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%38
U3
1865
hard, LA
Uhlands 3 Sci
Geſchichte der Dichtung und Ange.
Achter Band.
ne Ds en. EEE — — — 55 —
Stuttgart.
Verlag der I. ©. Sotta’fchen Buchhandlung.
1873.
Buchdruderei der J. @. Cotta ſchen Vuchhandlung In Stutigart
Fre
© Arıap, /1-19-39
Borwort des Herausgebers,
Die „Shwäbiihe Sagenktunde”, welche den gegenwärtigen
Band eröffnet, ift ein Bruchftüd eines umfaſſend ausgedachten
Werkes, das Uhland im Jahre 1850 begonnen hat.
Über die Entftehung dieſer Arbeit Liegt eine mündliche und
eine ſchriftliche Mittbeilung ihres Verfaſſers vor, die ich beide
anführen will. |
„Es ift eigen,“ äußerte fi Uhland 1848 in Frankfurt gegen
feine rau, „mir ſchwebt jetzt, wo ich doch mit ganz Anderem
beſchäftigt bin, oft in der flillen Nacht eine Mythengeſchichte von
Schwaben vor. Es wirb mir ohne alle Bücher Manches klar und
deutlih, und wann id wieder nah Haufe komme, will ih es
außarbeiten. Den legten Winter babe ich mich viel mit fränfi-
ſchen Mythen und Sagen beſchäftigt, und nun ich von Haufe weg
bin, ift eg, als ob Schwaben mir deutlicher geworben wäre. Bon
den Sueven und Aemannen zieht fih mir ein Faden durch bie
Heldenjage und das Mittelalter. Hauptlählid im Schwarzwald
und bis zum Bodenfee finde ich Vieles, was mir Licht verſchafft.
Auch die Grafen von Tübingen gehören mir in biefeg Gebiet.“
Ganz hiermit übereinftimmend fchreibt Uhland in einem Briefe
aus Tübingen vom 7ten October 1850 an Moriz Haupt: „Wäh—⸗
vend des ſtürmiſch bewegten Lebens in Frankfurt babe ich mir,
oft in der ftilen Nat, ohne Bücher und nur aus der Erinnerung
an die heimathlihen Dinge, eine ſchwäbiſche Mythologie zugebilvet,
an der fih mir mandmal der Geift erholt hat, wenn ich fie auch
niemals ſchriftlich ausführen follte.“ '
1 Ludwig Ubland. Eine Gabe für Freunde. Bum 26 April 1865. Als
Handfchrift gedrudt. ©. 412. 418.
IV
Welchen Begriff Uhland mit einer ſchwäbiſchen Sagenkunde
verbunden, was er im Einzelnen als zu derſelben gehörig bes
trachtet, läßt folgende von ihm den 28ten Februar 18523 auf ein
Quartblatt gefchriebene mbaltsüberfiht des auf zwei Bände bes
techneten Werkes erkennen:
Schwäbiſche Sagenkunde.
Erſter Band.
Sueviſch-aAlamanniſche Vorzeit.
J. Sueven und Alamannen.
U. Sueviſche Stammſage.
1. Der Semnonenwald.
2. Mutter Erde.
III a. Volksname ver Sueven.
1. Svafr und Svafrlogi.
2. Spafrliomi.
IIIb. Suevifhe Heldenſage.
Swawa.
Hic. Wanderung und Neuſiedlung.
1. Wanderſage.
2. Hauptvoͤller.
3. Solicinium.
IV. Gönerweſen der Sueven⸗-Alamannen.
1. Natur⸗ und Schidjalsgätter.
a. Erde und Erdgeiſter.
2. Wuotan und Ziu.
3. Mythiſche Helden.
1. Wieland.
2. Iring.
3. Eckhart.
Zweiter Banb.
Schwäbiſches Mittelalter.
V. Geſchichtliche Helden.
1. Gerold. (Anſelm.) (Franken.)
2. Welf. Gaiern.)
VIL
VII.
IX.
X.
XI.
XI.
XUL
genannt:
3.
d.
5.
6.
Ernft.
Wither und Hunter.
Friedrich.
Rudolf.
Heilige.
1.
St. Michael.
. St. Georg.
-3. St. Fridolin.
2
3
4.
5. St, Ulrich,
6
St. Meinrad.
Glocken.
Geiölchtfagen.
Herenfahrt.
Märchen.
Drtöfagen.
Zellfage.
Landsknechte.
Schwabenſtreiche.
Außer dieſer ausführlichen Inhaltsüberſicht bat ſich auf einem
Octavblättchen noch eine andere vorgefunden, die, mol ſchon
früher entworfen und niedergeſchrieben, nicht überall mit jener
übereinftimmt ! und mit einer einzigen Ausnahme auch kürzer ge
balten ift, durch dieſe legtere aber eine jehr willlommene Ergänzung
bietet. Unter dem Abſchnitte „Geſchlechtſagen“ find nemlich bier
Ungeborne. ?
Stumm» und Blindgeborne,
Wiedergeborne.
Wiederkehrende.
Schutzgeiſter. Blutbrüber.
Geiſterverkehr.
Geſpenſtiſche Jäger, Schloͤſſer.
Höllenfahrten.
1 &o find hier unter ben Helden flatt Friedrich und Rudolf genauer
„Friedrich von Staufen” und „Rudolf von Habsburg“ aufgeführt.
2 Bergl. ©. 898.
vi
Die Vollendung des Werkes, das, wie man fieht, in allen
Theilen Mar vor feinem Geifte geftanven, ift Uhland nicht be
ſchieden geweſen; dasjenige aber, was er davon ausgeführt, ſowol
ber Anfang, als vie Abhandlungen, die er fi zur Bearbeitung
vorweg genommen, erregt eine nun leider vergeblihe Sehnſucht
nad dem, was uns verfagt geblieben ift.
Das den Seiten 1 bis 308 zu Grunde liegende, bier zum
erften Mal veröffentlichte Manufcript ift durchaus von Uhlands
eigener Hand auf einzelne Blätter in Quarto gejhrieben. So oft
aber auch der Verfaſſer zu demſelben, mie fich deutlich zeigt, zus
rückgekehrt ift, jo oft er es auch gehandhabt hat, fo ift dasſelbe
doch keineswegs drudfertig geworden und ich darf wol jagen, daß
die Herausgabe überaus mühfam geweſen if. Auf ver erften
Seite findet fih das Datum „10 Nov. 1850.
Den aus den acht erften Bänden von Pfeiffer Germania
aufgenommenen Abhandlungen, von welchen vier der ſchwäbiſchen
Sagenkunde, zwei der deutſchen Heldenfage angehören, habe ich
überall die Seitenzahlen des erften Drudes beigefügt. Kleinere
Berjehen, die fih in den erften Abdruck eingeſchlichen, wurden
ſtillſchweigend verbeflert.
Unter der Bezeichnung „Nahträge” babe ich eine Reihe von
Aufſätzen vereinigt, die faft ſämmtlich in das Gebiet ver ſchwäbi⸗
ſchen Sagenkunde fallen und wol als Vorarbeiten zu dem Haupt⸗
werke zu betrachten find. Diefe dreizehn Stüde find bis jegt nicht
herausgegeben worden. |
Wie in den früheren Bänden find auch in dieſem die von
Profeſſor von Keller und von mir felbit herruhrenden Bemerkungen,
in edige Klammern eingeſchloſſen, durch K und H kenntlich
gemacht.
at
Tübingen, — 1872.
Wilhelm kEndwig Holland.
Schwäbiſche Sagenkunde.
Erſter Band.
Sueviſch-alamanniſche Vorzeit.
nhland, Sqriften. VIH. 1
L LIueven und Alamannen.
Die Lanpdftrede, welche weſtlich vom Oberrhein, ſüdlich von beflen
Wende zum Bobenfee, öftlih von der oberen Donau begrenzt, nad
jenen Seiten vom Schmwarzwaldgebirge, nach bieler von ber rauben
Alp eingefaßt, mitten vom norbwärts ziehenden Nedar durchſtrömt ift,
war zur Zeit des Julius Cäfar, des erften Schriftiteller8, ber über
diefe Gegenden aus ver Nähe berichtet, von germanifcher Benölferung
eingenommen. Mit diefen Germanen ſchlugen ſich die Helvetier, . ein
feltifches Voll zioifchen dem Jura und den Alpen, fortwährenb um
die Nheingrenze und hatten es dieſer täglichen Kampfſchule zu ver
danken, daß fie den übrigen Galliern an Tapferkeit vorgiengen 1. Cäfar
fagt nicht, welchem beutfchen Volfe die hier anfäßigen Germanen zus
gehörten, und er war nicht felbft über den Oberrhein gelommen, aber
fie für Sueben anzunehmen, tft dadurch nahe gelegt, baß bie größere ober:
ländifche Beiwegung jener Zeit, der Einfall Arioviſts in das nachmals
burgundische Gallien, hauptjächlich von ſueviſchen Schaaren getragen war ?
1 Gäfar, bellum gall. 1, 1: „qua de causa Helvetii guoque reliquos
Gallos virtute precedunt, quod fere quotidianis praliis cum Germanis
contendunt, cum aut suis finibus eos prohibent, aut ipsi in eoram finibus
bellam gerunt.“ 1,2: „undique loci natura tuti Helvetii continentar,
una ex parte flumine Rheno latissimo atque altissimo, qui agrum Hel-
vetium a Germanis dividit, altera ex parte monte Jura altissimo“ u. f. w.
1, 28: „ne propter bonitatem agrorum Germani, qui trans Rhenum in-
colunt, e suis finibus in Helvetiorum fines transirent“ u. |. w. 1, 40:
„bos esse eosdem Germanos, quibuscum sepenumero Helvetii congressi,
non solum in suis, sed etiam in illorum finibus, plerumque superarint“
u. f. w. (Hier aljo Ariovifts Germanen gleihartig mit den Grenznachbarn der
Helvetier.) Cäfer 1, 39: Furchtbarkeit der Germanen.
2 In Ariovifts Heere Kämpften Marcomannen und Sueven, Cäfar, bell.
gall. 1, 51, vergl. Stälin, wirtembergijche Geſchichte 1, 7. 15; feine eine heimifche
Frau war eine Suevin, ebend. 53: „una Sneva natione, quam domo secum
4
und Cäſar biefe für gleichartig mit den germaniſchen Grenznachbarn
der Helvetier ertennt. Bon dem Suevenvolk überhaupt berichtet Cäfar,
ed fei unter allen Germanen bei weiten das gröfte und Triegfertigfte;
den fampfbietenden Ariovift läßt er fagen, der römische Feldherr werbe
erfahren, was unbefiegte, waffengeübte Germanen vermögen, die inner:
balb 14 Sabre unter fein Dad gelommen 8.
Der Geſchichtſchreiber erflärt aber nicht bloß jene Anwohner ber
helvetiſchen Stromſcheide ausdrücklich für Germanen, im beftimmteften
Gegenſatze zu ihren keltiſchen Grenzfeinden, er bezeichnet auch dieſes
Verhaͤltnis nicht als ein eben erſt fo gewordenes und gedenkt nirgend,
daß früherhin Kelten das jetzt germaniſche Grenzland inne hatten.
Gleichwohl ſpricht dafür insbeſondre der Umftand, daß bier ein germa⸗
niſcher Stamm mitten zwiſchen keltiſche Völkermaſſen keilartig einge⸗
trieben war, denn auch öſtlich, über der Oberdonau, erftredte ſich
weithin vindelikiſch⸗keltiſches Gebiet 4. Die germaniihen Kämpfer an
der helvetiichen Rheingrenze, durch Strom, Gebirg und Wald auf ihrem
Vorlande geſchirmt, maren bie fübmeltliche Vorhut und äußerfte Grenz
wache des aus bem inneren Deutfchland nach verfchiebenen Seiten hervor⸗
dringenden Suebenvolls 3, wie denn auch das Hauptgebirg, das ihren
adduxerat;“ ein bedeutender ſueviſcher Nachzug vom Mittefrheine ftand ihm in
Ausfiht, ebend. C. 87: „pagos centum Buevorum ad ripam Rheni con-
sedisse, qui Rhenum transire conarentur u. f. w. quibus rebus Cesar
vehementer commotus maturandum aibi existimavit, ne, si nova manus
Suevorum cum veteribus copiis Ariovisti sese conjunxisset, minus facile
resisti posset.“ Strabo, der noch unter Tiber lebte, läßt (4, 4, 8 9) die
Donan in ber Nähe der Sueven entfpringen, Stälin 1, 4.
3 Gäfar, b. gall. 4, 1: „Suevorum gens est longe maxima et belli-
cosissima Germanorum omnium.* 1, 36: „cum vellet, congrederetur;
intellecturum, quid invieti Germani, exercitatissimi in armis, qui intra
annos XIV tectum non subissent, virtute possent.“ 4, 7: „quibus ne dii
quidem pares esse possint.“
4 Weitere Anzeigen vormals keltiſcher Bendllerung des germanifchen Grenz⸗
lands bei Stälin 1, 4 f.
5 Lucanus, der noch nor Ziehung des römifchen Grenzwalis von Gäfar
bichtete, denkt fich den kriegeriihen Andrang der blonden Sueven von der Elbe
und vom Oberrheine fommend, Pharsal. 51 f.:
Fundat ab extremo flavos aquilone Suevos
Albis et indomitum Rheni caput u. ſ. w.
5
Schutzwall bildet, ver Schwarzwald, zuerft unter bem teitreichenden
Kamen des beriyniihen Waldes vorlommend, in fpäteren Beugnifien
„Silva marciane ‚© d. h. mohl eben Grenzwald, Waldmark, benannt ift ®.
Die Zahl diefer grenzhütenden Germanen muß beträchtlich geweſen
fein, da fie ed mit ben Helvetiern aufnehmen konnten, welche balb
nachher ihr Land, das ihnen zu enge var, verließen, um ganz Gallien
zu erobern’, und babei fich Telbft mit ihren Bundesgenofien zu
92000 wehrbaften Männern berechnet haben follen®. Dennoch ſchweigt
die Geſchichte fortan von dem germaniſchen Bolle zwifchen Oberrhein
und DOberbonau, nur jo viel läßt fich entnehmen, daß es vemielben
auf Die Dauer unmöglich ward, feine vorgerüdte Stellung zu behaupten.
Die beiven Siege Caſars, zuerft über die Helvetier, dann über Ariopift?,
fonnten nicht ohne Nachwirkung bleiben. Die germanifche Anfieblung
in Gallien war dur Ariovifts völlige Niederlage für dießmal ge
brochen. Hundert ſueviſche Gaue, die fich ſchon am rechten Mittelrhein
geſetzt hatten, um fich mit ibm zu verbinden, kehrten um und erlitten
auf dem Seimmeg durch den Anfall der Ubier großen Berluft 10, Im
weitern Berlaufe verbreitete fich die römiſche Herrichaft über alle gallifche,
belvetiiche, raͤtiſche, vindeliliſche Angrenzungen bes Nheine® und der
Donau. Eine Reihe römischer Burgen und feiter Städte zog ſich mehr
6 Bergl. Zeuß, die Deutichen und die Rachbarkämme 114 (116 u. f. ob.).
Über „marcnan“ J. Grimm, deutſche Sprachgeſchichte 508. Peutinger. Tafel:
„silva marciana.“ Ammian. Marcellin. 21, 8: „per marcianas silvas.“ Beides
allerdings erſt aus alamannifcher Zeit. Biel jpäter noch bei Hermann. contract.
a. 1030: „eirca silram martianam.“ Über die Bedeutung des Namens:
9. Grimm, deutſche Rechtsalt. 497; deutſche Grenzalt. (Philologiſche und Hifkorifche
Abhandlungen der königl. Akademie der Wiffenfchaften zu Berlin. Aus den Jahr
1848.) 111. 116, Sprachg. 499 [2]. 508. 628. Zeuß 10%). 340*), Grenz⸗
land. Mone, Urgeichichte des badijchen Landes 2, 15 ob.: marcha.
7 Gäfar, b. g. 1, 2: „(Orgetorix) civitati persuasit, ut de ſinibus suis
cam omnibus eopiis exirent, perfacile esse, cum virtuio omnibus presta-
rent, totius Gallie imperio potiri.“
y Ebend. 29.
2 Cäſar, b. g. 54: „una estate duobus maximis bellis confectis“ u. |. w.
# Bergl. Anın. 2, hiezu 1, 54: „Hoc pralio trans Rhenum nunciato
Suevi, qui ad ripas Rheni venerant, domum reverti c@perunt; quos Ubil,
qui proxime Rlenum incolunt, perterritos insecuti megnum ex his nu-
merum occiderunt.“
6
und mehr die linke Seite bes erftern, bie rechte des lehtern Stromes
entlang. Die Markomannen, die fih mit an Artovift3 Heerzuge be
tbeiligt hatten, räumten ihre gefährbeten Wohnjite in der Maingegend
und ihr König Marobod gründete öftlich in Böheim ein marlomannifch
ſueviſches Reich 11, Damit war das zu Cäſars Leit deutiche Land⸗
gebiet des Schwarzwald und der Alp fchon gegen die Mitte bes erften
Jahrhunderts in weitem Bogen von einer römischen Grenzmauer um:
faßt und im Rüden von germaniſchem Anhalt und Bufammenhang
entblößt. Aus al diefem erklärt fich hinreichend, warum auch bort
die ſueviſche Vorwache fich hinwegzog. So erjcheint denn um biefe
Zeit das bisher germanifche Land vom Odenwalde bis zur Rheinwen⸗
dung im Südweſten als ein veröbetes und herrenlofes, in dem hierauf
galliiche Einwanderer, die nichts zu verlieren hatten, ſich anbauten 12,
Auch ift nicht wohl anzunehmen, daß gar fein Überreft deutſcher Be
völkerung in ber bisherigen Heimat hängen geblieben fei. Vornehmlich
aber muſte den Römern angelegen fein, das Zwiſchenland, das auf
drei Seiten von ihren Befeftigungen umgeben war, nun gleichfalls mit
ihren Heeranfteblungen zu überzieben, und um diefe vor dem Einfall
der Barbaren zu fihern, mar es nöthig, bie noch offene Norbfeite
durch einen großartigen Grenzwall (lines) abzufchließen. Dieß geſchah
mittelft des im Jahr 84 von Domitian begonnenen Pfahlrains, einer
Ummallung, welche die beiden Stellen, wo ber Rhein bei Mainz nord⸗
weitlih, die Donau bei Regensburg ſüdöſtlich ausbeugt, in meitge
ſtrecktem Zuge verband und damit den bisher germanifchen Landſtrich als
fogenanntes Zehntland, Decumatenader, dem Römerreich einverleibte 13,
Zwei Jahrhunderte hindurch berrfchte nun römifches Leben in dieſem
11 Zeuß 114 big 117. [Merkel 31, 7: Marob. rex Suevorum, Aurel.
Bict. epit. 2.)
22 Die befannte Hanptftelle in Tacitus, Germ. 29: „Non numera verim inter
Germani®e populos, quanquam trans Rhenum Danubiumque consederint,
eos qui decumates agros exercent: levissimus quisque Gallorum et inopia
audax dubie possessionis solum occupavere. Mox limite acto promotis-
que presidiis sinus imperii et pars provincie habentur.“ Vergl. Stälin 1,
13 f. 61 bis 64. (Doch zieht Tacitus, Germ, 1, die Rheinwendung eigentlich zu
Germanien. Auch Plinius 4, 24: „Ortüs hie (Ister) in Germanie jugis
montis Abnobe, ex adverso Raurici Gailie oppidi.*)
8 [Stälin 1, 14. 61 ff. 79 ff. 9.)
7
neuerworbenen Gebiete. Davon zeunen die zahlreihen Bautrlimmer
von feiten Lagern und daraus eriwachfenen Städten, die ausgegrabenen
Denkmäler aller Art, Häufig mit Inichriften, Altäre, Gedentfteine,
Gerätbichaften, Münzen, die Grundlagen meitgezogener Verbindungs⸗
ſtraßen, Deilenzeiger und noch erfennbare Ortsnamen. Oberkeutſche
Solonien, d. h. größere, mit römischen Bürgerrechten und Einrichtungen,
Würden und Ämtern begünftigte Städte, Nachbilder der Mutterſtadt
Nom, waren die zuvor ſchon jenfeits des Rheins und der Donau gegrün-
deten Bafelaugft und Augsburg (Augusta Rauracorum, Vindelioorum);
eine dritte, wenn aud) nicht von gleich nachhaltiger Bebeutung, erhob fi
jeht im neuen Binnenlande, mitten zwiſchen dem biöherigen zmweifachen
Grenzzuge der Hauptfiröme und des Gebirge, am oberen Nedar auf der
Stelle des heutigen Rotenburg, colonia Sumlocenne, fo bezeugt durch
Inſchriften, die aus den umfangreichen Trümmern der bortigen Römer:
ftabt ausgegraben wurden, auch auf der Straßenkarte über ben Heer
weg von Binbonifia (Windifh) nach Reginum (Megensburg) unter dem
Namen Samulocenis durch Thürme als ein Hauptort auögezeichnet 14.
Bon derfelben Seite, auf welcher durch den Grenzwall der römifche
Befig geichlofien ward, brac gegen Ende des Sten Jahrh. die Sturm-
flut wieber ein und ſchwemmte die römische Schöpfung von Grund aus
hinweg. Schon um 213 taucht zuerft im Mainlande der Name. ber
Alamannen auf, mit denen damals Garacalla im Kampfe liegt, furcht:
barer tritt diefer Name besvor, ald er fünfzig Jahre fpäter einen Völker:
bund bezeichnet, der, zunäcft wieder vom untern Main ausgehend, fo
gewaltig anwächſt, daß er, unter ven Wechſelfällen blutiger Schlachten,
nicht bloß das Nedargebiet, Rätien und den rechten Oberrhein erobert,
fondern auch verheerend in Gallien und Stalien einfällt *.
Hamannen, Alamannia, ift fortan Bezeichnung des Volkes und
Landes vom Main bis zum Bobenfee, mitbegriffen das Eljaß und bald
auch über dem See die nicht burgundiſche Schweiz; dieſe Benennungen
find auch die worherrfchenden nicht bloß im Zeitraum der alamannifchen
Freiheit, ſondern noch Jahrhunderte hindurch, nachdem vor Mitte bes
fechöten die Mamannen vollftändig unter die Botmäßigkeit des mäch-
14 Über biefe ganze Beit der Römerherrſchaft ſ. Stälin, 2 Abſchn. 1, 28 ff.;
über die Colonie Sumlocenne insbeſondre ebd. 91 bis 93.
* Stälin 1, 66 f. 70. 115 big 121.
8
tigen Frankenreichs gebracht waren, nur daß damit bie nörbliche Grenze
zwiſchen Alamannen und Franken weiter aufwärts rückte.
Gleichzeitig mit dem Herbortreten der Alamannen verſchwinden in
der Maingegend die Namen verſchiedner kleinerer Volker (Ufipier, Tenc
terer u. |. w.) und es wird daraus geichloflen, daß dieſe Völker bie
Grundlage der alamannifchen Vereinigung ausgemacht haben oder doch
in dem fi) mächtig erhebenden Gefamminamen aufgegangen jeien 15,
Noch mehr aber muß auffallen, daß in dem Maße, wie ber
WMamannenname fich geltend macht, ber ſueviſche für längere Zeit
zurädtritt, und doch ift zum voraus nicht mahrfcheinlich, daß bie
Sueven bei einer neuen großartigen Bewegung rubig geblieben jeien,
welche diefelben Bahnen gieng, auf denen ihre Väter einft jo gewaltig
vorgedrungen. Zu ber allgemeinen Vorausſetzung treten befondre und
beftimmtere Anzeigen ber fuevifchen Betbeiligung Die Sueven, die
mit Ariovift ausgefahren, und bie hundert ſueviſche Gaue, die ihm an
ben Mittelrhein nachgezogen, mögen doch nicht gänzlid aus der Gegend
weggeſchmolzen fein, in welcher der Urfprung des alamannijchen Böller:
vereind gefunden mirb 16. Alte Drtsnamen biefjeit3 und jenfeitd des
Mittelrheing mahrten das Gedächtnis ſchwäbiſcher Bewohner: Suabo
im Wormagau, Suaboheim in bemfelben und biefleits im Lobdengau 17,
Suabwilare, Suäbichenbeim vermuthlic im Speiergau 18, Neben den
Alamannen und jelbft ala Theil derfelben bezeichnet, ericheinen nad)
andrer Seite hin die Juthunge, ein Boll, das um die Mitte des
Aten Jahrh. Rätien verheert, deſſen Name zuleigt zum Jahre 430 vor⸗
kommt und an deſſen Stelle nachmals die Sueven ald Nachbarn und
Verbündete der Alamannen öÖftlih ber Alb genannt werben, fo daß
e3 nahe liegt, die Juthunge für das gleiche Bolt, aljo ſelbſt fchon für
ein ſueviſches, anzufehen 1%. Darin beftätigt der Umftand, baß eines
15 Beuß 90. 306 f. Stäfin 1, 116,
16 3, Grimm, Sprachgeidichte 498 f. gebt noch weiter: „Warum follten
die am Oberrhein nieberfienden fiegreihen Alamannen nit tüberhaupı als
nachlommen jener alten Sueven betrachtet werden, zu welchen ſchon Arioviſt
gehörte?“
17 Cod. Lauresham., Ind. geogr. unter ben betreffenden Namen,
8 Tradit. Wizenburg. ebenſo.
19 Ammian. Marcel. 17, 6 zum Jahr 3858: „Juthungi Alamannorum
pars;“ ein Jahrhundert fpäter, nah Jornand. 55: „Suevis tunc juncti
9
Einfolls der Sueven in NRätien gedacht wirb, welcher der ſchon er:
wähnten Berbeerung berfelben Provinz durch bie Juthunge nur um
zwei Sabre vorangieng 2, Daß es verfchiebene Völker geweien, tft
viel weniger glaublich, als daß auch die Juthunge aus dem allgemei⸗
neren Suebennamen beraustraten. Sechs Sabre nad dem Juthungen⸗
zuge brechen dann in Gallim und wieder in Nätien die Alamannen
verwũſtend ein 21. Sueven, Juthunge, Aamannen folgen ſich inner
halb eines Zeitraums von acht Jahren fo genan in derſelben Richtung,
daß im rafchen Wechfel der Namen nit au das Voll je wieber ein
andres geivejen fein wird. Die ſueviſchen Juthunge waren ein heil
der Alamannen und diefer legte Name war zur Zeit bes britten Ein:
falls in Rätien der herrichende und verbzeitetfte.
Weiterhin findet man Alamannen und Sueven, Suaven, Alamannia
und Suevia, Suavta, bald unterfchieden, aber doch enge verbunden, bald
gleichbedeutend und gänzlich verichmolgen 2. Wo unterſchieden ift, da
find die Alamannen mehr auf ber Weftfeite den Rhein hinauf und
füblich bis zu den Alpen, die Sueven mehr öftlih und im Binnen:
lande gedacht 28,
Alamanni n. |. w. tam Suevorum gentem gquam etiam Alamannorum. utras-
que ad invicem foderstas.“ Über die Yuthunge und ihr Verhältnis zu
Kamannen und Sueven |. Beuß 812 His 317, Stälin 1, 122 f. 147 f. 3. Grimm,
Eprachgeſchichte 500 f.
2 Anmian. Marcel. 16, 10 zum Jahr 366: „Imperator (Constantius)
— sdsiduis nuntiis terrebatur et certis, indicantibus Suoros Rætias in-
cursare® u. |. w. Vergl. die fen berührte Stelle 17, 6 gum Jahr 358:
„Juthungi, Alamannorum pars itallols conterminans tractibus, obliti pacis
et faderum, que adepti sunt obsecrando. Rætias tarbulenie vastabant,
adeo ut etiam oppidorum tenlarent obsidia- praster solitum.“ Dem früheren
Einfalle, deffen Ergebnis erft hier angedeutet if, folgt ein ſtärkerer. Dazwiſchen,
in das Jahr 857, fällt bie Riederlage ber Alamannen bei Straßburg, ebend.
16, 11f Bergl. Zeuß 315 **)
21 Ammian. 26 4 zum Jahr 364: „Gallies Retissque — Alamanni
populabantur.“ Im Jahr 356 mie 364 find die Bewegungen der Sueven
umb hie der Alamannen gleichzeitig mit folhen ver Quaden und Sarmaten.
2 Denk 306. 315 bie 317. Siälin 1, 128. (117 ob.) 148.
3 Zen 316: „Die Mamannen und Schwaben, zwei zahlreiche Völler,
erfcheinen feit ihrem erfien Aujammenmwohnen enge verbunden; es läßt ſich
für feine Zeit eine beſtimmte Grenze zwijchen ihnen nachweilen, nur jagen,
10
Damit hängt ein Unterfchied im Sprachgebrauche zufammen, der
nemlich, daß bei ben römischen und ben fpäter Iateinifch fchreibenden
Schriftftellern der Name Alamannen bei weitem vorwiegt, bagegen in
deutſchen Sprachdenkmälern, fobald dieſe eintreten und ſoweit fie nicht
fpäterhin franzöſiſchen Quellen folgen, derſelbe als Volks: oder Landes:
name höchſt felten noch gebraucht wird, vielmehr allgemein von Schwa⸗
ben, Bolt und Land, Schwabenreih, Schwabenrecht, verlautet 24,
Walafried Strabo, der nad Geburt und Stellung wohl unterrichtet
fein konnte, fpricht fi, vor 837, dahin aus, daß Alamannen und
Schwaben zwei Wörter feien, die Ein Bolt bezeichnen, mit dem erftern
werden feine Landsleute von ben Iateinifch redenden Nachbarvöllern,
mit dem andern im deutſchen Gebraude benannt 20. Der einfachfte
Ausdrud dieſes Verbältnifles ift eine alte Zürcher Gloſſe: „alamannus,
suab* 26, Nur als perſönlicher Name findet fi Alaman zumeilen
noch in Urkunden der Farolingifchen Zeit, beſonders auch am vormals
daß diefe im Often, jene näher dem heine fih ausbreiteten. Sie find wie zu
einem Bolle verſchmolzen.“ Stälin 1, 146. J. Grimm, Sprachg. 499.
4%. Grimm, Spradhg. 499.
2 Walafr. Strabo de vita b. s. Galli, prolog. (®olbaft, Ber. rer. alam,
8. 1, Frankfurt 1730, S. 147. Die ältere vita s, Galli bei Berk 2, 5 ff.):
„Igitur quia mixti Alamannis Suevi (vgl. ob. ©. 9) partem Germanie ultra
Danubium, partem Retis inter Alpes et Histrum, partemque Galli circe
Ararim obsederunt, antiquorum vocabulorum veritate servata ab incolis
nomen patrie derivemus, et Alamanniam vel Sueviam nominemus. Nam
cum 'duo sint vocabula, unam gentem significantis, priori nomine nos
appellant circumposite gentes, qus latinum habent sermonem, sequenti
usus nos nuncupat Barbarorum.“ Diefer Prolog iſt an den Abt Bozbert
von &t. Gallen gerichtet, der von 816 bis 887 dem Kloſter vorfland (Rat-
perti cas. mon. 8. Gelli, ebend. ©. 5 f) Bergl auch Gtälin 2, 689 f.,
% 1. 647, A. b.
26 Graff, Dint. 2, 8585. Wenn dagegen Walther 84, 7 den Pabſt ſagen
läßt: „ich ban zwen Alman (Hoffmann, Abd. Bloffen 2, 24: alman —
Alamanni. Gchmeller 2, 578 ob.) under eine fröne braͤht,“ fo iſt eben damit
weliche Rebe bezeichnet, ebend. 5: „jwenne er finen Walhen feit; andy: „ale-
man die bofen“ des Ruol. L. 276, 4. „die flolgen Alemäne*, „Franzoyſe und
Alemäne“ bei Wolfram und das Land „Alemänje“ bei Gotfrid (Benecke,
mittelhochd. Wörterbud) 28) find unvollsmäßige Nahahmung der franzbſiſchen
Mufter. Gelehrt lantet in den Mariengrüßen, Zeitſchr. f. d. Alt. 277 (vergl.
274): „ih bin ein fündic Klmän.“
11
alamannifchen, nachher fränkiſchen Mittelrhein, im Lobden⸗ und Kraich⸗
gau ??, Die großen und fortgefeßten Kriege mit den unter dem Ala⸗
mannennamen vereinigten Böllerfchaften muſten dieſen ben Römern
geläufig machen und fo iſt er auch in romaniſche Sprachen überge
gangen, zur Bezeichnung der Deutichen überhaupt, jevoch bei den
Franzofen im Mittelalter noch für bie Oberbeutfchen insbeſondre 28.
Allein felbft in römischer Meldung aus der Zeit und dem Bereiche ber
Alamannentriege klingen doch daneben die Sueven hindurch, naments
lich auch zur Bezeichnung der Schwarzwaldgegend um bie Donaus
quelle 2°,
Tiefer gebt die noch ganz im Leben der Gegenwart haftende Ber:
fchiebenheit zwiſchen alemanniicher und im heutigen, engeren Sinne
Ihmäbifher Mundart, bauptfählic in der Ausfprache der langen und
diphthongiſchen Vokale, alemannifch i, d, ü, ei, ou, ſchwäbiſch ei, au.
ou, oi, au (mittelhochbeutich & in beiden DMunbarten &). Die Bebeu-
tung diefer mundartlihen Verſchiedenheit für die ältefte Vollsgeſchichte
wird dadurch nicht aufgehoben, daß alts und mittelhochbeutich nur bie
eine obiger Volalreiben, die alemannifche, gemeinfam in der Schrift
Sprache üblih war. Wie fih die andre, ſchwäbiſche, aus jener in
fpäter Zeit entwidelt haben foll, darüber ift noch fein Nachweis auch
27 Cod. Lauresh. an den im Ind. onomast. ımter Alaman verzeichneten
Stellen. Aud bei Goldaſt 8, 96 aus cod. s. Gall. „Alman;“ Meichelbeck
414 und 492: „Alaman,“ 469: „Alman Presbyter“, 599: „mancipia u. |. w.
Alaman ı. |. w. Erchanswap u. f. w. 8wapin.* Suddeutſche Ortsnamen
mit almanns gebildet |. Wörterbuch 218.
3 Grimm, Gpradg. 789. Im altfranzöſiſchen Gedichte von Garin:
„Ibiois et Alemant,“ „Alemans et Tyois,“ Mones Unterjuchungen 243. 259:
Alemannen und Deutfhe im engern Sinn, Ober- umb Niederländer. Ver⸗
miſcht im Rom. de Berie ©. 10.
29 Aufonius, der wahrjcheinfich den Heerzug Balentinians in das Alamannen-
land 368 mitgemacht, befingt die ihm als Kriegsbeute zugetheilte Biſſula als
ein om Urſprung der Donau heimifches Suevenmäbchen: Idyli. 7 (ed. Bipont.
©. 168): „conscia nascentis Bissula Danubii* und zuvor (ebend, ©. 167):
„in Sueve gratiam virgunculse;“ den Danubius felbft läßt ex jagen, epigr.
4 (edend. &. 5): „gelidum fontem mediis effando Susvis;“ auch läßt er dieſen
Strom die Riederlage der Sueven am Rheine verkündigen, epigr. 3 (ebend. 4):
„Cwde, fuge, tlammis stratos periisse Suövos, nec Rhenum Uallis limitis
esse loeo.“ Beuß 817.
