräfliche Urkunde von 1191 (Erufius Th. 2, B. 12, ©. 509, 
vgl. Beſold 359): De ministerialibus u, ſ. w. Waltherus de Lustnowe et 
lii ejus, Heinricus et Hugo. Urkunde der Grafen von Zübingen um 1286 
(Mone, Zeitſchrift 3, 116): Eberardus, miles de Lustenowe, ministerialis. 
1289 (ebd. 4, 123): Burcardi de Lustenowe, milit. u. |. w. et Cunradi de 
Wildenowe, nostrorum fdelium. 1289 (ebd.): Burcardum de Lustenowe, 
milit., Cuonradum de Wildenowe. Biſchöfl. Konflanz. Urkunde von 1288 
(ebd. 3, 432): dominorum de Lustenowe. Urkunde Alberts von GStöffeln, 
Reutlingen 1284 (ebd. 437 f.): Cuonradus de Wildenowe. Pfalzgräffiche 
Urkunde, Tübingen 1291 (Schmid, Url. 8. 72 f.): Nomine testium u. ſ. w. 
Burcardus de Lustenowe, Cunradus de Wildesowe, -milites, Waltherus de 
ILnstenowe u. |, w. Andre von 1296 (ebd. 57): Conrades, des ritters von 
wildenowe, vnſers dienfimannes, mulftat ze Tallins furt. 

2 As Wappen, womit 1347 Cunrat, der Bol, von Wildenowe flegelt, 
Schmid, Url. 8.175; gemalt bei Lug von Lutenhard im Sten Buch, ats folches 
der Oflertage von Luſinow. Cruſius, Paraleip. ©. 48: Sıgnarit litteras quas- 
dam 1445 Ostertagus de Lustnow. Gestavit dcutum glaucum, in quo 
albam cervi caput, albis cum cornibas. Super galea alba item cornua 
eervina. Galew tegmen glaucum et album. 

5 Ahd. findet man noch Flerionen eines Adjectivs luſte (Graff 2, 287); 
das urkundliche Luftenowe ergibt fi damit als Dativform: zer fInflen ouwe 
(ahd. luſtüun oumd), wie Wildenome: zer wilden ouwe. Im I6ten Jahrh. 
fagte man: Iuftige ame, Deutiches Wörterbuch 1, 612. 


452 


die Hirſchjagd, bier unten, an den Altwaflern bes Fluffes, war Spiel: 
saum für die Reiherbeize; daß die Nitter von Luſtnau fi darauf ver 
ftanden, zeigt die Abgabe von zwei Habichten, die fie von Alters ber 
ihren jagbfreudigen Herrn zu entrichten hatten 1. 

[8, 67] Auch diefer Dienftavel fällt in den Bereich der Sagenkunde, 
und zwar mittelit eines Beinamend. Nach Grufius warb ein Edler 
von Luftnau für tobt hinausgetragen und beigefebt, kam aber in ber 
Nacht lebendig zurüd, mit umgefchlagenem Leichentuch; feine Frau zögerte, 
ihn aufzunehmen, fie zeugten aber nachher noch fünf Kinder und biefe 
nannte man „die Tobten von Luſtnow“2. Anders unb viel wunder: 
barer lautet eine ältere Meldung in Luthers Tifchreven: 

„Doctor M. Luther fagte, daß er felbft von H. Johans Friderich, 
Ghurfürften zu Sachſen, ein Hiftorien gehört bett, daß ein Geſchlecht 


1 Steinhofer, Mirtenbergifcge Chronik, Ster Theil, Stuttgart 1752, ©. 134: 
„In diſem Jahr (1466) ſchickte der Abbt des Cloſters Vittenbeliren (Öttenbeuren), 
Wilhelm von Luſtnow, eines guten und alten adelichen Geſchlechts aus dem 
Land Wirtenberg, deſſen Vater Oſtertag von Luſtnow vor Jahren Pfeffingen 
an der Ammer ob Tübingen beſeſſen, Graf Ulrihen von Wirtenberg zween 
Habicht zu und meldete in ſeinem Schreiben, daß ſeine Voreltern ter Herr- 
haft Wirtenderg uß irem Forft und Wildbann folhes zu thun bißher ſchuldig 
geweſen.“ Die Grafen von Wirteniberg waren an die Stelle der alten Dienf- 
herren, der Pfalzgrafen von Tübingen, getreten. Ein Beftellungsbrief des Adte 
Wilhelm vom Jahr 1474 flir den Trorftmeifter über die Ottenbeurer Stifte 
waldungen legt diefem bejonders anf, das Feberfpiel wohl zu beforgen (Feyer⸗ 
abend, Jahrbücher des Reichsſt. Dttenbeuren, 2ter Band, Ditenbeuren 1814, 
S. 708 f.). 

2 Cruſius, Paraleip., Sranffurt 1596, ©. 48: Eorum quidam nuncu- 
pati fuere Mortui de Lustnovia. Nobilis enim gquidam Luschnovius, quon- 
dam pro mortuo elatus et depositus, noctu rediit vivus, linteo, quo 
exportstus fuerst, amictus. Qui vix ab uxore receptus, postea liberos 
sdhuc quinque genuit, qui appellati sunt die Todten von Luſtnow. (LXufle 
nauer und Wildenauer waren im nahen Kofler Bebenhaufen beftattet, Eruftus, 
Annal. Th. 3, 8.6, S. 360. Klunzinger, Bebenhaufen 18, 23). [Es mag 
bier auch an die folgenden Zeilen von Uhland erinnert werben: 

Einft war ein Herr von Luſtnau vom Scheintod aufermadt; 

Er kehrt’ im Leihentuche zu jeiner Frau bei Nacht, 

Davon mun fein Gefchlechte die Todten hieß zum Scherz. 
Man vergleiche Gedichte von Ludwig Uhland. Gechsundfünfzigfte Auflage. 
Stuttgart 1872. 8. S. 364. 9.) 


453 


vom Adel im Tentichland geweſen, hiefelbigen meren geboren von einem 
Suceubo, denn jo nennt. mans, tie denn die Melufina zu Lügelburg 
auch ein folder Succubus oder Teuffel geweſen. Es were aber alfo 
zugangen. Ein Edelmann: hat ein ſchön jung Weib gehabt, die war 
ibm geftorben und auch begraben worden. Nicht lang darnach, ba ligt 
der Herr und Knecht in einer Kammer bei einander, da kompt des 
nachts die erftorbene Yraum und lehnet fich uber bes Herrn "Bette, 
gleich als redete fie mit ibm. Da nun der Knecht fahe, daß folches 
zwier nad einander geſchahe, fragt er ven Junkern, was es doch fei 
und ob ers auch wiſſe, daß alle nacht ein Weibsbild in weißen Kleidern 
für jeın Bett komme. Da fagt er nein, er fchlafe die ganze Nacht aus 
und ſehe nichts. Als es nun wider Nacht ward, gibt der unter auch 
act drauf und wachet im Bette, da kompt bie Frauw wider für das 
Bett. Der Junker fraget, wer fie ſei und was fie wölle. Sie antwort, 
fie jei jeine Hausfraw. Er fpricht: Biftu doch geftorben und begraben ! 
Da antwortet fie, ja, fie hab feines Fluchens halben und umb feiner 
Sünde willen fterben müſſen, mwöll er fie aber wider zu ſich haben, fo 
wolt fie wider fein Hausfraum werden. Er fpridt: Ya, wenns nur 
fein künt. Aber fie bevinget aus und vermanet ihn, er müſte nicht 
fluchen, wie er denn einen fonberliden Fluch an ihm gehabt hatte, 
denn fonft würde fie bald wider [8,68] fterben. Diefes fagte ir ver Mann 
zu, da blieb die verftorbene Fraum bei ihm, regirete im Haufe, fchlief 
Bei ihm, iſſet und trinket mit ihm und zeuget Kinder. Nun begibt ſichs, 
daß einmal der Edelmann Geſte frieget und nad gehaltner Mahlzeit, 
auf den Abend, das Weib einen Pfehferfuchen, zum Obft, aus einem 
Raften holen folte, und bleibt lang außen, da wird der Mann Ichellig 
und fluchet ven gewönlichen Fluch, da verſchwindet die Frauw von 
ftundan und war mit ir aus. Da fie nun nicht wider fam, geben fie 
hinauf in die Kammer, zu ſehen, wo die Frauw bleibe. Da ligt ir 
Rod, den fie angebabt, halb mit den Ermeln im Kaften, das ander 
Theil aber beraußen, wie ſich das Weib bat in Kaften gebüdt, und 
war das Weib verfchiwunden und fidder der Zeit nicht gejehen worden“!. 


1 Colloquia oder Tifhreden Doctor Martini Lutberi u. f. w. Durch 
Johannem Aurifaben. Frankfurt a. M. 1574, Bl. 213 (vgl. Brüder Grimm, 
Deutfde Sagen 1, 1583 f.). 


454 


Am Rande der alten Drucke ſteht: „Die Todten von Loſchenaw“ 
Es ift fen Grund, zu bezweifeln, daB, wie Crufius fi ausbrüdt, 
Einige. (S. 452, Anm. 2: eorum quidam), alfo wohl eine Linie bes 
Zuftnauer Adels, die Tobten genannt wurden, wenn auch dieſe Nachricht 
nur auf münblicher Überlieferung beruht, nicht auf Urkunden, die fonft 
unfehlbar angegeben wären. Ein zahlseiche® Geſchlecht theilte fich erſt in 
die von Wildenau und von Luftenau, diefe aber waren wieder durch 
Beinamen unter ſich oder au von andern in Luftnau anjähigen Ge 
fchlechtern unterfchieven: foldde den Taufnamen angehängte Beinamen 
find urkundlich ſchon bald nach der Mitte des 13ten Jahrh. Specht und 
Eljenbaum, beide nod an den Schönbuch mahnend ?, Den Anlaß des 
bebeutfamern „bie Todten“ fucht die Sage zu erflären, denn für, ſolche 
muß auch ber anfcheinend thatfächliche Hergang bei Srufius im Zuſam⸗ 
menhange mit dem Wunder der Tifchreven gelten. 

[8, 69] Der Sagenzug gebt aber noch in fernere Gegenden unb 
frübere Zeiten. Aus den Tagen Rubolfs von Habsburg berichtet ver 
Abt Johannes von Victring, damals fei am Hofe des Königs ein Ritter 
aus dem Gebiete von Chur berühmt gemwefen, der Sohn eines tapfern 
Ritters, welch letzterer „der Tobte” geheißen war; nachdem nemlich 
deſſen Mutter im Wochenbette geſtorben und begraben worden, habe 
man ſie, vor dem dreißigſten Tage ſeit ihrem Hinſcheiden, häufig ein⸗ 


1 Dieſe Randbemerkung iſt bei Kirchoff, der die Erzählung wiederholt 
(Wend Bumuth, Das Funffte Buch u. ſ. w. Durch Hank Wilhelm Kirchoff u. ſ. w. 
Frankfurt a. M. 1602. Nr 256, &. 811 [Ausgabe von H. Oſterley 3, ©. 515. 
516. Man vergleiche dazu 5, ©. 138. H.]), fo in den Text aufgenommen: daß 
ein Geſchlecht vom Adel im Teutfchland, die Toden von Loflenam (if mir recht) 
genennet geweſen u. f. w. Abgekürzt ſteht bie Geiftergejchjichte in Francisci. 
Schaubühne S. 975 f., doch mit dem Eingang: Bon einem Bayerifchen (Ebel 
mann findt man in unterjchieblichen Buechern u. ſ. w. 

2 Bebenhäufer Urfunde von 1261 (Mone, Zeitichrift 8, 201): Testen n. |. w. 
Waltherus Speht, Ber. dictus Eisinboun, et C, frater ejus, milites de Luste- 
noweu. ſ. w. 1262 (ebd. 202): Waltherus Sp&ht de Lustenowe, mil 1270 
(ebd. 218): Burcardus Spônt. 1283 (ebd. 435): Hainricum, dietum Speise. 
Auch bei den Wildenauern findet fi ein Zuname: ser Bel (pullus), Urkunde 
von 1305 (Schmid, Url. 8. 243): Herre Cünrat von Wildenowe. 1339 (ebd. 
218): Cimraten, dien voln, von Wildenowe. 1347 (ebt 168): Conrat, der 
Bol, von Wildenome. 1440 (Reyſcher, Stat.- Rechte 192): Ich wilduow, vol, 
von Wildnow u. ſ. w. 


455 


treten und dem Kinde die Bruft reichen geſehen; dies habe vie Amme 
dem trauemben Herrn binterbradht, worauf berfelbe die Erſcheinende 
geraubt und feflgehalten, dann während zweijährigen Zufammenfeins 
zwei Söhne mit ihr gezeugt babe, deren Einer, ver Borgenannte, Bielen 
zum Erftaunen, dazumal am Beben geweſen jet 1. 

Gegen die Neige des 12ten Jahrh. beipricht Walter Map in dem: 
felben Buche, das zum Jagdmärchen des Pfalggrafen von Tübingen 
ein Seitenftüd geboten hat (oben ©. 317 f.), zweimal einen Ritter 
aus bes Bretagne, der fih ben Todten von Luſtnau angleicht. Jener 
Ritter hatte feine werftorbene, begrabene und langbeweinte Frau zur 
Racıtzeit in einfamem Thal, im Reigen einer großen Yrauenicar. 
wieberlebend (redivivam) gefunden; er raubte fie aus diefem Kreis und 
lebte mit ihr noch viele Jahre, es erwuchſen aus diefer Ehe zahlreiche 
Eöhne und Enkel, die hiernach alle, nocd in der Zeit bes Erzählers, 
Söhne der Tobten (filii mortue) genannt wurden ?. Zuvor ſchon gibt 


1 Joh. Victorienfis 2, 8 (bei Böhmer, Fontes reram germenic. 1, 323): 
Hoc tempore [1287] inter multos, qui in curia regis inclitabant, fuit miles 
quidam ex territorio Ouriensi, strenai mülitis ülius, qui miles „mortuns“ 
dicebatur, quem Heinricus, dux Karinthie, Meinhardi ducis Alius &t vir 
magne prudentie, et Chunradus de Ouvenstain asseruerunt sepissime se 
vidisse el secam colloquia miscnisse. Cujus mater dum quandoque pepe- 
risset, anxietate partus perterrita moritur ei sepelitur, frequenterque visa 
est infra tricenarium diem sui obitus introire et genite proli ubera sua 
dare. Quod nutrix ad dominum detulit de morte conjugis valde mestum, 
qui, Oobservato ejus ingressu, eam rapuit et abscedere non permieit 
ejusque amplexibus amplius quam per biennium secum cohabitando va- 
cavit duosque filios progenuit, quorum unus iste extitit multis in mira- 
culum et stuporem. Quod ponitur non ut credatur, per naturam hoc posse 
fieri, sed ut multiplex versntia diabolice fraudis et prestigiorum illusio- 
numque demonialium illaqueatio cognoscatur. 

2 Gualteri Mepes de nugis curialium distinet. quingue. Ed. by 
Th. Wrigbt. 2ondon 1850. 40. ©. 82: [superius) dicitur miles quidam 
uxorem suam sepelisse revera mortuam et a:chorea retribuisse [?] rap- 
tam, et postmodum ex ea filios et nepotes suscepisse, et perdurare aubo- 
lem in diem istum, ei eos, qui (raxerunt inde originem, in multitudinem 
factos, qui omnes inde filii mortue dicuntur. Ebd. &. 168: miles quidaın 
Briteannie minoris uxorem suaın amissam diuque ploralam a morte sus, 
in magno feminarum catu de nocte reperit in convalle solitudinis anı- 
plissime. Miratur et metuit, et cum redivivam videat, quam sepelierat, 


456 


das Buch [8, 70] ausführliche Kunde, wie, unter Wilhelm Baftarb (dem 
Eroberer), Edrie Wilde, Herr von Nord-Ledbury (bei Hereford), auf 
nächtlicher Rückkehr von der Jagd, irre gieng, am Waldrand zu einem 
großen Gaſthauſe (ghildhus) fam und bort einen ſehr großen Reigen: 
tanz fchöner Edelfrauen ſah, nur in Leinwand gefleivet, aber ſchmuck 
und von höherem Wuchs, als gewöhnliche Frauen. Die ausgezeichnetfte 
unter ihnen raubte der heftig Entbrannte mit Hilfe feines Knappen 
(ipsam rapit, a qua rapitur) im Kampfe mit ben fie tapfer vertbei- 
digenden Geipielen. Sie ergab ſich ihm ſchweigend und erft am vierten 
Tage Sprach fie, er werbe glüdlich fein, fo lang er nit ihr bie 
Schweſtern voriwerfe, denen fie weggeraubt morben (donec impropera- 
veris mihi aut sorores, a quibus rapta sum), ober Haus noch Walo, 
von mo e3 geichehen (aut locum aut lucum unde), Ebric verficherte 
fie feiner unwanbelbasen Treue, berief Ebelleute von nah und ferne 
und jchloß vor verfammelter Menge den feierlichen Ehebund. Der neue 
König von England, Wilhelm, vernahm dieſes Wunder unb wollte 
deſſen Wahrheit öffentlich erproben. Er rief die beiden Eheleute nad 
London und es kamen mit ihnen viele Zeugen, auch die Seugnifie 
Vicler, die nicht erfcheinen konnten. Der ftärkite Beweis war aber die 
früber nie geſehene und unerbörte Geftalt ver Frau. Unter allgemeinem 
Erftaunen wurden fie nach Haus entlaflen. Nach Ablauf vieler Jahre 
fand Ebric, bei der Heimkehr von der Jagd, um die dritte Nachtftunbe, 
feine Gattin nicht vor, rief nach ihr und ließ rufen, als fie aber langfam 
berbeilam, ſprach er zornig blidend: „Bit du von deinen Schweſtern 
fo lange feftgebalten worden?“ Noch andre Zankreden that er in die 
Luft, denn fobald jene von ihren Schweftern gehört, verſchwand fie. 
Bergeblich gieng er an den Drt, wo er einft den Raub getban (unde 
raptum fecerat), und rief nach ihr klagevoll Tag und Nacht, bis der 
unabläflige Schmerz dort fein Leben aufzehrte. Sie hinterliegen einen 


non credit oculis, dubius, quid a fatis agatur. Certo proponit animo re- 
pere, ut de rapta vere gaudest, si vere videt, vel a fontasmate fallatur, 
ne possit & desistendo timiditatis argui. Fapit eam igitur et gavisus est 
ejus per multos annos conjugio. ſam jocunde, tam celebriter, ut prioribus, 
et ex ipsa suscepit liberos, quorum hodie progenies magna est, et hilii 
mortuse dieuntur. Incredibilis quidem et prodigialis injurie natıre, si 
non extarent certa vestigiu veritstis. 


457 


Sohn, den frommen und meifen Alnod, der nachmals, zum Dante für 
die Heilung von ſchwerem Körperleiden, fein ganzes Erbgut der Kirche 
bes heiligen Ethelbert zu Hereford ſchenkte. Erft in einer nachfolgenven 
Stelle, welche kürzer von dieſen Begebniffen handelt, wird ausdrücklich 
gefagt, die Mutter Alnods fei darum in die Lüfte verichwunden, weil 
fie unwillig den Vorwurf ihres Mannes aufgenommen, daß er ſie von 
den Todten geraubt habe '. 

[8, 71] Langobarbifche Nechtsquellen aus dem 7ten und 8ten Jahrh., 
Gefehftellen und Urkunden, bieten einen hieher einfchlagenben bilvlichen 
Ausdruck, der gewis ſchon viel Älterer Anwendung entnommen ift: wenn 
Jemand feine Leibeigene ehlichen wolle, fei ihm das geftattet, aber er 
ſolle fie frei, daS fei wiedergeboren, und echt machen, entweder durch 
förmliche Ertheilung der Freiheit oder durch Morgengabe, dann foll fie 
für eine Freie und für eine echte Ehefrau angefehen und die von ihr 
gebornen Söhne follen zu echten Erben werben; gleicheriveife wer eine 
frembe ober feine Aldia (Halbfreie) zur Ehe nehmen molle, fol aud 
fie zur Wiebergebornen machen ?. Diefe Wiedergebornen entfprechen, 


1 De nugis.curialium S. 170: viri, cujus mater in auras evanuit, mani- 
festa visione multorum indignanter improperium viri smi ferens, quod eam 
a mortuis rapuisset. Aus beiden Darftelungen mag bier noch wörtlich ftehen, 
mas fich auf die öffentlichen Verhandlungen rechtsgeſchichtlicher Art bezieht, 
S. 80 f.: Convocat ergo [Edricus] vicinos et remotos nobiles et multitu- 
Jdine congregala solenni eam sibi matrimonio junxit. Regnabat in illa 
iempestate Willelmus Bastardus, tunc novus Angli® rex, qui portentum 
hoc audiens, probare cupiens et scire palanı, an verum esset, utrumque 
vocavit, ut simul venirent Londonias, veneruntque multi cum eis testes 
et multorum testimdnia, qui adesse non poterant, et maximum erat fata- 
litatis argumentum invisa prius et inaudita species mulieris, et cum stu- 
pore omnium remissi sunt ad propria. ©. 110: Scimus, quod tempore 
Willelmi Bastardi preclare vir indolis, cujus possessio fuit Ledebiria 
borealis, de cotu nocturno fœminarum choreantium pulcherrimam rapuit, 
de qua contractis sponsalibus fllium suscepit, cujus tam form quam 
rapine audito prodigio miratur rex et eam in concilio Londoniensi deduci 
feeit in medium confessamgue remisit. 

2 Edictum Rotharis 223 (Walter, Corp. jur. germ. 1, 722): Si quis 
ancillam suam proprism matrimoniare voluerit sibi ad uxorem, sit ei 
licentia; tamen debeat eam liberam thingare, sic Iıberam, quod est wider- 
boram, et legitimam facere per garathinx (id est per libertatis donatio- 
nem, vel per gratnitam donationem, id est morgengab); tunc intelligatur, 


458 


in frühefter Bezeichnung, den bisher aufgezäblten Todten, Geftorbenen 
(nad) dem urſprünglich participialen Gebrauche des Wortes, Schmeller 1, 
462 f.), und, im Geſetze jelbft erflärt, geben fie ven Schlüffel auch zum 
Verltändnid des nachher üblichen Todtennamens. Es ift eine rechtliche 
Sinnbildſprache, melde, fpäterhin nicht mehr verftanden, fih in Sagen 
und Märchen ausgerantt hat !. 

Miedergeburt in das irdiſche Dafein ift eine alterthümliche Form, 
unter der ſich germanifche Völfer die Erneuung des menfchlichen [8, 72] 
Lebens dachten ?. So war e3 denn aud eine fchöne, einfach und deut: 
lich redende Rechtsſymbolik, wenn man die Unfreibeit für einen Tod 
anfab, die gewonnene volle Freiheit, bei den Langobarden, als eine 
Miebergeburt bezeichnete. Jahrhunderte fpäter folgen, bei Walter Map, 
die Beiſpiele aus Groß: und Kleinbritannien von Söhnen und Enteln 
den Tobten entrifjener, wiederlebender Frauen. Gleichwohl hat das 
ältere derſelben noch entſchieden rechtsgeſchichtliches Gepräge. Edric 
beruft nah: und fernwohnenden Adel, um ſich vor verſammelter Menge 
mit ber aus dem Tobtentreife geraubten Frau feierlich zu verehlichen, 
und begibt fih dann mit ihr und zahlreichen Zeugen, auch mit ben 
Zeugniffen Vieler, die nicht ſelbſt anweſend fein konnten, an den Hof 


esse libera, et legitima uxor, et filii, qui ex ea nati fuerint, legitimi 
heredes patris efficiantur. Liutprandi leg. 106 (Walter 1, 801): Si quis 
aldiam alienam aut suam ad uxorem tollere voluerit. faciat eam wider- 
boram, sicut edietum continet de ancilla. Nam qui sine ipsa ordinatione 
eam quasi uxorem habuerit, filii, qui ex ipsa nati fuerint, non sint legi- 
timi, sed naturales. (Auch die beigefligte Formel.) 

1 Übergänge in das Gebiet der Wafferfrauen und Draden: Nugee curia- 
lium S. 77 bis 79 (Waſtinus); ©. 168 bis 170 (Henno). Bgl. Liebredit, 
Germania 5, 51. 60. 

2 Appianus, Rom. hist. lib, IV de reb. Gall. 1, $ 3, &. 74 Schweigh. 
Säm. 82b: Helgi ok Sväva er sagt at veeri endrborin. Wa: hon [Sigrün] 
var Sväva endrborin. 965: Helgi ok Sigrün er kallat at verri endrborin 
u. ſ. w. 121, 44: letia madr hana [Brynh.] | langrar göngu, | Pars hon 
aptrborin | aldri verdi! (gl. noch 129, 14.) Fornall. 8. 3, 36: berserkir 
kölludu hann [Starkad] endrborinn iötun. Nofengarten 1971: „ir [Dietrich] 
haͤnt wol gefiget, fd bin ich [Hiftebrant] wider geborn.” (VBgl. Eckenlied, Laßberg 
197 f. Säm. 81 oben.) Ein ſchwäbiſcher Minneſinger, Meinlo von Sevelingen 
(Söflingen), verfichert: „ſtürbe ich naͤch ir minne unt wiirde ich danne lebende, 
fö würbe id aber umbe daz wip“ (ME. 1. 220, 9). 


459 


des Königs Wilhelm, der fie fofort der Reichsverſammlung zu London 
vorführen läßt (eam in.concilio Londoniensi deduci feeit in medium, 
oben S. 457, Anm. 1); da jedoch die Zeit viefes Königs hundert Jahre vor 
derjenigen des Erzählers Tiegt, fo hat fich bei letzterem die finnbilbiiche 
Zugehbr ſchon zu reicherer Fabel ausgeftaltet. In beiden Fällen, mo: 
von Map berichtet, wird die Grau aus einem großen Reigen, ben fie 
mit anbern 'verftorbenen Frauen hält, nächtlich hinweggeraubt. An 
diefem älteften Todtentange betheiligen fich nur Frauen, mährend, bei 
demfelben Schriftfteller. die geipenftiichen Männer ala wildes Heer 
triegeriich oder jagbmäßig umfahren (Nuge curialium ©. 17. 180. 
oben ©. 817 f.). Der aus dem Kreife todter Gefpielen ins Leben 
Gchelten darf nicht jene frühere Genoſſenſchaft vorgeworfen werden. 
Einen andern Überreft alten Volksglaubens bat ber rechtsſymboliſche 
Zuname in die Überlieferung aus dem Hofhalt Rudolfs von Habsburg 
herbeigezogen. Nach diefem in Sagen und Xiebern manigfach ausge: 
prägten Glauben fteigt die Mutter aus dem Grabe, um ihre weinenden, 
von der Stiefmutter verabfäumten Kinder zu pflegen, ober um ben 
verlafienen Säugling zu ftillen 1; wenn daher im Albthal des obern 
Schwarzwalds eine [8, 73] Wöchnerin ftirbt, fo werben ihr gutgefohlte 
Schuhe angelegt, damit fie ſechs Wochen lang bei nächtlicher Wieder: 
kehr, um ihr vertvaiftes Kind zu fäugen, fich derfelben bedienen könne, 
ein Gebrauch, der fih auch in das Elfaß erftredt?. Ahnfrauen anfehn: 
licher Gefchlechter erfcheinen mit derſelben Mutterpflege an der Wiege 
von Kindern und Enten? Wenn nun gleich mit ſolchen Vorftellungen 


1 J. W. Wolf, Hefliiche Sagen S. 103, Nr 158. Ebd. Niederländiſche 
Sagen S. 273 f., Nr 175. ©. 408 f., Nr 8286. Brliver Grimm, Kmber- 
märchen (Tte Auflage) 1, 62 ff. 75. Die nordifchen und andre hieher einſchiagende 
Lieber verzeichnet Grundtvig, Danmarks gamie Volker. 2, 470 ff. [Bergı. oben 
©. 200. Schriften 7, ©. 419 bi 421. 9] 

2 9. Schreiber, Taſchenbuch für Beichichte und Alterthum in Sitobeutichland. 
Freiburg 1889, ©. 326. X. Stöber, Sagen des Elfaßes. St. Ballen 1852, 
8.99. [W. Herb, Deutiche Sage im Elſaß. Stuttgart 1872. ©. 28. 194. 9] 

3 Melufine: Melusine, po&me (14 siöcle) m. |. w. publ. par Fr. Michel, 
Niort, 1854, ©. 199. 200. Me&lusine par Jehan d’Arras, nouv. 6dition, 
conforme & celle de 1478 un. |. w. par M. Ch. Brunet, Paris 1861, ©. 361. 
Simrod, deutſche Vollsbücher 6, 80. Berta (weiße Yrau): Francisci, Schau- 
bühne 82 f. Deutihe Sagen 1, 357 f. Mythologie 267. 


460 


von fortwährenden Verkehr zwiſchen Hingefhiebenen und Lebendigen 
ein frembartiger Beftandtheil in die Sage vom rätijchen Ritter einge 
treten ift und ben rechtsſymboliſchen Sinn berjelben getrübt hat, jo 
läßt doch diefer, mittelft der älteren Beifpiele, ſich uoch hinreichend er 
kennen. Der Ritter felbft wird zwar bier „der Todte“ genannt, aber 
nicht er, fondern bie Mutter, war geftorben und begraben, jo daß die 
frühere Bezeichnung „Sohn der Todten“ die richtige bleibt; auf bie 
geftorbene Mutter bezüglich wiederholt ſich der alte Ausprud, daß ber 
trauernde Gemahl fie „geraubt” habe (eam rapuit), und es ıft doch 
wohl nur durch die Bermengung von zweierlei Sagen herbeigeführt, daß 
die Mutter des todten Ritter an der Geburt eined Kindes ftirbt und 
dann erſt während zweijährigen Wiederlebens zwei Söhne gebiert, deren 
einer eben der tobte Ritter heißt. Auch im Geſchlechte von Luſtnau, das 
zwar zu ben pfalzgräflichen Dienftleuten, aber zugleich zum Ritterfland 
(S. 451, Anm. 1) und deshalb nicht mehr zu den gemeinen Unfreien 
zählte (Walter, deutſche Rechtsgefchichte 1, 255), find die Todtenſöhne 
zu Tobten geworden, obgleich es doch nach der ältern Yaflung, in den 
Tiſchreden, die Mutter ift, die vom Tode wiberlehrt; der Fluch aber, 
den fie vom Manne nicht ertragen Tann, vertritt bier fichtlich den ver: 
botenen Vorwurf der Herkunft in der Sage von Edric (vgl. Rechts⸗ 
altertbümer 643, c. Graff 5, 88: biu. 6, 483: fchalhin). Die letzte 
Namendeutung, bei Erufius, welche, rein verftändig, den Edeln von 
Luftnau felbft vom Scheintod erftehen läßt, würde ſich, ſagenmäßiger 
angejeben, dem meitreichenden Kreiſe der Helgilieber zuneigen (Säm. 
945 bis 965, vgl. Grundtvig 2, 492 ff. [oben ©. 123 ff. Schriften 7, 
S. 290 fi. H.), allein fänmtliche vorhergehende Überlieferungen, vie 
ältere aus Luftnau mütbegriffen, willen nur vom Wieberaufleben der 
Frau. Wenn es aber nicht völlig übereinftimmt, daß biefe nicht an ihr 
einftige® Verweilen im Todtenreihe gemahnt werben fol und doch fie 
oder ihre Kinder [8, 74] als Todtgeweſene zugenannt werden, jo be 
reinigt fi) auch das in der älteften Quelle, dem Iangobarbifchen Rechte, 
wo fie ald MWiedergeborne begrüßt wird. 


2. 


Nun gibt e8 auch Sagen, in melden die Frau nicht von ben 
Tobten wiederkehrt, ſondern aus einem tiefen, zauberhaften Schlafe 





461 


geweckt wird. Am früheften erjcheint dieſe Fabel in den 1528 bis 1532 
erftmals gedruckten franzöfifchen Ritterroman Berceforeft mweitichichtig ver⸗ 
woben und daraus follen hier die Züge hervorgehoben werben, welche, 
mitten unter frembartigen Anfchauungen und Zufägen, namentlich aus 
Haffifcher Mythologie, auf älteren und echteren Beſtand hinweilen !: 
Als die Tochter des Fürften von Seeland 2 zur Welt fam, hatten 
fich die drei Göttinnen eingefunden, welche bei Geburten gegenwärtig 
zu fein pflegten (Zucina, Themis und Benus). Die erfte (die Geburts- 
göttin) verlieh dem Antömmlinge gefunde Glieder und geveihliches 
Wachsthum, die zweite (Schidfalsgöttin), der man beim Mable fein 
Mefier aufgelegt, beſchied dem Kinde, daß ihm von bem erften Lein⸗ 
faben, den es aus feinem Spinnroden ziehe, eine Agen in den Finger 
gehen jolle, wovon es fogleich einſchlafe und nicht wieder aufwache, bis 
fie berausgefogen jet, mas fofort die britte (die Liebesgättin) zu bes 
wirken verheißt d. Nachdem die Fürftentochter in gröfter Schönheit 
aufgeblüht, ſaß fie einmal mit zwei jungen Muhmen zufammen, aus 
ben Händen ber einen nahm fie einen Flachsrocken und fieng an zu 
jpinnen; noch hatte fie aber nicht den erſten Faden fertig gebracht, als 
fie in ſolchen Schlaf verfant, daß fie nicht zu erwecken war, nicht tranf 
noch aß und doch nicht von Fülle [8, 75] und Farbe kam“. Der Vater 


1 Das Folgende mittelft eines Auszugs der hieher bezüglichen Kapitel 46 
und 55, den mir Karl Bartſch nad dem alten Drude des Berceforeft, Band 3, 
Baris 1532, gefälligſt zugehen ließ. | 

2 Er jelbft heißt, wie auch fein Sohn, Zellandin, doch gewöhnlicher Zelland, 
die Tochter Zellandine. 

8 Blatt 155: quant elles eurent mange adonc dist Lucina: Dames nous 
auons oy bien este receues et pour ce ay ie faict naistre cest enfant a 
tous ses membres sains et entiers et en point de croistre sil est bien garde. 
Or tient a vous dame Themis qui estes deesse des destinees. Certes dame 
dist Themis cest raison mais comme celle qui nay point de eoutel ie luy 
donne telle destinee que du premier fillet de lin quelle traira de sa que- 
noille il Juy entrera vne areste au doy en telle maniere quelle sendormira 
a eoup et ne sesueillera iusques atant quelle sera succee horse. Quant la 
deesse Venus ouyt ee que 88 compaigne auoit destine a sa creaiure alle 
dist: Dame vous estes troub.ec ce poise moy mais par mon art ie feray 
tant que lareste sera succee dehors et amenderay tout. 

4 Blatt 126c.d: la ou elle seoit entre les pucelles elle se endormit 
tellement que Oneques puis ne sesueilla si ne menges ne beut puis et 


462 


läßt fie auf eines von zwei nachbarlichen Schlöffern, das Zwillingſchloß 
(castel jumel), bringen, in deſſen Thurm ihr ein reichgefchmädtes 
Lager bereitet ifl. Der hohe Thurm bat nur Ein Fenfter, nad Often; 
alle andern Zugänge, außer einem unterirbifchen, find bermauert !. 
Troilus, ein Ritter, der diefer Schönen feine Liebe zugewandt, erhält 
jenfeit8 des Meeres Kunde von ihrem Geſchick. Unter manigfachen 
Abenteuern gelangt er vor das Schloß, deſſen Zugbrüde aufgehoben 
ft. Da kommt ein großer Vogel (Zephyr, Bote der Göttin Venus) 
und trägt ibn an das Fenſter. Die umftändliche Schilderung dieſes 
Beſuchs bei der Schlafenden eignet fi) wenig in eın Buch, das ein 
Spiegel ebler Ritterfitte fein fol. Zum Abſchiede ſteckt Troilus an den 
Finger der Freundin einen Ring, den er früher von ihr erhalten hat?, 
Sie fchläft weiter wie bisher und nad) neun Monaten geneft fie eines 
Schönen Knaben. Das Kind zeigt Fein Verlangen nad) der Mutterbruft, 
Sondern ergreift ihren Heinen Finger und faugt daran, bis es huſtet. 
Die Agen ift berausgefogen und nun erwacht die Mutter. Durch das 
Senfter herein fliegt ein Vogel von munderbarer Geftalt, von ber 
Bruft aufwärts ein Weib, nimmt das Kind in die Arme, Tchlägt 
die Flügel und fliegt aus dem Fenfter mit ven Worten: „Seid unbeforgt 
um dieſes Kind!” Ihr Vater veranftaltet ein achttägiges Yelt ?. 


nempire point de couleur. Blatt 127c: elle demoura en sa chambre 
auecques deux pucelles ses cousines. Bi aduint ce mesme jour que elle 
osta des mains de Inne des damoiselles vne quenoille garnye de lin et se 
print a filler. Mais elle neut point parfaict le premier fil quant par des 
tresse de sommeil elle se coucha en telle maniere que uncques puis ne se 
esueilla, ne beut nd manges et si nempire point de chair ne de couleur 
dont chascun sesmerueille comment elle peust viure en telle maniere. 
Mais on dit que la deesse Venus quelle a seruy tous les iours la sonstient 
en bonne sanie. 

1 Blatt 4831: et pour ce quil a intention que les dieux la viendront 
garir la il si haut couchee et y a faict la fenestre deuers orient car il a 
tres grant fiance au dieu du soleil. (Bgl. 127%.) 

2 Blatt 133 a: Alors il luy trouua ung annel au doy que la damol- 
selle Iuy auoit autres fois donne au commencement de leurs amours et le 
mist au doy dont il auoit oste lautre et combien quelle ne disoit mot il 
luy diet ma chere dame et parfaicte .amye ie prens conge de vous car 
aller men conuient., 

3 Damit fchließt der mir zugelommene Auszug. 


463 


Hundert Jahre nach dem Perceforeft taucht das Märchen, rein 
vom gelehrt mythologiſchen Prunke, wieder auf im Pentamerone de? 
Baſile, einer Märchenſammlung von 1637 in neapolitanischer Mundart. 
[8, 76] Dasfelbe hat hier die Überschrift: „Sonne, Mond und Talia“, 
der Inhalt ift in der Hauptſache folgenver 1: 

Der Tochter eines hohen Herrn war bei der Geburt geweisſagt, 
daß ihr durch eine Flachsfajer große Gefahr drohe, weshalb ihr Vater 
ein ftrenges Gebot erließ, daß meber Flachs noch Hanf jemals in fein 
Schloß gebracht werben follte. Als jedoch Talta herangewachſen war 
und eines Tage am Fenfter ftand, fah fie eine alte Frau vorüber: 
geben, melde fpann, ließ neugierig diejelbe berauffommen, nahm den 
Hoden in die Hand und fieng an den Faden zu drehen, ftach ſich aber 
dabei eine Hanffafer unter den Nagel eines Fingers und fiel ſogleich 
leblos zur Erbe. Der trauernde Vater ließ die todtvermeinte Tochter 
in dem Sclofle, wo fie auf einen koſtbaren Seſſel geſetzt war, ſchloß 
alle Thüren zu und verließ den Ort bes Unglüds für immer. Als 
nun einftmals ein König auf die Jagd gieng und fein Falle, der ihm 
yon ber Fauft entkam, in ein Fenſter jenes Schlofies flog, hieß er,. 
nach vergeblichem Klopfen am Thor, eine Winzerleiter berbeiholen, um 
jelbft Hineinzufteigen und fi) umzufehben. Nachdem er das Schloß ganz 
durchwandert hatte, ohne eine lebende Seele zu finden, gelangte er 
endlich zu der bezauberten Jungfrau und rief fie an, indem er glaubte, 
dab ſie fchlafe; als fie nicht zu erwecken War, trug er, von ihrer 
Schönheit entzündet, fie in feinen Armen auf ein Lager. Hernach 
kehrte er in fein Königreich zurüd, mofelbft er lange Zeit nicht mehr 
an den Vorfall dachte. Talia aber gebar nach neun Monaten ein 
Zwillingspaar, einen Knaben und ein Mädchen, die von zwei Feen an 
die Bruft der Mutter gelegt und jonft auch jorgfältig gepflegt murben. 
As nun einmal die Säuglinge ſich verirrten und einen Finger ber 
Mutter erfaßten, fogen fie daran fo lange, bis die Agen herausgezogen 
war, worauf Talia wie aus tiefem Schlaf erwachte. Endlich kam auch 
der König, ſich erinnernd, wieder in das Schloß und war hocherfreut, 
Talia erwacht und mit zwei munberfchönen Kindern zu finden, denen 

1 Benüßt wurde hiezu die. Ausgabe des Bentamerone, Napoli 1674, 


©. 688 bis 590. (Liebrechts Übertragung 2, 195 fi. Brüder Grimm, Haus- 
märden, 2te Auflage, 8, 862 ff., Ite Auflage, 8, 290.) 


464 


er die Namen Sonne und Mond gab. Er ſagte ihr, wer er ſei, nahm 
Abſchied mit dem Verſprechen, ſie abzuholen, und gedachte daheim 
allezeit nur an fie und die Kinder. Darüber faßte feine Gemahlin 
Verdacht, ließ das Geheimnis eripähen, fanbte im Namen des Königs 
nach den Kindern und befahl dem Koch, fie zu Ichlachten und baraus 
Gerichte zu bereiten, bie fie dem Könige vorſetzen wollte. Der Koch 
aber hatte Mitleid und richtete zwei Zicklein zu, die der König fehr 
[8, 77] woblichmedend fand. Dann ließ fie auch Talia herbeiholen und 
im Hof ein großes Feuer anzünden, in das biefelbe geworfen werben 
iollte. Talia bat um foviel Aufichub, bis fie ihre Kleider abgelögt 
bätte, und bei jedem Stüde, das fie ablegte, ftieß fie einen lauten 
Schrei aus, beim letzten aber eilte der König herzu, erfuhr, was vor: 
gieng, unb befahl fofort, die Königin jelbjt in das Feuer zu merfen. 
Auch Sonne und Mond murben herbeigebracht, ber König beirateie 
Talia und diefe führte nun mit ihrem Gemahl und ihren Kindern ein 
glüdliches Leben. 

Belannt find noch die franzöfifche Faflung des Märchens bei 
Perrault um 1697 (la belle au bois dormant, Hausmärden, 3te Auf: 
lage, 3, 301) und die deutiche im „Dornröschen“ (Hausmärdhen, Tte Auf 
lage, 1, 251 ff., biezu das Bruchftüd Ste Auflage 5, 269. Deutſches 
Wörterbuh 2, 1299). | 

Als mythiſcher Grund der märchenhaften Erzählungen wird bie in 
altnorvischen Liedern und Sagen überlieferte Kunde von dem durch 
Sigurd gebrochenen Bauberfchlafe der Walküre Brünhild angennmmen 
und neben ber Ähnlichkeit in der Anlage wird hiebei diejenige in Einzel- 
zügen geltend gemadt!. Gleichwohl läßt fich nicht mistennen, [8, 78] 


1 Hausmärchen, Ite Auflage, 3, 85 (2te Auflage, 3, 87): „Die Jungfrau, 
die in dem von einem Dornenwall umgebenen Schioß ſchläft, big fie ber rechte 
Königsjohn erlöft, vor dem die Dornen weichen, ift die fehlafende Brunhild 
nad der altnordiſchen Sage, die ein Flammenmwall umgibt, den and mur 
Sigurd allein durchdringen kaun, der fie anfwedt. Die Spindel, woran fie fi 
führt und wovon fie entfchläft, ift der Schlafvorn, womit Othin die Brunhild 
fit; vgl. Erda Sämundar 2, 186. Im Pentamerone (5, 5) iſt e8 em 
Flachsagen.“ Helbenfage 834. Mythologie 890: „Dornröschen flach fi) ben 
finger an ber ſpindel und fiel im todesjchlaf, wie Brunhild vom wunſchdorn; 
die Spindel ift weſentliches Lennzeichen aller weifen frauen des alterthums bei 
Deutfchen, Celten und Griechen.” J. Grimms Borrede zu Liebrechts Pentamerone 


465 


daß, wenn die fchlafende Jungfrau der Märchen urfprünglich eins ift 
mit Brünhild, die alte Sage von diefer ihren Sinn völlig eingebüßt 
hat, da in den Märchen von dem Friegerifchen Weſen der Walküre und 
von dem Heldentbum ihres Erweckers, als ſolchen, feine Spur übrig 
geblieben if. Der bilvlihe Gebrauch des Schlafens, Wachens und 
Weckens war in älterer Sprache und Dichtung ein ſehr manigfacher. 
Himmel und Erde dufen, wenn überall Stille herrſcht!; der Wald auf 
dem Altlönig jchläft am erſten Tage bes Jahrs und ein Holzhauer, 
ber ihn wecken wollte, fand den Tod ?; „wir wollen hinter die Heden 
und wollen den Sommer wecken“, fagt ber alte Kinverreim 3; die 
Roſen, die am Zweig erblüben, find gemerkt *;- Felbfrüchte wert man 


1, ZU: „Wir wollen die deutfche erzählung zum grund legen, weil ber 
name Dornrofe (ſchlafroſe, fchlaflung) zunähft unmittelbar auf den fchlafborn 
leitet, mit welchem Odin die valkyrie Brynhild geflohen und in tiefen fchlaf 
verſenkt Hatte (vgl. deutiche myth. ©. 890. 1155); in panzer und beim ge- 
ichloffen fehläft fie auf einem flammenumgebenen unnahbaren faal des Hindar- 
fiall (bergs ter hindin, wie e8 noch in Weftphalen eine Hinnenbing, Hindin- 
burg giebt). Dem Sigurd war es vorbehalten, ihre bande zu fprengen, d. h. ben 
fchlafborn auszuziehen, worauf er ſich mit ihr verlobt und vermählt (Sämundar 
Edda 191. 192. 198). Wenn fie hörgefn, lini datrix, beißt, fo fünnte das 
bier vielleicht für fpinnerin genommen werden, ba alle valfyrien und nornen 
fpinnen.“ XV f.: „Luna und Sole ſtimmen deutlich zu Aurore und Jour, 
Talia aber ift Italia. Das merkwurdigſte jedoch fcheint mir der fliegende falte, 
weil geradefo in Völfungafaga cap. 24, als Sigurd fih Brynhilden nähert, 
fein Habicht in ihren thurm fliegt und fi) ins fenfter fett, worauf Sigurd 
nachfolgt und die (jchlafende) walkyrie findet; darin find beide jagen, foviel ſonſt 
anders ift, überrafchend gleich. Auch die eiferfucht der ihm vermählten frau 
auf Talia zeigt ein verhältnis, wie zwiſchen Gudrun und Brunhild, und ſelbſt 
das Schlafen im thurm kann der im thurm hauſenden valkyrie eigenthlimlich 
verglichen werben. Schön if der zug, daß bie ſäugenden finder die agen aus 
dem fluger ziehen; die vom tag und geftirnen bergenommenen nanıen ber finder 
kheinen ung göüttergeftalten des heidenthums zu verrathen.” Bol. W. Müller, 
Nibelungenſage 81 f. 

1 Sim. 142, 18: iörd dusadi ok upphiminn. Schmeller 1, 401: 
dufen u. |. m. ſchlummern; dämmern. Bgl. Ywein 7388 ff.: ſö der tac üebet 
manbeit unde wäfen, | fd wil diu naht jläfen. 

2 Ph. Dieffenbach, im Archiv für heſſiſche Geſchichte und Alterthumakunde 
Band 4, Darmſtadt 1843, ©. 274. 

8 Deutſche Mythologie 736. 

4 Volkslieder 116: Wolt gott, ich ſolt ir winſchen | ziwo roſen auf einem 

Upland, Schriften. VII. | 30 | 


466 


durch Gebet !; Feindeswaffen, durch Beichtwörung ſtumpf gemadht, 
fchlafen 2; fchneivende Waffen meden Blut ®; Kriegäzeichen, brennendes 
Rothfeuer, wachen 4; brandende Wellen find zauberhaft erweckt? und 
ebenfo binwider wird das weite Meer eingeichläfert®. Auch abgezognere 
Begriffe werben mittelft biefer Ausdrucksweiſe zu allegoriſcher Perſön⸗ 
lichkeit, felbit zu mythiſcher Geftaltung und Handlung berufen: Sälde, 
Heil, Glüd, Sorge, Zorn, Milde, Ehre, Schande u. dgl. wacht, iſt 
entfchlafen, wird gemedt ?. Bon hohem Alterthum [8, 79] ift nun aller 
dings in uorbifcher Dichtung und Sage das Weden des Kampfes, ver 
Schladht®, perjünlicher ver bämonijchen Kriegajungfrau, der Hilde, mag 
diefelbe allgemeiner ale Walfüre in Odins Gefolg, oder als die 


Zweig! | ach gott, jolt ich fie reden u. |. w. edlen des Zaunſieckens in einem 
Zauberſegen: Mones Anzeiger 3, 278, Nr 6. Myth. 988: vekja tröll. 

1 Angelfähfiicher Aderfegen, Myth. 1186: Aveccan päs västmas u. |. w. 

2 Segen aus einer Hanbichrift. des 13ten Jahrh. in Hoffmanns Fundgruben 
1, 343: aller miner viende gemäfen | deu ligen hiut und fläfen u. |. w. (Myth. 
lite Ausgabe, Anhang CXAXIV). 

3 Säm. 184, 80 (Lex. poöt. 8615): blöd heir vöktu. Gisl. 8. Surse. 
6. 6: ok nü vekj& peir ser blöd u. f. w. (Nechtealterthiimer 118.) Starl. 
8., Kaupn. 1818, ©. 206: par man blöd vakit u. f.w. Sn. 1, 567: 
(sverda heiti) blödvaka (Lex. poet. 66a. 84 b). 

4 Säm. 168, 18: Eld 54 ek brenna ı. f. w. vigspiöll vaka. 

3 Fornm, 8. 10, 324: at siä hinn fiölkunnigi madr vacpi upp II buda 
micla imöti konfingi u. ſ. w. (8. Ol. Tr., Shrift. 1853, ©. 43.) gi. Fornald. 
8. 1, 479: egu 1 vindi vaka. 

6 Säm. 20, 155: vind ek kyrri | vdgi 4 | ok svefik allan se. 

7 Bahlreiche Beifpiele, eines für „thin Salida“ ſchon bei Otfried, die andern 
ans mhd. Dichtern, deutſche Mythologie 322 f.; Einiges auch in der Beitfchrift 
für dentſches Altertfum 2, 586, Ann. u. Hiezu: Heinrid) von München (Maß⸗ 
mann, Kaiferchronik 3, 961 6): Dietriches zorn begunde wachen. ME. 8, 1026 f.: 
ob ich noch rehte milte müge erwekken? u. ſ. w. biu nu fläfet mit dem argen, | 
tinvel, die welfe dort din gluendiu zange! Fornald. 8. 1, 75: vekja nokkr 
vandredi. 3, 59: vakit bönord. Fornm. $. 6, 371: vekja öfter für das 
Anmahnen zur Entrihtung des Wergelds. 

8. Säm. 65, 34: vig nam at vekja. Fornald. 8.2, 276: vig vakta ek. 
&äm. 157, 77: vakdir v& mikle, er bü vätt brosdr mine (vgl. Fornald. 8. 
1, 221. 2, 34: vo vaktist har., Lex. poöt. 757: sofa. 840: v&. 8%: vo). 
Heimskringla, herausgegeben von Schöning, 6, 104, 186: vekja styr. Eäm. 
184, 76: s& vekr fin med firum. 


467 


befondre des einzelnen Helden, Brünhild Sigurbs, gemeint fein 1. Diefe, 
nah Harnifh, Kampf und Sieg benannt (Brynhildr, Sigrdrifa), iſt 
von Odin, dem Kriegsgotte felbft, mit dem Echlafborne geftochen; fie 
ſchlaͤft, vollftändig gerüjtet, in einer von mwaberndem Feuer umgebenen 
Schildburg, auf der ein Heerzeichen weht; die Brünne, bie ihr wie ans 
Fleiſch gewachſen ift, durchſchneidet Sigurd mit feinem Schwerte, nur 
ex, der Held, der von Feiner Furcht weiß, kann die Wallüre weden?, 
Bon all diefen Zügen des Kampflebens enthalten aber, wie ſchon ers 
wähnt, die Märchen nicht das Mindeſte. Selbft wenn bie deutſche Denen: . 
nung Dornröschen auf den norbiihen Schlafborn wieſe (vgl. S. 464 f., 
Anm. 1), fo it gerade dieſer Ausdruck, das Stechen mit dem Dorne, 
nicht ein folcher, der eigens mit Odin, dem Kriegs- und Siegesgotte, 
zufammenhängt; vielmehr findet er fih allgemeiner für das Verſenken 
in tiefen Schlaf gebraucht 3, dagegen [8, 80] bebienen fich die Märchen 
eines andern eigentbümlichen Sinnbild, das in ben zwei älteren Auf: 


1 Säm. 90,6: Hvar hefir pü, hilmir! | Hildi vakda, | eda gögl alin | 
Gunnar [Berbefferung für Gunoa, vgl. Säm. 3, 24] systra? 146, 14: med 
geiri gjallanda | at vekja gram Hildi. Kräkum. 26 (Fornald. 8. 1, 309): 
brördum | bitrum Hildi vekja. Bon Brynhild Säm. 128, 7: Hetu mik 
allir | u.f.w. Aildi undir hiälmi. 129, 9: alita | svefni minum. 112, 44: 
Sigrdrifar | svefni bregda; befonders aber 99, 15: Sefr ä fialli | fylkie döttir | 
biört i brynju | u. ſ. w. pü munt höggva | hvössu sverdi, | brynju riste | 
med bana Fafnis (vgl. oben Kräkum. 26: bröndum bitrum). 16: Brotin er 
brynja, | brüdr maela tekr, |er vaknadi ! vif or svefni. Bgl. Sn. 1, 360: 
bar svaf inni ein kona uk hafdi st hidlm ok brynju; hann br& sverdinu 
ok reist brynjuna af henni, ba vaknadi hon, ok nefndist Hildr; hon er 
köllut Brynhildr ok var Valkyrje. 

2 Zu den Stellen in voriger Anm. Säm. 113. 129, 9 f. Fornald. 8. 1, 
165 fi. (VYöls. 8. Cap. 20. 21.) 

3 Auf Odin und die Walküre dezüglih Säm. 112, 43: Yggr stakk Porni | 
ädr & feldi | hörgefn, hali | er hafa vildi. 1135: Odinn stakk hana svefn- 
Porni u. ſ. w. Fornald. 8. 1, 166: Ödinn stakk mik svefnborni u. f. w. 
Anderwärts (vgl. Myth. 1157) Säm. 176, 13. Fornald. S. 1, 18: stingr 
bonum svefnhorn. 1, 19: hrftr pa 1 burtu svefnporninn. 3, 303: Vil- 
hiälmr stakk Hrölfi svefnborn um nöttina u. ſ. w. 306: hann 18 til kvelds 
sem daudr, bvi svefuborninn l& i höfdi honum, hafdi Viihiälmr hann 
ekki burttekis u. j. w. til pess er hann gekk at Hrölfi ok velti honum 
med höfdina um völlinn, fell B& burtu svefnporninn. 8. Maurer, Islän⸗ 
diſche Vollsſagen der Gegenwart ©. 286: Pästingr hün srefnborn konüngssyni. 


468 


zeichnungen, in Perceforeft und bei Bafıle, noch als Ylachöfafer er: 
halten, in ben fpäteren, bei Berrault und im beutfchen Dornröschen 
jelbft, zur Spindel geworden ifl. Davon muß hier eingebenver bie 
Rebe fein. 

Kunkel und Spindel find in ver Sprache bes deutlichen Rechts 
Wahrzeichen des meiblichen Gefchlechts und Stammes, insbefonbere ber 
Hausfrau, während durch Speer und Schwert Mann und Mannsſtamm 
dargeftellt if. Den Spinnroden der Göttermutter Frigg batte der 
Norden unter die Sterne verfeßt?. Spindel ober Spinnftuhl hoher 
und frommer rauen bes Mittelalters beivahrte man als verehries An- 
benten 9, aber boch wohl jo gemeint, daß dieſe Geräthe von einem 
auch in erhabener Stellung einfach und demüthig verbliebenen Sinne 
zeugen jollten. Schon im Rigsmal ift nur noch die Stammmutter ber 
Karle, ver Gemeinfreien, nicht mehr die der Jarle, der Eveln, am 
Roden beichäftigt 4 und von ben Helbenlievern der Edda an erjcheint 
dad Wirken und Nähen in koſtbaren Stoffen als Auszeichnung vor: 
nehmer rauen 5, während die kunſtloſe Bereitung des Flachſes, felbft 
das Spinnen, immer mehr den Armen und Dienenden verblich und, 
als gezwungene Arbeit, den Stand der Unfreiheit anzeigt. So läßt 
Wernhers Mariengedicht die jungen Mädchen im Tempel loofen, melde 
den Purpur und die Seide zu kunſtreichem Bildwerk erhalten, oder welde 
den Flachs Spinnen follten; fie fürchten den rauhen Flachs und als bie 
bunte Seide Marien zufällt, beißen die andern fie ſpottweiſe [8, 81] ihre 

1 Rechtsalterthiimer 163. 171. W. Wadernagel in der Zeitfehrift für deutfches 
Alterthum 9, 533 f. 

2 Lex. myth. 104 b, vgl. 89 a. Mythologie 248. 279. 689. 

8 Nechtsalterthlümer 171. v. d. Hagen, Briefe in die Heimat 1, 210. 
Weinhold Die deutſchen Yrauen 114. Simrod, Bertha die Spinnerin 128 f. 
(Ebd. die geſchichtlichen deutſchen Sagen 129 f. 522, 42: St. Lufthilbis.) 

4 Säm. 68, 16 vgl. mit 64, 36 f. 28. 

5 Säm. 185, 13 bis 16 (Gfdrun). Fornald. 8. 1, 175 (Brynhildr). 
205. 3, 741 f. (unter bordi). Weinhold, dentſche Frauen 116 f. Dichteriſche 
Benennung für Frauen blieb gleihmohl hörgefn (mag gefn nur wieder als 
kvenna heiti, Lex. poöt. 2275. 380 a, gemeint fein, oder befiimmter als 
Geberin, Bertheilerin des Flachſes zur Arbeit, vgl. Su. 1, 384: konu skal 
kenna u. |. mw. til allra beirre luta er henni samir at vinna eda veita); 
für Sigrdrifa, doch ohne mythiſchen Bezug, Säm. 112, 48, fiir die Julänberim 
Steingerd in Kormals Gaga 218. 


469 


Königin !. Im Gubrunlieve müßen die geraubten Fürftentächter, bie 
gewohnt waren, Gold und Evelgeftein in die Seite zu legen, nunmehr 
Garn winden, jpinnen und ben Flachs bürften, edle Geburt und Ver: 
wanbtichaft fchüßt fie davor nicht ?, Auch im wein unterjcheidet die 
Beichreibung des Werlkgadens, worin ein gewaltiger Riefe gefangene. 
Sungfrauen zur Handarbeit anhält, zwifchen foldhen, deren Geſchäft 
fein beſchaͤmendes tft, die nemlich in Seibe und Gold, oder am Rahmen 
arbeiten, und den andern, welche, deſſen nicht kundig, mit Geringerem, 
namentlich dem Dechſen (Brechen) und Hecheln des Ylachjes und bem 
Spinnen zu Schaffen haben 3. Endlich Gottfrieb von Netfen, [8, 82] der 


4 Wernhers Maria, in Hoffmanns Fundgruben 2, 116 [Schriften 2, 
e. 20. H.]: | 
do wart ein flrit vil grog; die frowen murfen ir loz, 
wa ber purper unt bie fiven von rehte ſcholten beliben, 
welde under in gezäme, daz fie das befle näme. 
den ruhen bare fie vorbten; daz fie daran iht worhten, 
des wolt iegfich magebin vil gerne uber worden fin. 
Do geviel daz loz an daz kint, dannen din guten wip fint 
gefäliget unt gefegenot, daz die fiven grune unt rot 
in ir handen beliben. alſo wolte fie gefigen. 
daz die andern nämen den bare, diu vil wenigiu ſchare 
din enlie daz nibt ane nit. daz wart ouh in verwizen fit, 
daz fie durh unminne biegen fie ir funiginne u. ſ. w. 
177: die chleinen fiden fie fpan, die fie anme loze gewan, 
do die anderen den bare mufen fpinnen furmware. 
2 Gudrun (Bollmer) 1005, 3 f.: 
die mit grözen ren berzoginne wären, | 
die muoften garn winden. fi fäzen fit in ungevilegen ſwären. 
1006: Sumliche muoflen fpinnen und bürften ir den bar. 
die von höhen bingen wären komen dar 
und die wol legen kunden golt im bie fiben, 
mit edelem gefleine, die muoften arbeite liden. 
1007, 4: j& mohte ji ir adeles niht geniezen. 
1010, 4: ji mohte ir ebelen mäge dA ze Ormanie niht geniezen. 
1011: Werc din vil fmähen u. ſ. w. 
1011, 4: dannod dienten dA die arınen weifen. 
1021, 3: fiben jär bevollen leit ſi in vremedem riche 
die grözen arbeite. man hetes und kilneges kint niht geliche. 
3 wein 6186 ff.: Nũ faher inrehalp dem tor 
Ein witez wercgabem flän. | Daz was geftalt unt getän 


470 


fo unermüblih vom rothen Munde feiner Geliebten fingt, kennzeichnet 
diefe mehrfach als eine Dienende und zwar beſonders damit, daß fie 
das Dechſen und Schtwingen verftehe, ohne doch ihren rothen Mund 
beftäubt werden zu laflen!. War nun ber rauhe, gefürchtete Flacht 
Merkmal der Dienfibarkeit oder jonft der niebrigern Stellung, fo er 
Scheint e8 nur als ausgeführtere Bilderſprache, daß die an Recht und 
Standesehre ſchlafend gedachte Frau von ber Agen geftochen iſt. Die 
Spindel hat denjelben Sinn, doch bezeichnet die Agen deutlicher und 
gewährt allein bie volle Beziehung zu ben Kindern. Durch diefe wird 
die Mutter aus dem tiefen Schlafe geweckt, um ihretwillen fie ſelbſt 
zu Freiheit und Recht erhoben. Zwar gilt die Echtwerbung der Kinder 
durch fpätere rechtmäßige Ehe der Eltern für eine, unter dem Einfluß 
der Kirche, in germanifche Gefeggebungen eingebrungene Wirkung bes 
römischen Rechts; aber vie Iangobarbifchen Geſetze und Formeln über die 
Wiebergeburt (oben ©. 457 f., Anm. 2) unterjcheiven wenigftens nicht aus⸗ 
drücklich zwiſchen Rindern, welche vor oder nach Freigebung der Mutter 


Als armer Tinte gemadh; | Dar in er dur ein venfter fach 
Wuürken wol driu hundert wip. | Den wären cleider unt ter Tip 
Bil armecliche geftalt; | Irn was iedoch debeiniu alt. 
Die armen heten ouch den fin, | Daz gnuoge worhten under in 
Swaz temen witrten folde | Bon ſiden unt von golde. 
Onuoge worhten an der rame, | Der werc was aber äne ſchame. 
Unt bie des niene funden, | Die läjen, dife wunden, 
Diftu blou, diſiu dahs, | Difiu hachelte vlahs, 
Diſe ſpunnen, diſe naͤten u. ſ. w. 
Bgl. Helmbrecht (Zeitſchrift für deutſches Alterthum 4, 366) 1856 ff. 

ſo dich nf ein gebuͤwer 

nimt ze finer rehten ẽ, | jö geſchach nie wibe als me. 

hi dem muoft dA niuwen dehſen, ſwingen, bliuwen 

und dar zuo die ruoben graben. 
1 Die Lieder Gottfriebs von Reifen, herausgegeben von M. Haupt (Leipzig 
1851) 45, 24 ff.: do hoͤrte ich eine fmingen: | wan fi dabs, | war fi dabs, | 
fi dahs, fi dahs (Refr.). 4, 18 f.: f lan dehſen, fwingen in der mäze | unde 
wil behüeten, daz fi niht beftieben Iäge | ir röten munt u.f.w. 5, 11 fl.: Difie 
liet wil ich der Kieben fingen, | der ich lange ber gefungen han. I # Tan beidin 
debfen unde fwingen. 82, 12: ft fan dehſen, fwingen, beibe als fie fol. Bgl 
87, 18 f.: din daz wazzer im Irkegen | von dem brunnen treit naͤch der ſtet 
aller min gedanc. ME. 2, 1475: der Nifer Iobt die vrouwen fin | und ir 
röſelehtez mindelin. 


471 


geboren ſind, und für die erſteren zeugt eben der Gebrauch, den die 
Sinnbildſprache des Märchens als gangbar vorausſetzt. Zu dieſer gehört 
ed noch, daß, wie im Perceforeſt über der ſchlafenden Mutter ein nad 
Dften gerichtetes Fenſter offen bleibt (S. 462, Anm. 1), jo in andern 
Faſſungen die Namen der Kinder pas aufgehenbe Licht verkünden, bei 
Bafile Sonne und Mond, bei Perrauit noch treffender Morgenrötbe 
und Tag; felbit bas mag zu bemerken fein, daß einige Handfchriften 
des Geſetzes von König Rotharis Freilaſſung und Morgengabe zuſam⸗ 
menftellen (S. 457, Anm. 2). 