12
nur berjucht worden. Dagegen zeigt ſich über bie althochdeutfchen Schrift
bentmäler hinaus gothifch für langen ahd. Vokal der Diphthong (abv. &,
goth. ai, ahd. i, goth. ei, ahd. d, goth. au, ahd. ü, goth. iu und au) und
für ahd. Diphthonge vollerer Zmweilaut (ahd. ei, goth. ai, ahd. ou, goth.
au) 30, wie felbft althochdeutſch neben ei und ou in manchen Fällen noch
älteres ai und au 91, abwärts aber beim Erlöjchen des reinen Mittelhoch⸗
beutich kommen in ſchwäbiſchen Urkunden des 14ten Jahrh., welche dem
Örtlichen Verkehr angehören, & und 5 für mhd. ä und d, denen dann auch
bald ei und au (Ausſprache ou) für i und ü folgen, in der Weile
hervor, daß ihnen noch unverlorene altbochbeutiche Flerionsformen zur
Seite gehen 22 (die ſchwäbiſche Neigung zum Diphthong bat fomweit
a20 u mi Gothiſch. Alemanniſch. Echwabiſch.
i. ei, i, ei.
u ät, , ai.
d, Au, d, au.
u, in und au, (7) A, ou (vgl. Er. 1 (3), 62, A. 1).
ei, di, ei, oi, 0a (vgl. Gr. 1 (8), 122, A. I).
in, m, gedehntes ü, ui.
ou, Au, ou, au.
Gegen goth. t und u' Gr. 1 (3), 6L f. Sprachg. 456. Epradig. 499 u., f.:
Armalausi. Abweichend M. Rapp, Phufiol. d. Epr. 1, 879. 882. (Berg.
ebend. vergleichende Gramm. 1, 46.)
Si @r. 1 (3), 103 f. 104 f. 122 f. Langobard. ai und au, Sprachg. 697.
(Ahd. u. mbd. & (je, we), goih, di. alem. &, ſchwäb. ai ſchon oben.) Dagegen
gotb, d, ahd. uo. Gr. I (3), 102 u.
2 So gibt eine Pergamenturtunde aus Rotenburg am Nedar von 1370
neben: han (pr. und inf.), näd, flänt, vflän, wä (mo), flät, geläßen (inf.),
gät, An (ohne), hänt, wär und flat, Abend, jär, Rötemburg, ſtößet, aines, Adel⸗
haiten, gemwonhaiten ainhalb, laiften, ze vailem köff, dehain, zwain, bie
ahd. Flexionsvokale gefügti, bfrihtint und vertigotint (preet. conj.), in bem
fübenzigoften jär;, eine andre aus Kilchberg bei Tlibingen von 1437 neben:
vorbetrauchtunge vnd raute, haut (hat), haunt, nauchkomen, Adelhait, aing,
ainthalb, claim, waid, Haingen, die Flexionen: Margarethun Leſchernun jeligen
von lilberg eliche find, der vilhernun wingarten, Tırlen Faiſinun (dat.) von
Yhlingen (eigen ifi in einer Urdunde Graf Eberhards von Wirtemberg vom
Jahr 1893 ze Stüggartun), all vorgefhrieben jacha war vnd flett zubaltend
vnd zeuoffurend, mich aller vorgeſchrieber facha verbind vnd befenne (aber aud)
aller vorgeicheieben fachen), mit beheinen andern ſacha (vergl. Graff 6, 76 f.
Gr. 1 (2). 616 f). zu hindroft. (Hofraitinan (d. pl.), wittraitinan, daffrinan,
13
gewirkt, daß das ahd. A, das gothiſch auch nur einfache Länge & bot, in
au und & diphtbongifierte, vgl. Br. 1 (3), 500: ſchwed. &); ſtatt nun dieſe
beiberlei Erfcheinungen zu trennen, will e8 natürlicher bebünlen, fie
gemeinfam als Überrefte eines höheren Sprachalterthums gelten zu
laſſen. Schmeller bat die bieher folgenreiche Bemerkung gemacht, daß
unter den hochdeutſchen Dialekten ber oberrheiniiche (eben ber aleman-
niſche), in feiner Entfchievenheit am Rhein und deſſen Zufläflen bis
unter Straßburg herab berrichende, foweit er auch beraufgeftiegen m
die Alpen, dem nieberbeutichen Stamme in der Ausſprache der Bolale
am ähnlichiten geblieben fei ?°, und es kommt nad biefer Seite bejon:
ders die Neigung der alten niederbeutichen Sprache in Betracht, Diph⸗
thonge in einfache Längen umzufeten 4. Waren nun im Alamannen:
bunde Sueven mit andern, niederwärts am Rheine heimischen Völkern
bereinigt und war nachher Alamannien Jahrhunderte lang dem Reiche ber
vom Niederrhein heraufgelommenen Franlken einverleibt, nach denen die
althochdeutſche Sprache „Fränkifche Zunge“ genannt wurde 5, fo ſtimmt
es damit gut überein, daß auf die Sprachbildung der am äußern, ſüdweſt⸗
lichen Rande den Rhein entlang bis an die Schweizergebirge heraufgezo⸗
genen Alamannen niederrheiniicher Bolalismus einwirkte. In den Maße,
wie nieberbeutfch, ift jevoch die Verbichtung der Diphthonge zu langen
Bolalen im Oberlande nicht burchgebrungen 3%. Vielmehr hat diefe
frefilinan, aller eheſtin und gewaltfami (d. sing.), wafferlaittin (d. pl. ?),
itafliger (gen. pl.), ire eigin infigel (acc. pl.). Labers Jagd. Vorr. XI
ob. ie.
33 Die Mundarten Bayern? 6 ($ 9): „Der erfte von diefen (ſüd⸗ ober
oberdentfhen) Dialelten (der oberrbeinifche) herrſcht in feiner Entſchiedenheit
am Rhein und defien AZuflüffen bis unter Straßburg hinab, wo er ein mehr
mitteldeutfche® Anjehen erhält und dem num nähern Niederdeutſchen unähnlicher
wird, als er es weiter oben war.” 8 ($ 11): „Derjenige unter ben hoch⸗
deutichen Dialelten, der, fomweit er and) herauf geftiegen ift an bie Alpen, dem
nieberdeutfchen Stamme in einem wichtigen Punkte, nemlich in der Ausiprache
der Bocale, am ähnlichſten geblieben, ift der oberrheiniſche.“
4 Gr. 1 (8), 249: „Wefentlichftes ergebnis der unterfuhung altf. vocale
überhaupt bleibt uns die abneigung diefer fpradhe vor mehreren diphthongen,
weiche fie in einfache Längen zu wandeln trachtet.“ Vergl. 244 ob. 260 u.
85 Dtfr. 1, 1, 114: „in frenfisga zungen.“
% Gr. 1 (8), 247: „Die altf. lautverhältniffe Haben große analogie zu
den ahd., befonders was die kurzen vocale und den umlaut betrift, der auf das
14
Richtung ſich mit den öſtlich ſchwäbiſchen Diphthongen in der althoch⸗
deutſchen Gefammtiprache ähnlicher Weile abgefunden und ausgeglichen,
wie die Völker felbft, Alamannen und Sueven, zu Einem Bolle zu:
fammenmwucjen. Sp verblieb es auch auf der mit dem Althochbeutichen,
abgeſehen vom Umlaut, vokaliſch gleihartigen mittelhochbeutichen Sprach
ftufe 97, Während die Conſonanz, der Nero ber Sprache 38, unter
dem berrichennen Geſetze der Lautverichiebung durchaus oberbeutfchen
Charakter behauptete, findet fich bis um bie Mitte bes 14ten Jahrh.
in ſchwäbiſchen, oberrheinifchen, ſchweizeriſchen Urkunden 3%, wie in der
Literatur diefer Länder, gleichmäßig der mittelhochbeutfche, unter nieder⸗
rheiniſchem Einfluß erwachſene Bolalismus. Daß aber vie älteren,
oſtſchwäbiſchen Volallaute im Vollemunde nicht aufgegeben waren, zeigt
ihr Wiedererwachen im Schriftgebrauche der gedachten Zeit und nod
mehr ihre Anbauer im lebendigen Worte des innern Schwabens, mo:
gegen im Breisgau und ſüdweſtlichen Schwarzwald, in ber Schweiz
und unvolllommener im Eljaß das vokaliſche Mittelhochdeutfch fortbefteht.
Nah den Zerfalle der mittelhochdeutſchen Gejammtliteratur und unter
dem Einfluß ſtaatlich⸗kirchlicher Abgrenzungen erneuerte und Ichärfte
fih die Spaltung der Mundarten #0, Eine neue mundartliche Entwid-
einzige e befchräntt ift u. |. w. Dagegen entfernen fich die langen vocale und
diphthonge darin bedeutend von dem ahd., daß die verdichtung der ei unb ou
in & und ö meiter durchgeſetzt worden if.“
3 Ebend. 125, 2.
38 Ebend. 30 f: „In den vocalen hauptſächlich ift Die weichheit, in ben
confonanten die fraft der fpracdhe gelegen.“
39 Bergl. Schmeller, Mundart. 8 f. ($ 11). Aber au) Er. 1 (3), 201 f., 3.
© Eine im Obigen nicht berührte Abweichung des ſchwäbiſchen Dialekta
vorn alemannifchen betrifft den Umlaut von o, d, ou und u, fi:
alemannifch (mhd.) 5, fchwäbiich e,
Pr „And, m 8,
n „ Bu, „ pi,
”„ ” ü ' [4 i '
„ De w ie.
Diele ſchwäbiſche Neihe bietet jedoch keinen wirklichen Umlant. Der Volal,
weicher umlauten follte, hat nicht bloße Trübung erfahren, er if gänzlich auf
gehoben und durch einen andern, dem eigentlihen Umlaut nahe kommenden
einfachen oder zum Diphthong verbundenen Bolal (den des bloßen Beilauts)
erfegt. Es iſt, als hätte die ſchwäbiſche Mundart fich wiberwillig einem der
mhd. Umlautung nur ähnlichen Verfahren gefügt. Ihr konnte der Umlant
15
ung zu erzeugen, wären biefe äußeren Verhältnifie für fi allein nicht
im Stande geweſen, wohl aber konnten mit ihrer Hilfe die angeftammten
Laute, welche durch die allgemeinere mittelhochdeutſche Sprachherrfchaft
niebergehalten waren, lanpichaftlich wieder frei aufathmen.
Nah al diefem läßt ſich das Verhältnis ber drei alten Volle:
namen fo beftimmen: Alamannen bezeichnet nad dem Wortfinn und
nad zeitgenöflischer Auffaflung eine Völferallheit, den gewaltigen Bund,
der im 3ten Jahrh. ſich gefammelt hat #1, und derjenige Landftrid, in
weniger Bedürfnis fein (fie meidet den Umlaut aud fonft, 3. B. ſpaͤt, frů,
Stud, Brud, Ruden), da fie nicht die einförmigen Volallängen angenommen,
fondern ftatt derjelben Diphthonge bewahrt hatte, die eine viel Tebhaftere Laut⸗
färbung geben (vergl.. Gr. 1 (8), 83, U. 2), als gedämpfter Umlaut, und da
ihr auch die volleren Flexionsvokale, welche gleichfalls zum Lautwechjel dienen,
noh am Schluſſe der mhd. Periode nicht gänzlich fehlten, alſo im Laufe der,
jelben, während deffen fie auch in der Schriftipradhe da und dort auftauchen,
viel weniger gefehlt haben werden. (Eher gefiel ſich dieſe Mundart darin, die
Zahl der Diphthonge zu mehren, das einfache i ift zuweilen in ie gewandelt,
ier, wier, mier ftatt ir u. |. w.) Die anfgezählten Eigenheiten überall nur
für Berberbnis und VBergröberung des reinen mhd. Typus gelten zu laſſen,
damit ift nichts erlärt. Alles miteinander, der Diphthongismus, dem gotbifchen
meift noch gleichlaufend, ftatt der Bolalverdihtung, die gefrifteten ahd. Flexions⸗
formen, der unvolllommene Umlaut, bildet einen dem höheren Afterthbum zu⸗
gefehrten Zuſammenhang, mag dann auch das Altüberkommene mehrfach entftellt,
ierig angewandt und in ber breiten Ausfprache verbanert fein. Diefe zufammen-
hängenden Erſcheinungen gehören, wie fie der Zeit nach weit greifen, fo aud
räumlich nicht einem engbegrenzten Gebiet an, was bei abjonderlicden Dialekten
der Fall zu fein pflegt, fie erftreden fich nicht bloß über das ganze Land von
der Oftfeite des Schwarzwald bis zum Le, fondern fie reihen fih einem
größeren ftinöftlich » deutſchen Sprachkreis ein. Die nahverwandte bairifche
Mundart ift gleiherweife nicht erft ein Ergebnis bes zerfallenden Mittel⸗
hochdeutſch, ihre Spuren find in öſtreichiſch⸗ bairiſchen Dichtwerken von ber
zweiten Hälfte des 14ten Jahrh. rückwärts in die mittelhochdeutfhe Zeit hinauf
nachgewieſen (Er. 1 (8), 201 ff., 3. Koberflein, über die Sprache Euchenwirts
1, 22 fi), Das Althochdeutſche hat mit dem Altniederbeutfchen bie Nichtent-
widlung des Umlauts (außer a in e) gemein, während aber das Mittelnieber-
dentfche und Mittelntederländifche hiebei beharrt find, hat das Mittelhochdeutſche
(Alemannifche) flir die durch nieberdeutichen Einfluß veranlaßte, obwohl keines⸗
wegs durchgeführte Bertaufhung alter Diphthonge mit gedehnten Vokalen in
der Manigfaltigkeit des Umlauts Erjat gefunden.
416. hierüber Zeuß 805 f. Stälin 1, 116. J. Grimm, Spradg. 498
(Zeltſchrift 8, 391 f., Wörterbuch 218. 213, 1. 206: Al), dem jedoch „ala —%
16
welchen biefer Bund zuerft fiegreich eingebrochen und feinen Eik verlegt,
hieß vorzugsweiſe Alamannenland; Juthunge, wenn fie auch in Folge ber
den Mann im eigentlichen, vollen Sinne bedeutet. Für die andre, oben an⸗
genommene Erllärung fpricht Folgendes. Ein, nach dem Zeugnis des Agathias
(F vor 582, GStälin 1, 166), über Germanifches genau bericdhtender Römer,
Aſmius Onabdratus, der um 250, alfo den erften Alamannentriegen gleich
zeitig lebte, leitet den Namen der Alamannen davon her, daß fie zufammen-
geſchwemmte und gemifchte Leute fein. (Agathias, Histor. 1, 6: „os dä
Alauavol, alys pn 'Adıvvio Kovadparp Inscdar, aböpl Tralıary nal cd
‚ Tpuavına ds rò dupfis avappayaniva, Fupulvöig sicır avdpenoı nal
uiyadsz, nal rovro duvaraı awroig 7 inovuuia." Es if denn doch eine bem
erften Auftreten der Alamannen gleichzeitige, eher aus dentſchem Munde ver
nommene, als von dem Römer felbft erjonnene Erflärung und um file zu ver
werfen, muß man verfihert fein, daß um 250 ala- gerabe fo gebraucht unb
bon al- unterfihieden wurde, wie nachmals im Gothiſchen und Althochdeutichen.
Hiezu das gothiſche „in allaim allamannam“ (Steir, 51, 16 f. Bergl. 48,
17 f. 1495. Zeitſchr.), wo ala nicht den Begriff man zu heben, fondern den
der Allheit, des allaim (inter omnes in universum gentes et universos
homines), zu verſtärken beflimmt ift und die Allheit, nicht bie Volllommenheit
in Betracht kommt, das altnorbifche „almenningr“ m. universitas, commnnio,
„almennr* communis, endlid der geihichtliche Umftand, daß mit dem Hervor⸗
treten des Alamannennamens jene andern VBöllernamen, felbft der fuenifche, ſich
verlieren und, da nicht ſchon längerber ein ſtarkes Alamannenvolf bekannt war,
mur eben die Bereinigung ſolche Macht Ichaffen konnte. Erſt aus dem Plural
fonnte der Singular Alaman erwachſen, wie bieß auch fonft bei Volksnamen
vorauszufeßen if. Der ahd. Mannsname Alaman läßt fi allerdings zahl⸗
reihen mit verflärtenden ala- zuſammengeſetzten Einzelnamen (Alaric, Walter,
Aawic, Mafrid, Alaher, Maih, Alaburg, Alagund u. ſ. w., einige vielleicht
ſtatt alah⸗) anreihen und zeugte dann für Grimms Auficht; aber in Alaman deu
Bollsangehörigen zu finden, wird man geneigt, wenn eine reifinger Urkunde
vom Jahr 836 (Meichelbed Nr. 599) in einer Reihe von Mancipien, welche liber-
haupt gerne nad ihrer Bollsabflammung genannt werden, die Namen Alaman,
Erchaufwap (wovon fpäter), Swapin zufammengeben läßt. Ebend. Nr. 414 und
492: „Waman” als Zeuge, angeführt von Mone, Anz. 5, 270, Mr. 469:
„Alman Presbyter.“ (Entſcheiden würde eine Alamannin; Gr. 3, 888: n. pr.
Alamanna, wo? vergl. ebend. 384: arimanna, herimanna.) Stälin 1, 150,
A. 3 (Ennodius): „Alamannise generalitas" (Ennodius lebte unter Gothen, bei
Theoderich, dem Beichliger der Alamannen). Weiſt „generalitas“ nicht auf eine
(goth.) ala-managei, (ahd.) ala-maneli (Gr. 1 (2), 609. 619. 628)? Daraus
erft der Einzelne ala-man, Zu alamank (Steir. 48, 17) vergl. Gr. 3, 184 f.
180 f. Graff 1, 221 u. 1157: alloman, unusquisque? Caſſiodor, Var. 2,
4 (&. 132 f.): „Alamannicos populos u. |. w. Alemannum (sing.)
Berwandtichaft und des Zuſammenwirkens für einen Theil ber Ala-
mannen angefehen fein Zonnten, ſtehen boch zu biefen hinwider in
erkennbarem Gegenſatz, denn wie ibr gleichzeitig mit dem alamannifchen
auftauchender Name die vom Geſchlecht, d. b. echte, geborne Sueven,
anzeigt‘, jo rühmen fie fi auch, beim Zufammenftoß mit Aurelian,
ihres Neiterheeres von fabelhafter Zahl, das nicht aus gemifchtem
Volke, ſondern „rein aus Juthungen“ beftehe und nicht burch Beimen-
gung Andrer fich gegen die römiſche Kriegsmacht fchirme 1%. Sueven,
der gemeinfame Stammname, obgleich für einige Zeit durch neue
Loſung überllungen, dringt dennoch auf beiden Seiten des Gegenſatzes
acerrimum n. ſ. w. innumerabilem nationem“ n. |. w. Cod. s. Gall. 298,
©. 153: „magnos Alamannos.“ Bergl. auch Scheller 2, 578 ob. 588.
Grammatil 2, 628: „agſ. älfyloe (multitudo) Beon. 177. alt. al-heimr
(macrocosmus) almügi (plebe) el-remi (fama-vulg.) al-Piog (comitia)
al-byda (plebe).* (Bebentet der Ortsname „in Alabrunnen (in pago Alss-
einse),* bei Dronte, Cod. dipl. Fuld. 148, den allgemeinen Brunnen gegen-
Aber den häufig nach einzelnen Eigenthümern benannten Sonberbrunnen ?
Rechtsalt. 313: funderlude. Hattemer 2, 170 b ob.: pharisei (ſuͤnderman).
Stammatil 2, 766.)
a %. Grimm, Spradg. 500: „Weiter im often wohnten die ſueviſchen
Juthungi u. |. w. als mannsname dauert Juthungus noch in fpätern ahd.
uud mbd. dentmälern fort, urkunden bei Meichelbed 19. 83. 117 liefern
Eodunc und bei Neidhart (Ben. 828) lieſt man Jedunc. alle diefe namen leiten
fi} wol von dem altn. iod proles“ m. ſ. w. Bergl. ebend., über das Ber-
brennen der Leihen 32. (Meihelb. 19: „Eodunc testis“, der Gtifter „ego
Peigiri nomine*, unter Taffile.) Lex, iel. 1, 433: j6d, n. proles, fœtus,
Barı, Atom, HYngel. Ettmilller, lex. 58. Sn. 199 (Arnam. 534): „sonr oc
arſi, arfuni, bern, iod ok mögr, erfingi.“ 2135 (A. 561): „iod, burr,
nei ok arfuni.“ Rigemäl Str. 7 (Sem. 101.0): lod Ol Edda u. ſ. w.
hetu Prel.“ Ebendaſ. aber auch Str. 88 (1065) als allegorifhe Namen von
Jarlaſöhnen „Jod nk Adal“ u. ſ. w. Mone im Anz. 4, 892: Über Die
Futfungen)
43 Fragm. ex Dexippo, ed. Bonn. &. 13 (Angabe der juthung. Geſandten):
„inwıno uiv Örparessarreg ic uypiddas Ö', nal rovrov 05 uiyddav ovdä
asdıväv, alld Iovforypav nadaeds, ov noldg ep Inmouayie Aoyoc.
asaida dd ayouım Iımlasiav Övvausog vis Inninjg, aid’ dv rovras tal
irtpav —* inıduuabovreg ro Hpsripov Örparod vd dvarrapaıdror.“
Zeug 314 vermuthet, daß von dem Geſammwolk der Juthungen⸗Alamannen
die Rede fei. (Man vergleiche hiemit die von den Alamannen handelnde Stelle
6. 16, Anmerlung: „Euyaawdss sisır avdpazoı nal miyadug“ u. |. w.)
Upland, Esriften. VIII. 2
18
jezuweilen hervor und tritt zuleßt, weil doch Suevenvolk den Haupt⸗
beftand auch des mächtigen AWlamannenvereind bildete, urkräftig und
nachhaltig in fein volles Recht wieber ein; allein volksthümlich, ber
bauptet er in der heimifchen Sprache die ausſchließliche Herrichaft. Der
Sache nach war fchon Arioviſts Kriegsmacht ein Alamannenbund, es
waren in ihr Ausläufer der von Cäfar namentlich aufgezäßlten fieben
Volker vereinigt, darunter befanden fi) nicht bloß von Anfang an
Sueven 44, ſondern e& war auch ein Hilfäheer von hundert ſueviſchen
Gauen im Anzug, das dem Unternehmen den vollen Nachdruck geben
follte 5 und wohl au, wenn nicht Gäfars raſcher Sieg den erſten
Zug gebrochen hätte, der Eroberung. diefelbe ſueviſche Grundlage ge
Ichaffen haben würde, melde nachmals aus der Strömung des Ala⸗
manneneinbruchs ſich herborgeftellt bat.
Um dem angeftammten Wejen ber Sueven ſelbſt näher zu fommen,
muß der Blick fich in ihre norböftliche Heimat, ben Herb ihrer gewal:
tigen Auszüge, zurüdivenden,
Die Grenzen dieſes altſueviſchen Gebiets geftatten wegen des
Wandels und Wechſels der germanischen Völlerfchaften und bei den
ſchwanlenden, einander widerſprechenden Angaben ber Echriftfteller
feine fefte und bauernde Beitimmung Am Schluſſe des erften Jahr⸗
hunderts n. Chr., alfo in ber Zelt zwilchen dem von Cäfar zurüdges
worfenen ſüdweſtlichen Suevenzug und dem fpäteren, alamanniſch⸗juthun⸗
giichen Einbrucde, gibt Tacitus dem Lande der Sueven einen höchſt
bedeutenden Umfang. Daefelbe begreift ven größeren Theil Germaniens,
die Völker aber, die gemeinfam Sueven heißen, unterſcheiden ſich wieder
durch befondre Namen, wogegen, nah Dio, viele andre Stämme ſich
ben Suevennamen aneignen 16, Es find Anzeigen vorhanden, daß ber
4 Gäfar, beil, gall. 1,51: „Harudes. Marcomannos, Triboccos, Van-
giones, Nemetes. Sedusios, Enevos.“
40 Ebend. 1, 87 (f. ob. ©. 3, Aum. 2).
46 Tacitus, Germ. 38: „Nunc de Suevis dicendum est, quorum non ana
ut Catiorum Tencterorumgue gens. majorem enim Germanis pertem
obtinent, propriis adhuc nationibus nominibusque disereii, quamquam
in commune Suevi vocentur.“ Dio Gaflins Bl, 22: „mulloi yap ai
Glloı rodrov red Zovnßov önarog ayrınowuwa." Zeuß 55. Sprach⸗
geſchichte 40.
19
allgemeine und der befondre Name verbunden wurben: Sueven⸗Lango⸗
Barden, Sueven« Angeln, Sueven⸗Semnonen 17, Suevia bei Tacitus
reicht füdlich an die Donau und ſüdweſtlich, ben nichtfuenifchen Hatten
gegenüber #8, an die Werra, norvöftlich weit über die Weichfel hinaus, erft
jenfeits ber Aftier iſt ibm Sueviens Ende; die Oftfee, wo diefe bernftein-
fammelnden Aftier ihr anwohnen, ift noch fuevifches Meer 4%, auf einer
Inſel im Meere befindet fich aber auch der heilige Hain der Erbgöttin und
die Völker, welche diefe Gottheit feftlich umführen, werben ausbrüdlich
ein Theil der Sueven genannt 30; gleichmäßig ift es ein Theil dieſes Volls⸗
ſtamms, welcher der Iſis opfert, einer Göttin nemlich, deren Sinnbild,
ein Schiff, auf die Herkunft ihres Dienftes tiber See gebeutet wirb 1;
wenn enblih aus Britannien kommende Ufipier, die fich im römischen
Dienft empört baben, jchrffbrüchig erfl von Sueben, dann von riefen
aufgefangen und verlauft werden 52, fo bat man fich biefe Sueben als
4 Ptolem. Beuß 759: „Zow,ßos Aaryoßdede“ „rar Zrvnßav rörv
"Aypeılav" „rör Zovnßer röv Zeuvovar.“ Go mochten aud) die Juthungen
Suevi-Juthungi jein.
%8 Germ. 6. 30 und 31 handelten von ben Katten, C. 38 beginnt wie
oben: „nunc de Suevis u. f. w. quorum non una ut Cattoram u. f. w.
gens.“ C. 41 folgt, auch al® 'pars Suevorum, am Urfprung der Elbe und
gegen die Donau: „Hermundurornm civitas,“ Hiezu annal. 13, 57: „inter
Hermunduros Cattosgue certetum magno prwlio, dum flumen gignendo
sale fecundum et conterminum vi trahunt.* Für die Werra nehmen dieſen
Grenzfluß Zeuß 97 f., Sprachg. 573. 599. Germ. C. 42 find neben den Her-
munburen noch die Naristen, Marcomannen und Duaden zum fuenifchen Be⸗
zeiche gezählt und mit ihnen wird Germanien überhaupt nad) biefer Geite
abgeichioffen: „eaque Germanie velut frons est, quatenus Danubio pro-
kegitur.“
42 Germ. C. 45: „dextro sueviei maris litore Aestiorum gentes allu-
untur, quibas ritus habitusyue Suevorum, lingua britannice propior“;
nad) ihnen wird noch der Sitonen gedacht und dann heißt es: „hic Suevie
Kinis.*
% Germ. 6. 40: „Est in insula oceani castum nemas“ u. |. w. vergl,
mit dem Gingang des &. 41: „et heeo quidem pars Suevorum“ u. |. w.
51 Germ. 6. 9: „Parse Suevorum et Isidi sacrificat. unde causa et origo
peregrino sacro purum comperi, nisi quad signum jipsum in modum
liburuse figuretum docet advectam religionem.* Bergl. Deutſche Mytho⸗
logie 236 ff.
2 Zacitus, Jul. Agric. vita 6. 28: „atque ita circamvecti Britanniam,
20
Anwohner des Nordſee zu denken. Es fragt fich nun, welcher innere
Grund die vielen, zum Theil ſehr anſehnlichen Völker, die unter der
Benennung Sueven begriffen waren, ſich als zufammengehörig betrachten
und neben ihren bejondern Ramen ven gemeiniamen führen ließ.
Darüber gibt Tacitus im Allgemeinen Feine Auslunft. Weber eine
einheitliche Staatögewalt, ähnlich der nachberigen fränfiichen, noch
ſelbſt ein geregelter Volkerbund ſolchen Umfangs ift angezeigt °°.
Was die Sprache betrifft, jo kann es, wenn auch die fchärfere Schei⸗
bung ber germanischen Hauptmunbarten zu jener Zeit noch nicht voll.
jogen war, doch in ber raftlofen Bewegung des deutſchen Völkerlebens
an Iprachlichen Abftufungen niemals gefehlt haben und mirklich grenzt
Taritus die Sueven nad Spracde, wie nad) Lebensweiſe, von ihren
Nachbarn im Nordoſten ab, allein er bat dabei zunächſt vie allgemeinere
Verſchiedenheit germanifcher und nichtgermanifher Art im Auge 54.
Dagegen bemerkt er allervings auch fuebifche, unter den Germanen
felbft hervorſtechende Eigenthümlichkeiten. Ein anfcheinend geringfügiger
Umftand, das in Knoten aufgewundene Hauptbaar der Sueven, gibt
ihm zu der Bemerkung Anlaß, daß durch dieſes Abzeichen fich bie
Sueven von den Übrigen Germanen, die Freien von den lnfreien
(d. h. wieder die Bollsangehörigen von ben Friegägefangenen ober
gelnechteten Yremben) untericheiven, bei andern Stämmen aber dieſer
Gebrauch felten und nur in Folge von Verwandtſchaft oder nachgeahmt
vortomme 55. Wichtiger ift die Eintbeilung in hundert Gaue, mie fie
amissis per inscitiam regendi navibus, pro predonibus habiti, primum
a Suevis, mox a Frisiis intercepti sunt“ u. ſ. w. .
83 Gäfar 6, 10: den Sueven untergebene und verbündete Völker („natio-
nibus, qus sub eorum sunt imperio u. f. w. cum omnibus suis 80ci0-
ramque coplis“ u. |. w.).
4 Germ. 43: „Marsigni et Barli sermone cultuque Suevos refe-
runt, Gothinos gallica, Osos pannonica lingua coarguit non esse Ger-
meanos, et quod tribuata patiuntur.“ 44: „nec arma (Suionum) ut apud
ceteros Germanos promiscua.“ 45 von den Hitiern, wie ſchon ausgehoben:
„Titus habitusque Suevorum, lingua britanniee propior.“ 46: „Peucini,
quos quidam Bastarnas vocant, sermone, cultu, sede ac domiciliis ut
Germani agunt.“
55 Germ. 38: „Insigne gentis obliquare crinem nodoque substringere.
sic Suevi a ceteris Germanis, sic Suevorum ingenui & servis separantur.
21
Säfar von den Sueven feiner Beit in Erfahrung brachte und gleich»
mäßig Tacitus von feinem ſueviſchen Hauptvolle, den Semnonen, zu
berichten weiß >. Mit diefer Eintheilung ftand, wie Säfar näher aus
führt, die ganze Ordnung des Kriegsdienftd und ber Feldbeftellung im
Zufammenbang; aus jedem der hundert Gaue follen jährlich tauſend
Gewaffnete in den Krieg gezogen fein, bie Andern beftellten daheim
für fi und für Jene das unvertbeilte Feld und ebenfo warb im fol:
genden Jahr abgewechſelt 57. Diefe einfache Kriege: und Feldbauver⸗
faflung fnüpft zum voraus eine beträchtliche Vollszahl zufammen und
Tacitus findet in den hundert Gauen einen Grund bes großen An
fehens der Semnonen 53, Ein Verband von folder Stärke war dann
auch wohl im Stande, meiteren Zuwachs an fich zu ziehen und gleich
artige Bildungen aus fi abzufegen oder durch fein Beifpiel hervor:
zurufen; die Ordnung nad hundert Gauen fchreibt Cäfar nicht bloß
dem fuenifchen Stammvolk im Binnenlande, fonbern auch jenem Sueven⸗
heere zu, das hinter Ariovift her auf Eroberung und neue Anfieblung
auszog. |
Mas jedoch allen Bindemitteln erft das eigentliche Leben gibt, das
ift der Glaube des Suevenvolks an eine gemeinfame Ablunft, an eine
große Verbrüderung duch Bande des Bluts; ein Glaube, welcher felbft
in aliis gentibus, sen cognatione aliqua Suevorum, sen, quod seepe accidit,
imitatione, rarum et intra juvente spatium, apud Suevos usque ad
eenitiem“ u. f. w. Lucanus 2, 51 f.:
„Fundat ab extremo flavos aquilone Su&vos
Albis et indomitum Rheni caput“ u. ſ. w.
56 Käfar, bell. gall. 1, 87: „pagos oentum Suevorum ad ripam Rheni
eonsedisse.“ 4, 1: „ii (Buevi) centum pagos habere dicuntur.* Tacitus,
Germ. 39: „Semnonum centum pagos habitantium.“
57 Cäfar, bell. gall. 4, 1: „Ii centum pagos habere dicuntur, ex
quibus quotannis singule millia armatorum bellandi cause suis ex finibus
edacunt. Reliqui domi manent, pro se atque illis colunt, Hi rursus
inricem anno post in armis sunt, illi domi remanent. ßic neque agri-
enltura, neque ratio atque usus belli intermitlitur. Bed privati ac separati
agri apud eos nihil est“ u. ſ. w. Bergl. Zacitus, Germ. 6: „oenieni ex
singulis pagis sunt.“
8 Tacitus, Germ. 39: „Adjieit auctoritatem fortuna Semnonum centum
pagis habitentinm, magnoque corpore efficitur, ut se Suevorum caput
credant.“
22
wieder Zweierlei vorausſetzt, einmal die gleichartige natürliche Beſchaf⸗
fenheit, tie 3. B. Cäjar von ber ungeheuern Leibesgröße der Sueven
ſpricht 5%, ſodann bad unvorbenfliche Alter einer irgendwie beftehenben
Gemeinſchaft. Die Sueven wurden nah Tacitus überhaupt zu den
germanifchen Urböllern gezählt 60; befonder8 ausgeprägt aber ift ihr
eigener Glaube an gemeinfamen, blutsverwandtichaftlichen Urfprung 91
in einer von bemfelben Schriftfteller verzeichneten Stammfage, die,
durch gottesbienftliche Gebräuche geheiligt, eben an ben in hundert
Gauen wohnenden Semnonen baftete. Damit ift für das alte Sueven-
land, deſſen äußerfte Umriffe fich ins Unfichre verlaufen, wenigſtens
ein zuverläßiger Kern und Mittelfreis geivonnen, von dem aus weitere
Bogen gezogen werden Tönnen. Die Semnonen, biejes große Sueven⸗
vol, wie es von Strabo benannt ift, hatten meftlich die mittlere Elbe,
öftlich den Suevenfluß, die Oder, zur Grenze 62; gegen Süboft, nad
Böhmen hin, früher mit dem marlomannifch-fuenifchen Neiche bes Maro⸗
boduus vereinigt, fielen fie nachher in entgegengefetter Richtung an
den Cherusker Arminius ab 6%; zur Zeit aber, da Tacitus die Ger:
mania fehrieb, fanden fie unabhängig als ſueviſches Hauptvolk, deſſen
Mohnftätte, nach fpäteren Namen, in der Laufig und ber Marl Bran-
denburg nebft der anliegenden Strede des rechten Elbufers zu ſuchen
ift, Länder, melde nach dem Abzug biefer ſueviſchen Vewohner von
wenbifcher Bebölferung eingenommen und erft nad Jahrhunderten durch
deutfche Anfieblung, Eroberung und Belehrung zurückgewonnen wurben,
An diefe Altefte Hennat, von der die Sueven felbft ihren Urjprung und
Ausgang ableiteten, Inüpft fi nun eben in biefer Stammjage ber
Beginn einer weithinziehenden Sagenkunde. Die Alamannen fonnten,
wenn ihr Name und Anfang richtig gedeutet worden ift, Feine bejondre
% Gäfar, bell. gall. 4, 1: „immani corporum magnitudine.“
@ Germ. 2: „quidam antem, licentia vetustatis, plures deo ortos
plüresque gentis appelletiones, Marsos u. ſ. w. Suevos u. f. w. affirmant,
eaque vera et antiqua namina.“
61 Germ. 39: „omnes ejusdem sanguinis populi® u. ſ. w.
62 Strabo 7, S. 290: „ro röv Zovrßov avröv udya 3dv0g Ziuvavag."
Über die Lage des Semnonenlandes und den Zovnßos norauog insbeſondre
ſ. Zeuß 1831 f. 16. 134 ob. 759.
63 Strabo a. a. DO. Tacitus, annal. 2, 45. Zeuß a. a. ©.
23
Stammfage haben und von ihnen ift auch aus der Beit vor ihrem
Eintritt in das neue Gebiet Feine fagenhafte Überlieferung Fund
geworben.
IL Sueviſche Itammfage. Volksname.
1. Der Semnmonenwalbd.
Die ſueviſche Stammfage lautet in der Auffafiung des römiſchen
Geſchichtſchreibers alſo:
„Die älteſten und edelſten der Sueven nennen ſich die Semnonen.
Der Glaube an ihr beſondres Alter hat religiöſen Anhalt. Zu be
fiimmter Beit Tommen in einem Walde, der durch heilige Gebräuche
der Väter und alte Scheue geweiht ift, alle Bölfer desſelben Bluts
durch Geſandtſchaften zufammen und feiern burch öffentliche Opferung
eined Menſchen den grauenhaften Beginn ihres Barbarenfeftes. Dem
Heine wird noch andre Ehre geboten. Niemand tritt anders ein, als
mit einer Feſſel gebunden, um feine Abhängigkeit und die Macht ver
Gottheit fund zu geben. Fällt er von ungefähr, jo darf er nicht auf:
gehoben werben oder felbft aufftehen, am Boden wälzt man ihn hinaus.
Der ganze Aberglaube gebt dahin, als fei von dort ber Urhab des
Bollsftamms, dort der allgebietenve Gott, alles Andre ihm unterworfen
und gehorfam. Zur Mehrung ihres Anjehen® gereicht das Glüd ver
Semnouen, die in hundert Gauen wohnen, und ihre große Gefammt:
mafle bewirkt, daß fie fich für das Haupt der Sueven halten 69.”
Wie Tacitus ſich Die Anfänge des Volles (initia gentir) im Sem:
nonenhain vorftellte, ift nicht erſichtlich, jet es, daß ihm felbft darüber
nichts Näheres berichtet var oder daß er mit feiner früheren Meldung,
wonach man den Urjprung des gefammten Germanenftammes (originem
gentis) dem von ber Erbe geborenen Gotte Tuisco und deſſen Sohne
Bannus zugefhrieben, in Widerſpruch zu fallen glaubte, wenn aud
für das befonbre Voll wieder eine Erbgeburt angenommen würde.
Und doch fpricht für diefe Annahme ſchon die autochihonifche Sage
vieler andern Böller und die höhere Weihe, welche nur dadurch auf
% Tacitus, Germ. 89.
24
die Semnonen fallen Tonnte, wenn ihre Urſprung im heiligen Wald
ein übernatürlicher, mythiſcher war.
Ihr Name jelbft wird vermuthungsweiſe auf die gleiche Wurzel mit
dem ahd. sämo, lat. semen, bezogen und biefe Beziehung durch die
von Ptolemäus genannte, fügli für den Semnonenwald zu nehmende
Waltung Semana (Iyuavd Van), mit langem Selbftlauter, ver:
mittelt; Semnonen find Bewohner der Semana und dieje beißt fo
entweder als ein theilweife urbares Walbgebirg oder eben in bem
Sinne, daß dort der Urfprung des Volles ward. Diefe Ableitung
aber bat ſich ganz unabhängig von einem Zeugnis angebahnt, das ihr
nicht wenig zu Statten fommt. Handſchriften, deren eine dem 12ten
Jahrh. angehört, andre jogar in das Ste bis 10te Jahrh. geſetzt werben,
enthalten den lateiniſchen Spruch, daß vie Schwaben nicht geboren,
fonbern gefät feien („Suevi non sunt nati sed seminati“) 66, Noch
Geiler von Kaifersberg, der berühmte Volläprebiger gegen Ende bes
löten Jahrh., läßt einen Mann „grobe Schwaben fäen” und auf Be
fragen: „warum ſäeſt bu nicht fubtile Schwaben?” die Antwort geben:
65 Zeuß 8 f. fragend: „Semana vom goth. sema, semen: tanquam inde
initia gentie. Taritus?* Anders 131: „Sie (die Semnonen) haben ihren Ramen
als das Verſammlungsvolk der Smweben, nad) Tacitus, omnes ejusdem san-
guinis populi (Suevi) legationibus coeunt (ad Semnones).* J. Grimm,
Sprachg. 498 f., befonders: „Inuava Semana könnten nun auf ahd. sämo,
L sjemja, böhm. semeno, lat. semen und bie vorftellung eines theilweiſe
urbaren waldgebirgs führen, was jedoch unverläflig bleibt, da niema:b weiß,
was ein jo altes wort fonft bedeutet haben Tann“ u. ſ. w. Auf ben Bmeifel
wegen des kurzen Bolals in Zeuvor ift unmittelbar vorher geantwortet. Bgl.
noch 788. 954. Andre Namenbeutungen geben W. Wackernagel, Zeitſchr. für
d. Alterth. 6, 260; Müllenhoff ebend. 7, 883 f., wo das angelf. seomian (in
Banden liegen, gefefielt fein) mit „vinculo ligatus“ bei Tacitus zufammen-
genonmen wird. .
66 Schmeller, bayer. Wörterbuch 3, 524 aus Cod. lat. monac, 560, BI.
145. Auf meine Anfrage hat mir Schmeller die freundliche Auskunft gegeben,
daß der Coder aus dem 12ten Jahrh. und ein Bufammenhang jener Bemerkung
von alter Hand mit dem fonftigen Inhalt der Handfchr. nicht abzufehen fei;
auch fügt er aus einem Schreiben Kopitars vom April 1841 Folgendes bei:
„Suevi sunt seminati, hab’ auch ich in den Codd. sec. VIII, IX gefunden.
Seminati von semino, nicht etwa von seminascor, gibt 60, 100, 200 für
eins, nati nur 1, felten 2. Copia eorum fuit ut seminati videantur sicut
Cadmi draconite,“
25
„das Erdreich trägt fie nicht", Die Schwaben find hier nur Rüben:
faat, aber vollamäßige Anfpielung auf die alte Schwabenfage fchim-
mert hindurch. Je beftimmter eine fagenbafte VBorftellung für fich ſchon
alterthümliches Gepräge zeigt, um fo zuläfiiger und aufflärender ift es,
fie mit ähnlichen Eagen höher hinauf verwandter Vollsftämme zufam-
menzuftellen. Die Erbgeburt in Stammſagen ber Völker ift vor allem
ein finnbilblicher Ausprud der unvorbenflichen Anſäßigkeit, gegenüber
der Einwanderung, kann aber auch die raſche Anfammlung, Mebhrung
und Ausbreitung, das fprichwörtliche Wachfen aus dem Boden, ver:
gegenwärtigen. In jenem vorherrfchenden Sinne nimmt Taritus die
Urfage der Germanen; ebendahin fällt es, wenn bie Athener und andre
Bölker des griechiſchen Alterthums ſich oder ihre Herricher für Erdge⸗
borne anfahen 8; die andre Wenbung findet fich bei Livius, wenn er
berichtet, Romulus habe, um die Bevölkerung feiner neuangelegten
Stabt zu vermehren, an einer Stelle, die jeht zwiſchen zwei Hainen
von dichten Heden umzäunt fei, ein Aſyl eröffnet, nad einer alten
Erbihtung der Stäbtegründer, die, indem fie eine unachtbare und ge
meine Bollömenge an fich gezogen, fälfchlich worgegeben haben, es ſei
6 Die bröſamlin doct. Keiferfpergs vffgelefen vo Frater Johañ Paulin zc.
Straßburg 1517, Fol. Bl. XIII: „2er du und mad vß einem feißten groffen
bauch ein güten fpringer, er fpringt nit hoch, ber leib gibt nit, das erdtreich
tregt es nit. Gleich als yener der gieng vnd feiet grobe Schwaben, d'and'
fragt, warumb feieftu du nit ſubtyle Schwabe, der antwurt, nein fprad) er, das
erdtreich tregt fie nicht, alfo hie auch.” (Vergl. Schmeller 3, 524: „Schwaben
Nuben.”) Geiler ift zu Schafhaufen 1445 geboren, zu Kaifersberg im Elſaß
erzogen, gef. zu Straßburg 1510 (Koberftein 454).
8 Auf dieſer Vorftelung beruht der politiſche Mythus Platon, vom
Gtaate 3, 20: „nsav da rore ij almdeia vao yig dveög mlarrouevo nal
rpepousvoı, zal avrol xalrd inla avröv nal y dlln dasun Önoupyovura,
inudn Ss navrelög dfueyasııdvoı ndav, 7 y7 avrovg Ajrnp ovda dvijwe. xal
vor del og mepl untpög nal rpogod rig zapag, dv q sici, Bovlsieddal re
zal auvvew avrovg, day rıg da areıy In, nal unip av allav nolırav,
ws adelpör Ovrov xal ynyevar, dıavosisheu.“ Belege hiezu verzeichnet AR in
den Anmerkungen, Platonis Politia u. ſ. w. ree. Frid. Astius. Lips, 1804,
©. 475. Die citierten Belegftellen find biefe: Censorin. de die natali c. 4,
ubi vid. Lindenbrog. p. 22. Menexen. p. 27, ubi v. Gottleb. Isocrat.
Panegyr. p. 14 sq. ed. Mor. et Panathen. p. 258. ed. Corai. (Blatons
Bemndy rı mag fi übrigens zunächft auf bie Kadmosſage beziehen.)
26
ihnen ein Gefchlecht aus ver Erbe geboren worden 6%, Das entfprechenbe
Bild des Säens gibt der Beiname Confivius, Eder, mit welchem der
italiiche Stammgott Janus angerufen ward; er bieß fo, tie ein Er
Härer jagt, vom Säen, nemlid von ber Pflanzung des menfchlichen
Geſchlechts, deren Ausfaat ihn zum Urheber hat 0, Der volle Zuſam⸗
69 Livius, histor. 1, 8: „Deinde, ne vana urbis magnitudo esset, adji-
ciende multitudinis cause, vetere consilio condentium urbes, qui, obeca-
ram atque humilem conciendo ad se multitudinem, natam e terra sibi
prolem ementiebantur, locum, qui nunc septus densis sentibus inter des
lucos est, asylum aperit.*
% Macrobius, Saturnal. 1, 7 (Bip. 8.1, ©. 939): „Regionem istam, que
onnc vocatar Italie, regno Janus obtinuit w. f, w. Hic igitur Janus cum
Saturnum classe pervectum excepieset hospitio, et ab eo edoctus-peritiam
ruris, ferum illum et rndem ante fruges cognitss victum in melius
redegisset, regni eum societate muneravif.“ n. |. w. 1, 9 (©. 236):
„Mythici referunt, regnante Jano omnium domos religlone ac sanctitate
fuisse munitas: ideircoque ei divinos honores esse decretos, et ob merita
introitus et exitus edium eidem consecratos“ u. f. wm. 1, 9 (G. 238):
„In sacris quoque invocamus Janum geminum, Janum Patrem, Janum
Junonium, Janum Consivium, Janum Quirinum, Janum Patulcium et
€lusivium u. ſ. w. Patiem, quasi Deorum Deum u. |. w.; Consivium,
a conserendo, id (&. 239)’ est, a propagine generis humani, que Jano
auctore conseritur: Quirinum, quasi bellorum potentem, ab hasta quam
Sabini curim vocant: Patuldum et Cliasivium, quia bello ports ejus
patent, pace clauduntar“ u. f. w. 1, 10 (&. 242): „Hanc autem Deam
Opem Saturni conjugem crediderunt; et ideo hoc mense [Januar.] Satur-
nalia itemque Opalia celebrari, quod Seturnus ejusque uxor tam frugum,
quam fructuum repertores esse credantur. itaque omni jam fetu agrorum
coacto, ab hominibus hos Deos coli, quasi vite cultiorie auotores, quos
etiam nonnullis celum et terram esse persuasum (S. 243) est; Satur-
numgue a satu dietum, cujus causa de cwlo est; et terram Opem, cujus
‚ope human® vites alimenta quaruntur, vel ab opere, per quod fructus
frugesque nascuntur. Huic. Dew sedentes vota concipiunt, terramque de
industria tangunt, demonstrantes, et ipssm matrem esse terram morta-
libas appetendam. [Plinius, hist. nat. 2, 63; jchöne Stele über die mütter
fie Erde] Philochorus, Saturno et Opi primum in Attice statuisse aram
Cecropem dieit, egeque Deos pro Jove terraque coluisse, instituisseque,
ut peires familiarum et frugibus et fructibus jam coactis passim cum
servis vescerentur, cum quibus patientiam laboris in colendo rure tolera-
verant. delectari enim Deum honore servorum contemplata laboris. hinc
est, quod ex instituto peregrino, huic Deo sacrum aperto capite facimus.“
27
menbang des Säens und Wachſens erichließt fich aber in einer Sage
des griechifchen Altertbums, der Sage von Kadmos, dem Gründer bed
Staates Thebe. Geſäte, Erdgeborne (ouaprol, YryYeveis) nannte man
das thebaniiche Erſtlingsvolk und der Mythus davon ift folgender: Der
Vhönikier Kadmos wird vom delphiſchen Oralel befchieven, ber Weg:
weifung eines weiblichen Rinbes, das noch fein Joch getragen und nicht
den Pflug gezogen, zu folgen und dba, wo es fich nieberlege, eine
Stabt zu gründen. In Böotien, das nach dem Rinde benannt if,
ſtreckt basfelbe fich ind Gras und an biefer Stätte will Kadmos opfern.
Er fenvet nad Waſſer in den noch von keinem Beile berührten Wald.
Dort iſt eine Duelle des Ares und in ver Felshohle, aus der fie fich
ergießt, hauft eine ungeheure Schlange, von ber die Ausgeichidten
geiödtet werden. Kadmos aber erlegt ven Drachen und fät, auf Ge
heiß der Athene, deſſen Zähne in Furchen, deren Stelle man ſpäter
vor Thebe zeigte. Daraus erwachſen gewaffnete Männer, Sparten,
Gefäte. Er hält fie für neue Gegner und wirft einen Stein unter fie,
worüber fie felbft einander anfallen und morben, bis auf Fünfe, von
denen die Stämme der nun begründeten Kadmosſtadt ausgeben '!. Die
largen Andeutungen ſueviſcher Sage, ſoweit diefe hier verfolgt werben
8,9 (8. 2, ©. 25, Über den geheim gehaltenen Namen der Schutsgottheit der
Stadt Rom): „alii enim Jovem crediderunt, alii Lunam u. f. w. alii autem,
quoram fides mihi videtur firmior, Opem Consiviam esse dixerunt.“
Über den Gott Janus |. Schwenck, Myth. der Nömer 122 ff. (Gonfiv. 188),
Wal, de relig. Romanor. antigquiss. 1, 14 fi. (Schwend 189: Ops
Gonfivia. Nitih 587: Consevins n, |. w.) Janus fleht in der römifchen Der
votionsformel, Living, histor. 8, 9, vor allen andern Wöttern: Jupiter, Mars,
Quirinus, Bellona u. |. w. Bergl. auch Schwend, Mythologie der Römer
190 u. Unter ben Überreften der römifchen Pflanzſtadt Sumlocenne am obern
Redar if auf dem Bruchſtück einer Thonfchale das Heine Bild eines Sämanns
gefunden worden mit der Inſchrift: Gonftvins. Janmann, Bufammenfellung
der zu Rottenburg a. N. aufgefundenen römiſchen Inſchriften, Jahrbücher des
Bereind von Alterthumsfrennden im Rheinlande 15, Bonn 1850, ©. 82, und
nach eigener Anſchauung.
71 Hauptſächlich Pauſanias IX, 5. Schol. Eurip. Phen. 641. 674. 949.
Deid, metamorph. 3, 5 ff. Natal. Som. 918 (Nitſch 447 f. Schwend, Myth.
der Griechen 478 f.) Daß Uetes, König in Kolchis, die Hälfte der Dradenzähne
erhält und nachmals Jaſon dag gleiche Abenteuer damit befteht (metam. 7, 104 ff.
Orph. argon. 870 bis 876. Baler. Flaccus, argon. 7, 62 bis 77. 539 his 648),
iR eine Wiederholung der Gage ohne ihre mrfprüngliche Bedeutung.
kann, haben nichts won dem fchönen Gegenſatze des noch unbejochten
Rindes, das den kommenden Anbau bezeichnet, und der feinbfeligen
Hohlenſchlange, des Sinnbilds der widerfirebenden Erde oder bes wilden,
ungelichteten Walbes; auch aus welcherlei Saat die Schwaben ertwachlen,
bleibt gänzlih im Dunkeln. Wohl aber bieten fih andre Züge zu
näberer Bergleihung und Aufbellung. Die Triegeriihe Haltung liegt
im Bebiitfnis alter Staatengründungen. Die Römer ehrten den Kriegs:
gott als ihren und ihres GStifters Vater. Auch die Urahnen der
Thebaner werden als erdgebornes Vollk bezeichnet ??, An der Duelle
des Ares wird die Saat gebrochen, deren Aufgehn Dvid lebendig
fehilbert: wie die Schollen fi) beivegen, aus den Yurden die erfte
Speerſpitze fticht, dann die Helmgiebel erfcheinen, Schulter und Bruft
auftauchen, rüftige Arme die Waffen fhwingen?®. Daß aud über
der räthjelbaften Geburt im Semnonenwald eine kriegeriſche Gottheit
maltete, wird fih im Folgenden nahe geben. Am bebeutenbften jedoch
ftellt fih der Umftand hervor, daß von den fünf übrig bleibenden
Sparten die fünf Thebanerftämme herkommen. Sei e8, daß ber mör-
deriiche Kampf, ber, durch ben Steinwurf hervorgerufen *4, ſich alsbald
72 Livius, histor. prefatio: „si cui populo licere oportet consecrare ori-
gines suas et ad deos referre auctores, er belli gloria est populo Romano,
ut quum suum conditorisque sui parentem Martem potissimum ferat, tam
et hoc gentes humane patiantur equo animo, quam imperium patiantur.“
Apollonius, argonaut. 3, 1185 ff.:
„Kai p' 0 uir 'Aoviodıy dvidneipag medlorsı
Kaduos Aynvoplöng dal yayavı sisaro Aaiv.
74 Dvib, metam. 3, 104 ff.:
Paret et impresso sulcum patefecit aratro,
Spargit humi jussos, mortalia semina, dentes.
Inde, fide majus, glebe cœpere moveri,
Primaque de sulcis acies apparuit haste,
Tegmina mox capitum picto nutanlia cono,
Mox humeri pectusque onerataque brachia telis
Existunt, crescitque seges clypeata virorum.,
74 Apollonius 3, 1067. 1865 fi. Apollodor B. 8 ex Pherec, Bergl.
Ovid, metam. 7, 139 bis 142. Dem entipricht hinwider ein Zug aus ber nor-
diſchen Götterſage. Odhinn wirft unter die neun Mähder des Rieſen Bangi
einen trefflihen Wetsftein, nad dem fie fo ungeſtüm haſchen, daß fie einander
die Hälſe abſchneiden. Sn. Edd. 85.
unter den Drachenſohnen erhob, bie erfte Gährung in dem noch unge
ordneten Pflanzvolk anzeigen follte, oder Daß die gefchichtliche Fünfthei⸗
lung des thebaniſchen Gemeinweſens das Erträgnis der Ausfant auf
diefe Zahl zu beichränten gebot, jebenfalls ergibt fi damit ein Wink,
auch bei der ſueviſchen Stammfage die Verfaffung dieſes Volles nicht
unbeachtet zu lafien. Sind vie Sueven gefät, jo muften fie in ber
Hundertzahl auffchießen, denn dieß ift die orbnende Ziffer in ihrer Staats⸗
eintheilung, ihrer Heerfolge und landwirthſchaftlichen Verfaſſung. Ger
nau mit dem Berichte vom Heiligtum bes Senmonen verbindet Tacitus
die Melbung, daß ihr mafienhaftes Wohnen in hundert Gauen ihnen
Anſehn gebe und fie zum Haupte der Sueven erhebe. Hundert ſueviſche
Gaue hatten fih am Rheine gelagert und wollten ihn überjchreiten,
um das Heer Artovift3 zu verſtärken, und wieber von andrem Stanb-
punlt, aus Anlaß eines fpäteren Feldzugs am Niederrhein, jagt Cäſar
bon den Sueven: dieſes bei weitem gröfte und ftreitbarfte unter allen
Germanenvöllern ſoll hundert Gaue haben, aus denen jährlich je tau-
ſend Bewaffnete über die Grenzen in den Krieg ziehen, die Übrigen
bleiben zu Haus und bauen für fi und für jene bas Feld, Iöfen aber
im folgenden Sabre die Ausgezogenen ab und fo werde weder ber Feld⸗
bau, ſoweit fie ihn überhaupt betreiben, noch die Kriegsübung ver:
jäumt 5, Wenn gleich die Hunberttbeilung auch andern germanifchen
Böllern nicht fremd war, fo erfcheint fie doch bei den Sueven am ents
ſchie denſten durchgeführt und wie das alte Stammvoll ſich ausbreitete und
weithin neue Pflanzungen entfandte, wucherte die Schwabenfaat fort
und wurden in neuer Heimat auch neue Hunderte angejekt.
Es fragt fi) noch um den Gott, beflen Gegenwart ven Wald bei:
ligte. Den Gebrauch, nur gebunden in den Hain einzutreten, deutet
Taritus überhaupt als ein Zeichen ver Unterwerfung unter bie Macht
dieſer gegenwärtigen Gottheit. Daß wer niebergefallen nicht im Heilig:
thum wieder aufftehen ober aufgehoben werben darf, fonbern hinaus:
75 Die fhon früher angezogenen Beugniffe über die fuevifchen hundert Gane
und die daran gelnlipften Einrichtungen find: Tacitus, Germ. 39. Gäfar, bell.
gell. 1, 37. 4, 1; vergl ebend. 6, 22 f. und Germ. 6, 12. 26. Daven
handeln 3. Grimm, Rechtsalterth. 532 bis 534. 758 bis 757. Sprachg. 490 bis
492. Zeuß 52 fi. Stälin 1, 278 und 295 f. 801. 810. 388, Anm. 2. Waitz,
dentſche Berfaffungsgeich, 1, Cap. 8 (namentl. S. 48).
30
gewählt wird, iſt ein fichtbarer Ausbrud der Außerften Hilflofigleit des
an Armen und Beinen Gebundenen ec. Nun wirft im Eddaliede ber
todwunde Fafnir feinem Beichädiger Sigurd vor: „gefeflelt bift du und
beergefangen, immer, fagt man, beben Gebuntene;” worauf ber junge
Held erwibert: „nicht bin ich gefeflelt, wär’ ich auch beergefangen, bu
fanbeft, daß ich ledig Iebe* 7, Die Feſſelung alfo ift das firengere
Loos des als Kriegsbeute Weggeführten. Daher auch die zwei Baltyrien-
namen Hlöd und Herfiötur, Kette und Heerfeflel; und gleicherweile
walten die Jungfrauen (idiſi) des Merfeburger Zauberſpruchs über
Binden und Entbinden 78, Weiter laſſen ſich die fuenischen Gebundenen
(bandingjar) 79 damit in Beziehung feßen, daß bei ver feftlichen Ber:
fammlung im Semnonenwalde ein Menſchenopfer fällt, venn wieder
find e8 hauptfächlich Kriegsgefangene, die bei ven Germanen von biefem
oraufamften Gebrauche getroffen wurden. Schon in Ariopift3 Heere
war über einen gallifhen Römer, der in Ketten mitgefchleppt wurde,
dreimal gelooft worben, ob er fogleich ven Feuertob leiden, oder auf
andre Zeit gefpart werben follte, das Looſen aber war eine priefterliche
Handlung und auch aus jpäterer Zeit wird deſſen Anmwenbung auf
76 Bergi. Sem. 29, 12: „bönd at böglimum n. f. w. svä ek gel at ck
gänga mä, sprettr mer af ſotum fiötar ok af höndum hapt.“ Merfeburger
Cprad: „cuniowidi u. ſ. w. tnfprinc haptbandum, invar vigandınn!“ Anders
erlären Mythol. 61***), C. 3. Bierordt, de junctarum in precando manuum
origine indo german. ı. j. w. ſtarlsruhe 1851, S. 17 f.
77 Sem. Edd. 187, 7: „nü erta haptr ok hernuminn, te kveda ben-
dingja bifask.“ Ebend. 8: „eigi em ek haptr, pott ek veera hernumi, pü
fanı at ek lauss liß.* Beides zugleid ward Godhrum, Seem. Edd. 212, 9:
„Da vard ek hapta ok heruume.“ Vergl. noch ebend. 7, 40: „hapıbönd
suüe“ u. ſ. w 24, 12: „spretir.mer af fütam fiöturr en af höndum hapt.*
(&bend. 98, 10.)
78 Deutſche Myth. 378. 895. Merfeburger Spruch (J. Grimm, fiber zwei
entdedte Gerichte u. |. w. 4 W. Wadernagels Lefeb. Borr. IX): „fum& hapt
heptidun u. |. w. infprinc haptbandum!“ (Fornald. S. 1, 219: „farid &
brott med bandingjaun!“)
18 Südnachbarn der Semnonen find die Gilingen (Beuß 131. 127. 456).
Über ihren Namen jagt 3. Grimm, Epradg. 712: „Eil fällt einer guten
dentfchen wurzel, wahrſcheinlich seilan sail silum ligare zu;“ hiernach wären
Zilspyar, Biliugi = baudingjar.
w Deutihe Mythol. 88 fi. Rechtsalterth. 820 f.
a
Menfchenopfer begeugt®!. Der Sueve, der gefeflelt in das Heiligthum
eingebt, gibt ſich damit ſinnbildlich dem Gotte zu eigen und zum Opfer
hin, wenn auch biefes in ber Wirklichkeit nur aus der Zahl ber Heer:
genommenen gewählt wird. Die Beziehung zum Opfer beftätigt fi
dadurch, daß auch im Heere der Bermane nur vom Priöfter gebunden
oder geichlagen werben durfte, gleichſam auf Befehl des Gottes, den man
im Kriegszuge, wie dort im Haine, anweſend glaubte82. Unter foldyem
Geſichtspunkte gewinnt die Verehrung im Haine beftimmteren Bezug
auf einen Bott des Kampfes und Sieges, dem ein ftreitbares Bolt um
und für den Erfolg der Waffen Huldigung und Feſtopfer bringt, ent
Iprechend den altnorbifhen und angelfächfiichen Siegopfern (eigrblöt,
sigortifer) 89.
Über die Semnonen felbft und einige ihnen zugewandte Bölfer
finden fih bei Schriftfiellern des Alterthums noch folgende, ven kriege⸗
rischen Glauben berührende Andeutungen. Zum Kaifer Domitian famen,
wie Dio Cafjius berichtet, Mafyos, König der Semnonen, und die
Jungfrau Ganna, die nad Veleda im Keltenlande (hier Deutſchland)
weifjagte, und kehrten, nachdem fie Ehre bei ihm empfangen, in die
Heimat zurüd 3%. Der Anlaß dieſes Beſuchs ift nicht bemerkt und es
81 Gäfar, b. gall. 1, 47. 53: „C. Valerius Procillus, cum a custodibus
in fuga trinis catenis vinctus traberetur, in ipsum Cesarem hostıum equi-
tatum persequentem incidit u. |. w. Is, se presente de se ter sortibus
eonsultum dicebat, utrum igni statim necaretur an in aliud tempus reser-
varetur. sortium beneficio se esse incolumem.“ Bergl. Tacitus, Germ. 10.
®. Müller, altv. Religion 77, Anın. 1. Deutiche Myth. 629 u. 989.
& Tacıtus, Germ. 7: „ceterum negne animadvertere, neque vineire, ne
verberare quidem nisi sacerdotibus permissum, non quasi in poenam nec .
ducis jussu, sed velut deo ımperante, quem adesee beilanuibus credunt.“
Bel. 89: „ibi regnator omnium deus.“
% Yngl. S. 8. Cod. exon. 257, 30. Deutſche Ryth. 86. 88.
8 Dio Caſſius 67, 5 (Heimarus 1106): „Mäsvos 54 0 Zeuvöosev Badılsizg ral
Tdyva (al. Dat.a) mapdivo; (7v dd uerd eur Belndav iv Kl —
a1dor npög ruv Aowriavoy nal Fınjg nap auruL ruyörre:; arsmouisdndav.“
Zeuß 182. Zum Ramen Ganna dentfge Mythol. 85. Für Maſyos ſchlägt
I Grimm, Epradg 498 „Nasvog“ vor und vergleicht den älteren Sueven⸗
führer Nasua bei Säfar, b. ga.l. 1, 37, entfprechend dein altmorbifchen Narvi,
Reri, |. ebend. 486%). 488*). 683; ein Name der deutichen Heldenfage ift Rere.
©. auch Haupts Heifcprift für deutſches Alterthum 7, 629.
32
gibt darüber verſchiedene Muthmaßungen 80. Die eine bezieht fih auf
ben Aberglauben des Kaiſers, ber noch am Tage feines gewaltfamen
Todes einen ihm gleichfalls aus Germanien geſchickten Zeichendeuter
über die häufigen Blitzſchläge um Rath fragte und, nachdem berfelbe
eine Anderung der Dinge vorausgefagt, ihn verurtheilte86, Aber auch
eine toichtigere Angelegenheit konnte die femnoniichen Gäfte nach Rom
führen, der Krieg fuewifcher Völker mit Iggifchen, in welchem übrigens
Domitian feine Hilfe, zur Entrüftung der Sueven, den Lygiern zu:
wandte, von denen auch eine Geſandtſchaft an ihn ergangen war ®?.
Wie dem fei, ſchon die Erfcheinung des fuenifchen Königs in Geſellſchaft
der wahrjagenvden Jungfrau und bie Gleichftellung biefer mit der ber
kannteren Veleda wirft einen Lichtblid in die Dämmerung des Semnonen:
waldes. Aus Arioviſts ſueviſchem Heerzuge meldet Cäſar, daß Jener
einmal, nach Angabe der Gefangenen, darum nicht kämpfen mollte,
weil e8 bei den Germanen Gewohnheit war, daß die Frauen durch
Looſe und Weifjagungen erkundeten, ob die Schlacht räthlich fei ober
nicht, und weil biefelben in biefem Falle ven Ihrigen den Sieg ab:
fprachen, wenn fie vor dem Neumond fi in die Schlacht einlieken 8;
Plutarch fügt hinzu, welcherlei Wahrzeichen biefe Abmahnung entnommen
mar, die Frauen verfündigten bie Zulunft, nachdem fie in die Wirbel
der Ströme geichaut, die Strudel und das Rauſchen ber Gießbäche
beobachtet 89. Allgemein von den Germanen ſagt Tacitus in ber
85 Mascou, Geſch. der Zeutichen 1, 137.
86 Suetonius, Domitian. 16: „Dehinc mane haruspicem ex Germania
missum, qui consultus de fulgure mutationem rerum preedixerat, audiit
condemnarvitque.* Schon Bitellins ſoll blindlings den Weiffagungen eines
kattiſchen Weibes vertraut haben, Suetonius, Vitell. 14: „Suspectus et in morte
matris fuit, quasi egre preberi cibum prohibuisset, vaticinante Catta
muliere, cui velut oraculo acquiescebat, ita demum firmiter ac dintissime
imperaturum, ei superstes parenti exstitisset.*
8” Dio Caflius, a a. DO. Zeuß 119. 126.
8 Gäfar, b. gall. 1, 50: „Cum ex captivis quereret Cesar, quam ob rem
Ariovistus prelio non decertaret, hane reperiebat causam, quod apud
Germanos ea consuetudo esset, ut matres familias sortibus et vaticinatio-
nibus declararent, utrum preelium committi ex usu esset nec ne; eas ita
dicere: non esse fas Germanos superare, si ante novam lunam prœlio
contendissent.* Bergl. Tacitus, Germ. 11.
H Plutarchs Cäſar. (Mascou 1, 28, Anm. 3.)
33
befannten Hauptftelle, daß fie in ben Frauen etwas Heilige und Vor⸗
ausſchauendes geahnt, auch auf die Ratbfchläge und Ausſprüche ber:
felben nicht geringen Werth gelegt haben, als erftes, offenkundiges
Beifpiel aber nennt er eben Beleba, welche lang und gemeinhin als ein
göttliches Wefen verehrt worden 9, Seine Vorftellung von der deutfchen
Frauenverehrung gründet fich wohl auch auf die reichhaltigern Nach—⸗
richten, bie ihm eben über diefe Seberin zu Gebot ftanden und bie er
in feinen Geſchichtbuchern mittheilt. Faßt man baraus bie Hauptzäge
gedrängt zujammen, fo ergibt fich ein anſchauliches Bild ber goltbe⸗
geifterten Jungfrau in ihrer Stellung zum germaniichen Vollahelden.
Sivilis aus Föniglihem Geſchlechte ber Bataver, eines Volles vom
Rattenftamme, verfammelt feine Landsgenoſſen im Beiligen Haine, bei
nächtlihem Mahl, und fordert fie auf, das Joch der Römer abzumerfen.
Mit großem Beifall angehört, vereidet er fie durch Berfluhungen in
heimiſcher Weiſe. Aus Wäldern und Hainen werben zur Schlacht die
Feldzeichen, Gebilde wilder Thiere, hervorgeholt. Cr jelbft bat, als
er zuerfi die Waffen ergriff, nach germanischem Braud ein Gelübbe
getban, wonach er ſich die Haare wachſen läßt, bis die feindlichen
Legionen niebergeftredt find ?!. Dem Helden zur Seite nun fteht Veleda,
© Tacitus, Germ. 8: „Inesee quin etiam sanctum aliquid et providum
putant, nec aut consilia earum aspernantur aut responsa negligunt. Vidimus
sub divo Vespasiano Veledam dia apud pleroeque numinis loco habitam,
sed et olim Auriniam et complures alias venerati sunt, non adulatione
nec tanquam facerent deas.“ Dieje Berwahrung ift gegen die ſchmeichleriſchen
Bergötterungen der römijchen Kaiferzeit gerichtet. Weiter geht hinſichtlich ber
germanifchen rauen bie nachher außzubebende Stelle hist. 4, 61.
9 Zacitus, hiet. 4, 12: „Batavi, donec trans Rhenum agebant, pars
Cattorum“ u. |. w. (vergl. Anm. 86: „vaticinante Catta muliere“ u. f. w.)
4, 13: „Claudius Civilis regis stirpe.“ 4, 14: „Civilis, primores gentis
et promptissimos vulgi, specie epularum, in sacrum nemus vocatos ubi
nocte ac letitia incaluisse videt, a laude gloriaque gentis orsus, injurias
.ot raptus ei cetera servitii mala enumerat.“ 4, 15: „Magno cum assensu
auditns, berbaro ritu et patriis exseeralionibus universos adigit,“ 4, 22:
‚„Hinc veteranarum cohortium signa, inde depromptz eilvis Ineisque feraram
‚imagines, us cuique genti inire prelium mos est“ u. ſ. w. 4, 61: „Civilis
berbaro voto, poet coepta adversus Ronianos arma, propexum rutilatumgue
erinem patrata demum cæde legionum deposuit.“ Yu ben Worten „barbarc
rita et patriis exsecrationibus“ . die Berwünfchung des Eidbrüchigen in Sem.