Die verſchiedenen Aufzeichnungen des Märchens ergänzen und bes 
richtigen fich wechlelfeitig in einzelnen Zügen, am weiteſten jedoch [8, 83] 
greift die Ungleichheit, daß im Perceforeit, alfo ber älteften Duelle, 
mie ſolche hier zugänglich war, das in der nächitalten, bem Pentame- 
sone, abſchließende Stüd mangelt, wie nemlich die vom Schlaf erfiandene 
Mutter mit ihren Kindern den Berfolgungen der biöherigen Königin 
entgebt und an deren Stelle tritt. Mag viefer Abſchluß urſprünglich 
zum Ganzen gehört haben oder nicht, jedenfalls heftätigt der ausdrüd⸗ 
liche Gegenſatz der echten und der erſt echtiverbenvden Frau den ange 
gebenen Sinn des märchenhaften Schlafens und Erwachens. Für biefelbe 
Auffaflung ſpricht endlich noch ein Umſtand, der, wie der Frauenzwilt, 
den Bezug auf Brünhild ſtützen follte (S. 464 f., Anm. 1): der Jäger 
mit dem Fallen. Im Pentameron ift dem jungen König auf ber Jagd 
fein Falle davongeflogen und hat ihn zu der Schlafenden geführt, bei 
Perrault heißt fie die Schöne, „vie im Walde fchläft“ (la belle au 
bois dormant), und der jagende Königsfohn kommt zu ihr in bas 
Schloß, das von Bäumen und Gefträuche dicht überwachſen ift; im 
beutfchen Dornröschen iſt es eine hohe Dormenhede, ſelbſt im Perce⸗ 
foreft, zwar ber früheften Niederfchrift, ın der aber gelehrte Mythologie 
den Wald am meiften verdrängt hat, flattert doch der Falle noch als 
Zephyr, geflügelter Bote der Venus. Auch der Raub der tobten Frau, 
bei Walter Map, erfolgt dur Edric Wilde (quod est silvestrie), auf 
mitternächtiger Nüdfehr von der Jagd, aus einem großen Haus am 
Rande des Waldes (venatu sero rediens ... mediam usque noctem 
viarum dubius erravit,... ad domum in ora nemoris magnam de- 
latus est, Nuge curialium 79), fodann durch den Ritter aus Klein: 
britannien, zwar ohne daß der Jagd befonvers erwähnt ift, doch glei- 


472 


falls zur Nachtzeit in einem weithin einfamen Thale (de nocte...in 
convalle solitudinis amplissime, ebd. 168). Gold wiederkehrender 
Bezug auf Jagd und Wildnis ergibt abermals einen Gegenfat zwiſchen 
echter und wilder Ehe, jener im Haufe, diefer im Walde; altn. hrisängr, 
ſchwed. riehofde (vgl, Rechtsalterthümer 734, agſ. vearges heäfod), 
Waldſohn, Walbhaupt, hießen Kinder der Waldehe verfcbiebener Art 
(Rechtsalterthümer 462, die bebeutfame Anm. **), während die geſetz⸗ 
lien dem Hausherren und der Hausfrau (Säm. 64, 25: hüsgumi, 
hüskona. 131, 10: hüsguma, hilsfreyju Fornald. S. 1, 243) ange 
hören. Der Wald ift die Zufluchtsftätte Aller, die außerhalb der 
Rechtögemeinfchaft leben; ber Verwieſene hieß Waldmann, agſ. veald- 
genga, altn. skögermadr (Rechtsalterthümer 733, vgl. Mytho⸗ 
logie 1014). Auch Edrie Wilde hatte wohl ebendaher den Beinamen, 
weil er zu denjenigen Angelſachſen zählte, welche am längften wider 
Wilhelm den Eroberer außgehalten hatten!. Freilich fiimmt das Wald» 
abenteuer des Märchens [8, 84] auffallend mit der Erzählung in Bäl- 
fungafaga, wie Sigurd, als er einen Falten verfolgt, ver ihm bei ber 
Heimkunft von der Jagd auf einen hohen Thurm entflogen und fid 
an ein Fenſter geſetzt, die bei ihrem Pfleguater Heimir mweilende Wal 
füre Brünhild am Rahmen figen fieht, fie begrüßt, ihr einen Goldring 
gibt und ſich eiblich nochmals mit ihr verlobt (Fornald. S.1, 175 ff.). 
Allein es ift das unbeftritten eine fpätere Einfchiebung; die Saga jelbft 
bemerkt, daß hier ein wieberboltes Verlöbnis beſchworen werde (For- 
nald. S. 1, 178: ok svardu nü eida af nfu, vgl. 172: betta bundu 
Pau eidum med sdr, und zum brittenmal nach berfelben Saga in 
Gunnars Geftalt, vgl. Sn. 1, 187, 362). Üverall fonft wird die Be 
gegnung und Verlobung Sigurds mit Brünhild auf das Gebirg verlegt 
und einmal ıft ausbrüdlich geiagt, daß Aslaug auf dem Gebirg erzeugt 


1 %m Domesday Book: Edric salvage, in Yahrbiiddern: Edrieus oog- 
nomento Silvaticus (Ellis, Introd. to Domesd. B. 2, 87 f. Wright, zu 
Nuge curielium S. 79). Die Erklärung dieſes Beinamens bei @ualterus 
Mapes, sic dictus a corporis agilitate et jocunditate verborum, if nicht 
genau zu nehmen; derſelbe bezeichnet eher, was bezüglich auf einen andern 
Edric gemeldet wirb: Posten udlagavit Edricus (Ellis S. 88). Bon Ebric 
Wilde bedingt fich die Heimgeführte, daß er ihr die Herkunft aus dem Walde 
nicht vormerfe (oben ©. 456: lucum unde). 


413 


fei 1, die Trauung auf dem Thurm aber gefchiebt am des Pflegvaters 
Heimir großem Wohnorte (Fornald. S. 1, 174: at einum miklum 
bee, vgl. 184 u.). Sichtlich diente dieſes Beiwerk dem Bwede, die 
Eage von ten Wölfungen in diejenige von Ragnar Lodbrok und feinen 
Söhnen überzuleiten. Mehrfach find die Anknüpfungen zwiſchen beiderlei 
Sagenwerten. Ragnar ift der Sohn eines gefeierten Sigurds, mit dem 
Bunamen Hring, bed Dänenlönigs, der in ber berühmteſten Schlacht 
des Norden? den Sieg davontrug ?; die erſte That des jugendlichen 
Helden aber ift, ähnlich derjenigen bes Wölfungs Sigurd, die Töbtung 
eines Lindwurms, wodurch Ragnar ſich die Sarlötochter Thora ſammt 
dem vom Wurme gehegten Gold erwirbt. Nach dem Hingang dieſer 
erften Gemahlin trifft Ragnar, bei einer Anfahrt an die norivegifche 
Küfte, die vermeintliche Tochter armer Bauersleute, Krala (Kräbe) 
genannt, deren Schönheit, Verſtändigkeit und Sitte ihn be[8, 85 ]ftinmt, 
fie gleichwohl fi anzutrauen, und aus biefer Berbindung erwachſen, 
wie aus der vorigen, friegerifche Söhne. Als er aber nachmals bei 
dem gewaltigen König Eyftein in Upfala fich zu Gafte befindet, bringt 
feine Gefolgſchaft in ihn, die Tochter dieſes Königs zu freien und nicht 
länger eine Bauerntochter (karledöttur) zu behalten, und es wirb fo: 
gleich die fpätere Einholung der neuen Braut verabrebet. Krala jagt 
jeboch dem beimgelommenen Gemahl, daß ihr drei Vögel fein Bor 
haben verfünvet haben und daß auch fie eines Königs, nicht eines 
Bauern Tochter fei (at ek em konungs döttir, en eigi karle), ihr 
Name fei Aslaug, ihr Vater Sigurd der Fafnistödter, ihre Mutter 
Brünhild, Budlis Tochter. Diefe Ausſage bewährt fih dadurch, daß 
dem Knaben, deſſen ſie bald darauf geneſt, eine Schlange um den 


ı Säm. 113: Bigurdr reid upp & Hindarfall u. ſ. w. & fiallinu sä 
hann liös mikit. Sn. 1, 360. Fornaid. 8. 1, 165. 187: er ek [Brynh.] 
vann eida & fiallinu. 257: ok hefr [Äsl.] Bar upp sögu, sem Pau hittust 
& fiallina Sigurdr ok Brynhildr, ok hün var byriud. 

2 Fornald. 8. 1, 288: 1 Dann tima röd fyrir Danmörku Sigurdr 
hringr; hann var rikr konfingr, ok er fregr ordinn af peirri orrostu, 
er hann bardıst vid Harald hilditönn ä Brävelli, ok fyrir honum Söll 
Haraldr. sem kunnigt er ordit of alla Nordrälfu heimseins. Sigurdr &tti 
einn son, er Ragnar höt ı. |. w. 

3 Ebd. 242: ok verdr hann uf bessu verki hardla miök fregr of Öl 
Nordrlönd, ok bidr hann nd Pöru döttur jarls. 


474 


Augapfel zu liegen fcheint (sem ormr liggi um auga sveininum), io: 
nach er auch Sigurd Schlangimauge (ormr 1 auga) geheißen wird. Die 
Heimführung der ſchwediſchen Königstochter unterbleibt nun, morüber 
blutiger Streit ausbridt !. 

Seine Laufbahn fchließt Ragnar bei einem Einfall auf die engliſche 
Küfte; dort hat er zum Kampfe den Speer in der Hand, mit bem er 
einft den Wurm erlegt (Fornald. S. 1, 281: bat spiöt 1 hendi, er 
henn vann at orminum, er l& um sal pöru). Nach dem Falle feiner 
ganzen Mannſchaft wird er, mit Schilden zugebedt, ergriffen und in 
einen Schlangenhof (ormgard) geworfen, wo er mit dem befannten 
Tobesfange (Kräkumäl) lachend verſcheidet (ebd. 280 ff. 300 ff.), wieder 
einem Nachllange der Eddalieder von Gunnars Harfenſchlag und Tod 
im Wurmgarten (Säm. 1335. 143 f. 28 bis 32. 148, 31. 155, 55. 
156, 69. 162, 17. Sn. 1, 364. Fornald. 8. 1, 219 f.). GSigurb 
Schlangenauge hat durch feine Tochter, die wieder Aslaug beißt, einen 
Enkel Sigurd Hirſch (hiörtr), angeblich den Bater von Ragnhild, ber 
Mutter Haralds, des erften Einherrfchers über ganz Nortvegen (For- 
nald. S. 1, 293; anders Heimskringle 1, 67; vol. Mund 2, 174). 
Die norwegiſche Königsreibe follte durch die Herkunft von Ragnar Lob: 
brok, dieſer jelbft und fein Haus durch die Verwandtſchaft mit ben 
Mölfungen erhoben werden (Sn. 2, 210: er Bragi lofadi freendr 
Äslaugar ᷑ Ragnars-dräpu, at hans [Ragnars] virding syndiet meiri 
en ädr var hon). Zu diefem Zweck [8, 86] arbeitet ſich Ragnars Saga 
in jene der Wölfunge hinauf und wird Aslaug, feine zweite Gemahlin, 
als eine Tochter Sigurbs von Brünhilb, in der Harfe bis nach den 
Nordlanden binübergetragen, wo von ihr große Gefchlechter ausgehen 
(Fornald. S. 1, 187. 224 ff.: hingat & Nordrlönd, Sn. 1, 370: ok 
eru padan ettir komnar störar. Fornald. 8. 1, 259: Ok nü kemr 
upp zeit Äslaugar, svä at bat veit hverr madr, at hin er dötür 


1 Fornald. 8. 1, 243. Außer obigen der Proſa entuommenen Stellen 
ſolche aus den eingeftreuten Verſen, ebd. 258: beim er ormr 1 suga (vgl. die 
zwei folgenden Strophen). 268 (Biden, auch ein Sohn von Aslang, fpricht): eigi 
er 088 1 augum | ormr, n& fränir snakar. In andern Proſaſtücken, Fornald. 
8.1, 346: p& Sigurdr; bat var mark 1 auga honum, at svä var sem orımr 
leegi um siäldrit, ok Pvi ver hann kalladr Sigurdr ormr i auge. 349: 
Sigurdr ormr 1 auga. 355. 357. 3, 10f. 14. 


475 


Sigurdar Fäfnisbana ok Brynhildar Budladöitur). Freilich aber tft, 
wie die Begegnung auf dem Thurme, fo überhaupt aud jene Eltern: 
Schaft Sigurds und der Walküre anerfannt eine Zudichtung zur Wöl⸗ 
fungenfage (Sagabibliothet 2, 94. 97. 476 bi8 478, Heldenſage 346. 850). 
Dagegen bat das anfängliche Niederhalten der fchönen Aslaug in Tracht 
und Aufzug, als ob fie, zwar nicht unfreien Leuten, aber doch armen 
bäurifchen Eltern (karl und kelling, Fornald. 8. 1, 233 f. fälseka 
karls, 1 sliku fäteki, ebd. 257) angehörte, ben gleichartigen Sinn, 
wie anderwärts bie Geburt von einer ſchlafenden Mutter, die nachmals 
geivedt wird, was eben die nur in biefem vielfältigen Sinnbild ver: 
wandte Brünbilbenfage heranzog; in der Sage von Aslaug konnte das: 
felbe nun nicht auch wiederholt werben. 

Es ift aber auch ein Umſtand auszuheben, der die Ragnarsjaga, 
nach ihrem älteften Beftande, von den Wölfungen wieder abzulöfen fich 
eignet. Nigsmal, das Eddalied vom Urfprung der verfchiedenen Stände, 
gibt dem jungen Jarl das Wahrzeichen, daß feine Augen ftechenb find, 
wie die eines Schlängleins (Säm. 65, 31: Jarl l&tu heita u. f. w. 
ötul väru augu, | sem yrmlingi), und in einem der Helgiltever, wo ber 
Königsfohn ale Muhlmagd verkleidet ift, verrathen die ſcharfen Augen, 
daß nicht Karls, gemeinen Mannes, Art an der Handmühle ftebt (Säm. 
89, 2: Hvöss eru augu u. f. w. | era Pat karls «eit | er& kvernum 
stendr [Schriften 7, S.291 f. H.). Vielfach in Lied und Sage dient ber 
ſcharfe, ftechente Blid ala Zeugnis höherer Abkunft, fo eben auch für den 
Wölſung Helgi und dann für Sigurd felbft 1; wenn aber in Ragnars⸗ 
faga und ihren Verſen noch der alterthümliche, durch Rigsmal erllärte 
Ausdruck „Schlangimauge”“ gangbar tft (oben S. 474, Anm. 1), fo läßt 
fih vermutbhen, daß dan.it vornherein noch einfach und ohne Bezug auf 
den Drachentödter Eigurd bie eble Abftammung der Ragnarsſöhne auch 
von Seiten der Mutter Aslaug, die aus ungewifier Ferne kam, be 
kundet werden follte. Wie die Frage um Ebenbürtigleit der Ehen in 
der Geſchichte germanifcher Königshäufer fich vielfältig und lebhaft be: 


1 Sigurds Augen Fornald. 8. 1, 200. Seiner Tochter Svanhild Blick 
ebd. 226. Aber auch anderwärts foldher Augenglanz, als Abzeichen höheren 
Urfprungs: Regner, des Schwebenkönigs Sohn, bei Sare ©. 70 [Schriften 1, 
&.203. H.]; Olo, däniſcher Königsjohn, ebd. 868. 370 bis 371. 392 bis 898, 
(Beziglih auf Starcather ebd. ©. 298 u.) 


476 


wegt (Rechtöalterthümer 438 bis 440. Waik, deutiche Verfaffungs:[8, 
87lgeichichte 2, 125 bis 128. Weinhold, deutfche Frauen 284 bis 290), 
fo konnte die Behandlung besfelben Gegenftands auch im Gebichte nicht 
ausbleiben. Hat ein beldenhafter König von feinen Ausfahrten eine 
Gemahlin herrlicher Geftalt heimgebracht 1, wohl beichaffen zur Ahnfrau 
eines mächtigen Geſchlechts, fo muß diefelbe aus zeitweiliger Verdunk⸗ 
lung, aus dem Herumirren im Wald und am Seeftrande, fagenmäßig 
oder finnbilplih, in den angebornen Glanz und Ehrenftand mit ihren 
Kindern wieder hergeftellt werden ?. Ahnliches, wie im Norden mit 
Ragnar und Aslaug, begibt ſich bei den Angelſachſen, von denen auch 


i Fornald. 8. 1, 244: hün [Kräka] var allra kvenna venst, en här 
hennar var svä mikit, at tök [&] iörd um hana, ok sv& fagrt sem silki 
u. ſ. w. 246: har hennar var biart ok sem & gull eitt sei. Aud in ber 
Sage von Edric Wilde, Nuge curialium ©, £0: Erant autem pulcherrime 
aspectu u. |. w. majoresgue nostris et proceriores. Unam tamen inter alias 
notavit u. |. w. ceteris forma facieque prestäntem, super Omnes regum 
delicias desiderebilem. &. 81: maximum erat fatalitatis argumentum in- 
visa prius et inaudita species mulieris, et cum stupore omninm remissi 
sunt ad propria. 

2 Anperfeits läßt ein Stitd der Saga von Hernör und Heibref den Sohn 
einer huniſchen Königstochter, welche der Reidgotenkönig Heidre! kriegsgefangen 
als Kebfe (frilla) weggeführt und im nächſten Jahre zurüidgeichidt hat, in 
eigener Kraft und Schönheit fidy erheben (Fornald. 8. 1, 455: var hann kal 
ladr Hlödr; hann var allra menna fridastr synum, ok Pötti afbragd 
annarra manna begar & finga aldri). Hlöd ift mit Waffen und Roſs, mit 
ringumwobnem Helme (hiälmi hringreifdum), im heiligen Walde geboren 
(borinn ... & mörk hinni helgu, ebd. 491; die vorangefidte Deutung bes 
Sagenfchreibers erſcheint nicht ausreichend). So Hält er fidh für befugt, nad 
dem Tode Heidreks von deſſen echtem Sohne gleiches Erbtheil zu verlangen, ein 
alter Held am reidgotiſchen Hofe findet aber ſchon das Drittheil zu reichlich, das 
der Bruder dem Sohn einer Magd (pyar barni,-nadyher ambättar son) ge 
boten, möchte diejer auch ein geborner König fein (ok hött 86 borinn konüngr, 
eben die Geburt mit Ringhelm und Nofs); der Kebsiohn ſaß auf dem Hügel 
(d. b. außer dem Haufe, wie bie Hirten, Säm. 4, 84. 59, 4; vgl. Lex. poät. 
304 a), als der Edling erbtheilte (PA hornüngr | & haugi sat, | er ödlingr 
arfı skipti, dies wohl ſprichwörtlich, ebd. 495, vgl. Rechtsalterthümer 475 f.). 
Die Berfe im Fornyrdalag über den eigentlichen Erbhandel. gemahnen im 
Manchem alterthlimlicher, als was über die große Brüderſchlacht nachfolgt, im 
welcher Hlöd erichlagen wird. Gefangene Königstochter, bedroht zur brinte, 
tebefe, herabgemwitrdigt zu werden: Gudrun (Bollmeis Ausgabe) 1029 f. 


477 


noch die Edriesſage ftammt, mit dem erften Dffa und jeiner Heim: 
geführten. Derfelbe verirrt auf der Jagd und trifft im dichten Walde 
die derftoßene, den wilden Thieren ausgefehte Tochter des Königs von 
York, die er zu einem Einfiebler und von da zu den Seinigen bringt, 
nachher aber, vor allen Andern Föniglihen Stammes, zur Gemahlin 
wählt. Nochmals wird fie, jetzt mit mehreren Kindern, mittelft Fälſchung 
eines Briefs, den Dffa aus dem Feld erläßt, in ven Wald verwieſen 
und bort mörberifch der Kinder beraubt, die jeboch der hülfreiche Ein: 
fiedler durch Kreuzeözeichen und Gebet aus dem Tob ind Leben ruft. 
Bon neuem auf der Jagd findet König Offa die ſchwer Vermiften [8, 88] 
wieder und der Einfiebler läßt fi die Stiftung eines Kloſters ange 
loben . Die eine Heimbolung aus der Wildnis ift hier verzmweifacht 


1 Vita Offe primi (hinter Matth. Paris, hist, maj., herausgegeben von 
Bats, London 1684) S. 9665: Et cum rex more juvenili venatus gratia 
per nemora frequenter, cam suis ad hoc convocatis venatoribus et canibus 
sagacibus, expeditus peragrasset, contigit die quadam, quod aöre turbato, 
longe a suorum caterya semotus, 80lus per nemoris Opaca penitus ipsorum 
locoram, nec non et fortun® ignarus, casu deambulabat, Dum autem sic 
per ignota diverticula incautius oberraret et per invia, vocem lachryma- 
bilem et miserabiliter querulam hand longe a se audivit, cujus sonitum 
secutus, inter densos frutices virginem singularis forme et regii appa- 
ratus, sed decore venustissimam, ex insperato reperit u. |. w. Erat autem 
reguli cujusdam filia, qui Eboracensibus preerat u. |. w. S. 966: Hæco 
igitur sola, relictis multis, etiam regalis stemmatis, sibi oblatis, compla- 
cuit illamque solam in matrimoniam sibi adoptavit. Cum autem eam 
duaxisset in uxorem, non interveniente multa mora, elegantissime former 
utriusque sexus liberos ex eadem procreavit m. |. w. ©. 967: Apparitores 
matrem cum piguoribus suis in desertum vastissimum trabebant. Matri 
vero propter ejus formam admirabilem parcentes, liberos ejus, nee forms, 
nee sexui, wetati vel conditioni parcentes, detruncarunt membratim u. |. w. 
Mira fidei virtus et efficacia, signo crucis vivifice et orationis ac fidei 
servi Dei virtute, non solum matris orbate animus reparatur, sed et ſilio- 
rum corpnscule in pristinam et integrum naturs sunt reformata decorem; 
nec non et anime mortnorum ad sua pristina domicilia sunt reverse u. |. w. 
&. 967: Consilio igitur peritorum, gui noverant, regem libenter in tem- 
pore prospero in studio venatico plurimum delectari, convocantur vena- 
tores, ut rex spatiaturus venando, dolorem suum diminueret et Iuctum 
solatio demulceret, Qui inter venandum dum per sylvaruım abdita, Deo 
misericordierum et totius consolationise ducente, feliciter solas per invia 
oberravit et tandem ad heremitorium memorati heremit® directe pervenit 


478 


und die rechtsſymboliſche Wiederbelebung zum frommen Wunder ge 
worden. 

In der Gejehgebung und in Geſchlechtsnamen, im Mythenlied 
und in der Saga, in ber Legenne und im Märchen zeigten fich die 
Sinnbilder des Todes und Wiederauflebens, des Schlafes und Er: 
wachens auf den Abgang und die Erlangung, den Berluft und bie 
Herftellung des freien ober höheren Standes angewandt. Die Behand: 
lung und der Ausdruck ift ſehr verjchieben, deutlich aber wortlarg, um- 
ſtändlich aber getrübt und zerfloflen. Bringt man jedoch diefe manig- 
fachen Erzeugniffe in Zufammenhang und Bergleihung, fo dienen fie 
einander gegenjeitig, Mangelndes zu erjegen und Ungehöriges abzu: 
ftoßen. Auch die Todten von Luftnau hatten Anſpruch, aus jolchem 
Gejammtlreife zu beſſerem Verſtändniſſe gebracht zu werden, indeß fie 
jelbft wieder nach andern Seiten aufbellten. Die ſprechendſten Beweis: 
mittel aber find für den Sinn bes Erftehend vom Tode die lange: 
bardiſche Rechtsformel, für die Debeutung bes Ermedens vom Schlafe 
die Flachsfajer 1. 

26ten. Februar 1862. 


ejusque exiguum domicilium subintrang humanissime et cum summo 
gaudio receptus ıı. |. w. Vivit uxor tua cum Jiberis tuis in omni sospi- 
tate restauratis. 

1 [Man vergleiche auch Felix Liebrecht, Die Todten von Luftnau, in Ger⸗ 
mania 13, Wien 1868, ©. 161 bis 172. 9.) 


2, 344) Zur denffhen Heldenſage. 
1. Zigemund und Sigeferd. 


Eine vielberufene Stelle des Beowulfliedes (Ausgabe von Thorpe 
1739 ff.) beirifft den Drachenkampf des Wälſings Sigemund. Fällt 
auch die Abfaffung bes Gebicht? um Jahrhunderte jpäter, als die Ein- 
wanderung ber Angelfachien und als ihre Belehrung zum Chriſtenthum, 
von deſſen mildem ‚und fittlidem Geifte der Erzähler durchdrungen it, 
fo haftet jenes doch feinem Hauptbeftande nah an den Nachbarländern 
ber altanglifchen Heimat, Dänemark, Jütland, Weftgotbland, mit Einem 
Worte des Liedes: den „Scedelanden“!, und an bortiger Helbenfage 
aus heidniſcher Vorzeit. Epiſodiſch wird aber auch die deutſche Nord⸗ 
feelüfte heveingegogen und Helden dieſes Bereichs find eben Sigemund 
und fein Neffe Fitela. Nachdem Beomulf den mörberifchen Meerunhold 
Grendel durch Abreißung des Arms aus der Halle des Dänenkönigs 
Hrodgar vertrieben hat und hierauf die Spur des Todwunden bis zur 
See, in deren Grund er fich verblutet, verfolgt worden ift, erhebt auf 
dem Heimritt, zur Abwechslung mit den Wettrennen ber rüfligen 
Jugend, einer der Königamannen, alter Sagen und Sänge kundig, 
den Preis Beowulfs, deſſen Heldenthat ex denen Sigemunds an bie 
Seite fteli. Er hat deren mande noch unbelannte gehört, Kämpfe 
und weite Fahrten, Feindſchaften und Frevel, einzig mit Fitela voll- 
führt, namentlich erzählt er, wie dieſe beitändigen Nothgefellen, Oheim 
und Neffe, viele des Jütenſtammes 2 nie[2, 345]berftredten und wie für 


1 Beomulf 38: Scede-landum in. Bgl. Bouterwek, Germania 1, 886 
und in der Zeitjchrift für dentſches Alterthum 11, 67. 

2 Beowulf 1771: Eotena cynnies; Die Drude von Kemble und Thorpe 
ſetzen eo ebenſowohl wenn von Rieſen oder andern Ungethilmen die Nede if 


480 


Sigemund befonders hoher Nachruhm erwuchs, feit er den Wurm er: 
ſchlagen, den gierigen Hüter bes Horts, unter grauem Steine, ex allein, 
ohne Fitela, nur mit des burchbohrenden Schwertes Hülfe (vgl. 5744), 
worauf er mit dem leuchtenden Schate das Seebot belud, ver Sohn 
Mälfes, der Reden berühmtefter weithin über das Menfchengefchlecht, 
der Kämpfenden Troft, fruchtbarer an Helventhaten (1804 f. vgl. mit 
47 bis 50), denn nachmals Heremod, der in der Jüten feindliche Ge 
walt fam, während bei den Scyldingen (Dänen) Boll und Fürften: 
fühne ſchutzlos blieben 1. 

Das Verhältnis diefer kurzen Angaben zu den altnorbifchen und 
deutſchen Überlieferungen ift mehrfach erörtert worben ?, dabei blieb 


(224 ff.: eötenas and ylfe, | and orcneas, | swylce gigantas. 846: estens 
cyan = 848: niceras. 1341 und 152: eöten, Brendel), als wo der Zuſammen⸗ 
bang die Jüten, den Bollsftamm, erheiſcht (außer 1771, f. 1809 ımb 2294: 
mid Eötenum. 1, 2184: Eötena treöwe. 2180 und 2286: Eötena bearn); 
für beide Fälle ift nicht der Diphthong es, fondern die Brechung eo anzuneh- 
men; dieſes Gleichlauts unerachtet (Über die verſchiedene Abftammung |. Sprachg. 
736 f.) befteht aber nicht derfelbe Grund des gemeinfamen n für eotenas umb 
Eotenas = Eotas, erftere find die Mehrzahl von eoten m. altn. iötunn, ba 
gegen ift Eotaland bei Alfred (Beda 4, 16) provincia Jutoram, Widſidh 54 hat 
Ytas — Eotas, altn. Ioter, die agf. Chronik (Ingr. 14) aber auch Iutnacynn, 
und bei Alfred lautet eine andere Lesart Ytena land, zur Bezeichnung bes 
Bolkes und Landes. Gleicherweiſe wechjelt in andern Bollsnamen ſtarle mit 
ſchwacher Form, Beowulf 2418 und 5816, aud Widſidh 137: Frysum neben 
Beowulf 2191: Fresena cyn, 2212: Frisna hwyle (Sprachg. 669); Beomwulf 
5816 und Wipfioh 49. 137: Froncum neben Beowulf 2424: in Francna fedm; 
ebd. 416: Gesta ledda u. f. w. (vgl. Widſidh 117) neben 891: Geötena ledde 
und dem nom. sing. Gedta, 1207 u. ſ. w.; Widſidh 63: Syugum neben Finnsb. 
49: Becgena ledd. 

I Die Anknüpfung an Heremod läßt ungewis, ob biefer überhaupt nur, 
zu feinem Nachtheil, mit Sigemund und Beowulf verglichen werden follte, wie 
mit letzterem nochmals fpäterhin (3423 fj.), oder ob nicht Sigemund und Here 
mod zuvor auch Kriegsgenofien wider die Füten waren. Am Hyndlaliede (Str. 2, 
Mund 67) find fie, ald von Odin mit Waffen VBegabte, zufammen genannt. 

3 Außer den Erklären des Beomulf ſ. befonders W. Grimm, Heldenjage 
14 fi. und J. Grimm in der Beitfchrift für deutfches Alterthum 1, 2 fi. Zu 
den an lebterem Ort aufgewiefenen ahd. Namen Welifunc und Gintarfizilo 
fommen noch: in einer falzburg-kärnt. Urkunde von 928 einfach Fizzilo und in 


einer ſolchen von 980 Uneliſinch (Archiv für Kunde öfterreichifcher Geſchichtsquellen, 


Stes Heft, Wien 1849, ©. 18 f., vgl. Mone, Anzeiger 5, 484. Ebd. Unter 


481 


zwar die Belanntichaft des angelächſiſchen Dichters mit den in der 
Mölfungenfage dargelegten Abenteuern Sigmunds und Sinfiötlis nicht 
unbemerkt 1, zugleich aber ſtellte ſich die bedeutende Verſchiedenheit her: 
vor, daß im Beomulf die Erlegung eines fchaghütennen Wurms dem 
Bater Sigmund beigemefien wird, die man auf den Grund der ander 
wärtigen Meldungen lediglich dem Sohne Sigfrib anzueignen und für 
einen mejentlichen Theil feiner Sage anzujehen gewohnt ift. Dennoch 
fann jenes alte, beſtimmte, auf reichere Kunde von Sigmunds Thaten 
ſich berufende Zeugnis nicht leichthin abgewiefen [2, 346] oder durch bloße 
Verwechslung erklärt werben (vgl. Heldenfage 16. 132). Selbft die 
deutfchen Lieber, nad) melden Sigfrid einen Lindwurm ober Flug⸗ 
brachen tödtet, laſſen ihn nicht diefem, fondern den Nibelungsföhnen, 
den Hort abgewinnen. Die vomehmfte Gewähr aber findet das Anrecht 
Sigemunds im Zufammenbang und der Bebeutung des ihm zugetbeilten 
Heldenwerks. 

Der Kampf mit dem Drachen iſt ein vieldeutiges, je nach Voll: 


fuchungen 97); die Form Sintarfezzil (Urkunde von 909, bei Ried) zeigt bereits 
den Übergang von fizil, petilus, .n das nahelautende fezzil, m., faseiola, bal- 
teus, faidilus (Graff 3, 736 f.), und in diefe Richtung fällt wohl aud das im 
15ten Jahrh. erſcheinende Wort fchintfeffel, m., Troßbube, Rotterbube (vgl. Schmeller 
3, 371. 9. Keller, Schwäne 46: Gegenſatz von fonig und ſchintfeſſel. Ebd. 
Fasnachtipiele 254, 18: du ſchintfeſſel). Für J. Grinms Auffaffung fizil, 
petilus, im Sinne der gefledten Mifchart, der unechten Abtunft (Sinfiötli war 
Sigmunds Sohn und Neffe zugleih, Fornald. S. 1, 135: banr er bedi 
sonarson Ok dötturscn Völsüngs konüngs, vgl. Säm. 87, 40: stiupr vartu 
Biggeirs), aber auch für frühes Überfpielen in die Bebentung fasciola, ſpricht 
ihon eine Stelle bei Paulus diaconus, hist. Langob. (Aug. Vind. 1515) 1, 24: 
Tunc regis alter qui aderat filins... Langobardos injuriis lacessere cepit, 
asserens, €08, quio suris interius candidis utebantur fasciolis, equabus, 
guibus cruretenus pedes albi suns, similes esse, dicens: fetiles sunt eque, 
quas simnlatis (vgl. gl. Trev, bei Graff 3, 426: petili, qui albos peder 
habent) ı. |. w. Ein Held konnte gleichwohl Fitela, Sinftötli heißen, wie der 
normännifche Eroberer fich feibf nannte: ego Wilhelmus, cognomine bastar- 
dus (beutjches Wörterbuch 1, 1150). 

1 Da von beiden gemeinfam verlibten Frevelthaten ift im Beowulf mit 
demfelben Worte gedacht (1762: feehde and fyrena), unter dem fie im Helgi- 
Iiede dem Sinfiötli vorgeworfen werden (Säm. 87, 40: gördir Pik fregjan 
af firinverkum, Heldenfage 16, im Beomulf ift der Anreim fechde and firene 
formelhaft wiederfehrend: 274. 308. 4953). 

Utland, Schriften. VIII. 31 


482 


und Landesart manigfad) angewandtes Sinnbild. Zu ber gleichfalld 
altherfömmlichen Verbindung des Drachen mit dem Horte Ing der erſte 
Anlaß darin, daß die Schlange, als Bewohnerin ber Erphöhlen und 
Steinflüfte, mit ihren immer offenftehenven Augen, über dem unter 
irdifch verborgenen Gold und Ebelgelteine zu wachen fchien 1. In ihre 
Geftalt verwandelt fih dann auch der Menſch, der miögünftige und 
argwöhrifche Hüter feines aufgehäuften Schakes; fo in der Sigurdſage 
Fafnir, der giftſprühend auf dem an ſich geriffenen Vatererbe liegt 
(Säm. 1060. 1080. 109, 18), und noch einer der tapfern Jomswi⸗ 
finge, Bui, der von feinem geenterten Schiff, in jeder Hand eine Kifle, 
über Borb fprang und verfanf, weshalb die Sage gieng, er fei zur 
Schlange geworden und liege auf feinen Goldkiſten (Jömsvik. S. 6. 44, 
Fornm, 8. 11, 139, vgl. ebd. 6, 143); angebeutet ift die Verwand⸗ 
lung auch bei Sigemunds Draden: „ver Unfelige batte mit Kraft er 
rungen, daß er des Ninghortes genießen jollte nach eigenem Bebünfen“ 
(Beotwulf 1790 ff.). Dieß find allgemeinere Sagenzüge, für das Beo: 
wulflied aber taugte Sigemund in der beſondern Eigenſchaft ala See: 
held. Er holt den Drachenhort zu Schiffe und in ber almordiſchen 
Saga, wie in ben betreffenden Stüden der Liederedda, ericheint das 
Reich der Wölfunge überall ala ein Küftenland, ihre Ausfahrten ge 
heben zur See und ihre Feinde legen mit der Flotte an, den tobten 
Sinfiötli trägt Sigmund in den Armen nad einer Seebucht; dieſes 
Reich wird bald Hünaland genannt, bald kenntlicher Frakkland ?, und 
in der Beit, da der Volksname Franken kaum erft aufgetaucht ift, um 
das Ende des Sten Jahrh., bat dieſes Bolt von feinem niederländiſchen 
Gebiet aus ſich bereits durch Fede und weitſchwärmende Wilingfahrten 


1 Phädrus, fab. 4, 119: ad draconis speluneam intimem, | cusie 
diebat qui thesauros abditos u. f. w. (ſchon als Bild des Geizes) Fens, 
de signif. verb. 1. 4: dracones... clarissimam dicuntar habere oculoram 
sciem, qua ex causa incubantes eos tlesauris custodie causa finxerunt 
antiqui. 

2 Säm. 97: Bigmundr Völsungsson var konungr & Frakklandin.j.w. 
För Sigmundr h& sudr 1 Frakkland til bess rikis er hann ätti har. Ex. 
Arn. 1, Form. 26: Enn Pridi son Ödins er nefndr Siggi, hans son Verir. 
beir längfedgar rödu par fyrir, er nü er kallat Frakland, ok er baden 
sü ett komin, er köllut er Völsüänger (vgl. Fornald. S. 1, 320. 323). 


483 


ruchtbar gemacht 1. [2, 347] Nirgenbö jedoch wurde das Wikingweſen 
ſchwunghafter und anhaltender betrieben, als von den Norbleuten, «8 
galt für einen Hauptberuf der Rüftigen. Nordiſche Könige und Königs: 
föhne, ſelbſi den heiligen Dlaf nicht ausgenommen, betheiligten ſich 
eifrig an ber Beutefahrt (Zeuß 522 f.), man hieß das „fh Gut und 
Ruhm eriwerben“ 2. Zugleich ift nun auch in den Sagen bed Nordens 
der Drachenkampf um ben Hort, wie beim Wälfing Sigemund, ein 
Sciffabenteuer, das von den namenkunbigften Helden ber Vorzeit bes 
ftanden wird. Saxos Frotho I finnt auf Mittel, bei Erichöpfung bes 
väterlihen Schages fein Kriegsvolk zu erhalten, und fährt ſodann, auf 
den Anruf eines Mannes, in bem fi) Odin erratben läßt 3, allein wie 
Sigemund, nad einer Inſel, wo er bem giftipeienden Wurne, der den 
Hort im Berge bewacht, denſelben abkämpft und im Schiffe heimbringt 
gleichen Inſelkampf berichtet Saxo von Fridlev U (1, S. 271 f.) und noch 


i Mamert., genethl. C. 7: transrhenana victoris et domitis Oppressa 
Francis bella piralica Diocletianum votorum compotem reddiderunt, Eu- 
menius, pauegyr. Constautio 6. 18: Recursabat quippe in animos illa sub 
divo Probo ct paucorum ex Francis captivorum incredibilis audacia, qui, a 
Ponto usque correptis navibus, Greciam Asiamque populati, neo impune 
plerisque Libyæ litoribus appulsi, ipsas postremo navalibus quondam vic- 
toriis nobiles ceperant Syracusas et immenso itinere pervecti Oceanum, 
qua terras irrupit, intreverant atque ita eventn temeritatis ostenderant, 
nibil esse clausum piraticee desperationi, quo navigiis pateret accessus. 
Nazarius, panegyr. Constantino &.17: Franci ipsi, prester ceteros truces, quo- 
rum vis, yunm ad bella eflervesceret, ultra ipsum oceanum wsta furoris 
evecta, Hispaniarum etiam oras armis infestas habebat u. f. w. (Zeuß 829. 
W. Wadernagel in der Beitfchrift für deutſches Alterthum 9, 575). 

2 8. Häkun. göda (Heimskr.) C. 4: hann [Eirikr] herjadi um Skot- 
land ok Sudreyjar, Irland ok Bretland, ok afladi sör ev& fär. Fornm. 
8. 4, 24: Haraldr konung för eitt sumar 1 hernad 1 Austrveg, at afla 
ser fir. Sn. 1, 580: Drengir heita üngir menn bülausir, medan Beir 
afla ser fiär eda ordstir. 

3 Ingl. ©. C. 7: Ödien vissi of allt iardf®, hvar folgit var u. ſ. w. 

4 Saro, herausgegeben von P. €. Müller, 1, S. 61 ff. Die Worte: Frotho 
_ solitarius in insulam trajieit, ne comitatior belluam adoriretur, quam ath- 
letas aggredi moris fuerat, flimmen mit Beowulf 1779: he [Sigem.)] under 
härne stän n. |. w. | äna genedde | fre&cne dede: | ne wäs him Fitela mid. 
Vgl. ebd. 5074 bis 5076. Säm. 99, 11: Mundu [Sigurdr] einn vega | orm 
inn fräna u. ſ. w. Ribelange 89: Da der helt aleine An alle helfe reit u. |. m. 


484 


Ragnar Lodbrok, der gewaltigfte Seelönig und dad Haupt eine beer: 
fahrenden Gefchlechts, beginnt, obgleich auf der Grenze geſchichtlicher 
Zeit ftehend, feine Laufbahn vorbebeutfam mit der Erlegung eines 
golpbrütenden Lindwurms (Fornald. S. 1, 237 ff. Sapo 1, 443 f., 
vgl. 1, 334 f.). Schon dieſe Zufammenftellungen mögen die Anficht 
begründen, daß Wilingbeute und Drachengold dasſelbe feien, doch Tann 
noch ein beſonders anfchaulicher Fall zur Beftätigung dienen. Das 
iSländifche Landnamabuch melbet einfach, daß Thorir, der Sohn eines 
der erften Einwanderer, auf Kriegsfahrt in der Finnmark Gold erlangt 
babe und fortan ein mächtiger Mann gewefen fe. Bon biefem Gold» 
thorir gibt es aber eine eigene, im Landnamabuche felbft genannte 
Saga, in welcher das Abenteuer fo überliefert ift: der mittellofe Thorir 
wird im Traumgefihte von einem Verwandten, König Agnar, nach 
den Finnmarken gewieſen, wo ber Wiling Wali in Drachengeftalt über 
[2, 348] vielem Golve brüte; ſofort reift er mit feinen Pflegbrübern zum 
Gebirg am Meere, wo er in einer Höhle die Dracden mit dem Helm 
auf dem Haupte und dem Schwert unter den Schwingen fchlafend 
findet, die meiften mit ihren eigenen Schwertern töbtet und das Gold 
erobert. Weiter auögefponnen ift die Kunde von Walt im Anhang einer 
dritten, vomanhaften Saga; bier entflieht dieſer Wiling aus einem 
verlorenen Seegefechte mit zwei Golbfiften auf ein Borgebirg; auch 
tabin verfolgt, ftürzt er fich nieder in einen Stromfall, feine beiven 
Söhne folgen ihn, fie werden alle drei zu Flugdrachen und liegen in 
der luft unter dem Waflerfalle, mit Helm und Schivert, auf dem 
Golde, bis Goldthorir dort eindringt 1. Dffen ftellt fich in biefen drei 
FSaflungen der eigentliche Ausprud neben den bilblichen, der bis in das 
gänzlich Märchenhafte überjchweift . Die gemwaltthätige Bereicherung 
auf fernen und vermwegenen Seefahrten wurde burch das dichteriſche 
Mittel des Kampfes mit dem Drachen ober auch mit den Geſpenſtern 
erbrochener Grabhügel in geheimniövollen Glanz gehüllt. 

Man müfte fih mundern, wenn bie Dracdenjage, die dem now 


1 Landnämabök P. 2, K. 19 (Isl. S. 1, 95 f.): Pörir für Gtan, ok 
var 1 hernadi; hann f&kk gull mikit & Finnmörk u. |. w. Porir var it 
mesta afarmenni. P. E. Müller, Sagabibl. 1, 101 f.: Auszug der unge 
drucdtten Gullböris-Saga. Halfd. 8. Eysteinss., C. 26 (Fornald. 8. 3, 556 fi.). 

2 Ein „wazzermäre* vom Golbland: Gudrun (Bollmer) 1128 fi. 


485 


diichen Seeleben jo manigfady angeeignet werben ift, von ber alt 
mythiſchen Auffafiung des Meeres felbjt unberührt geblieben. wäre. 
Nach diefer ift das fluthende Meer die mächtige Bewegung bed Mid: 
garbivurms, der erbumgürtenden Schlange, deren Ungeftüm von Thor, 
dem Schutzherrn ber Menfchenftämme, befämpft wird. Ein Ehrenname 
dieſes Aſenkämpen ift „des Wurms Alleintödter” (Säm. 38, 22: orms 
einbani,, vgl. S. 483, Anm. 4). In der Endeszeit fchwellt die Mibgarb- 
Schlange, ans Land ftrebend, die MWogen, fie bläft dann ihren Eiter, 
ihr Gift, fo gewaltig auf, daß Luft und Meer davon gänzlich über- 
Iprengt wird und daß Thor felbft, der fie mit dem Tobesftreiche trifft, 
nachdem er neun Schritte zurüdgemichen, von dieſem Gifthauche leblos 
niederfinlt 1. Das Eiterblajen, Giftfpeien, auch bei andern Drachen» 
kämpfen ver berfümmliche Ausdruck?, wird, wie hievor vom Gifcht des 
[2, 349] tobenden Meeres, ebenfo in einem Skaldenliede für das Braufen 
reißender, von Thor durchwateter Bergftröme gebraudht ®; der Wafler: 
ſturz beißt weiter in ber Dichterfprache Ylugftrom * und demgemäß 
werben die in die Stromjchnelle fpringenden Wilinge der Sage. von 
Bulltborir zu Flugdrachen 5. Zurüdgeführt auf jene Vorftellungen, bie 
in den Göttermythen noch verftänblicher behalten find, erfcheint nun 


1 Säm. 6, 49: ormr knfr unnir. Sn. 1, 188: b& geysist hafıt & 
löndin, fyrir bvi at Pä snyst Midgardsormr 1 jötunmöd ok sekir upp 
& landit u. |. w. Midgardsormr blass svä eitrinu, at hann dreifir lopt 
öll ok lög. 1, 190 f.: börr berr banaord af Midgardsormi, ok stigr hadan 
braut IX fet; pᷣâ fellr hann daudr til iardar fyrir eitri pvi, er ormrinn 
blass 4 hann. Säm. 6, 55. Schon bei Thors früheren Zufammentreffen 
mit ber Meerfchlange heißt es von diefer, im Staldenlied und in ber Profa: 
bl&s eitri, eitrinu, Sn. 1, 414. 110. 

2 Bon Fafnir Säm. 180 a: bl&e hann eitri. 109, 18: eitri ek fneesta. 
Fornald. S. 1, 160: hann fnysti eitri alla leid fyrir sik fram. Bgl. Saro 1, 
©. 62: rapida jactatum fauce venenum. 1, S. 444: pertinaci romitu ac 
veneno conspuere decertabant. Exon. 156, 32 ff.: on vyrmes bleo... atire 
spiovdon. 

3 In Eilifs Thoredrapa, En. 1, 294: par er eitri ... biodär fnestu. 

4 ©. Egilsfon, Lex. post. 17a: Llugstraunr, m. rapiditas flaminis 
(Grett. 8, 69, 1). Auch vom Meere, ebd. 1866: flugastraumr, m. rapidus 
zstus maris (Sn. 1, 328). 

5 Fornald. 8. 3, 558: Hellir etôr var undir fossinum, ok köfadu 
beir fedgar hängat, ok lögdust & gallit, ok urdu at flugdrekum. 


486 


aud der Inſel- und Stranddrache Sigemunds und der cıden See 
könige als das fturmuolle Meer felbft, dem der gefährliche Goldhort 
abgelämpft werden muß. Wo der Held für feinen Theil mit riefen 
baften Naturgewalten zu ringen bat, die im MWeltganzen der Gott 
bändigt, ba beivegt fich die Heldenfage in derſelben Symbolik mit ber 
Götterfage. , 

Beomulf, der Hauptheld des angelfächfifchen Gebichts, ift ausge 
ſprochen ein tapferer Seefahrer, ein Scifferfürit (Beomulf 1008: 
merefara, 3251: lidmanna helm); wie Sigemund bie Jüten, befriegt 
er auf folden Fahrten die riefen und Franken, zugleih aber und 
vorherrfchend verkehrt auch er im Wunderbaren ala Bewältiger bes 
wiberfpenitigen Elementes felbft. In früher Jugend erwirbt er jenen 
erften Ruhm burch Bertilgung der Seeungethüme (niceras, seedracan) 
und durch ein vieltägiges Wettichwimmen im Kampfe mit foldhen; feine 
leuchtendſte Mannesthat ift der Sieg über die graufenbaften Meergeifter 
Grendel und befien Mutter, im hoben Alter noch rettet ex mit dem 
Dpfer feines Lebens das eigene Reich vor der Wuth eines verheerenden 
Drachen. Die erfte Nennung Grendels mit dem Beifng: „ver fund: 
bare Grenzgänger, der Moore, Sumpf und Strand inne hatte” (Beo 
wulf 206: msere mearc-stapa, se be möras heold, fen and festen). 
fein und feiner gleichbefchaffenen Mutter (2699 ff.) Aufenthalt in ber 
Waſſertiefe, zufammen mit dem trefflihen Landſchaftbilde des wilben 
und nebligen Moorgegend (2719 ff.), läßt nicht im Ungewiflen, baf 
diefe menfchenivürgenden Rieſenweſen, deren ‚unheimliche Wohnftätte 
ſelbſt der gehetzte Hirfch meibet, Feine andern feien, als bie Plagen 
einer verfumpften und verpefteten Meeresbucht; in dem landverwüſtenden 
Flug: und Feuerbrachen aber ift, dieſer Bezeichnungen unerachtet, ein 
Bild der einfallenden Sturmflutb erfannt worden !. Gifiblafen und 
Feuerſpeien ift in den Drachenſagen ſchon durch ſprachlichen Zuſammen⸗ 
bang gleichbedeutend? [2, 350] und ber von Beowulf bekämpfte Feuer⸗ 


t Bol. Müllenhoff in der Heitfchrift für deutſches Alterthum 7, 422. 428. 
2 über die Berüßrung des ahd. und mhd. eit, agf. Ad m., Feuer, mit 
dem abgeleiteten alth. eitar, mhd. eiter, altm. eitr, agf. ätor n., @ift, f. Ry 
thologie 528. 658. Gr. 3, 352. Graff 1, 152. 158. Bouterwel, @loffar 14. 
Bencde 4275; Zeitwort: ahd. eitjan, Graff 1, 152, mhd. eiten. tr. und inte, 


487 


drache beißt ebenmäßig Giftfchäbiger 1, zugleich aber ift feine Behauſung 
den Waflerwogen an der Lanbfpige, der Meerbrandung, dem Fluth⸗ 
fampf nahe (Beomwulf 4477 f.: wester-Jdum neäh, | niwel be neesse. 
4814 ff.: bolm-wylme neäh, | Yd-gewinne); der getöbtete Wurm wird 

über die Uferklippe in die See geftoßen (6254 ff.). mit feinen Gluthen 
bat er eine Außeninjel, ven Schutzwall bes Landes, zerftört (4655 ff.); 
feine Flüge, nad) denen er mehrfach benannt ift (Iyftfioga, wiäfloga, 
gudfioga, uhtfloga), vergleichen fi) ven Flugftrömungen und Flug⸗ 
brachen des Meere und der Stromfchnellen?, fen Einbruch dem 
wogenfchlagenden Landftürmen des Midgardwurms, deſſen emporge: 
blajener Eiter Luft und Meer überfprüht (S. 485, Anm. 1), und von 
demſelben Giftqualme fällt der volkrettende Held, wie dort der göttliche 


brennen, glüben, MS. 1, 886a: ir munt . . eitet als eins dralen kel (Be 
nede a. a. D.). 

1 Beomulf 5371: fJr-draca. 4655 und 6073: lig-draca. 4613 f.: ongan 
gl&dum sptwan; daneben 5670: Attor-sceadan (vgl. Exon. 357, 24). 5428: 
ättor (Krone 496 f.: der eitrige drade . . mit dem viure warf. 695: von ben 
zwein eiterbraden). Den von Sigemund erfchlagenen Wurm ſchmelzt die Hitze 
(Beowulf 1799: wyrm hät gemealt), Frothos Inſeldrache ſpeit bremmendes 
Gift (Saro 1, S. 62: sanies, qnod conspuit, urit, vgl. 1, S. 4413). Auch andre, 
erflärte Meerunholde find giftig und feuerglühend zugleid;: Brendel, der eitrige 
Heimfucher (ettren ellorgest) im Raffergrunde, bat fo heißes Blut, daß davon 
die Schwertllinge brennt und ſchmilzt (Veowulf 3285 ff); Grimr Ögir, der 
auf dem Fluthrande (i fleedarmäli) von Hleſey gefundene Sohn einer See 
riefin (siogygr), auch fonft ein ungethiimlicher Doppelgänger Grendels, hat 
brennenden Athen, ſpeit abwechſelnd Gift und Teuer (eitri edr eldi, vgl. 
Gädmon 2, 79: fyre and ättre. Säm. 132, 27) und erhebt ſich während 
eines Kampfes in die Luft als eiterfpeiender Flugdrache (hann barst undan 
1 lopt upp f flugdreka ok spi6 eitri, Fornald. 8. 3, 241 f. 339, vgl. 
Mythologie 969; grimr ſtaldiſch für Schlange Sn. 1, 484. 2, 487. 570, 
siofar grimr bezüglich auf ten zur Geefchlange gewordenen Bui, |. oben S. 482, 
Lex. post. 2725. 276.«). 

® Anm. 1 a. E. ©. 485, Anm. 4. 5. Die Borfiellung von Feuer⸗ 
und Flugbrachen, bier auf Meer und Strom angewandt, muß in mehr 
fachem, von diefer Beziehung unabhängigem Sinne gangbar gewefen fein, vgl. 
Säm. 7, 64: dreki flingandi. 182, 54: vestan sd ek fliuga | Vänar dreka. 
Ketils Hengs S. K. 1 (Fornald. 8. 2, 111): ser bann dreka einn fliuga 
at sär nordan Gr biörgunum. Faye, norske Sagn (1888) 74 f., vgl. 68 ff. 
Thidr. 8. K. 105. 858 (Unger, &. 121. 304 f.). Hümen Seid Str. 17 f. 
123 f.: in geſtalt eins fewrin trachen. 144. 


A88 


Erbbefchirmer!. Beowulfs zweifache SKampfbereitfchaft, als Kriege: 
mann und als Meerbänbiger, läßt fih, vom finnbilkliden Ausdruck 
entfleidet, in einer tüchtigen Geftalt unmittelbar aus dem Leben ver: 
anſchaulichen; nach altfriefifchem Rechte [2, 351] muß der freie Frieſe 
jeden Tag das Ufer beivahren gegen die falzige See und gegen den 
wilden Wiking mit fünf Waffen, mit Spaten und mit Gabel, mit Schilb 
und mit Schwert und mit Speeresſpitze ?. 

Den Erinnerungen an Eigemund und Fitela folgt im Beomulf: 
lieve bald ein etwas größeres Sagenftüd, das beim Siegesmahl in ber 
von Grendels Morbiverle gereinigten Halle der Sänger des Königs 
Hrobgar vor den Heerführern Halfdans (fo hieß Hrodgars Vater) zum 
Saitenfpiele vorträgt. Er beginnt mit dem Falle Hnäfs, auch eines 
Helden Halfdans, im Kriege mit den Friefen, ftellt aber fogleich von 
Seite der letztern eine tieftrauernde Frau in den Vordergrund, Hilbe- 
burg, die Gemahlin des Friefenkönigs Finn, des Sohnes von Folk: 
walda. Sie bat ſchuldlos in demjelben Kampfe Kinder und Brüder ver: 
loren und auf dem Scheiterhaufen bes feindlichen Häuptlings läßt fie, 
in Gefängen jammernd, audy die bluttriefenden Leihen ihrer Söhne 
vom Teuer, „der Gäſte gierigitem”, verfchlingen; beider Völker Glüd 
ift enttwihen, die Dänen und Süten haben einen Führer eingebüßt, 
der Friefenfürft feine meiften Dienftmannen, darum wird ein Vergleid 
gefchlofien und die Gewalt über das Land hälftig getheilt; gleichwohl 
hält Hengeft, Hnäfs Genoſſe, der den Winter über in Friesland 
bleibt, das Schwert zur Rache bereit und im Frühjahr kommen zei 


1 Der beiprochene Flugdrache ift zugleich ein Erddrache (Beonulf 5417 und 
5464: eord-draka), wie jener Sigemunds ein Hliter des Horts „unter granem 
Steine” (ebd. 5100 und 5482: under härne stän, vgl. 1779). Es fragt fid 
aber, ob nicht hier zweierlei ſymboliſche Sagenbilbungen zufammengearbeitet 
jeien, der Dradenlampf des ſchatzerobernden Wilings, aus Beowulfs jüngeren 
Fahren, und ein jpäterer des Land und Leute wahrenden Bollsfürften. Den 
Wurmhort auf den winterlich verjchloffenen Neihthum der Pflanzenwelt zu deuten, 
dafür kann ich anderwärts in deulich-nordifcher Drachenſage feinen genügenden 
Anhalt finden. 

2 Nichthofen, Frieſiſche Rechtsquellen 388a: truch dae need, dat hy [dy 
frya Frese] dyne owera biwarria schil alle daghen toienst dyn salta se ende 
toienst dyn wyldsa wysingh ınyt vyf wepen, myt spada ende myt furka, 
myt schield ende myt swyrd ende myt etkeris oerd u. |. mw. 


489 


andre fchiwertberühmte Jüten, Guͤdhlaf und Oslaf, erlittenen Schmerzes 
gedenk, zur See angefahren, da wird der über ihre bittern Vorwürfe 
aufbraufende König Finn mitten unter feiner Schaar -erfchlagen und 
bie Königin mit allem Schatz aus Finnessham zu den Dänen hinweg⸗ 
geführt 1. 

[2, 352] Diefer hartnädige Kampf zwiſchen den Friefen und ben in 
ihr Land eingevrungenen Dänen und Süten fällt in einen durch das 
ganze Gedicht fich hinziehenden feindlichen Gegenſatz der norbifchen 
Wilinge und ber beutichen, hauptſächlich friefiihen und fräntifchen 
Küftenbevohner. Beowulf jelbft bat wider diefe Völker mächtig ge 
firitten, er iſt Begleiter feines Oheims Hygeläc auf deſſen unglücklichem 
Seezuge nach Friesland, Hygelaͤc wird im Gefechte mit den verbundenen 
Friefen und Franken erichlagen und feines koſtbaren Schmudes beraubt, 
der Neffe rettet fi), nachdem er große Nieverlage angerichtet, durch 
feine wunderbare Schwimmfertigfeit. Hier find es gothlänbifche Heer: 
fahrer (Geätas, Swgeätas, Wederas), welche den veutfchen Strand 
heimfuchen, neben dem allgemeinen Frankennamen aber und flatt des⸗ 


1 Beomulf 2130 fi. Die tragifhe Wirkung verflärkt ih, wenn man mit 
Ettmüller (Scöpes vidsid 17) und J. Grimm (Über das Berbrennen der Leichen 
43) Hildeburh für Hnäß Schweiter anfleht, jo daß fie die Söhne zum Bruber 
auf den Scheiterhaufen legt; wirffi hat fie Kinder und Brüder im Kampfe ver- 
Ioren. (Beowulf 2150 ff. vgl. 2140 f.), fie if Höces Tochter (ebd. 21567) und 
day Widſidhslied (3. 59) kennt einen Hnäf als Herrjcher über die Höcingas, 
in denen man den Namen Chauci, eines vielfach mit den riefen genannten 
‚Boltes, finden will (Spradg. 674 ff.), befrembli aber ift eben darum, daß 
ein Holing auf Seite der Dänen und Züten fechten fol („was Verwirrung 
jcheint“, bemerkt Jacob Grimm felbft), und eigens noch wird Hnäf, der Held 
Halfdans, des Dänenkönigs, als Angehöriger der Scyldinge, wieberum der 
Dänen, zubenannt (Beomulf 2142 f.: heled Healfdenes | Hnzf Scyldinge, 
nemlich wigend, cempa u. bgl., wie 3107: Gedta cempa, 4998: Huga cem- 
pan, 3131: freca Scyldinga, 2312: sceötend Scyldings, zugleid ohne Beiſatz 
754: Hredeli Gesta, 2386; Beowulf Gedta, 2409: Hygeläc Geäta, nemlich 
eyning, drihten, leöd, vgl. Gramm. 4, 261, auch 2221 f. heißt Hnäf: Here- 
Seyldinga | betst beadofinca, was ihn vom Fürſten der Holinge (Hnef 
Höcinga), nachdrücklich unterjcheidet. Drtsbezeichnungen in angelfächfifchen 
Urtunben, Hnwfes scylf, Höces byrgels, Höces häm, Höscing med (Kemble, 
the Saxons in England, 1, 419), zeugen mit für allgemeineren Gebrauch der 
betreffenden Mannsnamen. 


4% 





jelben verlauten die beionbern niederfränlifhen: Hetware (4715. 5824), 
Hugas (4998. 5820), Merewioingas (5834). Die Hetware mit ihrem 
Feinde Hygelac haben dem Beowulflied einen wichtigen gefchichtlichen 
Anhalt verfchafft, fie find aufgezeigt als Chattuarii, in deren Küſten⸗ 
land der König Chodhilaigus mit feinem dänischen Schiffsvolk um 515 
einen verheerenden Einfall machte und fofort von Theudebertus, den 
fein Bater, der Frankenkönig Theudericus, mit einem großen Heere 
dorthin abſchickte, befiegt und erichlagen wurbe !, wozu merkwürdig bie 
nieberländifche Überlieferung, in einer Handſchrift des 10tem Jahrh. 
jtimmt, daß auf einer Inſel an der Rheinmündung die Gebeine des 
riejenbaften, von den Franken erfchlagenen Getenlönigs Huiglaucus be» 
wahrt und als ein Wunder gezeigt werben ?; bie Merewioingas find 
als Merovingi bargetban, zum meropingifchen Königsſtamme gehörten 
aber jene beiden, Theoderich und Theobebert, und da der Kampf mit 
Chodilaigus fagenberühmt geworden ft, fo konnte füglich auch das 
Widfivhslied unter die altanfehnlichen Herrichernamen den Gebieter ber 
Franken Theodrie Stellen (Widſidh 49: beodrte weold Froneum)?; die 
Hugas find erläutert durch eine Meldung der Queblinburger Chronik 
(Anfang des I1ten Jahrh.), wonach derſelbe Theoderih, von dem bier 
die Rede ift, Hugotheodericus genannt wurde, meil einit alle Franken 
Hugones gebeißen haben ; die durch Anreim verknüpften. Hauptnamen 


1 Grundtvig, Bjowulfs Drape, Kjöbh. 1820, LXI f. Die Belegftellen 
aus Gregorius Turanenfis 3, 3 und Gesta regum Francorum 6, 19 bei eo, 
über Beowulf 4 f., und Thorpe, Beowulf XXV. 

2 Haupt in der Beitjchrift für deutſches Alterthum 5, 10. Hier flatt 
Dani ver fränkiſchen Geſchichtbücher näher zutreffend Gete, die Gedtas 
des Lieds. 

3 Bachlechner, in Hanpıs Zeitichrift 7, 524 ff., begründet Merewioingas 
= Merowiginga. Die Sage, monad ihr Ahn Merovig von einem der See 
entfliegenen lingethüm erzeugt iſt (Fredegars epitome bei Bonquet 2, 396, und 
Conradus Urſperg. Arg. 1009, &. 92. Myth. 364), prägt auch fie zu Angehörigen 
des Meeres. Später heißt zugleich das Bolt der Franken Merovingi, das 
Sand Merovingia (Waitz, deutiche Verfafjungsgeichichte 2, 37). 

4 Annales Quedlinb. (Berk 5, 31): Hugotheodoricus iste dicitur, id est 
Francus, quia olim omnes Franci Hugones vocabentur a suo quodam 
duce Hugone. Bu dieſer Stelle f. Heldenfage 88, Sprachg. 675, Müllenbofl 
in der Beitfchrift für deutſches Altertum 6, 437. Ich theile die Anficht 
Müllenhoff®, wonach Hugas und Hugones (flarle und ſchwache Form, ogl. 


491 





— — 


Francas und [2, 353] Frisas geſellen ſich ebenſo in einem Liebe der 
Orvarodds⸗Saga, das biefen norwegiſchen Wiking fich feiner Angriffe auf 
nieberdeutfche Volksſtämme berühmen läßt!. Die lebte und vollftän« 
digfte Zufammenftellung der den Seegothen Hygelaͤcs gegenüberftebenden 
Völlernamen (5813 ff.) fchließt damit, daß feit diefem Kriege den Gothen 
die Gunft ber Merewioinges ftetd vorenthalten war (us wees & syddan | 
Merewioinga milts ungyfede), und biebei weilt die Wahl bes Wortes 
milts, milde f., Gnade, Milde, fonft von ber göttlichen gebraudt 
(Bouterwet, Gloflar 213), nicht unwahrfcheinlih auf die Machtftellung 
des merovingifhen Herrſcherſtamms . Das Verhältnis der Franken 
und riefen unter ſich tritt bei Bergleihung der einzelnen Stellen fo 
hervor, daß die Landung der Seegothen in Yriesland ergieng und das 
fräntifche Heer zur Vertheidigung der Yriefen beraneilte. 

Solch feinvfeliger Stellung niederdeutſcher Stämme zu flandina- 
vifchen gehört e8 denn auch an, daß ſchon Sigemund und Fitela, 
gleichfalls in Frankland heimiſch, Allviele des Jütengeſchlechts mit 
Schwertern gefällt haben (Beomwulf 1770 ff.). Erbfeinde der Wölfunge 
waren, nach nordiſcher Sage, der König Hunding und feine Söhne; 
Hunding wird von Sigmunds heerfahrendem Sohne Helgi erfchlagen, 
der davon den Beinamen Hundingsbeni erhält, und auch mehrere Söhne 
des getödteten Königs, die den Yall ihres Vaters rächen wollen, befiegt 
und erlegt derfelbe junge Wölfung (Sim. 84, 10 bis 14. 89 bis 91. 


©. 480, Anm.), nicht aber Hagas und Chauci zujammenfallen; für letzteres 
Ramenpaar ift die Lautausgleihung fehwierig, auch würden die angeljächfifchen 
Gedichte nicht wohl denſelben Bollsnamen in zwei fo verſchiedenen Yormen, wie 
Hugas und Höcingas (im Beowulf ſelbſt Hugas und 2157 Höces döhtor), 
wiedergegeben haben. 

1 Beowulf 5816: Froncum and Frysum. Widſidh 137: mid Froncum 
ic wäs and mid Frysum. Fornald. 8.2, 551 (vgl. 279 f.): Hefi ek & Saxa | 
ok & Svia herjat, | Frisi ok Frakka | ok & Flemingja. Dlaf Tryggvaſon 
erhält von einem feiner Skalden ben Ruhmesſsnamen Frieſenfeind (Fagrsk. 63: 
fylgda ek Frisa dolgi, vgl. ebd. 56. Heimskringla, 8. af Ol. Tr. €. 26, 
Str. 3). 

2 AUnderwärts ift zwar bon einem Triefenlönig Beowulf 0000: Fres- 
cyninge) die Rede, dem ein Kämpe der Hugas, Dägbrefn, den Bruſtſchmuck 
Beouralfs vergeblich erringen wollte, aber als Tübter Hygelaͤcs und Eroberer 
feines Bruftgeihmeides werden Franken (2424 fi.) oder Hetware (5894 ff.) 
genannt. 


492 


Fornald. 8. 1,136 f. 220, vgl. Saxo 1, 80), aber andre Hundingsſöhne 
landen mit Heereskraft in Sigmunds Reich und nun fällt diefer in der 
Schlacht (Säm. 976. Fornald. 8. 1, 143 ff. 320), wofür fein Sohn 
Sigurb nachmals blutige Rache nimmt; der ganze Hergang ift im 
Vorwort zum letzten Helgilieve einfah fo ausgebrüdt: Unfriede und 
Feindlichkeiten beftanben zwifchen ben Königen Hunbing und Sigmund 
fammt ihren Geſchlechtern, fie erichlugen einander die Blutsfreunde 
(Sim. 89a, vgl. Gr. 4, 295). Das Reich des exftern wird ebenbort 
Hundland genannt [2, 354] und Widfidh kennt ein Volk Hundingas!, 
doch ift die Lage des Landes nicht näher angezeigt, außer daß bie 
Hundinge in das Gebiet der Wölfunge zur See gelangen (Fornald. 
S. 1, 144: vikingar hliöpu fr& skipum vid Övigan her) und auf 
gleihem Wege von ihnen heimgefucht werben; einzelne Hinweifungen 
auf Jütland find noch unficher ?, dennoch läßt fich vermutben, daß 
angelfächfiich und altnorbiih Ein Hauptfeind der Wölfunge gemeint 
fei, dort unter dem allgemeinen Namen des sütenvolls, bier unter 
dem eines einzelnen jütländifhen Stammes und Bezirks, wie auch 
unter den Gejammtnamen Franken und Frankland mehrere Sonder: 
namen begriffen find. 

Der Abjchnitt des Beowulflieds vom Zufammenftoße Hnäfs und 
Hengeftö mit dem Friefenfürften Yinn, Folcwaldas Sohne, leitet auf 
den Streit zu Finnsburg über, wie man das allein erhaltene Brud: 
ftüd einer andern angeljähfiichen Dichtung zu nennen pflegt (hinter 
Thorpes und Kembles Beowulf). Sein Inhalt tritt vor den Anfang 
der in Hrodgars Halle gejungenen Friefenmäre und ift folgender. Der 


1 Sim. 89a: Hundingr hät rikr konungr, vid hann er Hundland 
kent, Widſidh 48: Mearchealf [weold] Hundingum.. 164: [ic wäs] mid 
Hundingum. Gänzlich utopif find Hundingjar, Hundingjaland, in Hialm- 
ters S. (Fornald. S. 3, 453 ff.) und Sturlaugs S. (ebd. 592 fi.). 

2 Auf Hundbland find die norbjitifcden Ortsnamen Hundborg, Hundslund, 
Hundstrup u. |. w. bezogen worden (Finn Magnufen, den släre Edda 4, 313). 
Unklar ift der Seeweg von Frankland aus zu Hundings Söhnen, wie er in 
Nornagests S. (Fornald. S. 1, 320. 327) angegeben wird. Saro (1, S. 80 f.), 
der den Hundingstödter (Hundingi interemptor) Helgo mit einem däniſchen 
Könige gleiches Namens verwecjelt, läßt die Niederlage des Sachſenkönigs 
Hunbing bei der Stabt Stade vorgehen, Helgo wird Hierauf Oberberr bes den 
Sachen entriffenen Jütlands (Jutiee Saxonibus erepte). 