Uhlaud, Schriften. VII 83
34
— —
eine Jungfrau vom Volle der Brukterer, weit umher gebietend, nad
altem Glauben der Germanen, vermöge befien ihnen die meiften Frauen
für weiflagend und nachgerave für Göttinnen gelten; fie bat ben Ger-
manen Heil, den Legionen Untergang vorausgeſagt und aus ber Er:
füllung dieſes Spruches erwuchs ihr Anſehen. Ihr wirb ber gefangene
Legat Lupercus zum Gefchente beftimmt, ihr von ben erbeuteten Rhein:
Ihiffen das mit dem Fähnlein des Prätors, die Lippe herauf, zugeführt.
Civilis und Veleda werben unzertrennlich zuſammen genannt; ihnen
hit man Botſchafter mit Gefchenken zu, um Bündnifje bei ihnen zu
feitigen; doch ift e8 nicht geftattet, die Jungfrau zu fehen und anzu:
even, fie wohnt hoch auf einem Thurme, Auserwählte ihrer Verwandt⸗
ſchaft find die Träger ihrer Natbichläge und Beſcheide, gleich den Ber:
mittlern einer Gottheit %, Diefe göttliche Begabung wird hier ben
germanischen Frauen in: folder Allgemeinheit zugefchrieben, daß nicht
wohl ein hervorragender Mann ohne feinen weiblichen Schußgeift ges
dacht werden kann, und bie Genoflin des Oberhaupts, des Heerführers,
wird damit zur Vollsheiligen. Civilis mit Veleda läßt erratben, warum
der Semnonenlönig mıt Ganna gebt. Ein bebeutfamer Zug germa:
Edd. 165, 18 bis 20, welche auf Entfprechendes in der Schwurformel und Eid⸗
ablegung felbft hindentet, vergl. ebend. 188, 31.
N Tacitus, hist. 4, 61: „Mummius Lupercus, legatus legionis, inter dona
missus Velede. Ea virgo nationis Bructerse late imperitabat, vetere apud
Germanns more, yuo plerasque feminarum fatidichas et augescente super-
stitione arbitrantur dess. tuncque Velede auctorıtas adolevit, nam prosperas
Germanis res et excidium legionum predixerat.“ 4, 65 [Agrippineises
respondent]: „arbitrum habebimus Civilem et V.eledam, apud quos pacta
saucieniur. Sic lenitis Tencteris legati ad Civilem et Veledam missi cam
donis cuncta ex voluntate Agrippinensium perpetravere. Sed coram adire
alloguique Veledam negatum. arcebantur aspectu, quo venerationis plus
inesset. Ipsa edita in turre; delectus e propinquis eousulta responsaque
ut internuntius numinis portabat.* 5, 22: „Multa Iuce revecti hostes,
captivis navibus, pretoriam trirerem [weiter oben: pretoriam navem,
vexillo insignem,] flumine Luppie donum Velede traxere.“ Übrigens war
Cipvilis verheirathet, hatte einen noch jungen Sohn und wehrbafte Schweiler-
föhne (hist. 4, 61. 63. 70. 79. 5, 20); fein Verhältnis zu Weleda beruht
wefentlich auf ihrer Eigenſchaft als der Weiſſagerin ihres Volle. Die Brukterer
wohnten an der Emd und der Lippe, Zeuß 92 f. X. Grimm, Sprachg. 531 f.
Beleda als römifche Gefangene bei Statins, silv. 1, 4, 90. (Mac. 1, 187,
Anm.) [Schriften 1, 132. 8.]
35
nifcher Sitte und Sage eignet fi) hiedurch auch den Sueven in ihrem
Stammooll an.
Süudweſtliche Grenznahbarn der Semnonen, durch die Elbe von
ihnen gefchieven, find bie Hermunburen 9. Tacitus erklärt fie für einen
Theil ver Sueven 9! und alö unmittelbare Nachbarn des Stammvolks
find fie den Völkern beizuzäblen, bie fi) im Semnonenhaine zuſammen⸗
fanden. Zwiſchen Hermunduren und Katten, erzählt Tacitus, habe
fich ein großer Kampf erhoben um einen falgreichen Grenzfluß. Bon
folcden Stätten werde geglaubt, daß fie dem Himmel beſonders nahe
feien und bie Gebete der Sterblichen nirgends befier von ben Göttern
gehört werben, durch deren Gnade bort in Fluß und Wäldern das Salz
zu Tage komme. Die Schlacht jei den Hermunduren günftig, ben Katten
zum Verderben auögefallen, weil biefe, wenn fie die Sieger wären,
das gegnerifche Heer dem Mars und Merkur geweiht haben, ein Ge
[übde, wodurch Roſs und Mann, alles Befiegte, der Bertilgung bin:
gegeben werbe. Diefe feindliche Drohung aber fei gegen die Hatten felbft
umgejchlagen 95. Nun find es zwar zunächſt eben die Katten, die das
” Belleius 2, 106: „usque ad flumen Albim, qui Semnonum Hermun-
durorumque fines preterlluit.“ Zeuß 102 ff. J. Grimm, d. Sprachg. 598 f.
Erälin 1, 11 f.
M Btrabo 7, ©. 290: „uepog dd rı avrar (Zovnßov) U. |. w. xadansp
Evuovdopo«“ u.|.w. (Beuß 104.) Sie werden aber au, als ein größeres Bolt,
neben ben Sueven bejonders genannt, Plinius, hist. nat. 4, 14: „Hermiones,
quorum (pars) Suevi, Hermunduri“ u. f. w. (Zeuß 70.) Julius Capitolinus
in vita Marci 22: „Gentes omnes ab Illyrici limite usque in Galliam con-
spiraverant, ur Marcnmanni, Narisci, Hermunduri et Quadi, Suevi“ u. |. w.
Germ. 41: „Et heec quidem pars Suevoram [Reudigni u. |. w.] in secretiora
Germanie porrigitur. propior u. j. w. Hermundurorum civitas“ u. |. w.
5 Xacituß, ann. 13, 57: „Eadem wstate inter Hermunduros Catiosque
certatum magno pr@lio, dum flumen gignendo sale fecundum et conter-
minum vi trehunt, super libidinem cuneta armis agendi, religione insita,
eos maxime locos prepinquare cœlo precesque mortalium a deis nusquam
propius audiri. inde, indulgentia numinum, illo in amne illisque silvis
saleım provenire, non, ut alias apud gentes, eluvie maris arescente, sed
unda super ardentem arborum struem fusa, ex coutrariis inter se elementis,
igne atgue aquis, concreitum, Sed bellum Hermunduris prosperum, Cattis
exitio fait, Quia victores divergam aciem Marti ac Mercurio sacravere, quo
voto equi, viri, cuneta vieta oceidioni dautur. Et mine quidem hostiles
in ipeos veriebant.“
36
fuschtbare Gelübde gethen, aber die Sermunburen nahmen e3 auf, auch
ihnen muſten Mars und Merkur, als allgemein germanifche Haupt:
götter, heilig fein; ja die Katten felbit, welche Tacitus den Sueven
gegenüberftellt 96, werben als zu Cäfars Beit noch den letztern beigezählt
angejeben 7. In ber Germania wird von ben Deutfchen überhaupt
gefagt: am höchſten unter den Göttern ehren fie den Merkur, dem fie
an beftimmten Tagen auch Menfchenopfer barbringen, Herkules und
Mars werben durch Opferthiere verſöhnt 8. Zwei von diefen Göttern
ericheinen nun im Streit um ben Saljfluß als folde, die über den
Sieg gebieten, und zwar wird Mars hier vor bem Merkur genannt 9,
al3 betbeiligt bei einem Gelübbe, das auf die Opferung nicht bloß eineß
einzelnen Menfchen, fondern eines ganzen Heeres, gerichtet ift. Die
römische Auffafjung konnte durch das Beispiel ähnlicher Weihungen aus
der Geſchichte des eigenen Volles beftimmt fein, bock fehlt felbft dieſen
nicht das Gepräge des Opfers 100, Jedenfalls bewährt auch die Her-
mundurenfchlacht den kriegeriſchen Geift des ſueviſchen Götterbienft3.
:% Germ. 38: „Nunc de Suevis dicendum est, quorum non una ut
Cattoram Tencterorumve gens.“ ©. ob. Anm. 46 (zu I). Bergi. jedoch Sprachg.
494, 2. 565 u., f. ob. 570 06. Florus 4, 12 (S. 401): „Cattos u. |. w.
Suerosque“ u. |. w. Auch Dio feheint zu unterfcheiden, Masc, 1, 66 f.
7 Beuk 9. Sprachg. 565 bis 570.
98 Germ. 9: „Deorum maxime Mercurium colunt, cui certis diebas
humanis quoque hostiis litare fas habent. Herculem ac Martem conoeseis
animalibus placant.*
9 An einer andern Stelle, hist. 4, 64, läßt Zacitus den Gefandten der
Tencterer zu ben Ugrippinenfern ſprechen: „redisse vos in corpus nomenque
Germanie, communibus deis et precipuo deorum Marti grates agimus.“
wo Den Sinn der römiſchen Todesweihe ergibt folgende Stelle, Living, histor.
8, 6: „Ibi in quiete utrique consuli eadem dicitur visa species viri majoris,
quam pro humano habitu, augustiorisque, dicentis: Ex una acie impera-
torem, ex altera exercitum Diis Manibus matrique Terre deberi; utrius
exercitus imperator legiones hostium, superque eas se devovisset, ejus
populi partisque victoriam fore.“ Vergl. 8, 10: „quoram [consulum] alter
omnes minas periculaque ab Diis superis inferisque in se unum vertit.*“ Die
Formeln find, ebend. 8, 9: „In hac trepidatione Deeius consul M. Valerium
magna voce inclamat: Deorum, inquit, ope, Valeri, opus est. agedum
pontifex publicus populi Romani prei verba, quibus me pro legionibus
devoveam. Pontifex eum togam pretextam sumere jussit et velato capite,
manu subter togam ad mentum exerta, super telum subjectum stantem
37
Suevien ift bei Tacitus von einem fortlaufenden Gebirgäzuge ge:
teilt und durchſchnitten. Unter den jenfeitö desſelben anjäßigen Völkern
dehnt ſich am meiteften der Name ber Lygier, die wieder in mehrere
Staaten mit befondern Namen auseinandergeben 101, Bmifchen Lygiern
und Sueven in engerem Sinne zeigt fich mehrfacher, freundlicher und
feindlicher, Verkehr. Mit den Semnonen find die Lygier im Reiche
Marobods verbunden und gerabe dieſe Völler, beide hier zum erftenmal
genannt, werden als große auögezeichnet 102 Lygier und Hermunduren
im Bereine machen nachmals ber fuebifchen Herrichaft des won den
Römern eingefehten Quaden Bannius ein Ende 108. Dagegen befinden
fi unter Domitian, wie fchon erwähnt, Lygier mit Sueven im
Kriege 19%, Biel fpäter, ale längſt des Semnonenvolfs nicht mehr
gedacht wird, verlautet doch Semnon noch einmal ald Name eines
Fürften der Lygier (Logionen), der mit feinem Sohne nad verlorener
Schlacht in die Gewalt bes Kaiſers Probus geräth, aber von feinem
Bolle dur; Zurüdgabe der Gefangenen und aller Beute wieder ausgelöft
sic dicere: Jane, Jupiter, Mars pater, Quirine, Bellona, Lares, Divi
novensiles, Dii indigetes, Divi quorum est potestas nostrorum hostiumque,
Diique Manes, vos precor, veneror, veniam peto feroque, uti populo
Romano Quiritium vim, vietoriamque prosperetis, hostesque populi Romani
Quiritium terrore, formidine morteque afficiatis. Sieut verbis nuncupevi,
jta pro republica Quiritium, exercitn, legionibus, auxiliis populi Romani
Quiritium, legiones auxiliaque hostium, mecum, Diis Manibus Tellurique
devovee.“ 10, 28: „Jam ego mecum legiones hostium mactandas Telluri
ac Diis Manibus dabo.* (Bergl. noch 7, 6. 10, 88) S. auch Macrobing,
Saturnal. 3, 9. Machher bei den Nahanarvaien.)
%1 Germ. 43: „dirimit enim seinditque Sueviam «ontinuum montiam
jagum, ultra quod plurime gentes agunt. Ex quibus latissime patet
Lygiorum nomen in plures civitates diffusum.“ (fiber civitas Rai, Berf,-
Geh. 1, 51.)
w Etrabo 7, S. 290, von dem heimgekehrten Marobob revend: „InawiIev
54 iöwvdsreuss nal narnendaro npog olg alaov Aovlovg ra, 1usya ddvog u. |. W.
zal rör Zonßav avröv uiya Idvog, Zuuvaraz.“ Spradig. 700.
“3 Tacitus, ennal. 12, 29: „Per idem tempus Vannius, Suevis a
Druso Cesare impositus, pellitur regno u. |. w. auctores fuere Vibilius
Hermundurorum rex“ n. j.w. 12, 80: „quia Lygius Hermundurusgue illic
ingruerant.“
1% Dio Gaffins 67, 5 (Reim. S. 1105): „Auyyımı Zovnßorg rıdl nolsundi-
rc.‘ ©. ob. ©. 82. |
— — — —
— — — —
38
wird 105, Semnon an der Spitze der Lygier gemahnt an alte Gemeinſchaft
der leßtern mit dem ſueviſchen Urvolke, tem das königliche Gefchlecht
entnommen fein mochte, wie etwa die ſüdwärts gezogenen Heruler ſich von
ihren hochnörtlichen Stammgenofien einen König aus dem alten Herrſcher⸗
geichlechte beriefen 19%. Bon Ingifchen Einzelvölkern meldet Tacitus, nad
dem er bie mädhtigften genannt bat, nur zwei merkwürdige Dinge, die aber
beide bier in Betracht kommen, einen Götterbienft und eine Kriegsſitte.
Bei den Nahanarvalen 107 wird ein Hain von alter Verehrung gezeigt,
mit dem Borfig einer Briefterin; die Götter felbft find auf römiſch
Caſtor und Pollux; dieß die Bedeutung ber Gottheit, der Name Allen 108,
8 Bofimus 1, 67, von Probus: „Aoyiovag, 5$vog Tepuavınöov, xara-
yavısausvog al Ziuvora (oypidas dua ro nal rov rourav Nyouuavor,
inirag döikaro nal rovg alyualdrovg nal ryr Asiav nädav, nv alyov, dvala-
Bar, ini prralis onoloyiarg npis, nal aurov Ziuvova nerd rov waudog
dnssone.“ Zeuß 448. Spradhg. 710. Mascou 1, 198, Anm, 2: Münze,
106 Procopius, 8.2, C. 14. ©. 422. Mascou 2, 183, Anm. 4. Zeuß 481 f.
Spradhg. 471. Bergl. auch Tacitus, anna). 11, 16: „Cheruscorum gens regem
Roma petivit, amissis per interna bella nobilibus et uno reliquo stirpis
regie, qui apud urbem habebatur, nomine Italicus“ u. ſ. w.
107 Die Echreibung Naharrali oter Nahanarvali verbeffert 8. Müllenhofl,
de antiquiss. Germanor. poesi chor. Kiel 1847, ©. 8 in Navarnahali = Nor-
nahalir; beiftinnmend 3. Grimm, Sprachg. 715 f. Vergl. ebend. ib. Diphth. 10,
anders K. Weinhold in der Zeitſchr. f. d. Altertb. 6, 461.
8 Die mögliche Gleichftellung des ſchwierigen „Alcis“ mit goth. alhs fem.,
aliſ. alah m., agf. alh, ealh m., ahb. in Zufammenfeungen alah-, im Sinne
von Tempel, heiliger Stätte, hat 3. Grimm, Myth. 57 f., vergl. Sprachg. 118,
ausgeführt. Über albe, alah u. |. w. f. aud Gramm. 2, 811. 446 f. 3, 428.
Gabelentz und Löbe, Gloſſar. d. goth. Spr. 10a. Schulze, goth. Bloffar. 17a. Graff
1, 285. Schmeller, Gloffar. 5 (bier: „efr. de „alcis“ Taciti G. 43. Jahres-
bericht der Acad. zu Minden 1831, ©. 68“). Bosworth 29a. 746. Ettmüller 8.
Leo, Rectitud. 44. Wie das goth. fem. alhs am häufigften zur Übertragung
von depd» dient, fo fteht das altj. masc. alah dicht beiſammen mit andern
fononymen Bezeichnungen des Heiligthums (innerhalb weniger Zeilen bes Hi.
8, 17 bis 22: „te them uuiha,“ „umbi that helaga hus,* „an thana
uuih,“ „umbi thana alah uten,* „aftar them alaha“). Zn zufammengejegten
Berjonennamen wie ahd. Alhawih m. (Neug. 183, vergl. Burgwih, Dronke 454,
Alewih, Cod. exon. 320, 27, etwa auch den goth. Alavivus, Ammian. 31,
4 fg.?), agſ. Ealhstän (vergl. agj. Wihstän, Beov. ©. 205, derjelbe: Weox-
stän — Veohs-stän, vergl. Mythologie 58, Bosmorth 249a: weohsteal, altn.
Vesteinn, Thörsteinn, Lex. myth. 657), ahd. Alabgart f. (vergl. die altıı. m.
39
keine Bilder, Teine Spur eingewanberten Glaubens, aber ala Brüder,
als Sünglinge werben fie verehrt 109%. Die letzte Bemerlung fagt, in
Vegardär, Freygardr, Pörgardr, Fornald. S. 2, 5. Mythol. 285 f.) entſpricht
das zweite Wort anjcheinend dein Sinne bes erften, während in andern, wie
ahd. Wiaholf (doch kaum vargr 1. veum, Rechtsalterth. 788), agſ. Ealh-
heard (vergl. alıh. Godehart), ahd. Alahſwind, agj. Ealhavid (mie Gotafuuind,
Dronte 157), kein bebeutjamer Zufammenhang durchblickt. Alah erzeigt ſich
aber auch perfönlih: in den Mannsnamen Alach, Alaho, Alachd (Codex
Lauresh, Wr. 1365. 1427. 1081), dimin. Alahicho (Goldaſt, ecript. rer. alam.
2, 95, vergl. Neug. 17. Cod. Laur. 288: Alaicho, vergl. Trad. Wizzeb. 6.
Grammatit 8, 676), zujammengeieht: Aſalah, Geralah, Gundalah, Odalah
(Dronte 438. 570. 432. 671), Suabalah (Reug. 145), Smwarzalah (Dronte 563),
in villa Aleheshem (ebend. 688), und in ben weiblichen Namen Deotalba, Rua⸗
dalha (Meug. 176, oder m. ftatt »alho?). So kommt zn deodv ein Japog, zum
fachlichen alah ein perſönlicher, der Iatinifiert Alahus, Alachas (gehört Elachus,
Trad. Wizz. 218, hieher oder zu elah m., Ei? Bergf. Gr. 2, 814, 2) lauten
würde, bei Tacitus: Alcus. Sn „nomen Aleis“ für Iehteres Wort ben dat.
pl. anzunehmen, iR nit bloß jpracdhgemäß (vergl. annal. 3, 16: in campum,
eni Idistaviso nomen), fondern gibt auch lebendigern Anfchiuß an deos, fratres,
juvenes, ſelbſt au numen, al® ber bloße Sachbegriff delubrum (vergl. Zeuß
30%. Alah, in ſchwacher Form Alaho, begegnet fih mit den Namen ahd.
Wiho (Graff 1, 643), neben ahd. und altf. wih m. (nemus, teınplum), altn,
Belgo. Helga, agi. Halga m., ahd. Heiliga (Dronte 68). Namen wie Alah—⸗
wid, Helagwig f. (Dronke 157, eine Kloſterſchweſter), Verbindungen wie alh
häligne (Cãdm. 202, 22. Myth. 58), find darum noch nicht Pleonasmıen, ber
allgemeine Begriff des Heiligen wirb in jedem ber einzelnen Wörter, je nad
ihrer Grundbedentung, eigens beflimmt, eben wie in sacer, sanctus, sacro-
sancdus. Bosworth 29a ftellt zu altſ. alh, ealh, das ſchwache Beitwort
ealgian, tueri (vergl. Gr. 1, 260. 264. 907. 1 (2), 946 f.); ift hiernad in
ealb, alah, das Heilige vom Wefichtspunft des Schutzes, der Befriedung (veral.
Ha 15, 19: friduwih, templum, altn. fridheilagr), aufgefaßt, fo flunmt
dazu, daß au das Königshaus mit feinem Burgfrieden ealhstede, Alahstat
(Alechtorf, Adorf, Schmid, Die Stifter des Kl. Auhauſen u. ſ. w. ©. 159)
beißen Tonnte (Mytb. 58, Rechtsalterih. 888, Leo, Rectitud. 44: „cyninges
healh*); wie alls u. f. w. das ſchutzgebende Heiligthum, die Freiung, fo
Alei die göttliden Schirmherrn. Bergl. auch Nordalb. Stud. J, 1. ©. 88.
Epradig. 319 ob. 537 u., f. ob. 568, 3. 572 u.
#9 Germ. 43: „Apud Nahanarralos antique religionis lucus ostenditur.
presides sacerdos muliebri ornatu: sed deos, interpretatione Romana,
Castorem Pollucemgue memorent. ea vis numini, nomen Alcis. nulla
simulacra, nullum perrgrin® superstitionis vestigium; ut fratres tamen,
ut juvenes venerantur.“ Iſt dur „muliebri ornatu“ nur sacerdos, gener.
40
Ermanglung der Bilder, wie man fich dieſe ®dtter vorgeftellt babe:
als Jünglingsgeftalten mit brüterlicher Ähnlichkeit. Aber damit if bie
Vergleihung nicht erfchöpft, ausbrüdlich iſt vorangeſchickt, daß die ly⸗
gilchen Brubergötter den Divzkuren dem Weſen nad) (ea vis numinis)
entfprochen haben. Unter diefem Weſen war boch wohl, ohne daß die
Nachrichten tiefer eingiengen, das Walten und Wirken ber göttlichen
Brüderpaare gemeint. Die Diosfuren, deren Aufenthalt, indem fie
brüberlih die Geſchicke theilten, Tag um Tag zwilchen Unter» unb
Oberwelt wechſelte 110, zeigten fich oberirdifch auf zweifache Weife den
Menfchen hilfreich. Einmal ala Retter im Sturme, mit Sternen über
den Häuptern oder im Elmsfeuer auf ven Maften anweſend 111; bie
findet feine Anwendung auf ein lygiſches Volk meit innen am Gebirge.
Allgemeiner war ihre andre Thätigleit: ald gegenwärtige Mitftreiter
und als Siegesboten. Das FTaftorifche Lieb warb gefungen und geflötet,
wann die Spartaner in die Schlacht ausfuhren, und man nahm an,
daß die beiden Thndariden mit in den Kampf zögen; ben italiichen
Lokrern flanden fie im Treffen gegen Kroton auf weißen Rofien und
in Burpurmänteln bei, verfündeten auch den Sieg berfelben noch am
nemlichen Tag in Eparta, Korinth, Olympia und Athen!!! Der
römischen Vorftellung muſten fie in folder Eigenjchaft befonders heimisch
jein. Da ftand ja am Forum zu Rom der Tempel Gaftors und von
defien Erbauung gieng eine heilige Sage: in dem Treffen am See
Regillus wider die Latiner erfchienen zwei Zünglinge von übermenfch
licher Größe und verhalfen den Römern zum Siege, dann Tamen am
Abend des Schlachttags zwei foldde in der Rüftung auf das Yorum
geritten, auf ſchneeweißen Rofien, die fie im Abflug des Quells am
BVeftatempel badeten; den nach dem Heere Fragenden meldeten fie Schlacht
und Gieg; man glaubte, daß es Caſtor und Pollux geivefen, und
comm., näher beftimmt (vergl. Germ. 40: „bobus feminis“) oder damit ein
Mann in Weiberkleidung gemeint? Auf Lebteres gründet fi) die Deutung ber
beiden Gottheiten hei Zeuß 30.
110 Entweder fo, daß fie je den einen Tag zuſammen unter der Erbe, den
folgenden gleihmäßig oberhalb find, Od. 11, 299 ff., oder indem fie tagweiſe
einander in beiterlei Aufenthalten ablöfen, An. 6, 121 f.; dem gemeinfamen
Erſcheinen taugt nur die erfte, ältere Meinumg.
111 Schwend, Mythol. der Griechen 100. 102,
112 Ebend. 101. 105 f.
41
erbaute hierauf den Gaftortempel an ber Stelle, wo die Beiden in Rom
erſchienen waren, au ward der Duell ihnen geweiht und zu ihren
Ehren jährlich ein herrliches Feſt gefeiert 918, Noch fpäter, im mace
doniſchen Kriege, zeigten zwei herrliche Sünglinge auf weißen Roſſen
einem Nömer die Gefangennehmung des Königs Perjes an 114 An
die Meldung von den Dioskuren der Nahanarvalen fchließt fi unmittel-
bar diejenige von ber geifterhaften Kriegſitte der Harier. Tacitus nennt
biefe an der Spite der bedentendern lygiſchen Völker und verfichert auch
außbrüdlich, daß fie den andern an Kraft vorgehen, noch mehr aber
durch Tünftlich gepflegte Wiloheit fich Tenntlih machen. Den Beweis
deflen findet ex in ihren Striegsgebräudien: fie haben ſchwarze Schilde,
gefärbte Leiber, wählen finftre Nächte zu Schlachten, ſchon durch das
Grauen und den Schatten des leichenartigen Heeres jagen fie Schrecken
ein, ba Fein Feind ben fremden und gleichſam unterweltlichen Anblid
erträgt 115. Diefe Kunde aus dem entlegenen, geheimnisvolleren Ger
manenlande hängt unverlennbar mit dem Namen des Vollkes (Harii)
zufammen, ber eben nichtö andres bejagt, als Heerſchaaren ober Heer⸗
männer 116, Wenn die Germanen auch fonft es liebten, durch Kriege:
wacht und Schlachtruf den Schreden ihres Angriffe zu fleigern 117, fo
113 Dionhſ. v. Halicarn. 6, 18. Schwenck, Myth. der Römer 102 f.
114 Baler. Ray. 1, 8. Gchwend 108.
115 Germ. 43: „valentissimas (Lygiorum civitates) nominasse sufficiet:
Harios n. ſ. w. Ceterum Harii super vires, quibus enumeratos paulo ante
populos antecedunt, truces insitee feritsti arte ac tempore lenocinantur:
nigra scuis, tincta corpora, atras ad proalia noctes legunt, ipsaque formi-
dine atque umbra feralis exercitus terrorem inferunt, nullo hostium susti-
nente novum ac velut infernum aspectum: nam primi in omnibus proliis
oculi vineuntur.“
116 Goth. harjös, legiones (Gr. 1, 599), altuord. herjar (Herja-födr,
Dbin), bellatores, einherjar, heroes; althochd. heri (Bari), exercitus, miles
(Graff 4, 985), und in lekterem Sinne die mit »bari, beri zufammengefehten
Cigenuamen, 3. B. (a. 858) der quadiſche Häuptling Araharius, Ammian.
17, 12. 3. Grimm, Myth. 317. 778. 902. Spracdhg. 714. Zeitſchr. f. d. Alterth.
8, 144. 142.
117 Tierheime der Kimbern, Plutarch, Mar. 6. 25: ‚„pdvn niv alnadudva
Inplor yoßspüv zdsuası“ u. |. w. (Xen, Beow. 78". Mascon 1,18.) Germ. 8
vom barritus: „terrent enim trepidantve, prout sonuit acies ı. |. w. affectatur
precipue asperitas soni et fractum murmur, objectis ad os scutis, quo
42
it doc eine anhaltende Abſicht, Furcht zu erregen, kein überzeugender
Beiveggrund für bie ſeltſame Sitte der Harier. Das richtige Berftänd-
nis gibt vielmehr der Eindrud bes Geſpenſtiſchen und Schattenhaften,
den bie ganze Färbung und Faſſung des Berichtes zurüdläßt. Deutſche
Erllärer haben auch längft in dem ſchwarzen, leichenhaften Heerzug
(umbra feralis exercitus) das mwütbhende Heer, die nächtliche Todtn .
fahrt, erfannt 118, was jedoch hier, auf altgermaniſchem Boden, noch
außgefeit bleiben muß. Wohl aber läßt die römische Darftellung ſelbſt
ſchon berausfühlen, daß es fich wieder von einem religidien Kriegs⸗
gebraude hanbelt, daß mit bem büftern Gepräng irgend eine Weihe
des ausziehenden Heeres verbunden war, in dem Sinne, als ob nun
die Geiſter der abgefchiebenen Helden ihm folgten oder in ihm lebendig
und wiedergeboren wären, eine Zuverfiht, die dem Grauenhaften ber
äußern Erfcheinung erft die rechte Wirkung geben konnte. Don ben
Böllern Artovifts bezeugt Appian, fie feien Verächter des Todes geweſen
in ber Überzeugung einer künftigen Rüdkehr in das Leben 11%, [Selbft
der germanifche Gebrauch, Jedem feine Waffen, Einigen zugleich das
Roſs auf den Scheiterhaufen mitzugeben 120, jet die Annahme eines
fampfrüftigen Yortlebens voraus.] Auch die mitausfahrenden und mit⸗
fämpfenden Diosluren gehören zwar halb dem Todtenreih an, leben
und flerben je um ben andern Tag, wandeln den Weg zum Avernus
bin und zurüd 121, aber ihre Triegerifche Erfcheinung, in Purpurmänteln
plenior et gravior vox repercussu intumescat.“* (Bergl. Müllenhoff, de
antiquiss. Germ. poesi chor. 14. 20.) Germ. 38 vom Haarputz der Sueven:
„in altitadinem quandam et terrorem, adituri belle, comti, ut hostium
oculis, ornantur.“
188 Crufius, annal. suev. 1, 15: „ferelis exereitus (eines witenben Heer)“
n. f. w. Althamer.
119 Appian., Rom, hist. lib. IV, de reb. Gall, 1, $ 3, &. 76. Schweigh.
SHälin 1, 25. Mascon 1, 49, Anm. 14.
20 Tacitus, Germ, 27: „sus cuique arma, quorumdam igni et equus
adjicitur.“
221 Odyſſee 11, 301:
„Ol nal vipdev yns ruumv nwpog Zuvog 4 Kovess
üllors uiv —* —E
redvädır, rıunv dd Asloyyadiv Isa Heoldıy.“
Ün. 6, 121: „Si fratrem Pollux alterna morte redemit,
itque reditque viam toties u. f. m.“
43
und auf weißen Roſſen, ift eine beitere, leuchtende; bagegen vergleichen
fih den Schrecken des Harierzuges diejenigen, bie, weſentlich durch bie
Macht des geiftigen Eindrucks, einer feierlichen Heergenofjenichaft mit
den Unterirbiichen, im Gefolge der römischen Todesweihe giengen, deren
Schilderung ſelbſt in formelhaften Worten mit den Ausprüden der
Germania zufammenftimmt 122,
Zum lettenmal erfcheinen die Semnonen in Befreundung mit den
Dunben, die in ber meitreichenden Suevia des Tacitus als ein Bolt
im Donaulande mit begriffen find, fonft aber auch neben den Sueven
aufgeführt werben 128. Als den von Marcus Aurelius Befiegten bie
22 Zu der angeführten Stelle bei Zacitus: „ipseaque formidine atque
umbra feralis exercitus terrorem inferunt, nullo hostium sustinente novunm
ac velut infernum aspectum“ halle man aus der Formel bei Tivius 8, 9
(. od. Anm. 100): „Divi quorum est potestas nostrorum hostiumqyue, Diique
Manes, vos precor, veneror u. |. w. uti populo Romano Quiritium vim
vietoriamque prosperetis, hostesque populi Romani Quiritium terrore,
formidine morteque afficistis“ n. |. w.; dann von P. Decins, der fi) damit
geweiht hat: „ita omnis terror pavorque cum illo latus signa primo Lati-
zorum turbavit, deinde in totam penitus aciem pervasit u. |. w. haud
secus quam pestifero sidere icti pavebant;“ weiterhin bei gleicher Weihung
des Sohnes Decius 10, 28: „pre se agere sese formidinem ac fugam, ce-
demque ac cruorem, calestium, inferorum iras,. contacturum funebribus
diris signa, tela, arma hostium“ u. ſ. w. 10, 29: „vix humanz inde opis
videri pugna potuit u. f. w. Gallos Samnitesque Telluris matris ac Deo-
rum Manium esse u. |. w. furiarumque sc formidinis plena omnia ad
hostes esse.“ In der Formel bei Macrobius, Saturnal. 3, 9: „sed dictatores
imperatoresque soli possunt devovere his verbie: Dis. Pater. Vejovis.
Manes. Sive. Vos. Quo. Alio. Nomine, Fas. Est. Nominare. Ut. Omnes.
Mam. Urbem. Carthaginem. Exercitam. Que. Quem. Ego. Me. Sentio.
Dicere. Fuga. Formidine. Terrore. Que. Compleatis. u. f. w. Uti. Vos.
Eum. Exercitum. Eos. Hostes. u. ſ. w. Abducatis. Lumine. Supero. Pri-
vetis. n. f. w. Eos. Que. Ego. u. f. w. Exercitibus. Legionibus. Que.
Nostris. Do. Devoveo. ı. |. w. Tellus. Mater. Te. Que. Juppiter. Obtestor.
Cum Tellurem dieit, manibus terram tangit: cum Jovem dicit, manus
ad cœlum tollit: cam votum ‚recipere dieit, manibus pectas tangit.“
223 Tacitus, Germ. 42: „Juxta Hermunduros Narisci, ac deinde Marco-
manni et Quadi agunt u. |. w. Eaque Germaniw velut frons est, quate-
nus Danubio protegitur.* Erſt 45: „hie Suevie finis.“ Capitolin. Anto-
nin. philos. 22: „Quadi. Suevi* u. |. w. @utropius 9, 6 (Sprachg. 506).
Ammian. 16, 10, S. 146: „Suevos Retias incursare, Quadosque Vale-
44
römischen Befeftigungen unleiblic waren, unternahmen fie, indgefammt
zu ben Semnonen auszuwandern, wurben aber durch Verlegung bes
Weges daran verhindert 124. So fcheint auch ihnen noch ein Bewuſt⸗
fein alten Verbandes mit dem fuevifchen Stammvolk innegewohnt zu
haben. Lange nachher, vor dem Heere des Kaiſers Conftantius, ſchwören
quadiſche Häuptlinge mit gezogenen Schwertern, die fie ald Götter ver:
ehren, ven Römern Treue zu halten 125. Dieſes Ereignis fällt zwar
in eine Zeit, da der Semnonenname längft verfchollen ift und bie Quaden
bauptfählih mit Sarmaten Genoflenfchaft pflegen, aber die Hetlighal-
tung des Schwertes weilt in hohes Altertum zurüd und es wird fi
weiterhin zeigen, daß fie nicht ausfchließlich ſtythiſch war.
2. Mutter Erbe.
Der Sage vom Semnonenwalbe gegenüber fteht bie andre, ſchon
berübhrte vom gemeinfamen Urjprung der Germanen. Diele feiern in
alten Lieben den von der Erde gebornen Gott Tuisco und befien Sohn
Mannus als Urheber und Gründer des Volls; dem Mannus geben
fie drei Söhne, nach deren Namen die nächſten am Meer AIngävonen,
die mittleren Herminonen, die übrigen Iscävonen genannt feien; Andre
jedoch bezeugen mehrere Söhne des Gottes und mehrere Benennungen
des Volles, eben die wahrbaften und alten Namen, basunter bie
Sueven 12. Tacitus gibt den allgemeinen Mythus im Zufammenbange
mit feiner wiederholt ausgefprochenen Anficht, daß die Germanen Ein-
riem.“ (®gl. &, 495: Alamanni.) 29, 6, &. 629: „trans flumen Histrum
in ipsis Quadorum terris.* Über die Quaden |. Beuß 117 f. 458. 462 fi.
Sprachg. 605 ff.
14 Dio Caffius 71, &. 1189: „agre al rorg Kovddoug ui wiporwrag rdr
dsweyıduov usradchvas navönuel noog Zeuvövag dnıyupisar. 0 dd Avyca-
stvog, npouadav env dıdvaay auröv, rog diodung anompdsag dnalusen."
Zeuß 457. Mascon 1, 151, Anm. 3.
125 Ammian. 17, 12: „eductisgue mucronibas, quos pro numinibus
colunt, juravere se permansuros in fide.“
126 Tacitus, Germ. 2. (Über diefe ſchwierigen Stammtafeln ſ. J. Grimm,
D. Myth. 818 ff. Spracdg. 776. 824 fi. 829 fi. 618. W. Wadernagel in der
Zeitſchr. f. d. Alterth. 6, 15 fi. Zeuß 70 ff. W. Müller, Geh. u. Syſt. d.
alid. Relig. 290 fi. K. Müllenhoff, Über Tuisco und feine Nachlommen im
Schmidts Allg. Zeitſchr. f. Geſch. 8, 209 fi.)
45
geborne feien, gänzlich unvermifcht mit andern Bolleftämmen, woher
auch ihre bei einer fo großen Menfchenzahl dennoch gleichartige Körper
beſchaffenheit 122. Fur diefe Inngeborenſchaft und Urverwandtſchaft
bietet ihm die Erdgeburt des göttlichen Stammvaters den ſinnbildlichen
Ausdrud. Abkömmlinge eines beſondern Mannusſohnes wären nun,
nach ber zweiten Meinung, auch bie Sueven und fo könnte, was jpäter
von ihrem Urfprung im Semnonenwalb erzählt wird, als eine Wieber-
bolung und Berörtlichung des gemeinfamen Mythus in näheren Bezug
auf ein einzelnes, aber ausgebreitetes und mächtiges Germanenvoll er⸗
fcheinen 128, Allein es ift mit Recht bemerkt worden, daß ber Sage
von Tuisco und Mannus die noch allgemeinere Bedeutung einer das
gefammte Menjchengefchleht angehenden Schöpfungsfabel zulomme 129;
die Söhne des Mannus .aber, drei ober mehrere, mit denen erft bie
eigentlich germaniſche Stammfage anfnüpft, kommen überhaupt nicht
unmittelbar, fondern ſchon im dritten Grabe von ber Altmutter Erbe.
Wenn Böllenamen auf Namen der Stammpäter bezogen werben, fo
ift als Negel anzunehmen, daß jene das Urfprüngliche, dieſe, obgleich
127 Eingang des 2 Gap.: „Ipsos Germanos indigenas crediderim mi-
nimeque alierum gentium adventibus et hospitiis mixtos.“ Hiezu Gap. 4:
„Ipee eorum opinionibus accedo, qui Germanis populos uullis aliis alia-
rum nationum connubiig infectos, propriam et sinceram et tantum sui
similem gentem exstitisse arbitrantur. unde habitus quoque corporum,
guanquam in tanto Iominum numero, idem omnibus: truces et coerulel
oculi, rutile come, magna corpora“ u. ſ. w.
28 Bergl. Zeug 132: „die Semnouen, die Weſtnachbarn der Burgunden,
die Bäter der fpäteren Sueven u. f. w., find das erfle bedeutende Boll bes
Oftzweiges an feiner meitlichen Grenze; in ihren Umgebungen fioßen bie drei
Hweige des Feſtlandes zuſammen, bei ihnen daher das Heiligthum des Tuisco,
der mit Mann, jeinem Sobne, nud des Manns Söhnen Gründer des Bolks
und feiner Zweige.”
19 W. Wadernagel a. a. O. 17: „die fage von Tuisco und Mannns ift
ſicherlich Leine liber ben urjprung des germanifchen volles geweſen, fondern
gleichfalls eine über den urfprung aller ‚menjchheit, em ftüd aus der koomo⸗
gonie ter Germanen, eine antbropogonie, eine jage mithin, die entweber an
gar feine beftimmte üörtlichleit gelnüpft war, ober wenn an eine, daun wohl
an eine dunkel vorgeftellte afiatiſche; ein ftüd aus der germaniſchen fosmogonie,
an das ſich erfi mit der erzählung von den brei fühnen bes Mannus die eigent-
lich nationale ſtammſage, die jage vom urjprung der einzelnen beutichen völfer
ſchloß. |
46
an die Spitze gerüdt, nur ein Gefolgertes und Eingebilvetes ſeien.
Abgefeben von den gelehrten Spielereien fpäterer Zeit lag es ſchon der
älteften deutſchen Anfchauung nahe, mie die Namen ber einzelnen Ge:
Schlechter und der zu ihnen gehörenden Perfonen ſich um ein gemein-
james . Stammmwort bewegten, fo aud die Namen von Völkern ober
Bölfergruppen auf ven einfachen eines erften Ahnherrn zurüdzuführen 130.
Es mufte Ingävonen, Iscävonen, Herminonen geben, bevor man an
einen Stifter Ingo, Isco, Hermino (Sprachg. 824 u.: Iscus, Angus,
Hermino. Myth. 320 05.) denken Tonnte !91. Eigentlich aber bilden bie
drei Volksnamen jelbft ſchon eine Stammtafel Germaniens im Großen.
In ing und isk find bie zwei Hauptformen zur Bezeichnung des Ab⸗
ftammens erlannt worden 192; vor Alters mochte diefen Ableitungsfilben
noch jelbftändigeve Bedeutung innewohnen und darum konnte Ingo, wie
Ermino, Irmino, ein althochbeutiher Mannsname lauten 139, Run
find zwar bie Ingävonen und Iscävonen dem römischen Berichteritatter
nur räumli die zwei Seitentheile der mittenliegenden Herminonen;
aber damit verträgt ſich mohl die urfprüngliche Meinung, daß die Seiten:
völker Ablömmlinge des fi ausbreitenden Mittelvolks, auslaufende Afte
bes alten Hauptftammes fein. Auch ald Brüder Herminos find Ingo
und Isko doch für die jüngeren, außgefandbten Brüder anzuſehen. Wirk:
lich bat denn aud das in Zuſammenſetzungen als erfted Wort gebräud;
lihe ahd. Ermun, Erman, irmin (au altj.), altn. iörmun, überall
einen verftärlenden Sinn, zum voraus den ber umfaflenden Größe, ber
10 Gin Mittleres findet ftatt, wenn der Name des berrichenden Geſchlechts,
befonders in &ebichten, anf das Volk übertragen if, wie Amalunge, Ribelunge,
Kerlinge.
181 Die einfadhften und gleichmäßigen Formeln für dieſe Stifter- und Bolts-
namen Sprachg. 775.
122 D. Myth. 324: „Hier mag ein verwegner einfall fich luft machen. in
anfrer ſprache wird das abflammungsverbältnis hauptfählic durch zwei Ab-
leitungsfilben ausgebrüdt, ing und is manning bezeichnet den von man
ſtammenden fohn, mannisto faft dasfelbe. ich fage nicht, daß die göttlichen
vorfahren aus der grammatiſchen forın genommen‘, nod weniger, daß bie
grammatifche form ans den heidennamen entiprungen fei. ich laffe den tiefen
zufammenhang beider unerflärt und zeige ihn bloß an.” Bat. Zetrfchr. 6, 20.
133 Ingo, nebft fem. Inga und manden Zufammenfegungen, Öfters im -
Polypt. Irminonis, womit zugleid der andre Name gegeben ift; bei Neug.
501: Hermino. Manno, Irm. 88. 93 und anderwärts, Mennislo, Dronke.
#7
weitreichenden Gewalt 134, fo daß die Herminonen und ihr Gebiet dem
Worte nach dasſelbe heveuten, wie Großgermanen, Germania magna 1.
Wie irmin zu ing, Herminonen zu Ingävonen, mögen ſich im. einzelnen
Bolle die Hermunduren zu ben fpäter genannten Duringen verhalten 13%.
Jener durch den Stabreim (ing:, isk⸗, Ermin=) verbundenen, durch den
Sinn geglieberten und abgeichlofienen Dreibeit find eben darum bie bon
Andern angereihten vier Vollönamen (Marsi, Gambrivii, Suevi, Van-
dilii) ungleihartig und unzulommend; bie Drei find mehr Ianbabthei-
Iender, die weiteren Biere mehr völlerfchaftliher Natur 197, Das auf
183 Gr. 2, 448 f. Bilmar, deutjche Alterth. im alt. Heliand 46 f. D. Myth.
106 f. und beſonders 326: „In diefen zufammenfegungen u. f. w. fcheint
irman nur allgemeinen, verfärfenden fin zu haben und ſich nicht befimmt
auf einen gott oder held zu beziehen; es gleicht andern wörtern, namentlich
got und diot, regin und megin, die wir ganz ähnlich verwendet ſehn u. |. w.
und wie irmangot den großen gott, irmantiot das große voll, iörmungrund
die große, weite erde, fo kann auch irmanfül nichts anders als die große feule
ausfagen fjollen, gerade diefen finn faßte Rudolf in der überſetzung universalis
columna (Per 2, 676) auf.” Möge damit dem Gott Irmin in der deuiſchen
Mythologie für immer widerjagt fein!
185 Ptolem.: „eöv dd dvrog nal usdopeior idvor“ u. |. w. (Zeuß 759, 4).
„Medii Herminones“ Germ. 2, „mediterranei Hermiones“ Plinius, h.n. 4,
14 erinnern an die alten Bezeichnungen des bewohnten Erdkreiſes: agf. &ormen-
grund, alm. iörmungrand, und zugleich: goth. midjungards, abd. mittin-
fart, mittilafart, altf. mwiddilgard, agf. middangäard, altn. midgerär (Gr.
2, 469 f. 3, 898. Myth. 754). GBergl. noch altı. meginland, Feſtland,
Sn. 195. 359, ahd. magenfil, maxime oplamna, Gr. 2, 466.)
185 Berg. Sprachg. 600: „Herman vor Duri könnte den großen, alten
ſtamm des volls bezeichnen, was allein ſchon auf die nothwendigkeit führte,
ihm einen abgeleiteten jüngeren an die feite zu ſetzen.“
137 Wenn die Anhänger der zweiten Meinung von den Vieren bebampteten:
„esque vera ei antiqua nomina“, jo liegt darin ein richtiger Gegenſatz ber
angefammten, lebendigen Bollsnamen zu den abftraften Unterſcheidungen größerer
Bezirke. (Auch „antiqua“ ſcheint nicht erfi dem nachfolgenden „ceterum Ger-
maniz vocabulum recens et nuper additum“ gegenüberzuftehen) Dann
durften aber beiderlei Arten nicht zufanımengeloppelt werden. Daß die Drei
durch Die Biere gänzlich ausgefchloffen und erſetzt werben follten, dagegen ſpricht
der Ausdrud: „plures deo orte, pluresque gentis appellationes“, den
Letztere, wenn nicht bioß beiſpielsweiſe aufgeführt, geben nur Eines mehr, als
die Erſteren, und die Bermengung bat ſchon 20 Jahre friiher Plinius aufge:
nommen. Der Suevenname erfiredte fi, die alte Dreitheilung brechend, auch
anf Ingävonen, ſueviſche Küſtenvöller.
48
tauchende Anſehen biefer letztern und andrer Vollsnamen konnte zu
Aufzählungen führen, in denen nicht mehr das richtige Verſtändnis
maßgebend war und über welche bei den sömilchen Gewährsmäunern
Verſchiedenheit obwaltet; fo gibt der frühere Plinius ftatt der Sieben
nur Fünfe, unter die er namentlich die Sueven nicht einorbnet, ſondern
fie bloß für einen Theil der mittellänbifchen Herminonen erflärt 138,
Tacitus felbft ftellt die reine Dreizahl der gemifchten Siebenzahl voran
und hält den Mythus von Tuisco und feinen Sprößlingen durchaus
getrennt von ber Semnonenfage. Diefe wird an ganz andrer Stelle,
ohne alle Rüdmeifung auf den Geſammtmythus, ohne Aufflellung einer
Stammreibe oder Benennung eines beſondern Stammvaters, berichtet;
der Beginn bes ſueviſchen Volks ſelbſt 139 findet, wahrhaft autochthoniſch,
im beiligen Walde ftatt; der Gott aber, ber bier gegenwärtig geglaubt
wird, iſt nicht ala Erzeuger, fondern als der über Allem Waltenbe
(regnator omnium) bezeichnet. Das mächtig gewordene Suevenvolf,
das erft noch unter ben Herminonen geht, dann mit biefem Namen,
bie alte Dreiheit brechend, auf gleiche Stufe tritt, behauptet auch feine
eigenthümliche Stammjage und erahnt an feiner Geburtsftätte die Gegen⸗
wart jenes allgebietenden Gottes. Einer buchſtäblichen Ausgleichung ber
Erbgeburt des Mannus mit der ſueviſchen im heiligen Walde bebarf
e3 dann am wenigſten, wenn Mannus nicht als Stammoater der Ger
manen im bejondern, wie ihn Tacitus auffaßt, fondern als Urmenfch
zu nehmen ift. Der allgemeine Gebante, daß das menfchliche Gefchlecht
von der Erde komme, konnte ſich in mythiſcher Freiheit bald zur urs
weltlichen Schöpfungsfage, bald zur Stammfage eines beftimmten Volles
geftalten.
innerhalb des ſueviſchen Völlergebietes felbft hat ſich der fromme
Glaube an die mütterliche Erbe noch auf andre Weife dargelegt. Tacitus
ſpricht davon ausführlich, aber auch hier ohne irgend eine Beziehung
zur Mannus- oder Semnonenfage. Abwärts ber Elbe nad bis zur
Seelüfte folgen den Semnonen zunäcft die Langobarben, dann fieben
weitere Völferfchaften, darunter Angeln, Warinen, Suarbonen u. f. w.,
188 Plinius, h. n. 4, 14: „mediterranei Hermiones, quorum (pars)
Bueri u. |. w.“
189 Germ. 33: „initia gentis [Suevorum]*, dagegen ebd. 3: „originem
gentis [Germanorum] conditoresque.“
49
fämmilih von Tacitus zu den Sueven gezählt, wie bei Ptolenäus,
wenn auch nicht in gleicher Drbnung, Semnonen-Sueven, Langobarben:
Sueven, Angeln:Sueven genannt find (ſ. ob. ©. 19) und das angel:
ſachſiſche Wandererslied Angela und Sueven mwenigftend noch zufammen:
Rellt und nicht ferne davon ber Wernen und Sweordweren gedenkt 14,
Ebenfo gibt es auch neben der Semnonenfage noch ſolche Meldungen,
wonach die Sueven zur See angefahren find. Das Annolied, kur;
nach 1183 gedichtet, weiß zu fagen, daß die Vordern ber von Gäfar
befriegten Schwaben einft mit Heereötraft und manigfachem Volle über
Meer gelommen feien und ihre Gezelte am Berge Suebo aufgefchlagen
baben, nach dem fie dann benannt worben; eine mittelalterlich gelebrte
Ableitung 141. Bollsmäßiger lautet eine andre, weiterhin beſonders zu
140 Cod. Exon. 321, 10: „Engle and Svefe“ 322, 10: „mid Englum
ic väs and mid Svefum* 332%, 6: „mid Värnum“ (vergl. 320, 7 f.: „Ver-
num“ „Eorum“ Aviones) 322, 13: „mid Svöordverum“ (320, 21: Long-
böardum, vergl. 323, 18).
141 Annolied (Wadernagels Leſeb. 1, 183. VBezzenbergers Ausg. 3. 279 ff.):
„Undir bergin ingegin Suäben biz ber vanen Af haben;
deri vordirin wilin mit herin dari cumin wärin ubir meri
mit mislichemo volle, fi flügen iri gecelte
ane dem berge Suebo: dannin wurdin fi geheizin Suäbd.”
Berſchieden die Kaiſerchronik (Maßmanns Ausg.) 269 f.:
„er lärte ingegin Smwäben, den tet er michil vngnaͤde“ n. L w.
285 fl.:
„lin gezelt Hiez er flahen dd nf einen berg, hiez Sweod,
von dein berge Swkvd fint fie alle geheizen Swabe.“
Benn nun auch der Abfchnitt des Annoliebs, welchem die Stelle angehört,
ans der Kaiſerchronik entlehnt ift, fo kann bie Abweichung des Liedes doch nicht
für eine misverfändlihe oder willkürliche angeſehen werben. Sie ſchließt ſich
richtig an viel Älteres an. Schon Plinius, hist. nat. 4, 13 ſchreibt, nachdem er
von der Bernfteinküfte gehandelt: „ineipit inde clarior aperiri fama ab genie
Ingevonum, qu® est prima inde Germanie. Sevo mons ibi immensus,
nee Ripheis jugis minor immanem ad Cimbroram usque promoniorium
efieit sinum, qui Codanus vocatur, refertus insulis, quarum clarissima
Scandinavia est.* Dieß verlehrt Solinus C. 28 dahin: „mons Sevo, ipse
ingens, nec Riphsis minor collibus, initium Germanis facit, hunc Ingæ-
vones tenent, a quibus primis post Beythas nomen Germanicum con-
sergit.“ Sodann Isidor. Hisp. orig. 10, 2: „dicti autem Su,vi putantur a
monte Suevo, qui ab oriu initiam Germanis facit.“ (Isidori (Hispalensis
episcopi) originum libri XX, ex rec, Bonauenture Vulcanii, Basil. 1577.
Uyland, Echriften. VIII. 4 |
50
beipredhende Erzählung, nach welcher. die Sueven vom Norden herge⸗
Ichifft find und, vom Sturm in den Hafen von Schleswig getvorfen,
durch BZertrümmerung ihrer Fahrzeuge ſich die Rückkehr abgefchnitten
haben 142, Den Anwohnern des Gebirgs war es gerecht, ihren Ur:
fprung vom Innern berzuleiten, gleich dem der ausftrömenpen Flüfie,
den Küftenbewohnern, fi als Anlömmlinge über See zu betrachten,
gleich der anmwogenden Meeresflut 19. Wenn nun bie nieberelbifchen,
feeangrenzenden Suevenvblker den Sit ihrer Erbmutter in das Merr
binaus verlegten, jo beutet dieß eben darauf, daß fie ihre Urheimat
für überſeeiſch anſahen. Derſelbe Gedanke fcheint, nur anders ausge⸗
brüdt, darin zu liegen, was Tacitus an früherer Stelle melbet: ein
Theil der Sueven opfre der Ifis; Urſache und Urfprung bdiefes aus:
heimiſchen Dienftes hab’ er wenig erkundet, nur beweile das Sinnbild
der Göttin felbft, nach Art einer Liburne geftaltet, die Anfahrt aus
der Fremde 144, Die deutfche Mythologie erläutert, daß Tacitus biebei
an eine römijche Früblingsfeier, das Schiff der Iſis (navigium Isidis),
gedacht haben werde, und knüpft daran Mittheilungen über die mittel:
.alterlichen Gebräuche des Schiff- und Pflugumziebene, namentlich über
jenes merkwürdige Landſchiff (navem illam terream), das um 1133 ein
Bauer aus Inden, unweit Aachen, im Wald erbaute und auf Räder
feßte und welches dann von ben dazu gezwungenen Webern unter
gröſtem Zulauf und Yubel des Volks durch die Städte Aachen, Maftricht,
ol.) Zeuß 76 (vgl. 156. 265) erläutert den Berg Sevo als das flandina-
viſche Webirge ten Kimbern gegenüber. Sonft ſ. hieher Myth. 837, Bezzenb.
3. Annol. 105. Letzterer vermuihet in der Ankunft der Schwaben „ubir meri“
eine Hindentung auf das mare Suevicum bed Zacitus und findet in tem
„mislichemo volte* eine Hinmeifung auf die Alamannen. Sueven und fue-
viſches Gebirge (sounßa opn) ſchon in Anen bei Ptolem. 6, 14 f. (vergl.
Sprachg. 489 u.).
142 Goldaſt, Seriptor. rer. svev. ©. 1.
143 Ähnliches von den Galliern bei Ammianns Maercellinus 15, 9 (2.
104 fg.): „Aborigines primos in his regionibus quidam visos esse firma-
runt u. f. w. Drysidse memorant, revera fuisse popnli partem indigenan,
sed alios yuoque ab insulis extimis confluxisse et tractibus transrlıenenis,
crebritate bellorum et alluvione fervidi maris sedibus suis expulsus.“
144 Germ. 9: „pars Suevorum et Isidi sacrificat. unde cause et origo
peregrino 8ocro, parum comperi; nisi quod signum ipseum, in modum
liburne figuratum, docet advectam religiuuem.“
Sl
Tungern u. |. w. bis gegen Löwen umbergezogen wurde 140. Dieſes
Schiff, mitten im Lande umgeführt, Tonnte nicht, wie das ber Iſis, die
im Frühling wieder offene Seefahrt feiern. Iſis ſelbſt galt auch für die
Erfinderin des Getreidebaus 146, obgleich ihr Name nur durch das finn-
bildliche Edhiff in die Germania gelommen fein mag. Aber das nieder
ländifche Fahrzeug war, wie ausprüdlich gefagt wird, von einem armen
Bauer ausgedacht, um damit den Übermuth der Lein, und Wollen,
weber zu demütbigen und erlittene Unbill an ihnen zu rächen 147, Im
eiferfüchtigen Gegenftreite zwifchen dem Bauernfland und den üppig auf
blühenden Gewerben, die auch aus feiner Mitte hervorgegangen waren,
aber ſich bes alten Berufs überhoben hatten, kann das Ediff, das
der Bauer in Bewegung jekt, kaum eine andre Beziehung haben, als
auf den früheften, über See her gelommenen Anbau des Landes, Bei
ben Franken, die von der Rordfeefüfte aufwärts gebrungen waren und
nachmals eben in der Gegend von Aachen und der Maas ihren Herrfcher:
ſiz gegründet hatten, lebte ja aud bie befannte Eage von ihrer tro⸗
janifchen Abkunft und von dem Gedächtnis, das fie diefer im neuen
Lande ftifteten, indem fie. am Nieberrhein eine Kleine Troja bauten,
den Bach dabei nah dem Tanthos nannten und den Rhein für das
Meer nahmen 118, So nahmen auch jene ſueviſchen Verehrer der Erb:
göttin die geweihte Küfteninfel ftellvertretend für das ferne Land ihres
Ausgangs. Als Wahrzeichen des Verlangens nach einer mütterlichen
Heimatftätte erfcheint das Schiff auch m dem alten Gebraude, Todte,
15 Myth. 236 fi.
146 Diodor. Sicul. 1, 27: un apdrn napıov avdpanarg aupoosa.“ (Nitſch
1163. Wolf, Beitr. 159 f.)
47 Rodulfi chron. abbat. s. Trudonis: „Est genus mercenariorum,
gquorum officium est ex lino et lana ſexere telas, hoc procax et super-
bum super alios mercenarios vulgo repulatur, ad quorum procacitatem
et superbiam humiliandam et propriam injuriam de eis ulciscendam pau-
per quidam rusticus ex ville nomine Inda hanc diabolicam excogiLavit
teehnam“ u. ſ. w.
48 Kaiferchronil 873 ff.: „Franke gefaz mit den finen niden bime Nine.
den Rin bete er vur daz mere. da wuohjen alle frenkesle here.“ Annol. 380 ff.:
„Franko geſaz mit den finin vili verre nidir bi ini. da worhiin fi dů mit
vrowebin eini Iuzzele Tıdie. den bad Hin fi Sante n& demi wazzere im iri
Iante. den Rin havitin fi vuri diz meri. dannin wuhfin fint vreintifchi heri.”
Durch dieſes „wuohſen“ ift eine neue Eingeburt veranfchanlidht.
32
auf ein Schiff gelegt, ber flutenden See zu übergeben ober fie im Schiffe
zu beerbigen, ſowie in ver fagenhaften Überſchiffung der Verftorbenen
oder ihrer Seelen nad) einem andern Lande 14%, Nach Prokop find bie
Fahrlente, denen es obliegt, die Seelen von der gallifhen Küfte nad
der britiſchen Inſel überzufchifien, Fiſcher und Ackerleute 150. In Le
genden fpäterer Zeit aus verfchiedenen Gegenden Deutſchlands geſchicht
die Leichenfahrt heiliger Perfonen vergeftalt, daß fie durch Schiffe. ohne
Ruderer und burch Rinder ohne Führer, auch abwechſelnd auf beiberlei
Weile, an bie heimatliche, von ihnen getwünfchte ober durch höhere Lei⸗
tung für fie beftimmte Ruheſtelle gebracht werben 51. Wie noch bei
deutichen, befonvers fchwäbifchen Volksluſtbarkeiten des 18ten Jahrh.
Schiff und Pflug oder Egge gleichmäßig umgeführt werben 152, fo ge
fellt fi in den legenvenhaften Beerbigungsfahrten dem Schiffe das länd-
liche Geſpann. Kinder führen den Weg zur Grabftätte, wie fie den
zur Anfieblung meifen 15%, Ein altnorbifcher Ausprud für fterben war:
in das Gefchlecht der Mutter fallen 154; der Menſch ift Sohn der Erbe
und die ihr geweihten Pflugthiere bringen ihn auch in ihren Mutter:
ſchoß zurüd oder überlafien ihn, wo fie felbft ftille ftehen müflen, dem
hilfreichen Schiffe. So ift die Erbgöttin, die mit weiblichen Rindern
1 Myth. 790 fi.
180 Procopius, de bello goth. 4, 20. Myıb. 792.
151 So vom h. Ludger, Wolfg. Müllers Lorelei 288; vom 5. Emmeram,
Panzer, Beitr. 220 ff. (vergl. ebd. 60 u. 161 u., f. ob. 224, 2. 225 u., f.);
von der h. Rotburga, Wolf, Beitr. 185; von der h. Gundhild, Barth, Hertha
31, Falkenſtein, Nordg. Alt. 1, 172; vom h. Sebald, Wagenjeil, de cirit.
Noriberg. commentat, ©. 44.
152 Den Belegftellen in ber D. Myth. 242 f. if eine aus der handſchrift⸗
lichen Chronik der Herrn von Zimbern S. 1281 [Ausgabe von Barad 2, 117. &.]
beizufügen, welche den Gebrauch zu Scheer in Oberſchwaben beurkundet: „Uff
die nechſt Faßnacht hernach, hat fie (die Herrn von Zimbern) Graue Endres
(von Sonnenberg) abermals zur Scheer geladen alfo vff bie efchrichen Mitt-
wochen wie der Brauch eineft zur Scheer, das die Meblin vnnd megt, auch bie
jungen gefellen die eggen helfien durch die Tonaw ziehen, do Graue Endres
angericht, das diefelbigen den jungen Herren Herr Wilhelmen Wernhern (von
Zimbern) voffgefanngen haben, der hat jnen mueßen die engen heiffen Durch die
Thonaw ziehen.” Die Egge ohne den Fluß Fasnachtſp. Nr. 30, ©. 247 bis 251.
[Besgl. Liebrecht in Pfeiffers Germania 5, 50 f. Hans Sachs 8.5, S. 179. 8.)
13 S. oben bei Kadmos.
14 Nialss. C. 45: „ti mödureetl falla.“ Lex. myth. 2055. D. Mytb. 608.
33
bei den Völkern umfährt und dann nad) dein heiligen Eilande zurück⸗
kehrt, der gleihfalla von einem Theile der Sueven verehrten Gottheit,
die ihres Sinnbilds, des Schiffes, wegen von Tacitus Iſis genannt
wird, nahe gerüdt 155 Die Verehrung der altheimiſchen Erdmuttter ift
in die neue Anfieblung berübergenommen, aber Inſelhain, Schiffzug
(neben dem Rinderwagen), Todtenſchiff 196 bebeuten, daß bie verlaſſene
Heimat eine abliegende jenfeit des Meeres fei.
B. Svafr und Svafrlogi.
Dem Mythus von der Erbgeburt hat der befondre Volksname
Semnonen fich angeglichen, in anderartige, weitgejchlungene Sagenkreiſe
führt der allgemeine Stammname Sueven.
Neuere Forichung hat aufgewiefen, baß mehrere germanifche Völker
nach den Waffen benannt feien; Suarbonen, einerlei mit ben Speorbveren
des angelſächſiſchen Wandererdlieds, Cheruöfer und vielleicht Heruler,
Sachſen, jämmtlih nah dem Schwerte (ahd. fuert, agſ. svéord; goth.
hairus, alt. höru; ahd. ſahs, agſ. söax) 197, Hinfichtlich der Franken
Ichwebt die Frage, ob der Name des Volks von dem ber Waffe, bier
des Speeres (framea, mittellatein. francisca, agf. france, altnorb.
frakka, wie Frakkr, Frakkaland, Francus, Francia), abzuleiten ſei
oder umgekehrt; erftern Falls wäre Franke, die Waffe, Verkleinerung
des von den Römern aufgenommenen beutjchen Worts (framea, framia,
dim. frameca, framecha, daraus obige france, frakka) 158, In dem:
felben Gedenkverje der Stalda nun, der unter den Benennungen bes
155 Das Ediff der Erde, von Odins Gattin gerndert, im chriſtlichen
Sonnenliede (Sem. 130, 77), if nur ein Bild der boffärtigen Weltluft, aber
tonnte nicht zu diefem Bild ein volksfeftlicher Aufzug, nach Art des Schiffes von.
Juden (das der Abt Robulf: „diaboli ludibrium, plebeiam fatuitatem“
nennt, Myth. 240), den Anlaß gegeben haben?
156 Die ſchwäb. Todtenbäume (vergl. J. Grimm, über das Verbrennen der
Leihen 52. 80).
257 Beuß 105. 150. 154. 476. J. Grimm, Myth. 186. Spradg. 781.
618. 470 f. 688 f. W. Wadernagel, Zeitſchr. f. d. At. 6, 15 f. Philipp,
Geſch. d. ange. R. S. 47, N. 153: „ense Saxonieo“, ©. 11, N. 30 u.
8. Wadernagel, Zeitſchr. f. d. Alterth. 2, 558. 6, 16. J. Grimm,
" Spradjg. 512 bis 518. &. Müllenhoff, Zeitfchr. f. d. Alterth. 7, 383. J. Grimm,
ebd. 470 f.
54
Speeres frakka aufzählt, findet fich gleichbedeutend svaf 19. Diefer
Neutralform entfpricht aber auch eine männliche, svafr = svafar (Gen.
svafrs), die jedoch nur noch in bichterifchen over fagenhaften Eigen:
namen, meilt zufammengefeßten, vorlömmt (Svafrlogi, Svafrthorinn,
Svafrlami, Svafrlöd). Über die Bedeutung diefes Worts muß vor
allem die einzige Stelle zu Rathe gezogen werben, wo dasfelbe einfach
erſcheint, daneben aber auch in Zufammenfehung. Das nordiſche Sonnen:
lied (sölarliod), ein Gedicht, das chriftliche Anfichten und Lehren zum
Theil noch in beibnifchem Gewande vorträgt, bebient fich für die auf-
geftellten Beifpiele gerne allegorijch beveutfamer Eigennamen. Hiedurch
mag eine Strophe hereingezogen worden fein, die mit dem Übrigen
nirgends recht zufammenpaßt und ſich mehr wie eine ſelbſtändige Räthfel:
aufgabe anläßt. Sie lautet: „Wie haben fie gefrevelt, Svafr und
Spafrlogi? Blut mwedten fie und fogen Todeswunden nad alter Ge:
wohnheit“ 160, Der Schlüfjel des Räthſels ift unſchwer zu finden.
Skalda fagt allgemein: „Biebwaffen, Arte oder Schwerter, werden Bluts⸗
ober Wundenfeuer genannt“ 161, und unter den Schwertbenennungen
Iommen nachher, ganz bier zutreffend: Ylamme (logi), Blutwache
(blödvaka), Wundfauger_(bensogr) !%, Wie perfönlich belebt man
19 Sn. Eid. 2160. (Arnam. 569 fg.) Landnämabök P. 1, K. 1 (Islen-
dinga Sögur 1, 26): „Madr het Gardar Svafars son. Svenskr at wett“
». f. w. Oder ift Svafar = Suabheri n. f. w.? Bergl. Beitfchr. f. d. Alterth.
3, 143. (Gardar = Kartheri?) (Ein Schmwertname ift aud) Längbardr, Sn.
214, vgl. Spradhg. 689.)
10 Sem. 130, 80 (Mund 184, 80): Hverja beir hafa belt (eine
Halbzeile fehlt) Sväfr ok Sräfrlogit blod Peir vöktu ok benjar sugu
undir öllum (a. illum) eyvana.“ (öllum für öldaum?) Man vergl. die mit
hverr? hverjar? hverir? u. f. w. beginnenden NRäthfelfragen ber‘ Hervar. 8.
6. 15 (Fornald. 8. 1, 467 ff.). Ramentiid) ©. 473 von Itrekr und Ön-
döttr.)
161 Sn. 160 (Arnam. 420): „Höggväpn, eyxar eda sverd, er kallat
eldar blöds eda benja.“
162 Sn. 2145: „bensogr“; 215 a: „logi*; 2156: „blödvaka* (Arnam.
565 bis 567). Bergl. noch Sn. 215a: „benknüar“; Arnam. 567, 9): „Len-
jari“; Fornald. 8. 3, 7655: „bengreßill; benteinn; benpvari; sitdrlogi.®
Hiezu in obiger Str. des Sonnenlieds (Ann. 160): „Sväfrlogi, blöd vöktu;
benjar sugu.“ Gisla 8. Sursson. 6. 6: „ok nü vekja peir sör blöd ok läta
renns saman dreyra sina® u. |. w. M.A. 118.) Bensogr (Gr. 1 (1), 914
55
fih die Waffe dachte, zeigt bie weitere Anweifung, wonach der Etreitart
die ſtaldiſchen Benennungen der riefenhaften Zaubermweiber zulommen 163.
Die jchlichte Räthſellöſung ift hiernach dieſe, daß Svafr und Soafrlogi
Namen des perſönlich genommenen Schmertes find, deſſen verberbliches
Wirken fofort in wenigen, fcharfen Zügen gezeichnet wird. Schwert
und Schwertflamme weden Blut und ätzen töbtliche Wunden. Räthfel:
artig konnten aber beide Namen nur gebraudt werben, wenn Svafr
nicht ein gemeinübliches, fordern ein alterthümliches ober fremderes, in
Sage und Dichterfprache gerücktes Wort war, wie man aud den Epeer
in gewöhnlicher Rede nicht frakka oder svaf nannte.