493 


fampfrüftige König (Finn) fieht in der Nacht Feuerſchein! und ruft. 
aus: „Dad taget nicht von Oſten, noch fliegt hier ein Drade, noch 
brennen diefer Halle Hörner ?, doch brennt es hier fort; Vögel fingen, 
Heimchen zirpen, bie Kampfftange Ihallt, Schild antivortet dem Schafte; 
jet leuchtet der Mond, wandelnd zwifchen Wollen; jet erftehen Web: 
tbaten, wollen diefen Volkshaß vollführen; aber wachet [2, 355] nun 
auf, meine Krieger, haltet eure Lande, ſeid bedacht auf Mannheit, ftreitet 
an der Spige, ſeid feftmüthig!" Da erhebt ſich mancher goldgeſchmückte 
Degen, gürtet fich mit dem Schwerte, da jchreiten zum Thore die ebeln 
Kämpen Sigeferbb und Eaha, ziehen ihre Schwerter, ebenfo an andern 
Thoren Ordlaͤf und Guͤdhlaͤf, Hengeft felber folgt ihrer Spur; Gaͤrulf 
aber wirft Guͤdhhere vor, daß diefer, ein fo adliches Blut, nicht im 
erften Augenblide zu den Thoren der Halle fein Waffenzeug trage, nun 
fie der harte Feind wegnehmen wolle; vornehmlich aber fragt der folge 
Held unverholen, mer das Thor halte. „Sigeferbh iſt mein Name”, 
Ipricht Jener, „ih bin ber Sergen Fürſt (Sécgena leöd), ein weit⸗ 
kunder Rede, vieles Web hielt ich aus, viel harter Kriege, dir ift noch 
bier beftimmt, was immer du felbft mir anhaben willt”. Drauf hebt 
in ber Halle fih Schlachtgetds, der Schild ſoll nicht zur Hand ge: 
nommen werben, ber Beinjchirm fehlen 3, Die Burgdiele dröhnt, bis im 


1 Das Bruchſtück beginnt mit der mangelhaften Beile: ... nas byrnad 
neefre; meines Erachtens war das vorn abgebrochene Wort: beäcnas und der 
Sinn diefer: daß niemals Balen, Feuerzeichen, Lärmfeuer, fo Hell gebrannt 
haben, als jetzt das nächtliche Funkenſprühen der zufammengeidhlagenen Waffen, 
was nachher (3. 71): swurd-ledma, Schwertleuchten, Schwertflamme, beißt. 
gi. bedcen n. (altf., bökan, ahd. pouchau, altır. bäkn, vgl. beutfches Wörter- 
buch 1080), signum, portentum; namentlich altfriej. beken, baken, auch in 
der Pluralform und mit dem Beitwort berna, für Lärmfener, um das Bolt 
zu verfammeln (Hichthofen, altfriefifches Wörterbuch 622, vgl. Grottas. Str. 18, 
©n. 1, 888). Das agſ. bedcen wird, vermöge der allgemeineren Bebeutung 
des Wortes, auch für den aufleucdhtenden Morgen gebraucht: Beowulf 1148 f. 
Cadmon 3274 f. | 

2 3.6 f.: ne her Pisse healle | horn nes [hornas? 8.) ne byrnad; horn- 
artige Binnen gaben auch dem Saale Hrodgars (sele-beih and horn-geäp) 
ben Namen Heorot, Hirſch (Beowulf 157 fi., vgl. Säm. 94, 36 vom Hirſch⸗ 
falbe felbft: horn glöa | vid himin sialfan). | 

3 Bgl. Saro 1, &. 101: Nemo lorica se vestiat u. f. w. | in tergum 
redeant clipei, pugnemns apertis | pectoribus u. |. w. 


494 


Kampfe GArulf fällt, der erfte von all viefen Landgenofien, Gudhlaͤfes 
Sohn, ibn umgeben manch wadrer Feinde Leichen, der Nabe ſchweift, 
ſchwarz und fahlbraun !; Schwertflamme fteigt auf, als ob Finns Burg 
gänzlich im euer ftehe. Nie hörte der Dichter rühmlicher im Männer: 
ftreite fechzig Helden ſich gehaben, noch Sang und glänzenden Meth 
seicher vergüten, ala Hnäfes junge Geſellen ihm vergelten ?; fünf Tage 
fechten fie, jo daß Feiner biefer Gefolgihaft fällt und fie das Thor 
balten. Dann geht der wunde Held (Hnäf) hinweg, feine Brünne, 
fagt er, fei gebrochen, fein Heergemand mürbe und aud fein Helm 
durchhauen. Das Blatt bricht damit ab, daß ihn de? Volles Hirte 
(Hengeft) über den Stand des Streites befragt. 

Es war ein epifcher Brauch, der Erzählung großer Kämpfe einen 
Frühruf voranzufchiden, durch den bie ſchlafenden Helben geweckt werben. 
In Walhöll weckt Heimdalls Horn und der krähende Hahn Aſen und 
Einherjen zum furchtbaren Endesſtreite (Säm. 4, 34 f. 6, 47. 29, 
23. 95, 47). Die alten Biarkamäl riefen Hrolf Krakis Gefolge mad 
am Tage des gemeinfamen Untergang3 und das nortwegifche Heer, 
welches Dlaf der Heilige noh im Jahr 1030 zu der verhängnispollen 
Schlacht bei Stifleftad mit eben diefem vorzeitlichen Sange weden lieh, 
benannte denfelben hüakarla-hvöt, Anfeurung bes Hausvolts d. Wenn 
der Eingang des altnorbifchen Liedes [2, 356] die tiefe Morgenſtille vor 
dem nahenden Schlachtfturme damit bezeichnet, daß man den erften 
Flügelfchlag des Hahns rauſchen hört (Dagr er uppkominmn, | dynja 

1 Zu diefem -Rabenflnge vgl. J. Grimm, Andreas und Elene XXV fi. 

2 Den Sagbau in Finnsburg 74 bis 81 vgl. mit Beowulf 2058 bis 2069. 

3 8. Olafs k. ens helga. Ghriftiania 1853, 207 f. Heimskringla, 6. 
Ol. bh. 220. Der Auf zu Finnsburg (3. 18 f.): onwacnigead nü, | wigend 
mine! halit auch im Biarkifange: vaki ok vaki, | vina höfud! (bei Saro 1, 
©. 90: ocius evigilet u. |. w.) und nod in den einem nieberbeutfchen Ofterjpiel 
einverleibten Liedesreften: Wale, ritter kone, n. |. w. | wale, ritter ftolt, | unt 
vordene niyt eren dyn golt u. ſ. w. | walet, rittere, dat is ſchiere dad, | it 
vorneme der morghenfterne lady Mone, Schaufpiele des Mittelalters 2, 40 f. 60). 
Das Gubrunlied, tm Abfchnitt von Herwigs friegerifcher Brautwerbung, bejagt 
(689, vgl. 1856 f., 1360): 

DO noch die beide fliefen in Hetelen fat, 

‘dd ruofte ein wahtäre vür bie burg ze tal: 

„wol Af in der jede! wir haben vremede gefte, 

und wäfent iu, ir beide! ich fihe von manegem helme giefle.“ 


495 


hana fiadrar), fo durften in angelfächfiicher Dichtung, der überall das 
vegfte Naturgefühl innetvohnt, Züge nicht fehlen, wie die fingenden 
Bögel und zirpenden Heimchen, die das Waffenfeuer für Tagesanbruch 
balten (Thorpe, Anm. zu 3. 9 f.). Deutſche Sagenliever gedenken 
häufig der im KRampfgetümmel zertretenen Feldblumen, mitunter aud) 
der durch Harniſchglanz und Waffenlärm aufgeftörten Walbvöglein 1. 
Nicht minder gehört das lohende, nachterbellenne Teuer der Schivert- 
fhläge zum Stil der beutfchen Heldengebichte . In Biarkamäl mar 
bringend an die Wohlthaten des goldfpendenden Könige gemahnt, fo 
wie an die Gelübde bei feinem Trinfmahl?, ba jedoch im angel: 


1 Sigenot (von der Hagen) Str. 86: die troſchel und die nachtigal | al 
muften gefanges fmeigen | von iren ungefugen legen, | die tierlein in dem walde | 
die fluhen von den wegen. Eckenliet (Laßberg) Str, 104: Gem tag jungen 
din vögelfin, | Eggen brünn und Hiltegrin | ir fingen überllungen. | Si ahtent 
niht uf ir gefant, | von frit ir baider beim erklank, | fi enruochten, was fi 
fungen. (von der Hagen) Str. 242: noch liehter wen die fieren | jo was ir 
paider harnaſch clar, | das Hab wir wol geharet, | was vogel in der nobe war, 
die wurden al zuftoret, | fo laut erkracht der grune walt, | do fie den ſturem 
hnben | die beren degen palt. 

2 9. B. Nib. 1999: Ei fingen durch die ſchilde, daz ez lougen began 
von viwerroͤten winden. 2212, 4: von ir zweier ſwerten gie ber fiurrote wint. 
Gudrun 644: Ofte ſluog üz helmen den viurbeizen wint | Herwic, ber. herre, 
647, 2 f.: liuhten in began | der louc fiz gefpenge u. |. w. Dietrichs Flucht, 
von den Nachtkämpfen vor Raben, 3340 ff.: daz feuer non den heimen pran, | 
von flarfen legen day gefchadh, | daz man da von als wol geſach, | als ob ed 
wär umb mitten tag. 8432 ff.: aus den helmen wät baz fewer, | fih mohte 
ein raflanger tat | wol davon entzundet hau. Ebd. 8754 ff.: daz fuwer auf 
gelafte, | janı ob perge und tal | alles prunne uberal. 

8 Saro Buch 2, Ausgabe von P. E. Müller 1, ©. % f.: Dulce est nos 
domino percepta rependere dona u. |. w. | Enses Theutonici, galee armille- 
que nitentes, | lorice talo immiss®, quas contulit olim | Rolvo suis, me- 
mores acuant in prelia mentes n. ſ. w. | Omnia que poti temulenio promp- 
simus ore, | fortıbus edamus anımis et vota sequamur | per summun 
jurata Jovem superosque potentes (vgl. Beowulf 964 fi. 5259 ff.) Hier 
ſcheint Echtes hindurch, dagegen find die drei Strophen gulls heiti (Bu. 1, 
400 f.), obgleich zu Biartamal gerechnet, für ſtaldiſche Ausſchmückungen anzu: 
jehen und können nicht mit den einfachen Bejäten in Olaf S. aus Einem 
@uffe fein. Vgl. noch Fornald. S. 1, 560: miök vora ver margir, | er 
vör miöd drukkum, | nü eru vör fterri, er ver fleiri skyldum. Nib. 1897, 8 
(der zornige Hagen): nu trinken wir bie minne unt gelten Sküneges win. 


4% 


ſächſiſchen Bruchftüdle der Gefolgherr felbft aufruft, fo wendet er fi 
befier allein an den mannhaften Sinn feiner Kämpen. Dagegen wird 
nachher gerühmt, wie herrlich ftreitend Hnäfs junge Gefährten ihrem 
Führer vergolten, und zwar wohl aud den [2, 857] glänzenden Meth, 
aber an erfter Stelle den Sang (3. 78: sang ne hwitne medu), alle 
Hebung und Begeifterung, die fie jenen Heldengeſängen in ber Halle 
des Häuptlings zu danten hatten. 

Der Kampf nun, zu mweldem im Beginne des Bruchftüds geweckt 
wird, ift augenjcheinlich ein Theil derſelben, wenn auch auf verfchiedene 
Weiſe geftalteten Sage, von der ein anbrer Theil in der Zwiſchen⸗ 
erzählung des Beomwulfliedes vorliegt. Zwar ift in den wenigen Zeilen 
des Bruchftüds weder von Friefen, noch von Jüten oder Dänen au 
drüdlih die Rede und ber König, auf defien Burg der Angriff ge 
ſchieht, wird nicht mit Namen eingeführt, auch ift der Königin Hilde⸗ 
burg nicht erwähnt, indem aber ber Königsſitz nachher als die Burg 
Finns bezeichnet wird, wie im größeren Gedicht ala Finnes Heim?, fo 
banbelt e3 fich unverkennbar dort, wie bier, um den Frieſenkönig Finn, 
Folcwaldas Sohn. Die feindlichen Heerführer find beiden Orts Hengeft 
und Hnäf und wenn leßterer im Bruchitüde ſchwer verwundet und mit 
zertrümmerter Rüftung abgeht, fo fchilvert das Beomulflieb feinen 
Leichenbrand und bezeichnet als feinen Töbter den Friejenfürften Finn 
(2208 f.); ebenjo ftehen das einemal Güphläf und Oslaͤf, das andremal 
Ordhlaͤf und Gübhiäf zufammen, diefem aber wird im Sturm auf 
Finnsburg fein Sohn GArulf erjchlagen, der im Beowulf zwar nicht 
vorfommt, deſſen Tod man aber nun auch bei den ſchmerzvollen Bor: 
twürfen mit im Hintergrunde vermuthen Tann, welche dort von Guͤdhlaͤf 
und Dsläf dem König Finn gemacht werden und jogleih in das Werk 
der Rache übergehen (Beomwulf 2300 ff.). So genau feheinen die beiden 
Stüde fi zu fugen, daß in dem einen der Kampf ein nächtlicher ift, 
im andern Hildeburg die blutige Niederlage der Ihrigen fieht: „nad: 
dem der Morgen kam“ (Beomulf 2159: eydpan morgen com). Syenes 
Tonnte, meiter geführt, all das enthalten, was in dieſem vorausgeſetzt 


2 Finnsburg 72 f.: swylce eal Finns buruh | ffrena were. Beowulf 
2816: et Finnes-häm, vgl. 2257 f.: Frysland geseön, | bämas and 
he4h-burh. 


497 


ift, Hnäfs Tod, die Wendung des Schlachtglüds, den Fall der Könige: 
Söhne, der Brüder Hildeburgs und der meiften Dienftmannen Finns. 
Schwieriger ift e8, einen Umstand auszugleichen, ber, nicht bloß in 
diefer Hinfiht, nähere Beleuchtung forbert. Hrodgars Sänger bleibt 
ftreng bei den ſchweren VBerhängniflen bes friefiichen Königshauſes und 
berührt Feine Namen aus andrem Sagenfreife, deren Beiziehung ben 
Eindrud des Hauptgegenitandes ſchwächen könnte. Ausſchließlich im 
Bruchftüde werben brei Krieger auf Finns Seite genannt: Sigeferdh, 
Eaba. und Güdhhere. aha, font unbelannt, ift etwa einer der 
friefifchen Königsſöhne; helleren Sagenklang haben die zwei andern 
Namen und diefem Klange nachzugehen, ift anziehenb und belangreid. 

Sigeferdh gibt fich jelbit näher Fund als Herrn der Secgen (Finns⸗ 
burg 49: Sécgena leöd) und auch das Widſidhslied befagt, dap SA: 
ferdh über die [2, 358] Siegen herrſchte (Widſidh 65: weold Seeferd 
Syegum), fowie daß der Sänger bei Sachſen und bei Siegen mar 
(ebd. 125: mid Seaxum ice wäs and mid Sycegum), anderswo ift 
diefer Volls- oder Stammname nicht zum VBorfchein gelommen. Sicgas, 
Secgan (ftarte und ſchwache Form), gleich Sigjas, Segean!, auf einen 
Namend: und Stammvater bezogen, finden biefen in dem altmorbifchen 
Sigi, Odins Sohne, defien Nachkommen Sigmundr, Signy, Sigurdr 
die Lofung fortführen?. Während aber die nordiſchen Quellen das 
Geſchlecht Sigis Völsunger und insbeſondre den ‚Vater Sigmunds 
Völsungr nennen, beißt dieſer im Beowulfliede richtiger Wälse und 
wird Sigemund bier nicht ala überhaupt zum Stamme gehörend, fondern, 
nach angelfächfischer Weile, als Wälfes Sohn (Beomwulf 1798: Wüälses 
eafera), Wälsing genannt (ebd. 1758), demgemäß dann aud in ben 
zwei andern angeljächfifchen Gedichten Sigeferbs Stamm und Bolt nit 
dur Wälsingas, fondern durch Siegas, Söcgan, auögebrüdt wird. 
Diefe Siegas reihen fih, da ihr Fürſt die Burg des Friefenlönigs ver: 


1 Bol. Br. 1, 2te Ausgabe, 265. 645. 768. Förſtemann, deutiches Na- 
menbuch 1086: Sigeo, Sicgo, Siggo, Sicco. 

2 J. Grimm im der Beitfchrift für deutfches Alterthum 1, 4: „Sigurdr 
ift gebildet aus Sigverdr, wie dögurdr, prandium, aus dagverär, fett alfo 
eine altnieberbeutfche form Eigeferd für Sigefred voraus.“ Diefe Übergangs- 
form gibt das angeljächfiiche Bruchftüd. Bei Kemble, cod. diplom. evi Saxon., 
Sigefred, Sigemund. 

Uhland, Schriften. VIU. 30 


498 


theibigt, im bemerkten Gegenfahe beuticher und norbifcher Bölferichaften, 
unter bie den riefen bülfreichen Francas, Hugas, Hetware, Mere- 
wioingas. Iſt nun durch Vorftehendes die Aufftellung angebahnt, daß 
Sigeferd, Seeferd, lein andrer fei, alö der deutſche Sagenheld Sifrit, 
nordiſch Sigurdr, jo liegt e3 auf gleichem Weg, in dem neben Sigeferd 
genannten Güdhere den König Gunthere bes Nibelungenlieds, alt 
nordiſch Gunnar, zu erkennen: ber Sänger Widſidh war auch bei ben 
Burgunden und ift dort von Güähere beichenkt worden (Widſidh 131 ff. 
vgl. 40). Was jeboch die Helden: und Stammnamen nur anzeigen, 
das kann erft ım Zufammenbang und Inhalt der Sage feine feftere 
Gewähr finden. 

Der Angabe feines Namens und des Bolfes, dem er vorfteht, fügt 
Sigeferb hinzu, daß er, ein weitbekannter Rede, vieles Weh, viel harter 
Kriege durchgemacht babe; damit verkündet fich Togleich ein Berechtigter 
zur Helbenfage, auf ähnliche Weile, wie bei Sigfrids erfter Einführung 
in das Nibelungenlied 1. Fragt man nad einem bejondern Anhalt 
diefer allgemeinen Ausſage, fo bietet ſich biefür aus früherer Jugend 
(abgejehen [2, 359] vom Dracdenfampfe, der im Beowulf dem Bater 
Sigemund zugeichrieben wird) in altnorbiihen Meldungen Sigurbs 
Heerfahrt gegen Hundings Söhne, an denen cr ben Tob feines Vaters 
und mütterlihen Großvaterd rächt?; er läßt dazu Sigmunds zer 
brochenes Schwert neufchmieben, fie fahren im Seefturme bin, den 
Ddin, als Mann vom Berge ins Schiff tretend, ftillt, nad heißer 
Schlacht wird dem Töbter Sigmunds ber blutige Aar auf den Rüden 
geferbt, überall echt alterthümliche Züge und zugleich Sigurd, wie bie 
ältern Wölfunge, noch entjchiedener Meerfahrer?. Die Betheiligung 


1 Finnsburg 49 ff.: ic eom Söcgena leöd, | wrecca wide cd (vgl 
Beowulf 1800 ff. von Sigemund: se wäs wreccena | wide meerost u, ſ. w.); 
fela io weana geb&d, | heardra hilda. Nib. C, Laßberg 161 ff.: E daz der 
degen chilene vol wüehſe ze man, | dd bet er folhiu wunder mit finer baut 
getän, | dä von man immer mere mac fingen unt jagen u. |. w. Bgl. ebb. 
340 ff. Auch bei der Ankunft zu Worms 102, 4: er hat mit finer kreſte 
[€ finen ellen] jö manegiu wunder getän. 

3 Sigeferd3 fela wedna (Anm. 1) kann auf ſchmerzende Berluſte dieſer 
Art weilen, wie Beowulf 2804: wesns del darauf, daß, außer dem Führer 
Hnäf, Gudlafs Sohn gefallen war (oben &. 494). 

3 Säm. 106 f. Fornald. 8. 1, 154 bis 158. 180. 320 fi. 


499 


am Streite zu Finnsburg fällt erft in die Zeit, als Sigfrid in Ge 
meinſchaft mit Gunthern, ober für denfelben, Kriege führt; von dieſer 
Zeit fprechen, allgemeiner gehalten, Zeugniſſe der Wölfungenfage: 
Eigurb und die Giukunge feien weit durch die Lande gefahren, haben 
manches Ruhmeswerk ausgerichtet, viele Königsſöhne getöbtet und große 
Kriegsbeute heimgebracht; ferner: Sigurd habe fünf Könige erichlagen; 
doch gibt er felbft auch Giukis Söhnen die Ehre: fie haben den Dänen: 
fönig und einen anbern großen Häuptling erlegt 1. Dänenkriege be: 
fonders, von Sigfrid, als Heerführer oder Genoſſen Gunthers und 
feiner Brüder, fiegreich burchgefochten, find die in Nornageftfaga 
(Fornald. 8. 1, 329 fi.) und im Nibelungenlieve, mit ganz ver- 
ſchiedenen Namen der norbifchen Gegner, erzählten; ba fie aber zu 
Sigeferds Kampfe wider Hnäf und Hengeft keinen näheren Bezug 
geftatten, fo find fie hieher nur infoweit von Gewicht, als fie über: 
haupt, unter allem Wandel ber Sigfridsſage, das Gedächtnis ihrer 
alten Heimat gefriftet haben. Dasfelbe bekundet fi auch im fort: 
währenden Zurückſtreben nah dem Meere: zu Brünhild, die „über 
je” wohnt, ift Sigfrid Schiffmeiiter, denn ihm find die Waflerftraßen 
befannt, aud nad und von dem Nibelungenlanve, wo er ben großen 
Schatz hat, fährt er „jö verre üf dem je" (Nibelunge 325. 366 f. 
451 f. 477). 

Diele äußere Gemeinſchaft Sigeferds mit den norbifchen und 
deutichen Überlieferungen wird nun aud durch die, wenn gleich mit 
wenigen Strichen gegebene Charakterzeichnung ber beiden Kriegsgefährten 
innerlich lebendig. Es ift ein burchgreifender Grundzug ber Sigfrids⸗ 
füge, daß die Nibelunge Macht und Ruhm gänzlid dem Welfung zu 
verdanken haben, daß überall Gunther mehr nur den Namen, Sigfrid 
bie That hergibt. Die Mutter der [2, 360] Giukunge reicht dem kühnen 
Sigurd einen Zaubertranf, um ihn, feiner Liebe zu Brynhild vergeſſen, 
an ihr Haus zu fnüpfen; fie und ihr Gemahl wiſſen, welche Hülfe 


1 Fornald. 8. 1, 184: beir forn uf vida um lönd, ok vinnu mörg 
frwgdarverk, dräpu marga konungasonu, ok engir menn gerdu slik afrek 
sem peir; fara nü heim med miklu herfangi (vgl. Säm. 117, 2). 1. 19%: 
hann [Sig.] drap .. 5 konungar u. |. w. 1, 195: ekki erum vör [Sig.) 
göfgari menn, enn synir Giuka; peir dräpu Dana konung, ok mikinu 
höfdingja brödur Budla konungs. 


500 


fie an ibm haben würden, und ihre Söhne ftellen ibn höher ale 
fih 1; erſt mit ihm verbrübert, find fie fieghaft auf Heerfahrten; Sigurd, 
in Gunnar Geſtalt durch die Waberlohe ſprengend, erwirbt biefem Die 
Braut, der Bank der Königinnen Brynhild und Gubrun beim Haar: 
waschen am Strome, welche ven beberzteren Gemahl habe, wirb durch 
den Ausfchlag für Sigurd ihn zum Tode, Brynhild felbft aber wirft 
hierauf, nad) der Saga, ihrem Gatten vor, Sigurd fer durchs Feuer 
geritten, babe den Wurm und fünf Könige erichlagen, nicht Gunnar, 
der blaß geworden, mie ein Tobter, und weder König noch Kämpe 
fei; dichterifcher läßt das Eddalied fie dem ſchuldhaften Gunnar ver: 
fünden, mie fie im Traum ihn freublos, gefeflelt, in das Heer der 
Feinde reiten ſah und wie alles Geſchlecht der eidbrüchigen Niflunge fo 
ber Macht verluflig gehen werde? Im Nibelungenlieve räth fogar 
der grämliche Hagen, den jungen, heldenkräftigen Gaft durch guten 
Empfang zu verpflichten 3; Gunther hat dann des befolgten Rathes 
hauptjächlich zu genießen, ala Sigfrid, durch die Tarnlappe unfichtbar, 
für ihn die mislihen Wettipiele mit Brünhild beiteht unb dabei bie 
für fein ganzes Verhältnis zu Gunthern ausdrucksvollen Worte ſpricht 
(Nibelunge 429, 3): „Rü habe du bie gebärbe! diu were wil ich begän“; 
auch feherzhaft wird das verbeutlicht, indem Sigfrid dem an den Nagel 
gehängten Könige die Braut bezwingen muß; noch im Morbrathe fträubt 
ſich Gunther, ben zu verderben, der ihnen zu Heil und Ehre geboren 


1 Fornald. $. 1, 182: [Grimhildr] sa, at engi maätti vid hann iaf- 
nast, s& ok, hvert traust at honum var ıt. ſ. w. Konungr var vid hann 
sem vid sonu sina, en peir virdu hann framar enn sik. 1, 183: Giski 
konungr mellti: margt gött veitir pü oss, Sigurdr! ok miök hefir p& 
styrkt värt riki. 

2 Ebd. 1, 192: hann [Sig.] reid eldion u. ſ. w. hann drap orminn 
ok Reginn, ok 5 konungar, en eigi bi, Gunnärr! er hä fölnadir sem 
när, ok ertn engi konungr nö kappi (vgl. Säm. 120, 36). Säm. 126, 16: 
en fü gramr! ridir | glaums andvani, | fiötri fatladr, | ? fiända lid; | 
svä mun öll ydur | sett Niflunge | afli gengin, | erud eidrofa (vgl. Fornald. 
8. 1, 202). | 

3 Nibelunge 102: 

Wir fuln den jungen herren enphähen defter baz, 
daz wir iht verdienen des inellen reden haz u. |. w. 
er hät mit finer krefte fo manegin wunder getän. 


501 


jet !. Nicht anders verhält es fih aud in den Sachſen- und Dänen 
friegen. Als, wieder nach dem deutſchen Liebe, die Boten von Sachſen⸗ 
land und Dänemark Krieg anbroben, verwandelt fi) Gunthers ge: 
wohnte Fröhlichkeit in Trauer, Hagen verweift ihn auf Sigfrid (Nibe⸗ 
lunge 150, 4): „Ir fult eg Stfrive ſagen,“ und auch hier fpricht biefer 
bezeichnend (158, 3): „Lät mich in erwerben ere unde fromen!“ (173,3 f.:) 
[2, 361) „Belibet bi den frouwen und traget hohen muot! | ich trou iu 
wol behüeten beide &xe unde guot“ (vgl. ebd. 829). So geichteht es dann: 
Sigfrid überwältigt den Dänenkönig Liudgaft mit Schwertitreichen und 
erfchlägt die dreißig Reden, bie ihren Herrn befreien wollten (Ribelunge 
184 ff.), vor ihm muß auch der Sachjenlönig Liudger die Sturmfahnen 
nieberlafien (ebv. 214 ff.). Nach Nornageſtsſaga bittet Gunnar in ber 
Schlacht wider Gandalfs Söhne den ftet3 bereiten Sigurd, es mit dem 
feindlichen Hauptlämpen, dem riefenhaften Starkad, aufzunehmen, meil 
fie fonft nichts ausrichten würben?, und Sigurd treibt fofort den furcht⸗ 
baren Gegner in die Flucht. Am Thore der Finnsburg nun iſt Sige: 
ferd ber erftgenannte unter den Reden, die zur Vertheibigung berbei: 
geeilt find, ver Borfechter des blutigen Kampfes, in welchem ber ans 
ſtürmende Garulf, dieſer erſte feines Volkes, fällt, wogegen Guͤdhere 
vom Feinde felbft beicholten ward, daß er, ein jo ablider Dann 
(Sinnsburg 38: freölic feorh), in der dringenden Noth nicht alsbald 
fampfgerüftet erjchienen fei. Die gleihen Namen, biejelben Eigen: 
Ichaften, der nemlihe Gegenſatz, altnordiſch Sigurdr und Gunnarr, 
altdeutſch Sifrit und Gunthere, nunmehr ebenfo angelſächſiſch Sigeferd 
und Güdhere, wie will man all dieſes Zutreffen anders erflären, ale 
durch die Einheit der Perſonen eines gemeinfamen Sagenfreifes und bie 
zäbe Stätigleit epifcher Charaktere? Nirgends iſt auch fonft in den 
Sagen bie Spur eines Sigfrids oder Gunthers, welche jenen bie Stelle 
ſtreitig machen Tönnten. 

Befremden kann es, dab im Beomwulf beim Sriefenftreite Sigeferd 


1 Nibelunge 815: 
Der künic ſprach: „Lat bliben den mortlichen zorn! 
er ift uns ze fälben unt ze &rem geborn.“ 
Bol. 811. Laßberg 8888 ff. 
2 Fornald. S. 1, 330: Gunnarr bad Sigurd sekja imott beim manns- 
kelmi [Stark.], bviat hann kvad svä eigi duga mundu. 


502 

und fein Begleiter gar nicht genannt find. Zwar hörte die Kriegs⸗ 
genoſſenſchaft bed Stegenfürften mit dem Yriefenfönige von felbft auf, 
ale nad dem Falle Hnäfs und andberfeitig ber meiften friefiichen Ede⸗ 
linge zwifchen Finn und Hengeft ein Friedensſchluß (Beowulf 2196: 
fäste friodu-wäre) beſchworen war; auch ereignet ſich Finns gemalt 
jamer Tob erft im folgenden Jahr und nicht in neuem Volklskriege, 
fondern bei einem von Gublaf und Oslaf erhobenen Hader mit bem 
reigbaren König (ebd. 2297 ff.). Allein das Beowulflied gibt benn 
doch einen größeren Umriß dieſer Geſchichten, es hat früher Sigemunbs 
mit Fitela wohllundig gedacht und ſchweigt nun gänzlich vom berühm- 
teren Sohne Sigeferd, den bier zu nennen fo naher Anlaß getvefen 
waäre und dem dagegen das Bruchftüd fo bebeutenden Antheil am Kampfe 
zuerlennt. Damit wird man auf bie vermittelnde Annahme getiefen, 
daß zwar, was bereit3 angebeutet wurde (S. 497), die ältere Gage 
von der Friefen Noth, wie fie im Beowulf zu Grunde liegt, nichts 
von Sigeferd enthalten, dieſelbe jedoch, vermöge des allem Epos imn- 
wohnenden Triebes, feine Kreife tet? weiter auszudehnen, im Verlauf 
ihrer fortwährenden Entwidlung einen Haupthelden der auch jonft im 
Kampfe gegen die nordifhen Wilinge mit den riefen verbünbeten 
Srantenftämme an fi) gezogen babe. Mit Sig[2, 362]frid ift Gunther 
nad Friesland gelommen, die Waffenbrüberfchaft diefer Beiden aber 
beruht felbft ſchon auf eines Verſchmelzung fränkifcher Sage mit bur- 
gunbifcher und ihr gemeinfamer Eintritt in das Lie von Finnsburg 
jet voraus, daß die Sigfribsfage bereits in jenem Berbande bei ben 
Angelfachfen verbreitet war. 

Wie im 9ten und 10ten Jahrh. die norwegischen Anſiedler auf 
Island, fo hatten gewiß auch vie beutfchen Stämme, welche fich, feit 
der Mitte des Bten Jahrh. zahlreich anbringen, ber britifchen Inſel 
bemädhtigten, zuvörderſt die drei Hauptoöller, Sadfen, Angeln und 
Süten (mit ihnen wohl auch riefen, vgl. Lappenberg, Geſchichte vor 
England 1, 98), beträchtlich jpäter Dänen und anbre Norbmänner, 
das Sagenerbe ihrer alten Heimat in bie neue herübergebradt. Für 
einen fortwährenden Verkehr in diefer Richtung zeugt das Beowulflied 
ſelbſt, das weſentlich in den alten Scevelanden malte und doch zw 
gleich, mit Hygelac und ben Hetwaren, an einer gefchichtlihen That: 
fache haftet, die geraume Zeit nach der großen Einwanderung in 





303 


Britannien fich begeben bat. Sind auch der angelfähliihen Sagen: 
lieder wenige, fo erweiſt fich doch ein reihausgebilveter Stil des Helben- 
fang fogar noch in den legendenhaften und andern geiftlichen Dicht: 
werten, gerade wie altſächſiſch im Helianb, es fehlt aber aud nicht an 
beftimmten Anzeigen einer vielumfafienden Sagenkunde. Diejelben 
erftredten ſich mehrfach auf den bier abgehanbelten Gegenftand. In 
die Stammtafeln der angelfächfifchen Köntgsgefchlechter find nicht, mie 
in jene bes Nordens (Sn. 1, 26. 522. Fornald. S. 2, 10. Sim. 69, 
24 f.), auch Welfunge eingereibt, doch ericheint in- mehreren Heremod, 
der im Beowulf mit Sigemund zufammen genannt ift, und in ber 
tentiichen Finn mit feinem Vater Folewald, wie in vemjelben Liebe 
Finn Folewalding, auf Finnsburg Sigeferbs Berbündeter (Mythologie, 
1te Ausgabe, Anhang XI. XV, vgl. En. 1, 24). Diefe Stammtafeln 
mögen anfangs bezweckt haben, die Könige jämmtlicher in Britannien 
gegrünbeter Reiche durch gemeinfame Abftammung von Woden einheit⸗ 
lich zu verbinden; wenn jedoch allwärts Namenreiben noch über ven 
jelbft ſchon zum irbifchen König gewordenen Woden binauffteigen, 
darunter eben auch foldde mit Finn, Folcwald und Heremod, jo läßt 
fih dieß damit erHlären, daß die längft befeftigte nähere Stammfolge 
nicht geftört werben follte, aber auch hier ein Beftreben rege war, 
weitere durch Lied und Sage vollafundig geworbene Namen in die Ge 
meinſchaft ber altangehörigen beizuziehen. Man fühlt überall das 
Wirken eines verfühnlichen, dulbfamen Sinnes, der auch unter einft 
töblidh verfeindeten Stämmen jedem Theile fein Recht und feine Ehre 
wiberfahren läßt. Das Widfidhslied gibt in einer langen Aufzählung 
fagenberühmter Fürften und Völker auch manche und bebeutenbe, bie 
bieber anklingen, und meift jchon einzeln hervorgehoben wurben; im 
Berzeichnis von Herrſchern aus voriger Zeit: Gifica gebot den Baur: 
gunden, Mearchealf den Hunbingen, Gefiwulf den Yten (Jüten), Finn 
Folewalding dem Friefenftamme, Säferb den Siegen, |2, 363] Hun den 
Hetivaren, Hrodgar Tämpfte zu Heorot; unter den Völkern, welche ber 
weitgewanderte Sänger felbft befucht hat: Siegen, Burgunden mit ihrem 
König Gudhere (Gificad Sohne), Franken und Friefen, Hundinge. 
Ser, wie in den Stammtafeln, find es meift bloße Namen, aber die 
Epifoden im Beowulf und das Brucdftüd von Finnsburg erfchließen 
den Ausblid in die vollgeftaltete Sage, die hinter ſolchen Namen ftand; 


5304 


mit dem Einen Stammnamen Hundinge rührt fi) der eivige Hiadninge 


ſtreit zwifchen jenem Geſchlecht und den Wellungen, deſſen Gedächtnis 
fonft nur in den altnorbifchen Denkmälern bewahrt if. Das Beowulf⸗ 
lieb felbft handelt zwar vor Sigemund nur in kurzer Nebenerzäblung, 
aber mit neuen und erheblichen Umftänven, indem es einerjeitö biefen 
alteren Welſung ald Drachentödter noch im Scheine des Wunberbaren 
zeigt, anderjeits ihn und feinen Neffen Fitela als Belämpfer des Jüten: 
volks gefchichtartig vworführt; die Erwähnung beiber Helden an dieler 
Stelle ift fchon dadurch bebeutfam, daß auch bie Zwiſchenſpiele des 
Liebes fich innerhalb der Seegebiete halten, die es fih im Ganzen ab- 
geftedt bat. Enblih das Bruchftüd weiſt den Sohn Sigeferb auf bie 
Wege des Vaters, in den Streit wider jütifhe Wilinge, und verſetzt 
ihn mitten in die Handlung eines Heldenlieds, das amt deutichen Nord⸗ 
jeeftrande feinen Schauplat hat. 

Der Hinblif auf die örtlichen und völferfchaftlicden Zuſammen⸗ 
bänge, mie fie in dieſen angelfächfiichen Zeugniſſen fich berausftellen, 
fann au einer Unterfuhung nützlich fein, melde tiefer auf das Weſen 
und .den beiwegenten Gedanken der Welfungenfage einzugehen unter: 
nimmt. 


16, 307} 2. Der Rofengarten non Worms. 


Die Lieder vom großen NRofengarten, tie auf gleicher Grundlage 
doch in der Ausführung mehrfach verichieden find, bringen den jugend: 
lichen Dietrich von Bern und feine Genoſſen mit den rheinifchen Reden 
je in der Zwölfzahl zu ebenfo vielen Einzellämpfen zufammen, mittelft 
welcher Kriemhild, König Gibichs Tochter, in einem roſenblühenden 
Garten bei Worms die gegenjeitige Heldenkraft ſich meſſen läkt!. Als 


I Den Texten, welche W. Grimm in der Hauptfchrift (Der Rofengarte u. |. w. 
Göttingen, 1836) mitgetheilt oder nad Klaſſen (A bis E, Einleitung 11 f.) 
verzeichnet bat, find durch ihn noch die Bruchſtücke in der Zeitſchrift für 
deutjches Alterthum 11, 248 fi. 536 ff. und, als Nachlaß, in den Abhand- 
Iungen ber Berliner Alademie 1869, S. 484 bis 500 gefolgt; hiezu kommen 
die Abbrüde aus der Bommersfelder Handſchrift durch Bethmann in der Zeit- 
ſchrift für deutſches Alterthum 5, 369 f. und dur K. Bartſch, Germania 4, 1 fl 





905 


Beſtandtheil des Gejammtlreifes deutſcher Heldenſage betrachtet, ins⸗ 
beſondre als Nachwuchs des Nibelungenliedes, haben die genannten 
Gedichte viel ungünftiges Urtheil erfahren. Der treuefte Pfleger dieſes 
Rofengartens findet in demfelben, von folder Seite angefeben, einen 
ber letzten Triebe der erlöfchenden epiſchen Kraft, abendliches Hinneigen 
der ernften Sage zum Scherz und märchenhaften Spiele, eingebrungene 
Roheit der Sitten, Herabfinten der Volksdichtung nach innerem Gehalt 
und äußern Form!. Dennoch ift, felbft vom Geſichtspunkte bes 
epiſchen Wertbes, den Rojengartenliebern ein tüchtiges Feftbalten ber 
Charaktere, welches den höfifchen Dichtern mangle, zuerlannt worden 
und es bezieht fich dies beſonders auf den Helden Dietrich im Verkehr 
mit jeinem alten Meifter Hildebrand und auf die ergetliche Geitalt bes 
Rreithaften Mönches Slfan ?; überhaupt fonnte die [6, 308] voltsthüm« 
liche Rüftigleit, wie fie durch das Ganze waltet, ihren geminnenven 
Eindrud doch nicht verfehlen. Als Grundgedanke und eigentlicher Inhalt 
wird bezeichnet, daß Dietrih und Siegfried, die beiden Haupthelden 
der Sage, ſich mit einander mefjen, Dietrich höhere Kraft aber trotz 
aller Hinderniſſe fih in vollem Glanze bewährt (W. Grimm, Rofen- 
garte, Einleitung LXI, vgl. Zueignung VI und Brudftüd in ben Ab⸗ 
handlungen ver Berliner Alademie 499; Bilmar 1, 152 f.). In den 
Liedern jelbft ift diefer Gedanke durch die Königin und ihre Frauen 
ausgeſprochen (C 1873 bis 1875. 1982 bis 1985. D 2013 f., vol. 
Zeitſchrift für deutſches Altertbum 5, 369). Man fegt faum eines 
derfelben in vorhandener Geftaltung über bie zweite Hälfte bes 13ten 
Jahrh. hinauf (Heldenfage 371. Rofengarte, Einleitung LXXVIII f. 
Bruchſtück 499; vgl. Wadernagel 202. 211. Bartih in Germania 4, 
2 f.). Außerhalb der Lieder jelbft ift das frühefte, ausdrückliche Zeug⸗ 
ns vom Streit im Nofengarten noch immer jenes in Dttofars öfter: 


1®. Grimm, Rofengarte, Zueignung VII. Einleitung I. LXXVII f. 
Heldenjage 348. Abhandlungen der Berliner Alademie 1855, ©. 2. 1859, 
S. 500. Zeitſchrift für deutſches Alterthum 11, 562, BgL W. Wadernagei, 
Gedichte der deutſchen Litteratur 211. Koberftein, Grundriß, Ate Ausgabe, 
1, 286 ff. Gervinus, Geichichte der poetiichen National-Litteratur, 3te Ausgabe, 
2, 102 fi. Bilmar, Geſchichte der deutſchen National-Litteratur, Zte Auflage, 
1, 152 fi. 

2 Heldenfage 371. Wadernagel a. a, DO. GSimrod, Meines Heldenbuch, 
2te Auflage, IX: „die großen Schönheiten des Gedichts.“ 


506 


veichifcher Chronik, gegen Ende des 13ten Jahrh., eine Vergleichung 
mit der Heldenkraft, melde Dietrich von Bern wider den hürnenen 
Siegfried im Rojengarten erzeigt babe! Es find aber noch fonftige 
Dichtwerke beizugiehen, die, meift auch in einer Reihe von Sonder 
kämpfen, ven zwifchen Dietrich und Siegfrieb berborftellen, welcher fich 
oben als epifcher Gipfel des Rofengartenftreitö ergeben hat. Um bie 
jelbe Seit mit ber Zeugichaft Ottokars iſt Thidriksſaga abgefaßt, vie 
zwar feinen Rofengarten nennt, obichon fie bauptfächlid aus deutſchen 
Quellen geihöpft bat, aber den Kämpfen der von Bern gelommenen 
Helden mit König fung und feinen Söhnen zum Schluſſe gleichfalls 
den Zufammenftoß Thidriks mit Sigurd anreiht (Unger 182 bis 2307. 
Hylten 134 bi8 159; vgl. Helvenfage 347 f.). Hier freilich und noch 
mehr in den mit der Saga verwandten, bänifch, ſchwediſch, färdiſch 
erhaltenen Bollsliedern (Grundtvig 1, 63 ff. Arwidsſon 1, 13 ff. 408. 
Afzelius, Sagob. 1, 65 ff.), ift unter die Helben auf Thidriks Seite 
- beträchtliche Berwirrung gelommen, fo daß zu feinen Kämpfern Högni, 
Gernot und Voller zählen, fogar der Riefenname Faſold. Der eriten 
Hälfte des 14ten Jahrh. gehört muthmaßlich das Lied von der Schlacht 
vor Raben an (Heldenfage 207. Koberftein 240, Anm. 3. [6, 309] 
Wackernagel 211), in welcher Dietrichs Zweilampf mit Siegfried ben 
Ausgang nimmt, daß Letzterer, unter feinen Schild niebergeftredt, ſich 
dem Berner gefangen geben muß (Str. 646 bis 684). Viel früher, 
um 1225, wird bie Abfaffung bes meitfchweifigen Dichtwerks Biterolf 
und Dietleib angeſetzt (Wadernagel 210, vgl. Gödeke, deutſche Dichtung 
im Wittelalter 305), welches den großen Wettkampf aller Helden wirk⸗ 
lich fchon vor die Königsſtadt Worms entbietet und zwar eines Roſer⸗ 
gartens nicht gedenkt, aber ven Hader des Scharmeifterd Hildebrand 
mit feinem vor Siegfried zurüdicheuenden und nun erft zu bämonifchem 
Zorne gereizten Zögling umftändlich vorführt (Dietleib 7803 bis 7812. 
7852 bis 8170. 11106 bi® 11144; vgl, Heldenfage 126. NRofengarte, 
Einleitung LXVII f.). Weiſen die Nofengartenliever, in all ihrem 


1 8. Grimm, Heldenfage 170. Rofengarte, Einleitung LXXVIIL Bruch- 
ftüde a. a. O., vgl. Koberfiein 1, 224. Eine Anbeutung, bie fiber 1296 
binaufgeht, Germania 1, 312, Anm. 27 (unus de XII pugilibus gemahnt 
hier an die zweif Tempfen im NRofengarten, von der Hagens Ausgabe 49, 
668. 578). 


507 


— — — 


Wechſel, und die ihnen verwandten Denkmäler auf eine gemeinſchaft⸗ 
liche Grundlage, ein urfprüngliches Gedicht hin (Einleitung LXXIX), 
jo muß dasſelbe, damit aus ihm jeit ber erften Hälfte des 13ten Jahrh. 
die verſchiedenen einfachern und gebäufteren Zubildungen hervorgehen 
Ionnten, um ein Ziemliches höher binaufgefeht werden. In jenen 
Liedern waltet auch fortwährend ein frifcher, lebendiger Hauch, der 
im früheren Schriftivert, eben im Dietleib, bereite verflogen ift. Sie 
erftatten damit zur Genüge, was an mittelhochbeuticher Hegel ihnen 
abgebt. 

Zubem ergeben ſich beachtenswerthe Anzeigen, daß der epifche 
inhalt, wie er jetzt erfcheint und die gelehrte Forſchung vorzugsweiſe 
beichäftigt hat, nicht für den anfänglichen Beſtand und Sinn der 
Dichtung anzufehen fe. Die ungleihen Benrbeitungen des gemein: 
famen Stoffes theilen fich in joldhe, die den König Ebel und die Hunen 
als Fahrtgenofien an den Rhein, den Marlgrafen Rübiger als Mit: 
ftreiter einmifchen, dann in andre, denen diefe Anſätze fremd geblieben 
find, und es hindert nichts, die ganze Hunengefchichte wieder abzulöfen 
(Einleitung LXII f.). Siegfried, das Königehaus von Worms und 
defien nambaftefte Dienftleute find als Abfjchattungen aus dem Nibe: 
Iungenlieve aufgewiefen, fie muften für dieſes ber Erfüllung ihres 
Geſchickes vorbehalten bleiben und ihr Kampf tft darum ein Spiegel: 
fechten . Doc gilt es nicht bloß verneinend [6, 310] ivegzufchieben. 
Jetzt erft tritt augenfällig ein anprer Schlag von Kämpen bervor, das 
Geſchlecht der Rieſen, fie ftreiten ernftbaft und fallen auf der Wahlſtatt. 
Sn mehreren Texten find bie vier erften Kämpfe von rheinifcher Seite 


den. gewaltigen, unter fich blutövermandten Rieſen Pufold, Drtwin, - 


Schrutan und Afprian zugetheilt und dies ift ein alter Sagenkern, ber 
noch darin forttreibt, daß mitunter felbft Hagen und Voller, ebenio 
nachmals Siegfried, zu Riefen geftempelt werden (Einleitung X. Helden: 


I Nur die Vorrede des Helbenbuchs. läßt misverſtändlich ben bürnenen 
Siegfried im Rofengarten erſchlagen werben, fomit aud) Kriemhilds Rache 
wert zunächft gegen Dietrich und die Wülfinge gerichtet fein (von ber Hagen, 
Heldenbu von 1855, 1, CXXI. CXXV. Heldenſage 294, 11. 298 f. 319 f., 
Nr 165). Als mordluſtige Streitfifterin if Kriemhild jelbft erß aus der 
Nibelungennoth herübergelommen, vgl. Roſengarte 60 bis 62. 434. 1105 mit. 
Ribelunge 1992. 2028. 2290 f. 


508 


jage 301. 356. 390). Auch der Rheinferge Norprecht, der die Amelunge 
überfchiffen muß, wird als Niefe genannt und bat zwölf gleichartige 
Söhne (Einleitung XXIV). Sogar von Dietrichs Streitern arten in 
den Riefenftamm die Gejelen Witti und Heime, lekterer heißt aus: 
drüdlich ein junger Riefe und ift als folder durch überzählige Ellen: 
bogen und Hände gezeichnet (ebend. XX); Dietrich ſelbſt läßt bier, wie 
fonft vorzüglich in Riefenlämpfen, den dämonifchen Feuerathem ſprühen 
(ebend. XI) und an feinem Gegner Siegfried ift dann gleichfalls das 
Wunderbare, die Hornhaut, die eben durch jenen Feuerhauch ge 
ſchmolzen werden muß, beſonders hervorgehoben (ebend. V, Rofengarte 
1664 bis 1667. 1918 bis 1921); fogar im nüchternen Gedichte von 
Dietleib raucht und lodert Dietrichs Zornglut!. Mit ſolchen Merl: 
malen erjchließt ſich für die jeht epifch zugebilveten Roſengartenlieder 
ein mythiſcher Hintergrund ?. 

Dies fol, unter Bezug auf die mitfolgenve Stammtafel des Niefen- 
geſchlechts (Beilage), an den beiden im beutichen Mythenkreiſe bedeu⸗ 
tendften Geſtalten des Roſengartens, Afprian und Dietrich, näher auf 
gewieſen werben. | 

Alprian, ein nad allen Yaflungen des Liebes, einzig das neueft- 
gedrudte Bruchitüd ausgenommen, mit Wittich ftreitender Niefe, heißt 
„der Ungeheure“, ift oberhalb des Gürtels fieben Klafter lang, Iennt 
jelbit in aller Welt feines Gleichen nicht, trägt zwei Schwer[6, 311]ter 
in Einer Scheide und ficht mit beiden zugleich, fogar vier Hände werden 
ihm ertheilt (Einleitung XI). Seiner Herkunft wird hiebei nicht ge: 
dadıt, dagegen läßt Thidriksſaga von Norbian, einem Sohne des 
Könige Wilkinus, vier riefenhafte Söhne ftammen: Etgeir oder Atgeir, 
Aventrod, Widolf mit der Stange (mittumstangi) und Afpilian ober 


1 Nichts findet fi davon in dem gänzlich epifch gehaltenen Endesſtreite 
des Nibelungenliebs; die Saga läßt hiebei durch Thidriks Erglühen den Wider⸗ 
fand Högnis brechen, Letzterer ift ihr aber auch nicht bloß menfchlicher Art, 
fondern der Sohn eines Alfs (Unger 332. Hylten 260). 

2 Die angengmmene regelrechte Theilung der zwölf Streiter, doch nur 
auf rheinifcher Seite, in drei Klaſſen gleicher Zahl, vier Rieſen, vier Reden, 
vier Könige (Rahmann zur Klage ©. 308 f., vgl. ©. 289; W. Grimm, Ein- 
leitung LXXII. Bruchſtücke 499 f.; Simrod, Meines Heldenbuch VIII), be 
dürfte felbft noch einer inneren Begründung. 


509 


Afplian, lebtgenannter ift Nachfolger des Vaters im Königthum 
(Unger 28 f. 38. 185. Hplten 21. 23 f.). Die alte Vorrede des 
Heldenbuchs weiß nichts von Wilkinus und Norbian, ihr find Mentiger 
und Gudengart die Eltern von Ede, Bafolt und Abenbrot; vermilt 
werben bier die in der Saga mit Aventrod genannten Brüder Atgeir, 
Widolf und Afpilian 1. Nicht als Brüder, wohl aber als unzertrenn- 
lihe Kampfgenofien, geben Aiprian und Widolt, nebit einem weiter⸗ 
genannten Riefen Grimme, zufammen in bem Gebichte vom König 
Rother aus dem 12ten Jahrh. Dem Aufgebote Rothers zur Fahrt 
nad Konftantinopel, um feine gefangenen Dienftmannen zu erlöfen, 
folgt auch Aſprian, König des fernen Rieſenlands, mit zwölf ihm 
dienftpflichtigen Riefen, darunter Wibolt, der feiner Wilbheit wegen 
an der Fette, wie ein gebundener Löwe, mitgeführt wird, und, wenn 
losgelaſſen, mit feiner Eiſenſtange wüthend um fich fchlägt; Aſprian 
felbft wirft des Griechenfönigs gezähmten Löwen an der Salmand in 
Stüde (Rother, Maßmanns Ausgabe 624 ff.). In das unbelannte 
Land König Aſprians, mie es im Rother bezeichnet wird (ebend. 626, 
vgl. Nibelunge 1412, 4), bringen die Bruchftüde eines altniederländiſchen 
Gedichts den Kaifer Karl (Karel. Er ift zu Schiff in diefes Riefen: 
land gekommen. Gernout?, in Karla Gefolge, bat einen Bären bei 
fh, Wiffelau genannt, der Alles verftebt und thut, was fein Her, 
ber ihn „füßer Freund!” anrebet („Wiſſelau, ſote vrient“), in einer nur 
ihnen beiden befannten Sprache jagt und gebietet. Der Bär greift 
einen entgegentommenden Riefer an und zerreißt ihn. Auf den Hülfe- 
ruf des Niefen eilt König Aſprian (Efpriaen) ‚mit feinen Gefellen herbei 
und verlangt, daß Gernout [6, 312] den Bären feftgebunden im Schiffe 
balte: „Käm' er in meinen Sal, ex zerbifl' uns alle.” Sofort Fehrt 


1 Die Vorrede (von der Hagens Heldenbuch, Leipzig 1855. 1, CXV) hat 
hiebei mehr das Edenlied im Auge, Alprians erwähnt fie früher (CXIII), obne 
feine Berwandtichaft zu berühren, neben Schrutan, mit Rüdfiht auf das 
Rofengartenlied, in welchem, nur nah Einem Terte, auch Bajolt ftatt Puſolds 
genannt ift (Einleitung IX). 

2 Bol. Förftemann, Namenbud 1, 512: Gernolt. Der Name trifft genau 
weder mit Gerndt zu, obgleich in der .Ichweriichen Dietrichsſage (Hylten 
127 u. |. w.) Kriembilds Bruder auch Gernholt gejchrieben wird, noch mit 
Gerolt, wie Karls des Großen fagenberühmter Ehwager und Heerführer im 
fähigen und ſlaviſchen Kriege hieß. 


310 

der König mit den Niefen in feine Burg zurüd, Gernout aber zieht 
dem Wiflelau einen koftbaren Rod an, ben er bemfelben am Hofe zu 
Achen hatte machen lafien, und nun folgt aud Karl mit feinen Ge 
noflen und dem von Gernout geführten Wiffelau zur Burg nad. Der 
Thorwächter flieht erfchroden, fie jeen fih im Sale, wo. Gernout den 
Wiſſelau für einen bienftbaren Kämpen ausgibt. Bald jedoch kommt 
eine flüchtige Menge von Schenten, Truchläßen, Köchen in den Sal 
geftürzt, mit foldem Gebränge, daß fie Hals, Arm und Bein brechen, 
bintennady läuft Wiflelau mit einem großen Keffel, darin er den Haupt: 
koch gefotten hat, den er jet vor Aller Augen zu verzehren ſich an- 
ſchickt. Aſprian will fih auf einen Thurm retten, feine Niefen find 
auf die Ballen gellettert, Gernout aber hält den König feft und fucht 
durch einen fcheinbaren Ringlampf mit dem voraus unterrichteten Bären 
zu beweifen, daß er deſſen Meifter fei,. mas die Rieſen höchlich in Ber: 
wunderung über bie Stärke ber Heinen Männer ſetzt. Das Blatt 
bricht damit ab, wie bie unlieben Gäſte nach gebaltener Mahlzeit zur 
Nube geben wollen !. 

Einen förmlichen Eilffampf Dietrihs und feiner Wülfinge mit 
gleich vielen Riefen der Wildnis von Tirol, denen fein Helbenname 
beigemengt ift, bringt noch das ausgedehnte beutiche Lieb von Dietriche 
eriter Ausfahrt; bier wird Afprian, als fechäter Streiter auf Riefen: 
feite, won Blödelin erlegt, der durch Belämpfung dieſes maßlos großen 
und ftarten, in gar mandem Streite (in pergen und in grüne) ver: 
fuchten Riefen anjtrebt, daß man davon bi8 an den jüngften Tag 
fingen und fagen müße?. 


1 Den Inhalt der zwei Pergamentblätter, foweit er leobar war, bat der 
Befiger derjelben, C. P. Serrnure in Bent, abdruden laſſen in feinem „Bader 
landſch Muſeum“ u. |. w. 2 Deel, Gent 1858, ©. 265 bis 284. Bol. Done, 
Niederländifche Bolkslitteratur 35 f. 896 f. Mythologie 745. Das Gedicht 
ſetzen Serrure und Mone in das 12te, die Handſchrift in das 14te Jahrh. 

2 Etarl, Str, 671 bis 674 (von der Hagen, Str. 740 bis 743); man 
vgl. Str. 671: bie innß ein flreit von uns geihehn, | das man pis an den 
jängften tag | dar von müs fingen unde jehn, mit Rofengarte, Grimm 531 f.: 
Wär ez, daz uns gelunge, | ber nädy fiber tüjent jär | man von ung feit und 
funge. Die ungemifchte Eilfzahl der Rieſen ericheint noch in eimer zweiten 
gleichartigen Rompfgruppe der Ausfahrt, Stark, Str. 709 fi. (von ber Hagen, 
Str. 862 ff.) 





51 


Zu den deutfchen Darftellungen gibt Thidriksſaga ihre Seitenftüde, 
wobei fie den in jenen vergeflenen, von ihr aber vornherein [6, 313] an- 
gefnüpften brüberlichen Verband der Nordiansſöhne fefthält (Unger 33 f. 
Hylten 23 f.), obſchon auch fie dieſe Riefenbrüber fonft wieder mehr: 
fach auseinanberfprengt (Unger 51. vgl. Hylten 32 f.). Die Abenteuer 
der Brautfahrt, die im Rother unter Einfluß der Kreuzzüge ausgemalt 
find, lauten in der Eaga, davon unberührt, auf Dfantrir, den König 
von Willinenland, der um die Tochter des Hunenlönigs Milias freit 
und in befien Gefolge die vier riefenhaften Brüder geben, König 
Aſpilian, Widolf mit der Stange, Atgeir und Aventrob, die ihn an 
der Eifenftange führen (Unger 33 f. 42 f. Hylten 23 f. 26); aber hier, 
wie im Rother, find. die Riefen doch nur als Beimerl einer Heldenfage 
verwendet. Dem niederländiſchen Bruchftüde von Wiffelau gegenüber 
fteht ein weiterer Abſchnitt des norwegiſchen Sagenwerls: Widga, 
Thidrils Mitftreiter in einer fonft fiegreichen Schlacht des Berners und 
Attilas wider König Dfantrie, ift durch Widolfs Stange nicber: 
geichlagen und von dem fliehenden Feinde gebunden fortgeführt morben. 
Hierauf gefellt fich Wilbifer, ein andrer Kämpe Thidriks, den Haupt 
fpielmanne desſelben, Iſung, um durch eine Lift den Gefangenen zu 
befreien. In eine Bärenhaut eingenäht, wird er vom Spielmann am 
Halsbande geführt. Am Hofe des Königs angelommen, fchlägt Jung 
meifterhaft die Harfe und darnach fpielt und büpft fein Bär, ven er 
Vizleo (Wiffelau) nennt, zu allgemeinem Erftaunen. Dfantrix will 
aber aud die Tapferkeit des Thieres erproben, auf einer ſchönen Wiefe 
werden vor der verfammelten Menge jechzig große Jaghunde auf Wizleo 
Ioögelafien. Mit dem Könige find dabei feine Dienfimannen unbe: 
waffnet gegenwärtig, unter ihnen der gefeflelte Wibolf, geführt von 
feinem Bruder, dem Rieſen Abentrod. Der Bär ergreift den gröften 
Braden und erichlägt damit zwölf andre der beften Hunde. Zornvoll 
hierüber, läuft der König mit gezogenem Schwerte den Bären an und 
baut ihm in den Rüden, das Schwert fpaltet die Bärenbaut, bringt 
aber nicht in die Brünne darunter. Als nun Oſantrix zu den Seinigen 
widerlehren will, rafft Wilbifer fein Schwert aus des Spielmanns 
Hand, läuft dem Könige nad) und Schlägt ihm das Haupt ab. Auch 
die Riefen Aventrob und Wibolf rennt er an und erjchlägt fie. Widga 
wird befreit und kehrt zu Thidrik zurüd (Unger 146 ff. Hulten 104 ff.). 


512 


Hier nun ift der ſchon früher als Gefolgsherr der Riefenbrüber einge 
führte König Dfantrig fichtlich ftatt des megfallenden Hauptriejen Aſpi⸗ 
lian eingetreten, während dem nieberländifchen Wiſſelau gegenüber 
König Eipriaen noch richtig feine Stellung [6, 314] behauptet. Afpilian 
mujte für Heimes ftreitbares Mönchthum zum Schlufle der Saga auf: 
gelpart bleiben, dagegen iſt der Sagenfchreiber mit Dfantrir in große 
Verwirrung gerathen, welcher nachher noch ein- oder zweimal getöbtet 
wird (Unger 259. 303. Hylten 185. 281. Heldenſage 180,0); zwar 
fuchen einige Handfchriften nachzubelfen, indem fie den König Wildifers 
Streichen entrinnen laflen (Unger 153, 1), damit ift aber dem Bären: 
ipiele die Spibe gebrochen. Bermift wird der Name Afpilian aud 
in demjenigen Theile der Saga, der fonft dem Rofengarten am aner 
Iannteften nahe kommt (f. oben ©. 506), in ven breizgehn Sonderkämpfen 
Thidriks und feiner Begleiter mit dem König fung von Bertangaland, 
befien eilf Söhnen und dem jungen Sigurd, ben auch bier zum Schluffe 
Thidrik felbft befiegt; als Riefe genannt ift dabei nur Afpilians Bruber 
Atgeir, der Iſungs Grenze hütet und ſchon vor den Hauptlämpfen 
vom Schwerte Widgas, feines Verwandten, fällt (Unger 184 bis 189. 
Hylten 137 bis 140). 

Für die Erklärung all dieſer deutfchen und deutſchnordiſchen Sagen: 
gebilde, die fi durch Namen und Inhalt auf Aſprian beziehen und 
einander gegenjeitig ergänzen, tritt am augenfälligften der Bärenkampf 
hervor. Mit gutem Grund ift derfelbe, ſchon ver der vollftändigen 
Belanntwerbung des niederländifchen Bruchftüds, den Aufzügen zugezäblt 
worden, in welchen bei der Yrühlingsfeier, zu Mittfaften oder am 
eriten Mai, der Bär leibhaftig oder dem Namen nad, umgeführt 
wurbe, wie bejonders der Bär und ber Knabe mit dem Schwert im 
Lätarezuge des Domprobit3 zu Halberftabt (Mythologie 745, vgl. 743). 
Seines winterlihen Pelzes unerachtet, ift der Bär ein Bote des Sommers. 
Die Stalden nannten den Winter Nacht ober Schlaf des Bären, ten 
Eommer des Bären Tag (Fornald. S. 1, 477. Egilsſon 57b. Diaf: 
fen, om Nordens gamle Digtek. 100. Lex. myth. 751); nach dem 
nordiſchen Kalenderglauben gräbt der Bär am 7ten Oftober fein Lager 
für den Winterfchlaf (Lex. myth. 842), am 12ten Januar legt er ſich 
auf die andre Seite, auf den 22ten Mat fällt in Norwegen björnevok, 
Erwachen bes Bären, fein Austritt aus der Grube (ebend. 751. 786. 


513 


809. 856). Für tweniger nörblidhe Länder muſten die Friſten anbre 
fein. So war ber König der germanischen Thierwelt (Reinhart Fuchs 
XLVII ff), der auch allem Volke zum Ergeben diente (J. Grimm, 
Inteinifche Gedichte des 10ten und 11ten Jahrh. XV. W. Wadernagel, 
in Haupts Zeitichrift 6, 185 f.), wohl geeignet, im Aufzuge bes Früh⸗ 
lings mitzugehen und zu mythiſcher Symbolik verwendet zu erben, 
wenn man in Liebern ober Feitipielen den Sieg [6, 315] des Sommer: 
beiden über die Winter: und Sturmriefen darftellen wollte Wiflelau, 
Wislau, der nieverländifchen Zeugnifle, d. b. Wenzel (Mythologie 745), 
Bär der böhmischen Wälder, lautet in der Saga faft unfenntlich Vizleo 
(Unger 151. Hylten 108 im Acc.: wiſa leon); aber auch ber Name des 
bier in die Bärenhaut vermummten Helden, Vildiver, Villifer, ift auf 
ein ahd. Wilbpero, wieder ald Bezeichnung eines Walbbären, gebeutet 
worden (Mythologie 745). Beirren Tann, daß gleichmäßig auf der 
entgegengejeßten Seite des Streites fih Namen finden, welde ben 
Bären bezeichnen. Beiden Theilen gemeinfam ift Sfung. So beißt, 
doch wohl nur durch Spätere Herübernahme, ber Yührer bes Vizleo⸗ 
Bildiver, der Hauptipielmann Thidriks; ebenfo dann auch der König 
von Bertangaland, der ſammt feinen eilf Söhnen die dem Nofengarten 
entfprechenden Sonberfämpfe Beftebt. Nun begegnen als ſtaldiſche Be⸗ 
nennungen des Bären: lsolfr (Sn. 1, 589; 2, 484. 567. 6265; 
Egilsſon 441a: fera glacialis), isungr (Sn. 1, 479, Anm. 15), doc 
wohl für isungr, Ablümmling des Eifes. Isolfr und Isungr ftehen 
zivar auch in der Liederebba als Mannsnamen (Säm, 69, 21. 85, 20), 
ebenwie ahd. in Urkunden des Sten und 9Yten Jahrh. Iſulf (Iſolf), 
Iſunc (Sörftemann 1, 804 f.), leßtere Form aber ift patronymiſch und 
da die Söhne des Königs von Bertangaland in den Zweikämpfen nicht 
einmal eigens genannt find, fonbern als erfter, zweiter Iſungsſohn u. ſ. f. 
das Feld betreten 1, fo fcheint ber ganzen Sippjchaft bier nur ber ur: 
ſprüngliche Geſchlechtsname verblieben zu fein. Im Rofengarten aber 
fällt auf dieſelbe Seite der Hauptriefe Afprian und biefen ftellt fein 
Name ſchon an die Spike ver Iſunge. Solcher weiſt auf ahd. Anz 
barn (Graff 1, 388; fem. Afpirin, ebend.), Osbern (Förftemann 1, 


1 Erf in einem viel fpäteren Abſchnitt der Saga wird allein ber jüngſte 
Sohn Ziungs genannt, bei-Unger 805: Lorantin, on. Borantin, bei Hylten 238: 
Norantin (Nordian ?). 

Upland, Schriften. VII. 33 


>14 


103), Aſpran (Mone, Unterfuhungen 95 f., fpäter auch Aipelanus), 
agf. Osbeorn. altn. Äsbiörn (vgl. Mythologie 497. 638), eine Zu 
fammenfegung des für Namen gebräuchlichen masc. pern, fonft pero, 
Bär (Er. 2, 166. 486. Deutiches Worterbuch 1, 1122; vgl. Förfte 
mann 1, 225), mit dem verftärkenden and, A8: (Gr. 2, 447). Yür 
den gröften diejes Thiergefchlecht3 gilt der weiße, der Eisbär (Egilsfon 
437b: hvitebiörn, m. ursus albus, ursus glacialis. Dfen, Natur: 
geichichte 7, 1660: ursus maritimus, albus); er wird [6, 316] in einem 
Eddalied als Traumerfcheinung, verderblich einbrechend, fo gebeutet, 
dat er raſendes Sturmwetter aus Oſten verkünbe 1. 

Zwiſchen ihm und dem bunlelfarbigen Walbbären (skögarbiörn, 
vidbiörn) wird jedoch ſchon in alter norbilcher Naturlehre genau unter 
jchieden 2. Dbgleih nun Asbiörn, Afprian, wie Sfung, auch allge 
meiner als Mannsname gebräudli war, fo läßt doc in den vor 
liegenden Dichtungen der mehrfache Bezug diefer Namen auf bas 
Bärenfpiel 3 nicht von ihrer Wortbebeutung abfehben. Das Spiel ber 
Saga ift eine Vermummung in Bärenbaut (Mythologie 745: „ficher 
eine uralte dramatifche vorftellung”; vgl. Vernaleken, Mythen 293, 17) 
und der Kampf des Sommers mit dem Winter mochte wohl auch als 
ein Sieg des Waldbären über den Eisbären, bes altn. sumarlidi über 
ben vetrlidi *, fchaugeftellt werben. Ließ man es aber nicht bei ber 


1 Säm. 151, 17 f: Vedr muu par vaxa, | verda Ött snemma, | 
hvitabiörn hugdir, | Par mun hregg austan, Fornald. S. 1, 212 f.: har 
man koma vedr mikit, er bü wtladir hvitabiörn. 

2 Speculum regnle, Ehriftiania 1848, ©. 43: Biörn er Par ok & pri 
lendi (Grenal.), ok er hvitr, ok ætla menn at hann feedisk & Pvi landi, 
Dviat hann hefir alt adra nättüru en svartir birnir, er 1 skögum ganga u. |. w. 
ferr hann mest i hafi üt & isum u. |. w. Egilsfon 427 b. 

3 VBgl. Sam. 14, 85: biarnar leiki. Deutfches Wörterbuch 1130: 
bärenfpiel. 

4 Unter die heiti des Bären iſt aufgenommen vetrlidi, Winterwanberer 
(Sn. 1, 442. 478. 590; Itda, ferri, lidit), geeignet für den männlichen Eis 
ober Seebären, der, hauptfächlich von Seethieren lebend, keines Winterfchlafs 
bedarf und im diefer Jahreszeit auf dem Treibeiſe vom höchſten Norden aus⸗ 
fährt (Richarbfon, Fauna Boreali-Americana, Part first, London 1829, ©. 80 ff.). 
Das Seitenftüd sumarlidi, Sommerfahrer, findet fi) appellativ (lat. Plural 
form sumarlidi) in irifhen Annalen als Benennung nermwegifcher Wikinge 
(Mund, Chron. regum Mannie, Ghrifiania 1860, ©. 42); Sumerledus 


515 


Verkleidung beivenden, twurbe ber Sommerbär, wo einer zu erlangen 
war, leibbaftig umgeführt, fo konnte der Winterbär einzig im Rieſen⸗ 
namen Alprian, Sohn Nordians, oder als König Iſung fortbeftehen 1. 

[6, 317) VBormann der mit Aſprian und deſſen Genofien, ale Hütern 
des Nofengartens, ftreitenden Helden ift Dietrich von Bern. Schon 
vermöge dieſer Führerfchaft des feuerathmenden Helden mwiber ein noch 
leidlich gefriftetes Rieſenthum tritt er in mythiſchen Bezug, der fidh 
weiter bamit bewährt, daß in Dietrich eigenem Gefolge Wittich und 
Heime geben, beibe den Rieſen anverwandt. Wittich ift beſonders auch 
in zwei hieher beigezogene Stüde ver Thidriksſaga verwachſen: jeiner 
Befreiung galt das für Dfantrig und drei Brüder Aſpilians verberbs 
liche Bärenfpiel und auf ber Fahrt zu König Jung erfchlägt Widga 
ben vierten Rieſenbruder Atgeir; jebt, im Rofengarten, ſchickt Dietrich, 
dem hier ein Gegner in Siegfried erftanden ift, feinen Dienftmann 
Wittich zum Kampfe mit Aſprian felbft, fichtlich zerftreute Mythen⸗ 
zefte, die eben durch Unterfchiebung epifcher Hauptbelden und ihres 
Anhangs aus den Fugen gerüdt find. Darauf hat gleichwohl bie 
Sagenforfhung von verſchiedenen Seiten geleitet, daß der geſchicht⸗ 
liche Dietrich von Bern zugleich Träger eines nicht unerheblichen Erb» 
ibeild germanifcher Götterfage, genauer der Sage von Donar, ge 
worden jei 2. 

In altnordiſchen Schriftdenkmälern ift noch der ausgeſprochene 


als Zigenname ebd. ©. 7 und weiterhin mehrfach (vgl. 8. Olafs K. ens helge, 
Shrifiania 1858, ©. 91 f.: Sumarlidi), Wie in einer ſchwäbiſchen Urkunde 
von 858 zwei Brüder Winter und Sumar beifammenftehen, fo begegnen im 
nordiſchen Alterthum Vetrlidi skald Sumarlida son, 10168 Jahrh. (Sn. 1, 268. 
Möbius, Catalogus 194), und wieder Sumarlidi skald Porbiarnar son, 
12te8 Jahrh. (Skaldatal 45a, vgl. 456. Möbius 170. 172. 194), Vetrlidi 
Äsbiarner s. (Fornm. 8. 3, 107; zur Namendentung vol. Mund) a. a. D. 
Mythologie 633. Egilsſon 873a. Isl. 8. 1, 192. 221. 380. 382. 385). 

1 Den feefahrenden Franken vom Nieberrheine (Feuß 829) kann auch der 
Winterbär befannt worden fein. Selbſt noch eine mhb. Erzählung betrifit den 
„wazzerbern, ... er was ber wizen einer, ein gröger, niht ein Heiner” ‘one, 
Unterfuchungen 281. Mythologie 447). 

3 Zuſammenſtellungen des Donnergotts mit Dietrih: Mythologie 346 
497 f. W. Wadernagel, Litteratur-Weichichte 28, 5. 209. C. F. Men, 
Studien u. |. w. 100 fi. 


316 


Donnergott pôrr, Äsa-pörr, nicht bloß ausdrücklich als Rieſenfeind 
bezeichnet (Sn. 1, 252: dölgr ok bani iötna. 278: iötna ötti. Säm, 
37, 17: briotr bergdana. 19: burs rädbani. 38, 22: orms einbani), 
eine Reihe von Liedern und Sagen fchilbert feine Kämpfe mit dem 
Niefengeihlechte, welchem auch bie von einer Riefin gebome und in 
Rieſenzorn (Säm. 6, 49: 1 iötunmöddi, vgl. Sn. 1, 136. 188. 194, 
2. 390) ſich windende Midgarbichlange angehört. Dem Riefengrimme 
gegenüber erhebt fi) Thor im Ajenzorn (Sn. 1, 274: 1 Asmödi; vgl. 
Egilsfon 23a), ihm wächſt im entſcheidenden Augenblide die Aſen⸗ 
ftärle (Asmegin, Säm. 39, 31. Sn. 1, 90. 146. 170. 286. 288), er 
umfpannt fi mit dem Machtgüürtel, der feine Götterkraft verboppelt 
(megingiardar, Sn. 1, 90. 146, vgl. 284. 286), in Blitesflammen 
und Donnern wirft er den zermalmenden Sammer (Sn. 1, 274. 278, 
1 bi8 280, 2. 298, 2: funristir; Mythus von Thor 22 bie 24). Bald 
find es beſondre Ausfahrten, auf denen er feine Großthaten vollbringt, 
und biefen find bann eigene Lieder gewidmet, bald jteht er babei im 
Bereine des gefammten Götterraths. Nach der Weiſe [6, 318] richter 
licher und Triegerifcher Genofjenfchaften im germanischen Leben (Rechts: 
altertbümer 217) ift aud für die Gemeinichaft der Aſen die Zwölfzahl 
angenommen (Sn. 1, 82: tölf eru Asir gudkunnigir; vgl, Säm. 70, 
28) und fo erfcheint vorzüglich ihr Envesftreit mit den zerflörenven 
Gemwalten des Riefentbums als Zwölfkampf, wenngleich nur bie haupt: 
ſächlichſten Einzelftreite beſonders aufgeführt find, der legte jedoch ift 
derjenige, in welchem Thor, der jonft eigens Aſenheld zugenannt wird 
(Sn. 1, 553: Äsa hetja), nachdem er in feinem Zome den Midgards⸗ 
wurm erichlagen, felbft erliegt (Säm. 55. Sn. 1, 196), dann erft bricht 
ver Weltbau völlig zufammen. Vergleiht man mit ſolchem Kampf: 
leben Thors das Heldenthum Dietrichs, jo hat das deutſche Volk von 
diefem, mehr als von jedem andern feiner Helben, geſagt und gefungen, 
wie er mit Riefen und Würmen ftritt; er und fein Meifter Hildebrand 
fechten zum Beten der Welt mit den Riefen, fo vielen dieſes verderb⸗ 
lichen Geichlechts fie beilommen (Sigenot, Röhn 154. Schabe 151; 
vgl. Dietrichs Flucht 2482 bis 2486). 

Die Lieder von Sigenot, Ede und Faſold, von Etzels Hofhalt, 
Dietrichs Ausfahrt, wie denn auch theilweife die vom Roſengarten, find 
berlei wunderbaren Thaten des Berners ober feiner Dienfimannen 


517 


zugewandt, andre Dichtungen des Amelungentreifes bieten Ergänzendes 
und beſonders fteuern hiezu noch, mie gezeigt morben, mehrere Abfchnitte 
der Thivrilsfaga mit den ihr entiprechenden Kämpenliedern. Auch 
Dietrichs Siegen muß die Erregung feines Zornes vorangehn; iſt er 
aber aufgereizt, blutet er gar fchon, dann gewinnt er Lömwenmuth, 
feine Kraft mehrt fi, er ficht, als ob noch ein Zweiter in ihm fei, 
der Teufel aus ihm fechte, doch er felbft behauptet, bei ihm fei Gott 
(Eckenliet, Laßberg Str. 1230 bis 124; vgl. NRöhn 136. Drachenkämpfe 
175. 202); unwiberfteblih macht ihn die Zormflamme, die ihm aus 
dem Munde fährt, wie aus einer Efie, und damit erflärt wirb, daß 
er, von einem Geiſt erzeugt, felbft ein foldher geweſen feit; in biefer 
Blut ringt ex dem elbifchen Laurin den Gürtel ab, [6, 319] der Jenem 
die Kraft von zwölf Männern verlieh (Laurin, Ettmüller 903 ff. 
Bader 467 ff. Schade 845 ff. Heldenbud von 1509, 35); wann er fo 
ergrimmt ift, dürfen Dreißig e8 nicht mit ihm aufnehmen (Raben 973 f.); 
Wunden, bie er geichlagen hat, werden gemeflen und fo befunden, daß 
kein Schwert es gethban haben könne, fonbern nur der wilde Donner 
ſchlag vom Himmel (Edenliet, Laßberg 56, Hagen 60 f. vgl. Rechts⸗ 
alterthümer 94 f.); wann der Berner im Walde mit den Würmen ficht, 
fo bedünkt es, als ob Donner fallen und Blige fchießen (Dietrich Aus⸗ 
fahrt, Start 258 f., vgl. ebend. 266. Hagen 164 f.). Es muß be 
merkt werben, daß die Lieber das Gleichnis des Donnerhalls nicht 
ausfchließlih von den Schlägen Dietrichs, ſondern auch von denen 
beiber Gegner und ber Riefen eigens gebrauchen 2; gleichwohl mag 


1 Vorrede zum Heldenbuch CXX: ber fterteft geift, ber ye ober iemer ge- 
born fol werben u. ſ. w. Zeugniſſe, Dietrich Fenerathem betreffend: Helden⸗ 
fage 40756; hiezu Dietrichs Ausfahrt, Start 224, 226, Hagen 104 f. Keller, 
Fasnachtſpiele 2, 551 (vgl. auch Wittenweilers Ring 241, 14 ff. und Hollands 
Anm. dazu Vorrede XII). Das Nibelungenlied hat, feiner epiſchen Beſchaffen⸗ 
heit gemäß, auch im heftigen Schlußlampfe Dietrichs mit Hagen und Gunther 
den Feuerathem nicht (vgl. Heldenfage 106); Thidriksſaga verwendet dieſen 
nicht bloß für die Begegnung mit dem mythiſchen Widga, fondern auch, minder 
glücklich, für den Streit mit Högni, der aber zugleich als Sohn eines Alfs 
hernorgehoben werden muß (Unger 882. Hylten 260 vgl. mit Unger 292. 
Hylten 220). 

2 Edenliet, Laßberg Str. 105. Thidr. 8. Unger 116. Hylten 78. Si⸗ 
genot, Laßberg Str. 105 (Hagen 125) 42. Dietrichs Ausfahrt, Start 


518 


biefer allgemeinere Gebrauch für die Gebirgälämpfe des Berners mit 
Riefen und Drachen von älterer, beftimmter Beziehung herrühren, ber 
aufgewachte Donner grollte nad allen Seiten fort. Die einzelnen 
Merkmale, in welchen Dietrich dem altnordiſchen Gott ähnlich if, ge 
minnen dadurch an Zujammenhang und Bedeutung, baß zugleich an 
ben von Jenem bekämpften Ungethümen fi) Mehreres aufweiſen läßt, 
was den in echterer Geftalt und mit offenem Namen erhaltenen Thors- 
mythen entipricht (Flutdrachen, Sturmriefen in ber Beilage). Genligend 
erwieſen ift aber auch die Verehrung bes Donnergottes bei beutichen 
Völkern: in ber nieberbeutfchen Abſchwörungsformel aus dem Sten Jahrh. 
fteht Thunger obenan unter den Dreien, denen namentlich widerſagt 
wird, die Andern find Woden und Sarnot, während in den Beifake 
der Formel: „und allen den Unholden, bie ihre Genofien find“, nod 
eine vollere Gemeinfchaft durchſcheint (Maßmann, Die deutichen Ab- 
ſchwörungsformeln 67, vgl Mythologie 184: Sahsndt — Bio); der 
Wochentagsname (ahd. toniri® tac, Graff 5, 150. 358. 361. agf. 
Bunresdäg, isl. börsdagr, Deutjches Wörterbuch 2, 1252) bringt den 
Donar zufammen mit den Gottheiten Bio, Wuotan, Fria (Graff 5, 360); 
Donnersberg hieß im Mittelalter eine weſtfäliſche Gerichtäftätte (cnmitie 
de Dunrisberg, a. 1108, Mythologie 155), ebenſo eine ſchwäbiſche 
Burg mit ausgebreitetem Befittbum in der Lechgegend (Herberger, Das 
Batfeld und das Burgfeld, [6, 320] Augsburg 1858, ©. 20; vgl. Quitz⸗ 
mann, Die beibnifche Religion ber Baitwaren, Leipzig 1860, ©. 53), 
unferne der alten Ziesburg (civitas Augustensis, id est Ciesbure, 
Bachlechner in der Zeitfchrift für deutjches Alterthum 8, 587 f), vom 
theinifchen Donnersberge muß noch beſonders die Rebe werben. Zum 
deutſchen Donar vermift man bie Mythen, zu Dietrich übermenfchlichen 
Thaten den Gott, Eines fommt dem Andern entgegen, wenn im Helden 
ber Gott verborgen if. Die Vermittlung zwiſchen Götter: und Helben 
fage bahnt fi) an, wenn eine bem Wirken bes Gottes verwandte und 
nacheifernde Thätigfeit des Helden in berjelben finnbilvlichen Weile, 
die den Mythus geftaltet, zur Darftellung gebracht wird. Unter biejem 
Gefichtspunkt ift anderwärts verjucht worden, Züge der Dietrichtfage 


Str. 389 (micht Dietrich betreffend 148. 275. 578. 618. 621. 728). Rother, 
Maßmann 2734 (Widolt). 


519 
auf ähnliche der Thorsfabel zurüdzuführen 1. Der Helb, ber in Bären- 
hülle gegen bie Riefen aussieht, findet fich auch bei Saro (Müller 1, 
26 ff.), wo ein ſolcher (varüs ferarum pellibus indutus) die jungfräu⸗ 
liche Gro (altn. Gröa, Lex. myth. 179: virescens, sive florescens, 
vol. Egilsſon 274a), auf ihrem Weg zur Walpquelle, von ber Werbung 
eined Niefen befreit und mo ber Name Beſſus, altn. bersi, bessi, bassi, 
ebenfo entichievden, twie zuvor Biliver und Wiflelau, den Bären bes 
zeichnet (Sn. 1, 442. 478. 589. 2, 139, Anm. a. 350. 484a. 5671. 
Lex. isl. 74a. Egilsfon 51a, vgl. 40a. Deutfches Wörterbuch 1, 1122); 
Biöm, abermals der Bär, ift ein Name Thors, fogar auf einen winter: 
lichen Schlaf des Letztern beutet das Epbalieb von feinem Erwachen 
(Säm. 47, 1: reidr ver pa Vingbörr, | er hann vaknadi u. f. w. 
vgl. Lex. myth. 856) und fo fragt es fi, ob nicht auch unter Befius 
urfprünglih ber verhüllte Sommergott felbft verftanden war 2. Dem 
weitgreifenden Streite mit ben. wiberfpenftigen Naturgewalten jeber Art, 
mit den ungeftümen Mächten des Winter, den Thurfen bes Luftgebiets 
wie des Steinreichs, bes Weltmeers wie des Stromfalls, konnte doch 
nur eine Götterfraft (Thors Asmegin) gewachſen fein und nur bon 
einer folhen ausgebent haben bie auf Dietrich von [6, 321) Bern ge: 
häuften Kämpfe mit Riejenvoll und Drarhenbrut einen fabbaren Zus 
fammenbang. 

Auch ein näheres Eingehen auf den örtliden Anhalt, den die 
Rofengartenlieber im Wormsgau gefunden haben, wird ben mythiſchen 
Grundbeſtand derfelben in mancher Hinficht beftätigen. „Rojengärten” 
nannte man in verſchiedenen Gegenden Deutichlands bepflanzte Ver: 
fammlungspläße, melde zu vollämäßiger Feftesluft beftimmt waren 3. 


1 Oben S. 378 fi. Bgl. über den Thorshelden Halfpan Mythus von 
Thor 192 fi.; über Beowulfs Drachenkampf oben S. 486 fi. 

2 Die Rettung der mythiſchen Gro vor ihrem Kiefenbräntigam durch den 
Kämpfer in Bärenlarve (Beffius-Biörn) feheint in der unklaren Wiedergabe 
Saros, dem einbeimifche Lieder vorlagen, mit einer urfpränglichen Halfdans⸗ 
fage von ber Tödtung bes Königs Sigtrygg (Mythus von Thor a. a. O. ver- 
mengt zu fein; die altnordiſchen Zengniſſe (Säm. 68, 14 f. Sn. 1, 516. 
2, 842. Fornald. 8. 2, 9) kennen biebei keine Grda als Tochter Sigtryggs 
und gedenken auch Teines Berſi. 

3 W. Grimm, Nofengarte LXXVI; zu dem bier angeführten Rofengarten 
bei Roftod vgl. Anzeiger 1, 238: „Säven-Linden up den Roſengahrden“, als 


520 


Am Dber- und Mittelrheine hießen fo vielfach grafige, mit Gebüfch 
durchwachſene Werber, namentlih Hatte Worms zwei folde Roſen⸗ 
gärten und noch heute wird ein bortiger Rheinwerder ebenfo benannt !. 
Nun ift zwar nirgends ausbrüdlidh beurkundet, daß Bezirke biefes 
Namens zum Sommerfpiele gebraucht waren 2, dafür ſpricht aber, wenn 
nicht der Name felbft ſchon. doch die ausgeführte mythiſche Bebeutung 
der Rofengartenlämpfe. Beſonders zeugt noch von Verwendung ber 
Rheinauen zur Früblingsfeier ein Lied bes 13ten Jahrh., welches unter 
dem Sängernamen Göli geht und aus dem Eljaß zu ſtammen fcheint, 
ein Schwerttan; im Freien, das Ofterfpiel: der Sommer bat fein Gezelt 
aufgerichtet, der Mai macht ihn fiegbaft, den Rhein entlang grünen 
Werder und Auen („bi dem Nine üf gruonent werde und ouwe“), ba 
wird ein tapfrer Gefell aufgerufen, den Stahlhut aufzujeßen, das 
Oſterſachs, Oſterſchwert, an bie linke Seite zu binden und eine Tany 
fchar vor das Thor auf den Wafen zu führen; alsbald [6, 322] fammelt 
fih ein gleicher Haufe mit langen, zweiſchneidigen Klingen und fie be 
ginnen das Ofterfpiel, in welchem ein Reigen ven andern zu durch⸗ 
brechen und von ber Linde zu verbrängen ftrebt, die Führer haben ihre 


ein Wahrzeichen diefer Stadt. Einer zu Osnabrüd, 1535, bei Soltau, hiſto⸗ 
rifche Volkslieder 285; in Konflanz ein Haus und bei Rorſchach eine Spielwieſe 
diefes Namens, in München ein Gaſthof „zum großen Rofengarten“. lber 
tirolifche Nofengärten: J. B. Zingerle, König Laurin u. ſ. w. Innébruck 1850, 
XXI f. Ebd. Sagen, Märchen n. ſ. w. daſ. 1859, ©. 66. Alpenburg, Mythen 
und Sagen Tirols, Züri 1857, ©. 48 ff. 

1 Mone, Unterfuchnngen 44 f., wo diefe rheinifchen Roſengärten und bie 
Worwſer insbeſondre nachgewieſen find; vgl. Ebd. Anzeiger 5, 52. ©. Lange, 
in den Jahrbüchern für wiffenfchaftliche Kritik 1840, 115. Rheiniſcher Am 
tiquarius, Frankfurt 1744, ©. 481. Reymann und v. Osfelb, Topographiſche 
Speciallarte von Deutidhland, 58 und 59 Lieferung, 199, Worms. [Wilhelm 
Hertz, Deutfhe Sage im Elſaß S. 80. 216. $.) 

3 Zorns Wormfer Chronik, gegen 1570, fagt vom Roſengarten nur dies 
(Arnoſds Ausgabe 11): „Wangiones, Wunngauer u. |. w. daher haben unfere 
alten deutfchen poeten urfach genommen, viel von dem fchönen Iufligen rofen- 
garten und weingau ober fruchtgau zu bichten, weldes zum theil wahr, aber 
alfo verbuntelt, daß ber, fo es verftehen foll, in beutfchen biftoriis wohl be 
fefen fein muß, zum theil aber lauter mährlein.” Auch Caſpar Scheib von 
Worms, Ein kurkweilige Lobrebe von wegen des Meyen mit Bergleihung bes 
Frülings und Herbfies, Worms 1651, gedenkt feiner dortigen Maifeier. 


521 


Schönen zur Seite, fie werden im Burufe der Ihrigen gerühmt, von 
ber Begenfeite verhöhnt, ein rüftiges Spiel, bei dem die Kolmarhüte 
vom Schwertfchlag erhallen und man zur vechten Hand des Daumens 
bedarf . Die aumutbhige Inſel Meinau im Bobenfee war, wie ihr 
Name in alten Urkunden ergibt, eine Maienaue?. Bildli nennt 
Heinrich Yrauenlob, Meifter der Singichule zu Mainz, die Schöne, von 
deren Wangen ihm Roſen und Lilien leuchten: „min luft, min meien- 
suwel“ (Ettmüller 251) und ein Sänger des 15ten Jahrh., muth- 
maßlich am pfälziichen Hofe, preift reine Frauen, mit innerem Auge 
geſehen, als eine Maieninfel, einen Maienwerb, jeined Herzens Aue’; 
Beweiſes genug, welcher Zauber an folden Stätten der Maienluft 


haftete. 
In den Rittergedichten werden Fürſtenhöfe und große Turniere 


gern auf den Monat Mai anberaumt, der überhaupt dazu die ſchönſte 
Zeit iſt“. Als im Frühjahr 1495 Maximilian I zu Worms einen 


1ME. 2, 78 f. vgl. 4, 420. 439. Weingartener Handihrift 196 ff. 
Haupt, Neidhart XXIV fi. Mone, Unterfuhungen 170. W. Wadernagel, 
Geſchichte der dentſchen Litteratur 247, 4. W. Menzel, Germania 1, 70. 
Gewaffnete Tanzicharen, je mit der ſchönſten Jungfrau eines Gebiets an der 
Spitze, ziehen auch fonf einander entgegen; fo in einem weitern Lieb unter 
Goͤli (MS. 2, 79a. Weingartener Handichrift 195. Haupt, Neidhart XIX): 
„Ich wil kempfe weien zuo der linden“ u. |. w., befonders aber in einem an- 
klingenden ſpätern Neidhartsliede (MS. 3, 287 f. Str. 5 bis 9), wo je unter 
einer Fahne „ein götin“ gebt. Bgl. Olai M. hist. 1. XV, c. 25. ©. 584: 
Saltationem, seu choream similem a vetustissimo instituto servarunt ser- 
vandamque docuerunt antiqui, in qua adolescens ductor erat armatus, 
militarem exercens peritiam, qua postea in invadendis hostibus uti posset, 
Sequebatur virgo, modestia quadam insignis, que foemineum saltum 
decenter agebat. 

2 Urkunden von 1148, 1352, 1357: in Maigenowe, in Daigenow, Neu⸗ 
gart, cod. dipl. Alem. Rr 1184. 1187. 1145. Stumpff, Schweizerchronik 
5tes Buch, Blatt 5856: die luſtig Inſel, Maymow genennt u. |. w. vor zeyten 
von luſts wegen die Meyenow geheißen. Bol. Schwabs Bodenſee 2, 82. - 

3 Heidelberger Handfchrift 818, Blatt 495: Ein reynes wib gehür[e] | 
kann nymant Übergeften, | ich hans für abentäre | vnnd zel mir das wol felber 
zu dem beften, | das ich fie noch mit jnnern augen fchamf[e), | fie find mynr 
frewbenn fal, ein meyen-infelwerd, myns herczen awe. 

4 Barzival 281, 16 ff.: Artus, der meienbäre man, | fiwaz man ie von 
ben gefprach, | zeinen pfingten daz geſchach, | odr in bes meien bluomenzit, 


522 


[6, 823] durch glänzende Kampfſpiele verherrlichten Reichstag hielt, war 
dabei zwar, tie lange zubor fchon bei einer Turnierfabrt Ulrichs von 
Liechtenftein durch oftbeutiche Länder (Lachmann 450, 13 bis 504, 18), 
die Tafelrunde des Königs Artus das ritterlihe Vorbild, gleichwohl 
gebachte die” als Botin aller Ehefrauen verordnete fchönfte Jungfrau 
bes Hofes in feierlichen Aufrufe befonders noch ber Kämpfe, bie einft 
von Fühnen Reden bier in NRofengärten geübt worden; dem Herzoge 
von Sachen, der fih im gewaltigen Speer: und Schwertfpiele hervor 
getban,, verehrte die Königin felbft einen Kranz mit gar fchönem 
Kleinode 1. In vollsthümlichem Andenken crhielt ſich auch zu Worms 
noch weiterhin das Riefentbum des Roſengartens. Der Pritichenmeifter 
Lienhard Flechſel erzählt in feiner Befchreibung des bafelbft im Jahr 1575 
gehaltenen Armbruftfchießend, wie er auf feinem Gange durch bie Stabt 
bie in Eifenketten an ver Münze aufgehängten Riefengebeine, daͤlm an 
der Trinffiube die Riefen mit ihren Eifenftangen und Grimbilven, 
einen Kranz berbeitragend, gemalt ſah?. Ein belannter Meifterfang 


Bol. Titurel, Hahn 1407. 1615 ff. Ulrich von Lichtenflein, Lachmann 64, 5 ff. 
Turnei zu Nantes (Maßmanns Denkmäler 1, 189): do was ber plan be 
firoumwet | von des meien fuezeleit, | grad und bluomen an geleit |-het er nad 
wunnenklicher art. |Bergl. auch mein Buch über Ereflien von Troies ©. 149. 
150, Anm. 1. H.] Noch gegen Ende des 15ten Jahrh. ſchildert Felix Fabri 
aus Ulm die Mailuft feiner Zeit, welche den Pilgern im meermiflofienen Be 
nedig verfagt if, mit Folgendem (Evagatorium 1, 93): Majus delectabilis 
ot letus mensis u. |. w. Et quis circumdati aquis sumus, ita ut non 
pateat nobis pro nostro solatio et pro deductione temporis exitus ad flori- 
dos hortos aut ad amonos campos, aut ad umbrosas silvas, aut ad viridia 
prata, aut ad voluptuose viridaris arborum, florum, rosarum et liliorum, 
nec venstionibus vacare possumus, nec hastiludiis aut choreis interesse 
decet, ideirco meum consilium est u. f. w. 

1 Wilwolt von Schaumburg, herausgegeben durch Keller, 158 f. (ogl. 
166 oben), beſonders die Stelle: wie in diſer flat Wurmbs vor zeiten bie aller 
manlichiſtin künig, fürften und ritter inwanung gehabt und, an im breis zu 
gewinnen und verliefen, mancher küner red iren hof gefuchtn, vor den küxigin 
und frauen ir werbes lob gemert, manche ritterfpill, auch kempflich eruf in 
sofengarten und ander enden gelibet. 

2 Heidelberger Handſchrift 405, Blatt 13 f. Rheiniſcher Antiquarius 489: 
Gleich nächſt dem Dom m. f. w. ſteht auf freyer Strafe ein großer ſchlechter 
Stein oder Felle, von dem die Sage ifl, daß er von einem Rieſen aus bem 
Nofengarten über den Rhein herüber geworfen worben u. f. w. 


523 


beftellt bildweiſe die zwölf Altmeifter zur Hut bes dichteriſchen Rofengartens 
(MS. 4, 887 f. Germania 5, 217 ff. [Schriften 2, ©. 288. H.)P. 
Heimiſch am Rheine bei Worms bewährt ſich der Fergenname Norprect; 
in einer 1290 durch Rath und Bürgerfhaft diefer Stadt ausgeftellten, mit 
dem Stadtfiegel verjehenen Urkunde, zur Beilegung von Streitigkeiten 
zwiſchen dem Klofter Schönau und den mwiderjpenftigen Rheinfergen an der 
Überfahrt Vertelvar, find als die legten genannt: Burkardus, [6, 324] 
Norpertus et Gnanno, naute in passagio Vertelvar juxta Scarram 1; 
dieſer Nheinübergang zwiſchen Worms und Heidelberg war von den 
Pfalzgrafen nad 1282 dem Klofter Schönau überlafien worden ?. 


1 Die Wormfer Urkunde von 1290 Bat Mone (Beitfehriit 9, 423 f.) be 
kannt gemacht, mit dem Anfiigen: „Es fcheint, daß einige Umfände biefes 
Fahrs als geihichtliche Zilge in die deutiche Heldenfage aufgenommen wurden, 
nemlich der grobe Ferge Rorprecht im Liebe vom Rofengarten, welches um bie 
Beit obiger Urkunde gemacht wurde und fowol den Namen eines Färchers als 
auch die Grobheit der Schifflente aus der Wirklichkeit entichnt haben mag.” 
Der Name Norbberaht findet fih ſchon feit dem Sten Jahrh. (verichieden ge- 
formt: Nordpraht, NRorbrat, Nortbert, Norbert) in Urkunden, melde das 
Wormsgan oder deffen Nachbarfchaft betreffen (3. 8. Scriba 8, 1. Cod. Laur. 
1, 490. 501. 2, 58. 165). 

2 Mone, Beitfchrift 9, 484 (Buben, syll. S. 276), Bon den Boten 
Krimhilts nah Bern heißt es (Mofengarte 73 f.): 

dd fchiften fie vil balde ze Wormez liber Win, 

da muoften fie die erſte naht ze Heibelberge fin. 
Der Hader mit bem widerwilligen Fährmanne geftaltet ſich mehrfach im Mythus 
und als epiihe Zubehör der Heldenfahrt. Mythiſch im altn. Harbarbsliebe 
für Thors Widerlehr vom Oftlande (Mythus von Thor. 84 ff.). Im Nibelungen- 
lied erſchlägt Hagen erſt den getäufchten Donanfergen, tritt dann felbf an 
deſſen Stelle und wirft, um bie Weiffagung der Waflerweiber zu prüfen, den 
Kaplan des Königs in den Strom. Thidriksſaga kennt zwar Högnis Geivalt- 
that am Schiffmann (Unger 318. Hylten 241), aber nicht die am “Priefter 
verübte. Den Nheinfergen Norprecht zwingt umgelehrt der handfeſte Mönch 
fan zur. Überfchiffung (W. Grimm, Nofengarte C, 809 fi. D, 689 ff. 
©. 26 fi), So ſtehen ſich in verfchiedener Weife Yährmann und PBriefter feind- 
lich gegenüber und dies gemahnt baran, daß von Alters ber, fchon im Iten 
Jahrh., die Begegnung eine? geweihten Briefters zu ben unbeilbringenven 
Angängen zählte (Mythologie 1074. 1077 f.). Insbeſondre den Schifierglauben 
bezeugt noch 1736 ein bänifcher Geiſtlicher, Ericus Pontoppidanıs (Everri- 


culam fermenti veteris u. |. w. Hafn. &. 102): nauclerus in Fionia Nes- 


politanus [aus Nyeborg auf Fünen], viso, quod mea Crucisoram .‚[Korjöer] 


524 


Landeinwärts war die Stabt Worms benachbart mit ber alten Reichs⸗ 
burg Alzei (Rofengarte, Pfälzer Handſchrift 3. 606, Germania 4, 26: 
daz riche zu Alzheim). Mittelft Urkunde von 1393 ernennt Pfalzgraf 
Ruprecht der ältere zum König über alle fahrende Leute in allem feinem 
Land und Gebiete den Wernher, Pfeifer von Alzei, auf beffen Lebens 
zeit1, [6, 325] gleichertweife, wie 1385 der Erzbiſchof von Mainz feinen 
Pfeifer und Diener Brachte, in Anerkennung befien ebrenhaften Ber: 
haltens bei der Belagerung von Sala zum König fahrender Leute 
durh das ganze Erzbisthbum, mit allen einem ſolchen Könige bisher 
zugeftandenen Rechten, verorbnet hat (Gubenus, Cod. diplom. anec- 
dot. 3, 578) und tie noch 1400 ber Herr von Rappoltftein im Elſaß 
das dortige Ambacht fahrender Leute feinem Pfeifer Henfelin verleibt, 
er jelbft der eigentliche Nfeiferfönig, der den Beliehenen zum Stellver 
treter nimmt ?, Das Siegel der Stabt Alzei (secretum minoris opidi 
Alceia, an einer Urkunde von 1276, Günther im Archiv für heſſiſche 
Geſchichte 3, 134 f. Fig. 79) zeigt eine Geige mit Bogen auf rofen- 
beftreutem Grunde, gleichartig ift, auch fchon im 13ten Jahrh. (1262, 
1285), das Wappen ablicher Dienftleute daſelbſt, der Truchſäße und 
der Winter von Alzeis. Nachher gab man dem Stadtfiegel die Geftalt, 


cogitantis in trabem ipsius infunderentur impedimenta, vehementissiıme 
indignatus Stygias jurando undas sancte asseveravit, inominatos plerumque 
navium costis vectores esse sacerdotes eoque peritioribus magiestris no- 
mine invisos. 

1 Auch das von Mone, Zeitfchrift 9, 127, nachgewieſen; der Pfalggraf 
befennt mit diefem, nur abfchriftlich vorhandenen Briefe, „das wir Wernhir, 
Pfifer von Altzei, unfer recht bofgefinde, in allem unjerm lande und gebiete 
ubir alle varnde Inte zu künge gemachet haben, alle furgabe und recht zu haben 
vor allen farnluden, als farniudelunige billih und von gewonheide vor andern 
farluden haben follen, ane alle geverde, alle ziit, die wile er lebet.“ 

2 Scheid, Diss. de jure in musicos u. f. w. Straßburg 1719. F. W. 
Bartbold in den Blättern für litterarifche Unterhaltung 1852, ©. 655 fi. 
Alfatia, 1856 bis 1857, S. 21. [Bgl. DO. Gierke, Der Humor im beutfchen 
Net. Berlin 1871. ©. 21. 9.) 

3 Mone, Beitfchrift 2, 443 f. vgl. Kausler im Angeiger des germanifchen 
Mufeums 1859, Nr 9: „nit Sterne, fondern Roſen ..., eine Hinweifung 
auf die Hut des Roſengartens.“ Blumen im Grund oder am Rande ber Siegel 
erfcheinen zwar Häufig als bloßes Schmudwerf, doc ift ſchon der befonbre 
Gebrauch desſelben auf Frauenfiegeln bemerfenswertb (Günther a. a. D. 45, 
Anm. 170; vgl. Sphragififhes Album u. f. w. Beilage A zu Hohenlohe, 


525 


daß der aufrechte pfälgifche Lowe die Geige in den Klauen hält (Widder, 
Beichreibung der Kurpfalz 3, 38. Helbenfage 323 f.) ober ohne bie- 
felbe der Schilb mit dem Löwen von Rofenziweigen umrankt ift (Büntber 
a. 0. D. Fig. 80). Um bes Wappenbilbs willen wurden bie Bürger 
von Alzei ſpottweiſe die Fiebler genannt (Wibber 4, 410). Im Alzeier 
Weisthum, muthmaßlich aus dem 13ten Jahrh., ift auch eines Hofes 
der Bollerte gebadht 1. So kommt denn in den [6, 326] Nofengarten zu 
Worms Voller von Alzei, der vibeläre, der kühne Spielmann, in feinem 
Schild eine Fiedel ober mehrere führend, oder gar biefelbe auf dem 
Rüden tragend (WB. Grimm, Einleitung X), und er gehabt fi in 
diefen Liedern billig um einen Grab fpielmännifcher, als im Ernfte der 
Nibelungennoth 2. Nicht unberührt darf hier bleiben, mit Hinficht auf 
bie volfsühlichen Kampffpiele zwiſchen Sommer und Winter (Schriften 
3, ©. 17 fi), daß im Alzeier Zinsbuche vom Jahr 1429 unter ben 
Burgmannen, „die uf die Burg zu Alzei gebörent“, aufgezählt find: 
Henrich Wynter (etwa vom vorgenannten Stamme der Winter von 
Alzei), Sumer von Beymburg (Baumburg, Alt-Bamberg, unweit 


Efifab. 1292) und, bezüglich auf den Rofengarten, Ilſans Rede (Heldenbuch, 
Drud von 1509, % 5b): 

Ich mäß auch rofen Drehen Bund Heiden mynen fallt. 
(Bgl. noch Germania 4, 25, 567 fe Grunbtvig, Danske Folkeviser 1, 73 
u. 85 u. 87, 358.) 

1 Widder 3, 3 fi. (J. Grimm, Weisthümer 1, 798 ff.) Dieſes Weis- 
thum, obdgleih nur im Auszug und nad einer 1589 beglaubigten Wblchrift 
mitgetheilt, enthält jehr alterthiimliche Beftimmungen, S. 4 f.: wer auch bes 
Pfalzgrafen Dienfimann Kampfs anſpreche, der Raugraf foll vor ihn kempfen 
mit Kolben und mit Schilde und wo dies [ber] Raugraf fällig würde, da foll 
man dem Dienftmann fein Haupt abfehlagen mit einem [einer] filber Borten 
[barten] und mit einem güldin Schlegel n. |. w. Es verleihet auch unſer 
Herr der Pfalzgraf uff dem Steine zu Alzei fünzehnthalb Grafichaften u. |. w. 
er bat auch das Gebiete von dem gehauen Stein in dem [ben] gejalgen See, 
fofern man fiehet einen rotben Schild am einem Maftbaume Iſts auch, daß 
des Pfalzgrafen Dienfimann feine Huld verliefet, der foll fahren zu Alzei uff 
den Hof und foll darab nit fommen in dem are, um ben Hof foll aud ein 
Seyden Faden geben. (Bol. Nofengarte 167. Gierke, Der Humor im 
dentſchen Recht ©. 88 f. H.) 

2 Altnordiſch (Sim. 188. 148, 80. 148, 81. 156, 62. Sn. 1, 864. 
Fornald. 8. 1, 220) ſchlägt König Gunnar ſelbſt meifterbaft die Harfe, wie 
König Rother im deuntſchen Gedichte. 


526 


Kreuznach, A. Kölner, Geſchichte der Herrichaft Kirchheim Boland u. |. m. 
Wiesbaden 1854, S. 265 ff.), auch einer des Namens Rofegarten'. 
Mit den aufgeführten Wahrzeichen wormsgauiſcher Sagenheimat 
ſtimmt es wenig überein, daß im Zwölfkampfe die dortigen Reden, 
„Die Rinherren“ (Rofengarte 1935), auf heimilchen Boden, . durchaus 
unrühmlich unterliegen, die Gelben aus dem fernen Amelungenlande 
den Siegeskranz davontragen; aber eben hiedurch darf man fich in ber 
Anficht beftärkt finden, wonach der Streit in urfprüngliddem Sinne 
nicht ein epilcher Dietrichs von Bern mit den Rheinfranlen war. Bom 
Sübdoften vorbringend, wurde Dietrich Herr und Meifter des gefammten 
beutichen Heldenkreifes, dem dann auch der Riefenlampf am Rheine 
fih einfügen mufte. Davon ift ein andermal (Schriften 3, ©. 17 ff.) 
eigen gehandelt worben, wie bie beiben Sahreszeiten als allegorifche 
Weſen ftreithaft einander entgegentreten, ihr einfaches Wettfingen ſich 
zum belebtexen Bühnenſtück entwidelt, ferner wie das Einholen bes 
Maienrdöchens, des Maienkranzes, des [6, 327] Maibaumes, balv als 
ſchlichte Kinderluft und Tänbliches Vergnügen, bald zur prunkhaften, 
gänzlich kriegsmäßigen Maienfahrt fich geitaltet und wie letztere bes 
ſonders wieber an die Grenze ber Müytbenbilbung binaufrüdt. Zwei 
dramatifche Zurichtungen des Rofengartenftreitz, die eine auf Bruch 
ftüden einer mit 1533 gezeichneten Hanbfchrift, Die andre duch Hans 
Sachs in feiner „Iiragebia“ : ber hörnen Seivfriebt, 1557, geftatten num 
freilich Teinen Schluß auf Ältere Vorlagen in Geſprächsform?. Das 
Feſtſpiel zum Drama auszubilden, dazu waren im beutichen Mittel- 
alter die Bebingungen nicht vorhanden. Die Bühne war bier, wie 


1 Widder 8, 24 f. Sumar, im Kreichgan beglitert, ſchon aus Tarolin- 
giſcher Zeit, Cod. Lauresh. 2, 438. Ebenjo ber im wormsgauifchen Orts 
namen Winteresheim, Wintrisheim. baftende Mannsuame, daſ. 2, 54 fi. 
. Bei den Winter von Alzei war es ſchon im 18ten Jahrh. Geſchlechtsname, wit 
Borfegung eines perjönlicden, wie in ber Urkunde von 1985 (Mone, Beil 
ſchrift 2, 448): Wernherus et Philippus, fratres, dieti Winter de Alseia, 
mit der Syiebel im Wappen. Bat. hieher oben ©. 515, Anm. 

2 8. Grimm, Bruchftlide einer Bearbeitung. des Rofengartens in ber Zeit- 
ſchrift für dentſches Alterthum 11, 248. Hans Sachs, 8tes Buch, Nürnberg 
1661, 2ter Th. Bl. 238 ff. Auch die verwandte Fabel vom wilden Wunderer 
iſt als Erzählung (Keller, Erzählungen 1: ff.) ımb als Spiel (Ebd. Fabnacht⸗ 
fpiele 2, 547 fi.) behandelt, 


527 


— — en nn 


bei den neueren Böllern indgemein, kirchlichen Urſprungs. Mythiſches 
fand beſſern Anhalt im Epos, wo fchon verwandte Beitandtheile ſich 
barboten. Das Heldenlied aber hatte bereits feine Bahn zurüdgelegt, 
ala das weltliche Schaufpiel ſich hervorarbeitete. Traten kämpfende 
Geftalten aus dem Mythus und nachmals aus dem Epos in die Auf 
‚züge der Sommerfeier ein, fo bat mun fi) ihre Theilnahme mehr nur 
als eine mimifche, nicht als eine vollſtändig dramatiſche vorzuftellen 1. 
Sn weiter Zeitferne liegt e3, daß fchon König Pipin, der die fränkifche 
Heeres» und Vollsverfammlung vom Merz in den Mai verlegt hatte, 
diefelbe 764 zu Worms abhielt ?, ſodann daß Worms und nächſt 
diefem Achen, two denn auch der Bär Wiffelau fein Hoflleid empfieng®, 
am bäufigften als die Orte genannt werben, [6, 328] dahin Karl ber 
Große zum Maifeld einberief 4. Wieder im Merz 842 vereinigten ſich 
zu Worms bie Töniglichen Brüder Lubwig und Karl, die Sieger bei 
Fontenaille, ließen ihre Heere zwiſchen Worms und Mainz lagern und 
es wurden dort Kampfipiele gröften Maßſtabs, mit rüftiger Theil: 
nahme der Könige ſelbſt, ausgeführt (Nithardi histor. 3, 6). War bei 
ſolchen Zuſammenkünften in Waffen die Heerfchau, bei den Kampf: 
fpielen die triegerifche Tibung das hauptfächliche Abfehen (Nitharb a. a. O. 


1 Gie war eiwa der Art, wie der feſtliche Umzuüg des Rieſen in Stäbten 
und Dörfern Oftflandern® und Norbbrabants (Willens, Oude vliaemsche 
Liederen, Gent 1848, ©. 299), oder wie Gilles de Chin und der Drade 
bein Dreifaltigleitsfefte zu Mons (Schayes, Essai historique sur leg usages 
des Belges, Louvain 1834, &. 150 f. Wolf, Niederländifche Sagen &. 121 f. 
677 fi.), oder Robin Hood, der Held englifcher und ſchottiſcher Balladen, bei 
den Maifpielen, die in förmliche Bühnenftüde ausſchlugen (Robin Hood u. |. w. 
London 1820, ©. XLI ff. LÄII fi. vgl TH. Wright, Essays u. |. w. London 
1846, 2, 204 fi.). 

3 Annal. Laurish. ad a. 764: Rex Pipinus, distracto in diversa animo, 
propter duo bella, Aquitanicum scilicet, jam olim susceptum, et Bojoari- 
cum, propter Tassilonis ducis defectionem suscipiendum, populi sui gene- 
ralem conventum habuit in Wormatis civitate, dilataque in futurum ex- 
peditione, illo anno domi se continuit. 

.3 Wiffel, 8. 282 ff. Doen hiet brengen Gernout | Wisselauwe, den hi 
was hout, | sinen roc diere | van -.1III- quarteneren, | dien hi dede maken | 
doen hi ten hove tAken | met Karel was gevaren, 

4 Waitz, Deutſche Berfafiungsgefchichte 8, 488, Anm. 3: 770, 772. 776, 
7181. 786. 787. 790 zu Worms; 797. 802. 811. 812. 818 zu chen. 


528 


ludos . .. causa exereitii frequentabant), fo ift boch gebenkbar, daß 
die bier angefammelte Volksmenge ſich nicht jebes feftlichen Bezugs auf 
bie anbrechende Jahreszeit enthalten habe. Wenn fobann in den 
Rofengartenlievern und im Dietleib fih vor Worms ganze Heerhaufen 
zufammenfinden und in letterem Gebichte dort die nichtbeutfchen Völker 
in Dietrich8 Gefolge, Hunen, Preußen, Polen, zum erftenmale Turnier 
fpiel Tennen lernen (Dietleib 8275 ff.), fo gemahnt dies wie ein fpäter 
Nachkllang altwormfilcher Waffenſchau. Immerhin bleibt der wahr⸗ 
ſcheinliche Verband ſolcher kampfgerüſteter Vollzverfammlungen mit den 
Jahresfeiern der germaniſchen Vorzeit zu beachten!. Eines ber drei 
altnorbifchen Hauptfelte war gleichmäßig beftimmt, den Sommer zu 
empfangen (ba fagna peir sumari, ein auch deutſch fortlebenver Aus 
drud) und um Sieg zu opfern (at sumri, Pat var sigrblöt, Mytho- 
logie 38. Rechtsalterthümer 245). War aber, vor dem epifchen Dietrich, 
zur Bezwingung des Rieſenvolks ein göttlicher Streiter berufen, fo 
blidt ja weitherein auf das Wormsgau und den Lauf bes Rheines ber 
mächtigfte beutfche Donneröberg?, vor [6, 329] allen andern befchaffen, 
nad dem Gotte genannt zu fein, bei befien Aus und Anfahrt alle 
Berge zittern und bie Felſen brechdend. Mit der Berbunflung bes 


1 An die Verfammlungen unter Karl dem Großen zu Worms und chen 
reihen fi andre bei oder zu Mainz 795. 800. 803 (Wait, a. a. D.), gleid» 
falls auf fränkifcher Erde (vgl. Ficker, das deutſche Kaiferreich, Innsbruck 1861, 
©. 58). Berlihnt if fpäter das große Heichsfeft daſelbſt an Pfingfien 1184, 
wobei Kaifer Friedrich feinen zwei Söhnen Schwert gab (Otto S. Blaf. C. 36: 
nihilque hic ad ostendendam mundanz miserie gloriam abundantia vic- 
tualium, varietate vestium, phaleramentis equorum, delectatione specie- 
‚eulorum defuit. gl. Eneit 13021 ff.); mainzifche Sommerfeier eines deutfchen 
Kaiſers Konrad, Corras, in altfranzöfifder Dichtung bei A. Keller, Ronwart 
575 ff. (vgl. Görres, Altdeutſche Volls⸗⸗ und Meifterlieder, Einleitung LVIIL ff.) 
Des Mainzer Königs fahrender Leute ift nach der Urkunde von 1885 oben 
S. 524 gedadht und für Mainz ift auch 1825 ein hortus rosarum, fowie 1863 
und 1410 ein Haus zum Roſengarten beurkundet (Dahl in den Ouartalblättern 
des Vereins zu Mainz, Jahrgang 1831, ©. 48. Mone, Unterfuhhungen 44). 

3 In einer Urkunde von 869: Thoneresberg, Schannat, hist. ep. Wormat. 
probat. ©. 9. Mythologie 154 f. vgl. Förſtemann 2, 1386. [Bmweite Bearbei- 
tung Sp. 1456. H.] von der Hagen, Helbenbud 80. 1, LXIL 

3 Säm. 45, 55: Fiöll öll skialfa, | hygg ek & för vera | heiman 
Hlörrida. 49, 21: biörg brotnudu, | brann iörd loga, | ök Ödins son | 


529 


Gottes durch den Helden mufte zugleich der Berg, der Jenem geweiht 
war, in den Schatten treten. Einer Reihe rheinlänviicher Berggipfel 
find Erinnerungen deutſcher Helden» und Götterfage aufgebrüdt; bort 
ragen der Edartöberg zu Breiſach und Walthers Wasgenftein, Brun- 
bildenbett auf dem Feldberge (Urkunde von 1043: lectulus Brunni- 
bilde, Heldenfage 155), der Drachenfeld an der Hard, auf das Sieg: 
friedslied bezogen, und ein andrer bes Siebengebirgs (Drelanfils), von 
welchem bie Sturmriefen Ede und Faſold ausfahren, Iehterer Burgfels 
erbebt fih gegenüber vom Godesberg, früber Wödenesberg (Urkunde 
von 947. 974. Mythologie 139), der jedoch ebenfomwenig, als oberhalb 
der Thonereöberg und rheinabwärts die Thiusburg (Duisburg, Yörfte 
mann 2, 1372, vgl. 420. [Zweite Bearbeitung, Norbhaufen 1872, 
©. 1441. 466. HJ Möütbhologie 179 f. 373. 1209), außer dem 
Namen, eine den Gott betreffende Kunde gewahrt bat, nachdem in ber 
„nieberbeutichen, altfränfifchen, vielleicht ripuariſchen“ Formel den ge 
waltigen Thunaer, Woden und Sarnote längft abgefchworen war (oben 
©. 518. Mythologie 146 f.). 

Mit der Umwandlung beutfcher Götterſage zum Helvenlieve ver: 
trug ſich überhaupt nicht die Fortbauer eines reinmythiſchen Gepräges, 
wie dies in ben heidniſchen Eddaliedern erhalten blieb. Verſchieden 
waren auch Schon die Anfchauungen und Einvrüde, die ſich der Bildung 
des Naturmythus geboten hatten, dort im Gebirg und Meere des 
hoben Nordens, bier aus ven rätiichen Alpen und vom Rheinſtrom. 
In letterer Weife jedoch find Dietrichs Kampfabenteuer mit Riefen 
und Drachen jet noch voll des friihen Raturlebend, von bem fie 
ihren Ausgang nahmen. Im Edenlieve raufcht noch immer der 
unbänbige Sturmgeift, zum Schreden der Vöglein und alles Gethiers, 
durch die Frachenden Bergmwälder (Beilage). Selbit in dem fpäten Dicht: 
werte von Dietrich3 erfter Ausfahrt waltet, mitten unter bem gezier- 
teften Hofweſen, noch ein reger Sinn für die großartige Gebirgsmwelt, 
deren gemwaltfamfte Erjcheinungen als Rieſenvolk und Dracdhenbrut bar: 
geftellt find. Die Abenteuer beivegen fich im wilden Lande Tirol, im 


t iötunheima. Fornm. 8. 2, 154: svä mörg ok mikit Prekrirki sem 
Pôrr hafdi unnit, farit igegnum biörg ok brotit hamra, (Mythus von 
Thor 22.) 

Upland, Säriften. VI. 34 


530 


finfiern Walde, [6, 330] darin man den hellen Tag nicht fpürt i, wo 
nur enge Pfade burch tiefe Tobel, Thäler und Klingen führen, zu hoch⸗ 
ragenden Burgfeften, deren Grundfels in ben Lüften zu hängen feheint?, 
wo der Berirrende ein verlorner Mann ift, der einfam Reitende fi 
felber in den Tod gibt. Dort, wo ein Bach vom hohen Fels ber 
bricht, da fpringt der grimmige Drade, Schaum vor dem Rachen, fort 
und fort auf den Gegner los und fucht ihn zu verfchlingen 4; wieder 
„bei eines Brunnen Fluffe”, vor dem Gebirge, das ſich hoch in die 
Lüfte zieht, ſchießen große Würme ber und bin unb trachten, die 
Helden zu verbrennen’; bei der Herankunft eines folchen, der Roſs und 
Mann zu verjchlingen droht, wirb ein Schall gehört, recht wie ein 


1 Ausgabe von Stark, Str. 740 ($. 898): in difem wilden lande. 757 
(ö. 909), 127; in difem finftern walde 205. 218. 707 (9. 860). 618 
(9. 628): Er Wolfh.] fprad: „traut veter Hildeprant, | nun weift mid in 
bie wilde!” | er jpradh: „reit gen Tirol zubant u. |. m. als pald du kumeſt 
in den walt, | du fpüreft feinen hellen tag”. 620 (5. 629): „ber teufel pawet 
difen walt | und wont mit haus dar innen. | ich fach auf erd nie wilder bag; | 
mir bat Hilprant gar war gefeit, | gar kaum ſpür ich ben hellen tag“. 

2 Str. 41 (H. 220): fein fart er [Bibung) von den firaßen Brad) | auf 
gen ben boben leiten, | viel mangen pfat eng unbe jchmal, | die wilden töbel, 
tiefe tal | muft er durch forchte reiten, | pi er die guten purk anja m. |. w. 
490: fi furen manig leiten | und manig tiefen Hingenpfat. 417: da lag ein 
habe fefte u. |. w. | wie baz in luften lag der flein. 418: Die - fee was un⸗ 
maßen gut, | vor ſturm und fteigen wol behut, | mit merbelftein gepawet | 
auf einem perg an maßen hoch; | die burk auf gen ben lüften zoch. 

8 Str. 584 ($. 889): num fordt ig, kumpt ir in ben tan, | iv wift mit, 
wo ir Terer, | fo feit ir ein verlorner man u. |. w. | fumt ir alein Hin in bem 
walt, | iv gebt euch felber in den tot. 

4 Str. 298: Sie heiten einen herten ſturm, | gar grunmig was ber wilbe 
wurm, | bie angen im geliffen; | gar oft er nach dem fürften fprang, | mit 
feinen ſcharpfen claen lang | er wolt in han 'zurifien. | eiu ſchawm vor feinem 
munde lag, | das fenr da von ihm ſchofſe m. |. wm. 294 (9. 173): Er treib 
den herren durch ein bach, | der von eim hoben felß her brady | gar tief im 
einem grunde u. f. mw. | da ginet auf der wilde trad | und wolt in han ver- 
ſchlunden u. ſ. w. 295 (9. 174). 

I Str. 706 (H. 859): Sie zugen furbas in den walt | die reden alle jun 
und alt | zu eines prunnen fluffe. | vor eim gepirge, das was hoch, | das ſich 
auf in die Infte Zoch, | gen im gar ſchnell her fähuffen | manch großer wurme 
ber und dar, | wolten bie held verprennen. 





931 


Donnerihlag, davon das ganze Gebirg ertojt 1. Leicht [6, 331] erklenn⸗ 
bar find dieſe Ungethüme gleichbebeutenb mit den fievenden, donnernden 
Waſſerſtürzen ſelbſt 2. Dazwiſchen ertönt, ebenfo bonnerartig, das 
gräßliche Schreien der Rieſen; als Dietrih mit töblidem Steinwurf 
einen jungen Riefen getroffen hat, ftößt diefer jo grimmen Schrei aus, 
als bräche der Himmel entzwei®, und feine Genofien erheben eine Weh⸗ 
Hage, die man vier Meilen weit über Berg und Tann vernimmt, bie 
ſtärkſten Thiere fliehen aus der Wildnis, die Biverge werben zur Flucht 
im Höhlen und Klüfte aufgerufen, es ift, als wären bie Lüfte erzürnt, 
der Grimm Gottes im Kommen, ber Teufel herausgelaflen, die Welt 
verloren, der jüngfte Tag angebrocden *; ein ftarler Niefe „Yelfenftoß” 


1 Str. 621 (H. 680): da Hort er ein geichelle, | vecht als ein donderſchlag 
ber fch08, | dar von das ganz gepirg erdos. | da fach er alfo fehnelle | ein 
großen wurm her gen im gan | mit aufgetanem munbe. | da meint Wolfhart, 
der kune man, | er wolt in han verfäälunden, | das roß und au dar zu 
den man. 

2 Bol. oben ©. 484 f. Der zaghafte Zwerg Bibung erzählt (H. 834): 
ih fach den [wurm] alſo wit } ginen mit fime giele, } des ich wonde zu ber- 
feiben zit, | *r hette wol drige Fiele | verfliunden und ben Dunresberg. Hiezu 
oben ©. 528, Anm. 2. 

8 Str. 582 (9. 896): iunffraw, ir habt vor nit veruumen | fchreien riſen 
unde würme, | ih bin im oft zu handen Tumen | in fireiten unb in firmen. | 
der ris lis einen grimmen ſchrai, | und da ich in zu tode warf, | id want, 
der himel wer entzwei. 

4 Etr. 577 (G. 891): vir meil weit uber perg und tan | warb man des 
clagens innen u. |. w. | de manig menſch gar fer erſchrak; | in amadt viel 
die herzogein. 578 (H. 392): Ir clag und fchreien was fo groß, |.und das 
es alfo weit erdoß. | ir ungefuges clagen | day horten pern nnd leben Rarf, | 
das gewürm fi da alls verpark, | das wilt gund alla verzagen, | «8 furcht 
den ungefugen jchal, | der alfo kam gedoflen, | recht als ein wilder bonberfal | 
vom bimel kem geichoffen. | des wildes mut was gar verzagt, | fie Tiefen auß 
der wiltnns gar, | ſam het man fi dar ans gejagt. (Bgl. Sigenot, Schade 
Str. 86.) 579 (9. 898): Die ſtimm erhal in mangen perk, | da hort gar ferre 
ein Heines zwert | das rufen und das jchreien. | daS zwerglein pald von bannen 
lief, fein mag und frefinden es ba rief, | graf, ritter, ebel, freien: | „nun 
fliht, ir frawen und ir man, | in perges höl und clüfte | und jecht bes bimels 
wollen anl | erzumet fein die lüfte, | e8 kumt der grimmig gottes zorn; | ber 
temfel der ift außgelan, | id main, die welt ſei gar verlorn.” (Bol. Säm. 
6, 52: gafr alir iötunheimr u. f. w. | stynja drergar fyr steindurum.) 
680 (H. 894): Sich Hub ein michel fliehen ſtark u. f. w. 581 (5. 885): die 





läßt feine Stimme gleich einer Orgel erbröhnen, man hört fie über 
Berg und Thal, überall erfchreden die Leute und jelbft der fonft un: 
erſättliche Kämpe Wolfhart meint, die Berge feten entzwei, die Hölle 
aufgemedt, alle Reden follen flüchtig werben 1; auch die Riefen [6, 332] 
haufen am betäubenden Lärm eine® Bergwaſſers, bei einer Mühle und 
zunächſt einer tiefen Höhle?. Genauere Unterſcheidung zwiſchen Sturm- 
und Winterriefen, Stromriejen, Bergriefen würde man bier, in fo 
veripäteten und überladenen Schilderungen, vergeblih ſuchen, aber 
nur um fo bemerlenswerther ift es, daß im Allgemeinen der Zufammen- 
bang jener fabelhaften Geftalten mit ihrer landfchaftlicken Umgebung 
fih frifh und lebeudig erhalten hat. Hier in der Wilbnis des Hoch 
gebirgd, wie anderwärts in der Wüſte des Meeres, gährt noch etwas 


welt in ‚großen noten flat, | ir wil ein ende wefen, | wan niemant freüd ge 
haben mag; | wir glauben all in difem land, | und das bie fet der jungſte tag. 
613 (9. 622): mein ber ein rifen warf zu tot | mit einem großen ſteine, 
des Tam der furft in große not. | nun merfet, wie ich& maine! | vil manig 
herz gar jer erſchrak, | die rifen teten manchen jchrei, | vet ſam es wer ein 
tonderſchlak. 

1 Str. 663 (GH. 782): Ein ſtarker ris his Felſenſtoß, | des ſtimm recht 
als ein orgel doß, | war man fi Hat geftimmet; | daz hort man uber perk und 
tal. | die leut erfchrafen uberal, | fein herz was im ergrimmet. | Wolibart 
ſprach: „wannen kumt der fehrei, | der manig herz erichredet? | ih main, die 
perg fein ganz enzwei, | die hell ift anfgemwedet. | got verleih uns den feinen 
fegn! | flieht all, ir werben reden gut! | ich han des leibes mich verwegn“. 

2 Str. 505: er [Dietr.] folgt dem waſſer, das da floß, | und fam zu 
einer müle. | da lag ein vis, was lank und groß, | bei einer tiefen hüle. A513 
(9. 365): So ſprach der wunderklin weigant [Helf.]: | „die purk die ift mir wor 
befant, | dar under leit ein müle, } da bat das waſſer großen bradt; | da 
ligen die zwelf uber nadıt | gar nah bei einer hüle. | fo kum wir heimelichen 
dar, | des müg wir mol genießen, | fi werben unfer nit gewar, | daz macht 
des waflers fliegen“ u. |. m. Die Rieſenmühle fcheint eben auch die Wirbel 
des Stromfalls zu bedeuten. Nach altnorbiiher Anſchanung und Dichter 
ſprache ift die brandende See, insbefondre der raufchende Meeresfirubel, Mahl⸗ 
firom, eine durch neun Töchter des MeergottS oder von zwei ben Bergriefen 
entftammenden Mägden umgetriebene Mühle (Sn. 1, 324: Hvernig skal se 
kenna? u. |. w. 328: grotta skerja, Amiöda kvern. 378: svelgr 1 hafınu. 
382: meer bergrisa. 2, 431: bä gnyr ser er hon [kvern] gnfr. Say, 
Müller. 1, 141. Lex. myth. 237 f. Finn Magnufen, Edda 4, 258 f. 
Mund, Nordm. Gudesagn, Chriftiania 1854, ©. 146. Ev. Egilsfon 14. 
274b. 5906 f. 


533 
von dem urmeltlichen Chaos, das vormberein im Niefenthum feinen 
mythiſchen Ausbrud gefunden bat und am Ende der Zeiten zerftörend 
wieber hereinbrechen wird. 

Während die Lieber vom Gebirgsfampfe vornehmlich den Ungeftüm 
der anftürmenden Rieſen zur Erjcheinung bringen, ift in ven Gedichten, 
bie nach dem Rojengarten benannt find, dieſem Namen gemäß, fehr 
anfehaulich die fiegreihe Sommerkraft hervorgekehrt. Den Übergang 
bermittelt der „Leine Rofengarten”, ber tirolifhe bes Zwergkönigs 
Zaurin 1. Auch diefer ift nur von [6, 333] einem Seidenfaden umbegt 
und liegt auf einer grünen Aue; mer ihn anjieht, muß fein Trauern 
lafjen, die Rofen geben ſüßen Geruch und lichten Schein (3 67 f. 
90 bis 102; vgl. P 63 bis 85). Man kann es für eine Wiederholung 
nehmen, wenn weiterhin noch ein wonnejamer Plan vor Laurind Berge 
beſchrieben wird, wo buftreiche Obftbäume blühen, Vogelftimmen aller 
Art ertönen und zahme Waldthiere fpielen, wo bie herauskommenden 
Inwohner des Berges Roſenkränze winden, wo man auch alle Trauer 
läßt und fi im Baradiefe zu befinden glaubt (2 696 bis 717. 738 
bi3 741), ebenwie der Wormjer NRofengarten ald ein Himmelveich auf 
Erden gepriefen ift (Gr. 995 bis 998). Gleich ihm mirb der kleine 
Rofengarten von Dietrich, Wittich und den ihnen nachfolgenden Berner: 
beiden Hilvebrand, Wolfhart und Dietleib heimgeſucht (Dietrich jagt, 
376 f.: Ich wolde ſuchin dy roßin roth, Solde ich dar vmme fterbin 
tot); ihr Hauptgegner iſt hier freilich der ſtreitbare Zwerg Laurin, aber 
doch treten zum Schluſſe noch fünf Rieſen, ſoviel ſind auch der Helden, 
mit Stahlſtangen bewaffnet in den Kampf und werden ſämmtlich er: 
fchlagen (3 1104 bis 1121. 1159 bis 1167); nad einer Darftellung 
find fie gänzlich mit Moos überwachſen (D 255: fie woren grauffam 


1 Heldenbuch, Drud von 1509, Hiiij: Hye endet ſich der Mofengarten tzů 
Worms. Bnd volget hernach ner kleyn Rofengarten. Mit 3 ift im Folgenden 
Zachers Laurin aus der Zeiger Handſchrift (Beitichrift für deutfches Alterthum 
11, 501 ffi.), mit S die Ausgabe des Gedichts durch Schade (Berlin 1859) 
nach dem alten Nürnberger Drude, mit D die Dresdner Handſchrift (nad) dem 
Abdrud in F. H. von der Hagen Heldenbuch 40), mit P das Presburger Bruchftüd 
(mitgetheilt durch Schröer, Presburg 1857) gemeint. Im Ettmüllers Ausgabe, 
Jena 1829, lautet der Name Luarin; vgl. Müllenhoff (Zeitſchrift 7, 591): 
Luaran. 