Der allegoriihe Eigenname Svafadr in einem der twarnenden Bei⸗
fpiele des Eonnenlieveg mag es fein, der bie verwandten Svafr und
Svafrlogi bereingebracdht hat. Svafadhr und Skarthedhinn, zuvor uns
zertrennliche Freunde, entzweien ſich durch allzu heftige Leidenſchaft für
dasſelbe jchöne Weib, um das fie zuletzt ſich im Holmgang bekämpfen
und beide den Tod empfangen 16%. Svafadhr erklärt fi) nach Obigem
als: Beſpeert oder Schwertbewaffnet (mie hialmadr, ahd. gehelmoͤt,
galeatus, Graff 4, 846); Skarthedhinn iſt: Prachtbekleidet (mie Alf-
hedinn, biarnhedinn, geithedinn, die zwei erſtern auch als Manns:
namen, mit Wolfs:, Bären-, Geißfell angethan) 15. Es wird fehr
u. Lex. isl. 2, 362 u.) erflärt ſich dadurch, daß das Schwert als Schlange
gedacht iſt; Stichwaffen werben, nah Skalda, von Schlangen oder Fiſchen be»
uannt (Sn. 160: „Lagväpn. eru vel kend til orma eda fiska.“ Arnam, 420)
und namentlich von der Schlange im Schwert wird weiterhin zu ſprechen fein.
Syga, fangen, wirb aber von Schlangen gejagt, fo der fterbende Ragnar im
Schlangenhofe: „mid haben die Schlangen gefogen („bafa mik sogit ormar“,
Fornald. 8. 1, 282).“ (Darnach Sem. 276, 167) Auch „beulogi (Wund-
flamme)* it Schwertbenennung, Seem. 156, 50: „benlogum beita (a. bregda)“;
Fornald. 8. 2, 314: „benlogum bregda (Wundflammen jchwingen).” Sn.
Arn. 510: skialdar leygr. slidrlogi, Kräk. 12. (Beitfchr. 9, 180.) Gunnlogi,
8. Gisla Surss. 6.
163 Sn. 160 (Arnam. 420): „eyxar kalla menn tröllqvenna heitum.“
Ebend. 215 b. (Arnam. 569) unter den özar-heiti. „gygr ok fäla“ und zuvor
unter denen der tröllkvenna (2105. Arnam. 552): „Fäla“; vergl. Fornald.
8. 1, 303,
166 Sem. 122, 10 bis 14.
165 Lex. isl. 2, 258: „skart, n. eplendor vestinm.* Über hedinn, fo
wie die damit zufammengefeßten Wörter und Gigennamen ſ. 3. Grimm, D.
Myth. 1282. Vergl. noch Faprskiona 5 f. 170. (Skarphedina in Rials ©.)
56
alaublich angenommen, daß bier, unter den erbichteten Namen flolger
und ftattlicher Männer, die tragifche Geſchichte zweier isländiſcher Skalden
des 1I1ten Jahrh. Rafn und Gunnlaug, zugenannt Echlangenzunge
(ormstünga), zur Lehre geftellt fer 166, denen ebenfo ber Zweikampf,
ben fie. ala Nebenbuhler um die fchöne Helga beftanben, gemeinfamen
Tod brachte. Wirklich Krüftet fi Gunnlaug in präctiger Kleidung,
namentlich einem pelzbezogenen Scharlachmantel, den ihm König Äthelred
in England als Sängerlohn verehrt hat und an dem nachmals Helga
noch ihr brechendes Auge meidet 17. Gunnlaug und Rafn fingen nod)
166 Sagan af Gunnlengi Ormstüngu ok Skälld-Rafni u. |, w. Hafn.
1775, ©. Hi bis VI. Damit fimmen überein: B. E. Müller, Sagabibl. 1, 69
und Firm Magnuſen, Den wldre Edda 3, 221. Der tödtlihe Zweilampf
fällt um das Jahr 1013. Gunnlaug wirb zu Lifangr in Norwegen chriftlich
beftattet, &. 12, ©. 182: „ok Par ld hann 3 netur, ok feck alla piö-
nostu af presti, ok andadizt sidan, ok var bar jardadr at kyrkiu.“ (Der
Stelle des Sonnenlieds Str. 12: „Hverkis Deir gädu fyrir A hritu mey
leiks nd liosra daga“ entjpricht der Anfang eines Liedes von Gunnlaug, auf
das auch die Borrede ©. 5 fg. aufmerkjan macht, (C. 11, ©. 142 fg.): „Orme-
twagu verdr eingi Allr dagr und sel fialla Hegr sizt Helga hin fagra
Hrafos kvanar red nafni.* ©, 148, N. (94): „Ordo verborum in priori
earminis parte hic est: „Engi dagr verdr Ormstungu &llr hegr und fialla
sal, sizt Helga hin fagra red nafni kvanar Hrafns* i. e. Nullus dies At
Ormstunge totus facilis sab concameratione montium (i. e. colo), ex qro
Helga illa pulchra potita est nomine uxoris Hrafnis. Nopnemo tamen
hane interpretari maluit hoc modo: nullus dies Ormstunge etc. facilis
(grvie) Helga illa pulchra Rafnis uxoris nomen in sua potestate minime
(i. e. non) habuit, qvippe ad ınatrimonium cum eo ineundum tantum
non coaeta; sed nostro judicio parum feliciter.“)
167 8. af Gunnl. 6.7, ©.88 (A. C. 1006): „Gunnlaugr flutti kredit
vel ok skörugliga, en petia er e»tefit (versas intercalaris) { Qvedinan:
(61) Her giörvallr ins aurva Einglandz sem gudz eingli
At Iytr grauıs ok guma Gunnbrädz Adalrddi.
Köngr Packadi hanum qvedit, ok gaf hanum at bragarlaunum skyckiu
af skarlati skinndregna hinum beztu akinnum ok hladbüna i skaut nidr,
ok giördi hann hirdmann sinn“ u. f. w. S. 94: „Nw skalltu minom r&-
dom framfara (Gunnlaugr! qvad konungr); her er everd, er ek vil gefa
Per; ok med pessu skalltw vega, (gegen ben zauberfundigen vikingr Por-
grimr), enn syn hanum hitt, er pü dit ddr.“ C. 8, ©. 100, A. C. 1007:
„Da gaf köngr (Sigtryggr Silkiskegg in Tublin, til Dyflinner) hanum kledi
sin ny-skorinn af skarleti, kyrtil hladbüinn, ok skyckiu med dgietum
57
als blutige Traumgeftalten vom bauptipaltenden Kampfſpeer unb vom
gerötheten (Gr. 2, 170: rodna, rubescere) Schwerte der Schwerter
(®r. 4, 726, 10) 188,
skinnum, ok gullbring er stöd maurk (auch dieß für ein Lieb: at bragar
leunom). Gunnlaugr Packadi konöngi giafrnar, ok dvaldizt har litla
hrid, ok f6r hadan til Orkneyia. Pä red fyrir Orkneyiam Sigurdr Jarl
Biaudrersson (69). Guannieugr qvaddi Jarl, ok qvezt hafa qyvedi at
fera hanum. Jarl qvest hiyda vilia qvedi hans, ok sagdi hann vera
semiligenn mann. Gunnlaugr flutti qyedit, ok var hat flockr, ok vel
ort, ok gaf Jarl hanum auxi mikla silfr-rekna at qvedis-Jaunom, ok baud
hbasum med ser at vera.“ G. 11, ©. 144: „Ok b& gaf Gunnlaugr henni
(Helgu) skyckiuna Adalradsnaut, ok var bet hin mesta gersimi; bon
beckadi hanum (©. 146) vel giößna.“ 6. 12, ©. 180: „ok b& baurduz peir
tveir med störom bauggom ok auruggum atgängi, er hvarr veitti audram,
ok sötta einatt { 4kafa. Gunnlaugr hafdi hä sverdit Adalradz naut, ok
var bat it beezta vapn; Gunnlaugr hi6 b4 um sidir til Rafns mikit högg
med sverdinan, ok undan Rafni fötinn u. |. w. ©. 180 Nafs baut nad
G., der ihm Waſſer im Helme bringt): enn his f haufat Gunnlaugs med
sverdina hinni hægri hendi, ok vard Pat all-mikit sär u. f. m. Ok ba
baurdoz peir enn i äkafs, enn sva lauk at Iyktum, at Gunnlaugr his
Rafn banahögg, ok 'et Rafn bar lif sitt. P& gengo fram leidtogar Jarl-
sins, ok Dundo haurutsdrit Gunnlaugs; han sat 4 medan ok qvad visu
bessa:
(115) Oss geck metr & möti Möt-runnr { dyn spiöta
Hrid giörvandi hiörva Hrafn framliga jafnan“ u. |. w.
6.18, ©. 1%: „put var hellat gaman Helgu (die jest mit borkell verehlicht
iſt und Kinder hat), at hon rakti nidr skyckiuna Gunnlaugs-naut, ok horfdi
4 hana laungum. Ok eitt sinn kum Par sött mikil & bes Beirra Dorkele
ok Helgu, ok kraumuduz marger lengi. Helga tök p& ok Pyngd, enn ld
bo eigi. Ok einn laugar-apten sat Helga f ellda-skdla, ok hneygdi höfdi
{ kne Porkatli bönda sinum; hon let sekia skyckiuna Gunnlaugs- naut,
ok er skyckian kom til hennar, Pa settiz kon upp ok rakti (explicabat)
skyckiuna fyrir ser, ok horfdi & (bana) um stund, ok sidan (©. 192) hne
hon aptr { fäng bönda sinum ok var Pä örend u. ſ. w. Helga var til
kyrkio ferd“ u. ſ. w. Dazu die folgenden Erflärungen: (61) Ordo verborum
hic est: „giörvallr ber gunnbrädz Einglandz Grams ok guma Iytr at Adal-
r6di, sem ins aurva gudz Eingli“ i. e. universus exercitus armipoientis
Anglie, Regie et subditorum, obsegvitur Adalrado, tauyvam munißei
Dei Angelo“ u. ſ. w. 6. 89: „Rex ei pro carmine gratias egit, premii-
qve loco tunicam dedit coccinam, maximi preüi pellibus subteatam, et
fimbriis ad ima usqve ornatam, eumgve satellitem suum fecit“ u. ſ. w.
58
Um den Wortfinn zu ermitteln, ber jenen svaf, svafr, svafadr
gemeinfam zu Grunde liegt und fie zur Benennung der Waffe ober
&.103: „Rex ergo ei vestitum suum novum, eumgve coccinum, pallium
scilicet fimbriatum et tunicam pellibus pretiosis ornatam, nec non armillam
auream, qve marcam pendebat, dedit.“ „qvare Comes ei megnam securim
argentatam premii loco dedit“ un. ſ. w. ©. 181 (A. C. 1013): „Tandemgve
omnes eorum comites ceciderunt; tum vero ipsi, vehementi assultu sepius
facto, magnis ictibus, validoqgve impetu, qvo unus alterum aggrediebatur,
invicem decertarunt.“ &. 188: „duoes itineris, Gunnlaugo a Comite dati“
u. ſ. w. (115) Ordo verborum in priori carminis parte hic est: „meetr
mötrunnr Hrafn geck oss 6 möti f dyn epiöta, jafıan framlige giör-
vandi hiörva-hrid“ i. e. Egregius (S. 188) bellator Hrafn ivit nobis obviam
in strepitu hastaram (i. e. pugna), semper audacter ciens nimbum gladio-
rum (i. e. prelium committens)“ u. |. w. S. 190: „ok för Helga til bws
med hanum [Pörk.], ok vard hanum litt unnandi, pvi hon vard alldrei
afhuga Gunnlaugi böit hann veeri daudr“ u. ſ. w.
18 Gunnlaug fingt u. 9.:
„klauf gunnspiöti gunnarr Gunnlaugs höfud“ u. f. w.
Hrafn: „rodit (er) sverd, enn sverda sverd Ögnir mer gerde“ u. ſ. w.
C. 18, S. 184: „Ok um sumarit ädr bessi tidindi spurduzt wt hegat til
Istandz, $& dreymdi Illuga Svarta (Ga. Vater), ok var hann 4 heima
4 Gilsbacka: Hanumi potti Gunnlaugr at ser koma f svefni, ok var blo-
digr miök, ok qvad viso bessa fyrir hanum { srefninum. (116) Her 56
ek Hrafn (enn Hrafni Hvauss kom egg 1 leggi) Hialltuggidum hauggva
Hrinfiski mer bryniu. f& er hra-skierr hiyrra Hlaut fen ari benia Klauf
gunnspiöti Gunnarr Gunnlaugs haufut minna. lllugi mundi visuna er
hann veknadi, ok qvad sidan fyrir audrum. 84 atburdr vard at Mosfelli
sudr (S. 186) hina sömu nöti, att Aunund (R8, Vater) dreymdi, at Hrafo
kiemi at hanum, ok var allr alblodugr, ok qvad visu pessa.
(117) Rodit (er) sverd, enn sverda Sverd ögnir mer gerde,
Varo reynd f röndum Randgalkn fyrir ver handan.
Blodug hygg ek 1 bI6di Blöd-Gaugl of skaur stödu:
Sär-fikinn hlaut sära Särgrammr enn & bramma.
Dazu die folgenden Erflärungen: S. 184: „(116) u. ſ. w. Ordo posterioris
partis hic est: „Gunnar klauf (S. 185) Gunnlaugs haufut Gunnspioti, 4
er hreskierr ari hlaut fen hiyrra benia minna“ i. e. bellator fidit Gunn-
laugi caput hasta bellica, tumgqve cadavera discerpens aqvila nacta est
uliginem tepidorum vulnerum meorum (i. e. sangvinem meum) u. f. m.
Cetera Tautologise, qvales in posteriori hujus Strophe parte, nec non in
Stropha proxime seqventi occurrunt, licet in Poösi nerorum loco merito
habendee sint, exemplis apud veteres non carent, ex gr. in Kormaks-Saga:
539
des Waffenführers tauglich macht, muß man ſich nad) dem altnorbifchen
Beitwort umſehen, auf das fie in letter Stufe zurüdzuführen find.
Svafr Tonnte mit einer Verbalform svafra zufammenhängen, wie sigr
(®en. sigre) wirklich mit sigra, vafr (in vafr-logi) mit vafra; aber ob
man in dieſen Fällen das Verbum ober das Subftantiv voranftelle, fo
iſt Doch das vorangeftellte felbft ſchon ein abgeleitete® und das r ein
Zeichen ber erften Ableitung von einem einfachern, wurzelhaften Seit:
wort. (Bol. Gr. 2, 1. 5, 2. 90. 122. 17, Nr. 189. 36, Nr. 398. 18,
Nr. 200.) Svafadhr ift zwar ein Particip, deſſen Infinitiv svafa lauten
würde, allein die ſchwache VBerbalform ift bier unzweifelhaft erft aus dem
fubftantiven svaf (in der Zufammenjegung: svafr-logi u. ſ. w. ift -vafr
jebenfalls ſubſtantiv, nicht verbal zu nehmen) hervorgegangen, mie hial-
madr aus hialmr (Gen. hialms) 169, das Subftantiv iſt unmittelbar
in die Participendung übergefprungen, ohne daß wohl das Berbum in
irgend einer andern Flexion wirklich beftanden hat. Aus dem altnor:
diſchen Vorrath ſtarker Zeitwörter bleibt hier zur Wortbildung nur das
Randlauki klanf ek randa Rönd Kormaki at höndum i. e. Clypeorum
allio (i. e. gladio) fidi Clypeum ad manus Kormaki, nisi forte pro randa
legere placet reynda, exploratum; ut alia taceamus.“ S. 187: (117) In
priori hujus carminis parte ordo verborum hic est: „Sverd er rodit, enn
sverd gerdi mer sverda ognir; randgälkn vero reynd i röndum fyrir
handan ver“ ji. e. Rubefactus est gladius, sed gladius mihi fecit ter-
rores gladiorum ([a. Pagnir] silentia otia vel cessetionem a pugna). Ciypeo-
rum monstra (i. e. arma) explorata sunt in clypeis trans mare* u. f. w.
In der lateiniſchen Überf. zur Geite (S. 187):
Rubebat gladius (at gladiorum mihi
Horrendus omnium ingruebat maxime)
Tentati sunt in clypeis penetrabiles
Enses transmarina iu plaga u, ſ. w.
Index vocum: „Ogn, terror, violentia, 146. sverda ögnir (secundum lect.
var. angnir), terrores bellici, i. e. prelium, 186. (6a, terreo, unde,
ek egi, idem.)“ ©. 146: „Hvi hopar bw Rafn, seger hann? fyrir Bvf
at enge ögn byd ek per at sinni* u. ſ. w. ©.147: „cur, inqvit, Rafn,
cedis? Nihil enim tibi hac vice a me periculi est“ n. |. w. Abgejehen von
den poet. Ausdrüden der ausgehobenen Lieder iR in der Erzählung der beiden
Kämpfe zwiſchen Gunnlaug und Rafn nur vom Gebrauch der Schwerter (keiner
Sperre) die Rebe.
169 Lex. isl. 1, 356: „hialmadr, galeatus.“ Fornald. 8. 2, 271:
„bialmat lid.“
60
eine: Inf. sofa (für sv&fe), Präf. sef (für evsf), Prät. svaf, aväfum,
Part. sofinn (flatt svefinn) !70, mit der belannten Bebeutung: fchlafen.
Davon weitere Ableitungen sväfn, Schlaf, sofna = sväfna, einfchlafen,
svafnir, bichterifche Bezeichnung der Schlange 171 und ein Name Ding,
der fi einmal in Schlangengeftalt verwandelt hat 122. Wäre bie an
geführte Bebeutung des Stammivortes sv&äfa ebenfo bie einzig erreich⸗
bare, mie fie eine uralte und weit verbreitete ift 173, fo würde fidh frei.
lich Teine Handhabe zu den fraglichen Waffennamen barbieten, allein
der Sinn desfelben erweitert fi), wenn man bie entſprechenden beutfchen
Zeitwörter ſchwacher Flexion beizieht, ahd. fwebon, ſweben (ferri, nare),
biſwebon (emicare), fiwebardn (natare, altnord. das vorausgeſetzte
svafra), mhd. ſweben, fich ſchwimmend, fliegend, ſchwankend bewegen,
intſweben, einſchlafen 174 Unter den allgemeinen Begriff der ſchwe⸗
benden, Treifenden Bewegung aber fällt ebenfo die geichmungene Waffe,
Speer oder Schwert, und die gleitende, biegſame, ſchießende Schlange,
ala die Entrüdung der von Schlaf und Traum hingenommenen Seele,
die nach altertbümlichen Vorftellungen dem Ieblofen Leibe, dem Munde
190 ®r. 1 (1), 915, X. (1027, 275). 2, 35, Rr. 275.
171 Seem. 44, M. Sn. 20. 1%,
11? Sem. 47, 54. 93, 3. 8n. 86: „b& bräst Bölverkr (Odinn) 1 orms
ki.“ Yngl. S. ©. 7.
118 Schmeller 3, 527. Gpradhg. 303, 8. 407 u. -
174 Graff 6, 856. Schmeller 3, 626 f. Fiemann 4546. 746. Maßmanır,
Deutiche Gedichte des 12ten Jahrh., Bücher Mofis 2, 266, 1686. 283, 8899.
284, 3941. Fundgr. 2, 31, 3. 58, 6. 29. W. Wadernagel, Wörterbuch
DXIV. Scheidet man in der Art, daß fmebän, fmiben, zu altn. avifa, ahd.
foipan (ferri), dagegen anfuebjan, enjweben (sopire) zu svöfa (sofa) ge⸗
wielen wirb (dr. 2, 14, Ar. 133. 985, Nr. 183. Schmeller 2, 527), fo if
nicht zu erfehen, wohin das intranf. intſweben, entichlafen (Wii. Moſ. 1686:
„uile fciere er intſuebite“), eingetheilt werden foll, das mit fweben in Laut
und Form zufammentrifft. Grweitert man aber den Begriff der Wurzel dahin,
dag er Schweben und Entichlafen in fich außgleidht, fo ftehen entfmeben und
fweben (Gr. 1 (2), 132 u. 136) fih nicht ferner, als queljan und quklan,
ſterben und fierben (necare und necari (Br. 1 (2), 77. 134. 138), die man
auch nicht von Grund aus trennen wird. Bvila, ſpipan, gehören aflerdings
in eine große Verwandtſchaft von Wörtern, die nah Sinn und Buchſtab
hier anlauten. Über Formunterſchied der intranf. und tranf. Er. 4, 50 u., f.
Sprachg. 850 u., f.
61
des Einfchlafenden ober Sterbenden, ala Echlange ober Vogel ent
ſchwindet 173,
Gleichen Schritt mit svöfa (sofa) hält ein andres altnorb. Zeit:
wort: nf. vefa (texere), Präf. vef, Prät. vaf, väfum und öfum,
Part. ofinn (ftatt vefinn), dann vafn. (trame, Einfchlag, involucrem),
vafr in vafr-logi (mie evafr-logi), vafa (gefpenftern), vafra (lente
vagari), und ofra (minitari, in aöre vibrare); Vafudr, ein Name
Diind, (wie Svafadr), ofnir = vafnir, wie svafnir (ein Verb. ofna,
wie sofna, ftatt vefna und sväfna vorausfehend 176), gleichfalls Be⸗
nennung der Schlange und Odins 177, Es ergibt ſich, daß auch bier ein
weiterer Begriff ver Bewegung, bed Hin« und Herfahrens, auf das ber
Weberſpule verengt worden, aber noch in verſchiedenen Ableitungen
kennbar geblieben if 178; eine Beftätigung bes ähnlichen Hergangs mit
svöfe.
Dem ftarlen Berbum sofa, sv&fa, und feiner intranfitiven Bedeu⸗
tung geben Tranfitive fchwacher Form zur Seite: sveafa, Prät. sverfdi
(sopire, pacare), und svefja, svafdi (temperare, placare. Gr. 1,
921 u). Alt: und mittelhochbeutih haben Smtranfitiv und Tranfitiv
125 Deutiche Mythologie 788 f. Deutihe Sagen 2, 90, 428. (2, 142,
455. 1, 335, 247.)
18 ®r. 1 (1), 915, X. (1027, 274.) 2, 4, Nr. 274.
117 Beem. 44, 34. 47, 54 (beibemal find „Ofnir ok Svafnir* zuſammen-
genannt. (Bergl. Sn. 20. 24. 180.) „Vafnir“ als Name Opins, Sn. Arnam,
87, 11); ebd. auch „Svafill“, vgl. ahd. wefal, wevil, Graff 1, 649.
18 J. Grimm, Gr. 2, 24: „altn. vefa, ahd. wepan (moveri hue illuc,
vagari, hernach von der bin und berfahrenden fpule: texere)“ un. ſ. w.
Sprachg. 762: „mit Vafudr, einem der namen Odins felb (Sem. 745)
u. ſ. w., der die webende Iuft ausdrückt (Sem. 50a).” [Bergl. ebd. 766 ob.)
An der letztern Stelle, Alv. m. 21, beißt der Wind: „vavudr“, Sn. 181
aber: „vavrsundr (a. vönsundr, vavnsudr).* Mund gebraudt an beiden
GStellen langen Bolal, 326, 54: „Väfudr“, 345, 21: „vävudr“ (vgl. 193,
346), vermuthlich weil kurzes a in ö umlanten müſte. Allein Vafudr ift wohl
nur Sache der Schreibung flatt Vafdhr, part. von vefja (intricare, vergl,
&.1(1), 921 u. 925 u), wie svafur und vafar ftatt svafr, vafr. Als Rame
Orins tanı Vafdr, der Eingehüllte, dasfelbe befagen, wie heklumadr, Fornald,
8. 1, 120. 824 f. 2, 289. Myth. 1383. Bu vefe, vafra |. noch Schmeller
4, 7. Biemann 600a. Bu ofra Lex. isl. 2, 1266. Eyrbygg. 8. 6. 18, ©. 60:
„beir ofrudu vApnum“. Fornald. 8. 2, 137 von einem Adler: „veifir Bü
vengjum u. ſ. w. vafrar bü“ u. ſ. w.
62
ſchwache Flexion: obiges ſwebon, Tmeben, (ferri), Prät. ſweboöta,
ſwebete (Gr. 1, 954 u.), neben ant:, in:fuebjan, ent⸗ſweben (so-
pire) 179, Innerhalb ver gleichen Confonanz entwideln ſich aber auch
Wortbildungen beider Art mit entlegnerem Vokal oder Diphtbong,
überall mwieber für den Ausbrud der Bewegung, Schwingung: altn.
svifa, Prät. sveif (ferri, moveri), svifr, ſtaldiſche Bezeichnung bes
Meerd (Sn. 217 a, 3), svif N. Pl, (motus repentinus, vibratio);
sveifla (agitare), befonders vom Schwingen des Schwertes gebraudt,
gleichlaufend mit veifla (vibrare) 180; ahd. und mhd. fueibön (ferri),
fueib n. (vibretio), fwaiben, fweiben, vom Auffhwung bes Aplers,
dann auch, zufammen mit waiben, von der fliegenden Sahne, ſwaiben
und maiben mwieber mie sveifla und veifla, sofa und väfa il. Diefen
altnordiſchen sofa und veſa gleichförmig find die angelfächfiichen svefan
(sopiri), sv&fe, eväf, sveefon, svöfen, und v&fan (texere). 182 Ahnlich
zulammengefeßt wie dort Svafrlogi u. |. w. erjcheint in der Stammtafel
von Deira der Name Sväfdäg 18%, Späfdbägs Großvater heißt Vägdäg
und wie Sväf- auf sväfan, fo ijt Väg- auf vögan (movere, moveri?)
zu beziehen 18%, Blidt ſchon damit auch für Sväf- der alte Sinn ber
Bewegung durch, fo noch aufdringlicher, wenn die nordifche Übertragung
diefer Stammtafel Sväfdäg durch Svipdagr mwiebergibt 185; denn svipa
119 Graff 6, 854 f. &r. 1 (1), 869 u. 903, 5. 946. Nib. 1778, 4. (agl.
on -svefjan, sopire.)
180 Fornald. 8.2, 126: „Sidan sveiflar Ketill sverdinu til höfudsins.“
Lex. isl. 2, 358: „eveifla, agitare, raptare, fvinge u. |. w. sveifla sverdi,
gladium rotare, girare“ u. |. w. bo. 419: „veifla, szepius vibrare.“
si M. ©. 2, Bla, 8: „er fmeibet ob in höh embor vil fhöne alfam ein
abelar.“ gi. Fornald. 8. 2, 137 auch von einem Adler: „veifir BA veng-
jum u. f. w. vafrar bü nd, vidflögulli® Ruol. Liet 278, 19: „Do fahen
fie von den haiden manigen vanen waiben“ u. |. w. 172, 16 f.: „Der chunc
lie den van waiben al Bin unt ber ſwaiben.“ Liederſ. 3, 564, 142 f.: „waie
ben und fwanden fiht man trunden liut.“ Bu dieſen Beitwörtern |. Graff 6,
855 f. 1, 650 f. Schmeller 8, 525 f. 4, 5 f. Biemann 455. 622.
182 Br. 1 (1), 897, X.
83 D. Myıb. (1), Anh. II. VIII f.; lateinifch: Suebdegus. Bei Kemble,
the Saxons in England 1, 148: Swäbheard (mıt Hiödhere), ein angelf, König.
Gr. 1 (2), 335. 2, 27 f., Nr. 304. Bosworih 248a. Graff 1, 655.
Sem. 241, 16: „pe var vig vegit völsko sverdi.“
185 Sn. Form. 14 (Arnam, 26): „Svebdegg er ver köllum Svipdag.“
63
it ſchwingen, svipr m. (Gen. svipe) Schwingung, und die Antven:
dung auf die Schwingmwaffe tritt klar bervor in den flalbifchen Be:
nennungen des Schwerted: svipudr, der Schlacht: svipul und sverda
sripen 156, Wie fih vefa einer Reihe mit v (m) anlautender Wörter
einorbnet, welche mehr die wiegende Bewegung ausbrüden, fo gejellt
fh sväfa einer andern Folge, welche den wehenden Laut durch den
faufenden verſtärkend 187, mit zweifacher Epirand ev (ſw) der heftigern
Schwingung Stimme gibt. Das Schwert, das felbft diefen Anlaut
bat, ſchwirrt in den Heldenliedern ftabreimend mit ſolchen Wörtern zus
fammen. Gleich jenem everda svipan des Eddalieds 188, ſowie ben
angelfächfifchen svöordes svengum (Schiwertftreiche) und svird-gesving
svidkic (beftiger Kampf) 189, fauft noch aus dem Lieb der Nibelunge,
aus der Klage und anderwärts manch fivinder fwertes ſwanc 190.
586 Lex. isl. 2, 357: „svipe u. ſ. w. vibrare“ u, ſ. mw. 358: „svipr, m.
u. f. w. vibratio“ u, ſ. w. Sn. 214b, 2 (sverda heiti): „svipudr oc svipal-
jau“, 214a (orrostu heiti): „svipul®, Seem. 184, 19 fg. (Mund 107a ob.
Fornald. 8.1, 325 fg.): „er berjesk skal heill at sverda svipar (Lex. isl.
2, 359: „svipan, f. u. f. w. impetus“ u. f, w. Gr. 1 (2), 159 u.) Im
Königsfpiegel (Konungsskuggja, Chriftiania 1848, ©. 117) vom Cherub vor
dem Baradieje: „med eldligu averdi bat er iafnt svipar allan veg eldbitrum
eggjum;“ vergl. Zietrih in der Zeitſchr. f. d. Alterth. 5, 221. Svipr heißt
der Bater eines Helden Svipdagr in Hrölfs 8. 6. 18, Fornald. 9. 1, 35.
27 Bergl. Epradig. 294. (Sr. 1, 11.)
8 S. ob. ©. 62, Anm. 180: „sveiflar sverdinu“. Fornald. 8. 3, 854:
„sveipadi sverdinu.“ Vergl. Dietrich in der Zeitſchr. f. d. Alterth. 5, 221.
189 Beow. 178. Leos Sprachprob. (aus Judith) TI u. (vergl. 227. 226
und ebd. 74: svirdum asvöfede.) Three early eugl. metr. romanc. u. |. w.
ed. by J. Robson, London 1842. (Camd. soc.) ©. 19:
„He sqwapputte him in at the squyre with a squrd kene u. j. w.
Tbe squrd syuappes in toe
His canel- bone allsoe,*
&. 20: „With a squappe of his squrde, squeturly him strykes.“
The battle of Otierburn, Ritfon, anc. songs and balladse, Xondon 1829, 1,
102, 4. 103, 1. 110, 4: „they swapped together u. f. w. with swordes.“
10 Nib. 1864, 1:
„Ed fluog er Blödeline einen fwinden jwertes flac.”
1899, 1: „er fluoc deme meizogen einen fwinden ſwertes flac.”
2014, 2: „von werten ja man bliden vil manegen jwinden füs.“
2313, 2: „er ſlnog der füniginne eines ſwertes jwanc.”
64
Es ift bereits einer mit evafr-logi der Form nach gleichgehenden
BZufammenfegung vafr-logi gedacht worden. Die vorftehende Erklärung
des erjtern und damit auch des einfachen svafr muß beträchtlich an
Sicherheit gewinnen, wenn vafr-logi zugleih in ber Bebeutung ſich
jenem zur Seite ftellt. Belannt ift das Wort hauptſächlich aus ber
Sigurdsſage. Nah den altnorbilchen Liedern fchläft die Walküre Bryn:
bild, von Odin mit dem Dorne geftoden, auf dem Gebirg in einem
Eaale, der von brennendem Feuer umfangen if; der Linde Berberben
(Feuer) fpielt überhin; Odin hat fie mit Schilden umfchlofien, rothen
und meißen, im Sönigehaine, bis der ihren Schlaf breche, der fich
nirgend fürchten könne; um ihren fübher gelegenen Saal läßt ex hohe
Ylamme loben; Sigurb fprengt über diefe, das euer beginnt zu lodern,
bie Erde zu zittern, hohe Blut gen Himmel zu ragen; mit dem Schwerte
treibt er das Roſs, da erlifcht das euer, all bie Lohe legt ſich vor
bem Helden 191, Diefe von Sigurd überrittene Ylamme nun wirb in
ber jüngern Edda vafr-logi genannt 192, Wieder in einem Liebe beikt
Klage 889: „vil maneger fwinder fwertes ſwank.“
Ale (Maßmann, deutiche Gedichte des 12ten Jahrh.) 1820:
„vnde frumete manigen fvertis ſvanc.“
2150 f.: „daz ime nie nebein fvanc ne wart non fverte noh uon ſpere.“
Schlacht vor Rab. 676:
„ein fwinder wint von iren fwerten wäte.“
191 Sem. 174, 15: „Sefr & Salli fylkis döttir biört 1 brynju* u. ſ. w.
191, 42: „Seir er & hä Hindarßalli, allr er hann ütan eldi sveipinn“
u. ſ. w, 192, 43: „Veit ek 4 Salli folkvitr sofa, ok leikir yfir linder
vddi. Yggr stakk Dorni* u. |. w. 228, 9: „Lauk hann (Odion) mik
skiöldum f skata lundi raudum ok hvitum, randir snurtu; pann bad
hann slita svefni mfnum, er hvergi lands hredask kynni. 10. Lét hann
um sal minn sunnanverdan hävan brenna her alls vidar; bar bad hann
einn begn yfir at rida* u. ſ. w. Völs. 8. E. 27 (Fornald. 8. 1, 185 fg.
Mund IX): „Eldr nam at asasken iörd at skialfe, ok har logi vid
himingnefa, fär treystiek bar fylkie rekka eld at rida ne yfirstige.
Sigurdr Grana sverdi keyrdi, eldr sloknadi fyr ödlingi, logi allr legdist
fyr lofgiörnum“ u. |. w.
1% Sn. 139 fg. (Arn. 360): „hon (Brynhildr) sat & Hindafialli, ok
var um sal hennar vafrlogi, en hon hafdi bess heit strengt, at eiga ann
einn mann, er pordi at rida vafrlogann u. ſ. w. ok skyldi b& Gunnarr
rida vafrlogann; hann ätti hest Bann er Goti heitir, en sä hestr bordi
eigi at hlaupa f eldinn u. f. w. ba hli6p Biguidr & Grena ok reid vafr-
65
es aber auch von Sigurds Anlauf: „va warb Schlag geichlagen mit
welſchem Schwerte und die Burg gebrochen, welche Brynhild hatte“ 198,
Mit den Schilden wird die Burg vermittelt, indem bie Profa erläutert,
daß die gemappnete Brynhild in einer Schiloburg mit aufgeftedttem Feld⸗
zeichen gefchlafen habe 19, Schildburg ift eine Heerorbnung zur Schuß:
wehr, ein lebendiger Wal, beſonders um bie Perfon bes Heerlönigs
gezogen und dadurch gebildet, daß die Krieger mit zufammengebundenen
Schilden fi) an einander fchließen 19%, Der Sagenfchreiber meint wohl
logann.“ 141 (Arn. 362): „p& svarar Brynhildr: meira var bat vert, er
Gunnarr reid vaforlogann, en Sigardr pordi eigi. P& hi6 Gudrün ok
meelti: setlar bü at Gunnarr ridi vaforlogaun?“ Bergl. Feeröiske Arad.
138. 140. 146. 154. 158. 160. 162: „v4alua“, 156: „fraa v&an.“
199 Sem. 241, 16 (Oddr. gr.): „p& var vig vegit völsku sverdi, ok
borg brotin sü er Brynhildr ätti“ a. f. w. ebd. 16: „borg.“
194 Seem. 193 (vor Sigrdr. m., vergl. Fornald. 8. 1): „Sigurdr rei
upp & Hindarfiall ok stefndi sudr til Frakklands; & fiellinu s4 hann lios
mikit, srä sem eldr brynni, ok liomadi af til himins; en er hann kom
at, p4 stöd Par skieldborg ok upp or merki. Sigurdr gekk { skiald-
borgina, ok as at bar l& madr ok svaf med öllum herväpnum“ m. ſ. w.