534 


wilde, Jverwachſen gar mit miſch), was im Kampffpiele zu Mittfaften 
die Bekleidung bes Winters war (Schriften 3, S. 17 f.). Daß Wittich 
Verwüſter des Gartens tft, ſtimmt zu feiner mythifchen Bedeutung ala 
Flutgeiſt, in Gefangenfchaft bei Rieſen liegt er auch anderwärts 
(oben S. 511). Die Benennung Rofengarten haftet in Tirol an Ortlic- 
feiten verichiebener Art; im Hochgebirg, unter Eis und Felstrümmern 
verjchüttet, leiht der einftige Baubergarten nur noch zur Erinnerung 
feinen Namen oder es heißt fo eine mit feltenern Alpenblumen reid» 
geſchmückte Bergtrift, ald Laurins Rofengarten bezeichnet ber Boll 
mund bejonder8 die mit Wein und eigen, Pinien und Copreflen 
üppig ausgeftattete Halbe bei Algund, unweit der Burg Tirol 1, wie 
auch: im 16ten Jahrh. die von Tirol den Harniſch Laurins vor 
zeigten 2. 

[6, 334] Der Beftger eines ſolchen Luftgartens in den Bergen, König 
Zaurin, erglänzt von Gold und Evelfteinen, jo daß er den Wald tag- 
bell erleuchtet (S 401 bis 411); er wirb für den Engel Michael ge 
halten, der vom Paradies daherfahre (S 500 bis 502), auf feinem 
Kronhelm fingen Vögelein, Nachtigallen, Lerchen, Zeifige®, den wunder: 
ſchönen Garten hat er ſich erzogen und gebegt, bie Blüthe desfelben 
nennt er „meine lieben Rofen roth” (S 302 bi8 312. 530. Symb. 8); 
als Dietleibs ſchöne Schwefter mit andern Jungfrauen unter die grüne 


18. Weber, Handbud für Neifende in Tirol. Innsbruck 1842. ©. 142: 
„in der fonnenheiterftien Lage, voll ſchwellender Fruchtbarkeit/. (Bgl. Ebd., 
Land Tirol 2, 840.) 3. B. Bingerle, König Laurin u. |. w. Innabruck 1850, 
XXI j. Ebd., Sagen u. |. w. aus Zirol, dal. 1859, S. 66 f. Alpenburg, 
Mothen und Sagen Tirols, Zürich 1857, S. 126 bis 128, hiezu Ebd. 
Deutſche Alpenjagen, Wien 1861, ©. 246 f. Bgl. Brüder Grimm, bentide 
Sagen 1, 150 f.: Blümeli2-Alp. 

2 Aventin, Chronik, Frankfurt 1580, Blatt 86a. Hefdenfage 302. 

8 S 479 fj.: Kron und helm gab liechten fchein | darauf fo fungen 
vögelein | nachtigaf Ierchen und bie zeife | fein fitfam und in ſtiller weiſe 
lieblich gelich ſam ob fie Iebten | und in eim grünen wald umb fchwebten | 
mit Tiften was ſolches erdacht | und mit zanberei wol volbracht. (B 188 bis 
201. Ettmüller 474 bis 492. Symb. Ta.) Künftficher noch find die Vögel 
auf ber Linde des Wormfer Rofengartens zu breitaufend goldenen umgeichaffen 
und ihr Geſang dur ein Druckwerk hervorgebracht (Er. 193 bis 200. 987 
bis 994; vgl. Wolfptetrich, von der Hagen, Helbenbud 80. 1,288, Str. 567. 
Heldenbudh von 1509, Blatt 985, 6 bis d, 4). 


535 


Linde über einem fühlen Brunnen gegangen ift, um fi mit Blumen 
zu behängen, da bat Laurin, unfichtbar in der Nebellappe, fie durch 
Wald und über Heide hinweggeführt in fein zauberhaftes Reich (3 604 
kis 616. © 25 bis 48), jebt aber wird fie von ben Helden zurüd- 
geholt und Laurin felber gefangen miteingebracht, der nun zu Bern 
ein Gauller fein muß (3 1175 f. D 325), wie zuvor an feinem Hofe 
des Gefangs und Seitenklangs der Spielleute viel war 1. 

[6, 335] Nicht bloß ift auch das Mythiſche mit der Heldenſage ver: 
fest, Laurin felbit, den manche ber auögehobenen Züge als Lichtalb 
Tenntlih machen (vgl. Sn. 1, 78: Liosälfar eru fegri en. söl 'sfnum), 
erfcheint zugleich als ein Unterirbifcher, ber im Innern der Berge 
waltet, er und feine Zwerge fämpfen in Gemeinfchaft der Riefen wider 
Dietrih und deſſen Gefolge, der Mythus und feine Gegenſätze zer- 
fließen im bunten Spiele des Märchens. 


ı 3 774 bis 788: 8832 bis 885. S 1598 bis 1607. 1688 bis 1654. 
E. 1648 bis 1657. 1727 bis 1768. Symb. 266. 285 f. Heldenbuch von 
1509, Blatt Kitiib f. Auch der Heine Elberich rührt bie Harfe (Otnit, Mone 522. 
Heldenbuch von 1509, Blatt duiiia), wie überhaupt das Elbenvolk tontundig 
iR (Brüder Grinm, Iriſche Elfenmärden LXXXII f. Myuthologie 488 f.). Es 
iſt aber auch hier zu heachten, daß nordiſche Mundarten den Widerhall Zwerg⸗ 
rede (dvergmäl) nennen, denjenigen der Harfe bezeichnet fo die Herraudsſaga 
(Fornald, 8. 3, 222: at dvergmäli kvad & öllu), während ein färdifches 
Lied als Zwergſprache den Schlag der Schwerter in Berg und Fels fingen 
läßt (Sjurdar kredi u, f. w. ved Hammershaimb, Kjöb. 1851, 128, 98: 
dvörgamä! Bingur 1 fjöllum. 129, 108: dvörgamäl seng 1 hvörjum hamri, 
Bol. Lyngbye, Fer. Qved. 464, 77. 468, 90. 470, %. Mythologie 421. 
Thor 81). Damit ſtimmt nun das merkwürdige, neuerlih durch Holgmann 
belannt gemachte und erläuterte Meifterlied vom Lorleberg, dem durch fein 
reiche Echo berühmten Lurfeifelfen, ans welchen auf des Dichters Anruf und 
Frage über Sängerlohn „baz edel twerg” Antwort gibt (Germania 5, 445 f.). 
In Tirol ſelbſt, im Wippthale, finder fih urkundlich ein ſprechender Stein, der 
einer darauf erbauten Burg den Namen gab (Urkunde ans Briren von 1241 
in Hormayrs Beiträgen zur Geichichte Tirols, Wien 1808, S. 329: castıum 
in Wibtel, quod dicitur Sprechendenstain u. |. w. castrum illud in 
Sprechendenstaine; jeßt Schloß Sprechenſtein). Laurins und Elberichs Sang 
und Klang mochte früher noch nicht vom Gebirge Toßgetrennt fein (vgl. Laurin, 
3779 ff.: cgwene wol fingende man | by fungin alfo fußin gefang, daz ez in 
dem berge erclang. & 1604 ff.: vier wolgelerte fingend man, | zen kurtz und auch 
darzu czwen fang, | die jungen höffelichen gfang, | das es weit in dem berg erboß). 


336 


Das Verhältnis des Fleinen zum großen Rofengarten ift nicht 
völlig ins Klare geſtellt. Mögen auch die Amelunge erſt aus biefem 
in jenen herübergenommen fein, Laurin bleibt darum nicht minder eine 
Tirolerfage (vgl. Heldenjage 356), zugleich aber gibt fein unbeftritten 
mythiſches Weſen ein weiteres Anzeichen für diefelbe Befchaffenheit der 
MWormfer Kämpfe; der Name Rofengarten bat die gleiche jahrzeitliche 
Geltung im Etfchland, wie am Rheine, und auch dem Reiche Laurins 
fehlt nicht der Frühlingsmäßige Duft und Blumenglanz. 

Boller und entichievener find allerdings die Riefenfämpfe des rhei⸗ 
niihen Rofengartens ale Sommerftreit gelennzeichnet. Der blühende, 
vom Seidenband umbegte Kampfgarten ift bier eine Meile lang und 
eine halbe breiti. Wie noch die Kinderreime bei der Maifeier mit 
einer Rehrzeile von Rofen und Rojenblättern durchwoben find (Schriften 3, 
©. 30 f.), zieht fich durch alle Theile des Heldenlieds in manigfachſter 
Wiederkehr die unabläfjige Hinweifung auf die Roſen des Gartens und 
die verheißenen Kränze. 

„Es war in dem Garten Freude und Wonne gnug, 
hei, was der Garte Rofen und lichter Blumen trug!” 


jo beißt e3 gleich im Eingang (Grimm 21 f). „Nach Roſen“, „nad 
einem Roſenkranze“, reiten bie Helden aus ?; „in die Roſen“ ſpren⸗ 
[6, 336]gen fie zum Speerftechen, „burd bie Rofen“ mwaten fie mit 
den blanten. Schwertern?; „in den rothen Roſen“ fechten unb fiegen 


1 @r. Rofengarte 165 ff.: fie Kriemh.] heget einen anger mit röfen wol befleit, 
der ift einer mile lang und einer halben breit. 
dar umme get ein müre, daz ift ein borte fin; 
truß fi allen fürften, daz ir einer kume drin! 
Bgl. 519 f. 2055; au oben ©. 525, Anm. 1. 
2 @r. 218: wir juln naͤch rdjen riten in künig Gibechen lant. 
246 f.: ich wil durch vöfen willen nit riten in daz lant. 
fold ich gein Wormez riten um einen röfen franz u. f. w. 
557 f.: daz bu erſt wilt riten gein Wormez an den Rin 
nach eime roͤſen kranze u. |. w. 
Gr. S. 80, Str. 19: Wir wellen gein Wormez riten, ſchouwen des Rines finz, 
naͤch eime vöjen franze u. ſ. wm. 
8.81, Str. 20: Durch roſen unt dur bluomen nu. ſ. w. 
9 Gr. 1618: dd fprenget in bie röfen der herzoge ü3 erwegen. 
1822: Dö ſprenget in die röfen der degen üiz erkorn. 





337 


Ey VW 


fie!; „lichte Blumen“ werden in die Erbe getreten, „in der Blumen 
Schein” rollen die Banzerringe nieber, „auf bie Blumen” jpringt allent: 
halben das Blut, „in den Rofen” liegt der ſchwer Getroffene, „um der 
Roten willen” find die Recken todtgeichlagen?; „durch Roſen und burd 
Blumen“ eilen die fürbittenden Frauen 3; „Rofentränze” werben dem 
unbändigen Wolfhart auf fein ungelämmtes Haar, dem Meifter Hilde: 
brand auf fein greifed Haupt, dem ftreitbaren Mönch Ilſan auf feine 
Platte gelett, ſchließlich Führen Dietrich und feine Helden die erftrittenen 
Kränze mit Freuden über den Rhein 4; „ein Rofenkränzlein” jedem feiner 


1200: Dõ fprang in die röfen Sigeftap, der küene man. 
1561: ſwer mit mir welle flriten, der fpring in die röfen roͤt! 
1564: daz du ze ime ſpringeſt in die röfen röt. 
1567: dö wuot er durch die röfen u. |. w. 
1478: der monich vil kürliche durch die röfen wuot. 
1240: Död fach man vuch den rifen durch die röfen gän. 
1559: man fad) in ritterliche Durch die röfen gan. 
1 @r. 1581 f.: vil manig flag vil fwinder wart von in beiden dö getän 
ze tale vor den frouwen in den röfen rät. 
2049: han wir in den röfen gefiget, fö laͤnt uns urloup han! 
2 &r. 1279: dd trat er in die erden der liehten bluomen vil. 
1137: die ringe begunden rifen in ber bluomen chin. 
977 f. 1469: decken die röfen mit bfuote u. ſ. w. 
1252: der HE wart ouch gerötet nf der beide gritene. 
1502 f.: do huob er Af die fü unt gab im einen flag, 
daz er mit finer fibeln vor im im den röfen lag. 
1484: durch iuwer röfen willen fint bie reden töt geflagen. 


3 Gr. 1947 ff.: Krimbilt in grözer ile hine durch die röjen drang. 
Dd fie ja in den nöten Sifrit, irm lieben man, 
fie bat ir frouwen alle näch ir loufen dan. 
daz täten fie vil balde; dd wart in aljö gaäch, 
durch röfen und durch bluomen folgeten fie ir naͤch. 
4 Hagen 2255 f.: Wolfhart ift ungezogen, day fag ich tuch für wor, 
er ſetzet roſenkrenze uf ungelemtez bor. 
Heldenbud von 1509, Giiijb (Hildebr.): wo 'iſt myn krentzelin, 
Das ich hie ziere mynen gramwen topff? 
Hagen 2296 ff.: Die [Kriemb.] trug an ir henden ein roſenkrenzelin 
mit manger band rojen, dar under die fiden clor, 
ſi ſatzte ez dem frien münich uf fin kurzes bor. 
Hagen 2370: Sy fürten die rofen krenze mit fröben über Rin. 


338 


Klofterbrüber gu [6, 387] bringen, hat Ilſan gelobt und ex drüdt ihnen 
die Kränzlein auf den Kopf, bis das Blut von der Stirne rinnt!; 
König Gibich werfluht den Garten, „ver die Rofen trug”, bie fchöne 
Kriembilt aber hegt fortan keinen Garten mehr ?. Einzeln findet man 
‚wohl auch anderwärts folche Züge, wie Zertreten und Blutbefprengung 
ber Blumen im Kampfgetümmel, Nieverfallen des Todwunden in bie 
Blumen (Ribelunge 929), Kuß und Blumenkranz für den Sieger im 
Nitterfpiel (Titurel, herausgegeben von Hahn, Str. 1410), nirgends 
aber drängen fich diefelben fo zum maienhaften Gefammtbilbe. Damit 
ftimmt aud die feiertägliche Laune, wie fie im munteren Tone ber 
Rofengartenliever fortſchwingt. Das herzugeladene Helbentbum bat - 
jeinen Emft abgelegt und ift zum berben Heldenſcherze geworben, ber 
im Bruder Ilſan feinen Gipfel erreicht. Alte Reigenlleder erweiſen bie 
unwiderſtehliche Lenzesluft damit, daß jelbft geiftlihe Perfonen von 
ihr bingerifjen werden. Wenn gleich diefen fonft pas Tanzen zur Tob» 
fünde gerechnet ift 3, fo finden bie Lieber doch vergnüglich, auch heilige 
Leute zum Sprunge zu bringen. Ulrih von Winterftetten ruft, dem 
Mai zu Ehren, die Pfaffen mit den Laien zum gemeinfamen Reigen, 
zu dem von Gott. vergönnten Glüde‘. Ein nieberlänvifches Tanz: 
liedchen mit ber Kehrzeile: „bei, es war im Mai!” fingt vom Tanze 
des Paters mit der Nonned, Im bänifchen Kinderfpielreime pflückt ver 
Minh am Sommertage Rofen und will [6, 338] die Nonne hafchen, fie 
ſpringt auf, leicht wie eine Fever, er kommt nach, fchwer wie ein 


1 Hagen, Über]. Str. 468 f. Bol. D 861 f. 
2 Gr. 1268 f.: der anger fi verfluodhet, der die röfen haͤt getragen! 
dar um fint mine reden ze töbe mir geflagen. (Bgl. Gr. 11% f.) 
Gr. 2065: keinen garten begete mE Krimhilt, din fchöne meit. 

8 Altdeutſche Blätter 1, 62 (Was ſchaden tanken bringt, Hanbichrift des 
15ten Jahrh.): tanken ift in vierley wife totſünde. zum erfter jo ein georbente 
geiftliche perfon offenlih tantzt, als münd, nünnen, pfafien u. ſ. w. bie tund 
totfunde non ergerniffe wegen. 

AMS, 1, 147a, 48 f.: Pfaffen, leigen trettent an, | dien got der fälben 
ganz; | ex if gar ein ſälik man, | der mit den Tinten fan u. ſ. w. | Erent ben 
meijen, | fingent den reijen u. |. w. Aber auch in einem winterlichen Tan 
leich desſelben Dichters 1, 141a, 88: Nu fingen, | dan noch harte erfpringen | 
den reigen, | den reigen, | pfaffen unde leigen! 

5 Hoffmann, Niederländiiche Volkslieder, 2te Ausgabe, &. 254 f. 


539 


Stein, luſtig tanzen bie Bwei!. Nocd der einfame Klausner bat 
feinen Früblingstaumel: 

Da droben auf dem Hligel, wo bie Nachtigall fingt, 

ta tanzt der Einfiedel, daß die Kutt' in die Höhe Ipringt. | 

(Wunderhorn 1, 458; vgl. 3, 141. [Schriften 8, S. 898. H.)) 

Wie aber der Reigen einft ein Schwerttanz, die Maifahrt eine gewaffnete 
war, fo gehört auch Ilſan noch einem ftrengeren Sommerfpiel an, er 
zählt noch zu den ftreitbaren Mönchen der deutſchen und Färlingifchen 
Heldenfage,, Wolſdietrich, Walthari, Turpin (Gui de Bourgogne 
S. 111), Willehalm, Rennewart. Wohl Tann ihm der Rofentränze 
nicht genug erben, er walgt ſich in ben Rofen, er befleibet feinen 
Schild mit foldhen?, aber ihm fpielt Volker von Alzei nicht zum 
Maientanz auf, der Geigenbogen des Spielmanns, wie ber Prediger: 
tab des Mönche, ift ein ſchneidendes Schwert ?. Nicht umfonft wurden 
diefe Zwei einanber zu Gegnern beftellt, ihre eigenthümlichen Berufs: 
mweifen geben beiberjeitd zu fortgeſetzten Wigreden Anlaß, bei einem 
Volksſpiele würden die beiden Feſtgeſtalten mit ihrem zuſtändigen Bei- 
wert ſich malerifh ausgenommen haben. Ergezlich ift überall, wie 
die ſchwertſchwingenden Niefen und Reden des Zwölfkampfs von dem 
blühenden Hintergrunde des Roſenwalds fich abheben. Anmuthig 
fpottet die Streitftifterin Kriemhild der gewaltigen echter: „fie follen, 
je zwei mit einander, wie bie Kinder fpielen in ben rothen Rojen“ 4 


1 Thiele, Danske Folkesagn, 3 Saml. Kjöbh. 1820, ©. 142 f. 
2 Gr. 1486 f.: Dd begunde ſich fafte walten der münich Ilſan; 
er zerfuorte vil der röjen, & dan er wart beflän. 
Heldenbuch von 1509, % 55 (oben ©. 524, Anm. 8). 
8 Gr. 1618 ff.: Fuller gerachte den münich unt gab im einen ftreich, 
day im fin guoter prebegerflap Az finer hant entweid). 
„du gildeſt mir ben gigenſtrich, den du mir haft getän, 
ich verfchröten dir die feiten*, fprach der monich Jiſan. 
DO ſprach der küene Fuller: „ein fideler wil ich noch fin, 
ich fan wol geftridden mit dem fibelbogen min. 
ſwaz ich dä mite berreicdhe, daz muoz von ein ander gän”. 
(Bol. Nibelunge 1723. 1903. 1941. Wolſdietrich, Handſchrift der Piariſten 
Str. 2079.) 
4 &. 984: fie ſuln wie din kinder fpiln in den röjen et, 
ie zwene mit ein ander. 


940 


Ein richtiges Gefühl ließ die in chriftlicher Zeit nicht mehr vollgül⸗ 
tige Fabel vom Streite des Eommergottes mit den Winter[6, 339 ]riefen 
dur epifche Bildungen zurückdrängen. Diefe mujten ber herrſchend 
getoorvenen Sammlung deutfcher Sage um den Haupthelden Dietrich 
von Bern gerecht werben. Der Übergang vermittelte ſich dadurch, daß 
dem Helbenthume felbft ſchon eine den gewöhnlichen Bereich der Menſchen⸗ 
fraft überragende Stellung zukam und für basfelbe, nameutlih für 
dasjenige Dietrichs (Theoderichs vom Stamme ber Amaler, balbgött- 
liher Unfe, Jornandes €. 13. 14) die finnbilblihe Auffaflung zum 
voraus nicht ungebräudjlich war (oben ©. 518). Die Grundlage, der in 
den kämpfenden Gewalten theilweiſe verbunfelte Naturmythus, brach 
nun, wie gezeigt worden, in der üppigen Blüthe des Nofengartens 
und der burchmwaltenden Fröhlichkeit um fo Iebhafter hervor. Während 
der Riefenlampf den möythifchen Sinn der Lieder nur unvollkommen 
noch anzeigt, befunden um fo entichiebener der Schauplak und ver 
Preis diefes Streites bie fommerfeftlihe Bedeutung. Die Helden finb 
geladen und reiten aus, um ſich im Rofengarten Kränze zu erftreiten 
und fie von dort heimzuholen, das ift der gemeinfame Hergang ber 
verichiedenen Yaflungen. Damit aber tritt das Ganze deutlich in die 
Reihe der kampfrüſtigen Fahrten, mittelft welcher der Mai, ber Maien- 
franz, feierlich eingebracht wurde (Schriften 3, ©. 30 ff.). Der ältere 
Rahmen hat jedoch in epifcher Überfüllung fich fo jehr erweitert, daß 
nunmehr die Blumenfränze auf langwierigen Heerzügen von Worms 
nah Bechlarn, ing Hunenland, nach Garten, Dietrihäbern und dem 
Klofter Eifenburg gelangen müßen. Führt man aber den Sagenbeftand 
auf fein noch ertennbares Map zurüd, dann bleiben bie Rofen frifch 
und duftig, es ergibt ſich ein rheinifcher Mairitt, eine kriegeriſche Früh⸗ 
lingsfeier in dem dur Merz: und Maifelder altberühmten Wormögau, 
ebendamit hervorftehend unter den auch anderwärts auf beutfchem 
Gebiete kundbaren Maifahrten und Rofengärten. 

Es liegt in des Beſchaffenheit eines Gegenſtands, der von mythiſchem 
Uriprung aus durch Volksſpiel und Heldenlied gegangen ift, daß ber 
jelbe nicht in jedem Wechfel und Wandel fich folgerichtig ausgeftaltet 
und damit überall einer zmeifellofen Auffafiung Raum gegeben bat, 
aber jenem Zujfammenbange felbft Anerlennung zu gewinnen, iſt im 
Vorſtehenden verſucht worden. 


541 


[6, 340] Beilage zu ©. 508. 
Der Rieſenſtamm. 


Nah Thidriksſaga veräften fih vom Könige Wilkinus (Vilcinus), 
dem Urvater der in ihr auftretenden Rieſen, zweierlei Nachlommen: 
ſchaften, deren erftere, die einem Meerweib entfprofien ift, in dem 
mötterlichen Elemente mwaltet, während bie andre, aus echter Ehe, im 
Luftgebiet ihr Wefen treibt. Läßt ſich, wie verfucht werben foll, biefer 
zweifache Lebenskreis aufzeigen, fo Tann auch der Stammpater von 
Meer: und Luftriefen nicht ein gewöhnlicher Volkskönig fein. Zwar 
begreift, nach Angabe des Sagenſchreibers, das Reich des Willinus 
die Gebiete, welche nachmals Schweden, Gothland, Schoonen, See 
land, Sütland, Binland (a. Vindland) hießen; wie es überhaupt in 
diefer Saga gebräuchlich fei, daß vom Namen des erften Herrſchers 
defjien Reih und Volk den ihrigen erhalten, fo fei auch nad König 
Wilkinus jenes Reich Willinenland (Vilcinaland), das Volt Willinen- 
leute (Vileinamenn) fo lange benannt geweſen, bis Andre fich der 
Herrichaft bemädhtigt und damit neue Namen aufgelommen (Unger 27. 
Hylten 19 f.). Unverkennbar haben hiebei die Wenden (altn. Vindar, 
Vindland,, Vinnland, Zeuß 67 f.) und Wilgen (Oveiraı, Weletabi, 
Wilti, Wilzi, ag. Vylte, Zeuß 655. Graff 1, 851. Gr. 1, 2te Aus 
gabe, 777) vorgeſchwebt; mo ein beutjches Gedicht von „ver Wilze lande“ 
ſpricht (Heldenfage 187, vgl. 162: der Wilzen diet), da nennt bie Saga 
Vileinaland, Vileinaborg (Unger 248. 267. Hylten 194, vgl. Graff 
a. a. O. Zeuß 655: PViltaburg, Wilzeburg), näher rüdend feen bie 
zwei fpäteren Hanbfchriften Viltinus, Viltinaland (Unger 37, Anm. 2; 
vgl. ebend. 35 f. Vilzina). Allein dieſe Verſuche, den fagenhaften 
König mit Geſchlecht und Volt auf feiten Boden zu ftellen, finden doch 
(abgefehen von den noch unerflärten Bildungen -inus, -ina) im Sagen- 
inbalte ſelbſt allzu wenig Gewähr; feine Sage hat ihren eigenthüm- 
lichen Beltand eben nur in jenem Mythiſchen, in der Begegnung mit 
dem Meerweib und in den riefenhaften Nachlommen, mas fonjt von 
des Königs norböftlichen Heerfahrten gemeldet wird, iſt bürftig und 
geftaltlos, mehr nur Übergang zu anderlei Sagen. Es fragt fi, ob 
nicht durch misverſtändliche Beiziehung der Wilgen ein anbrer, dem 


542 


Bufammenbange [6, 341] der Stammtafel befier zufagender Name ver 
drängt worden fei. 1 Wade (Vadi), Sohn des Willinus von ber See⸗ 
frau, erwächſt zum Rieſen und ſchlägt auch in unverträglicher Sinnesart 
dem Stamme feiner Mutter nach (Unger 29 f. Hylten 21); er watet 
über eine neun Ellen tiefe Meerenge,. feinen Sohn Wieland (Velent) 
auf der Achfel tragend, um ihn zwei kunſtreichen Zwergen in bie Lehre 
zu bringen (Unger 66: Vade risi u. f. w. verdr ivir sundit. Hylten 
42); jeine Gänge von und zu. dem Berge, worin fi) die Werkftätte 
diefer Ziverge befindet, fowie eine frühere Lehrzeit Wielands, find nad 
genauen Zeitfriften bemeflen (zu Wade |. Mythologie 350. Müllenhoff 
in ber Zeitſchrift für deutfches Altertbum 6, 62 fi. Wade u. ſ. w. 
par Fr. Michel, Paris 1837). Wieland treibt in einem Baumflamm, 
den er fih zum Boote gezimmert, achtzehn Tage und Nächte auf ber 
See umber (Unger 70. Hylten 44); nad} ber ältern Edda (Völundarkv., 
Säm. 72 ff.; vgl, hiezu Eugippus, vita se. Severini, act. sanct. ed. 
‚Boll. 1, 488. Dahn, die Könige der Germanen 2, 30) wohnt er mit 
zwei Brüdern am Wolfmeere, bort ſchmiedet er aus rotbem Gold Ringe, 
deren er fiebenhundert in feinem Sal aufgezogen bat, und barrt jeimer 
lichten Frau, die in Schwangefieder ausgeflogen ift, er jelbft auch wird 
Fürft der Alfe, Lichtgeifter, genannt (73, 10: Alfa liodi. 73, 13 und 


i Das ahd. n. woldan, molden,. altj. wolcan, agſ. volcen, hier überall 
im Sinne des neubeutichen f. Wolle, bebeutet in der engliichen Form welkin 
die Himmelsfefte, felbft den blauen Himmel; dem Altnordifchen und deſſen 
Tochterſprachen fehlt es gänzlich, um jo eher konnte da, wenn es aus beuticher 
Duelle vorlam, Deutung und Schreibung irregehen (außer dem Schwanken 
der norwegiſchen Handſchriften zwiſchen Willinen uud Wiltinen, findet man in 
einem ber ſchwediſchen Texte mitunter auch Velkinus, Velcinus, Welkinus, 
Velcina land, Velchino men, Hylten 311. 484. 436). Als ahd. Mannsname 
begegnet Wolco (Neugart 709, a, 921), auch patronymijch ein Wulching (Hund, 
Balisb. ©. 81, 9 sec. Anzeiger 6, 265), das Nentrum wolchan u. |. w. konnte 
als ſolches nicht auch perjönficher Name fein, aber neben jenem if die Bildung 
eines masc. Wolcano ebenſowohl denkbar, wie neben jächlichen magan, ragin, 
die männlichen Eigennamen Megino, Magan (fsörftemann 1, 887), Regino, 
altn. Beginn (Reinhart Fuchs CCXLI), entflanben. Wie das Subſt. himins, 
himinn, bimil, von einem verlorenen Verb, hima, tegere, involvere, abgeleitet 
wirb (Gramm. 2, 55. Mythologie 661), fo deutet Schmeller (4, 71), unter 
Bolten, auf ein Verb. inwolken, inwellen, involvere, Dintifla 2, 220, ans 
einem Iateinifch-nieberbentichen Wörterbuch des 18ten Jahrh. 


543 
75, 30: visi Alfa), aber bie Nächte hindurch (nöttum) zieht Nidudr, 
der Niare Gebieter, mit feinen Mannen heran, ihre Schilde blinken 
gegen den eingejchnittenen Mond 1, fie geben in den Sal, nehmen 
einen der [6, 342] aufgezogenen Goldringe, Wieland jelbft wird fchlafenb 
an Händen und Füßen gebunden und, nad) Anweifung ber Königin, 
mit zerjchnittenen Kniefehnen auf eine Inſel am Strande gejebt, mo 
er dem König Kleinode fchmieden muß, er rächt fich aber, indem er 
die zwei Sinaben des Königs tödtet, ihre Hienfchalen in: Silber, ihre 
Augen als Edelfteine faßt, die Königstochter, der er feinen ihr vom 
Bater mitgebrachten Goldring ausbeflern fol, entehrt und, ſobald er 
ihr eiblihe Sicherheit ausgewirkt, dieſe Frevel verfündet und fich lachend 
in bie Lüfte ſchwingt. Sinb mit den Hin: und Hergängen bed Meer: 
riefen Wabe die regelmäßigen Wanblungen von Ebbe und Flut gemeint 
(Müllenhoff a. a. D. 68), fo erahnen fi) in ber damit zufammen- 
hängenden Wielandsfage die Wechſel des Mondes, die leuchtenden Ge- 
ſchmeide bes geftirnten Nachtbimmels?. Durch Wittih, Wielands Sohn, 
fehrt das Gefchlecht, das vom Meere ftammt, entichieben in feine Heimat 
zuräd; er wirb nad) der Schlacht vor Raben von Dietrich, dem er den 
Bruder erfchlagen und dem in feinem Zorne der Harniſch am Leibe 
glüht (Nabene 946. 973), nad Thiprilsfaga Feuer aus dem Munde 
flammt, über die Heide bis an das Meer verfolgt, da kommt als 
Retterin eine Meerminne, Wittichs Ahne, nimmt den Helden und führt 
ihn mit feinem Rofie Scheming nieder zu des Meeres Grunde, wo ihn 
Dietrih, der bis an den Sattelbogen in die Flut nacdgeritten, nicht 
mehr erreichen Tann. Dieje Ahnmutter, alfo diefelbe Seefrau, mit ber 
Willinus den Wade gezeugt, bat im beutfchen Gedicht auch ben ent- 


1 Säm. 73, 6: vid enn skarda mäna. Ggilsfon 719a: ad accisam, 
decrescentem, lunam; 3u Nidudr, Niara dröttin vgl. Sn. 1, 472: mäni, 
nY, nid. Säm. 2, 11: Ni ok Nidi. Egileſon 6016: nid, n. interlunium, 
602 a. Mythologie 672 f.; dann Säm. 88, 8 f.: und mänasal midian n.f.w. 
nipt Nera, Egilsſon 59a. Mythologie 880. Säm. 24, 25: nött var Nörvi 
borin. 35, 0%. ©n. 1, 54. 

- 3 Thor wirft die Augen bes von ihm erichlagenen Yötuns Thiafſi als 
zwei Sterne au den Himmel auf (Sim. 52, 19. En. 1, 214. Mythologie 
1168). Keller, Erzählungen 8, 18 fl.: Darin lag geftain | groß und claim | 
in allem dem gepär, | al es das geſtirn wär. 


544 


ſprechenden Namen Wagbild (Rabene 969: vrou Wachilt; wäc m. lu 
tus; das Ganze, Rabene 955 bis 974, in F. H. von der Hagen Helben- 
buch von 1855, vgl. mit Unger 292. Hylten 220. 300). Der gewöhn- 
liche Nebengänger Wittichs, Heime (ſchon im Widſidh 250. 260: Wudga 
and Häma), findet ſich zwar nirgends in deſſen Verwandtſchaft gezogen, 
ift aber doch ſehr ähnlicher Art; bezeichnet wird er mitunter „der Niefe, 
ber junge Riefe“, es wird ihm eine Überzahl von Ellenbogen und Händen 
beigemefien (Rofengarte XX. Heldenfage 257) und fein Name damit 
erklärt, daß heimir ein [6, 343] Wurm gebeißen fei, der, graufamer als 
andre Würme, benfelben zum Schreden gereiche und mit welchem man 
deshalb den grimmen Reden verglichen babe (Unger 24. Hylten 17. 
Mythologie 360), wie denn auch die Streitgier und der Grimm Wittichs 
durch deſſen Helmzeichen, einen Giftwurm, ausgebrüdt fein ſoll und er 
darnach ale „Witege mit dem flangen” vorkommt (Unger 97 f. Hylten 
59. 129. W. Grimm in der Zeitichrift für deutſches Altertbum 2, 
248 ff.). Heimes Vater beißt in deutfhen Quellen Mabelger (zweifel⸗ 
hafter Abelger; in Thidriksſaga Studas; Heldenfage 146. 178; Mythos 
logie 1160), melden Namen das Gedicht von Morolf dem Sohn einer 
„Meerminne“ gibt, einem wilden Gezwerg mit der Nebellappe (Morolf 
3909 ff.). Die vier Arme des kämpfenden Heime rühren an ben acht⸗ 
händigen, mit vier Schiwertern zugleich fchlagenven Starlad, den Niefen 
der norwegiichen Alaftromfälle, der von Thor dort berabgeftürzt wird 
(Fornald. S. 1, 412 f. 513 f. 3, 15. 37. Sn. 1, 258. Saro, heraus: 
gegeben von Müller, 1, 274. Thor 176 ff). Im Rofengarten fiehen 
allerdings Wittich und Heime den Rieſen gegenüber, in faft allen Dar: 
ftelungen tödtet Heime den Schrutan, Wittic den Afprian, fie find 
beide längft in bie epifche Gemeinichaft der Amelunge eingetreten, ob: 
gleich fie in dieſer ſtets eine unfichre, leicht in verberbliche Bosheit, 
Graufamleit, Feindſchaft umichlagende Zuthat ausmachen. Wittich fühlt 
fih bier als Fremdling (ellenve), beflagt fih, daß die Wölfinge ihn 
haſſen, und zeigt die Abficht, wieder zu Ermenrich zu geben (Rofen- 
garte XX). Aber felbjt der reinmythiſchen Auffafiung liegt das nicht 
ferne, daß wilde Naturgewalten fich unter einander belämpfen, Rieſen 
mit Drachen, Thurfe mit Thurjen ringen. Die beiden Waffenbrüber, 
der Ablümmling bes Meerweibs, Wittih, und ber vielarmige Heime, 
deren Namen und Zeichen fchon den Wurm, das Sinnbild der Flut, 


945 


des Stromes, Waflerfturzes, ergeben 1, find anderwärts in ihrem 
[6, 344] Ungeftüm dem Sommergotte verfeindet, jet aber, bei feiner 
Wieberlehr, da die Eisdecke der Waſſer gefprengt wird, tummeln fie 
ſich rüftig in feinem Dienfte. Dur Dietrichs Diener läßt die Saga 
(oben S. 511) den gefeflelten Wittich aus der Gefangenfchaft bei den 
Niefen befreien ?. 

Der andre, echte Willinusfohn, von unbenannter Mutter, Rorbian, 
folgt feinem Bater in den norböftlicden Reichen nach, mwirb aber von 
Hertnid, dem König über Rußland und Polen, ver bisher den Wilkinen 
ſchatzpflichtig war, befiegt und zum Unterlönig in Schweben beftellt. 


1 Bum Namen Heime f. die vorbemerkten Stellen, aber auch Vidugäuja 
(silvicola, Mythologie 349. 451, vgl. Yörftemann 1, 1285) kann eine Be- 
zeihnung der Schlange fein. An einem Stromgebiete haftet bei Jornandes 
C. 34, ſcheinbar aus dem Berichte von Priscus fiber feine Befandtichaftsreife 
zu Attila, der Heldenname: Ingentia siquidem flumina, id est Tysiam Tibi- 
siamque et Driccam transeuntes, venimus in locum illum, ubi dudum 
Vidieula [a. Vidigoia], Gothoram fortissimus, Sarmatum dolo occubuit. 
Allein im griehifchen Zerte des Priscus (Niebuhr, Corp. script. hisı. Byzant. 
1, 183) fehlt zu den Flußnamen gerade dieſes Andenken an Wittich, das wohl 
erft aus gothiſcher Überlieferung viel fpäter binzugelommen ift, über beffen 
mythiſchen, epifchen, geſchichtlichen Beſtand jedoch nicht entichieden werden kann 
(vgl. Jornandes €. 5). 

2 Zu erwähnen ift hier noch der tiroliihen Cage vom Rieſen Haimon, 
der erft den Thürs (vgl. Mythologie 488) „am Tyrſenbach“, dann, zum Schutze 
des Klofterbaus von Wilten, den dortigen Drachen umbringt; diejer baujt in 
einer nahen Steinkluft, noch jet Drachenhöhle genannt, flürzt fich giftfpeiend 
vom Feld und zerfiört das neuerfiehende Bauwerk, alfo ebenda, wo der tobende 
Sillbach aus dem Geftüfte herabſchäumt. (Lateinische und deutfches Gedicht 
vom Klofter Wilten, von 1571, bei Mone, Unterfuhungen 288 fi. Hiſtoria 
von dem Riſen Haimon u. |. w. durch, Joſuam Malerum u. ſ. w. Gonft. 1604. 
Brüder Grimm, deutihe Sagen 1, 210. Beyrer, WVegweiler in der Provinz 
Hauptftabt Innsbrud u. |. w. S.185 ff. 3.8. Zingerle, Germania 4, 434 ff. 
Ebd., Sagen, Märchen n. |. w. aus Tirol, Innsbruck 1859, ©. 89 bis 98, 
Bon Alpenburg, Mythen und Sagen Tirols 40 f.) In dieſer fpäten Zurichtung 
ift der Name des Strombämons auf den frommen, obgleich als Rieſe ge- 
ſchilderten Kloftergründer übertragen. Schon in Thidrikaſaga tödtet Heimir, 
als Mönch des Kloſters Badincufan in der Lombardei, den Rieſen Aspilian. 
Flugdrachen in einem Waflerfalle: Gull-Pöris Saga, herausgegeben von K. 
Maurer, ©. 48. 50 f., vgl. oben ©. 484. 

Ubland, Schriften. VI. 35 


346 


Darin zeigt fi) nichts von lebendiger Sage; doch Tann, außer dem 
Namen, die Härte und Kargheit, die ihm aufgebürbet wird (Unger 29. 
Hylten 22), ihn als twinterlih Waltenden bezeichnen und durch feine 
riefenhafte Söhne wird auch Nordians Weſen etwas beutlicher. Unter 
diefen ift ber gewaltfamfte Widolf mit der Stange; feine Achſel über 
ragt das Haupt andrer Riefen und er allein ift ftärler, al® zwei feiner 
Brüder (Unger 33. Hylten 24), kein Pferd überholt ihn im Laufe 
(Unger 52. Hylten 38). Die Staldenfpracdhe benennt den Wind 
Dreher, Wolf (Verzehrer), Yötun des Baumes, Reiſes, Waldes 
(Sn. 1, 330: briotr vidar, vargr vidar; Egilsfon 2215: selju gandr, 
453: iötunn vandar, vgl. 825), das berührt fi ganz nahe mit dem 
Riefennamen Wibolf, Witolt (über ⸗olf, -olt Gr. 2, 330 f. 3, 706), 
im Sinne des tobenpften, waldzerſtörenden Sturmmwinds 1. 

16, 345] Aventrod, Abenbroth, ein weiterer Sohn Nordians, gehört 
nad feinem Namen gleichfalls dem Luftreich an, er iſt auch ein Hiefe, 
aber als ein fanfterer führt er den gebundenen Bruber Widolf, der 
nur zum Kampfe Iosfommen fol, hinter fich ber (Unger 132, vgl. 34. 
Hylten 109). Dagegen knupft ihn das deutſche Eckenlied an zwei 
Brüder, bie nicht unter Nordians Söhnen genannt find, Ede und 
Faſold. ber dieſe fehlt es nicht an müthifchen Anzeigen. Der Wind, 
der über die Flut fährt, den Menſchen unfichtbar, kommt, nad einem 
Eddaliede, von den Schwingen des Jötuns Hräfvelg, der in Adler⸗ 
geftalt an des Himmels (nörblichem) Ende fit (Säm. 25, 36 f. Sr. 1, 
80 f. 549). Nach den finnischen Runen ift der Nordſturm ein Adler, 
der von der Lappmark ausfliegt, mit einem Ylügel die Waſſerfläche 
ftreift, mit dem andern hohe Himmel theilt und dem unterm Gefieder 
bundert Männer, auf dem Schmweife taufend, in jeber Spule zehne 


ı Sm der Eddaſtelle Sn. 1, 3830: Hvernig skall kenna vind? m. f. w. 
vargr.vidar eda segls eda seglreida u. |. w. mag immerhin vidr zunädft den 
Maftbaum meinen, im Zufammenhange mit Eegel und Segelwert, aber davon 
unabhängig ift das vorangehende briot vidar; Ähnlich vom feuer En. 1, 882: 
grand vidar, ebd. Anm. 2: vargr ok tröll bess er hanu eydir (ok vidar 
ebd. 2, 429). Egilsſon 831a: Alfr stordar (vastator silve). Bon anbrer 
Art, ein eigentliher Waldgeiſt, erfcheint der im Hyndlaliede, Säm. 70, 32, 
als Stammvater der Weillagerinnen genannte Vidolfr, derfelbe wohl mit dem 
beil- und zauberkundigen Bitolfus bei Caro, Müller 1, 323 f. 


547 


fteben 1. Hiernach konnte auch der Jötun Thiaſſi, in feinen Adler 
flügen, als winterliher Sturmriefe gebeutet werben . Zugleich mit 
hreesvelgr (Lex. po&t. 394: helluo cadaverum, devorans cadavera) 
it eine flalvifche Benennung des Adlers egdir (Sn. 1, 490. 2, 488. 
572; Lex. isl. 1, 1715: egdir, m. aquila mas; vgl. Mythologie 600: 
aquila, aquilo, derdg). Als raufchender, ſturmverkündender Jötun 
mit dem Aolernamen erfcheint ferner Egdhir, der Niefin Hirte, der, 
nach dem Liede der Vala, beim Herannahen. des Weltuntergangs. auf 
dem Hügel fist und fröhlich die Harfe ſchlägt (Säm. 4, 34; auf dem 
Hügel ſitzt auch der Hirte des Jöẽtuns Ghmir, Säm. 59a); an andern 
Stellen ift es ausgefprochen ber Adler, defien Getöfe, zufammen mit 
andrem Elementarifchen, den Weltlampf oder auch gewaltige Zukunft 
des Heldenthums ankündigt (Säm. 6, 49: ormr knyr unnir, | en ari 
hlekkar, vgl. Sn. 1, 194, Eäm. 78, 6: örn göl Arla. 83, 1: arar 
gullu, | hnigu heilög [6, 346) vötn | af himinföllum). Egtherus bei 
Saro, erft als Name eines Königs von Biarmien, dann eines finnischen 
Seeräubers (Müller 1, 248 f. 328. Vgl. Fornald. 8. 2, 10: Skyli, 
fadir Egdis), läßt ſich in beiden Fällen wenig gefchichtlih an. Eine 
andre Form, Agdhi, fteht in örtlichem Bezug mit dem Namen einer 
gebirgigen Landipige und ihrer Bewohner am Eingang des Meerbufens 
von Drontheim ?, ohne darum den ablerartigen Sturmbämon zu ver 
läugnen. Ein jcherzhaftes Geſpräch des Königs Harald Harbradi mit 
dem vorbeijchiffenden Sfalden Halli gibt zu verftehen, wie man froh 

1 Schröter, Finnische Runen, Upfala 1819, ©. 58 ff. (Stuttgart 1834, 
S. 72): Der Adler (kokko). gl. Kalevala, öfvers. of M. A. Castren, 
Helfingfors 1841, 2, 106 f. [Bergl. hierher und zum Folgenden Schriften 8, 
©. 37 bis 89. 50. 51. 9] 

2 Thor 114 f. (vgl. Mythologie 739.) ’Asrog x 0 nup Bopsas zuſammen 
genannt im neugriechiichen Liebe bei Fauriel, Chants populaires de la Gröce 
moderne 2, Paris 1825, ©. 432. 

3 Fornald. 8.2, 5: Drymr ätti Agdir; hans son var Agdi ok Agnarr, 
fadir Ketils Bryme, er bA Atti 1 Prumu. Die Ramen der Landichaft 
Agdhir und der Inſel Thruma werden Hier mit perfünlichen Thrymr und 
Agdhi in Beziehung gebracht (vgl. Mund 1, 108 f.); Thrymr heißt aber au 
der Thurfenfürft des belannten Eddalieds (Säm. 47 ff.), der gleich Thiaffi, 
dem Bewohner Thrymheims (Säm. 28, 11. Sn. 1, 92 f.), von Thor 
erkihlagen wird und, nad dem ganzen Zufammenhange bes Mythus, ebenmäßig 
als winterlicher Sturmriefe aufzufaffen ift (Thor 95 ff.). 


948 


fein durfte, bei jenem Vorgebirge (Agdhanes) mit leidlichem Fahrwinde, 
von Agdhi ungerüttelt, durchzukommen!. Doch ift Agbhi nicht an bie 
einzelne Örtlichleit gebannt. Eine jener ſpaͤtern Erzählungen, in welden 
alte Thorsmythen märchenhaft verarbeitet find ?, läßt am Hofe des 
Jötuns Geirröd verfchiedene Spiele aufführen, wobei Gruppen riefen 
hafter Weſen einander gegenüberfteben, namentlich tritt der Jarl Agdhi 
mit zwei Gefährten, Jökull und Frofti, auf, noch ein Dritter, Guſtr, 
jtebt auf feiner Seite. Jökull beveutet Gletſcher, Froſti Froſt, Guflr 
Winterwind (Biörn 1, 315: gustr, m. aura frigida. Egilsfon 2805: 
ventus, aura, flatus. Sn, 1, 486: Veär heitir ok gustr); die beiden 
Erjiern find auch anderwärts jötunifchen Stammes (Thor 30 ff.). Noch 
ift Agdhis Mplergeftalt angezeigt: ſchwarz ift er wie Hel (var hann blär 
sem Hel) und ſchlägt im Wettringen die Griffe (krummurner) fo feft 
in des Gegners Seiten, daß fie bis aufs Bein dringen; nachher fährt 
er ın großem Jötunzorne (1 allmiklum iötunmöd) [6, 347] hinweg und 
läuft wie toll zum Walde, wo er gewaltig heult (greniadi miög); 
auch bricht er zur Nachtzeit ein Dach (Bilfiöl) auf und zerftört, ſpul⸗ 
artig umberfahrend, einen Hof (hafdi gengit aptr ok eytt beeinn). 
Wie nun mit diefen nordiſchen Egbhir und Agbhi der veutfche Ede ſich 
bem Laute nad berührt, jo auch in feiner ſtets noch halbmythiſchen 
Ericheinung ꝰ. Er beißt fortwährend ber Niefe (Edenliet, Laßberg 


1 Fornm. 8. 6, 360: sard hann ydr hä eigi Agdi? u. f. w. (zu 
sard vgl. Schmeller 3,288 f. Zeitfchrift für deutfches Alterthum 5, 399. 
566.) Wie Egbhir (oben ©. 547) figt Thrymr auf dem Hligel, feine rende find 
goldgehörnte Kühe und ſchwarze Ochſen (Säm. 47, 6. 49, 23), das weilt 
hier wie dort auf die Wollenherbe, die vom Sturmriefen getrieben wird; aud 
dem Rieſenhirten Snio in däniſchen Chroniken tangt nicht wohl ein aubrer 
Austrieb, als das Schneegewölke (Thor 35 f. 101). 

2 Saga af horsteini Bearmagni (Fornm. 8. 3, 175 fi., auch in Bir 
ners Kämpa Jater), deren Abfaffung Müller, Eagabibliothel 8, 251, bu 
vielleicht in das 15te Jahrh. herabſetzt. 

3 Spradli it dieſe Bufammenftellung nicht ſchwieriger, als die von Ede 
und Ogir (Mythologie 218. 602. 1210. Simrock, Handbuch 110. 356. 448). 
Fur Tegtere kann etwa noch der Meermann „Elle Relfepenn“ bei ten Inſel⸗ 
friefen angeführt werden (Hanjen, Frieffihe Sagen, Alt. 1868, &. VIL 
148 ff. 193), do bewirkt auch er hauptfähli bie ſtürmiſche Se. Der 
Ede des Liedes und der Saga gewährt keinerlei auf einen Meergeiſt deutbare 
Anſchauung. Sein Zug geht vom Rhein an die Etfch, er treibt Ad im DM 


549 


Str. 72. 103. 108. 113. 144), reicht hoch auf über die Bäume (Röhn 
Str. 84), ſchlägt Männer zu Boden, wie der Wind die Baumftämme 
fällt (Zaßberg Str. 15); fiurmartig, an den Idtun Agdhi mahnend, ift 
beſonders auch fein raftlofes Rennen in weite Gerne, fein lärmenber 
Gang durch die Wälder: ihn trägt Fein Roſs und er braucht auch Feines, 
er läuft vierzehn Nächte hindurd, ohne von Hunger oder Mübe zu 
leiden (Laßberg Str. 34. 41. 43); mie ein Leopard fpringt er weit in 
den Wald, wie eine Glode hört man feinen Helm, von den Äſten ge: 
zührt, erfchallen, der mit tauſend Schellen bebangene Schild, den er 
am Arme trägt, wedt die Vögel und das Wilb auf, das feiner ge: 
ſchwinden Fahrt neugierig nacdgafft !; bei feinem Zweilampfe mit 
Dietrich in der Wildnis [6, 348] von Tirol (Laßberg Str. 48: ze Tirol 
gen dem walde) ertoft das Gebirg, Ede fchlägt die Aſte von den 


ning, auf dem Drachenfels, auf dem Nonzberg um (Unger 112. 78. Laßberg 
Str. 51), feine Kämpfe toben „in gebirg und in der wilde“ (Laßberg Gtr. 56). 

1 Laßberg Str. 88. 86 f. 72; vgl. Dietrichs Ausfahrt, Stark Str. 709 fi. 
(Hagen 80, Str. 862 fi): Riefe Glodenböz. Andre Stimmen gibt dem Getös 
im Walde das ruffiiche Tied vom Räuber Nachtigall (Alte ruffische Dichtungen, 
gefammelt von Kirſcha Daniloff, Mosfwa 1818, nah Moriz Rapps hand- 
fchriftlicher Überfegung [vergl. oben &. 19, Anm. 542. H.]; vergl. Furſt 
Wladimir und defien Tafelrunde u. |. w. Leipzig 1819, S. 80 fi. P. von 
Goͤtze, Stimmen des ruffilden Volls in Liedern, Stuttgart 1828, ©. 58 f. 
Dietrich, Ruſſiſche Volksmärchen, Leipzig 1851, S. 68 ff.). Diefer Unhold 
Hauft in den dunkeln brinskiſchen Wäldern, er niftet auf neun verfchlungenen 
Eichen, von welchen aus er Roſs und Mann durch feine furdhtbaren Laute be= 
tänbt und niederwirft: erft fängt er zu pfeifen an nach Art der Rachtigallen, 
dann zifht er nad Schlangenart, zum dritten brüllt er nach der Weife ber 
Auerochfen; die ganze Tonleiter des GSturmgebranjes im Walde, Der Bän« 
diger dieſes Ungethüms ift Zlija von Murom, nun zwar ein Helb von ber 
Genofſſenſchaft des Fürſten Wladimir, aber Ilija, der im Wetter gen Himmel 
gefahrene Prophet Elias, vertritt auch ‚bei ſlaviſchen und kaulaſiſchen Völlern 
die Stelle des Donnergotts (Mythologie 157 ff., man vgl. noch den gewaltigen 
König Flias von Reuflen im Otnit). Gleich Thiaffi und Egdhir if auch ber 
brinstifhe Räuber beſchwingt, den: Heldenjcherz eine Nachtigall (vgl. Ger- 
mania 8, 188 f. [Schriften 3, &. 99 f. H.]), feine neun Söhne verwandeln 
ſich in ſchwarze Raben mit eifernen Schnäbeln. Wie diefes Abenteuer auf das 
Eckenlied, fo weilen andre Helbenfänge des Wladimirkreiſes auf das Hilde⸗ 
brandalied, auf Siegfriebs Drachenlampf und die Helgifage; Wladimir ſelbſt 
war germaniihen Stammes und Ramens. 


550 


Bäumen, daß der Wald des Laubes beraubt ift, als hätt! es der Hagel 
getban (Röhn Str. 172, vgl. 128 f. Laßberg 110). Nah Thidriks⸗ 
faga waren die Brüder Effa und Faſold einander jo ähnlih, daß man 
fie faum unterſcheiden konnte (Unger 176. Hylten 131). Hievon abs 
geſehen ift Faſold ala Luftgeift vorzugsweiſe durch den befannten 
Wetterfegen beglaubigt (Mythologie, Ite Ausgabe, Anhang CXXXII; 
2te Ausgabe 524. 602. 1230 f.). Das Lieb gibt ihm Riefenlänge 
(Laßberg Str. 16) und macht ihn als wilden Jäger, jagenvden Thürg 
kenntlich (vgl. Stalver 1, 329: „Dürften-gjäg”. Rochholz, Schweizer 
fagen 2, 184: „d' Rüfe jaget”. Schmeller 2, 264: „Nachtgejaid“. 
Mythologie 872 F.): im pfablofen Wald, aus fernem Gebirge, verfolgt 
er mit feinen Leithunden und weithallendem Horn eine jammernde 
Maid,- die er „fein Wild“ nennt, ein „wildes Fräulein“ (Laßberg 
Str. 171: min hohes leben von wilder art hat er gemachet niber; 
Str. 172 und 189: das wilde vröwelin), das fih auch nachher durch 
Herbeiholen heilkräftiger Kräuter ala Waldweſen ausweiſt, während 
Faſold, wie zuvor fein Bruder, im Streite mit Dietrich die gröften 
Äfte abreigt, als wollt’ er den Wald von Laub. entblößen, und die 
Bäume zerrt, daß fie fich fpalten, fo daß man eine Halbmeile weit 
das Krachen Hört (Laßberg Str. 184). Abwärts in der Volksſage jagt 
der wilde Jäger das Holzmweiblen (Mythologie 872. 881 f. 1230 f.). 
aufwärts im norbifchen Mythus raubt der Adlerrieſe Thiafji die ſommer⸗ 
liche Xoun aus dem Walde (Sn. 1, 210). Norbian, gleich dem Niefen: 
fönige, heißt auch ein berühmter Meifter des Waidwerks (Thidr. 8. 
Unger 212. 231 u. f. w. Helvenfage 159 f.) und es fällt auf beide 
Namenträger beſſeres Licht, wenn man annimmt, daß ſchon erfterer 
ein gewaltig jagender Türfe war!. Nah dem Sieg über Eden und 
Faſold muß Dietrich noch harte Kämpfe mit ihrer Sippichaft [6, 349] ber 
fteben; fo mit Birkhilb, der grimmigen Mutter des Brüderpaars, und 


1 Auch Thrym, der Thurje Herr, den Thors zermalmender Hammer trifft, 
if, wie e8 einem Sturmrieſen taugt, mit Hunden und Roffen verfehen (Säm. 
47,6. Thor 102. Hieher noch die Dichtungen von der Jagd des wilben 
Wunderers: Keller, Erzählungen 1 fi. Fasnachtſpiele 2, 447 f. 4, IM. 
Kafpar von der Röhn, Etzels Hofhaltung (von der Hagen, Helbenbud 2, Berlin 
1825, 55 fi. Mythologie 895. 983. Liebrecht, Gervafius von Tilbury 204. 
Säfarius von Heifterbady 12, 20). 


551 


mit ihrer gleich wilden Tochter Wobelgart (Lapberg Str. 231 ff.), in 
andrer Yaflung des Liebes mit Rüge (a. Rachin, Runte), der Muhme 
jener Beiden, und ihren zwei riefenhaften Söhnen (Röhn Str. 271 fi. 
Schabe Str. 185 ff.); auch dieſes ungethüme Weibervolk fpringt jäh⸗ 
lings über entwurzelte, von ſolchem Sturmlauf niebergerifiene Baum: 
ftämme (Laßberg Str. 233: über die großen ronen fi ſprank u. ſ. w. 
241: die bom ir figen alle nach), erhebt gräßliches, über eine Meile 
ſchallendes Geheul, reißt große Bäume zum Dreinfchlagen aus der Erbe 
und verheert mit feinen Schlägen ven Wald (Röhn Str. 287, Rutze 
hat auch eine Burg gebrochen: Laßberg Str. 193), Ahnliches verlünben 
die Namen der Muhmenſöhne Welderich und Zerre, Walnmächtiger, 
Zerreißer t. Edenlied beginnt damit, daß, die Brüder Ede, Faſold und 
Abendroth? fich über Dietrich® Heldenthum, eiferfüchtig darauf, bes 
Sprechen; die zwei erftern erproben basfelbe zu ihrem Verderben, das 
gegen erwartet man vergeblid eine weitere Betheiligung des dritten 
und fo ergibt ſich bier über ihn eben nur dad Wenige, daß er mit 
zwei Sturmriefen verbrübert werben Ionnte, wie in der Saga mit dem 
in der gleichen Eigenfchaft beiprochenen Widolf. Wendet man fich hie 
mit zu der Stammtafel Nordians zurüd, jo find biefem in der Saga, 
neben Widolf und Aventrod, noch zwei Söhne zugetheilt, Atgeir und 
Alpilian. Atgeir, deflen Name auf die Bewaffnung mit einem mäch⸗ 
tigen Speere (atgeirr, Unger 34. Gr. 3, 442 f.) bezogen wird, ift als 


1 Auch von Falold heißt e8, Laßberg Str. 162: im dienent wilbiu Iant. 
184: er zart die bom, das fi ſich kluben. An den Namen der Mutter Faſolds 
und Edes, Birkhilt, ftreift das von ihr, Str. 285, Gefagte: ainen ungefuegen 
bon fi brach | vor zorm uffer der erde. Über Widotf |. oben Riefennamen in 
Dietrichs Ausfahrt: Fellenwalt, Oſenwalt, Schellenwalt; im Wolſdietrich: 
Belle und fein Weib Rüge, Runge (dev Name wird manigfach gefchrieben), die 
auch einen Baum aus der Erde bricht (vgl. Er. 3, 788; 3. V. Bingerle, 
Germania 2, 213 f.: Runge, von Alpenburg, Mythen und Sagen Tirols 
©. 55 f.: Die Runfa). 

2 In der laßbergiſchen Handichrift des Liebes Tautet der Name Ebenrot, 
im alten Drude Eberrot, dagegen in der handſchriftlichen Borrebe des Helden⸗ 
buche Obendrott (von der Hagen, Heldenbud 1855, 1, CXV), in der Aus- 
gabe desjelben von 1509, Mij: Abentrot, übereinſtimmend mit Aventrod der 
Thidr. S. Das mhd. mase. äbentröt war zur Bildung eines männlichen Eigen- 
namens tauglich (vgl. Mythologie 710. Deutiches Wörterbuch 1, 28): 


992 


Grenzwächter ded Königs lung von Bertangaland und als Hüter 
eines unterirdiſch verborgenen Schatzes aufgeitellt. Ihn erlegt Wittich, 
der, nad feines Befreiung aus Niefenbaft (oben S. 511), mit Dietrid 
[6, 350] wider die unge ausgezogen; dieſer gleichfalld auf den Sommer: 
gewinn weiſende Kampf fehlt aber in den Rojengartenliedern, melde 
zum Gegner Wittichs den Hauptriefen Afprian beitellen, vielleicht eben 
in Folge davon, daß Dietrich jelbit mit Siegfried zufammengeführt 
war. Näheres über Afprian gibt die Abhandlung. Der in ihr geltend 
gemachten mythologiſchen Anfchauung wird es zu ftatten Tommen, wenn 
fie fih an den größeren Verband des Niefengejchlechts, den die Beilage 
nachweiſt, anlehnen kann. 


Nnachträge. 


1. Sagenbeitrag zu Dr 2. Schmids Geſchichte der Pfalz- 
grafen von Tübingen. ! 


Das Geſchichtbuch, dem diefe Blätter ſich anjchließen, verbreitet 
aus urkundlichen Quellen neues Licht über die Vergangenheit ſchwäbi⸗ 
fher Gaue, die mir altvertraute Heimatftätte find. Hiedurch warb es 
mir innerliches Bedürfnis, dasſelbe mit einer Beigabe aus dem Bereich 
meiner Arbeiten zur ſchwäbiſchen Sagentunde zu begleiten, Wie von 
ber einen Seite durch die beglaubigte Gefchichtichreibung das Verftändnie 
der Sagen fefteren Fuß in den Thatſachen und Örtlichleiten gewinnt, 
fo kann es gegenfeitig auch der Sagenforichung gelingen, für bie ge: 
ſchichtliche Betrachtung da und dort einen weiteren Ausblid zu eröffnen. 
Erwägt man, daß Geift und Lebensform des Mittelalter weſentlich 
durch die Einbildungsfraft beftimmt mar und daß doch eine mittelalter: 
lihe Hausgeichichte, wie die der Pfalggrafen von Tübingen, großen: 
tbeild nur aus einfilbigen Angaben ber Zeitbücher und aus Schenkungs⸗ 
oder Kaufbriefen fchöpfen Tann, jo muß es als wahrhaft gefchichtliche 
Ergänzung begrüßt werben, wenn je zuweilen die farbenhelle Beleuch⸗ 
tung der Sage hereinfällt und felbft in trodenen Pergamentrollen die 
Epur poetiiher Anfchauungen aufgrünt. Es ift ein Verdienſt des 
Geſchichtſchreibers der Pfalzgrafen, daß er im Urkundenbuche nicht bloß 
die unmittelbar nöthigen Beweisftüde, ſondern audy meitere Beilagen 
gegeben bat, welche zur Kenntnis der Beitanfichten, der Sitten und 
Rechtsalterthümer, ſowie des örtlichen Sprachgebrauchs fürberlich fein 
lkönnen. Mein Beitrag wird nun darin beſtehen, daß ich einige bedeut⸗ 


1Geſchichte der Pfalzgrafen von Tübingen, nach meift ungebrudten Quellen, 
neh Urkundenbuch. Ein Beitrag zur ſchwäbiſchen und deutfchen Geſchichte von 
Dr 2. Schmid. Tübingen, 1853. H.] 


556 


famere Sagen und Sagenzüge von ben Pfalzgrafen, ihrem Stamm 
und Gebiet, ihren Lebens: und Dienftleuten, hauptſächlich aus älteren 
Aufzeichnungen und unter Benügung bes neuen Geſchichtwerks, mit 
theile und erläutre. Einzelne Überlieferungen aus fo engem Bejzirke 
Tönnen fich freilich nicht zu einem innern Zufammenbang abrunden, fie 
Suchen ihre Anknüpfung meiter hinaus und follen auch biefelbe in ber 
Schon erwähnten fagengefchichtlichen Arbeit finden, von ber fie eine vor 
läufige Probe abgeben. Die ſchwäbiſche Sagenkunde felbft darf fi 
nur als einen Ring in ber umfafienden germaniſchen Sagenkette be: 
trachten. Aber es kommt der Erkenntnis bes umfafienden Ganzen zu 
Statten, wenn aufgezeigt wirb, mie einer. ber beutfchen Hauptflämme 
einen gewiflen Beftanbtheil des gemeinfamen Sagenſchatzes eigenthümlich 
und mit Borliebe auögebilbet hat. Und felbft die nachfolgenden Mit: 
theilungen aus fo beſchränktem Gebiete, zufammen mit den neuerlich 
eben dort aus dem Vollamund aufgenommenen, haben jebenfalld bie 
Bebeutung, zu zeigen, daß man in beutfchen Gauen nur bie Wünfchel- 
gerte anzufegen braucht, um den Born der verjchütteten Sage fpringen 
zu laſſen!. 

So viel fchon feit der Mitte des 14ten Jahrh. über das dem Grafen 
Anshelm gewidmete ſeltſame Opfermahl über der räthfelbaften ruft 
somanischen Bauftils auf dem Wurmlinger Berge ? erkundigt und auf 


1 [Der Anfang der folgenden Ausführung fehlt. H.) 

3 In der älteften Urkunde über diefe Feier, einem von der Geiſtlichkeit des 
Kapiteld Boltringen an den Abt zu Kreuzlingen erflatteten Berichte vom Jahre 
1848 (abihrifilih im Archiv. Wurmling. Blatt 56), Heißt es unter Anderem: 
„feria tertia proxima post diem commemorationis animarum decanus et 
omnes capituli confratres convenire debent in monte predicto u. |. w. et 
omnes simul unam missam cum vigilia in memoriam prefati legatoris 
celebrare u, |. w. et postquam refecti fuerint, quidquid de fragmentis ibi 
residuum erit, pauperibus leprosis eum pelle tauri predicti debe(re)t ero- 
gari“ u. |. w. Die dentiche Aufzeichnung, die in ein Notariatsinfirument 
von 1468 (abſchriftlich im Archiv. Wurmling.) aufgenommen if, gibt diefen 
Hergang fo an: „darnach füllen die berm zu dhor gen mit iren chorhembden 
ane ſporn und follen fingen ain vigilien und nad) der vigili der becan ein fel- 
meſs, und nad der meſs ob dem grab ain jelvefper fprecdhen u. ſ. w. und fo 
denn die hern vom capitel über tiſch foment, jo fol der camerer des capitels 
das. almufen, das von dem tifch gaut, beforgen und fie acht han, daß es zeſamen 
genommen werb, was von dem tiſch gaut, und ob dem tiſch jo fol ber cammmerer 


597 


geſetzt wurbe, fo if} boch ber Urfprung biefer merkwürdigen Feier räthſel⸗ 
haft geblieben und bie beigebradhten Nachrichten find theilweiſe fo ber 
fchaffen, daß fie nur verwirten konnten. Weber ein Stiftungsbrief ift 
vorhanden, noch eine beurfundete Anzeige barüber, wann und mie ber 
Kirchenſatz auf dem Wurmlinger Berg an das Klofter Kreuzlingen ge 
kommen. Die erfte Spur, daß befagtes Klofter in dieſer Gegend Rechte 
beſaß, findet ſich in einer im Archiv zu Kreuzlingen aufbewahrten Urkunde 


‚von 1185 über ein von biefem Stift angefprochenes Gut zu Mülbaufen, 


einem abgegangenen Dorfe bei Herrenberg, mit ber Zeugſchaft mehrerer 
Evelleute von Wurmlingen 1; an lekterem Orte ſelbſt begütert erfcheint 
Kreuzlingen zuerft in einem. Bergamentbrief mit der Angabe Ulm 1192, 
wonach Kaiſer Heinrich VI die bisher von den auf der Kreuzfohrt ge 
ftorbenen Herzogen Welf und Friedrich von Schwaben innegehabte Bogtei 
über alle dem Klofter gehörige, diesſeits bes Bodenſees gelegene Drte, 
darunter Wormelingen, übernimmt. Da jedoch in der Urkunde ber 
Kaum für die Zeugen nicht ausgefüllt ift und ein Siegel nicht an: 
gehängt war, fo ift diefelbe wahrſcheinlich unausgefertigt geblieben ?. 
Bier Jahre fpäter, .1196, wird eine im Chor zu Kreuzlingen auögeftellte 
Urkunde durch Albert von Wurmlingen, als dortigen Kanoniler, mit: 
unterfertigt 3, Eine bifchöflich Fonftanzifche Urkunde von 1213 fchlichtet 
den Streit, der zwifchen. dem Abte von Kreuzlingen, ala Pfarrherrn 
ber Kirche „Wurmelingin“, und dem der Kirche „Sullin“ über Neu: 
zehnten fich erhoben hatte. Bon weiteren Urkunden des 13ten Jahrh., 
welche den Beſitz des Klofterd in Wurmlingen und der Umgegenb be- 
treffen, fol bier nur noch eine im Jahr 1273 von Albert, genannt 
Randal von Wurmeringen, ausgeftellte angeführt werben, weil fie ben 
Pfleger des Klofters als Pfarrherrn des Berges Wormeringen namhaft 


neman ain brot und obnan darin ſchniden ain hülin und fol ieder her non dem 
capitel darin legen ain pfennig und fol man denn biefelbig pfennig und das 
olnınfen, das von dem tifh gaut, mit der flierhut geben den velbficchen, die 
gefeßen find in der pfarr zu Sillchen“ u. |. w. 

1 Archiv. Wurmi. 1 f. Regeſt. 7, Nr 17. 

2 Nach Einfihtnahme des Herrn Archivratha von Kausler vom Original 
der Urkunde, Abfchrift im Archiv. Wurml. S. 2 ff. 

8 Regeſt. 7, Nr 19. 

4 Archiv. Wurml. 4 ff. vgl. Regeſt. 8, Nr 27. 


598 


madt 1. In dem allem aber und bis zu dem Gapitelberichte von 1348 
ift nirgends weder der Stiftung noch irgend einer Beziehung zu ben 
Grafen von Calw erwähnt. Dielen iſt auch ber fpäter auftauchende 
Name des Stifter, Anfelm, gänzlich fremd. Er Tommt in ihrem 
Haufe niemals vor, ber herrfchende in beinfelben ift Adalbert 2. Aber 
eben weil der Name Anjelm nicht mit dem von Calw bereingelommen 
fein Tann, nimmt er biefem gegenüber eine felbitänbige Stellung ein. 
Er hat feinen Anhalt auf andrer Seite und, obgleich in ben Urkunden 
der Wurmlinger Kirche erft jpät zum Borjchein kommend, in ſehr alter 
Zeit, nemlid in den Ahnen der Grafen von Tübingen, von Anfelm, 
dem Hauptftifter des Klofterd Blaubeuren um 1085, aufwärts zu ben 
Anfelmen, die als Grafen des Nagoldgaus für die Jahre 1048 und 
961 beurkundet find ®, Auch bei Dienftleuten der Tübinger Tommt der 
Name mehrmals vor, fo bei denen von Hailfingen , befonders aber im 
einer Urkunde des Pfalzgrafen Hugo von 1174: „Anjelm weiland 
Ritter von Wurmelingen, unfer fehr lieber Dienftmann” 9. Der Weg 
aus dem Bergthor der Veſte Tübingen führte fchnurftrads nad dem 
Wurmlingerberg, am halben Wege lag, ven Pfalzgrafen gehörig, bie 
Dbenburg, in Schwerzloch, Ammern, Sefingen, Reuften, in Wurm⸗ 
Iingen felbit ſaßen ihre Dienftmannen, und wenn nun im bortigen 
Kirchlein ein Graf Anfelm beitattet war, fo iſt feine Herkunft greifbar 
nabe gelegt. Der Anlaß zur Verwechslung ift eben darin zu fuchen, 
daß jene Anfelme, wie die Tübinger überhaupt, Grafen des Ragolbs 
gaus waren ®, die Burg der Grafen von Calw aber gleichfalls an der 
Nagold lag, obſchon ihr Gau fi nah andrer Richtung erftredte ?, 


1 Archiv. Wurml. 13 f. 

2 Stätin 1, 335. 567. 2, 867. 

3 Stälin 1, 544 f. vgl. 480. 2, 428. Schmid 28 f. 

4 Schmid 244 oben. 412 oben. 414. 426. 439. 441. 444. 462. 463. 498 f. 
oben. Urkundenbudh 288. 

5 „Anselmi quondam militis de Wrmelingen, nostri carissimi ministe 
rialis.“ Schmid 109. Stälin 2, 482. Als Geſchlechtsname ift Anjelm auf 
den Kreuzen des Wurmlinger Berglicchhofs zu leſen. 

6 Neugart Nr 768, a. 966: „In pago Bibligowe [{. Nagelgowe] in co- 
mitatu Anselmi in villa Chuppinga.“ Herrgott, cod. prob. Rr 179, a. 1048: 
„In pago Nagliegowe, in cumitatu Anselmi comitis.“ Stälin 1, 544 f. 

7 Etälin 1, 566 ff. 


909 


weniger in dem Umftande, daß Pfalzgraf Rudolf von Tübingen um 
1263 durch feine Gemahlin in einen Theil des calmwifchen Erbes eintrat 1. 

Die beiven Grafenflämme berühren fi auch in ber Volksſage, die 
von der Stiftung des Wurmlinger Berglirchleind geht. Der Graf von 
Calw hatte verorbnet, daß man ihn, fobald er geftorben, in feinem 
Steinfarge von zwei „ungewohnten“ Ochſen (bie noch nie einen Wagen 
gezogen) ohne Führer follte fortführen laſſen; mo die Ochſen ſtill ftänden, 
da ſolle man eine Kapelle bauen und alljährlich den Stiftungstag nach 
feiner Vorſchrift feiern; fein letzter Wille wurde vollzogen, die Ochſen 
zogen mitten durchs Feld und ftanden erft auf dem Berge bei Wurm: 
lingen ftille, hier wurde dann dem heil. Nemigius zu Ehren die Kapelle 
erbaut und ber fteinerne Sarg zum Grunbftein geweiht ?. Reicher und 
eigentbümlicher ift jeboch die Legende, bie entichieben ben calwijchen 
Adalberten angehört: Obertus (eben Adalbert), ein Graf zu Calw, ver 
in großem Reichthum lebte, ſprach zu feiner Gemahlin: „Ich muß er 
fahren, was Armuth fei, jonft geb’ ich mit Leib und Seele zu Grunde.” 
Er jagt ihr Lebemohl, zieht in armen Kleivern hinweg und kommt zum 
Dorfe Deiklingen (bei Rotweil), two er Kühhirt wird; obgleich die Herde, 
bie er fleißig meibet, wohl gebeiht, entfeen ihn doch die Bauern darum 
feines Amtes, weil er ftet3 nur an einem und bemfelben Berge treibt, 
da fie doch der Weiden mehr haben; darauf kehrt er nach Calw zurüd 
und begehrt an der Thür feiner Gemahlin ein Almofen, als diefe eben 
mit einem andern Herrn Hochzeit hält; ein Stüd Brot, das man ihm 
bietet, weift er ab, man bringe ihm denn der Gräfin Becher voll 
Meines; als er diefen erhalten und ausgetrunfen, wirft er feinen 
goldenen Trauring hinein und gebt ftill wieder nach Deißlingen; dort 


1 In einem Kreuzlinger Notariatsinftrumente von 1559 iſt gejagt: „mit 
dem geding, daß jedes Jars nad) haltung des Jarszeits, die graflen] von Calw 
oder Ir Nachkommen (: welche nad Iren abgang geweſen feyen die Grauen 
von Tübingen und herzogen zu wärtenberg :) durch ſich ſelbs oder ihre gefandten 
auf dem wurmlinger berg erjcheinen” u. |. w. Arch. Wurml. 209, ebd. 208: 
„welcher maßen und geftalten vor zeiten der wurmlinger berg u. f. w. von 
einem Grafen von Calw, jo Wilhelm genannt, an das Gottshaus Chreutzlingen 
fhommen.“ 

2 ©. Echwab, Gedichte, Ite Auflage, Stuttgart 1846, S. 323 ff. E. Meier, 
Deutfhe Sagen u. |. w. aus Schwahen, Stuttgart 1852, ©. 316 |. 


560 


übergibt man ihm von Neuem die Dchfenberve, die fein Nachfolger übel 
beforgt hat, welchem Dienft er bis an feines Lebens Ende vorſteht; 
dem Tode nah, eröffnet er den Bauern, mer er fei, und befieblt, daß 
man feine Leiche auf einen Wagen laden, zwei Ochſen kavor fpannen 
und felbige ihres Willens fahren laſſen, mo fie aber ftille fteben, ihn 
begraben und eine Kapelle aufbauen folle; fo geſchah es, die Kapelle 
wurde nach ihm „zu Sankt Huprecht (Aubrecht)“ benannt, es gefchahen 
Wallfahrten dahin und zu feinem Gebächtnis wurden Meflen gehalten; 
jeder Bürger von Calw bat das Recht, wenn er bort vworbeigeht, 
während der Meſſe, an der Thür der Kapelle anzuklopfen!. Nach 
anderwärtiger Sage vermadte der Graf zum Bau ber Kirche feine 
Kleinode, die er bei ſich hatte, und verorbnete, daß, fo oft ein Calwer 
des Weges ziehe, die Glode des Kirchleind geläutet werde; dieß fol 
auch, wenn Calwer auf die Zurzacher Mefle reiſten und durch Deiklingen 
famen, bis gegen Ende des vorigen Jahrhunderts gefchehen fein ?. Reben 
diefer Kirche zu Deiklingen entftand ein Frauenklöfterlein, in, welchem, 
por deſſen Zerftörung im breißigjährigen Kriege, noch der Betſtuhl des 
heil. Obertus und, an die Mauer gemalt, das Bild desfelben mit einem 
langen Hirtenftab in der Hand und einem fehr breiten Hute zu fehen - 
war; das St. Aubertögütlein befindet fich jetzt im Befite der Stadt 
Rotweild. Daß die Leichname heiliger Perfonen von Rindern, denen 
man freien Gang läßt, an bie rechte Begräbnisftätte gebracht werden, 
womit manchmal der Bau einer Kirche zufammenbhängt, ift in ben 
Legenden Fein feltenes Vorkommnis; auch in der Baar wurde die Fromme 
Ruchtrut von Almashofen (Allmandshofen bei Donaueihingen) von 
zwei bes Jochs ungewohnten Dchfen zum Begräbnis in dieſelbe Kirche 
von Miftelbrunn gebracht, wohin fonft ein Hirfch mit leuchtendem Geweih 
fie zum nächtlichen Gebet geleitet Batte. 1 Eine Sage diefer Art konnte 


1 Erufius 2, 263: „Fertur“ u. f. w. Walt, württembergiſcher Stamm 
und Namensquell, Stuttgart 1657, S. 119 f. „Mſer. Lorch.“ [Bergl. auch 
oben ©. 397 bis 899. 424 bis 428. 481, Anm. 8. H.] 

2 Audgaber, Geſchichte der Frei⸗ und Reichsſtadt Rottweil, 2ter Bant, 
2te Abtheilung ©. 459, 4. 122. 

8 Audgaber a. a. O., ©. 465 f., bei. X. 128. 

4 Filer, Anniverfarienbud bes Kloſters Maria- Hof bei Reivingen n. f. w. 
1, 20. Münd 1, 296. 1te8 Buch Samuelis, Cap. 6, ©. 7 bis 16. 


561 


fih an die Wurmlinger, wie an bie Deißlinger Kapelle heften. Da 
jedoch nur Aubert e8 zum Heiligen gebracht, noch mehr aber meil bie 
Sage von ihm fich zum volleren Ganzen, zum frommen Idyll abge: 
rundet bat, in weldem bie vom Grafen geweideten Stiere auch zur 
Führung ſeines Sarges berufen find, erjcheint es glaublih, daß mit 
der Bezeichnung des Wurmlinger Stifters als eines Grafen von Calw 
auch die Begräbnisfabrt berübergelommen fei. 

Das Stiftungsmahl auf dem Berge Wurmlingen macht überhaupt 
weniger den Eindrud einer chriftlichen Feier, als den eines heidniſchen 
Dpfers. Das bemeſſene Vorführen der nad Beichaffenbeit und Alter 
genau beftimmten Schlachttbiere auf den heiligen Berg, das Ausfpannen 
der abgezogenen Stierhaut auf dem Kirchhof, damit die armen Leute 
fih darum zur Speifung lagern, der Beginn des Eſſens mit den Schweine: 
föpfen, bie Fülle des dreifachen Biered, mit dem auch den Armen die 
Becher gefüllt werben, bie ganze Berbindung der gottesdienftlihen Hand: 
lung mit dem vollsthümlichen Schmaufe, gemahnt überall an Bor: 
ftellungen und Gebräuche des germanischen Heidenthums, an Götter 
und Dpferberge, an das abergläubiiche Eigen auf der Haut des ge 
opferten Stier? 1, an die Hochhaltung des Eberhaupts, an den fejtlichen 
Gedächtnistrank zur Ehre der Götter und ver Berftorbenen, an bie 
Begängnifjie auf den Gräbern 2, dann insbefondre an bie Opfer ber 
Alamannen und die dabei abgeſchnittenen Thierhäupter, zumal aber 
on das Felt, in deflen Begehung ver Heivenbelehrer Golumban die 
Aamannen am Bürcherfee begriffen fand, wobei fie eine große Bierkufe 
in die Mitte geftellt hatten, um ihrem Gotte Wodan zu opfern d. War 
die Wurmlinger Jahrzeit auch Feine allgemeine Volksverſammlung, fo 
war doch dazu die Priefterichaft und das arme Volk eines ganzen Be 
zirks berufen und dieſe Feier fiel nicht, wie fonft gewöhnlich, auf ven 
Sterbetag des Stifters, fondern mar auf gewifle Wochentage nad dem 
gemeinfamen Allerjeelenfefte anberaumt. Zur Vorbereitung mar ber 
Montag und zum Begängnis felbjt der Dienstag nad) den meiften der 
ausgehobenen Urkunden vorgejchrieben; doc fällt e8 auf, daß in ber 


1% Grimm, Geſchichte der deutſchen Sprade S. 128. Deutſche Mytho- 
logie S. 1069 unten. 
2 W. Müller, Gedichte und Syſtem der altdeutſchen Religion ©. 64. 
3 [Deutſche Mythologie ©, 41 f. 49. 52. 5] 
Uhland, Schriften. VIIL 36 


536? 





ältern deutſchen Aufzeichnung, ftatt des Montagd, durchaus vom „guten 
Tag” vie Rebe ift; ver gute Tag ift aber der Mittwoch und urfprünglich 
doch nichts Andres, als der weſtphäliſche Godenstag, Gunstag, der 
nieberrheinifche Gubestag, Gubenstag, d. h. Wuotanstag. Die offen- 
bare Verwirrung der Tagnamen deutet darauf, daß früher Dienstag 
und Mittwoch die fejtgefeßten Tage waren, die Tage, die nah Ziu 
und Wuotan benannt find 1; Ziestag iſt ältere ſchwäbiſche Form, eine 
althochdeutſche Gloſſe gibt „Cyuvari”, Verehrer des Ziu, gleichbebeutend 
mit „Suaͤpa“, Schwaben *. Eollte nit auch das nachbarliche, Swer⸗ 
tisloh“, der Hof Schwärzloch mit feiner alten Kapelle, einen Hain des 
Schwertgottes bezeichnet haben? Eben jenes Sülchen, auf deſſen Kirchhof 
die Stierhaut audgebreitet wurde, jetzt eine Begräbnisfirche außerhalb 
Notenburgs, an der Stelle, wo einft die zerftörte Römerſtadt Soli- 
cinium jland, fcheint auch für die Alamannen, nachdem fie biefe Gegend 
erobert, eine Ortlichkeit von Bedeutung geweſen zu fein; bis dahin zogen 
fie fich zuräd, als Kaiſer Valentinian im Jahr 368 mit Heeresmadht 
in das innere Barbarenland vorbrang, bier aber ftellten fie ſich, ihrer 
Ortöfunde vertrauend, zur bartnädigen Gegenmwehr, in ber Nähe bes 
Ortes Solicinium ſah man ſie einen fteilen Berg behaupten unb vers 
nahm man ihren furchtbaren Ehladhtruf ?. Nach demſelben „Sulida”, 
„Suliin” war nachmals ein ganzer Gau, der Sulichgau, benannt ?. 

Zu bedenken iſt allerdings, daß die Umwandlung heidniſcher Heilig: 
thümer und Gebräude in mittelalterlich: chriftliche eine allgemeine war 
und darum auf die einzelne Erfcheinung nicht zu großes Gewicht gelegt 
werben darf. Der heil. Bonifacius eiferte gegen vie Thieropfer, welche 
von tbörichten Menjchen neben ven Kirchen nach heidniſchem Braud, 
aber unter dem Namen beiliger Märtyrer oder Belenner vollbracht 
würben 5; man glaubt fich damit auf den Wurmlinger Berg verfeßt zu 
ſehen. Allmählich wurde räthlich befunden, bie alte Opferluft unter 


1 Lachmann, Sagaenbibliethet S. 250. [Deutſche Mythologie &. 114. 
112 j.116 f. 5.) 

2 [Deutihe Mythologie S. 113. 180 f. Vergl. au oben ©. 83. 84. 9.) 

3 (Bergl. oben S. 280 ff. H.] 

4. [Bergl. oben S. 288 f. 9.) 

5 Deutihe Mythologie S. 41. W. Müller, Geihichte und Eyfiem ber alı- 
deutihen Religion ©. 108, Anın. 1. 


363 


lirchlicher Weihe gewähren zu laſſen. Aus der Pfalzgrafichaft Tübingen 
felbft bieten fich zwei meitere Beifpiele dar. .- . 

Die Anpflanzung des Chriftentbums am obern Nedar und vſulichen 
Rande des Schwarzwalds liegt ſehr im Dunkeln. Die bekannten Be: 
kehrer der Alamannen nahmen ihren Weg nicht hieher. Klöfter, die 
gewöhnlichen Fundgruben kirchlicher Gefchichtlunde, gab es hier vor dem 
Hten Jahrhundert nicht; das ältefte, Hirſchau, wurde nicht vor 830 ge: 
ftiftet 2, von dem früher gegründeten, aber entlegenen St. Gallen fallen 
nur Streiflichter herein. Mutterkirchen des engern Bezirks, ben dieſe 
Unterfuhung angeht, find die von Sülchen zum Täufer Johannes, 
1118 erbaut, vielleicht auf ven Grund einer Ältern, der Tauflirche des 
Sprengeld, dann Die zum heil. Remigius, auf der obern Kaufe zu 
Ehingen, von 1024. Nach demfelben Heiligen ift aber auch die Kirche 
des Wurmlinger Bergs und dieſer jelbft benannt, zwar nicht in älteren 
Urkunden, bejonders denjenigen, welche bie Gtiftung der Jahrzeit bes 
treffen, aber fpäterhin für herfünmlich angenommen, Die Verehrung 
des heil. Remigius, Erzbifchofs zu Rheims an ber Grenze des 5ten und 
sten Jahrhunderts, zeugt von fränkiſchem Einfluß und neben ihm wurben 
zwei anbern fränkiſchen Heiligen, feinem Schüler Theoborih, Abt eines 
Klofters bei Rheims, und Brictius, Biſchof von Tours, Nachfolger 
des heil. Martinus, Heine Kirchen gewidmet, dem erftern die Theode⸗ 
richölapelle nächft Sülchen, dem letztern eine Kaplanei zu Wurmlingen. 
Remigius war der Belchrer und Täufer des Frankenkönigs Chlodwig, 
der die Alamannen 496 in blutiger Schlacht unterwarf, nachdem er, 
als fein Heer ſchon verloren fchien, an Chriſtus zu glauben gelobt hatte, 
wenn diefer ihm Sieg verleibe 3. Die hiedurch herbeigeführte Belehrung 
der Franken z0g auch die fpätere der Alamannen nad fih und es lag 
ein Mittel der Verſöhnung zwiſchen beiden Bölfern darin, daß ben 
Eieg einzig eine göttliche Macht entfchieven hatte, der auch die Sieger 
fi) beugen muften. Der Bote diefer höheren Macht ivar der heil. 
Nemigiud, eben darum geeignet, an einem alten Sie des alamannifchen 
Heidenthbums verehrt zu werben. 


1 [Hier ift eine Lücke in der Handſchrift. H.] 
2 Stälin 1, S. 195, Anm. 2. 
8 (Bergl. oben ©. 258. 259, Anm. 668. 670. Gtälin 1, &. 148.149. $.] 


364 


Sn fränkiſche Bezüge führt e8 aud, wenn ben Anfelmen nad 
gegangen wird, deren Name mit ber Wurmlinger Jahrzeit vers 
bunden ift. 

Die neuefte Forſchung hat die Spuren dieſer Anjelme aufwärts in 
das Geſchlecht der Grafen von ber Berchtoldsbaar und in bie nädhfte 
Verwandtſchaft des berühmten Gerold, deſſen Schweiter Karla des Großen 
erfte Gemahlin war, hinauf verfolgt 1. Der ältefte Anfeln dieſer Reihe 
in ſchwaäbiſchen Urkunden ift berjenige, welcher im Jahr 785 zu Schör⸗ 
zingen (D.A. Spaichingen) dem Klofter St. Gallen Güter und Wald 
in Altheim (bei Horb, nachmals, 1088, zur Grafſchaft Tübingen gehörig, 
Stälin 3, 436) und zwei andern Drten im Gau Pirchtelos mit ber Be: 
ftimmung ſchenkt, daß er und feine Söhne jährlich bis zu ihrem Tode 
daraus zinspflichtig fein; unter denen, die mit ihm fiegeln, ift ber 
erfte fein Vater Rodpert 2. Ebenfo heißt aber der Mutterbruder Gerolbs, 
Graf des Argen» und Linzgaus und Bruder Birchtilos 3, fo dag nun 
mehr Anfelm und Gerold als Geſchwiſterſöhne erfcheinen. Nicht haltbar 
ift e8, diefen Anfelm mit dem Pfalzgrafen vesfelben Namens am Hofe 
KRaifer Karls für den gleichen zu nehmen. Während im Text ber 
Urkunde von 785 der Name des Ausftellers Anshelm Iautet, beißt es 
bei ber Sieglung „signum Hanshelmini*, eine Berkleinerungsform, die 
einen jüngern Anshelm bezeichnet, aber für einen Mann gebraucht, ber 
bereits von feinen Söhnen ſpricht, einen noch Altern des Namens voraus 
jet  Diefer ältere ift eben der Pfalzgraf und er war fogar 785 feit 
mehreren Jahren nicht mehr am Leben. Zuerſt ericheint „Anselmus, 


ı Schmid ©. 512 bis 520. 

2 Wirtembergijches Urkundenbuch 1, Nr 28. 

3 Stälin 1, 243. 326, 

4 In derjelben Urkunde von 785: „signum Eborini*, Deminutiv des 
Namens, den eine andre alemannifche Urkunde mit „sign. Ebores“ gibt, Go» 
aft, Rerum alamannicarum scriptores 2, 29, XIV, vgl. Reugart 120: „Pers- 
toldus u. f. w. Heburinga.“ &o wurden noch für Konrad den Jüngern, Sohn 
König Konrads IV, die Iateinifchen und welichen formen Conradinus, Con- 
radino gebraudt, Stälin 2, 208 (Raumer, Gejchichte der Hohenftaufen 4, 569. 
Hahn 4, 287, X. 9). Vgl. Mort de Garin 113: „Li cuens Fromons et ses 
fils Fromondins“. 228: „Oncle Fromons“, dist li quens de Monclin, „je 
ai oi vostre nies Fromondin.* Bel. Schmid, Urkundenbuh ©. 78: „Anshel- 
mum iuniorem.“ [Bgl. auch oben ©. 172. 173. H.] 


565 


comes palatii* bei einem Kreuzurtheil zwiſchen dem Biſchof von Paris 
und dem Abte von St. Denis im Jahr 7751. 

Zwei Jahre fpäter, 777, ift er zu Heriftal Zeuge im Teftament 
Fulrads, des vorgebachten Abtes von St. Denis, der feinem Kloſter, 
nebſt reichem Beſitz im Elfaß, die Belle des heil, Veranus zu Herbrech⸗ 
fingen und bie bes heil. Vitalis am Nedar (u Eßlingen) vermacht 2. 
Daß Fulrad ein Alamanne war, läßt die Lage feiner Befitungen 
jchließen und fo war es auch angemefien, daß ein angefehener Mann 
aus Alamannien feine Verfügung über dieſelben mitbeglaubigte 9; den 
Pfalzgrafen Anshelm zu dem alamanniſchen Gefchlechte zu zählen, aus 
welchem ber Kaiſer Karl im Jahr 771 ſich die Schweiter Gerold, Muhme 
des jüngern Anfelm, Hildegard, vermählt hatte *, rechtfertigt ſich eben 
durch biefe Verwandiſchaft; wie ber ältere Angehörige des Hauſes mit 
dem bedeutenden Hofamte betraut war, fo wurde nachher Gerold, ber 
Schwager Karls, deſſen befondrer Liebling, der Führer feiner Heere 
und jein Statthalter in Baiern ®. In der Stammtafel würde der Pfalz 
graf Anfelm eine Stelle finden als Bruder Robbert3, deſſen Sohn 
Anfelmin dann nad dem Obeim genannt wäre. Der Tod des Pfalz 
grafen erfolgte im Jahr 778 und eben fein legtes Geſchick ift e3, was 
ihm für unfern Zweck die gröfte Bedeutung gibt. Einhard im Leben 
Karls des Großen erzählt, mie der Kaiſer im befagten Jahre mit großer 
Heeresmacht einen fiegreihen Zug nach Spanien ausgeführt hatte, auf 
der Heimfahrt aber feine Nachhut von den treulofen Waskonen in ben 
Wäldern der Pyrenäen überfallen und bis auf den legten Mann nieber: 
gemacht warb: 

„Sn diefem Kampfe wurden Eggihard, bed Königs Truchſeß, 
Anfelm, der Pfalzgraf (Anselmus, comes palatii), und Hruobland, 


1 Eckhart, Frencia orientalis 1, 636. J. Mabillon, De re diplomatica, 
Baris 1681. Folio. Bud 6, Kap. 51, S. 498. J. Grimm, Dentihe. Rechts 
alterthümer ©. 926, unten, 

2 J. Mabillon, Annales ordinis s. Benedieti u. f. w. 2, Luce 1739, 
©. 228. Über Fulrad f. Stälin 1, S. 240. Bergl. ©. 248. Anm. 2. ©. 371. 
Neugart, Nr 41. Rr 67. 

3 Wirtenbergifches Urlundenbuch 1, Rr 18. 

4 Stälin 1, &. 245. 

5 (Stälin 1, 8.26 f. 9] 


566 


der Befehlshaber im brittanifchen Grenzbezirk, mit vielen Anbern er 
Ihlagen" 1. 

Damit heifcht ein ſchwäbiſcher Anshelm feinen Theil am Ruhme 
der Schladt von Runzeval, dem Kerne ber Tarolingifchen Helbenfage. 
Meder der fabelbafte Turpin, noch die altfranzöfifchen Gedichte haben 
ihm dieſen Antbeil: gegönnt; mährend fie den Heldentod Hruodlands 
aufs Höchfte geiftlich und dichteriſch verberrlihen, wird ber gefallene 
Anshelm nicht einmal genannt ?. Karl der Große ift aber auch bei 
den Deutfchen in das Licht der Sage eingetreten, wenn gleich größere 
Dichtungen beutfchen Urfprungs über ihn nicht vorhanden find. Die 
Schwäbische Sagenkunde wird von ihm Manches nach alemanniſchen 
Überlieferungen zu berichten haben. 

Auch in die deutfchen Bearbeitungen der Rolandögebichte find bie 
Schwaben, namentlich Gerold und felbft der vergeflene Anshelm, ein 
gebrungen. Der Pfaffe Konrad nennt unter den zwölf Herren, ben 
Borfechtern des Kaiſers, welche Karl, durch die Erjcheinung eines Engels 
zur Heerfahrt nach Spanien gemahnt, in feinen Rath beruft: Anshelm, 
einen lühnen und fchnellen Helden von Moringen, mit feinen jungen 
Kriegsleuten 9; auch will der Kaifer nachher, als es zur Schlacht geht, 
daß die tapfern Schwaben vworfechten, doch ohne daß gefagt ift, wer 
fie leiten fol 4 In der entiprechenden Sielle bei Striler heißt ber 
fraglicde Held: Anshelm von Borringen °; aber auch Gerold, der Herzog 


1 Einhardi vita Caroli magni Cap. 9. 

2 Schon mittelalterliche Jahrbuchſchreiber vermiffen bei Zurpin die beiden 
gefehichtlichen Helden, Chronicon Alberici (Leibnitz, Accessiones hislorice 
2, 150): „Notandum, quod Hugo [de 8. Victore, vergl. ebend. 3, 264] 
scribit, duos principes cecidisse cum Rothlando, quorum nomina non 
continentgar in Turpini catalogo, videlicet Egihardum, regie mens pre- 
positum, et comitem palatii, Ancelmum.“ 

3 Auolandes Liet 3, 9 ff.: „des keiferes vorvechten. ir van fie gewanten 
nie ze dehein werltlichen ſchanten.“ 4, 10 ff.: „An ber rede waren herzogin 
unde graven, da mas der beit Ruülant u. |. w. da was Aushelm, eim heit 
ine unde jnel von Moringen, mit finin fnellen jungelingen.“ 

4 860. 268, 4 ff.: „inoch waiz ich ain liſt. Ewaben, bi milten, bi furent 
zwiflele ſchilte; ſi fint vil gute Imechte, ich wil, daz fi vorvechten.“ Bgl. 348, 
268, 6. 

5. St. Galler Handfchrift, nach Greiths Abfchrift: „Do Iadete Karl für fi 


367 


von Schwaben, tritt in das Gedicht, einmal fpielt er mit dem Kaiſer 
Shah !, dann, wo Konrad bes Vorfechtend der Schwaben nur im 
Allgemeinen geventt, läßt Striker den Kaifer fih an ihren Herzog 
Gerold namentlich menden und ihnen, für ihre Verbienfte um Kaifer 
und Reich, den Vorftreit bewilligen; fie freuen fich diefer Ehre, bie fie 
als für heut und immer gegeben anfehn, ſprengen freubig woran in 
ben Streit, geführt von Gerold, und ihr tapfrer Kampf wird beichrieben ?. 
Sollte fih auch der perfünliche Name Anshelm in dem altfranzöfifchen 
Gerichte, das dem Pfaffen Konrad vorlag, erhalten haben, jo lautet 
doch der örtliche Moringen, bei Striler Borringen, keineswegs romaniſch, 
vielmehr wie ein Anſatz aus deuticher Sagenquelle. Für die ältere Lesart 
(Moringen) fommt auf dem bisher verfolgten Wege vor allen ähnlich 
benannten Orten in Betracht das jekige Möhringen, an der Donau ober 
halb Zuttlingen gelegen, der alten Berchtolpsbaar, in welcher Anjelm 
der Jüngere begütert und Gerold Gaugraf war, angehörend und in 
einer Reichenauer Urkunde von 843 „Meringen“, in einer fankt gallifchen 


Die zwelfe beide erlih, Die fin da hüeren folten Und ouch vil gerne wolten 
. Ich fag in, wie fie hiezen: Einer ſweſter fun, Růlant, Was zu tem 
beften bechant Unt der erzbifchof Tiirpyn, Samſon und Anſys, Engelher 
unde Gergis, Anshelm, von Vorringen“ u. ſ. w. Nach der Straßburger 
Handſchrift bei Echilter, Thesaurus 2 (S. Ta): „Und Anshelm von VBorringen 
Der enwart nie an feinen dingen Weder zu jchaden noch zu fpotte.” 

1 Scilter S. 15a: „Do fi den chaifer funden, be einem ſchachzabel was 
das, Da er mit Gerolte ſas, Dem bertogen non Swaben, Dent feine tugent 
gaben Werdichait mit lobes chraft, Er was ein ritter manhaft.“ 

2 Ebd. ©. 995: „Der Swabe hertoge H[GJerolt, Ich bin dir, ſprach 
der chaifer, holt Und den Emaben alle geleiy, Si haben mir und dem reich 
Bil dide ob gemunnen; Ich wil vil gerne gunnen Baide den Swaben und 
bier, Das fi heut vechten nor mie.” S. 1045: „Ru warnd an ein ander 
fo bei, Das ie zujprengen wolten, Die da vorvechten ſcholten; Das eine warn 
die Swabe, Die frewten fich der gabe Und ber eren grosleih, Das fcholten 
vor dem reich Des tages und immer fireiten; Gi begunden vroleidy reiten 
Mit dem berkoge Gerolte, Der fi da leiten ſcholte; Munfgoy! rieffens alle 
Und fprancten mit dem jchalle u. |. w. Do lie zuſamme flreihen Malprimes 
und Gerolt“ u. ſ. w. S. 105: „Gerolt und bi fine Di begunden ir nider 
ſchroten, Untz das fi auf den toten Czu jungift mueſten reiten. Wan ſach 
die Swabe flreiten Gueten rittern vil geleich; Si begunden das gotes reich 
Nach ritters recht chouffen“ u. |. m. 


568 


von 882 „Mereheninga“ gefchrieben . Das Net der Schwaben, 
dem Reichsheere vorzufechten, ift zuerft zum Jahre 1075 gefchichtlich 
beglaubigt; den Verbienften Gerolbs um Karl den Großen beigemefien 
findet ſich dasfelbe erftmals in der Kaiferchronik, nachher im Schwaben: 
jpiegel und anderwärts, aber nicht vom fpanifchen Kriege, ſondern von 
der fagenhaften Romfahrt des Kaifers her, auf welcher Gerold ihm, 
eben da es am nöthigften war, mit dem ſchwäbiſchen Kriegsvolle zuzog 2. 
Allmählich aber wird Gerold ungefhichtlih in die Heldenfahrt nach 
Epanien verflochten und wie er in ber Wirklichkeit der hervorragendſte 
feines Gefchlechtes war, fo verbrängt auch in der Sage fein leuchtender 
Name den des älteren Anshelm. Bemerkenswerth ift immerhin bie 
Neiterfahne 3, eine Zugehör des ritterlichen Vorftreits, im Wappen ber 
Grafen von Tübingen, in denen der Stamm ber alten Anfelme fid 
fortfebte. | 

Wie das Lied von der Nibelunge Noth in der Klage einen Anhang 
bat, der die unverfiegbare Trauer um bie gefallenen Helven, ihre Bes 
ftattung, die Botſchaft an ihre Witwen, die Heimbringung von Roſs 
und Waffen zum Gegenftande nimmt, fo fehlt e8 auch ber Heldenſage 
von der Runzevalſchlacht nicht an Todtenklage und legten Ehren, die 
nur bier mehr Firchliches Gepräge tragen, weil der Untergang im Kampfe 
wider die Ungläubigen als ein chriftliches Martyrthum angefehen war. 
Solchergeftalt hat fih auch das Gedächtnis der Helden von Runzeval 
in Frankreich wahrhaft vollgmäßig verörtlicht. 

Bei Turpin und vielfach bei Anvern ift erzählt, wie die Leichen 
der Erfchlagenen von ihren Freunden einbalfamiert, auf Bahren und 
Rofien, felbft auf den Schultern nad; der Heimat zurüdgeführt oder 
getragen und auf geweihten Kirchhöfen beigejeht werden; insbeionbre 
Rolands Leichnam läßt der Kaifer von zwei Maultbieren in goldenem 
Teppich nach Blaye bringen und in ber bortigen, von ihm einft erbauten 
Hauptlirche ehrenvoll beftatten, auch beim Haupte bes Tobten fein 
Schwert, zu Füßen desjelben fein elfenbeinernes Horm aufhängen; das 


1 Dümge, Regesta badensia Nr 10, Neugart Nr 534. [E, Förſtemann, 
Altdeutſches Namenbuch. Zweiter Band: Ortsnamen, Bmeite, völlig nene Be⸗ 
arbeitung. Nordhaujen 1872. Sp. 1056. 9.) 

2 (Schriften 2, S. 98. Stälin 1, ©. 247, Anm. 8 S. 898, $.] 

3 Vergl. Stälin 1, S. 533 unten, f. 527. 


969 

Land meilenweit um die Kirche von Blaye und die Stabt felbft mit 
aller Zugehör und dem Meere darunter gibt er diefer Kirche zum Eigen: 
thum, aus Liebe zu Roland, und befiehlt den Stiftäheren, für bie 
Seele feines Neffen und feiner Genofien an ihrem Tobestage dreißig 
Arme zu bekleiden und zu fpeifen, auch dreißig Pfalmgefänge und ebenfo 
viele Meilen mit Vigilien und übrigen Tobtenfeiern zu ihrem Gebächtnis 
jährlich zu begehen, nicht bloß für Jene, ſondern auch für Alle, die in 
Spanien Gott zu Liebe den Tod der Blutzeugen erlitten ober noch ers 
leiven werben, mas Alles fleißig zu vollziehen die Chorherrn eidlich 
angelobten 1. Bon andern Städten waren es befonders Arles und 
Bordeaur, auf deren Kirchhöfen feierliche Begräbnifie mit frommen 
Stiftungen ſtattfanden. 

Hieraus ſoll nicht etwa gefolgert werben, daß aus den Pyrenäen 
auch eine Tobtenfahrt auf den Berg Wurmlingen mit ber Leiche des 
Pfalzgrafen Anshelm gegangen fei. Sind doch die Beitattungen jelbit, 
von denen Turpin meldet, keineswegs gefchichtliche Thatjache?, Auch 
reicht der Bauftil der Wurmlinger Gruft nicht in die Tarolingifche Zeit. 
Ein Andres aber ift, daß die Namen der durch das Helvenlied ver. 
herrlichten Glaubenöftreiter fich vielfach in Frankreich örtlich anfnüpften, 
daß man ſich rühmte, ihre Gebeine, wie diejenigen andrer Märtyrer, 
ihre Waffen u. dgl. zu befigen, und daß ihr Gedächtnis in ſtiftungs⸗ 
mäßigen Begängniflen fefigehalten wurde. Nur in diefem Sinne Tann, 
was von Hruodlands Gedächtnisfeier gefagt ift, auf feinen gefchichtlich 
bezeugten Kampf: und Todeögenofien Anshelm Anwendung finden. 

Ein frommer Ahnherr der Grafen von Tübingen, einer der Nagold: 
gaugrafen des Namens Anshelm, fei e3 der von 966 ober der von 
1048, wählte ſich feine Grabitätte auf dem Wurmlinger Berg und 
machte dazu eine Stiftung, bie nicht bloß feinem Seelenheile, fondern, 
wie e3 häufig ausgebrüdt wurde, auch demjenigen feiner Vorfahren zu 
Statten kommen jollte. An dem Berge mochte ſchon das Andenken des 
bedeutendſten derſelben haften, jenes Pialzgrafen Anshelm, ber, ein 
Betrauter und Kriegsheld des Kaifers Karl, in den Pyrenäen gefallen 


1 Zurpin Cap. 29. 
2 Auch Arles mollte eine Gruft Rolands haben, Michel 218 a. Bergl. auch 
die Abflihrung der Leiche Gerolds nach Reichenan. 





370 


mar und von dem im 10ten und Ilten Jahrhundert auch die fagenhafte 
Überlieferung noch lebendiger geweſen fein muß, als fie ſich in ben 
Dichtiverlen des 12ten und 13ten Jahrhunderts erweift. Die Stiftung, 
obgleich fie nicht mehr Durch ihre Urkunde, jendern durch jpäte Zeugen- 
abhör, feftgeftellt ift, trägt entſchieden alterthümliches Gepräge und durch 
ihre übergewöhnliche und vollsthümliche Ausdehnung ſowohl, als durch 
den Anſchluß an das Feſt aller Seelen, geftattet fie die Muthmaßung, 
dab der Etifter, mas er zu feinem eigenen Heile that, dem Gebädhtnis 
einer größeren Tobesgemeinfchaft anreihen mollte. 

Von den Alesfeldern (Aleſchans) bei Arles, auf deren Kirchhof, 
nad Turpin, Kailer Karl einen großen “Theil feiner umgelommenen 
Krieger begraben ließ, glaubte das Boll in Gemwitternächten die Geifter 
der Helden auf ſchwarzen Roflen ziehen zu jehn !; nad einer der 
Sagen, die, wie überall in Schwaben, auch zu Wurmlingen vom 
Wuotesheer und wilden Jäger gehn, ift biefer ein Junker von Breftened, 
einer vormaligen Burg daſelbſt, der in einer Schlacht gefallen, man 
weiß nicht, wo und inte. 


2. Der Waife. 


So wenig die munberbaren Reifenbenteuer im Allgemeinen zum 
innern Beftand der Ernftfage zu rechnen find, fo ift doch eines ber 
jelben ihrem Grundgedanken enger verbunden, vielleicht fogar das Mittel 
glied getworben, das jenen ganzen Märchenfreis in die deutſche Geſchicht⸗ 
jage bereinzog. Bon himmelhohen Felsbergen eingeichloffen, weiß Emft 
für fih und feine Gefährten feinen andern Ausweg, ala daß fir einen 
Floß zimmern und auf diefem fi dem reißenten Strom überlaflen, 
ber durch einen hohlen, finftern Berg wirbelnd dahintoſt. Im tiefen 
Dunkel rufen fie zu Gott, da gebt ihnen, erſt noch ſchwach ſchimmernd, 
ein Licht aus der Gnade des unerfchaffenen Lichtes auf, bald ſehen fie 
einen bellglänzenven Fels und aus ihm brechen fie den koftbaren Stein, 
ber, als der einzige feiner Art, Waiſe genannt, nachdem Emft ihn 


1 [Bergl. oben ©. 192, Anm. 530. 9.) 


571 


feinem Stiefonter gebracht, fortan in ber Töniglichen Strone leuchtet 1. 
Diefes Kleinods, ald vom Herzog Ernſt flammend, wird auch fonft 
bei mittelhochdeutſchen Dichtern gebadht ?. 

In Taufend und einer Nacht wird erzählt, wie Sindbad, der Eee 
fahrer aus Bagdad, auf feiner jehsten Reife nach Zeilan gleicherweife 
mit einem Flofie den Berg durchſchifft, deſſen Geftein gänzlich aus 
Kruftall, Nubinen und andern Evelfteinen befteht?. Die Vermittlung 


1 Cod. germ. Monac. 572, Blatt 126: Consummata harım et consi- 
miliam precum instancia, ecce lux primitus rarescens se ex gracia incres- 
tee lucis illis obtulit et ingens gaudium contulit. Tuno montem valde 
fulgorum [?] aspexere et lapidem unionem dictum ab uno, quod unus 
sit et nunquam sint eiusdem generis duo lapides, ab illo monte 
abrupere. Hunc lapidem romanus imperstor quilibet, in corona regali 
propter decoris ingens augmentum collocatum ab Ottone imperatore, 
eui illum dux Hernestus ut dicetur in sequentibus credidit, baiulare 
solet. Huius naturam lapidis nobilissimam si quis investigare voluerit, 
in lapidario discere poterit. Bergl. Maßmanns Sracius ©. 471. ©. nod 
Annales Fuldenses ad annum 872 (&. 35): crystallum mire magni- 
tudinis, 

2 Reinmar von Zweter (1220 bis 1245), den Inhalt der Gedichte voraus⸗ 
fegend (MS. 2, 11, 197 a, 112, vergl. 4, 504 b): Waz herzoge Erueft not er« 
leit, waz er unt grave Wezzel der gefnablen biet verfneit, wie fi die grifen 
wuorten, bo ir ze fpije ir finden was gedaht; Unt wie fi durch den berk har 
wider famen, da fi der frone weifen inne namen. biz waren wunderlichiu 
wunder u. ſ. w. (auch unter Siugenberg MS, 3, 692 5. Pfeiffers Heidel- 
berger Handſchrift 106.) Heinrichs non Krolewiz Az Miffen Vater unfer (1262 
bis 1285) 8. 1328 ff.: Weite fprichet eine. Des diutet fin [Maria] nach dem 
feine; wande nimmer mer fol geſchen, des mir von dirre vrowen jehen, daz 
fin maget ift genefen findes unde immer maget fol weſen. Siu biutet wol ben 
weiſen, den in den grözen vreifen bertoge Ernefl uns gewan, wande in der 
eliende man in vil gıözen nöten brah. Alfus ung armen geichah, dd wir armen 
weifen in des tödes vreifen wären nerfigelt mit ber Affe der funden lebermer 
unde iezü wären vil nach bt. In der felben grögen nöt wart gebrochen birre 
Rein, dar Az diu goteheit irjchein, unde wart in ir gehandelt alfd, daz wart 
gewandelt d& mite al unfer miſſetaͤt. Unde rehte als der weile fiät in des riches 
fröne u. |. w. 

8 Tauſend und eine Nacht. Wrabifhe Erzählugen u, |. w. überf. von 
M. Habicht, F. H. v. d. Hagen und 8. Schall, drittes Bändchen, Breslau, 
1835. ©. 17 fi. (89te und Mie Nacht.) Beigl. au Gudrun 4615 ff. (Haus 
märchen 8, 264 f.) 


572 


zwiſchen dem arabifhen Märchen und dem entiprechenden Abenteuer 
des deutfchen Helden läßt fich nicht beftimmter aufzeigen; e3 Tann nur 
im Allgemeinen auf den buch Pilgerfahrten und Kreuzzüge angebahnten 
Geiftesverkehr zwiſchen Morgen » und Abendland verwiefen werben. 
Ein Verſuch, die gefahrvolle Yahrt durchs Gebirge der heimatlichen 
Borftellung näher zu bringen, begegnet in dem meifterfängerifchen Liebe. 
Hier ift diefe Fahrt gleich das erſte Neifenbenteuer, denn es ift fchon 
bie Donau, bie durch den großen Berg ftrömt, aus welchem Ernft den 
im Finftern leuchtenden Karfunfel mit feinem Schwerte fchlägt 1; in ber 
Gegend von Orſchowa wird die Donau von hohen Felswänden einge 


1 Kafpar von ber Rön Str. 5 (&. 227): zu der Tonaw furen fie zu tal, 
dur Ungarn bin ın Krichen lant. Str. 6: Des wafler furen fie zu tal, der 
meile vil, gar one zal, gen einer flat, was gute, zu einem perg, und der mas 
groß, do die Donaw in durch in floß. do war in we zu mute; berzog Ernſt 
frogen began, wie fie durch folten fomen. do antwurt im ein alter man [obin- 
artig]: „id han fein nie vernumen, das do Fein menſch fei komen brein; ir 
wift nit, wos waffer hin gat; iv mugt lieber her außen fein.” Str. 7 (6. 228): 
er fach wol in die gruben. Str. 9: Auf flugen fie ir Licht fo del; fie furem in 
den pert Hin ein. Str. 10: das ſchiff das ging unmoßen fuel; auch was der 
perf gar enge m. ſ. w. wir borften uns nit han gefchempt, bet wir gefolgt dem 
alten man. Str. 12: Sie furen in den perk hin ein; gen in jo ging ein lichter 
fein, do von ir liecht ward tunkel; der ſchein ber was be aljo vein, das was 
fi) gar ein edel fein, geheifen ein Larfunfel. herzog Ernſt der flug dar an mit 
feinem fcharfen werte, und pis er do zwei flud gewan, nicht mer er do be- 
gerde; an liecht in bo nit mer gepraft, fie gefachen in dem perg fo recht, ſam 
es do wer der flinen glaf. Str. 13: Der ftein ber was in wol bebadht, wel 
30 tag und zo nacht der flein als ver in lauchte. herzog Ernft do fur fidh ſach, 
es daucht in gar ein gut gemach, und in alfo bedauchte, und wie er ſech der 
fune glanz, do wart im wol zu müte, er fpradh: „mein freub fein worden 
ganz, als nad) ift got der gute.” und do fie komen an ben tag, zurmd fchiften 
fie aus dem perg; ein furften haus bo vor in lag. [Sie find ſchon bei den Ge 
ſchnäbelten) Str. 47 (©. 238): ber herzog Ernf wur mit im ein, wie er im 
[dem Kaijer] num wolt fchiden day die gar teiren karfunkel fein. (Str. 50: 
Der Taifer [Friedrich] hie verzudet warb u. ſ. w.) Hiernach Fiſcharts Geſchicht⸗ 
Nitterung Gap. 11 (S. 204 f.): Sein [Gargantuas] Batter wolt au, daß er 
Ring trüg u. ſ. w. Ließ ihm derhalben an den linken Beigfinger einen Gar 
funtel, jo groß als ein Strauffenei, wie deren einen der Herzog Ernſt mit dem 
Schwerdt auß dem Strubelberg auf der Thonaw erhieb, einfaflen, fein ſcharf 
mit Seraphgold von Ophir uud Seba. Vergl. ebd. Gap. 2 (©. 89): Wi Ernſt 
im Tonauſtrutal irten. 


573 


zwängt, zwiſchen benen fie mit furchtbarer Schnelligkeit und in unſchiff⸗ 
baren Fällen binburchbricht 1. 

Bedeutſamer, ala durch diefe Örtliche Annäherung, die vielleicht 
nur in einem Misverftändnifje beruht, bat die deutſche Sage fich den 
Toftbaren Edelſtein angeeignet, indem fie ihn, als Schmud der Reichs: 
krone, zum Einnbilde religids »vaterländifcher Gebanlen und Gefinnungen 
erhob. Die Neichslleinode, Krone, Schwert, Speer u. |. w., beren 
Beſitz den rechten König wahrzeichnete, trugen im Glauben bes Mittel» 
alters eine göttliche Weihe. Sie waren Reliquien oder mit ſolchen 
ausgeftattet. Bei den Bewerbungen und Kämpfen um das König: 
thum, beim Übergang vesfelben von einem Herrſcherhaus auf das 
andre, war e3 eine wichtige Angelegenheit, fich dieſer Heiligtbümer zu 
verfidern 8. Eie wurden von den Königen mitgeführt ober in feften 
Burgen, in eigener Kapelle und unter priefterlicher Pflege aufbewahrt. 
So befonderd im faliihen Stammland auf der Veſte Trifels, bie, 
gleich dem bebaltenen Berg des Grales ?, mitten im Waldgebirge fich 


1 Aus einem Zeitungsbericht von 1834 über die Hinberniffe der Schiffahrt 
auf der untern Donau: „Die ſchwierigſten finden fi) in der Umgegend von 
Drfova, wo die Donau, zwiſchen die Wände von zwei 400 Fuß hoben Fellen- 
gipfeln enge eingezwängt, mit einer furchtbaren Schnelligkeit ihre Wogen fort- 
reißt, fi über die Felſen, die ihren Lauf hemmen, fürzt und drei Waffer- 
fälle bildet, deren lehter unter dem Namen der Eifenbrüde befannt iſt. Kein 
Schiff kann diefe Fälle befahren, ohne verſchlungen zu werten.“ Fiſchart, im 
den ©. 572, Anm. 1 ausgehobenen Stellen, ſcheint an ben Donauftrudel bei 
St. Nikola gedacht zu haben. Bgl. J. A. Schultes, Oſterreichs Donau⸗Strom. 
Stuttgart und Tübingen 1827. ©, 193 bie 196. H.)] 

2 Raumer, Geſchichte der Hohbenftaufen 5, 65, Anm. 4. Zeitfchrift für 
deutfches Alterihum 5, 881. Wagenjeil, De civitate Noriberg. (Gap. 26, 
S. 223 fi. Hoffmann, Fundgruben 2, 110. 131 oben. Rheiniſcher Anti- 
quarius 846. I[G. 2%. Kriegk, Die deutſche Kaiferfrönung. Hannover 1872. 
©. 40 fi. H.) 

3 Hahn 1, 69, a). 141, tt). (Annales Fuldenses 840.) 2, 14,e). 84, ec). 
153, HU m). 199, 6) (lancea 8. Mauritii). 260, ce) (item). 255, c) (Kunegund). 
8, 101 f. fi) ga) 55) (Hardesburg, Hamerften). 160*) (Hamirftein). 4, 119, e) 
(Zrivels) g). 42, bb) cc) (Xrivels). 280, I) (Trivels). 5, 142, €) (Kyburg, Wun⸗ 
derfraft). 166,9. 96, r). 97,1). Herkog, Chronicon Alsatie 8.9, ©. 148 f. 
(Hagenan. Trifels,) 

4 Titurel 282: Sehtic mile der walt was zu allen fiten. Ein berc in ber 
mitte. alumbe jo waren drizzic mile zu riten. 283: Der berc was fo behalten. 


574 


exrbob , Hoch auf dem Hauptthurme fteht noch erferartig ber Keine 
Chor ver Kapelle hervor, in melcher vie Reichskleinode hinterlegt waren, 
unter Obhut der Mönche des nahen Klofters Eufferthal ?. 

Unter diefen Schäten war vorzugsmweife die Krone das Zeichen ber 
Königswürde und in der Krone glänzte vor allem der herrliche Ebel 
ftein, deſſen Urfprung und Eigenfchaften gänzlich in das Gebiet bes 
MWunderbaren gerüdt waren. Er war, wie ſchon gemeldet, ein Licht: 
ſtrahl in der Roth, aus der Fülle des unerfchaffenen Lichtes aufleuchtend. 
Nach Heinrich von Krolewig, einem Dichter aus ver Mitte des drei⸗ 
zehnten Jahrhunderts, hat Gott felbft ſich in biefem einzigen Steine 
bejehen und ihn fo zum Widerfcheine feiner lichten Augen gemacht ®. 
Im Buche des Albertus Magnus (+ 1280) von den Tugenden ber Edel: 
fteine beißt e8, der Waife fei burchfichtig und foll einft in ber Nadıt 
geleuchtet haben, jet aber glänz' er nicht mehr im Dunkeln; man ſage, 
daß er die Tönigliche Ehre beiwahre 4. Beſonders finnveich aber ift m 


den fund ot nieman vinden u. ſ. w. 289: Der berc ſuſt was behalten. nor 
criften, juden, beiden. Des name mufte walten. Dontfaluatich der nam was 
im beſcheiden u, f. w. 

1 Bol. U. Stöber, Sagen bes Eifaßes 315 f. 

2 M. Frey, Beichreibung des bayerifchen Aheinkreifes 1, 301 ff. F. Remling, 
Urkundliche Gefchichte der ehemaligen Abteien und Klöfter im Rheinkreiſe 1, 196. 

3 Bol. auch Kafpar von ber Rön Str. 18: als nad ifl got der ante. 
Heinrichs von Krolewitz Vater unſer 1345 ff., bildlich von Dlarien: In der felben 
grözen nöt wart gebrochen dirre ftein, dar Az diu goteheit irſchein u. |. w. 
1192 fi.: Got nam zům erſten einen fein, dem nimmer mer wirt gli) nebein, 
den fatte er neben diu ougen fin, daz er gebe widerſchin ſinen lihten ougen, 
wende er ſich drinne tougen zů allen ziten beſach unde im alſulher fchöne jach, 
daz im in himelriche mohte niht geliche. Der ftein wart mir aljd befant, daz 
ex weife ift genant. 1315 ff.: dem nimmer mer wirt glich uchein unde ber 
alfulhe jchöne hät unde dag er weile iſt genant. 1351 fj.: Unde rebte alje der 
weife ftät in des riches kröne, als fol diu vrowe fdhöne in der gotes kroͤnen 
- Ren unde fol umme unfer ſchulde vlen, unde als wir haben miffetän, daz got 
von uns wendet dan für fadne fie antlige, fo fol fiu fen, niht file, unde 
fol mit vlizeclihen fiten got vur unfer ſchulde biten unde Funden unfer wort, 
unz daz ſiuz bringet in den ort, daz fi) got mitz her umme ſen; daz mi 
durch liebe geſchen, bie er zů ter vrowen hät, unde fiht am fine hantgetät 
unde můz durch finen reinen gedanh uns irhören uber land. 

4 Mufeum fiir altdeutiche Kunſt und Fitteratur 2ter Band, S. 139 (aus 
Albertus Magnus, De lapidibus nominatis et eorum virtutibus): Orphanus 


575 


dem lateinifchen Gedichte vom Herzog Ernft dem Waifen die wunder: 
bare Cigenfchaft beigelegt, daß er, auf der rechten Scheitel figend, 
das Bild des römischen Reiches widerftrahle 1. Der Dichter knüpft hier 
unmittelbar bittre Betrachtungen an über den Zerfall des königlichen 
Anſehens in der Zwietracht, die jekt allein gebieten das Neich zer: 
fpalte 2; er heißt den Streit des Blutes ſchweigen, ba doch Ein unver: 
tilgbarer Urfprung allen deutſchen Völkern gemein fei?. Es ift bierunter 
ber Kampf der Gegenlönige und die daraus erwachſene vieljährige Zer- 
rüttung nad dem Tode Heinrichs VI verſtanden, worauf auch jene 
befannten Lieber Walthers von der Vogelweide fich beziehen, in denen 
er das Volk deutfcher Zunge aufforbert, Philipp den Waifen aufzus 
jegen und die Andern hinter ſich treten zu heißen, und nachher ſich 
freut, wie ſchön die Krone dem kaiſerlichen Haupte Philipps ftehe, wie 
das edle Geftein und der junge König einander anleuchten und nun 
der Waife aller Fürften Leitftern feit. Gin fpäterer Dichter bemerkt 


est lapis, qui in corona romani imperatoris est, neque unquam alibi visus 
est, propter quod etiam orplıanus vocatur. Est aulem colore quasi vino- 
sus, subtilem habens vinositatem; et hoc est sicut si candidum nivis can- 
dens seu micans penetraverit in rnbeum clarum vinosnm et sit superatum 
ab ipso. Est autem lapis perlucidus et traditur, quod aliquando fulsit in 
nocte, sed nunc tempore nostro non micat in tenebris. Fertur autem, 
quod honorem servat regalem. (Deutſche Mythologie 1167.) 
1 Odon. Ernest. Bud 8, S. 376: 
Hujus mira satis virtus, si sederit aquo 
vertice, romani resplendet imagine regni. 
2 Sed mejestati quis jam locus? omnia mundus 
foedera turbavit, scisso discordia regno 
regnat et autiquos miscent elementa tumultues. 
3 Dieß ſcheint der Sinn folgender Verſe zu fein: 
Nil equidem refert, generi nil tollere possunt 
nec dare res, tadeat contentio sanguinis! uno 
una modo gentes omnis produxit origo. 

4 Lachmann, Walther von der Vogelweide 9, 8 fi. [Ehriften 5, ©. 21 
bis 28. H.]: jö we dir, tiuſchiu zunge, wie ſtet din ordenunge, daz nd bin 
mugge ir künec hät und daz din re alfd zergät! bekeraͤ dich, bekkrel die 
cirkel fint ze here, die armen künege dringent dich; Philippe ſetze en weiſen Af 
und Heiz fi treten hinder fidh! 18, 29 fj.: Diu kroͤne ift elter, danne der künec 
Philippes fi; da mugent ix alle ſchouwen mol ein wunter bi, wies ime der 
mit fd ebene Gabe gemachet [si sederit equo vertice]. jin keiſerlichez houbet 





16 


freilich, wie die Vögte des römischen Reichs zwar bie ebelften und beften 
Steine auslefen und in die Krone fehen ließen, die Kraft ber Steine 
jedoch nicht verhindern Tonnte, daß König Philipp erichlagen warb und 
der Gegenkaiſer Dite mit denjelben Steinen zu Schaden und Spotte Tam 1. 

Iſt die Sage vom Herzog Ernft ein Auszug und Spiegel beutfcher 
Geſchichte von zwei Jahrhunderten und ift der Kronwaiſe dad Wahr: 
zeichen Töniglicher Gewalt, der finnbilbliche Kruftall, der das Bild des 
gefammten Reiches wiberftrahlt, fo Tann die Aufnahme diefes Sinnbilbs 
in die Gefchichtiage nicht für zufällig angefehen werben. Dieß beftätigt 
fih dadurch, daß die alten Dichter e8 liebten, bie öffentlichen Zuſtände 
ihrer beivegten Zeit mit dem Waifen in Beziehung zu bringen, wie das 
namentlich der lateinische Dichter der Ernftjage gethban bat. Allmählich 
aber verlor der edle Stein das Vermögen, in der Nacht zu leuchten 
und bie Ehre des Heiches zu mwahren. Seht ift er längft abhanden 
gelommen. Der Leitftern der Deutichen findet ſich in Feiner Krone mehr. 
Möge das ewige Licht, das Auge Gottes felbft, unfres Volles Leit: 
ftern fein! 


zimt ir alfö wol, daz fi ze rehte nieman guoter ſcheiden fol; ir dewederz dag 
ander niht enſwachet. fi liuhtent beide ein ander an, daz edel gefteine wiber 
den jungen füezen man [mie bei Heinrich von Krolawik der Stein und Gottes 
Augen], die ougenmweibe fehent die fürften gerne. fwer nd des riches irre ge, 
der fhoume, wem der weife ob fime nade fi! der ftein ift aller fürften leite⸗ 
ferne. (Philipp hatte die Reichslleinode, zu Hagenau, in Handen, Hahn 4, bl,c). 
[®. Her, Deutihe Sage im Elſaß, S. 132 f. 802 f. H.) Darnach wohl 
Helbling 376 fi. (Beitfchrift flir deutiches Altertum 4, 65): ſo fi der fluoch im 
gezalt, daz riter noch vroumwen in nimmer geſchouwen under bes riches kroͤne; 
daz got im nimmer ſchoͤne den flein Id; an fim nade ſten, dem alle fürften 
nach gen! (Bgl. noch Wadernagel, Leſebuch 704, 21 biz 24. Dite mit dem 
Barte 814. Man. 1, 15, 5. Gloſſe zum Sachjenipiegel 3, 60. Grammatik 3, 879.) 

1 Etrider von edeln Steinen 77 fi. (Makmann, Eraclius ©. 218): die 
ze Röme vogte fint geweien, bie biegn Az allen fleinen leſen vie edelften unt . 
die beften, die fi in ber werld weiten, und biezen die vil ſchoͤne ſehen in bie 
fröne. ſwie gröze tugent die fteine Han, fine mohten doch niht unberflän, 
daz künc Philippe wurde erflagen, wen fuln fi danne wol behagen? fö iſt ber 
keiſer Otte ze fchaden unt ze fpotte mit ten felben ſteinen komen. (Etrider 
+ vor 1241, Koberflein 211, 9.) 


577 


3. Der entrücte Kaifer Friedrich!. 


Kurze Bezeichnung der Sage. 

Ähnliche Sagen von Entrüdung und Wieverkehr der National⸗ 
helden bei andern Volksſtämmen: 

Perſiſche Sage von Key Chosrews Verſchwinden im Gebirge (Helden⸗ 
bud von Iran 2, 243 f.); er gebt lebendig zu Gott. Nad Malcolm 
(Bistory of Pers. 1, 542) behaupten einige Schriftfteller, Chosrew fei 
nicht tobt, fonbern verborgen, und bie Tradition erhebe ihn zum Hang 
eined Propheten, der wieder erjcheinen werde. 

Britiihe Sage: Arturum exspectare, Du Cange, Glossar. 1, 346. 
History of king Arthur Gap. 170 (2, 475): König Arthur ift nit 
tobt, wird mwiederlehren und das h. Kreuz gewinnen. 

Serbiſch: Der Königsfohn Marko, 1392 in ter Schlacht gefallen, 
lebt noch fchlafend in einer Berghöhle und wird berbortreten, wenn fein 
Säbel von felbft aus der Scheibe fällt. Bisweilen hört man fein Roſs 
wiehbern und der Säbel fol ſchon halb die Scheide verlaflen haben. 
(Wila 2, 258. Talvj 1, XXVII. 285.) 

Gemeinjamer pfochologifcher Grund diefer Sagen: 

Es läßt fich nicht ertragen, daß Großes verloren fei. Hingegangen, 
bleibt e3 nur zu beveutenderem künftigem Werke aufgefpart, diefe Auf: 
gabe wirb jedoch nach den Ideen jeder Zeit verfchieven gefaßt. Bei 
Briten und Serben die Herftellung ihrer Nationalität. Die Heldenkraft 
wird nicht als eine erftorbene, nur als eine jchlunmernde betrachtet. 
Anfang und Ende der Dinge greifen zufammen, runden ſich zum voll 
endeten Ganzen des Weltlebens. 

Die beſondre Sage vom Kaiſer Friedrich Tann, wenn man aud 
von diefer größern Sagenverwandiſchaft abfieht und fie allein zum Ziele 
nimmt, doch nicht einfach für ſich erklärt werden; fie ift nicht auf eins 
mal und aus einem Stüd erwachſen; fie ift eine Sage bes beutfchen 
Mittelalters und fo liegen auch ihre Prämiffen in dem zweifachen Ele: 
ment, aus dem überhaupt bie Bildungen jenes Zeitraums hervorge⸗ 
gangen, dem heibnifch-germanifchen und dem chriſtlich⸗romaniſchen. 


1 Skizze eines Vortrages, den Uhland den 21 Yuguft 1889 gehalten. 5.) 
nhland, Schriften. VII. 97 


578 


A. Auf beibnifch« germanifcher Seite: 

a. Götterfage, am vollftändigften in der norbifhen Mythologie 
ausgeprägt. Die Helden, die in der Schlacht gefallen, fahren zu Dbin, 
leben in Valhöll in beftändiger Kampfübung bis zum letzten, gröften 
Kampfe, in dem die Welt untergebt. Dann bebt und rauſcht die 
Welteſche Yggdraſill, darunter der Götter Gerichts: und Berfammlungs: 
ftätte ift. Dort kommen fie zufammen und die Einberjen ziehen unter 
Odins Führung zum Streite. Es ift ein Kampf der Aſen, der Geiſtes⸗ 
möchte, gegen bie Ungeheuer des Jotunenſtammes, die entfefjelten Naturs 
gemwalten, ber mit gegenfeitiger Bertilgung endet. Die Afen, bie Götter 
in der Zeit, gehen unter, nicht minder aber jene rohen Gewalten, und 
aus dem allgemeinen Untergange fteigt eine neue, fchöne Welt empor, 
in ber auch das alte Göttergefchlecht wieder auflebt. So lange nun 
die Helden bei Odin jenes Endkampfes warten, ift ihnen auch bie Nüd: 
kehr zur Erde nicht verfagt. Man hat Spuren bes Glaubens an eime 
irdiſche Wiedergeburt. Aber auch außerdem fieht man den hingefchiedenen 
Helden zur Nachtzeit mit feinem Gefolge auf ſchwarzem oder fahlen 
Roſſe daherreiten. Eines der ſchönſten Eddalieder erzählt, wie ber ge: 
ftorbene Helgi in folder Weile nach feinem aufgefchloffenen Grabhügel 
reitet, wo er mit Sigrun, feiner hinterlaflenen Frau, zufammentömmt !. 
Diejes Reiten der Todten aber ift bebeutfam, es gilt für ein Vorzeichen 
des Weltendes, dann auch überhaupt als Verkündung gewaltiger Er: 
eignifje. Hier reihen fich viele Vollsfagen des Norden? an, wonach 
Odin felbft, der ja auch im altnorbiichen Mythus die Einherjen zum Kampfe 
führt, nächtlich mit feiner Schaar unter großem Getöſe auszieht, ala 
Borbote großer Kriege. Nichts anderes ift in beutfchen Landen bas 
wüthende Heer, richtiger Wuotes, Wuotand, Odins Heer, verörtlicht 
u. A. im Ausritte Rodenſteins, in der ſchwäbiſchen Sage vom Linten- 
boldslöchle (bei Onftmettingen). In diefer Höhle hauſt das „muthige 
Heer”, deſſen Führer auch anderwärts der Linkenbold. 

b. Deutfche Helbenfage, Epos, deren Geſammicyclus wieder aus 
zwei größeren Sagenkreiſen zuſammengewachſen ift, dem fräntifchnieber: 
deutfchen und dem gothifchsoberbeutichen. Der. Sache nad bat jener 
Kreid, der fi dem ſtandinaviſchen Norden anfchließt, feine Grundlage 


4 [Bergl. oben ©. 126. 127. 9.] 