18 Bergi. Fornald. 8.1, 66 u. 108 u. 3, 337: „Um morgin ärla reid
Eirekr konüngr üt af borginni med allann sinn her; skikkadi hann fyl-
kiagem sinum, ok var skotit skialdborg um hann. Bryniölfr akyldi
verja skialdborgine, en s& madr bar merki,: er Snäkr hei“ u, |. w. (ebd.
340: „kvomu miök { opna skiöldu (vergl. Dietr. 2685 u.) Eireki konüngi“
u. |. w. 342: „Hrölfr rauf p& alla skialdborgina“ u. |. w.) ®aro 8, 40;
„receptam telorum vim conserta clypeorum testudine repellebant.“ Heimskr.
ed. Schöning VI, 113: „bvergarda gunnranns (scutorum transversa septa,
Skialld-borg vallus scutorum.“) Specul. reg., Ghrifiiania 1848, ©. 85:
„Ef bü ert { orrosiu & landi, ok skal ſoti berjask, ok ert staddr i
belli svfofylktrar fylkingar, b& vardar hat miklu, at vel verdi geit i
öndrerdri vapnasamankvämu, at eigi taki hlidask eda rof à gerask bun-
dinni skialdborg; ok Parftu Pat at varask, at Pü bindir aldrigi Pina
fcemri skialdarrönd undir skildi annars.“ Dieß Bufammenbinden fehlt aud)
in der Liedesſtelle nicht, Seem. 228, 9: „randir snurto (fie ſchnurten Schild⸗
ränder).” Beſchreibung einer alamannifhen Schildburg in Keil- und Eberkopf⸗
form bei Agath. 2, 8 (Stälin 1, 160). [Der Alamannenfürſt heißt Butilin
(Budli).] Abd. „ſciltburg, testudo. Sg. 292 (Graff 3, 182) (Bergl. bie
Granennamen Iſanburc, Trad. Wis. S. 156. Iſanbirga, Iſanpiric, Neng.
ind. onom. 1055. 106 a. Iſangart, Iſingart, Cod. Lauresh., ind. onom.)
Agſ. scildburb, Zub. 805 (Etim. Anglos. poöt. 147). ttm. lex. 681.
Uplanp, Scqhriften. VI. 5
66
nur einen Bau, der eine Schildburg vorftellt, wie nachher im Liebe
Brynbild das Gerüft, duf dem fie mit Eigurb verbrannt fein will, als
eine mit Zelten und Edilden umzogene Burg bezeichnet 196. Allein
diefe äußerliche Auffafiung Tann nicht für das Urfprüngliche gelten.
Sigurds Verhältnis zu Brynhild fpielt überall in das Gebiet mythifcher
Gedanten hinüber. Sie ift des Helden Friegerifcher Folgegeift und als
Rampfiungfrau, mie fchon. ihr Name fie verkündet, ift fie auch mit
friegerifhen Sinnbildern umgeben 197, Din felbft, als Heldenvater,
bat einen Saal, bie goldglänzende Valhöll, der mit Schilden gebedt,
mit Schäften gelattet ift, über deſſen Bänke Brünnen gefpreitei find;
ober mo die Wanddielen alle mit lichten Schilden umbängt finb und
die bereingetragenen Schwerter fo hell ftralen, daß man feines anbern
Lichtes bedarf; von dem mit vergülbten. Schilden belegten Dache ber
Valhöll nennt der Stalde Thiovolf die Schilde: Svafnis Saalſchin⸗
deln 18, Die bilvliche, rätbjelartige Dichterfprache, die Walrunn des
Heldenlieds 199, ift e8 denn auch, in ber für vafr-logi, das um Bryn⸗
hilds Saal, eben die Schiloburg, wabernde Feuer, die rechte Deutung
Bouterw. Glofſ. 246 fg. Cädm. 8398: „randbyrig v&ron rofene“, 3225:
„randgebeorh.“ Cod. Exon. 243, 32: „rond-burgum veold, eard veerdade.“
Bouterw. Gl. 237. Ettm. lex. 250. Olafe 9. 67: „heerbiorg,“ „randagards.“
196 Seem. 225, 60 fg. Munch 123, 62): „Idtta svä breida borg & velli
u. |. w. Tieldi har um p& borg tiöldum ok skiöldum“ u. |. w.
197 Brynhild kann Hier nicht nach ihrem vollen Wefen, fondern nur foweit
in Rede kommen, als zur Erflärung von vafrlogi nöthig ift; ihre verſchiedenen
Begegnungen mir Sigurd find hier abfichtfich nicht auseinander gehalten.
18 Sem. 41, 8: „en gullbierta Valhöll“ u. |. w. ebd. 9: „sköptum
er rann rept, skiöüldum er salr bakidr, brynjam um bekki strät.* Sn. 79:
„um kveldit, er drekka skyldi, ba 16t Odinn bera inn f höllina sverd
ok voru sv& biört at Par af Iysti, ok var ekki lios annat medan vid
drykkju var setid u. |. w. veggbili öll vora bar tiöldut med fögrum skiöl-
dam.“ Sn.2: „Pak hennar (hallinar) var lagt gyltum skiöldum, sv& sem
spänpak. Svä segir Piodölfr enn hvinverski, at Valhöll var skiöldum Pökt:
A baki l&tu blikja
(bardir voru grioti)
Svafnis salnsefrar
seggir ıyggjandi.“ Fagrsk. 9.
19 Sem. 160, 10: „er f valrünum vigepiöll segir.“ (Grottas. 18:
„vigspiöll vaka“ Mund 1680. Bouterw. Gl. 142: güdspell, 169: hilde-
spell.) Bergl. Lauch und Schwert, Anm. 168, ©. 59.
67
gefucht werben muß. ‚Schon bie Ortsbezeichnungen Hiymdalir, wo
Brynhild als Walküre malte, und Skatalundr, wo fie in Schilde ge
ſchloſſen ift, find Triegerifc-bilblicder Art, die Hallthäler beſagen ben
Schladhtlärm, der Königshain tft wieber bie Schiloburg, die dem Kriege
fürften Schirm und Schatten gibt 20, Wenn ferner von dem feuer
umschlungenen Saale gejagt wird, daß ihn Muge Männer aus lichten
Flußglanze bereitet haben, fo ift dieß dasſelbe, mas Böll. Saga durch
„goldgeginnte Burg“ auebrüdt 201, kundige Kriegsleute fügen die Schilb:
burg und Flußglanz tft dichterifche Benennung des Goldes, bie, bem
Mythus von defien Urfprung entnommen, auch in einem andern Ebba-
liede unzweifelhaft vorliegt 202; von Gold aber glänzt die Burg, weil
Schilde der Bornehmen mit Golr⸗ geſchmückt waren 3 Das Blinken
200 Sem. 228, 7: „Hötu mik allir f Hlymdölum Audi undir hielmi«
u. f. w. (Bergl. Fornald. 8. 1, 184. 187. 229. Sn. 144.) Hiymr = glyır,
glymja strepere, resonare (Lex. iel. 1, 291); Sem. 153, 27: „Vard u. ſ. w.
iarna glymr, brast rönd vid tönd.“ Bu skati nı. f. Sn. 195. 2125 u.:
gull-skati. Heldenhain flatt Königshain kann doch richtig fein, j. fiber den
Sen. BL. auf — a und — na Br. 1 (2), 661. Dgl. Sn, 2125, 2 (Arn. 558):
gumnar, gumar. ..
%1 Sem. 191 fg., 42: „Salr er & ba Hindarfialli, allr er hann ütan
eldi sveipinn, pann hafa horskir halir um görvan or ddökkom dgnar
lioma.“ (Bu horskr Bouterw. &1. 176.) Völe. 8. 6. 27 (Fornald, 8. 1,
184 fg.): „eld breunanda er, sleginn er un sal hennar. beir finna salinn
ok eldinn, ok si& bar borg gulli bysta (a. lysta), ok brann eldr um
utan.“ (Lex. isl. 1, 127: „bust, f. pinna, fastigium domus,“) [Sesm.
1605 ob. busti?]
202 Sn. 128: „Hvernigskal kenna gulli? Sr& at kalla Dat u. |. w.
eldr allra vatna“ u. |. w. (Bergl. die gullskenningar Fornald. 8. 3, 749 4.)
Ebd. 2175, 4 unter den daheiti: „ögn“. Seem. 152, 21: „idgnögan Ögnar-
lioma brögnum bioda ok burum peirra,“ vom Golde, das als Kriegsjold
geboten wird; oͤgn f. terror (Lex. isl. 2, 131) bezeichnet ebenfo den gefähr-
lihen Strom, wie es nad) anbrer Seite unter den Benennungen der Schlacht
(orrostu heiti, Sn. 224a, Arn. 563) vorkommt und in biefem Sinne von
den Stalden häufig zur Zuſammenſetzung mit Adjectiven verwendet iſt: ögnar-
gim, Lex. poet. 2416. Ögnfrödr, ögndiarfr, ögnvaldr, Ögnteitr, Öögnbrädr,
Ögnrackr, Ögnbiidr, auch meidar Ögnar (milites), in Skaldenliedern ber
Heimskringla; Ögnarstafr, 6gnbandadr. Olafs 8. 1376.
3 Sem. 153, 33: „slöng upp vid r& raudum skildi, rönd var or
gulli.“ Heimskr. ed. Schöning, VI, 91, 154: „mölnu gulli rodnar (randir),
elypeos auro contuso illitos.“
68
des Schildes, des rothen ober weißen, was gewöhnliche Beimörter find,
des golds ober ftahlglängenden, ift in Liebes: und Rechtsſprache bes ger-
manifchen Alterthums vielfach geläufig und bedeutfam 204 Stalda nennt
den Schild: „Kampflicht“ (badlios, a. bödlios, 8n.2165, 3. Arn. 572,
Anm. 3), gleichbedeutend mit einem angelſächſiſchen Namen des Schwertes
(beadoleoma, Ettm. lex. 292). Für die Schildburg gilt altnorbifch das
ftabreimende Beiwort: skir, die Hare, blanke 200, und der Angelſachſe
Cãdmon nennt das bimmlifche Vaterreich der Gerechten eine Schiloburg,
in ber fie fonnengleich glänzen 20%, Wie aber das Leuchten des Schwertes
ſich zur Feuerflamme fteigert (ſ. ob. S. 54), fo wird auch andrer Waffen:
glanz zum lobernden Brande. In der Saga von Half deutet dieſer nor⸗
wegiſche König die ahnungsvollen Träume feines Dienftmanns Innſtein:
Letzterer hat geträumt, daß Flamme um das Kriegsvolk fpiele, dazu jagt
der König: um die Schultern Flingen denen, die den Schlachtleil des könig⸗
lichen Gefolges ſchaaren, goldne Brünnen, das leuchte auf ihren Schul⸗
tern, als ob Flamme (logi) brenne; zum andernmal bünlt Senem im
Traume, daß auf den Achjeln Feuer brenne, und wieder ift Halfs Deu-
tung: Jedem der Kühnen, die ihm folgen, werd’ er Helm und Brünne
geben, das merbe zu fchauen fein, als ob Ylamme von ihren Schulter:
blättern brenne 207. Sind Schwerter, Brünnen, Helme brennenbes Feuer,
© Herv. 8, 6, 15. (Foroald. 8. 1, 476): „ekildir blika { bardögum“
u. |. w. Bu. 2166: vidbleiknir, Arn. 570, 15: vidbliknir. Sn. 160 ob.:
blik skipeins. Cdm. 3895 fj.: „vigbord scinon heäih ofer heledum.“
ähm, 8054: „scyldas Jixton.“ 3084: „blican bordhreödan.“ 3042: „skinon
scylähreödan.“ Seem. 153, 33: „raudum skildi.“ Fagrsk. 127: „raudabliks.*
4, 8: „rodnum röndum ok raudım skiöldum.*“ 136; „skod iwtr skina
randen skield.“ 8: „hvitra skialda,“ 9: „I&tu blikja Svafnis salnefrar.*
Heimekr. VI, 123, 2: „med hvita skiölldu.“ Ssem. 134, 6: „skildir blika
Deirra vid en skarda mäna.* Sachſenſp. 8, 45, 9: „den blil van eme kamp⸗
ciſde jegen die ſunnen.“ Rechtsalterth. 35. 39. 74. 677. Myth. 665, 2.
%5 Fogrek. 23: „rudu konüngar skfrar skialdborgir i skaina blödi.*
%6 Gänm. 2, 311: „Södfeeste men, sunnan gälice, fegre gefrmterod
in heora faederrice scinad in sceldbyrig“ u. |. w. Myth. 662. 665. En. 162
(Arn. 428): „raudliösa hvita.“
207 Saga af Half C. 11 (Fornald. 8. 2, 0 f.): „Innsteinn kvad:
Halfr! dreymdi mik, hygdu at slikul at logi l6&ki um lidi voru; illt veeri
Pat or at leysast; hvat kvad P4, bengill! bann draum vita? Kondagr
kvad: Hrynja um herdar beim er bamalt fylkja grams verdünge gyldnar
69
warum follte nicht der Kichiglanz einer ganzen zur Schildburg geichloflenen,
fonnefpiegelnden Kriegerſchaar Waberflamme, vafrlogi, heißen? Wie
nun aber Halfs Traumbeutungen fi in den Formen ber Räthſellöſung
bewegen, wie ber blintende Schild Gegenftand einer Rätbfelfrage in
Herwörfaga ift, wie Svafr und Syafrlogi des Sonnenlieb in Frage
und Antwort geftelt find, fo wird endlich in Fiblſvinnsmal Vafrlogi
felbft mit zu ratben gegeben: „Sage du mir! wie heißt der Saal, der
umfchlungen ift von weifer [d. 5. ſtrategiſch Muger] Waberflammer*
Die Antwort lautet: „Feuer (hyrr) beißt er, aber lange wirb er um
Speeresſpitze beben, von biefem reichen Haufe werden ewig Männer
(Rriegsleute) allein Kunde haben“ 2%. Das ift offenbar ber gleiche mit
Brynhilds Eaal, der auch von Feuer umwickelt (eldi sveipinn) und ,
von Hugen Männern aus lichtem Ylußglange-gefertigt ift; Tampferfahrene
Männer find es allein, die ſich auf bie Friegeriiche Schilbhurg werfichen,
und das Beitvort des Flammenwalls bezeichnet entweder ben wohlaus⸗
geraten, kunſtgerechten oder den fihern, Ichügenden, je nachdem man
visom ober vissom annimmt; bie Schreibung bes Ichtern Adjectivs
beynjur; Pat man & öxlum ödlings vinum liost at lite, sem logi brenni,
Innsteinn kvad: Enn dreymdi mik ödru sinni: hugda ek & öxlum elda
brenna; gruna tek ek nokkut, at Pat gott viti; hvat kvad Pü, Bengill!
bann draum vita? Konüngr kvad: Gefa man ek hverjum hialm ok brynju
frekara drengja, er fylgja mer, bat men at lita sem logi brenni skiöldüngs
lidi of skararfiöllum,“ (Umgekehrt wird geträumtes Eifen anf Feuer gedeutet,
Sem. 236, 38: „Hugda ek (Atli) Pik, Gudrün, Giuka döttir! Jeblöndnum
hiör leggja nıik { gögnum. 38. Pat er fyr eldi, er iern dreyma“ u. ſ. w.
Bergl. 260, 45: „Eldi gaf hon pä alla er inni väru“ u. |. w.) Hieher noch
die vigspiöll in Grottas. 18 (Mund, 168), |. Anm. 199; (Bu viti Sn. 188 0b,
Dietr. 285 b Feuerzeichen?) |
208 Ssem. 110, 32: „Segdu mer bat, Fiölsvidr! er ek pik fregna mun
ok ek vilja vita: hvat s4 salr heitir, er slunginn er visum vafrloga?
33: Hyrr hann heitir, en hann lengi mun [4] brodds oddi bifask; audranns
pess manu um aldr hafs frett eina firar.“ (Das finnflörenze & wegzulaffen,
kommt auch dem Stabreim zu fiatten; Fornald. 8. 2, 29: „broddspiot,“
Fagrek. 23: „brökudu broddar, brotnudu skildir;“ eina adv., wie giörva
u. $ mw. Gramm. 3, 108, als gen. adj. zu andranns wär’ es unverſtändlich;
anders erflärt d. Myth. 1089; zu firar Sn. 195: „Fyrdar ok firar ok verar
heita Jandvarnarmenn.* Innſteins Frageformeln find: „hygdu at aliku!“
und „hrat kvad Pü bengill! Pann draum vita?“ Getspeki in Herr. 8. hat:
„hvert er bat“ u. ſ. w. „bygg bu at gätu!“ S6l. „hverju“ n. f. m.
70
ſchwankt auch anberwärte. In der Erſchütterung des Saales dur
Speeresſpitze läßt ſich leicht der Sturm auf die Schildburg erkennen
und auch Sigurd ſprengt mit dem Schwert an?09, Zu entſcheidendem
Zeugnis biefer Erklärung dient noch, daß nad Skalda bie Schildburg
als Halle ver Walfüren und der Heerlönige umfchrieben werben kann 210,
Befremdlich ericheint dagegen, daß die Halle, der Saal, der felbft Feuer
heißt, noch von ber Waberlohe umſchlungen ift. Letztere zieht fich aber
ebenfo um Vrynhilds Saal, ber auch ſchon aus Flußglanz, Gold, ge:
fertigt, eine leuchtende Schildburg ift. Diefe Dopplung, der Flammen:
sing noch beſonders um den Goldſaal, konnte nur erft eintreten, nach⸗
dem man ben finnbilblichen Verſchluß der fchlafenden Kriegsjungfrau nad
der Weile norbifcher Wohnftätten aufgefaßt hatte. Das Frauengemach
(skemme, vornehmer auch salr, höll) war von einem hohen Pfahlzaun
(sktägardr) wngeben, in deſſen Bezirk eifrige Werber einzubringen
ſuchten 211. So theilt fi nun Brynhilds Gewahrſam, urfprünglich ein-
fach die flammende Schildburg, in einen goldglängenden Frauenfaal
und die umzäunende Waberlohe, welche Sigurd überreitet, wie im
Mythus von Baldr der rüftige Hermob über das Gatter der Hel hin-
wegſetzt und fofort in ihre Halle geht 212. Vafrlogi konnte dann auch
29 Bwar nach der Liebesftelle (Fornald. S. 1, 185) nur um das Roſs
anzutreiben: „Sigurir Grana sverdi keirdi“; bie worangehende Profa fagt:
„&dan rfdr Sigurdr, ok hefir Gram f hendi, ok bindr gullspora & fztr ser.
Grani hieypr framı at eldinum, er hann kendi sporane.“
2% Sn. 159 fj.: „Väpn ok herkledi skal kenna til orostu, ok til
Odins ok valmeyja ok herkonünga, kalla hialma hialm, hött eda fald
(a. Ofins ok Valkyrja Arn. 420), en brynju serk eda skyrtu, en skiöld
tiald, ok skialdborgin er köllut höll ok refr, veggr ok gölf.“ Schon ber
einzelne Schild heißt: Prünginselr, geſchwollner, gewölbter Saal, und salben-
dingr, Saalbogen, Gewölbe.
211 Ragn. Lödbr. 8. C. 1 (Fornald. 8. 1, 237, vergl. 239): „Jarlinn
unni mikit döttur sinni; hann löt gera henni eine skemmu, skamt fr&
höll konüngs, ok um Pa skemmu var skidgardr.“ Sturlaugs 8. starfs. 6. 22
(Fornald. 8. 3, 634): „Skamt fr& höllini var skemma ein, ok 2 skfdgardar
svä hafir, at eigi konist yßr utan fugl fliügandi; iafnan sitr Frosti um
skidgardinn, ok vildi si Miöll konüngsdöttur“ u. |. w. (Vergl. Fornald.
8. 1, 36 u. 2, 68 (490). 3, 246.)
212 Sn. 67: „b& reid Hermödr Par til er hann kom at helgrindum,
P% até hann af hestinum ok gyrdi hann fast, steig upp ok keyrdi kenn
71
überhaupt zur dichterifchen Benennung des Hofzauns verwendet werben
und fo geichieht es im Eddaliede Skirnisför. Freys Diener Stirnir,
ber für feinen Herrn um bie fchöne Gerbr werben fol, verlangt dazu
von demielben das Roſs, das ihn über die dunkle, „weiſe“ Waberlobe
trage und das Schwert, das von felbft gegen ber Rieſen Geſchlecht fidh
ſchwinge, mit Schwert und Roſs fprengt er dann, wie Sigurd, über bas
ungeftüme Feuer und aud unter feinem Ritt erzittert die Erde?18;
berabftimmend fagt die zmwifchenlaufende Profa: „Skirnir ritt nad
Sötunheim zu Gymis Höfen, dort waren rafende Hunde vor dem Thore
des Pfahlzauns angebunden, ber um ben Saal der Gerdr gieng“ 214.
Nach dieſer Auffaffung gehört Bafrlogi hier nicht, mwie bei Brynhild,
dem Beſtande bes Mythus, fondern lediglich dem dichteriſchen Aus:
Bud an 213,
sporam, en bestrinn hliop svä hart, ok yfir grindina, at hann kom hvergi
mer. p& reid Hermödr heim til hallarinnar, ok steig af hesti, gekk inn
{ höllina® u. |. w.
213 Seem. 82, 8: „Mar gefdäu mer h6, bann er mik um myrkvan beri
visan vafrloga, ok Pat sverd er sialft vegisk vid iötna wett.“ 9: „Mar ek
ber Pann gef, er Pik um myrkvan berr visan vafrloga, ok hat sverd er
sialft mun vegask, ef sa er horskr er hefir.“ 83, 14: „iörd bifask, en
allir fyrir skialfe gardar Gymis.“ 17 (vergl. 18): „hvi pü einn um konit
eikinn für yfir or salkynni at sid?“ Bu „salkynni* vergl. Sem. 41, 9;
„visan“ wie in Fiöler. m. 32: „visum vafrloga;“ „myrkvan“ nicht wohl
auf das nachfolgende (Str. 10): „Myrkt er Gti® zu beziehen, eher an die Stelle
ber Völs. 8. (Fornald. 8. 1, 185, bei Biörner fehlend) gemahnend: „ok var
sem hann (Sigurdr) ridi { myrkva.®
214 Sem. 826: „Skirnir reid { Jötunheima til Gymisgarda; bar väru
hundar 6lmir ok Yundnir fyr skfdgards Elidi Pess er um sal Gerdar var.“
215 In Fiblſvinnsmal, demfelben Lied, in melden (Str. 82 f.) der mit
vafrlogi umfchlungene Saal zu rathen gegeben und nach Obigem als Schild⸗
burg gedemtet wird, findet ſich doch zugleich an früherer Stelle die abgeleitete
poetiſche Anwendung, indem ein Fremdling vor den Borhöfen der ſchönen Menglöd
„um gefährliche Flamme ſchweift“ (Str. 2: „hvat er hat flagda er stendr fyr
forgör&um ok hvarflar um hettan loga?«), bie doch wieder nur den Pfahl-
zaun bezeichnet, die Umfriedigung der Höfe, die „vom goldnen Saale zu glühen
feinen“ (Str. 5: „gardar glöa mer hikkja of gulina sali“), wie auch Bryn⸗
hiſds Burg von Gold leuchtete. Die deutiche Siegfriebsfage weiß nichts von der
Baberflamme, wenn ihr aber das norkifche Bild der Schildburg fremd war,
fo folgt nicht, daß dieſe felbft gefehlt Hat; das Wort ift add. und agf. auf
gerwiefen (Anm. 195). Nach Vilk. S. 6.148 (&. 231) fommt Sigurd vor Bryn⸗
12
Nachgewieſen ift jet, daß Bafrlogi und Spafrlogi nicht bloß bem
Laute nach gleichgehen und baß, wie dieſes Wort te funkelnde Bes
hilde Burg (ihr Name Segard, ebend. ©. 17, S. 30, mag erft durch Studas
hereingelommen fein), findet das Thor derſelben mit einer Eiſenthür verfchloffen
und fRößt, als Niemand Öffnet, fo Heftig an die Thür, daß die Eifenriegel ent-
zwei fprimgen, dann gebt er in die Burg und als ihm ſieben Thorhüter ent-
gegentommen, ungehalten, taß er das Burgthor erbrochen, ſchwingt er fein
Schwert und erichlägt fie alle („Nu geingur Sigurdur i brott, oc ferr pa
leid sem hanum er visat til borgar Brynhilldar, oc er Per firir jarnhurd,
oc engi madur er na par hanum upp at luka. Nu rindur hann peirri
hurdu eva hart, at i sundur gangu jarnslarnar, er hurdinn var lukt
med, oc nu geingur hann i bergina, ok koma thar a moti hanum
sio vardmenn er gieta skylidu borgar lidse, oc byckir nu illa er han
hefar brotid upp borgar lidit, oc nu bregdur Sigurdur sinu sverdi, oc
eigi liettir hann firir enn hann hefur drepid Pessa thionustmenn alla“
u. ſ. w. Bergl. altſchwed. S. af Didr af Bern C. 160, S. 125). Im Ribe
lungenliede heißt Brünhilds Burg Zienftein, ihr Gebiet Islant (881, 8. 873,
8. 445, 2. 397, 1. 515, 3); zum Sampfipiele mit Siegfried bringt man ihr
einen mächtig großen und fchweren Schild von zothem Golde, mit Stahlipangen
und leuchtenden Edelſteinen:
407: ſi hiez ir ze firite bringen ir gewant,
ein brünne von golde, und einen guoten jchildes rant.
414: Ed fon ir gefinde und truogen dar zehant
von alrdötem golde einen ſchildes rant
mit flälherten jpangen, michel unde breit,
dar under fpilen wolde diu vil minnecliche meit.
415: Der meide ſchildevezzel ein edel borte was,
dar ff lägen fleine grüene alfam ein gras:
der luͤhte maneger Teije mit ſchine widerz golt.
er miüefte wejen Biene, dem bis froume wurde holt.
416: Der ſchilt was under bunden, als uns daz if gefeit,
drier ſpannen dide, den tragen folt diu meit:
von fäle und onch von golde rich er mas genusc;
den iv fameräre ſelbe vierde füme getruor.
417: Alſo der degen Hagne ben ſchilt dar tragen ſach,
mit grimmem muote ber heit von Troneje ſprach:
„wä& nü, künic Gunther? wi verliefen wir den lip!
der ir DA get... .. , din ift des tinvels wip.“
Bon jener Stelle des Eddalieds (Sem. 241, 16): „p& var vig vegit völsku
sverdi ok borg Lrotin st er Brynhildr ätti“ ift ein naher Übergang zu
73
wegung des Schwertes, jo jenes bie bes Schildes, der Schilbburg, be
deutet. In ihn... begegnen fi) das alth. ſwebaroͤn und das altn.
vafra (lente vagarı). Während jedoch svafr und svafrlogi, gleich dem
einfachen n. svaf, bereitd zur Schwingwaffe, ſelbſt zur perfönlich ge:
dachten, geftaltet find, if vafr in vafrlogi verbal geblieben 21% und er-
ſcheint auch nirgends für ſich als poetiiche Benennung des Schildes,
das n. vaf aber (involucrum, trama) hat nichts mit dem Waffen-
werte zu jchaffen.
Um nun weiter das Verhältnis der Turzfilbigen evaf und svafr
zu dem langfilbigen Bollenamen: altn. Pl. Sväfar, agj. Sveefas, ahd.
Späpä, zu ermitteln, ift e8 nöthig auf die gemeinfame Wurzel svibaı
zurüdgugreifen. Bon dieſer, demnädft dem altn. sofa f. sväfa und
befien Tranfitiv svapfa (pacare), ift auch ſchon verfchiebentlich der Volks:
name bergeleitet und in Folge deſſen vermuthet worden, daß die Sueven
Friedſame, Friedenftiftende, oder gar Schläfrige, Langſame, genannt
feien 217, Hiebei ift eben nur die engere, abgeleitete Bebeutung des
obiger der Bill. S. 6, 148: „er han hefur brotid upp borgar lidit, ok
nu bregdir Sigurdur sinu sverdi“ u. |. w. Aus derjelben Saga rühren
dann „iarnhurd“ und „iarnelärnar“ tes „borgarlids* an den dentſchen Burg⸗
namen „Iſenſtein“ (vergl. auch den ahd. Frauennamen Iſanburg, Aum. 196)
uud dieſer erſt ſcheint weiter den Landnamen Islant“ angezogen zu haben;
man findet auch die Leſarten „Yſen lant, eyſen lant” (Lachmanns Anm. 75 ob.).
Endlich zu dem Schilde „von alrötem golde, mit flälherten fpangen,” „von
Räle und ouch von golde rich genuoc,“ halte man Brynhilds „skiöldom rau-
dom ok hvitom,“ den Saal „or Odökkum ognar liöma,“ „borg gulli
bysta,“ und es wird nicht mehr ferne liegen, in Brünhild, des Teufels Weibe,
anf der Burg Stienftein, mit dem leuchtenden, riefenhaften Schilde, den vier
Männer mühſam tragen, die von Odin mit der Schilbburg (= vafrlogi) um«
ſchloſſene Wallüre wicderzufinden. Wie die nicht mehr verflanvene Rune in
mancherlei Wendungen fpielen lann, zeigen aud die altbänifchen Lieber, in
denen Sivard bald fein Fohlen auf den Glasberg ſprengt, wo die folge Brynild
eingeiperrt ift, bald mit feinem Granmann zum Schrecken der Yrauen und
Jungfrauen über bie Binne der verſchloſſenen Königsburg fet, wie Hermob
über Helgrind (Udv. d. Bil. 1, 182 fi. 96 fi, vergl. W. Grimm, altdaäniſche
Heldenligher 496 fi).
216 Bergi. Br. 2, 682. Schmeller 4, 7: „das alte Subſt. waber
vagstio“ y. |. w. mo?
27 5% eimm, Gr. 2, 95: „oltn. sofa (f. sröfa, dormire) sröfn (som-
ninm); altj. auäben; alth. aufuebjan; mhd. enfroeben (sopire); altıı. sveefa
74
Wurzelwortes unterlegt und die Waffennamen svaf, svafr, find außer
Berechnung geblieben; auch ftimmt alles das wenig zu jener ent
ſchiedenen Kennzeichnung, mit ber Cäſar bie Sueven in vie Gefchichte
einführt (Suevorum gens longe bellicosissima omnium Germano-
rum). Wie aber Volks⸗ und Waffenname im Stammwort fi} berühren,
fol nun An biefem in feiner altnorbifhen Form weiter aufgezeigt
werben.
Ein Name, der ſchon in Cäſars Tagen einem gewaltigen, voll
gewachſenen Volle angeftammt war, geftattet auch, für die Zeit feines
Entſtehens den noch frifhen, fühlfamen Trieb der Sprache thätig zu
denken, der in ber Wortbilbung durch den Ablaut waltet und befien
Spur aud in der Lautabftufung zwiſchen dem Waffen: und dem Bolls:
namen, svaf, svafr, und Sväfr aufzuweiſen verfucht wurde. Diele
Abſtufung aufzugeben und überall den langen Bocal des Vollsnamens
anzunehmen, dagegen fträubt fich zumeift ver Gleichgang mit den un:
bezwweifelten Abwandlungen von vefa. Das alte Wurzelmort bat fchon
im althochd. Intranſitiv fuzbön die ftarfe Form eingebüßt, nur im
Subftantiv fuzp, Luft, wehendes Element (Gr. 3, 389. Schmeller 3,
5237. Graff 6, 8565, vgl. 857a: Tifuutp, freta, maria), ift der Laut
des Präfens und eben im Bollönamen Sudp der Ablaut bes Prät. Blur.
gefriftet, während das befreundete wepan auch tranfitiv der ſtarken
Flexion treu geblieben ift und aus feinem Prät. Sing. wap ein kurz
(pecere) svefill (cervical); hierher fügt fi der name alth. ſwaͤpaͤ (suevi)
agf. svafas, vielleicht pacifici? vielleicht pacificantes ?“ Bgl. Diphth. 54.
B. Wadernagel, Wörterb. DXII: „Swäb u. |. w. Suevus; zu ſwkban ſchla⸗
fer, lat. sopor, gr. unvos: ſchläfrig, langſam.“ Ebd. in der Zeitſchr. f. d.
Alterth. 6, 260: „es läßt ſich dieſer (vollsname) nur mit der wurzel fviben,
altn. sofa svaf sväfum sofinn in verbiubung bringen: aljo Swaͤb, aftn. Bväfr,
agf. Sveef, der fchläfrige u, f. w.“; von berjelben Wurzel wird hier der Name
Semnones abgeleitet. In der Spradhg. 821 f. 489 f. (vergl. 777 u. 1025, 1)
bat 3. Grimm eine andre, neue Erffärung aufgeftellt und ausgeführt, wonach
der Name Suevi ſlaviſch, ja mit dem der Slaven einerlei, deutſchen Rachbarn
von Sarmaten im Oſten (wie im Weften von Belgen oder Balliern ber Rame
Germanen) beigelegt ift und: Freie, Selbfländige, bedeutet. Die frühere Be⸗
ziehung auf sväfa ift übrigens nicht als etymologiſch unzuläffig angefochten
und ihr tritt nun der ganze fagengefchichtlihe Bujanımenhang an die Seite.
Mone, die galliihe Sprache 202, deutel den Namen Schwaben aus dem
Keltiichen.
75
ſilbiges Subftantiv wabo (favus; aus Prät. Plur. wapan, mwäban n.
arma?) hervorgetrieben und bewahrt hat. Wohl fteht den norbifchen
Svafr, Svafr-logi u. ſ. w. althochdeutſch, fcheinbar gleichartig, ſowohl
der einfache Perfonenname Suab, Suabo, mit den abgeleiteten Sua⸗
bio, Suabizo, Suabing, als auch eine Reihe mebhrentheil® ohne
Compofitionsvocal zufammengefeßter gegenüber. Suabgaft, Suabger,
Suabheri (altfähf. Suefheri), Suabolah, Suabolf, Euabolt, Sua-
borich, Suabperabt, Suabhild, Suauaburc, und was noch ferner
desſelben Schlags fich finden mag 218; diefen aber entipricht wirklich eine
Anzahl gleichmäßig gebilbeter, offenbar auf Waffen bezüglicher Namen:
einfach, außer den fchon bei römischen Schrififtellern vorkommenden
Suerid, Nando, Ecutilo, der althochd. Kero 219, zufammengefeht in der
Art, daß die zweiten Wörter: ⸗alah (fiher, frieoheilig), «beri (Kriegs⸗
mann), «bilt (Kriegsjungfrau), ⸗ker, ger (Speer), :olf, solt (ein Un-
geheures ausdrũckend), »peraht, ⸗praht (glänzend), :purc (Burg), «rich
(mächtig), fich entfchienenen Waffenbezeichnungen anfchließen, ſolchen des
Schwertes: Eggiheri, Eagihilt, Epgiolt, Ediperaht, Eggipraht, Ekki⸗
pure, Elkirich; des Speeres: Keralah, Kerheri, Kerhilt, Kerolf, Gerolt,
Gerperaht, Gerpure, Gerrih (Askirich?) Ecaftolf; des Helmes: Helm:
peraht, Helmolf, Helmpurc, Grimheri, Grimhilt, Grimolf, Grimolt,
28 Suab, Swap, Suabo, Suabilo bei Neugart, index onomast., der
erſte Rame auch anderwärts nicht ſelten, Suabo hieß ein Sohn des Thurgau⸗
grafen Warin im 8Sten Jahrh. (Meng. 187. Stälin 1, 241); Suuabizho und
Sumabinc bei Goldaſt, script. rer. alam. 2, 108 (oder iſt Sutabicho zu leſen,
vergl. Gr. 2, 676. 6929), Suabalah, Suabolah, Neug. 145, Cod. Lauresh.