579 


in den Mythen und Sagen, die ſchon im altjeßhaften Germanien 
heimisch waren, biefer hingegen ift in feinem Hauptbeftande durch die 
Völkerwanderung eingebracht, Held bes erftern ift Siegfried, des letz⸗ 
tern Dietrih. In einem altnorbifchen Liede (Säm. Edda 268, 18) ruft 
Gudrun, Gigurds Witwe, den ermordeten Gemahl auf, fein ſchwarzes 
Roſs herrennen zu lafien, fie mahnt ihn, mie unter ihnen verabredet 
worden, daß er fie aus der Unterwelt und fie ihn aus ber Oberwelt 
bejuchen folle. Siegfried ift auch einer der beutfchen Helden, die auf 
dem alten Schlofie Geroldseck zu gewifler Zeit des. Jahres geſehen 
werden und „meldhe, wann bie Deutichen in den höchften Nöthen und 
am Untergang jein würden, wieder da beraus und mit etlichen alten 
deutichen Bölfern denſelben zu Hilf erſcheinen follten.” Sie haben 
freilich fchlecht gehütet. (Deutfche Sagen 1, 28, nach Philander von Sittes 
wald, 1665.) 

Wichtiger ift Dietrich von Bern. Er hat fi am Enbe beider 
Sagentreife bemächtigt und bildet den Schlußftein ihrer Bereinigung. 
Bon allen Hauptlämpfern der Nibelungennotb bleibt er im allgemeinen 
Berverben allein unverwundet übrig (immortalis, Grimm, deutſche 
Heldenſage 304). Die nordiſche Abfaſſung der Dietrichsſage (Wilkina 
Saga) meldet am Schluſſe, daß er, ſchon ſehr gealtert, einen prächtigen 
Hirſch vorbeirennen ſah und in der Eile auf ein eben geſattelt daftehen⸗ 
des, großes, rabenſchwarzes Roſs fprang, das dämoniſcher Art war 
und ihn unaufhaltſam davontrug. Niemals hörte man fortan von ihm 
und auf die Frage eines nacheilenden Knechtes rief er nur noch zurüd, 
er werde wieder fommen, wenn Gott und die h. Maria wollen. Das 
Roſs ſoll der Teufel geweien fein und ihn zur Hölle gebracht haben, 
mas fchon Otto von Freifingen (Chronicon 5, 3, in der erften Halfte 
des 12ten Jahrh.) weiß!. Nach andrer Anficht muſt' er darauf in 
bie wüſte Numenei reiten und bis zum jüngften Tage mit Würmen 
ftreiten (Etzels Hofhaltung 131 bis 133. Bon der Hagen, Heldenbuch 2, 
66). Im Jahr 1197, als nah Heinrichs VI Tode die Berrüttung 
des Reichs durch den Kampf der Gegenkönige bevorftand, erjchien am 


1 Die Geiftlichleit ließ den oſtgothiſchen Theoderih, den man für Eine 
Perſon mit Dietrih nahm, wegen der Tübtung des Symmachus und Boethins, 
in den Ana werfen, wo er bis zum jüngften Tage brennt (W. Grimm, deutiche 
Heldenjage 38). 


580 


Ufer der Mofel Dietrich von Bern, auf dem ſchwarzen Roſſe figend, 
und verlündigte die Drangfale, die über das römiſche Reich kommen 
werben, ritt dann über die Mofel und verſchwand. (Godefridus mona- 
chus Coloniensis, befien Annalen von 1162 bis 1237 geben.) So fällt 
auch Dietrich der mythiſchen Vorftellung vom Reiten der Todten anbeim. 
Auch die Volksſagen der Laufiß machen ihn zum wilden Jäger, deſſen 
Auszug Unheil verfünvet. (Deutfche Mythologie, erfte Ausgabe, 524. 
Gräve, Bollsfagen der Laufis 54 |.) Eine andre Sage im profaifchen 
Anhang des Heldenbuchs erzählt, Daß nach einem großen Streite vor Bern, 
in welchem alle Helben erichlagen wurben, nur ber Berner übrig war. 
Da kam ein Zwerg und hieß ihn mit fich gehn, fein Reich fei nicht mehr 
in dieſer Welt. So gieng Dietrich hinweg und Niemand weiß, wo ex 
bingefommen, ob er noch am Leben oder tobt fei. Zwerge find Berg: 
elfen, alſo auch eine Entrüdung in eine Bergkluft und wenn Dietrich 
noch lebt, fo muß er auch für eine fünftige Rückkehr aufbehalten fein. 

B. Bon romanifch » chriftlicher Seite bat der fortlebende Kaifer 
Friedrich gleichfalls verſchiedene Vorläufer: 

a. Die fieben Schläfer, melde die Kirche frühzeitig in ihren Feſt⸗ 
und Heiligenlalenver aufgenommen bat. Es find ficben junge Chriften 
zu Epheſus, die vor dem Kaifer Decius, der fie zur Gößenanbetung 
nöthigen will, fi in eine Höhle des Berges Celion verbergen. Decius 
laͤßt den Eingang der Höhle zumauern, aber ber Herr beichüßt fie, in» 
dem er fie in einen tiefen Schlaf fenkt, in welchem fie durch Jahr⸗ 
bunderte fortleben. Als zur Zeit des Theodoſius fi eine Ketzerei 
erhebt, welche die Auferftehung der todten Leiber läugnet, fügt es Gott, 
daß ein Hirte den vermauerten Eingang Öffnet, die Schläfer, blübend 
wie Rofen, erwachen und fo, in der Erde gelegen und vor dem Tage 
der allgemeinen Auferftehung erweckt, für diefe Zeugnis geben. Sie 
neigen dann bie Häupter und fchlummern wieber ein, bis der Herr fie 
abermals ermeden wird. (Jacobus a Boragine 96.) 1 

b. Ein andrer Borgänger, den man nicht erwarten follte, ift der 
zömifche Kaifer Nero, und doch iſt dieſe Verwandtſchaft augenſcheinlich. 
Nach Sueton im Leben Neros C. 40 war dieſem a mathematicis vor 


1 Johannes der Evangelifi lebt noch in feinem Grabe zu Epbefus, nad 
Auguftinus. Le livre des l&gendes 108, Anmerkung. 


981 


ausgeſagt, daß er noch einmal abgefett werden würde. Deshalb warf 
er ſich um jo eifriger auf die artem ceitharaedicam, weil die Kunft auf 
der ganzen Erde Nahrung finde. Doch verbießen ihm Einige nad) feiner 
Entjegung die Herrfchaft über den Drient, namentlich über das Reich 
von Serufalem, Mehrere gänzliche Wiebereinfegung. Er blieb aud 
feines Glüdes fo gewis, daß er, beim DVerlujt feiner Kleinode durch 
einen Schiffbruch, verficherte, die Fiſche werben ihm ſolche wiederbringen. 
C. 57: Nach feiner Selbitentleibung fehlte e8, fo fehr man fich im All: 
gemeinen feines Tobes freute, nicht an Leuten, welche Iange Zeit hin 
dur fein Grab mit Yrühlings» und Sommerblumen fchmüdten und 
Edicte veröffentlichten: quasi viventis ef. brevi magno inimicorum malo 
reversuri. Zwanzig Jahre nachher trat ein Unbelannter auf, ver ſich 
für Nero ausgab und bei den Parthern wohl aufgenommen war. (Vgl. 
Tacitus, Histor. 1, 2.) Auch Tacitus, Histor. 2, 8, gedenkt diefes 
Glaubens, daß Nero noch lebe und mieberlomme. (Ebenſo Dio Chry 
foftomus; Corrodi, Kritifche Gefchichte des Chiliasmus 2, 314.) Zur 
Zeit des Streites zwiſchen Otho und Bitellius trat ein Pſeudo-Nero 
auf, der außer der Ähnlichkeit fich durch Cither und Gefang ausweisen 
wollte, verſchaffte fih Anhang (Tacitus ebd.). Nach Zonaras erichien 
auch unter Titus ein Solcher, gleichfalld die Laute ſpielend (Corrodi 
23, 315). Diefes Glaubens bemädhtigten fich frühzeitig die Chiliaften. 
Sulpicius Severus zu Anfang bes fünften Jahrh. ift geneigt (in feiner 
Kirchengeſchichte 2, 30. Corrodi 2, 316), die Stelle der Apolalupfe 
13, 3, von dem töbtlih wunden und doch zur Verwunderung des 
Erdbodens gebeilten Haupte des ſiebenköpfigen Thieres auf den von ber 
felbftbeigebrachten Wunde (der abgefchnittenen Kehle) wiedergeneſenen 
Nero zu beziehen: sub seculi fine mittendus, ut mysterium iniqui- 
tatis exerceat; auch verfichert er im zmeiten feiner Dialoge, vom b. 
Martinus gelernt zu haben, Nero und der Antichrift würden vor. dem 
Ende der Welt kommen, jener die Könige des Decidents unterjochen 
und Alles zum Heidenthum zwingen, biejer im Orient aufltehn, Jeru⸗ 
falem und ven Tempel aufbauen und endlich den Nero felbft erjchlagen. 
Auguftinus (+ 430) im 20 8. de civitate dei führt an, daß Viele 
glauben, Nero werde auferftehn und der Antichrift ſein. Andre glauben, 
daß er nicht getöbtet fei und lebendig und bei guten Kräften fi an 
einem verborgenen Orte befinde, daß er aber zu feiner Zeit geoffen« 


582 


baret und wieder in fein Reich eingejeht werben folle. Auch Hieronymus 
(Ende des vierten Jahrhunderts) fpricht von dem Glauben, daß Nero 
der Antichrift fein werde, Commentar zum Daniel Cap. 11. Die Stelle 
der Apolalupfe Cap. 17, V. 9 bis 12, ebenfalls von dem Könige, der 
einer ber fieben war und ber achte fein wird, warb auf Nero gedeutet 
(Corrodi 2, 319). Die fogenannten fibyllinifchen Orakel, wahrſcheinlich 
vom Ende des erften bis zu dem bed zweiten Jahrhunderts allmählich 
zufammengetragen (Gorrodi 23, 340), weiſſagen ebenfalld vom Mutter: 
mörber, der vom Ende der Welt kommen werde. 

Noch ift einer chiliaſtiſchen Vorftellung zu erwähnen, bie den Über⸗ 
gang dieſes Fortlebens auf die deutſchen Kaiſer vermittelt. Sie findet 
fid in der Offenbarung, die dem Methobius, einem Kirchenvater bed 
britten Jahrhunderts, zugeſchrieben ift, aber der mittlern Zeit angehört, 
in den fibyllinifchen Orakeln, im Tractat vom Antichrift, der den Werken 
Auguſtins angehängt ift, aber richtiger ins neunte oder zehnte Jahrhundert 
geſetzt wird. Es wird nemlich am Ende der Zeiten der König der Römer, 
oder ein fränkiſcher König, der das römische Neich befiht, gen Syeruja- 
lem fommen, auf Golgatha geben, Scepter und Krone auf das Holz. 
bes Kreuzes Chrifti nieverlegen und fo fein Reich Gott übergeben. Das 
Kreuzesholz wird mit ber Krone in den Himmel auffteigen, bas Lehen 
dem Lehensherrn zurüdgeitellt (Corrodi 2, 364). 

So hat fih von den zwei verfchiebenen Seiten her der Unterbau 
für unfre deutſche Kaiferfage zugewölbt. Aber auch bier tritt und nicht 
fogleih der Kaifer rievrich entgegen, die Sage haftet an mehreren‘ 
berühmten Königänamen: 

a. Bunähft an Karl dem Großen. Werm das beutiche Epos, auf 
fränkiſcher wie auf gothiſcher Seite, im germanifch:heibnifchen Mythus 
feinen Urfprung bat, fo verlangte nun auch das chriftliche Helbentbum 
feine Auffaffung in der Poefie. Der Mittelpunkt eines neuen epifchen 
Kreiſes warb Karl der Große, ber Gründer bes neuen, römiſch⸗deutſchen 
Kaiſerthums, der Heidenbelehrer mit dem Schwerte. Dieſes Tarolingiiche 
Epos hat fich jedoch nicht in deutfcher Sprache ausgebilbet, ſondern im 
mweftlihen Frankenreiche, in den norbfranzöfiichen Gedichten des zwölften 
und dreisehnten Jahrhunderts, denen dann bie mehr parodifchen Epopöen 
der italiänifchen Dichter -Bojarbo, Ariofto u. |. w. mittelbar ihre Ent: 
ftehung verbanten. An vereinzelten Sagen von Karl dem Großen fehlt 


583 


e3 aber auch in Deutfchland nicht !. Karl, als chriftliher Held und 
felbft heilig gefprochen, mufte befonber® auch derjenigen bee zum 
Träger dienen, welche die Chriftenheit des Mittelalters jo mächtig und 
anhaltend aufregte, der Begeifterung für die Kreuzzüge. Nur 150 bis 
160 Jahre nach feinem Tode ſchickt ein Chronilfchreiber ihn auf eine 
Wallfahrt nad; Jeruſalem. Der falihe Turpin, um den Anfang bes 
ziwölften Jahrhunderts und umjtänblicher die norbfranzöfiichen Helden: 
gebichte Schildern biefe Fahrt, die er mit feinen zwölf Paladinen antritt 
und von ber er foftbare Reliquien zurüdbringt, die fortan in ben Kirchen 
vorgezeigt werben ?. Ein Borgeben, wodurch im Jahr 1095 zum erften 
Kreuzzug aufgemuntert wurbe, mar, daß Karl der Große von den 
Tobten auferftanden fei, um an bie Spite des Volles Gottes fich zu 
ftellen (Effeh., de s. exped. Hieros. &. 519. Willen 1, 76, N. 81). 
Karl lebt aber auch noch nad) fpäteren Sagen, die ſich bie ın die neueſte 
Zeit binzieben, an verſchiedenen Orten unterirbifch fort: im tiefen Brun- 
nen der Burg zu Nürnberg, fein Batt- ift durch den Steintifch gewachſen, 
vor welchem er fit (Deutfche Sagen 1, 28); bei Fürth in einem Sand: 
bügel mitten in grüner Wiefe fit er fchlafend an einem Tiſch, über 
den fein Bart breit hingewachſen ift, fein Kriegsheer ift abjeits, wie im 
Felde, neben ihm gelagert (Maßmann, bayerische Sagen 8, nad) Prä⸗ 
torius, Alectryomantia, Frankfurt 1680); im Odenberg in Unterhefien, an 
defien Fuß er eine große Schlacht geichlagen, Abends nach erfochtenem 
Siege that fich der Feld auf, nahm ihn und das ermattete Kriegsvolk ein 
und jchloß feine Wände, er hat verheißen, alle fieben oder hundert 
Sabre hbervorzulommen, dann vernimmt man burch die Lüfte Waffen: 
geraflel, Pferdegemwieher und Huffchlag, nach vollbrachter Runde gebt 
der Zug in den Berg zurück (Deutfche Mythologie, erfte Ausgabe, 526); 


vom Deefenberg im Paderborniſchen ähnliche Sage; im Unteröberge bei 


Salzburg fiht er mit großem Hofhalt, die Goldkrone auf dem Haupt 
und den Scepter in der Hand, mit langem, grauem Bart, der fchon 
weiter als zweimal um den Tisch gewachſen ift, wenn es zum dritten 
male ganz geichehen, tritt diefer Welt die letzte Zeit ein, ber Antichrift 
ericheint, auf den Feldern von Wald kommt e3 zur Schlacht, die Engel 


1 [Schriften 7, ©. 561 bis 568. $.] 
2 [Ecriften 2, S. 83. 84. Schriften 4, ©. 366. 357. $.] 


— — — — —— — 


584 


pofaunen ertönen und ber jüngfte Tag ift angebrochen (Deutſche Sagen 
1, 33). Doc bier ſchwankt ſchon vie Sage zwischen Karl und Friedrich 
und Näheres ift auf dieſen vorzubebalten. 

Ein befondrer, äußerer Anlaß zur Anbeftung der Sage an bie 
Perſon Karls des Großen zeigt fih in folgendem Umftand. Ron ber 
Beiſetzung dieſes Kaiſers in der von ihm erbauten Hauptkirche zu Aachen 
meldet bie Chronit des Mönchs von Angouleme (Hahn 1, 88), man 
babe den Leichnam einbalfamiert und in das Grabgewälb auf einen 
goldenen Stuhl geſetzt, mit goldenem Schwerte gegürtet, ein goldnes 
Evangelienbuh in der Hand, in Taiferlihem Gewande, ein goldner 
Scepter und der goldne Schild, den Papſt Leo geweiht, vor ihm auf 
gehängt. Diefes Grabgewölbe ließ Otto III im Jahr 1000 öffnen 
(Ademeari Chronicon, Hahn a. a. O.), durd ein Traumgeficht ermabnt; 
man fand ben Kaiſer auf vorbefchriebene Weiſe in ber Grabhöhle (intra 
arcuatam speluncam) fiten, ber Leichnam war noch unverfehrt und 
warb dem Bolle gezeigt. Kaiſer Sriebrich I ließ abermals das Grab 
öffnen, die Gebeine Karls herausnehmen und in einen Kaften legen. 
Mir jeben in jenen Schilderungen das leibhafte Vorbild zu dem ſchlum⸗ 
mernden Kaiſer in der Berghöhle. 

Bon den Kaifern des fächfiihen und des falifchen Haufes ift mir 
feine ähnliche Überlieferung befannt. Es mochte Loch immer eines ge 
wiſſen Zeitverlaufs und eines beitimmteren Anlafles bebürfen, bis bie 
Sage von einem Namen auf den andern übergieng. 

b. Kaiſer Friedrich. Zwiſchen den beiden Hohenftaufen dieſes Namens 
kann vorerft nicht unterjchieven werben, ba. bald nur der gemeinfame 
Name genannt, bald der Eine oder der Anbre näher bezeichnet oder 
angebeutet wird. Beide waren glänzende, weltgeichichtliche Exicheinungen, 
Beider Lebensende trat unter Umftänben ein, welche vie Antnüpfung 
einer ſolchen Sage begünftigten. 

1. Johannes Bitoduranus ! (erfte Hälfte des 14ten Jahrh.). No 
40 Jahre nach Friedrichs LI Tode glaubt man an feine nahe Wieder 
kehr. Andre glauben, er babe auf Rath feiner Aftrologen (wie bei 
Nero) Europa verlaflen. 

1 [Bergl. Johannis Vitodurani chronicon. Die Chronif des Minoriten 


Kohannes von Winterthur. Nach der Urfchrift herausgegeben durch Georg von 
Wyyß. Züri 1866. ©. 10.249 fi. H.] 


585 


2. Heidelberger Hanbichrift 844. Das Gebiht aus dem 14ten 
Jahrh.! Kaifer Friedrich (im Banne des Pabſtes Honorius) verſchwindet 
auf der Jagd mittelft eines unfichtbar machenden Edelſteins. Noch er⸗ 
fcheint er den Bauern als Maller und fagt ihnen, ex merbe noch aller 
römischen Erbe gewaltig werben, die Pfaffen ftören und das heil. Grab 
nebft dem heil. Lande zu der Chriften Hand bringen. 

3. Deutlicher find dieſe Anfichten ausgeſprochen in einem WMeifters 
gefang aus der Mitte des 14ten Jahrh. in Aretins Beiträgen 9, 
1133 f. Zwei Häupter der Chriftenheit bekämpfen fi, großer Krieg; 
da kommt Kaifer Friebrih; allgemeine Fahrt über Meer, wo Gott 
fein Reich geben wird, ver Kaifer hängt feinen Schild an den bürren 
Baum, der nun grünt und knoſpet. Das heil. Grab, wirb ge 
nommen, Heiden und Juden unterworfen, der Pfaffen Meifterichaft 
niebergelegt, die Klöſter zerftört, die Nonnen zur Ehe gegeben, gute 
Sabre Tommen 2. | 

4. Volksbuch vom Kaifer Friedrich I mit dem rothen Barte, Schluß 
des 15ten oder Anfang des 16ten Jahrh. 3. Der Kaiſer febt noch in 
einem hoblen Berg, wird wieder kommen, die Geiftlihen zu ftrafen und 
feinen Schild an den dürren Aſt benten. 

5. Volksbuch vom Unteröberge, 17tes Jahrh.“. 

6. Raiferslautern. Friedrichs Bett. Karpfe. Felshöhle >. 

7. Trifeld. (Deutfche Mythologie, Ite Ausgabe, 538 oben, 2te 
Ausgabe 908 oben.) 

8. Ochſenfeld, Biberftein. 

9. Kyffhäuſer Berg ®. 

1. Schäfer, Raben. 

2. Flachsfnoten. 

3. Brautleute. 

4. Schäfer, Fuß des goldnen Hanbfafles. 
5. Mufifanten. 


1 [Schriften 7, S. 590 bis 593. 9.] 
2 [Schriften 7, ©. 593. 694. 9.) 

3 [Schriften 1, S. 499 bis 501. 9] 
4 [Schriften 7, ©. 562. 563. 9.) 

5 [Schriften 1, &. 501. 9] 

s (Schriften 1, &. 501 bis 503. 5.) 


536 


Anziehend ift dieſes ländlich trauliche Weſen mit dem geifterhaften 
Hintergrunde. Die Bedeutſamkeit der Sage tritt hervor im Altern der 
Leute, die im Berge waren. In der idealen Region iſt das Geſetz der 
Zeit aufgehoben, die ſieben Schläfer blühen wie Roſen, aber Diejenigen, 
die in das gewöhnliche Leben zurückkehren, verfallen wieder jenem Geſetze. 

Pſeudo⸗Friedriche: 

1273 oder 1276: Fr. Holzſchuh, verbrannt, keine Knochen in 
der Aſche. (Schacht, Ditofar von Horneck 228.) 
1546: Schneider von LZangenfalza 1. 

Die drei Telle. 

Die Reformationsliever. (Wolff, Sammlung biftorifcher Bollalieder 
und Gedichte der Deutichen. Stuttgart und Tübingen 1830. ©. 182 f. 
Dina 196 ff.) 

Die Lieder vom Befreiungskriege. Das binabgenommene Reich 
follte wieder bervorfommen, Traum auf den alten Kaifer hinein, nicht 
minder ala der Aberglaube des Mittelalters. 

Der Sulminationspuntt der Sage vom deutſchen Kaifer, vom Kaiſer 
Zriebrih, der Punkt, wo fie ihre vollſte und eigenfte Bebeutung ge. 
monnen batte, Scheint die rein mittelalterliche Vorftellung zu fein, daß 
Kaifer Friedrich wiederkommen werde, das heil, Grab, das heil. Land 
wieder zu erobern, nicht aber bloß um dieſer heiligen Stätten twillen, 
fondern meil dort die Krone des irdiſchen Reichs auf das Kreuz nieder 
gelegt werden, das Reich Gottes anheben ſoll ?. 


4. Glockenfagen ’. 
(Snfannentag, 19 Yebruar 1845.) 


Erfindungen je im Geifte des Beitalterd. Erfindung bed phan⸗ 
taſtiſch⸗ religiöſen Mittelalters: der Kirchenbau. Dazu gehörend: Glas 


1 [Schriften i, S. 503. $.] 

2 Bol. auch Fr. Spiegel, Orientalifcher Beitrag zur Gage von Kaifer 
Friederich im Kiffhäufer, Ausland Nr 139, 10 Juni 1848, ©. 568. 554. [Ran 
vergleiche ferner W. Menzel, Odin. Stuttgart 1855. ©. 328 bis 346. 5] 

3 Bgl. Monach. s. gall. 1, 29. Pfifter 1, 187. Grimm 1, 189. 1%. 355. 
Lothar 228. 246. 277. 298. Wolf 300. 560 bis 568. 623 f. 662. Bechſtein. 
Fränkiſche Sagen 50. 149. 2056. Bgl. Anzeiger 8, 539, &0. Gilberglode 247. 


587 


malerei, Orgel, Glocke. Die Orgel hallt durd die innern Räume, bie 
Slode ift Stimme nah außen. Die Glode erheifcht den Thurmbau 
und burch biefen wird das Himmelanftrebende bed ganzen Kirchenbaus 
beftimmt. Auflommen der Gloden und der Kirchthürme gleichzeitig vom 
Ten Sabrbundert an. 

Der Glockenklang, jebt ein Gewohntes, Alltäglidhes, muß bei 
feinem erften Anfchlagen jeden Orts mächtigen Einbrud gemacht haben 1. 
Die Glode hat allerdings ihre praktiſchen Zwecke: Zufammenberufung 
der Gemeinde, Anzeige deſſen, was in der Kirche vorgeht, der kirch⸗ 
lichen Tagzeiten, Aufruf zum Gebete, Berkündigung feierlicher Hand⸗ 
lungen in Freud' und Leid, Nothruf und Siegeskunde. Aber ihre 
Bedeutfamleit Liegt nicht bloß in biefer ihrer Beſtimmung, fie liegt 
großentheils auch im Mittel felbft, im ernften, feierlihen, Empfindung 
und Phantafie anregenden und ſtimmenden Wohlklang. Diefe mufila- 
liſche Seite bat das Mittelalter vorzüglich aufgefaßt; doch verfehlt fie 
auch jet noch nicht ihre Wirkung, beſonders bei größerem, wohl ſtim⸗ 
menden Geläute (Köln und Einfiveln). 

Fiſchart (©. 434) jagt, es fer eine Kunft in einen Glodenklang 
einen Tert erbenten. Dieß ift gleichwohl gefcheben, in neuerer Zeit von 
Schiller, der mehr philofophifch betrachtend die Bebeutung des Gloden: 


288. Bechſtein, Thliringifche Sagen 3, 198. 246. Stahl 112. Tettau 227 f. 231. 
252. Orgel: Temme, Altmark 13. 29. 34. Pommern 313 bis 817. 832. Kuhn 10. 
11. 164. 167. 169. Gödſche 88. Thiele 1, 42. 45. 62. Kirchthürme 2, 29. 
44. 54. 75. 8, 60. 4, 2. 6. Münfter. Sagen 178. 186. Harrys 1, 26. 30. 
Arwidsſon 2, 172, 15 bis 17. 358. Buchan 2, 219 f. Percy 3, 111. 115. 
Gilchriſt 1, 242. Wunderhorn 2, 272. Altdentfhe Wälder 1, 108. Teuto- 
burg 2 Heft, ©. 149. Augufti, Denkwürdigleiten ans der chriftlihen Ardhäo- 
logie u. f. w. Band 10, Leipgig 1829, ©. 208 bis 210: Blodentaufe. Ebend. 
Band 11, Leipzig 1880, S. 407 ff.: Kirchenthürme. ©. 413 fi.: Olocken. 
©. 428 ff.: Orgeln. ©. 417 wirb einer Glodenlegende gebacht, den Biſchof 
NRigobert von Rheims betreffend, in Frodoardi hist. Rhemens, lib. II, c. 12. 
[Man vergl. ferner oben ©: 436. W. Menzel, Chriſtliche Symbolit 1, Regens- 
burg 1854, S. 339 bis 343. H. Otte, Glodenktunde, Leipzig 1858. 3. Grimm, 
Deutfche Mythologie S. 428. K. Simrod, Handbuch der deutſchen Mythologie, 
dritte Auflage, Bonn 1869. S. 481 f. A. Schöppner, Sagenbuch der bayeri- 
jhen Lande, 1 bis 3, München 1852. 1863. W. Her, Deutſche Sage im 
Elſaß, Stuttgart 1872, S. 196, Anmerkung 58. 9.) 
1 [Bergl. oben S. 388 f. 5.) 


588 

Hangs hervorhob, im 16ten Jahrhundert mehr muſikaliſch durch das 
Geläut von Speier. Entichiedener noch zeigt fich die phantaftifche Geltung 
der Gloden in den Vollöfagen und Vollsmeinungen ber frühern Zeit. 
Schiller läßt wohl feine Glode noch taufen, aber ex läßt den Meifter 
faft allzu nüchtern ausfprechen: 

Selbſt herzlos, ohne Mitgefühl 

Begleite fie mit ihrem Schwunge 

Des Lebens wechſelvolles Spiel! 

Dem Volle war die Glode nicht herzlos, fie war ihm eine befeelte 
Verfönlichkeit und ftand als foldhe mit dem Menfchen in lebendigen‘ 
Verkehr. Dieß hatte feinen Anlaß fchon im Gebrauch der Kirche, in 
der Glockentaufe, urfprünglich einer Weihe, wie für andre bem Gottes: 
dienft gewidmete Gegenftände, nachher mehr im Sinn einer eigentlichen 
Taufe genommen. Johannes, Roland, in der Volksſage am Tiebften 
Anne Sufanne. Die Taufe gibt ihnen erft die rechte Kraft, Gewitter 
und böje Geifter zu vertreiben; ungetaufte gehören dem Teufel, der fie 
in Sümpfe wirft. Weſen nun, die der Taufe fähig waren und wirklich 
getauft wurben, konnte man wohl auch eine perfönliche Selbftändigfeit 
beilegen. 

Ich bebe nun aus der großen Zahl der Glockenſagen einige Haupt: 
züge hervor, um die volksthümlichen Vorftellungen vom Leben und Wirken 
der Glocken anjchaulicher zu machen. 

Schon an den Urfprung und die Taufe berfelben befteten ſich 
manigfache Überlieferungen, wodurch fie in ein märchenhaftes, ahnungs⸗ 
volles Licht gehoben werden. Einfammeln des Erzes bei den Gevattern, 
das Gold der Witwe zu Attendom. Der Lehrling zu Breslau. Silber⸗ 
glöcklein. Auswühlen durch Schweine Verſunkene Gloden, die ge: 
bannt werben, wenn fie fich fonnen, und dann getauft werben müflen. 
Anne, Sufanne, Johanne. Wie fie an den rechten Drt gebracht werben, 
wobei fie ihren Willen baben, Pferde der Stäbter und Ochſen bes 
Landvolks. Neid der Städte gegen fchöne Dorfgloden. Stendal und 
Großen: Möhringen. Das blinde Pferd. Treue der Gloden gegen ihre 
rechte Heimath: der Biſchof von Rheims; die Glode vom Wunnenſtein. 
Berfuntene tönen fort, wie auch die untergegangene Orgel. 

Dem Menſchen der früheren Zeit waren manigfache Laute bebeutfam, 
die auf einfamer Wanberung, bei innerer Bewegung, in Augenbliden 


589 


eines zu fafienden Entichlufles fein Ohr trafen. Der Gefang der Nachti⸗ 
galt 1, der Ruf des Raben, der Gang ber Mühle fchien ihm etwas zu jagen, 
es unterlegte auch diefen Klängen einen Text. In der Mühlenſprache 
fagt die waſſerarme Mühle des Heinen Müllers: „Hilf, Herre Gott!“ 
die des reichen: „Hilf oder laß!” Der Burſche, der zur Kirchweih gebt. 

Noch mehr und auf ernftere Weife mufte num der Klang ber Glode 
bebeutungsvoll fein. Der Lord Mayor Whittingten. Die Tobtenglode 
nahe geftandener Berfonen wird in weite Ferne gehört, als wehmütbiger 
Abfchieb ober ald Vorwurf für den Ungetreuen ober für die hartherzige 
Schöne Ein Mäpıhen, das von ihrem ftrengen Bruber für eine Glocke 
verlauft worben ift, zerſchmilzt jedesmal in Thränen, wenn dieſe Glode 
geläutet wird. Die ®loden, die hoch über dem irbiichen Treiben im 
Zug der Winde hängen, fcheinen auch von höheren Mächten berührt 
zu werben, fie fprechen ‚wie Gottesftimmen, ertönen oft von felbft, als 
Mahnung von oben, als Botichaft vom Tode bedeutender Perſonen, als 
Wahrzeichen der Unſchuld eines Angeklagten, zur Bewährung ber Heilig. 
keit eined von Gott erwählten Rüſtzeugs. Sterbende hören den Auf 
der Himmeldgloden. 

Schallftäbe, Gegenfab des Geifted der Neuzeit zu dem bes Mittel: 
alters. 


9. Schwärzloch. 


Konnten unfre VBorväter uns keine fichtbare Angedenken ihres Gottes: 
dienſtes hinterlafien, fo blieben uns dagegen noch mandye Erinnerungen 
desselben in den Namen von Bergen und Wäldern, jenen natürlichen 
Göttertempeln der Germanen, Auch fonft fehlt es nicht an Nachrichten, 
die deutſche Heldenfage läßt noch vielfach altes Heidenthum durchſcheinen 
und bie altnorbifche Mythologie, die uns urkundlicher und in vollerem 
Syſtem erhalten ift, wirft vielfaches Licht auch auf die nächft verwandte 
der eigentlich deutfchen Völker. 

Dem Wuotan (Deo suo Vodano, quem Mercurium vocant alii, 
se velle litare, Stälin 1, 161, Anm. 4), dem oberften und allgemeinften 


ı [Schriften 3, &. 97 f. 9.) 
2 [Schriften 4, &. 99 bis 108. 7, ©. 410 ff. 41. 9.) 


590 


Gotte der germaniſchen Vollaftämme, opferten auch die Schwaben mit 
einer Bierlufe, al der Bekehrer Solumbanus 612 zu ihnen kam (Deutfche 
Mythologie 49). Bon der Verehrung eines andern Gottes, des Ziu, 
zeugt der Name Cyuuari, welcher in den deutſchen Gloſſen einer Hand⸗ 
ſchrift des 8ten Jahrh. gleichbebeutene mit Schwaben aufgeführt wird 
(Diutifla 2, 370: Cyuuari. ſuapa. Bol. Zeitfchrift für deutſches Alter 
thum 6, 16, Anm. ob.). Dieß beißt entweder Ziu⸗Wohner, Verehrer 
bed Ziu, oder, wenn etwa ueri, wie zuvor in Baucueri, zu leſen, Ziu- 
Männer (Mythologie 180 u.). Die Endung überhaupt eine Bolls: 
bezeichnung, Wohner 1, Das Wort gehört einer meitgeftredten Wurzel, 
div, an, derfelben, zu der auch sg, Zeig, gen. Aıöc, deus, divus 
gehören. In den germanifchen Sprachen prägi es ſich je nach deren Eigen« 
thümlichleit aus (Grimm, Diphth. 13. Andreas und Elene 155 u. f.): 
Altnordiſch Tyr, gen. Tys, acc. Ty, angelj. (Tiv) Tives däg, alt 
hochd. Ziu (Bio). Zautverfchiebung, media d zu tenuis t, bie tenuis t 
wird mit dem Saufelaut verbunden und dadurch zum Ziſchlaut z, eine 
Veränderung, bie im Tten Jahrh. vor fi gegangen (Grammatil 1, 
2te Ausgabe, 156). Das Wefen, das diefen allgemeinen Namen trägt, 
bat jedoch ſeinen bejonvern, begrenzten Beruf und Wirkungskreis erhalten. 

Der norbifche Tyr, ein Sohn Odins, ift ein Kampfgott. Er maltet 
über den Sieg und wird von tapfern Männern angerufen. Beſonders 
ſteht ex dem verzweifeltiten Sampfe vor, dem Zweikampfe. Er jelbit 
ift ein Mufter von Kühnbeit, er hat dem Fenriswolfe die Hand zum 
Pfande in den Rachen gelegt und tft von daher einhändig (Snorri 29. 
105: viga-gud). Unter feiner Weihe fteht dad Schwert, Siegrunen 
follen auf Schwertgriff und Gehäng eingerigt und bazu zweimal Tür 
genannt werden (Säm. 194, 6). Da Odin, der Vater Ths, der oberfte, 
geiftigfte Gott, mie er nach allen Richtungen wirkſam ift, auch als Gott 
der Helden, des Heldengeiftes, als Lenker der Schlachten und Geber 
des Sieges maltet, jo konnte Tür nur ein Götterwefen zweiten Ranges 
fein. Doc tft er immerhin einer der zwölf Aſen, Hauptgötter, und 
kämpft in dieſer Genoſſenſchaft den letzten Weltlampf. Norwegiſche 
Jarle leiteten von ihm ihr Geſchlecht ab; ein ſolcher Abkömmling heißt 

1 Müllenhoff, Über Tuisco und feine Nachkommen, in W. A. Schmidts 
Allgemeiner Zeitichrift für Gefchichte 8, Berlin 1847, ©. 247**), Die Nomen 
auf - uari, Graff 1, 981. Zeuß 99 u. hauptfächlidy aber Gramm. 1, 641, 2. 777 m. 


591 


im Siebe Tys-wttüngr, Lex. myth. 486. Heimskr. 1,.177 a, oben. 
Tor ift nun auch eine der drei männlichen Gottheiten, bie ebenfo vielen 
MWochentagen, ftatt der Iateinifchen Götternamen, die ibrigen bei allen 
germaniichen Stämmen gegeben haben. Dies Martis: Isländiſch Tjsdagr 
(ſchwediſch Tisdag, däniſch Tirsdag), angelfähftih Tives däg, engliſch 
Tuesday, niederſächſiſch Tiesdag, althochdeutſch Lies (Ziuwes) tac 
(11ites Jahrh. St. Blaſ. Mythologie 112); weiterhin Zieſtag (Schmeller 
4, 214), noch in Oberſchwaben und ber Schweiz Ziſtag, Zinſtag u. ſ. w. 
(legteres auch in einer Schwärzlocher Urkunde). Die andern Tage find 
Dies Mereurii: Altnordiſch Ödinsdagr (ſchwediſch und däniſch Onsdag); 
angeljächfiich Vödnes däg (engliih Wednesday); niederländisch Woens- 
dag, weſtfäliſch Godenstag, niederrheiniſch Gudesdag, Gudensdag. 
Dies Jovis: Altnordiſch börsdagr (ſchwediſch Thorsdag, däniſch Tors- 
dag), angelſächſiſch Thunores däg, (engliſch Thursday), althoch⸗ 
deutſch Donares tac. Dieſelbe Götterbreiheit, die wir bier in germani⸗ 
ſchen Wochentagen vereinigt finden, iſt es wohl auch, die in der alten 
Abſchwörungsformel, für die ripuariſchen Franken, auftritt (Müller, 
Geſchichte und Syſtem der altdeutſchen Religion ©. 6): „thunaer ende 
uuoben ende farnote ende allem them unholdum the hira genotas fint.” 
Diefer Sarnöt, angelſächſiſch Saxneat, Schwertgenofie, DBefiter bes 
Schwertes, Steinfchwertes, vertritt paflend den Tor, mit deſſen Namen 
die Schwerter geweiht werden. 

Eine andre, ebenjo durchlaufende Bedeutſamkeit des Götternamens 
Thr, Tiv, Ziu, iſt die, daß er zur Benennung einer Rune dient. Die 
tenuis t heißt altnordiſch Tyr, angelſächſiſch Tiv, Tir, althochdeutſch 
erfcheint fie zur Bezeichnung des z als Ziu. Den Namen dieſes Gottes 
trugen auch Berge und Haine, nun die nach ihnen benannten Orte, 
z B. in Seeland Tobierg, jütiſch Tiislunde, ſchwediſch Tyved, in ber 
Elbgegend Ziesberg. 

Neben und ftatt Thr und Zio zeigt fi aber auch angelfächfiich 
Ear, althochdeutſch Eo, Eor, Aer. Alfo eine andre Benennung bes 
ſelben Gottes. Sie tritt in Beziehung zu dem gothifchen hairus, angel» 
fächfifchen heor, altfächfifchen heru, altnordifchen hiörr, Echwert !, und 
weist fomit wieder auf einen Gott des Schwerted (Mythologie 184. 

1 Bol. Yagegen Müllenhoff, Zuisco 252**). [Spätere Ranpbemerfung von 
Uhland. H.} 





592 


838 u., f. oben. 1209, 3 v. u. 1229, 3), wie Tor, mit dem Runen⸗ 
jegen, und Saxnot. Aud die Geftalt ver Rune fcheint eine Waffe zu 
bezeichnen. Gleichmaͤßig ergibt ſich nun auch dieſes Wort zur Bezeich⸗ 
nung des entfprechenden Wochentaged. Der Dienftag beißt in Baiern 
Ertag, Erchtag, in den älteften Urkunden (von 1287 an) in der Yorm 
Eritag. Geiler von Keiſersperg: „die Beyer fprechend im Eriötag.“ 
Schmeller 4, 96 f. Und nun wieder Ortsnamen, vor allem Eresburg, 
auch Heresburg bei den fränkifchen Annaliften (Mythologie 184), die 
von Karl dem Großen eroberte Veſte der Sachen. Ex zerftörte ſodann 
ihr Heiligthum, fanum et lucum eorum famosum Irminsul (Mytho» 
logie 105). Bei Iateinifchen Schriftftellern auch Mone Martie. In Norb» 
.brabant (Urkunde des sten Jahrh.) Eresloch, jekt Eerſel (Bergh. 381. 
ebd. Arelo, Irmenlo). In Oberſchwaben Erisporf, Eriskirch. 

Waffen, Schwert und Speer, waren bei verſchiedenen alten, kriege⸗ 
riſchen Völkern, ala dem Kriegsgotte heilig, verehrt; nicht ein Fetiſch⸗ 
dienſt, ſondern als lebendig aufgefaßte Symbole!. Die Römer hielten 
den Speer des Mars heilig, ver fich bei nahender Kriegsgefahr von 
ſelbſt bewegte. 

Bon den Schthen meldet Herobot, daß fie den Ares unter dem 
Bild eines aufgerichteten alten eifernen Schwertes verehrten. Ammianus 
Marcellinus fagt von den Manen, fie haben fein bedecktes Heiligthum, 
fonbern ein bloßes Schwert werde in den Boden geftedt und von ihnen 
ald Kriegsgott (ut Martem), der Herricher (pressulem) der Gegend 
verehrt. Derfelbe erzählt von den Quaden, einem entfchieden beutfchen, 
mit den Sueven fich vielfach berührenden Volke, fie haben bei den ge: 
zogenen Schwertern. edactis mucronibus, quus pro numinibus dolunt, 
Treue geſchworen (Mythologie 185, Grimm, Über Jornandes 29 u, 
f. ob.). Noch im 1d5ten Jahrh. war es ein beuticher Aberglaube, aus 
dem Spiegel des blanten Schwertes künftige Gefchide (Streit und grau: 
fame Sachen) zu erfragen (Mythologie, Ite Ausgabe, Anhang LXIV). 

Bon biefen weiten Wegen kehren mir zu dem beimatlichen Berge 
zurüd, auf dem die Alemannenfchlacdht gefochten wurde. Wohlbelannt 
ift Allen das Hofgut Schwärzloh, auf einem von diefem Bergzuge 


i Germania C. 7: velut deo imperante, quem adesse bellantibus cre- 
dunt; effigiesque et signa quædam, delracta lucis, in prolium ferunt, 


593 


nördlich auslaufenden Hügel gelegen. Dasſelbe heißt in Urkunden bes 
16ten Jahrh. meift der Berg Schwertzloch, ober Berg und Haus (Hof) 
Schwertzloch. Es wird als Freigut bezeichnet und gehörte Bürgern von 
Tübingen, namentlich den angejebenen Breuningen, die e8 aber im 
Anfang des 16ten Jahrh. an den Hofpital verlauften, der es. his vor 
etwa 20 Jahren im Eigentbum batte. Die Zugehör des Hofes war, 
außer den Wiefen und Adern im Thal, beſonders ver etliche 50 Morgen 
große Schwärzlocher Wald, ver ſich vom Hellerloch über die Ebene bis 
zum Ammerwalde hinzog. Leider liegt die weitere Gefchichte des Hofes 
ſehr im Dunkeln, während der Bau des Haufes und der Kirche auf 
hohes Alter binweift. Diefe find im romaniſchen Stil vom Ende bes 
11ten ober Anfang des 12ten Jahrh. erbaut. Die Eculpturen, groteske 
Thiergeftalten, Blattwerk u. |. w., find derſelben Art, wie an andern 
firhlichen Bauwerken berfelben Zeit. Die Thiere mögen zum ‘Cheil auf 
den nahen Wald Bezug haben. Über den Erbauer, über den Heiligen 
der Kirche u. |. w. weiß man nicht das Geringfte!. Ein Kaplan von 
Schwärzloch ließ ſich noch im 1dten Jahrh. bei der biefigen Univerfität 
immatrifulieren . Nur Eine urkundliche Meldung findet fi aus viel 


1 [Auf einen anderen Blatte ſchildert Uhland die Gebäulichleit ausflihr- 
licher folgendermaßen: „Schwärzloch verkündigt fi) durch feinen Bauſtil als ein 
kirchliches Gebäude vom Ende des 11ten oder Anfang des 121en Jahrhunderts. 
Ein Kirchlein unter Einem Dad mit der Kaplanswohnung, das Ganze im 
romanischen Stil der bemeriten Zeit, demfelben, worin andre alte Kirchen des 
Landes, zu Brenz, Altheim u. f. w., gebaut und verziert find. Die Figuren 
in den Halbsunden des Geſimafrieſes und fonft an der fünlihen Außenwand, 
Blumen, Blätter, Vögel und andre Thiere, Trachen, Krolodill u. ſ. w., be. 
zeichnen mie anderwärts nicht bloß das vor die Thür binausgebannte Treiben 
und Umgehen des Teufels, ſondern allgemeiner die Luft und das che ber 
Velt, das Weltlihe gegenüber dem Heiligen. (Anderswo Jagd, Gaufler.) 
Der Engel am Eingang verwahrt diefen, entjprechend der Engelwache in alten 
Segenſprüchen. Wappenſchild einfach mit dem Gonftanzer Kreuze, die Diöceſe 
bezeichnend. Über den Heiligen der Kapelle erhellt nichts; das Klofter Blan- 
beuren war dem Täufer Johannes geweiht, Stälin 2, 708. H.) 

2 [Auf dem genannten Blatte bat Uhland folgende Nachweiſe gegeben: 
„Erwähung vom Jahr 1298, Erufinus 2, 176: Hugo de Halfingen, Marquar- 
dus et Henricus, filii fratram Hugonis, vendiderunt Bebenhusanis pratum 
8 jugerum, illis indivise pertinentium, situm apud Tubingen prope rivum 
dietum Ammer, inter Schwartzloch et Hindibach, dietum Haluingerbriel, 

uHland, Schriften. VI. 38 


594 


früherer Zeit, nemlih im Codex Hirsaugiensis, worin die bem be 
rühmten Klofter Hirfau gewordenen Bergabungen und andre feinen Güter 
befig betreffende Nachrichten bis zum Ende des 12ten Jahrh. geführt 
worden find. Darin lieft man ©. 63, nit ganz in der Mitte der 
Traditionen, alfo wohl unter ben Ältern, die Notiz: Wernherus de 
Swertissloch pratum in Ambra dedit, et dimidiem hubam, quam 
injuste invaserat, nobis reddidit. War wohl diefer nachträglich Fromm 
gewordene Mann der Stifter des Kirchleins? ebenfalls aber ift es 
von Sinterefle, hier den Namen des Gutes einmal in älterer Form vor: 
zufinden. Seine etymologifche Bedeutung läßt darnach keinen Zweifel 
übrig. 25h m. wird in den Gloſſen meift durch lucus überfegt, womit 
e8 auch etymologiſch zuſammenhängen wirb, alfo Wald, Hain. (Wie 
in der Nähe: Hellerloh, Hagelloh, Budenlob, Igelsloch!). Swertis 
ift alter Genitiv von Swert; aljo Swertis-loh Wald, Hain des Schwertes. 
Hiernach dasfelbe, was im Norden Tiislunde, in Norbbrabant Erisloh, 


XXX libris denar. monetw Hallen, de consensu plenario Gntfridi, Palat. 
eomitis de Tubingen, cujus ministeriales erant. Actum 1293 idibus April. ' 
Indict. 6. (Seller 547). Erſt wieder in einem Briefe des Abts Heinrich und 
des Convents von Blaubeuren von 1477 („an Zinstag vor Letare halbuaften*), 
zum Beten der Univerfttätsfiftung, kommt hierauf Schwerzloch wieber vor: „fe 
haben wir vnſers goßhußes capplony pfründe vff dem berg zů ſwerczloch geu 
tuwingen jn fant Jörigen pfarrlirchen gegeben und kemen außen, alfo und mit 
ſölichem nemlichem under ſchaid“ u. ſ. w. daß dieſe Kaplanei bei Erledigungen 
von dem „colegium zu tumwingen uns ober vnſer nachlomen benempt wirdet, 
dem jelben fo jolich pfründ von vns und unfer nachkomen allweig gelyhen wer- 
den” u. |. w. (Pergamenturfunde im Stuttgarter Archiv.) In die erſte Uni 
verfitätsmatrilel unter Nauclerus infcribierte: D. Johan. Ainber, Capell. in 
Schuuartzloch (Grufius 2, 451. Zeller 548). Weiterhin 1508 datiert Jacob. 
Henrichmannus Sindelfingensis aus Schwerzloch feine Prognostica dem 
Freiherrn Chriſtoph von Schwarzenberg et illastri pcöte Henrico Bebelio; 
Schluß: Et tu, Bebeli charissime, hæc jocosa facetiis tuis adjungito! 
Valetel Ex Schwartzlochio Il Calend. Martias anno 1508.“ Unter den 
Profess. philosophie et artium Tubing. ante reformationem erjcheinen bei 
Zeller 484: Jacobus Henrichmannus, Sindelfingensis, grammaticus, ante 
1506 und Henricus Bebelius, Justing., orat, et po&s. professor, 1497, 
scriptis clarissimus. Es mag damals auf Schwerzloch eine Herberge luſtiger 
Gefellen gewefen ſein.“ 9.] | 

1 Ramentid auch Heiligenloh (im Hoyaifchen), wie andermärts Heiligenfork 
(Mythologie 66). 


595 


— — — — — — 


nur daß in Tiis⸗, Eris: die Bezeichnung des Gottes ſelbſt, in Swertis⸗ 
(dem Genitiv eines Neutrums) die des Eymbols liegt. ebenfalls ein 
dem Schwertgotte geheiligter Wald, defien Name auf den Hof und bie 
chriſtliche Kirche (mie Eriskirch) übertragen wurde. Noch immer aber 
bat der Wald ſelbſt Teinen andern Namen als Schwärzlocher Wald. 
Wurde alſo auf dieſer Waldhöhe ber Gott des Echwertes, des Kampfes, 
des Sieges verehrt, jo wirb dieß nicht außer aller Berührung damit 
fteben, daß die Alemannen, die Verehrer des Ziu, eben auf biefen 
Höhen zur entfcheidenden Schlacht ſich aufgeftellt hatten. Ihre feftefte 
Stellung mochte zugleich das Heiligthum des Biu fein, wie die Veſte 
der Sachen, in der fie fih von Karl dem Großen angreifen ließen, 
die Eresburg. 


6. Tübingen. 


Es gibt noch Feine irgend einleuchtende Erflärung des Ortönamens 
Tübingen . (Echmeller3 „Twing“, 4, 306, will auch nicht genügen, 
die patronymilchen singen ſind in dieſer Gegend zu einbeimifch.) Der 
Drtöname, der in den 70ger Jahren bes 11ten Jahrh. mit feinen Grafen 
zuerft vorlommt, wird bei Annaliften und in Urkunden manigfach ge: 
fchrieben, doch in den älteren vorberrfchend Tuingen und Tuwingen. 
Drtönamen auf »ingen find Dative des patronymifchen sing. Woher 
fol nun Tuing, Tuwing ftammen? Einfach von Tu = Tiu, pri 
Tu. In diefer Gegend follte man freilih Ziu, alfo Ziuwingen, Zeu⸗ 
bingen, ertvarten Aber Eigennamen, deren Sinn vergefien war, konnten 
am ebeften den Proceſs der Lautverfchiebung überbauern. Bei ihnen 
bat aud das Schwanken am längften gewährt, wie man noch längerhin 
Turih ftatt Zurih und in alemannifhen Urkunden 3. B. Tuto mit 
Zuzo, Utinwiläre mit Uzinwiläre wechſeln fiebt . Tuinge, Tuwinge 


1 [E83 mag bier wol die nachfolgende Bemerfung in der zimmertfchen 
Chronik, herausgegeben von 8. A. Barad, 1, Tübingen 1869, ©. 61, eine 
Stelle finden: „Aber Calo der nam fol von den dentſchen volfer, den Galuconen, 
entfpringen, zugleichen der nam Zubingen von den völlern der Tubanten ber- 
kompt.“ 9.] 

2 Bgl. Butilinus —= Buceellinus, Stäfin 1, 158. 171 f. 


596 


waren alfo Angehörige des alten Kampfgotts, wie bie nordiſchen Tys- 
eetlüngar, welche füglih auch Tjiagar, angelſächſiſch Tivinges, beißen 
fönnten ?; w ift nur vermittelnd. (Bgl. Zeug 149 ***): „Tivingi®, 
146 *). 316 oben.) 


7. ödenburg?. 


Vielleicht lebten die Tüinge früher dem Walde des Schwertgottes 
dem Swertisloh, noch näher, als jebt. Der Schwärzlocher Walb zieht 
fi) gegen den Epitberg bin; in einer Urkunde des 16ten Jahrh. wird 
fogar der Epigberg ſelbſt zum Schwärzloch gerechnet, wenn dieß nicht 
falſch geichrieben ift. Wie das Schwärzloch auf der Norbfeite, ift der 
Spigberg ſüdlich nur ein höherer, Tühnerer Ausläufer des Höhezugs. 
Eine Halde am Spitberg heißt in Urkunden, Lagerbüchern und noch 
gewöhnlich die Odenburg. Das althochveutfche Adjectiv „Obi“, übe, 
bebeutet leer, verlaflen (Graff 1, 150: die [Butta] danne ode ftat. 
N. 78, 1. holen ode ftanden, specubus viduatis. Mep.). Die mit 
Even: zufammengefegten Drtönamen ftehen meiſt in einem Gegenfake, 
3 B. Even: Kling neben Kling dem Sclofie, Eden⸗Stockach neben 
Kirch⸗Stockach, Schmeller 1, 29. So mag Obenburg heißen: zur dben, 
verlafienen, aufgegebenen Burg 3. Bon dem fchrofferen, engeren Berge 
mochten die Tüwinge auf einen andern, bequemeren, auf die Stelle 
des jeßigen gezogen fein, ihre vormalige Burg war nun bie verlafiene, 
vereinfamte geworden. Man findet auch nirgends ihrer urkundlich ge 
bacht, Fein Dienftmann ber Tübinger Pfalzgrafen ift von Odenburg 
genannt, nur ber zerfchnittene Rüden des Spigbergs gibt noch Zeugnis 
von ber vormaligen Burgvefte. 


1 [Bergl. oben S. 88. 84. In einem Briefe vom 22 Zuli 1847 fchreibt 
Uhland aus Tübingen an Jacob Grimm: „Was find denn die Zuminge, wenn 
nicht Angehörige des noch nicht lautverſchobenen Biu (Tfswetiüngar), aleman- 
niiche Cyuvari?“ Vergl. Ludwig Uhland. Eine Babe für Freunde. Zum 26 April 
1865. Als Handſchrift gedruckt. ©. 340. H.) 

3 [Bergl. L. Schmid, Geſchichte der Pfalzgrafen von Tübingen ©. 1.2. $.] 

8 Mojer, Beſchreibung von Würtemberg 473: „Weg auf die alte Burg.” 


597 


8. Das Blauthal. 


Wer fich im einftigen Gebiete der Grafen von Tübingen nad ber 
Etelle umfieht, die vor allen gefchaffen war, den fagenbildenden Volle» 
glauben anzuregen, beffen Auge muß ba haften, wo drei Brüber dieſes 
Stammes um dad Jahr 1088 die erfte Klofterftiftung ausführten. Abs 
gelegen vom Bezirke der alten Grafſchaft, hatten die Tübinger anjehn- 
lihen Befig im obern Blauthal und auf der angrenzenden Alb. Auf 
diefen gründeten fie da Johanneskloſter Blaubeuren am Urfprung des 
Flüßchens Blau 1. Hier ift ein frifchgrünes Wiefenthal von zadigten, 
Ichroffgellüfteten Felöbergen umfchlofien, deren einige mit Burgtrümmern 
gezinnt find. Dicht am Fuße des fteilen, hochragenden Blaufeljes rundet 
fih ein Waſſerbecken von tiefblauer Farbe, von uralten Bäumen über: 
bangen, der Blautopf, der in folder Stärke unter dem Geftein hervor: 
kommende Slußquell, daß er wenige Schritte vom Ablauf aus dieſem 
natürlichen Behälter Mühlwerle treibt. Der bimmelanragende Fels 
fpiegelt ſich ebenſo weit binab in dem klaren Teiche, deſſen Tiefe für 
unergrünblich gilt. 

Ob an die Überrefte der Vefte Ruck, auf welcher Siboto, einer ber 
drei Hofterftiftenden Brüder, faß, auch das Gedächtnis bes Sängers 
Heinrich von Rude zu Tnüpfen fei, foll hier nicht entſchieden werben. 
Sin feinem fchönen, ernften Leich vom heiligen Grabe, der kurz nad) 
dem Tode Kaifer Friedrichs I verfaßt ift, nennt fich der Dichter bes 
fcheidenslih: „der tumbe man von Rug[gje” (MS. 3, 468c, 27); als 
Dienftleute der Pfalzgrafen von Tübingen finden fi in den Urkunden 
die von Rucche feit 1191, doch taucht der Name Heinrich erft 1267 auf ?. 


1 [Stälin 2, ©. 428. 708. H.] 

2 28, Schmid, Geſchichte der Pfalzgrafen von Tübingen S. 498. 198. 
Urkunden⸗Buch S. 9 oben. Beſchreibung des Oberamts Blaubeuren u. ſ. w. 
Herausgegeben u. |. w. von Memminger. Stuttgart u. Tübingen 1880. &. 188: 
„Das Wappen der Dynaſten von Ruck, das fi) noch bier und da in ber Kloſter⸗ 
fire und an dem Klofter findet, beſtand in einem vieredigen, in vier gleiche Felder 
getheilten Schilde, zwei von gelber und zwei von rother Farbe.” [Stälin 2, 
©. 427. 168. 761. F. Pfeiffer in feiner Germania 7, Wien 1862, ©. 110 ff. 
K. Bartſch, Diutfche Liederbichter des zwölften bis vierzgehnten Jahrhunderts. 
Leipzig 1864. ©. XXXI. XXVIII. 9.) 


398 





Weiter unten im Blauthal liegt Söflingen, twoher der etwas ältere 
und noch dem Vollston näher kommende Minnefänger Meinlo von 
Sevelingen den Namen bat. Mit heimiſcher Sage hatten jeboch beide 
Dichter nichts zu ſchaffen, fie folgten dem ritterlichen Geift ihrer Zeit, 
der auch im Liebe dem Frauendienſt, wie er von jenjeit3 bes Rheines 
angellungen,. und der frommen Kreuzfahrt zugewandt war. 

Gegen Ende des 18ten Jahrh. war ein Mönch des Prebigerklofters 
zu Um, Selig Fabri, in gelehrter Richtung viel mit den Wundern bes 
Blautopfs und der Umgegend beichäftigt; ihm ehren die Waſſer der 
Blau, nachdem fie mit der Donau vereinigt in das fchwarze Meer ge 
flofien, aus biefem unterirbifch zu ihrer Duelle zurüd und er zweifelt 
auch nicht, daß vormals an der Blauquelle dem maflerftampfenven 
Pegafus göttliche Ehre eriviefen worden fe, fowie daß man geglaubt, 
bier babe Neptun jeinen Dreizad tief eingeftoßen und eine bevorzugte 
Nymphe zur Königin der andern eingefebt, weshalb vor Erbauung der 
Johanniskirche hier ein Nymphentempel beftanden babe, befien Grund: 
lage noch zu feben fei (Golvaft, Seriptores rerum suevicarum 108 f.). 
Selbſt auf feiner Pilgerfahrt nad) dem heiligen Lande, auf der er die 
Inſel Greta beſucht, find ihm bie unterirbiihen Gänge einer Felshöhle 
bet Blaubeuren unvergeßlich, die er mit dem dädaliſchen Labyrinth 
zufammenftellt (Evagatorium 3, 279. Bgl. Golvaft S. 106. Memminger 
26 f.). Zur ſchwäbiſchen Sagenkunde gibt er hiebei lediglich den Ber 
trag, daß Kaifer Friedrich im leßtvergangenen Jahre den Blaubeurern, 
nach ihrer eigenen Namensableitung, einen blauen Bauren zum Mappen 
gegeben babe (Goldaſt S. 111. Sattler 2, 149) 1, den fie auch noch 
führen, was dem ergeßlichen Haupiftüd von den Schwabenftreichen 
einzureiben fein wird. 

Bon der ahnungsvollen Scheue, mit der man ſich dem tiefquellenden 
Waſſer näherte, zeugt nur noch ein Heiner Sagenreft, den biefelbe 
Chronik bewahrt hat, der das Märchen von ber weidmänniſchen Walbluft 
des Pfalzgrafen zu verdanken iſt?. Zwar bezieht ſich die nachfolgende 
Erzählung auf eine Zeit, zu welcher der Landbeſitz und die Nechte bes 
pfalzgräflihen Haufes im Blautbal bereit8 an bie Grafen von Helfen 


ı Schmeller 1, 191. 186 u. 
3 Bergl. oben S. 318 bis 316. S.] 


599 


ftein, twahricheinlih durch Heirat, übergegangen waren ?, aber Vor⸗ 
ftellungen aus früberem Alterthbum fcheinen deutlich binburdh. Die Kunde 
lautet fo 2: 

„Man findt gleichwol, das vor vil jaren, als die graffen von Helfenftain 
das flettlin Blaubeıren fampt der ganzen herſchaft und zugeherde, wie dann 
das iezmals von den berzogen von WBurtenberg beberichet, noch ingebapt, das 
zwen gebrucher, des gefchlechts grafen von Helfenftain, ainsmals mit ainander 
zu dem urfprung und bronnen ber Blaw fpacieren gangen und ber ain under 
inen ain flain allerneft dem urjprung von manicherlai farben erfehen. Den 
Hat er ufgehept und beſehen. Wie bald das befchehen, do ift er dem ander 
bruder ußer den augen kommen, derhalben im gerueft, wo er fo bald hin fomen. 
Der hat im geantwurt. Wie er aber in noch nit gefehen, aber wol gehert ober 
vernommen, das er allernedhft bei ime feie, do bat er ſich noch mer verwundert, 
darauf dem bruder befennt, er here in wol, kunde in aber nit ſehen, und be 
gert, womit er ſolchs zu wegen bring. Do hat im ber bruder den flain au 
in die hand geben, alſo hat er in gleicher geftalt mit geſehen. Wie fie nur 
baide vermerkt, das bie craft von dem ftain here raich, do haben fie nach langer 
beratfhlagung und erwegen, was fie mit difem ftain, als aim koſtlichen erb- 
kleinat, anfahen wellten, fich doch fetstlihen dohin entichloffen und bedacht, was 
nachtails und ubels ire nachkommen und erben biemit anftifen möchten, dar⸗ 
durch auch ir gefchlecht in fpott, unehr und höchſt verderben gefurt kund werben, 
darumb ſich beraten, das fie des ſiains und feiner tugent und kraft ſich wolten 
verwegen und verzeihen, und bamit warfen fie den flain ainhelligclichen in den 
urfprung der Blaw, welcher dann vil claffter dief, und niemands forgen darf, 
das in etwar wiberum vom grund heranf bring. Man jagt, als der romifh 
König Yerbinandus das Iand zu Wurtenberg noch ingebapt, do hab er ob 
anderthalb claffter dief an ſchnuren laſſen hinab meffen, aber man hab Tainen 
grund noch erraichen Funden.“ | 


Unter den wunderbaren Kräften ebler Steine, die ſchon bei Plinius 3, 
dann noch reichlicher in mittelalterlichen Schriften * aufgeführt werben, 


1 [Nach dem 24 December 1267. Bgl. Stälin 2, &.398, Anm. 8, S. 481. 9.] 

3 (Die Handſchrift hat Hier nur die Worte: „Man findt” u. f. m. bis 
„ersaichen künden.“ Ich theile die hierher gehörige Stelle nach Baracks Aus- 
gabe der zimmeriſchen Chronik B, ©. 88 f. mit. $.] 

3 Plinius, Historie naturalis 37, 60, Zweibrildener Ausgabe 5, &. 436 oben. 

4 Muſeum 2, S. 8. Titurel, Drud 235 a, 4 bis 10. [Man vergleiche 
auch Dante, Inferno 24, 93 und die Sommentatoren zu diefer Stelle. Boccaccio, 
Decamerone 8, 8. Banizzi zu Bojardos Orlando innamorato 2, ©. 182. 





600 


feblt auch diejenige bes Unſichtbarmachens nicht. Aber auch in Helben» 
lieb und Volfsfage wird ſowohl bie Möglichkeit, elbifcher Weſen anfichtig 
zu werben, als die Befähigung diefer, fih dem menſchlichen Blide zu 
entziehen, von dem Befige zauberfräftiger Steine abhängig gemacht !. 
Sp deutet nun auch der fchillernde Etein am Rande des Blauquells 
auf nedifche Geifter, die damit allerlei Blenbung trieben. In ber 
Scheue der Brüber von Helfenftein, ven lodenden Fund zu einem Erb: 
Heinode zu machen, liegt die Borabnung einer ganzen unbeilvollen 
Stammgeidichte, wie fie dem aus ber Waſſerhöhle geholten Ringe des 
Zwerges Andvari ſich angelettet hat? Der alte Sagenftein, ber noch 
einmal fein Epiel verfuchen wollte, warb in die unergrünblicdhe Tiefe 
verfentt und nur erſt in dieſen Tagen bat ein ſchwäbiſcher Dichter die 
geheimnisvollen Mächte des Blautopfs wieder heraufbeſchworen °. 


9. Kirchtenlee und Gunzenler ‘. 


Ein örtlicher Anklang an die Baargrafen ergibt fi in Folgenden. 
„Birbtinle” hieß eine Dingftätte, wo Pfalzgraf Rudolf II (1224 bie 
3247) in einer Berfammlung vieler Edeln über die Mitgift feiner dem 
Grafen Burkhard von Hohenberg vermählten Tochter und zugleich über 
eine Lehenſache tagt (Schmid, Geſchichte der Pfalzgrafen von Tübingen, 


Weitere litterariſche Nachweifungen babe ich in meinem Buche tiber Greftien 
von Troies, Tübingen 1854, ©. 157, Anm. 2, und in meiner Ausgabe des 
Romans dou chevalier au Iyon, $annover 1862, ©. 44. 45, gegeben. $.] 

1 Omit, Mone Str. 148 bis 150. Cttmüller Str. 68 bis 70. J. Grimm, 
Deutihe Mythologie ©. 431, Anm. 1. &. 1167. 1170 unten. 

2 (Schriften 1, ©. 81. 82%, 5] 

3 (Das Stuttgarter Hugelmännlein, Märden von E. Mörike. Stuttgart 
1853. 9.] 

4 [Bergl. 5. Pfeiffer, Der Gunzenle, in Germania 1, Stuttgart 1856, 
©. 81 bis 100, mit einigen Nachträgen wiererholt abgebrudt in F. Pfeiffer, 
Zreie Forſchung. Kleine Schriften zur Geichichte der dentfchen Literatur und 
Eprade. Wien 1867. ©. 275 bis 806. H. Bergl. ferner 8. J. Schröer, 
Mythiſches von dem durch den Gunzenlke gefeierten Konrad, in Germania 16, 
Bien 1871, ©. 286 bis 293, Augsburger Allgemeine Beitung, Beilage vom 
7 Zuli 1866. 8.) 





601 


Urkunden- Bud S. 11): „placitum quod dominus R. de Tüvingen 
pallatinus cum flliastro suo. B. Comite pro dote filie sue in 
Birhtinle conuenientibus ibidem multis nobilioribus habuit* u. ſ. w. 
Eine Urkunde des Grafen Albreht von Rotenburg 1264 nennt 
„locum Birtinle* (ſo im Original zu Kreuzlingen). Zum Jahr 1291 
bemerlt dann der ortskundige Konrad von Wurmlingen, daß Graf 
Ulrich von Wirtenberg mit Heeresmacht über diejen Play gegen Roten: 
burg gezogen fei („ascendendo Bircinloe“, lie Birtinleo, Chron. Sindelf. 
herausgegeben von Haug, 25. Böhmer, fontes rerum germanicarum 
23, 473). Der noch mehrfach entftellte Name bezeichnet auch fpäterhin 
ein großes Wiefenfeld, das fi) von Wurmtlingen gegen den Nedar 
binabzieht (Schmid 136 f. 145 f. Lußen von Lugenhart handſchriftliche 
Chronik von Rotenburg 1, 14). Zur Erklärung besfelben dient ahd. 
blöo m., gen. hlewes, agger, tumulus (Graff 4, 1093. Grammatil 1, 
2te Ausgabe, 613; 3te Ausgabe 94), mhd. bei Walther (75, 32 f.): 
„3% faz üf eime grüenen IE; da enfprungen bluomen unbe HE” u. |. w.; 
das entiprechenve angelfächfifche hieev, hiäv (Grammatik 1, 3te Ausgabe, 
359. Ettmüller, lexicon S. 493: „tractus terre paulatim ascendens* 
u. f. w.) findet ſich verfchiebentlich Berfonennamen angefügt: „Ösläfes- 
hläv“, „Vihtbaldes-hläv* (Leo, rectitud. 67), gleicherweife ift in 
Birhtinle das ahd. bleo, mhd. IE zufammengefeht mit der regelrechten 
ahd. Genitivform (ſchwaches Masculinum erfter Declination, Grammatik 1, 
2te Ausgabe, 613) des Mannsnamens Birbto, Pirhto, ven ich zwar 
in den alamannifchen Urkunden nicht finde, der aber durch die befannte 
Berlleinerung Pirbtilo vorausgejeht wird. Pirhto ift gleih Perahto 
(weiblih Perahta, Berta, Beides die ſchwachen Formen bes Adjectivs 
peraht, leuchtend, glänzend); da in ber Zufammenziehung das a auss 
gefallen ift, durch welches die Brechung des urfprüngliden i in ber 
erften Silbe herbeigeführt war (Sprachgefchichte 277, vgl. Grammatik 1 
(2), 82. 1 (3), 77. 82 fj.), jo konnte das ungebrochene i wieder eintreten. 
Es liegt in der Entiwidlung des altdeutfchen Namenweſens, daß in einem 
beftimmten Gefchleht um den einfachen Grundnamen, bier Perahto, 
Pirhto, durch Verkleinerung oder Abftammungsform, hier Pirbtilo, 
Berftärtung oder Zufammenfegung, hier Perahtolt (vgl. Grammatil 
3, 706), etwa auch Hruobperabt, Rodbert, fich eine Namenfippfchaft 
bildet, die dann wohl auch in Ortsbenennungen aus dem Bereiche ber 


602 


Stanimgenofien fi abvrüden Tann: Birhtinle, Pirbtilinpara, Perah⸗ 
toldispara. Möglich ift auch, daß die Ramensformen Pirhtilo und 
Pirhto nah Umftänden für viefelbe Perſon gebraudt murben, tie 
Hanfelminus und Anshelm in der Schörzinger Urkunde von 785. Nach 
eben dieſer lag Altheim bei Horb „in pago Pirihteloni*, nad einer 
zu Nagold (in villa Nagaltuna) ausgeftellten Urkunde Gerolds, des 
Grafen der Berchtolpsbaar, von 792 (Neugart Rr 97) aud Hechingen 
(„in Hahhingum®) „in pago qui vocatur Perihtilinpara“, womit ber 
Sau Birchtilos dem Birchtenlee ziemlich nahe rüdt und in den nach⸗ 
maligen Bezirk der Nagolvgrafen zu QTübingen bereinragt; ſelbſt zu 
Gilftein bei Herrenberg war Gerold begütert (Codex Laureshamensis 
3289, vgl. Schmid 512 f. 517). Wie nun Pirbtilinpara, Berabtol: 
dispara den Gerichtsbezirk Birchtilos, Berchtolds bezeichnete, jo wohl 
auch Pirbtinleo eine Dingftätte Birchtos oder Birchtilod. Wie man 
Gaue und Huntare nad den Grafen berfelben benannte, jo war bieß 
auch auf Gerichtftellen anwenbbar, wo fie den Vorſitz führten. Auf 
Öffentlicher Malftätte wurden auch Berlöbniffe vorgenommen (Redhik 
alterthümer 433, vgl. Neugart Nr 11: „actum in Craolfes-tale in 
mallo publice*, der Name Gräulf, Gräolf in ben Trad. Wiszenb. 
Nr 16. 199. 275) und fo wurde auf dem Birchtinle im Kreife vieler 
Ritter, neben lebenrechtlicher Verhandlung, die Heimfteuer der: Pfalz 
graftochter berebet. Mit dem Birchtenlee ftelle ich zu weiterer Exläute 
rung den berühmtern Gunzenlee zufammen. So hieß ein großes Feld 
bei Augsburg, auf weldem im Laufe des 12ten Jahrh. mehrmals fürft- 
liche Berfammlungen ftattfanden. Dort feierte 11237 zur Pfingftzeit 
Heinrich der Stolze, Herzog von Baiern, feine Hochzeit mit der Tochter 
des Kaifers Lothar, dann an Pfingiten 1175 fein Bruder, Welf VI, 
glänzende Nitterfefte (Stälin 2, 259. 262); wieder an Pfingften 1197 
begieng daſelbſt der Hohenftaufe Philipp, eben mit dem Herzogthum. 
Schwaben belehnt, zugleich mit jeiner Schwertleite dad Hochzeitfeft mit 
der griechiichen Kaifertochter Irene (ebd. 2, 134); hieran iſt es eine 
Erinnerung, wenn im jüngern Titurel von ben koftbaren Ärmeln eines 
feftlich gelleiveten Ritters gefagt wird, dab fie dem Kaifer anftänden, 
wenn es auf dem Gungenlee feierlih im Brautfluhl fähe (Heidelberger 
Papier: Handichrift 141, Blatt 79: „fo daz fi römſchem Zaifer wären 
gemäzze, ſwenn ex vff dem gungenle enbrutftül in aller wirde ſääzze“; im 


603 


Drude von 1477 und darnach in Benedes mhd. Wörterbuch unrichtig 
„guntzele“, in der Heibelberger Handſchrift 383 nah Hahns Abdruck 
1508: „uf dem concilie“). Philipp hielt die Verfammlung auf dem 
Bunzenlee zum Antritt feiner ſchwäbiſchen Herzogswürde, Heinrich ber 
Stolge, obgleich Herzog von Baiern und nachher von Sachſen, ſowie 
fein Bruder Welf, hatten ihr Heimathsrecht in Schwaben und Erfterer 
führte feine Anvermählte fogleih auf den Stammfig Ravensburg (Stälin 
2, 259. Homeyer, über die Heimath u, |. w. 52, vgl. Anm. !) 

Hiernach erjcheint des Gunzenlee als große ſchwäbiſche Dingftätte. 
Er war ein Theil des auf beiden Flußfeiten weitgeſtreckten Lechfelds 
(„prope Augustam civitatem in campo Liei® für den Gunzenlee), 
lag aber auf ber ſchwäbiſchen Weftfeite und konnte nur fo ale Wahl 
ftätte des fiegreichen Kampfes wider die Ungarn vom Jahr 955 genannt 
werden (Stälin 2, 455, 4.2). Die Lage am Led) bat zur Verwechs⸗ 
lung des le mit dem Flußnamen geführt („Bunzinleh” ebb. 134, 
A. 2; Iatinifierende Entftelungen find Conciolegis, Conciolegum, bei 
Crufius P. I, L. IX, S. 340 gar: Concio Legionum). Beides zu- 
fammen aber, Namenjchreibung und Lage, wird richtiggeftellt durch 
folgende Reimzeilen des Dietleib: 

5636 f.: ich [en] wayſs, in wie manigen tagen 
ſy komen an daz Lechveld u. ſ. m. 
5654 : an das Lech in Bayr lant u. ſ. m. 
5744 ff.: die Hünen fach man müten, 
wie ſy vbers Lech folten fomen, 
berberge het in da genomen 
der marſchalch bey dem Güngen 2e, 
weber ſyder noh ee 
tom nie als manig weygant 
hin ze Swaben in das landt. 

Gunzin (Bunzinsle wie Birhtinsle) iſt ahd. Genitiv des Manns⸗ 
namens Gunzo, einer Ablürzung von Guntheri (vgl. Grammatik 3, 691 f., 
aus Chuonrät würde Chuonzo geworben fein). Durch den örtlichen Namen 
Bunzinle gewinnt nun au die Meldung der fonft nicht wohlberufenen 


. 1 Seine zweifade Stellung drüdt fih in der Meldung bes Anonymus 
Weingartenſis aus: „optimates quosque Bauuarie ac Suevie ad nuptias 
invitat.* 


604 

Lebensbeichreibung des heil, Magnus einigen Anhalt, wonad in ber 
vordern Hälfte des Tten Jahrhunderts über Augsburg und Rätien (Bestia 
Vindelicorum, vgl. Zeuß 238) ein Herzog Cunzo gejegt war (Vita s. 
Magni bei Goldaſt, scriptores rerum alamannicarum 1, 198: „Dux 
Cuntzo ex provineiis Auguste et Retise*, vgl. Merlel, de republica- 
Alamannorum X, 2, ©. 39). Der Gunzenlee war Dingftätte Gunzos, 
wie der Birchtenlee Birchtos oder Birchtilos; wenn bier der Pfalzgraf 
Rudolf II im engern Kreife feiner Nitterfchaft tagte, fo waren 1175 
fein Großvater Hugo und fein Bater Rudolf I dorthin zur großen Pfingft- 
verfammlung der Fürften und Herrn geritten (Monumenta Boica 7, 359: 
„Hugo Comes de Tubingen, et filius eius Rudolphus u. |. w. Stälin 
2, 440, Schmid 91). 


10. Tellſage. 


Die Zweifel giengen zunächft vom Apfelihuß aus, es wurden 
dabei aber auch überhaupt gejchichtlihe Zeugniffe aus früherer Zeit 
vermilt. 

Willimann, Berfafler von Antiq. helvet., an Golbaft 1607: fabu- 
lam meram arbitror; e8 werde bes Tells erft von Spätern gebadht; 
fabulam ortam ex more loquendi vulgi, Qui sagittarium commen- 
dans pomum de vertice filii posse impune et innoxie dejicere- telo 
eum jactitat. 

Stephanius Note ad Saxonem Grammaticum ©. 204f. Zufammen 
Kelung (ohne ein Urtheil) Tocos mit. Tell, dem Zauberer Bunker und 
dem Gretenfer Allon. 1644. 

Boltaire, Annales de l’empire ©. 263: Avouons que toutes 
ces histoires de pommes sont bien suspectes; celle-ci l’est d’autant 
plus qu’elle semble tir&e d’une ancienne fable danoise. 

Uriel Yreudenberger (anonym): Guillaume Telle, fable danoise, 
Bern 1760. Der Stand Uri ließ diefe Schrift verbrennen. Wider 
legungen: Baltbafars, Zurlaubens, Emanuel von Haller (Borlefung 
im äußern Stande zu Bern 1772), Hiſelys. Iſelins hiſtoriſches und 
geographiiches Wörterbuch (Mangel an alten Zeugniflen; Tolo). 


605 


Johannes Müller erzählt im Texte nach den Chroniken, in ben 
Anmerkungen fpridt er allgemeiner. 

Grimm in Schlegel® deutfhem Mufeum 3, S. 58 bis 75, ftellt 
die Schügenfagen unter mythiſch⸗etymologiſchem Gefichtspuntt zufammen. 
Selbft der Name Teli wird hierin aufgelöſt. William von Cloudesly. 
Eigill. 

Ideler, die Sage von dem Schuß des Tell, Berlin 1836. Er 
pflichtet (S. 3. 65) Willimanns Anficht bei, läugnet übrigens nicht 
(S. 71) Tells geihichtlihe Exiſienz. Fleißige Zufammenftellung, doch 
ohne fcharfes Refultat. 

Kopps Kritiſche Urkundenfammlung (Kopp, Urkunden zur Gelchichte 
der eibgenöflifchen Bünde. Lucern 1835). Im Jahr 1302 erhielt Herr 
Eppe von Kußnach die dortige Vogtei und um 1314 war biefelbe noch 
bei dem nemlichen Geſchlecht (Häuffer 50 f.). Niemals war fie bei 
einem. Geßler. 

Ludwig Häufier, bie Sage vom Tell, aufs Neue kritiſch unter 
ſucht. Eine von der philoſophiſchen Facultät der Univerfität Heidelberg 
gekrönte Preisfchrift. Heidelberg 1840. Hier wird die Unterfuchung 
umgebrebt, der Schuß und andre Einzelnheiten jagenhafter Art an bas 
Ende verlegt, dagegen die Frage über Tells Exiſtenz und Verhältnis 
zur Befreiung ber Schweiz, als hiftorifche Hauptaufgabe, vorangeftellt. 
Ergebnis ift: die Exiftenz einer Perfon mit Namen Tell fei als um 
bezweifelt anzunehmen, aud möglich, ja fogar mahrfcheinli, daß er 
in einem kleinen Kreile eiwas an fich Unbedeutendes und in feinen 
Folgen ganz Sioliertes gegen die Herren gethan habe, mas ihn unter 
feiner nächſten Umgebung auögezeichnet. Eine biftorifche Bebeutung des⸗ 
felben fei durchaus nicht anzunehmen, Befreier der Schweiz fei ex nicht 
geweſen (©. 86. 102). Einer im Grunde bebeutungslojen Perfon 
wurde eine Wichtigkeit gegeben, welche die Gefchichte ihr nie einräumen 
Iann (S. 87). Gang der Unterfuchung: 

Die erften und unmittelbaren Quellen der eibgenöflifchen Geſchichte 
des 14ten Jahrh., der Mönd Johannes von Winterthur, geft. um 
1348, und Suflinger, um 1391 NRathöfchreiber zu Bern, feit 1411 
Stadtſchreiber, geft. 1426, jchrieb 1420, ſchweigen gänzlich von Tell. 
Erfterer Spricht von der Auflehnung ber Walbftätte erſt beim Jahr 1315, 
dem jahre der Schlacht am Morgarten; Juſtinger bezeichnet nur im 


606 


Allgemeinen die Urfache des Aufftands, die Herrfchaft der Bögte und 
Amtleute, welche neue Rechte geſucht, auch Muthwillen gegen Frauen 
und Töchter der Untergebenen geübt, morauf eine Beichreibung bes 
Kriegs und der Schlacht am Morgarten folgt. 

Epätere und mittelbare Quellen aus dem lekten Theil des Ibten 
und aus dem 16ten Jahrhundert: 

Melchior Ruß, Gerichtichreiber in Lucern, lebte in ver letzten Hälfte 
des 1dten Jahrhunderts, fol 1499 in der Schlacht bei Reined gefallen 
fein. Seine eidgenöſſiſche Chronik gebt bis 1414. Er bezieht ſich auf eine 
ältere Chronik von Egloff Etterlin (auch auf ein Tellenliev? Ideler 7). 

Petermann Etterlin, auch Gerichtichreiber zu Lucern, vollendete 
feine Chronik 1507. 

Agidius Tſchudi, geb. 16505, Landammann zu Glarus, geft. 1572. 

Sobann Stumpf, geb. zu Brudfal um 1500, Sein Werk gebt 
bis 1545, er ftarb 1566 zu Zürich 

Sie haben erft die herkömmliche Erzählung vom Tell, doch mit 
manchen Wiberfprüchen im Einzelnen und immer mehr pragmatifierend. 
Der Ältefte, Ruß, benennt den Landvogt nicht und läßt ihn durch Tell 
gleich von der Platte aus erfchießen. Tell follte gen Schwyz „in das 
Schloß im See” (Schwanau) geführt werben. 

Bon dieſen Schrififtelleen meint Häuffer, daß fie den Maßftab der 
früheren Zeit an die ſpätere angelegt, auch zum Theil zu pragmati⸗ 
ſierend und patriotiſch erzählt haben. 

Als ihre muthmaßliche Quelle bezeichnet er hauptſächlich das Gebiet 
der Volkoͤlieder, in welches der dürre Stoff der Tellsſage übertragen 
und dort zu der jetigen Geftaltung der Sage ausgebildet worden. Das 
vorhandene Lied (und das Epiel) vom Tell fallen freilich nicht vor das 
17te Jahrhundert. 

Der Schuß wird dann natürlich als ſagenhaft angenommen, wahr⸗ 
ſcheinlich entweder aus der ſprichwörtlichen Redensart oder gar aus der 
verwandten ſkandinaviſchen Volksſage entſtanden 1. 

Zuerſt über den Schuß und deſſen ſagenhaften Charakter beſonders. 

Die örtlichen Verhältniſſe zu wenig beachtet. 


1 [Hiermit enden die Bemerkungen über die Schrift von Häufſer. Das 
Folgende if auf anderen Blättern enthalten. 5.) 


607 





Das Schweigen Johanns von Winterthur und Juſtingers ift fein 
Gegenbeiveid. Weder Winterthur noch Bern gehören fo zur Nachbar: 
ſchaft Uris, daß deſſen innere Begebenheiten dort umftänblicher hätten 
belannt fein folen. Zur Zeit. des erftern ſtand Winterthur unter 
Ofterreich, die Bürger biefer Stabt waren mit Herzog Leopold in bie 
Schlacht am Morgarten ausgezogen, Johann gieng als Schüler ſeinem 
Bater, der fih im rüdlehrenden Heere befand, vor das Thor entgegen 
und ſah den Herzog, ber vor Traurigkeit halb tobt geichienen. In 
diefem Verhältnis, noch mehr, als in der örtlichen. Entfernung, lag 
ein Grund der Gejchtenenheit beiver Gegenden. Der Berner Stabt: 
jchreiber hatte den Auftrag, die Gefchichte feiner Baterftabt zu fchreiben; 
von dem erften Ausbruch des Aufftands der Waldſtätte hörte er nur 
in den Bergen ftäuben, aud trat Bern erft 1353 in ben Bund ber 
Eidgenoſſen. 

Dagegen liegt Lucern an der Mündung desſelben Sees, an deſſen 
oberem Theile Uri liegt. Lucern war der erſte Ort, der, 1333, mit 
Uri, Schwyz und Unterwalden zum Bund der vier Waldftätte zuſammen⸗ 
trat. Von Lucern aus konnte man jeden Tag die claſſiſchen Stellen 
der Tellſage beſuchen und aus dem Munde des Urner Volkes ſelbſt 
vernehmen, was es von ſeiner erſten Erhebung zu erzählen wuſte. 
Daher natürlich, daß, da in Uri ſelbſt nicht geſchriftſtellert wurde, die 
erſten umſtändlichern Berichte von Lucernern, Melchior Ruß und Peter⸗ 
mann Etterlin, deren jener ſich wieder auf den ältern Mitbürger Egloff 
Etterlin beruft, herſtammen. 

Sollen, wie Häuſſer annimmt, Volkslieder die Quellen dieſer 
lucerniſchen Erzähler geweſen ſein, ſo waren es doch wohl Lieder aus 
Uri, dem Schauplatz der beſungenen Thaten, und dieſen Liedern ſelbſt 
wird örtliche ſagenhafte oder hiſtoriſche Überlieferung zu Grunde ge⸗ 
legen ſein. 

Wir müſſen uns daher nach Uri, in das Geburtsland der Uber⸗ 
lieferung, mit dem alten Melchior Ruß hineinbegeben. Das Ganze der 
Erzählung, ſei ſie geſchichtlich oder fabelhaft, kann uns nur hier voll⸗ 
kommen anſchaulich und lebendig werben. 

Fährt man von Lucern den Treuzartig in vier Arme getheilten See 
binauf, jo fommt man am oberften Theile von Brunnen an, wo bie 
ſchroffen Felfen zu beiden Seiten beranrüden und keinen Weg mehr 


608 


am Ufer lafien, am Fuße des Seelisberges zum Grütli mit ben brei 
Duellen (bie drei Telle im Berge), dann zur Tellen⸗Platte, die fchon 
Ruß fo nennt, mit ihrer Kapelle und wo nad ihm auch der Landvogt 
erichoflen worden; dann zu Lande nach Altborf, wo früher tie Linde 
gezeigt wurbe, unter der Tells Knabe fland und an deren Stelle jetzt 
ein Brunnen fteht, im nahen Bürglen am wilden Schächenbache, aus 
dem Tell den Knaben gerettet, wieber eine Kapelle, an der Stätte von 
Tell vormaligem Wohnhaus. So ift die ganze Gegend von der Sage 
belebt und biefe hinwider Bat überall ihren örtlichen Anbalt, ihren 
landſchaftlichen Hintergrund. Ya das Ganze ift fo Barmonifch zufammen- 
gebilvet, daß allerdings eben hierin eine Einwirfung der ausbildenben 
Phantafie fich fühlbar macht. 

Daß aber biefe gegenfeitige Belebung. der Tradition und der Ort: 
lichkeit nicht erft ein Ergebnis fpäterer Zeiten fei, daß fie ſchon früh—⸗ 
zeitig ſich vollführt habe, dafür fehlt es nicht an Zeugnifien, wenn id 
gleich dieſe nicht in gewünfchter Vollſtändigkeit beibringen kann. (Müller 
8, 835 erwähnt „der Chronik, welche Klingenberg, nach Art feiner Vor: 
eltern, um das Ende bes l4ten Jahrh. bis auf feine Zeit fortgefegt”, 
worüber die Kritiker fchmeigen.) Zeugnis der 114 Perfonen, bie in 
der Landögemeinde zu Uri 1388 fich Tells erinnerten, als dieſelbe eben 
jene Kapelle erbauen ließ, und nad einer andern Nachricht (Ideler 72) 
ließ die Landsgemeinde ſchon feit 1387 in dem Haufe, das Tell zu 
Bürglen beivohnt hatte und an befien Stelle nachher eine Kapelle kam, 
jährlich eine Predigt halten. 

Es waren nun im fohriftlofen Urt allerdings die Borausfegungen 
gegeben, unter denen ein Ereignis leicht zur Sage wird; Sagenhaftes 
ift bereitö anerfannt worden und felbft die Kapellenweihen mochten mit 
der Sage Hand in Sand gehen, wie dieß mit ber Kapelle an ber hohlen 
Gaſſe vielleicht der Kal ift, wohin die Sage ihren Kreis nur gezogen 
baben mag, um auch dem befreundeten Schwyz ihre Spur aufzubrüden. 
Darum aber bleibt es doch nicht wahrfcheinlich, daß man jene der Zeit 
nad beglaubigten Weihungen vorgenommen haben würde, wenn 114 
Zeugen ausgefagt bätten, daß der Tell, den fie gelannt, eine bebeus 
tungsloje Perfon geweſen fer, wenn fie nicht über ihn (mie bei ben 
Sanonifationen) in Beziehung auf feine Leiftungen vernommen worden 
wären, denen man boch eine folch heiligen Andenlens würbige Bedeutung 


609 


beilegen mufte. Auch würde bei einem hauptſächlich auf mündliche 
Überlieferung beſchränkten Volle gerade das für die Bebeutungslofigleit 
des Mannes und feiner That zeugen, wenn ſich bie Sage ihrer nicht 
bemächtigt hätte. Die Erzählung vom Tell ift auch nicht ein Mythus, 
d. h. eine durch Perfonification und poetifche Handlung ‚verbildlichte 
Idee, denn ed wird ja bie Erifteng ber biftorifchen Berfon und eine 
wirkliche That derſelben zugegeben. 

Darin liegt nun aber ein offenbarer Widerſpruch, daß ‘Tell wirklich 
eriftiert und gegen die Dränger bes Landes etwas gethban, daß ber 
Mann und die That durch Lieb und Sage verherrlicht und ihnen eine 
religiöfe Feier gewidmet worben fein foll, gleichwohl aber beiven ber 
Sharalter der Bebeutungslofigleit vom Anfang an zugelommen jet. 

Es bebt auch die Bedeutung Tells für den Befreiungstampf der 
gefammten Schweiz nicht auf, wenn feine That, wie einzuräumen, 
zunächſt auf Uri beſchränkt war; bat fie auf die Erhebung Uris ge 
wirkt, jo gieng ihre mittelbare Wirkung ebenſoweit, als bie thätige 
Theilnahme feiner Landgenofien. Die Männer von Uri lämpften, 400 
an der Zahl, in der Schlaht am Morgarten mit, dann in den ent 
Scheidenden Schlachten bei Zaupen 1339 und Sempad 1386. Der Stier 
von Uri gehörte fo recht zum länblich demokratiſchen Gepräge dieſer 
Freiheitsſchlachten; was feinen Zommuth entzündet und genäbrt, kam 
der ganzen Eivgenofienfchaft zu gut und gehört allerdings der Gefchichte 
der Schweiz an. 

Wie viel ober wenig Thatfächliches man übrigens am Tell zulafien 
mag, jo gibt e8 doch auch Sagen, bie eine gefchichtliche Bedeutung 
baben. Sinnreiche, lebensvolle Sagen, die am Eingang ber urkund⸗ 
lichen Geichichte fteben, zeugen von bem Geifte des Volles, das fie her⸗ 
vorgebracht hat; je weniger ihnen Thatfächliches zu Grunde liegt, defto 
mebr find fie ein Werk des Geiftes, und auch das if eine gefchichtliche 
Thaiſache, daß ein Volk geiftige Thätigkeit in einer Zeit übte, in welche 
keine biftorifche Urkunde Hinaufreiht. Die Schweiz ift zu beneiden um 
den fagenbaften Hintergrund ihrer Befreiungsgefchichte. In der Mitte 
ihres großen Gebirgszugs liegen die Thäler von Uri mit dem grünen 
tiefen See, dem bie Reuß entitrömt, der recht und links das Land 
umfaflend, ber Rhein und bie Yar zur Seite gehn, bis an ber Grenze 
besielben alle drei ſich vereinigen. Vom Nigi ober vom Schwizerhaten 

Uhland», Schriften. VIH. 39 


610 


aus zuerft gefeben, macht biefes wunderbar beleuchtete Seethal, von 
Schneegebirgen und ſchroffen Felſen umſchloſſen, einen ahnungsvollen 
Eindruck. Diele ganze Landſchaft nun iſt die große Kapelle ber ſchweize 
riſchen Volkahelden, dort entfprangen bie drei Quellen, die Quellen der 
geſchichtlichen Strömungen, bie ſich ind weite Land binaus Bahn brachen; 
ed iſt auch nicht zu verlennen, daß die Erinnerungen, welche dort haften, 
auf die Jugend bes Volls und gerabe auf beflen beflere, patriotifche 
Nichtungen und Unternehmungen manigfadhen Einfluß geübt, und man 
wird behaupten dürfen, daß eine moralifche Wirkung aud eine That 
ſache ſei . 


1 [Unter Uhlands Papieren fand ſich ein kurzer Trinkſpruch, den er bei 
dem Stuttgarter Schtlierfefle am 10 November 1559 auszubringen beabfidhtigt 
hatte. Er Heißt: „Es ift Gegenfland gelehrter Forſchung geworden, ob jemals 
ein Tell gelebt habe, [Wenn die Frage verneint wird, das if erſt recht Tells 
Zod.] Ich babe mich lebhaft mit dieſen Unterfuhungen beichäftigt, denen die 
Berechtigung nicht abgeſprochen werden kann; hieher gehören fie nicht. Aber 
Eines gehört hieher: gewis ift, daß ein Schiller gelebt Hat; er lebt noch und 
mit ihm lebt ein Tell, fie find unzertrennlich verbunden, der Denter und Dichter, 
der Geld der Freiheit fie leben hoch!“ Vergl. Ludwig Ubland, eine Gabe für 
Freunde, ©. 463. Doß Uhland noch in feiner letzten Lebenszeit die Forſchungen 
über Tell verfolgt, geht aus feiner Aufzeichnnng der beiden folgenden Arbeiten 
hervor: „Wilhelm Tell, Sage oder Geſchichte.“ Bon Wilhelm Genaf. I (In 
N. Prutz, Deutſches Muſeum Nr 11, 14 Merz 1861, ©. 868 bis 868). II 
(Ehendaf. Nr 12. 21, Dierz 1861, ©. 401 bis 413). H. Dinger, Neue Göthe⸗ 
NAudien. Nürnberg 1861. „Görhes Wilhelm Zell.” Die umfangreiche Litteratur 
fiber die Tellfage Bier vollſtändig namhaft zu machen, liegt nicht in meiner Ab⸗ 
fiht. Bon dem Neueren mag Nachſtehendes angeführt werden: J. &. Th. Gräße, 
Die großen Sagenkreiſe des Diittclatterß. Dresden und Leipzig 1842. ©. 62. 63. 
A. Huber, Die Walbflätte Uri, Schwyz, Unterwalden bis zur fehen Begründung 
ihrer Eidgenoffenfchaft. Mit einem Anhange über die gefchichtliche Bedeutung 
des Wilhelm Zell. Innsbrud 1861. H. von Liebenau, Die Zell: Sage zu dem 
Jahre 1230, hiſtoriſch nach neueſten Quellen beleuchtet. Aarau 1864. W. Biſcher, 
Die Sage von der Befreiung der Walpftädte, nach ihrer allmählichen Ausbildung 
unterfucht. Nebft einer Beilage: Das ältefte Tellenſchaufſpiel. Leipzig 1867. 
4. Lütolf, Heimdall und Wilhelm Tel, in Pfeiffers Germania 8. Wien 1068, 
©. 208 bis 216. H. Pfannenfhmid, der mythiſche Gehalt der Tellſage, eim 
Beitrag zur deutichen Mythologie, in Pfeiffers Germania 10. Wien 1866. ©. 1 
bis 40, wo denn auch weitere in der Germania wiedergelegte Abhandlungen 
nachgewieſen And. Pfanuenſchmid im Magazin für die Yitterarır des Autlaunes 





611 


11. Schwabenſtreiche!. 
a. Ginleitung. 
Einen beſondern Abfchnitt erheifchen hn der ſchwäbiſchen Sagen⸗ 


Tunde die alten, vollsmäßigen Schwänte, die entweder den Schwaben 


1865, Nr 47, ©. 677 ff. E. L. Rochholz, Tell als Zauberſchütze, in Bfeiffers 
Germania 13. Wien 1868. ©. 39 bis 58° N. Pallmann, Die Tellfage und 
die Befreiung der Schweiz im Jahre 1807, in Glaſers Jahrbüchern fiir Gefell- 


ſchafts⸗ und Staatswiflenichaften, 5 Band, 5 Heft, 1866. 8. Meyer, Die Tell⸗ 


fage, in 8. Bartſch, Germaniftiiche Studien 1. Wien 1872. S. 159 bis 170. 
Augsburger Allgemeine Zeitung, Beilage vom 19 Mai, 22 Juni, 24 Juli 
1864 und vom 20 Mai 1865. 9.) 

1 Die von mir im Vorwort mitgetheilte Inhaltsüberſicht der ſchwäbiſchen 
Sagenkunde zeigt, daß in dieſem Werle auch von den Schwabenſtreichen die 
Nede ſein ſollte. Aus einem den Zten Febrnar 1858 an H. F. Maßmann ge 
richteten Briefe Uhlands ergibt fi, daß er für Pfeiffers Germania „einen Bei⸗ 
trag zur Geſchichte der Schwabenſchwänke mittelſt noch minder bekannter Broben 
ülterer Beispiele“ einzufenden die Abficht hatte. Die Einleitung zu diefer Samm⸗ 
lung hätte, wie man fieht, ber obige Text bilden follen. Was num die aug« 
gewählten Schwänfe betrifft, fo hat fi nicht nur auf einem Octanblättchen ein 
Bergeichnis derjelben, fondern auch das „Urkundenbuch“ ſelbſt, durchaus von 
Uhlands eigener Hand in Folio gefchrieben, vorgefunden. Das Berzeihnis zählt 
auf: „i. Leberlein. 2. Neun Schwaben. 3. Schwab und Schweizer. Froſch. 
4. Vitterspaufen. 5. Saienhofen. 6. Bräunlingen. 7. Überlingen. 8. Hafen 
lied. 9. Lied von der Geiß. 10. Peter Schneider.” Die Abſchriften, welche 
das „Urtundenbuch⸗ unter der Bezeichnung „Schwabenſtreiche (Auswahl alter 
Schriftſtücke)“ enthält, find folgende: „i. Bon ainem Schwaben, der das leberlin 
gefreffen. (Montanıs, Wegkürzer 1557, CBJ fi.) 2. U. Bon neun Schwaben 
em hifteri. (Kirchhof, Wendunmuth, Frankfurt 1568, Blatt 281 5 fi. Abgedruckt 
im Bollsbüchlein, Münden 1827, ©. 177 f.; die Handichrift von den fteben 
Schwaben, worauf Aurbadher ebendajelbft ©. 171 f., neben münplicher Volla⸗ 
fage, ſich bezieht, ijt räthſelhafter Art. Beiftergefong: die neun Schwaben wit 
dem Hafen, verzeichnet in Gödeles Grundriß ©. 228.) B. (Aus des Herzogs 
Heinrih Zulius von Braunfdweig Comödia von einem Wirthe 1598, deſſen 
Schaufpiele, herausgegeben von W. L. Holland, S. 306 f., vgl. mit ©. 749. 
Sprecher find: Johan Bouſet, ein niederſächſiſch redender Wirtbsdiener, und 
Konrad, ſchn äübiſcher Bauer) C. (Eyerings Sprichwörter 1601, 2, 236 f., aus 
8. Gödeles eif Buchern denticher Dichtung, Leipzig 1849, 1, 126.) D. (Aus der 
Senaer Handſchrift von Meiftergefängen des Magdeburgers Balten Voigt, 1586 
bis 15657, abgedrudt in Wiedeburgs ausfuhrı. Nachr. von einigen alten reutfchen 
poetiſchen Manuſcripien, Jena 1754, ©. 144 |.) 3. Froſch und Nuß. A. (Kirch⸗ 


612 


überhaupt von guten Nachbarn und deutſchen Brüdern aufgeheftet, ober 
innerhalb der fchmäbifchsalemannifchen Lande felbft einzelnen Orts⸗ 


hof, Wendunmuth, Frankfurt 1568, Blatt 2175 f. Bgl. Zohannes Pauli, 
Schimpf und Eruf, Straßburg 1535, Blatt 155. Fiſchart bringt mehrfach 
gelbe Füße, Nuß, Suppe, Löffel und andre Merkzeichen der Schwaben) B. 
Gebaſtian Yrand, Sprüchwoörter. Zürich 1545, Blatt 182: „Hie ſtond wir 
helden,“ fagt der frofh zum Schwaben) 4. Wittershaufen. U. (Handjchrift⸗ 
liche Chronil der Herrn von Bimmern 1566, ©. 168 fi. Bgl. Rudgaber, Ge⸗ 
ſchichte der Grafen von Zimmern &. 80 bis 82. 275. Bfeiffers Germania 1, 
884. Hermann von Sachſenheim nennt in der Mörin zweimal bie von Witter- 
Yaufen, Frankfurter Handſchrift &. 40. 98, Wormfer Drud von 1589 Blatt 
128, 82c; auch im Spiegel, Meier Altſwert, heransgegeben von Holland 
und Keller, &. 187, 19 f.) B. (Die bröfamlin boct. Keiferipergs, Straßburg 
1617, Blatt 108: „Als die buren von Witterhufen, bie ſchickten ein buren alle 
tar für fie alle gen baben, aber das bad rürt die andern mit, darumb wurden 
fie nit geweichen.“) C. (Frey, Gartengeſellſchaft, Straßburg 1557, Gap. 2.) 
D. (Fliegendes Blatt vom Anfang des 16ten Jahrhunderts, ohne Ort und Jahr. 
Fliegendes Blatt, gebrudt zu Nürnberg durch Jobſt. Gutknecht. „Ein hübſches 
lied, wie got der allmechtig den panren einen wunfd gab. In des Schillers 
don. 5. Saienhofen. U. (Zimmriſche Chronik S. 1206. Bgl. Bargantua 
Gap. 8: „von jenem Algäwer, der anf dem kirſchenbanm kefer für kriechen aß.“) 
DB. (Ebendaſelbſt S. 1298.) 6. Bräunlingen. (Ebendafelbft S. 1024 f.) 7. Über- 
lingen. ( Papier⸗Handſchrift in Folio ans Überlingen, 16tes Jahrhundert, im der 
fürftficden Bibliothek zu Donauefchingen, Blatt 204 b fi. Bgl. Blatt 207 a.) 
8. Das Hafenlied. U. (Bimmrifche Chronik S. 801 fi.) B. (Aus dem Liebe bei 
Mudgaber, Geſchichte der Reichſſtadt Rotweil, Band 2, Abtheilung 1, ©. 166 f.) 
9. Das Lied won der Geiß. U. (Jak. Wenders Auszüge aus den Memorialen 
der XXI zu Straßburg, Band 1, Blatt 115, nach gefälliger Abfchrift des 
Herrn Stadtarchivars 2. Schneegans: Mandat und verbott, daß niemand hinnan 
vurder in unfer flat das liede von dem fnider und einre geißen nit me fingen 
fol, noch dehein ander lied in femnlicher moßen, das erber lüte und antwerde 
antreffenbe ift, bey firaff XXX #d ſſchilling pfenning], dann es das erber ant⸗ 
werd der ſnider und ire Mnechte verbroßen. Publicatum ipse die sancti Nico- 
lai episcopi anno MCCCCVIIL) B. (Bemeiner, Regensburg. Chronik 8, 447, 
aus bem Merkgettelprototofl vom Jahr 1469, Blatt 288. Schmeller, Bairifches 
Wörterbuh 2, 78.) C. (Wendunmuth.) D. Fliegendes Drudblatt, 1 Blatt 
Hein 80: Zwey Nagel newe Lieder, Das Erf. Bon bem By, Zy, By, Bod 
bod bod, Med Met Med, gar ſchön und Iufig zu Singen Im Thon. Es 
wolt gut Schneider wandren, gen Wildpreghaufen Das ander Die Herren haben 
verbotten man fol der Schneiber nimmer fpotten, Im Thon, Ich zog ein mal 
in Burtigal, u. |. w. Getruckt auff dem Bodsberg, bey Lenk Geiſſer, in ber 
Schneidergaſſen, Anno 1597.” Verſchieden davon ift, in zweierlei Druden ohne 


613 


gemeinden, Ständen und Gewerben, thörichten ober fcherzluftigen Perſön⸗ 
lichkeiten angeeignet worden find. Die Abhandlung diefes Gegenftandes 
bat nach Zeit und Raum weithin auszugreifen, doch ift auch Manches 
dazu vorgenrbeitet 1. Schon aus altgermanifcher Zeit, noch mehr aus 


Ort und Jahr: „Ein new Lieb (in Jörg Schillers thon) von eym Schneyder 
vnnd Schumacher wie fie rechten vmb die Geyß“; das Hofgericht zu Rotweil 
entfcheidet.) 10. Peter Schneider. (Bimmrifche Chronik S. 827.) Die einzelnen 
in biefem Urkundenbuche ausgehobenen Brobeftüde ſchwäbiſcher Spottfage wollte 
Uhland, wie es ſcheint, mit. Erläuterungen begleiten; zn ben Numern 1, 2 und 
8 find wenigftens ſolche vorhanden, die ich bier der obigen Einleitung folgen 
laſſe. H.] 

1 (Im einem zweiten Entwurfe bat Uhland das hier nur Angedeutete fol⸗ 
gendermaßen ausgeführt: „Gründlich angelegt, milfte diefer Abſchnitt von ben 
fagenbaften Meldungen aus altgermanifher Zeit über die vorichnelle Beute⸗ 
teilung, mit der brei dentiche Haupwölker, Cherufler, Sueven und Sigambern 
(nahmals Sachen, Schwaben, Franken), bei Florus 4, 12 verjpottet werben 
[vergl. oben ©. 254. 255. H.], und über die beicholtene Thorheit der Cheruſker 
im Gegenjage zu der Weisheit ihrer Nachbarn und VBefieger, der Chatten (Tas 
cius, Germania 36), auf diejenigen Spottmähren einlenfen, in welchen die 
wanbernden Germanenſtämme mit anzüglichen Namen ober Beinamen (Gepiden, 
Trullen) bedacht oder die einen von den andern um Kriegsraub, Frauen, Land⸗ 
befig, überwältigt und itberliftet werben, wie die Burgunden von ben Sueven, 
die Sachſen von den Nordſchwaben [vergl. oben ©. 213, 214. H.], die Thü⸗ 
ringer und Alamannen, bie fi) mit Schmährebe und Schwert belämpfen, vor 
den Frauken [vergt. oben S. 265 bis 257. 261 bis 268. H.]; die gegenfeitigen 
Hohnrufe halfen dann lange noch in Sprichwörtern und Gebenfreimen nad. 
(Zu Borftehendem haben 3. Grimm in den deutſchen Sagen und ber Sprach⸗ 
geichichte, Schmeller im bairischen Wörterbuch, Mone im Anzeiger, W. Wacker⸗ 
nagel in der Zeitfchrift für beutfches Altertum 6, 254 ff. u. A. m. ſchon reiche 
Leſe gehalten.) Nun erft wäre die überreiche Schwanflitteratur auszubenten, 
die jeit dem Ende des 15ten Zahrh. und befonders um den Schluß des 16ten 
den deutſchen Boden überwuchert. Standen fi im vorigen Beitraume noch die 
geſchaarten Völker gegenüber, war es mit dem Hohne bitterer Ernft und kam 
es vom fcharfen Worte zum Werke der Vernichtung, fo jpielen jetzt die Volla⸗ 
namen in einzelnen Bertretern und deren Heinen Abenteuern, der Spott if 
icherzhbafter und harmloſer und bie neun Schwaben ertrinken in ihrer eigenen 
Thorheit. Wenn die von den Langobarden geichlagenen Heruler den blühenden 
Lein für ſchwimmbares Waſſer anfehen, jo wird das ausdrücklich dem Borne 
des Himmels zugejchrieben (Paulus diaconus 1, 20 [vergl, Schriften 1, ©. 460. 
461. H.], es iſt die gottwerhängte Betänbung und Blendung, die fiber ein 
Bolt von maßlos fi Überhebender Streitluſt plötzlich hereinbricht, im Boſts⸗ 


614 


jener der MWanderzüge, find und Spottfagen und Spottnamen auf 
deutiche Volksſtämme, mitunter die beveutendften, überliefert und hiebei 
find die Sueven, thätig und leidend, mitbetheiligt. Da ift es mit dem 
Hohne noch bitterer Ernſt, die Völker ftehen fi) in Schaaren gegen: 
über, fie überliften und überwältigen einander um Landbeſitz und Kriegs: 
beute, des Epieles Abſchluß ift ein maſſenhafter Untergang ober bie 
gemeinfame Knechtung bes befiegten Theile, eben besjenigen, der fi 
am meiften in Troß und Kampfmuth überhoben hatte. Noch langehin 
werden in Sprichwörtern und Gebentverfen die beutfchen Landsmann. 
haften je mit ruhmredigen oder gehäffigen Merkzeichen aufgeführt. 
SHarmlofer, wenn auch nicht bejonders zart, geftaltet fich der verwandt⸗ 
Ihaftlihe Wettftreit bes PVerfpottens in ber überreichen Schwanklitte⸗ 
ratur, die feit dem Ende des 15ten Jahrh. heranwuchert und um ben 
Schluß des I6ten im volliten Extrage ſteht. Die deutſchen Bölfer, 
deren Namen auch da noch an der Spitze gehn, beivegen fich nicht mehr 
in ihrer Gefanmtbeit und ihren größern Geichiden, fie find durch ein 
zelne ihrer Genoſſen in Heinen, brolligen Abenteuern vertreten und bie 
völferfchaftlihen Thorenftreiche werden immer mehr ortsbürgerlich ein⸗ 
gegrenzt. Zugleich find es Anzeigen eines verföhnlichen, parteilofen 
Einnes, wenn dasfelbe Schwankbuch, der gleiche Reimſpruch oder Meifter: 
fang die Tölpeleien verfchiedener Reichsvölker einträghtig zufammenftellt. 
Hans Sachs verzeichnet nicht allein die Wahrzeichen von 24 meift deut- 
chen Ländern und Völlern, er verfammelt auch zu einem Kirchweibtanze 
die Abgefandten vieler ſchwankberühmten Dorfichaften aus Baiern und 
Oſterreich, Franten, Schwaben und Elfaß, die er theilweife ſchon im 
beſondern Gedichten verherrlicht hatte. 

Diefe ſtückweiſen Anfäte zur Begründung einer ibenlen Einheit 
des närrifchen Deutichlands find weit überboten durch das Werk eines 
Unbelannten vom Jahre 1598. Wie nemlich die einzelnen Helden⸗ 
kreiſe fich zum umfaſſenden Epos verfchmolgen hatten, fo erfcheint jetzt 
im Volksbuche von den Schildbürgern ein Nibelungenlied bes deut: 
ſchen Lalenthums 1. Die zerftreuten Ortsgeſchichten erhalten bier, auf 


biichlein (S. 127. 171) auf die fieben Schwaben angewandt. ift dieß zur Schuurre 
geworden.“ 9.] 
1 [Schriften 2, 5. 564. 565. 9.) 


615 


utopifchen Boden, einen inneren Verband und eine allgemeinere 
Geltung mittelft leitender Gedanken von ver gefährlihen Wahlver⸗ 
wandiſchaft zwiſchen Überweisheit und Narrheit im Weſen und Treiben 
des menfchlichen Geiſtes. Vermöge dieſer mweltbürgerlihen Bedeutung 
gehen die Inſaſſen von Schilda zuletzt wieder in alle Welt aus⸗ 
einander, um ſich an vielen Orten fortzupflanzen, und damit ift die 
vergleichende Sagenforfhung aufgeforbert, fie überall aufzuſuchen, nicht 
bloß im germanifchen Bereih, in England bei den Männern von 
Norfolt und Gotham, im Norden bei ben jütifhen Abberiten von 
Mols und dem altnorwegiſchen Geſchlechte vom Gillingshamar, fon 
dern auch indogermanifch bis zu den Thaten und Räthen bes weiſen 
Paramarta und feiner fünf Schliler, morunter einzelne Stüde mit 
folden aus dem Lalenbuche genau fibereinftimmen. Über dem Ausblid 
in das Allgemeine darf aber die Ermittlung des Beſondern nicht ver 
abfäumt werden, am wenigften diejenige bes ſchwäbiſchen Antheils. 
Denn einmal baben die übrigen deutſchen Stämme den Schwaben 
auch auf dieſem Felde pas Hecht des Vorftreits zuerlannt, doch unter 
dem Vorbehalt, jezumeilen ſelbſt mit an ven Schwabenſpieß zu treten, 
fodann ift ein guter Theil der Schwabenſchwänke heimifches Er- 
zeugnis der ſüddeutſchen Volksart, die ſich im phantaftifchen Scherze, 
felb auf eigene Koften, moohlgefält, und es find auch geborne 
Schwaben, Bebel!, Sailer?, Aurbader ?, Nefflent, vie fol altes 
Erbgut mit Vorliebe gefammelt und verarbeitet haben. Auch im Fol 
genden fol, nicht etwa bie worbezeichnete Abhandlung, ſondern ein 
Beitrag zum Urkundenbud einer folden, aus Handſchriften und Druden 
meift des 16ten Jahrh. gegeben werben. Wieder ift e8 der gut 
ſchwäbiſche Geichichtichreiber des Haufes Zimmern (gegen 1566), ber 
von minder Belanntem das Erheblichfte bietet; der altwäterliche Der 
kehr Johanna des Lappen (geft. 1441) mit den Bauern von Witters⸗ 
haufen ift ein echtes und frifches Mufter jener anmuthendſten Weife, 


1 (8. Gödele, Grundriß 1, S. 114. 9.) 

2 [S. Sailers fämmtliche Schriften im ſchwäbiſchen Dialekte, heraus- 
gegeben von Haßler, Ulm o. J. Borrede vom 10 November 1842 datiert. 9.) 

3 [R. Aurbader, Ein Volksbüchlein. Minden 1827. 1,8. 193 ff. 9] 

Nefflen, Der Better aus Schwaben. Schwabenbräuh und Schwaben- 
ſtreich. Stuttgart 1837. H.) 


616 


worin hinter der Larve der Albernheit die Schalkheit acht, oder Schlaus 
beit und Thorbeit fi, wie Bettel und Eintrag, zu ergeklichem Bilde 
vertveben 1. 


1 [In dem zweiten Entwurfe heißt e8: „Die andern beutichen Stämme 
haben auch auf diefem Felde den Schwaben das Recht des Vorſtreits zuerlannt, 
ohne darum je auf ihren gebührenden Anteil am Gemeingut ergeblicher Thor 
Heit zu verzichten. Schon in zwei lateiniſchen Liedern des 10ten Jahrh., einem 
Lügenichwant (modus floram, mendosa oantilena, Eberts Überlieferungen, 
lter Band, 2te8 Heft, S. 79) und dem Märchen vom GSchneelind (modus 
Liebine, ebd. ©. 80), ift beidemal ein Schwabe (Suevus, Constantie civis 
Suevulus) Träger der Handlung, doch nicht als Gimpel, fondern als liſtiger 
Schall, und im gleiher Haltung erzeigten ſich ſchließlich noch die Lügen Peter 
Schneiders aus Mößkirch. Auch in andern der aufgezählten Schwabenftreiche 
fiedt Hinter der Larve der Albernheit die lachende Schalfheit, es ift Aufgabe 
der ganzen Sattung, das wunderbare Gemiſch von Weisheit und Thorheit im 
menſchlichen Weſen bloßzulegen und die fpigfindige Altkingheit in den Narren⸗ 
ſtreich überfpringen zu laffen. Ein Bollsflamm, ein Gau, ein Ort, ein Stand 
oder Beruf verladht die Art und das Gebaben des andern, wo aber die Stim-. 
mung und Begabung fiir den Scherz befonders lebendig if, da verfieht man 
ihn auch am beften. Ein bedeutender Theil der Schwabenſchwänke ift urſprüng⸗ 
lich heimifches Erzeugnis, der phantaftifhe Scherz, worin die ſüddentſche Volls⸗ 
art fih gefällt, wurde von guten Nachbarn und deutſchen Brüdern ihr ſelbſt 
zur Thorheit angerechnet und was die Schwaben von einzelnen Gemeinden und 
Perfönlichleiten ihres Gebiets Nedifches fabelten, auf fie ale zufammen ange 
wandt; geborne Schwaben, Bebel, Sailer, Aurbadher u. A., haben ſolch altes 
Erbgut am fleißigften geſammelt und verarbeitet. Vorzügliches Verdienſt Bat 
auch Hier wieder die zimmrifche Chronik, ihre Wittershauſer, in altoäterlichem 
Bertehr und poſſenhaftem Wettfireit mit Herr Johanns, zugenannt der Rapp, 
tragen noch das frifche Gepräge der Schalfhaftigfeit und Dunterfeit, während 
der Meiſterſang im Schillerston den berben Unverftand hervorkehrt. Die Shromit 
ſchildert jene Bauern als dermaßen Hug und gewandt, daß viele Leute bei ihnen 
Rath fuhren, zugleich aber als ungemein fcherziuftig in Reden und Xhaten, 
übereinfimmend damit Iäßt auch das Vollsbuch von den Schildburgern letztere, 
weil fie ihrer Weisheit wegen allzu oft von Königen und Fürſten als Natbgeber 
aus der Heimat abgerufen werden, fi mit Macht auf die Thorheit werfen, 
wobei jedoch fange noch bie leidige Weisheit wie ein abgeftimmelter Weiden⸗ 
baum ftets wieder ausfchlagen will. Bon den Geſchichten der Wittershaufer 
findet fi in diefem großen Lalenbuche das Verwechſeln der Beine, von denen 
der Gaienhofer das Meffen des Balgbrunnens, Einiges auch von Bebels Mun- 


dingern ...“ 9] 


617 


b. Erläuterungen. 
Zn 1. Leberlein. 


In der Afopischen Fabel ftiehlt der ſchlaue Fuchs das Herz bes 
vom Löwen zerrifienen Hiriches und behauptet dann, der Hirſch babe 
ein Herz gehabt (das Herz altertbümlih als Sit bes Denkens ge 
nommen, Hyndl. 38: hugstein, vgl. Sn. 1, 540), ſonſt wär’ er nicht 
zweimal in das Haus bed Löwen gelommen (Fab. esop. 356, vgl. 
Salila und Dimna, von Ph. Wolff, Stuttgart 1837, 1, 242 ff., auch 
le Pantcha-Tantra, par J. A. Dubois, Paris 1826, ©. 198 ff. [Das 
Buch der Beifpiele der alten Weifen, nad Hanbfchriften und Druden 
herausgegeben von W. 2, Holland, Stuttgart 1860, ©. 126 bi8 129. G.)). 
Selbft in gothiſche und batrifche Heldenſage ift dieſes fehlende Herz bes 
ungewitzigten Hiriches als warnendes Gleichnis herbeigezogen worben 
(J. Grimm, Reinhart Fuchs XLVIII ff. CCLXIf. 379 ff. Maßmann, 
Kaiſerchronik 1, 508 bis 532. 3, 797 ff.). Der Schwank des Wegkürzers 
vom Lamm ohne Leber gibt weder eine ſpitzfündige Begründung dieſes 
Abmangels, noch eine bildliche Warnung. Hier iſt es lediglich „ain 
guͤter ainfeltiger Schwab“, der den lieben Herrgott- ſelbſt, feinen un⸗ 
erkannten Reifegejellen, überliften zu können glaubt. Zweimal wählt 
ex für fich den anſcheinend vortheilhafteren Gang in die Dorfichaften, 
fein armes Kreuzerlein wirft er ein und verlangt Halbpart an ben 
Bundert Gulden, auch vom Genufje bes Leberleins mag er fi, in älterer 
Fafſung der Sage, bejondern Nuten, etwa einen Zuwachs an Weisheit, 
verfprochen haben (vgl. Brüber Grimm, Märchen 1, 7te Ausgabe, 312. 
8, 2te Ausgabe, 106. J. Grimm, Inteinifche Gedichte des 10ten unb 
11ten Jahrhunderts 344), auf die äußerfte Gefahr feines Lebens beharrt 
er dabei, mit der thörichten Ausrede den Allfundigen täufchen zu wollen, 
bis ex bemfelben durch das Geftändnis einen weitern Erwerbtheil ab- 
zugewinnen meint, unb doch greift er überall darneben und ift es ſtets 
nur die Langmuth und Yürforge ſeines übervortheilten Geleitsmanns, 
die ihn reitet und trägt. Diefer ausgeprägte und einheitliche Beſtand 
ber Erzählung bat fich in ben fpäter gangbaren Märchen vom Bruder 
Zuftig und bem heil, Petrus, auch fchon in einem Meiftergefange von 
1560, nicht mehr ungetrübt erhalten (Brübes Grimm, Märchen 1, 402 ff. 
8, 129 ff). Sprichwörtlich bei Sebaftian Brant: „der mueß die leber 


618 


gefien han“, bei Geiler: „pas Ieberlin aus dem braten ziehen”, bei 
Fiſchart: „bo muß das Ieberle ih han geflen“, anvertvärts 1068 
u. f. w.: „ver Schwabe muß allgeit das leberle gefrefien haben“ 
(Eifelein, Sprichwörter 416. Brüder Grimm, Märchen 3, 131). 


Zu 2. Neun Schwaben. 


Kirchhofs Wendunmuth iſt für die Grundlage ſowohl der kurzen 
Andeutungen des Luſtſpieldichters, als Ber umſchreibenden Reimzeilen 
des Sprichworterklärers [vergl. oben ©. 611, Anm. 1. H.] anzu 
nehmen. Älter, als dieſe drei Beugniffe, ift ber Meiftergefang, von 
dem aber Wiedeburg nicht mehr, ald den Anfang, mitgetheilt hat, und 
eigenthümlich ericheinen foweit nur die offenen Glasaugen des ſchlafen⸗ 
den Hafen... 

Bu 8. Hafenlier. 

Es ift kaum zu bezweifeln, daß in biefem Liede bei Ruckgaber das 
von der zimmrifcden Chronik beiprochene, aber nicht beigefügte Hafen 
lied erhalten ift, wenn aud durch fchledhte Aufzeichnung verkümmert. 
Diefelbe befindet ſich bei ven alten Prozefäakten und bie ſchwankhaften 
Sauptzüge, Verwechslung einer ftäbtifchen Herde mit feinblicher Reiterei 
und das Erjagen zweier Hafen, find in den Gefäken 7 und 8 bin: 
reichend hervorgehoben. Zwar nimmt der Herausgeber des Liebes an, 
daß folches von einem Rotweiler verfertigt fer, der dann freilih, nad 
dem Ausbrud der Chronik, nicht ald miles voluntarius mit ausgezogen 
wäre, allein burch „mir“, d. b. wir, ift doch wohl nicht die ausrüdende 
Schaar der Rotweiler (für dieſe wird „ig“, fie, gebraucht), ſondern bie 
beobachtende des Widerparts bezeichnet. Tiber den langwierigen Jagd⸗ 
ftreit der Stadt Rotweil mit benachbarten Edelleuten gibt Rudgaber 
a. a. O. ©. 178 ff. Auskunft. Das. alte Weib in den Reimen ber 
Chronik ift die auch in der Proſa gedachte Anna, Witme bes Befikers 
von Schramberg, Rochus Merz von Staffelfelden, ihr mittelbarer Rach⸗ 
folger im Beſitze biefer Herrihaft und im Rechtöftreite war Graf Wilhelm 
von Zimmern, gegen den im Jahre 1590 das Kammergericht entſchied. 
Schon die Hauschronik feines Großoheimd Wilhelm Werner von 1866 
zeigt im bittern Tone der aus ihr mitgetheilten Erzählung die lebhafte 
Parteinahme des Berfaflerd an dieſen Streithändeln. Der Auszug ber 
Rotweiler mit gemwehrter Hand mar eine feierliche Behauptung und 


619 


Ausübung ihres angefochtenen Rechts, wobei e3 nicht auf ben augen 
blidlichen Ertrag der Zagbbeute anlam. Dagegen wandte der Abel und 
defien Anbang, unvermögend, biefen Schritt zu verhindern, feinen 
Spott auf den Triegerifchen Hafenfang, der an bie Belämpfung bes 
furdtbaren Ragenöhrle gemahnen konnte. Die Herrn von Zimmern 
batten jchon ehebeflen ein Haus zu Rotweil im Stabtviertel Sprengerort 
(Rudgaber, Geſchichte der Grafen von Zimmern ©. 83, Anm. 2) und 
eben bier wohnt aud Heinrich Scherrer, den bie Chronik beim Aufſetzen 
des roftigen Eiſenhuts von feinem Sind in der Wiege rührenden Abſchied 
nehmen läßt, vielleicht ein tuohlbefannter Nachbar bes boshaften Erzählers. 
Die Eiferfucht zwiſchen ber den Eidgenoſſen zugelehrten und, wie die 
Chronik behauptet, von ihnen geſchützten Reichsſtadt und dem Adel der 
Umgegend war eine alteingewurzelte (vgl. Germania 1, 332 f. [oben 
©. 371. 372. H.). Daß zuvor die Zunftmeifter Bin und wider in 
Städten von den Hafen (dem Landadel) aufgefreflen worden, gemahnt 
an Freud Gartengefellihaft, Straßburg 1557, Blatt 81b: „Zu Hau: 
bach, da die wolf den fchultheuflen an dem gericht frafien, dann es 
find etwan acht heufer da, und wan ber ſchultheus zu gericht ſitzt, ift 
eden einer, der klagt, und einer, der antwort, fo ift dann bie ganz 
gemeind bei einander.” 


12. Der Genlok. 


Sn einem Haufe zu Mittelftabt ift ein Stein mit Bildern ein 
gemauert. Ein Alterthumsfteund, der in diefen römische Laren findet, 
machte dem Hausbefiter den Stein feil und der Handel war ſchon am 
Abſchluß. Da Iegte die Altmutter des Haufes Widerſpruch ein; es 
babe nur Unheil gebracht, ald man den Genlok ausgebrochen, gleich 
in der folgenden Nacht fei der Falbe im Stalle gefallen. Der früher 
verlaufte Genlof. war ein ähnlicher Mauerftein mit dem eingehauenen 
Kamen (gen. loc., genio loci). Der Stein mit den Laren fteht noch 
in der Mauer und der Kaufluftige muß fich gebulven, bis die Altmutter 
heimgegangen ıft. Nach der Erzählung bes Herren Pfarrers Memminger 
am 24 September 1862. 


"620 


13. Märden. 


Denn Sie auf der Hausflaffel eine Kindergruppe malerifch ge 
lagert ſehen, ſtill aufhorchend, mit beivegten Gefichtszügen und gläns 
zenden Augen, zuoberſt aber fit eines der älteren Kinder, in tieffinniger 
Haltung, mit halbgeöffneten Lippen geheimnisvoll redend, feierlich wie 
eine Sibylle, dann willen Sie: bier wird ein Märchen zählt. Was 
dieſe Kinder fo tief ergreift, das bat auch die gelehrte Forſchung lebhaft 
beichäftigt. 


Warum fol nicht über Aſchenbrödel in einer Vorleſung geſprochen 
werben? Es wurde barüber geprevigt, geprebigt von ber Funftreichen 
Kanzel des Straßburger Münfters. 


Bor einem einfamen, hochgelegenen Haufe auf unfrer ſchwäbiſchen 
Alb ſah ich einmal Spielende Kinder; eine Spalte im Felsgeſtein hatten 
fie, nad dem Mufter der Heinen Hofwirtichaft, zum Stall eingerichtet, 
Scherben eines zerbrochenen Topfs bildeten den Viehſtand, die rothe 
Kuh und die braune Kuh und das geſprenkte Kalb, Alles zufanımen, 
wie es der Hirt in den Wald treibt. 

Wir lönnen auch von der Armuth empfangen. Sie holt den Kindern 
ber Reichen aus dem befchneiten Winterwalde ben grünen Chriſtbaum 
der Phantafie. 

Die Mythologie iſt reich, aber fo reich ift fie nicht, daß ſich aus 
ihrem Gebrödel eine Märchenwelt erzeugen könnte. 


621 


Berichligungen und Yadträge. 


©. 4, Anm. 124 ließ: "Ayravivoc- 

©. 75, Beile 1 von unten fies: Grimolt ſtatt Grimolt. 

©. 76, Beile 8 von oben Kies: Fſanger ftatt Iſanger. 

S. 76, Beile 4 von oben lies: Fſanperaht flatt Fianpkraht: 

S. 119, Anm. 360 ift das Komma Hinter Ovassdag zu tigen. 

©. 119, Anm. 860 ließ: hist. nat. 37, 11, 1. 

©. 119, Anm. 860 fies: diei ftatt diei. 

S. 142, Beife 1 von unten ließ: hvarleidr. 

©. 148, Zeile 1 von unten lies: Beow. und Müllenhoff. 

&. 258, Anm. 654 lies: inquiri. mox. 

©. 288, Anm. 756 lies: 86 f., 11, flatt 86 f., IL 

©. 291, Zeile 11 von oben lies: wiberfährt flatt wieberfährt. 

©. 298, Anm. 767. Auch das Elſaß wird „ein rechte Schmalzgrube“ genannt. 
Wilhelm Herk, Deutſche Sage im Elſaß. Stuttgart 1872. ©. 181. 

S. 828, Beile 5 von unten lies: Th. 4, 6. 12 ftatt Th. 4 6, 12. 

©&. 889, Zeile 2 von unten lieg: mer, ... flatt mir... 

S. 843, Zeile 9 von oben lies: Nr 74, flatt Nr. 74, 

S. 858, Zeile 14 von oben lies: 200 f.), ftatt 200 f). 

©. 861. Bon anderer Seite wird die Autorfchaft Albrechts von Kemenaten 
feftgehalten, Berge. Bartſche dte Auflage von A. Koberſteins Grundriß 
der Geichichte der deutſchen Nationallitteratur 1, 206. 8. 

&. 898, Beile 1 von unten lies: rund heraus flatt und heraus. 

©. 442, Beile 11 von oben lies: Dümge fat Dinge. 

S. 455, Zeile 8 von unten ift das Komma binter sus zu tigen. 

S. 478, Beile 2 von unten lies: ll flatt öl (das eine 1 iR im Drude abge 
fallen). 

©. 416, Beile 2 von unten lies: Gefangene ſtatt Gefangene 


Anhalt. 


Bortvort des Herausgebers 


Schwäbiſche Sagenkunde. Erfter Band. Sucifg-alamanmir Borzgeit 


J. Gumwen und Alamannen. 


IL. Sueviſche Stammfage. Bollsname . 


1. Der Semnonenwalde. 
2. Mutter Erde . . 
3. Svafr ud Soafrlogi . 
4. Syafrliomi . 
db. Swama . . . 
11. Wanderung und Reufieblung . 


1. Banderlage -. - . 2 2 2.2. 


2. Haupöller . 
8. Solicintum 
IV. Götterwefen der Sueven- Alamannen 


1. Natur- und Gchidfolsgätter. . - . 


a) Erde und Erbaeiflr . . . 
Abhaudlungen aus Pfeiffer: Germania 
Zur ſchwäbiſchen Sagenkunde 


1. Die Pfalzgrafen von Tabingen 


2. Dietrih von Bern 

8. Bodman . . . 

4. Die Todten von Luſtnan 
Zur deutſchen Heldenfage . 

1. Sigemund und Sigeferd 


08 0o0—0 


.e yr ee 0 0 8 38 0 


.o ve 8 vv yı 8 0 


2. Der Rofengasten von Worms. . 


Rodträge -. . .» - ve n.. 
1. Sagenbeitrag mn Dr e. und Geige ver Piel 


von Titbingen 
2. Der Baile . . . 
3. Der enträdte Kaifer Friedrich 


eo. vv 6 


—8 


38338888 


5 


8SRSRXBS-— 


624 


. Glodenfagen . . 
. Schwärzloch 


Tübingen..... 
Odenburg...... 
Das Blauthal... 


Birchtenlee und Gunzenlee 


Tellſageee........ 
Schwabenſtreiche 
De Genlohk.... 
Märchen. .... 


®. 


“ * ® ® 


BERESZZSERE 


überſicht 
über den Inhalt der ganzen Sammlung. 


Erſter Band. 


Seite 

Geſchichte der deutfchen Poeſie im Mittelalte.... 2 20. 1 
Bweiter Band. 

Geſchichte der dentſchen Boefte im Mittelelter . . . 1 

Geſchichte der dentſchen Diäten im n fnfgehnten und  Teigemten —* 

hundert . . . 198 
Dritter Band. 

Abhandlung fiber die deutihen Bollsliede.. 1 


Bierter Band. 


Anmerkungen zu den Vollölieden . -. - 2 2 2 2 een. 1 
Über das altfranzöfifche EpoB - © > > 22 22 nnn. 897 


Flinfter Band. 


Baltber von der Bogelweide.. 1 
Der Minnfang . . 2 2 20. 2... 11 
Über die Aufgabe einer Geſellſchaft flir deutſche Sprade . ..... 283 
Zur Geſchichte der Freifhießen . . . 291 
Über die Sage vom dog ER, —R gehalten am 22 Ro- 
vember 1832 . . . . 823 


Scehster Band. 


Sogmnforfhungen. . . | 
1. Der Mythus von —8 —8* nonider Ouellen ..3 
0. Odinn. . ... 120 


Uhland, Schriften. vn. 40 


626 


Siebenter Band. 


Seite 

Sagengefhichte der germanifchen und romanischen Völker 1 
Achter Band. 

Schwäbiſche Sagenkunde. Erſter Band. Sueviſch elamanniſche Borgei 1 

Abhandlungen aus Pfeiffers Germania. . . . . 309 

Nahträe -. » 2 2 2... en .. 558