580. 582 (vergl. Anm. 108); Suabgaſt bei Dronfe 490; Suuabger ebd. 401;
Suabheri bei Neug. 143, Suuefheri, Suuepheri, Dronte 79. 81. 143, Swab⸗
nf bei Reug. 234, Suabolf, Trad. Wizenb. 132, Droute 894; Guabolt,
Goſdaſt 2, 108; Suaborich; Suuabpera(chht, Dronle 287 bis 239 (zugleich) mit
dem Ortsnamen Suuabried, ebend. 240: Suuabareod) 454; Suabhild, Cod.
Wizenb. 53, 102. 178, Dronke 254; Suuaburc, Suauaburc, Goldaſt 2, 128.
Suablind, ebend. 2, 82a, ob. |
- 219 Ammianus 81, 6: „Sueridus et Colias, Gothorum optimates“
(a. 376). 27, 10: „Alamennus regalis Rando nomine* (se. 368). 14, 10.
11: Scudilo, scutariorum rector, tribunus (ex gente Alam. a. 354), vergl.
Spradig. 222: Bu Kero, Bro, Er. 3, 448; Kerilo, Meichelb. 1, 815,
Eericho, Gericho, Neug., Cod. Lauresh., Kirunc Trail. Wizeb. 272, Ge⸗
runc Neng. |
76
Grimperaht, Crimrih; des Schildes und der Brünne: Rantberi, Ranthilt,
Rantger, Rantolf (Randolf, Waltbar. 962, Grimms Anm. ©. 117),
Brunihilt (Brunrih?); der Rüftung überhaupt: Iſanheri, Iſanger,
Iſanperaht, Iſanburg, Iſanrih 220, Die Bedeutſamkeit mythiſch⸗allego⸗
riſcher Namen auch den urkundlichen der althochdeutſchen Zeit beizulegen,
iſt jedoch nur in beſchränktem Maße zuläßig. Alle Namengebung geht
zwar von Anſchauungen aus und dieſe ſind in den altdeutſchen Namen
noch friſchfarbig genug erhalten. Waffen, muthige, im Gefolge des
Krieges gehende Thiere, Ausdrücke für Kampf und Sieg, Macht, Adel,
Ruhm und Glanz, geben dieſem reichen Namenweſen, auch den Frauen⸗
namen, vorherrſchend ein ſtolzes, kriegeriſches Gepräge, obgleich es auch
nicht an den milderen Anklängen des Friedens, des weiſen Rathes, der
Freundſchaft und Liebe fehlt. Aber im Einzelnen hat man nicht mehr
ein durchgehendes Bewuſtſein, beſonders in zuſammengeſetzten Namen
nicht auch überall die Verbindung zweier Wörter zu Einem Gedanken
zu erwarten. So ftehen in Namen ber vorbemerkten Art zwei ber:
ſchiedene Waffenftüde, Gerhelm, Helmger, Rantger, Brunihelm, un:
vermittelt beifammen. Es maltet neben und über der Bedeutung ein
mebr formelles Geſetz, nach welchem die Angehörigen desſelben Geſchlechts
fih dur die Namen zugleich verbinden und unterfcheiden. An und
um ein einfaches Stammwort reihen fich theils die nächften Ableitungen,
theils nach⸗ oder vorgefeßt, andre mohlanftehende Wörter aus dem oben
gezeichneten Kreiſe von Bildern und Begriffen, wobei dann aber bie üblich
ften Beifäße, heri, bilt, perabt u. ſ. w., ſich nachgerade zur Formel, wie
felbft im Laute, abgefchliffen haben; dazwiſchenſpielende Ramen anbres
Stammworts lafien ihren Urfprung aus dem Haufe des mütterlichen
Ahns vermutben. Ein kurzes Beifpiel der lebenvigern Weife: Hraban,
Hrabaning, Walhraban, Gundhraban 221. Nicht ald ob diefe Regel
20 Man findet diefe Namen bei Graff und im ben Berzeichniſſen der Ur-
fundenfammlungen. Scaftolf im Ortsnamen Scaftolfesbaim, Dronte 238,
vergl. die angelj. Scöafthere, Rondhere (Cod. exon. 320, 20. 326, 3), Scöaftes-
burh (Shafiesbury, ®osw. 191).
1 In einer Urt von 788 bei Dronke Nr. 90 vergaben Uualuramın und
fein Sohn Hraban, nächſt diefem zeugt Gunbramm, ebd. 92 und 105 find
unter den Zeugen Uualnram, Gundram, Remming, Rr. 154 Ualuramm und
Uuitinamm, Nr. 168 vergabt Ediranın, erfter Zeuge iſt Uualaramn (vergl. noch
71
und Drbnung genau aufweisbar wäre, fie blidt nur hindurch und läßt
die freiefte Bewegung. Sie beruht ſchon darum nur in der Borftellung,
weil die einfacheren Namen fi in den Rachlommen wiederholen, alfo
damit auch hinter die nachgefolgten treten müflen, Walhramm rüdt
dann vor Hraban, Gundramm vor Remming, dem doch wohl grumd:
jählih die nächſte Stelle nad Hraban gebührt; sine, «une, bezeichnet
den Erzeugten des Stammnamend und benennt dann gleichmäßig bie
gefammte Nachlommenichaft fammt ihren Wohnfigen 222, hier die Hraba⸗
ninge, wie Wolfo, Wolfinc fih zu Wölfingen ausbreiten 223, In eben
diefen Rahmen find die zerftreuten Suab, Suabinc, Suabolf u. ſ. mw.
zu faflen; Suab, Suabheri und Gerolt heigen die Ausfteller einer Ur-
funde von 802 aus dem fchwäbifchen Ribelgau 224, wahrjcheinlich Vater
und Söhne ober fonft nahe Verwandte. Derjelben Orbnung fällt aber,
wie ſich bereit3 ergeben, außer den Stammnamen, die fih auf Waffen
begieben, eine Menge anbrer von manigfachſter Bedeutung anbeim.
Unter dieſen beſonders au Vollsnamen, die zu perfönlidden geworben
find: Sahſo, Franco, Durinc, Uualab (Uualabilo), Uuinid, Hun
u. ſ. m. 225. Ihnen das einfache Suab, Suabo, gleichzuftellen, drängt
ber Umftand, daß folde Eigennamen mit vorgefegtem Abjectiv: Alt
Rr. 91. 101. 114. 147. 149. 167. 169. 174. 248. 245: Arthrabun); ſchon in’
der goth. Stammtafel bei Zornand. (S. 87): Balarauans,
7 Ortsnamen Schwabing, Franking, Schmeller 1, 82.
223 In ber Hefbenfage ift manchmal, mit Übergehung bes Stammnamens,
sinc oder -ünc an bie Spite geftellt: die Wölfinge, Wolfhart, Wolfbrant,
Wolfwin, Wolfhelm, fteigen nicht höher an, als zu Wolfinc (Helbenf. 107. 288.
239 f.); Berhter (Sprachg. 532), Berhtwin, Berhtunc find Eöhne des alten
Berhtunc (ebd. 233); die Nibelunge Schilbunc umd Ribelunc Söhne „des alten
Niblunges“ (ebd. 76. 82); unter den Ahnen des Bölfungenftamms wird in der
altnordifgen Saga Völſungr genannt, nur das Beowulfslied bewahrt den
Stammnamen Bälfe (ebd. 15 f. Zeitſchr. f. d. Alterih. 1, 8).
ZU Neng. 143: „Nos u. f. w. Suab et Suabheri et Geroitus ad mona-
sterinm sancti Gallonis tradimus in Nibalgauia“ u. 1. w.
2253 Die meiften kommen häufig por, |. auch Lancpart bei Meichelbeck
Nr. 473, Dronke 507 (Langbart mit Lintbrand, vergl. Sprachgeſchichte 688),
Beisri ebd. 103 und anderwärts. Umalabilo im Cod. Lauresh. Nr. 8518.
(Spradhg. 554: Walah.) Goldafl, Ser. rer. alam. 2, 112a:, „MAdalſoab.“
(Adelhun, Cod. Laur. ind. onom.) 955: „Adalſwab, Adalwal, Adalwalach.“
Schneller 8, 524 u.: Edelſchwab. Aliſazo Cod. Laur. 1856.
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thuring, Althun, noch mehr Halpburinc, Halpwalah (Hälfdanr), und
ebenfo nun bie entfprechenden Altimab, Halpſwab nebit befien Gegen-
fa: Erchanſwap (Suevus genuinus) 226, nur als Bezeichnungen der
Volksverwandtſchaft Sinn haben, tie auch nur in biefen Fällen :fuap,
gleichmäßig mit ⸗durine, am Ende fteht; wenn fobann in Einer Ur-
kunde die Leibeigenen Suuabin und Suuab aufgezählt werben 227, fo
kann Diefer nicht von anbrem Zeuge fein, als jene. Auch ift nicht
wahrſcheinlich, daß Suab in ben oben verzeichneten Zufammenfegungen,
in dem urkundlich engverbundenen, ftabreimenden Suabberi, eine andre
Bedeutung haben follte, als die dem einfachen Worte zulommt, und
die Schreibung des letztern Namens: Suuefheri, Suuepheri, in Ur
funden, die den Wormögau betreffen 228, ift nur aus dem durch A noch
nicht verbrängten langen &, nad der Formel gab, gebum, erklärbar.
Endlich findet man vie Ableitung sinc, die Zufammenfeßungen mitsheri,
solf, »perabt u. |. w. auch auf andre zu Stammwörtern gewordene
Vollanamen angewandt, zu Suuabinc gefellt fih ein Winibinc, ein
Sahſinc, zu Suabberi ein Uualahberi, Uuinidheri, zu Suabolt und
Suabhild ein Francolt und eine Francſuuind, zu Suabger ein Uualahger,
zu Suuabolf ein Uuinibolf, ja fogar, indem das jelbft ſchon abgeleitete
Durine als Namenftamm in berfömmlicher Weife fortmädft, zu Suab:
perabt in derſelben Zeugſchaft ein Thurincperaht 229.
226 Bu Altfmäp, Halbſwap u. ſ. w. Gr. 2, 629 (Graff 1, 196). 683.
Spradig. 734. 776. (Altthuring, Dronke 103, Bater Altfrivs, 194. Halb-
nualah ebd. 121.) Erchanſwap, in einer Reihe von Mancipien, worunter Ala⸗
man, Smwapin, Urkunde von 836 bei Meichelbed Nr. 599. Über Erchan adj.
f. Graff 1, 468. Gr. 2, 164 f. 629 f. Der bier angeführte Frauenname
&rcongota (chron. sax. Ingr. 36 fg.) bezeichnet reingothiſches Blut, dagegen
Suavigotha ſueviſch⸗ gothiſches (Sprachg. 776). [Bergl. apyı-, Erz-.]
Dronke Ar. 110 Urk. v. 795: „Suuabin Heriman Sunab.“
23 Dronfe 79. 81. 143.
229 Sahſinc, Dronte 242; Winidinc, Cod. Lanresb. 875. 925; Unalah-
heri, Dronte 187. 178 (Uualarunc, Trad. Wizeb. 96); Uuinidheri, Trad.
Wizeb. 96. 2370. 273, Reugart, ind. onom. 125. Vuinitharius [don in der
goth. Stammtafel bei Jornand. ©. 87, vergl. Zeitſchr. 8, 142); Francolt,
Dronle 226; Francſuninda, ebd. 468; Uualabger, Trad. Wizeb. 272; Uui-
nidolf, Dronte 168; ebd. 401: Sumabger, Suuabperabt, Uuinid, Thuring⸗
brabt, ebd. 242: Sahſinc, Thurinbraht. Auch Francobertus, Irm. 35, 18.
Sahsbertus, Gabspert, Neug. 210. 855.
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Reben den zahlreihen Ramenbildungen mit ker Liegt auffallend
feige mit ſwert nor, und wenn ſich noch eine ober die andre finden
ſollte, jo gehört fie zu ben Seltenheiten. Als zweites Wort konnte
ſwert nicht gut gebraucht werben, meil es Neutrum ift und fomit
feine Perfönlichleit darftellt 230, aber vorne zu ftehen, tar bieß Fein
Hindernis. Gleicherweiſe geben die Urkunden kaum eine Zuſammen⸗
jegung mit feilt, obgleich mase. 281, mährenn helm als erfteß und
zweites Wort vielfach Dienfte leiſtet. Das Schwert vertreten feine
Theile eggi⸗, ort⸗, ⸗brant, Schneive, Spige, Klinge, den Schild
ebenfo rant und bort, Budel und Außenrand 28°. Sin dieſer Namen-
geftaltung überhaupt ift. poetifches Weſen und fo auch etwas von
bichterifcher Form, der Stabreim ergibt ſich ſchon aus den Abwand⸗
lungen des Stammworts und ber Theil für. das Ganze fpielt in die
Dichterſprache, wie denn altnordiſch egg, oddr und braudz, rönd,
randi, bordi, faft nur im Berfe für Schwert und Schild geſetzt
werben 299, Aber auch neben. fer gehen in altbochbeutihen Namen
330 Wie find die Perfonennamen auf ⸗lant, Graff 2, 234 (Welant gehört
nit dahin), männliche und weibliche, anzujehen ?
231 In den Heldengebichten finden fih Schiltbrant, Schiltrant, Echiltwin
(Heſdenſage 193. 268, der letzte Name auch im Orendel); über Schiltunc ſpäter.
232 Berg. oben ©. 75. 76, bei Graff 1, 112 die Namen umter ella, 1,
470 unter ort, 3, 809 unter brant, 2, 581 unter sant; ebend. 3, 218: „bort,
orti und borto, m. u. f. w. ora, limbus, extremites u. f. w. bortriemo
(vergl. 6, 490: fciltriemo) u. |. w. Raimbort u. ſ. w. Hild.” Namen: Here
bort, Herbort, Cod. Leuresh. 8821 und in der Heldenfage, „sub Isanbardo
eomite“ NReugart 65. 78, „Charta Ysanbardi com. u. |. w. Sign. Ysan-
berdoni“ ebend. 187, „Ego u. ſ. w., Isanberdo filins Warini u. |. w.,
Sig. Isanbardi comitis“ ebend: 160, „Signum Isanbarto“ ebend. 241, „fratres
Pro Vvarinus et Isanbarto“ ebend. 421, „Isenbart“ Cod. Lauresh. 2665.
Dber gehört Isaubarto zum ahd. parta, aseia (Graff. 3, 212. Gr. 8, 442.
Sprachg. 160, 689), Sn. 215 (unter öx) barda,
238 Sn. 214 fg. unter den sverda-heiti: brandr, oddr (bieß and) 216
für den Pfeil), ebend. 216 für skiöldr: randi, bordi, bardi; ſucht man nad
den Sachregifter der Fornald. 8. die Stellen für rönd (©, 161 a) und brandr
(165 a), fo find e8 (mit Ausnahme einer einzigen für brandr in ber roman-
haften Hialmterse. 8, 475) überall Berfe, während in der Proſa darneben
skiöldr und sverd fleht; wy brandr ſonſt einmal in Proſa gebraucht’ wird
(2, 484), da ift wirfiich nur bie Klinge gemeint; das Wort an fich ſchon ift
biidlich, Feuerbrand für Schwertllinge (vergl. oben ©. 51).
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noch die uneigentlichen ſcaft⸗ und aſe⸗, Schaft, Eiche 231, und ler ſelbſt,
die Waffe zum Wurf, ift vorzugsweiſe die des alterthümlichen ‚Helben:
lieds, während ſper, mehr zum ritterlichen Stechen, ſpioz, mhd. ſpiez,
zur Jagd dienend, nicht in ben Namen gelten; neben helm waltet
das bilblihere grim, Larve 235. Iſt fomit für das in ben Yufammen:
feßungen mangelnde ſwert ausreichender Erfah gefunden, fo ift man
nicht eben mit Nothwendigkeit darauf gewieſen, baß ein bormaliges
ſwab⸗, abgeftuft mit Sweb, dieſe Beftimmung gehabt habe, weiterhin
aber, nach dem Erlöfchen der ſtarken Berbalform und den allgemeinen
Umfchlag des 2 in Ad, vom Gewichte des Iangfilbigen Volksnamens
bewältigt worden fei. indem jedoch bie einen ber aufgsäblten Bu:
fammenfegungen in ihrem erften Wort entichieven dem Volksnamen
zufallen, bie andern dagegen viel befier der Waffe taugen, Scheint
immerhin in dieſem Namenwerk die Fuge der beiden Stufen bes Ab:
laut? und der Bebeutung noch erkennbar vorzuliegen und man wird
hiernach nuy für bie erftere Gattung urfprünglich langen Bolal anzu:
nehmen haben. |
Die Herleitung des Vollsnamens Sachen vom Mefier oder Furzen
Schwerte (abd. ſahs, agſ. sdax, altn. sax 236) befundet fi) ſchon in
den älteften Sagen dieſes Stamms 237, wobei wohl urjprünglich eine
Waffe von ſcharfem Steine (saxum) gemeint war. Auf den Stein,
Steinfelö, bezüglich ift aber aud eine andre, fpäter auftaudhende Sage,
nach ber die Sachſen aus den Harzfelfen mitten im grünen Walde
2% Anmerkung 220, Graff 492. Bergl. bieher Gr. 8, 442 f. Gehört
gis mit feinen Ableitungen und Zuſammenſetzungen (Graff 4, 266) aud zu
den Speernamen? Der langobarbifche Algisus des Chron. Novalic. 3, 10.
14. 21 bis 23, fcheint anderwärts Adelger zu heißen (Deutſche Sagen 2, 115,
vergl. 192).
285 ©, oben ©. 75. 76, vergl. Graff 825; Sn. 217a (unter hialmr)
grime, Gr. 3, 445. Myth. 217 f.
2% Gr. 8, 378. 440. Noch im Ruol. L. 58, 1 f.: „day befte fahs,
fo aber al Franchen en was“ u. ſ. w., und gleichbedeutend damit ebenb. 18:
„daz feibe ſwert.“ Bergl. ebend. 807, 3. Alex. 4653 ff.: „die herren zucten
di ſahs, zefamene fi do fprungen; woh, wi di fvert chungen.” Bergl, 4589 f.
(Wadernagel, Lejebuch 740, 18: mit dem fahfe, Edenfabs.. Vergl. auch Bie
mann 838 u.) [Benede- Müller, mhd. Wb. 2, 2, 24. 8]
ZI Bnfammengeftellt D. Sagen 2, 62 fi. Sprachg. 609 fi.
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gewachien find 238, alfo gleichfalls Erdgeborne. Wenn nun das Rulands⸗
lied des Pfaffen Kunrad, der mwahricheinlih 1173 bis 1177 im Dienft
eines Sachſenherzogs aus ſchwäbiſchem Welfenftamme, Heinrich des
Löwen, dichtete 239, den Kaifer Karl von feinem gefallenen Neffen
Roland rühmen läßt, daß der ihm die fteinharten Sachſen und die
ſchwertſcharfen Schwaben und Franken erlämpft habe 249, fo liegt in dem
Beiworte für die Sachen deutlich eine fagenhafte Beziehung auf ſahs,
ob nun dabei das Steinfchwert oder die Steingeburt verftanben ift 241;
dann werden aber auch die Schwaben nicht bebeutungslos nach dem
Iharfen Echwerte zugenannt fein und obgleich die Franken ihnen bei-
gefellt find, Hefte fih doch nur an jene ber alterthümliche Stabreim:
„bie ſwertwahſen Emäbe”. alt zwei Jahrhunderte früher preift ein
Jugendgedicht des vierten Eckehards von Sankt Ballen in leoninifchen
23 Froſchmeuſeler 1608, 8. 1, Cap. 2:
Da Aſchanes mit feinen Sachſen
Aus den Hark Felſen ift gewachſen,
Bar mitten in dem grünen Wald,
Ein jpringends Brinlein jüß und Talt,
Das an dem Faltenftein ber floß u. f. w.
D. Sagen 2, 62. 64, 2. (Froſchmäußler, Frankf. 1683, 8.1, 6.2, &.25:
„Da Aſchanes mit feinen Sachen
Aus den Hartfelfen iſt gewachſen,
Bar mitten in dem grünen Wald,
Ein fpringendes Brlinlein füß und kalt,
Das an den Faldenflein berfloß,
Sich in ein großen See ergoß,
Und da am warmen Sonnenſchein,
Wäflert vil Bäum und Bläümelein u. f. w.)
239 W. Grimm, Einleit. z. Ruol. 2, XXXI ff., vergl. Zeitſchr. 3,.281 fi.
(Stätin 1, 251. 556. 2, 252: Stammtafeln.)
0 Ruol. 2. 258, 28 ff.: „du eruahte die flainherten Sachſen unt die
ſwertwachſen Swabe unt Franden.” Vergl. HE. 142, 12: „hetteand heru-
grim.* (Gr. 2, 561: „altj. höru-grim, crudelis instar gladii, u. f. w.
höoro-grim DBeov. 118. 139. Cädm. 81.) Nib. 1494, 4: „den fiwert-
grimmegen toͤt.“
1 Für Lebteres die Bloffe zum Sachſenſp. 8, 44: „und 24 Tanıen her
zu Lande, die heißen noch die Steine, denn im Griechiichen fo heißt Petra ein
Etein, und Sarum ein Kißlingftein, und daher heißen wir ned Sachen, deu
wir find geleichet den Kißlingſteinen in unfern Streiten.“ (D. Sagen 2, 64.)
Uhland, Schriften. VI. 6
82
Berfen den heiligen Otmar darum, daß er als cine Blume der Tugend
ben fcharfen Echwaben (Suevis acutis) erblübt fei, wie eine glän-
zende Roſe die großen Alemannen (magnos Alemannos) verherrlict
babe 242, Die Großen ohne Zmeifel in Anjpielung auf ela- und fo
die Scharfen wohl auch nicht ohne Bezug auf den Namen. Noch uns
mittelbarer als „tie ſwertwahſen“ ſucht das einfache Beimort „acuti“
feine Ergänzung im ſchwerwerwandten „Suevi.* Derſelbe Edeharb ift
auch Überarbeiter des Iateinifhen Heldengedichts von Walthers Flucht,
defien „Franci nebulones* anerkannte Latinifierung ber fränkischen
Nibelunge find 248,
Noch eine Augsburger Chronik des 16ten Jahrh. deutet den ſchwä⸗
biſchen Vollsnamen buch „die ſcharpfen“, „das fcharpf Volk, die
Schwaben“, und erzählt von vdenfelben, ihre Gewohnheit ſei geweien,
mit dem Schwerte zu ftreiten, nachdem fie aber mit ven in Schwahen:
land eingefallenen Amazonen gelämpft, haben fie von dieſen gelernt,
mit Morbägten zu fehlagen; allein diefe Meldungen ftühen ſich auf
gelebrte Träumerei: „bie feharfen Schwaben“ werben burd den An:
Hang von „Suevi* an „severi* erflärt und die Einrüdung einer aus
führlihen Kriegsgefchichte der Amazonen in die Jahrbücher der Stabt
Augsburg hat Horaz verfchuldet, der in der Ode auf Drufus nicht zu
fagen weiß, woher den rätifchen Vindelilern der Gebrauch komme, bie
42 Cod. s. Gall. 23, &. 152:
Hic [dtm.] flos virtutie Suevis invernat acutie,
Extulerat megnos rosa sic rutilans Alemannos,
Grandis honos genti sibi tot sanctog nutrienti.
Rhythmi de sancto Otmiaro (Perg, SS. 2, 56):
Hic ilos virtutis Suaevis invernat [al. floreseit] acutis,
Exaudiat magnos rosa sic rutilans Alemannos.
ltem de aliis sincellitis amborum.
Grandis honos genti nibi tot sanctos nutrienti;
Exceptiv multis loca per discrets [al. diversa] sepultis,
. Gallug Uodalricum nutrit atque Otmarus-amicum.
Sueven und Alemannen find hier Synonyme des Einen Volles (gentis).
218 Walthar. 555: „Non assunt Avares hic, sed Frenci nebulones.“
Lateiniſche Gedichte des 10 und 11 Jahrhunderts 115. 122. (Berg. 1486:
„lusce Sicamber.*) Eckehard war um 980 geboren und flarb 1086, eben.
dafelbn 57.
83
Rechte mit dem Amazonenbeile zu bemaffnen 24. In Frage bleibt, ob
nicht dennoch ein älteres, volfsübliches Wort von den „fcharfen, ſchwert⸗
iharfen Schwaben“ auch bier mitunterlaufe. (Sieber Ciuuari = Bueri,
244 Cod. hist. ol. Nr. 218 der Stuttgarter Bibliothek, geſchrieben 1573,
Bl. 3a: „ein voldh, das war genant Seuerumb, dz ift die ſcharpffen, bie
mon zu difer zeit nennen ift Sueuos, aber in deütſch Schwaben“ u. f. m.
BL 85 f.: „Auch beiten die Schwaben gewant zu flreitten mit dem ſchwert,
aber die frauen Amazones ſtritten mit flardihen agften, alß dä die haibnifchen
mayſter und poeten fagen” u. |, w. Ebend.: „Davon ift khumen in Schwaben
land die gwonhait zu flreitten mit mordagften, vnd vorauß die man zu ber
felben zeit zu Vindelica. Dz bezeuget der Horatius, der da fchreibt ein lob⸗
gediht zu dem Römer Drusus, der da die Stat erneweret hat, vnd ſpricht
alfo: Die Rießleit haben geſechen Drusum einen flreit fieren yenhalben def
gebürgß, vnd die Vindelicij, bie da gar lang zeit bißher habent ir gerechte
band gewafnet mit den agften der frawen Amazonum” u. f. w. da: „Vnd
alß die frawen von Schwabenland und auß dem Nieß zugen, da eilten bie
Schwaben wider in ir vatterland, auch die Vindelici, vnd namen fih an mit
agften zu fixeitien, wie vor berüert ift“ u. j. w. 9b: „Item eß ift zuwiſſen,
daß von den frawen, die gehaiffen geweſen ſeind Amazones, unter denen aine
genant Panthesilia, die hat erdacht die beften waffen, die wurfbeichel, alß von
ir ſchreibt Horstius in Odis.“ - 125: „O wie ſtarckh, wie flreitbar, wie gewaltig
ad glädhaft fein zu der felben zeit die Schwaben gewefen, die fo weit ir
fhraft mochten gebrauchen yber all tödlich menfchen, die fo lang Römiſchem
gwalt widerſtanden. Dan wie wol der medhtig Julius, der im Gallias hatt
vnderthenig gemacht und iber den Hein zoch vnd groffe ding in velitichen
landen außgericht hat, fo ließ er doch ohu yberwunden dz fcharpff voldh die
Schwaben und zoch fy mehr zu gefelichaft des gemainen nut der Römer mit
gauben und mit giietigfhait, dan er ſy mit dem fchwert betzwang. Wiewol
die Römer gar mechtig iber die ganten welt waren, doch fo volbrachten fy nie
gröffer manhait noch ding ohn der Schwaben Hilf“ u. |. w. Die horaziſche
Etelfe, Carm. IV, 4. 17 ff., lautet:
Videre Rhetis bella sub A)pibus
Drusum gerentem Vindelici, quibus
Mos unde deductus per omne
Tempus Amazonia securi
Dextras obarmet, quærere distuli:
(Nec scire fas est omnia) u. f. w.
Die Amazonen find übrigens nicht erft durch den Augsburger Chronikſchreiber,
fondern durch Mieverſtehen der Gebichtftelle, ſchon von alten Scholiaften in
näheres Verhältnis zu den Bindelilern gezogen. Zeuß 281. Sagenhafter läßt
an, was Paul. Diac. 1, 15 von dem Grenztampf zwifchen Langobarden
und Amazonen berichtet (vergl. Myth. 350). Jorn. S. 73. 75. fg. 78.)
84
Sveordveras, Zio als Schwertgott. Vergl. J. Grimm, Geſch. der
deutſchen Sprache I, S. 355. II, ©. 426. Wh. Müller, Geſch. und
Spftem der altveutihen Religion S. 87. H.)
Lebendiger veranichaulicht merben dieſe durch ben Bericht von
einem gefehichtlichen Ereignis, das zwiſchen Eckehard und den Pfaffen
Konrad fällt; im Jahr 1053 zog eine Schaar von 700 Schwaben
unter den heimiſchen Grafen Werner und Adalbert nad Italien, um
für den Pabft die Normannen zu befriegen, die Schlacht bei Eivitella
fiel unglüdlih für die erfteren aus, aber ihren Kampfmutb und ihre
Kampfweiſe ſchildert metrifch der apulifche Gefchichtfchreiber: die Schwa⸗
ben, dieſes wildbeherzte Volt, legen mehr Gewicht auf den Schwert:
ſtreich, als auf den Streit zu Roſs mit der Yanze, denn ihre Schwerter
find bejonders lang und äußerft ſcharf (peracuti); fie fpalten oftmals ven
Gegner vom Scheitel herab entzivei und ftehen, von den Pferden abgejekt,
feften Fußes, entichlofien lieber kämpfend unterzugehn, als ben Rüden
zu kehren, ja fie find in diefem Kampfe furdhtbarer denn beritten 235,
95 Guilelmus Appulus (Muratori, SS. 5, 260):
Guarnerus Teutonicorum
Albertusque duces, non adduxere Suevos
plus septingentos; heec gens animosa feroces
fert animog, sed equos adeo non ducere caufa.
ictibus illorum, quam lancea, plus valet ensis:
nam [f. non] et equus docte manibus giratur eorum,
nec validos ictus dat lancea, pr&minet ensis,
sunt etenim longi specialiter et peracuti
iilorum gladii, percussum a verftice corpus
scindere spe solent et firmo stant pede, postquam
deponuntur equis, potius certando perire
quam dare tergsa volunt, magis hoe sunt Marte timendi,
quam dum sunt equites.
(Auch Len Oftienfis bei Muratori 4, 402. Chronica mon. Casinensis lib. II,
auctore Leone, Bert, 86. 7, Mon. 9, S. 685 f. Stälin 1, 492 f. 8. Konrads
Schwertſchlag, Stälin 2, 83, Anm. 1. Über die ungehenern Hiebe der Kranz.
fahrer in Kaifer Friedrichs I Heere |. Willen 4, 122, Anm. 136 (vergl. 4, 106 f.
1,192). Raumer 5, 506, 2. Hist, de expedit. Frid. 91 u. ©. auch Heldenfage
41, u.: „Gillermus Sectorferri.“ Taillefer, Raoul de Cambrai &. 2. 889. 347 u.
X u. bis XI ob. (Ardiv d. Bel. f. ält. d. Geſchichtskunde Bd. 9. Hannover
1851.) [Es mag aud an Uhlands eigenes, aus dein Jahre 1814 ftammendes
Gericht „Schwäbiſche Kunde“ erinnert werden. 9.]
85
Bollftändig kann der bis hieher nur angellungene Zufammenbang,
zwiihen der Waffe und bem Volksnamen, zwifchen svaf, svafr und
Sväfr, erft burd die lebendigern und reicher geftalteten Sagen barge:
than werben, auf welche nunmehr überzugehen ift.
4. Evafrlismi.
Die nordifche Sage von Herbör (Hervarar-saga) berichtet in ihrem
Haupibeftanve Folgendes:
Spafrliomi, Sohn und Nachfolger des Königs Sigrliomi, eines
Odinſohns, verliert fi auf der Jagd und fieht bei Sonnenuntergang
an einem großen Fels zwei Zwerge, die er mit einem Zaubereiſen 246
außerhalb des Geſteines bannt, Sie verlangen LZoslauf und nennen
fih auf feine Frage: Dvalinn und Dulinn. Spafrliomi weiß, daß
dieſe die funftreichften aller Zwerge find, und legt ibnen auf, ihm ein
Schwert, ein Wufter ihrer Kunft, zu fertigen; es fol Eifen fchneiden,
wie Tuch, und niemals Roft daran haften; ihm fol für jeden Träger
Sieg in Schlachten und Einzellämpfen folgen. Sie jagen es zu und
als er am beftimmten Tage wieder zum Fels reitet, ſtehen fie außen
und behändigen ihm das herrlihe Schwer Aber in ber Yelsthür
Ipriht Doalinn: „dein Schwert, Spafrliomi, wird jedesmal, wenn es
geſchwungen iſt, eines Mannes Tod fein, mit ihm follen drei Unthaten
gefchehen und auch dein Tod foll e8 werben.” Da haut Spafrliomi
216 Forneld. 8. 1, 514: „konüngr vigdi P& utan steins med mäla-
saxi,“ ebend. 414: „med mälsiarni.“ in folches Eifen wird auch Fornm.
8. 3, 223 gebraucht, um den Eingang einer von gefpenftiichen Weſen bemohn-
ten Steinfluft offen zu halten: „hann (Ormr Störölfe sonr) gekk Pä& innt
hellin, ok lagdi mälaiern 1 dyrnar.“ Mälaiern, mä&lasax ift Eifen oder
Deffer mit eingefchmelzten Zeichen (mäl n.). Bon dem Epeereifen, womit
Ragnar Lodhbröf die Schlange durchſtach (Fornald. 8. 1, 300, vergl. ebend.
239): „stakk ek & stordar Iykkju (Erdfpange d. i Schlange) stäli biartra .
mäla“. Vigaglumss. G. 8: „mälaspiot“ (vergl. ebend. C. 5: „epiotit
gullrekna“), ebenjo Gislas, €. 184. [Dietr. 2635 u. 57a ob. Rechtsalterth.
118*. Zeitjchr. f. d. Alterth. 2, 251. Gramm. 3, 442, 2. Andr. und EL,
92.) Vigja im Sinne von verzaubern, beſchwören, aud) in Herv. s., Fornald.
8. 1, 438 und 521: „ek vigi svü virda dauda“ u. ſ. w. Andre Beiſpiele
von ähnlichem Gebrauche des Stahls oder Meſſers D. Muth. 1056 u., f. ob.;
ebeub. 426 ***): Nöthigung des Bergichinieds zum Schmieden.
86
mit dem Schwerte nad) den Zwergen, dieſe Springen aber in ben Fels,
der fich hinter ihnen fchließt, und ber Hieb trifft in den Stein. Der
König benennt dag Schwert Tyrfing, trägt es fortan in Schlacht und
Einzellampf und bat beftändig Sieg. Zuletzt aber im Kampfe mit
Arngrim, einem Wiling von Rieſengeſchlecht, der in fein Reich einges
brochen, wird ihm die Hand abgehauen, Tyrfing fällt nieber und
Arngrim, der dad Schwert ergreift, töbtet damit den König und viele
Andre. Die Königstochter nimmt er mit fi) heim auf die Inſel Bölm
und zeugt mit ihr zwölf Söhne, ſämmilich, gleich dem Bater, wüthende
Berſerke (Kämpfer ohne Panzerhemd), die verbeerend meit umberfahren.
Jeder biefer zwölf Brüder bat ein namentundiges Holmgangichwert,
ber ältefte, Anganthr, als Batererbe den Tyrfing. Sie fallen nachmals
alle zwölf in dem fagenberühmten Kampf auf Samsey wider Hialmar
und Orbarobd. Der milde Geift des Gefchlecht3 lebt aber fort in Her:
vör, der Nachgebornen des älteſten Bruders und einer Jarlstochter, die
einmal Töfa, anbermärtd Späfa genannt wird, Herbör zieht in
Mannestracht und unter dem Namen Hiörvard (Hiörvardr) auf Wiking:
fahrt. Bor Samsey angelommen, rubert fie allein ans Land und geht
in der Nacht zu den Grabhügeln, darunter die zmölf Brüder beftattet
find. Ungefchredt durch die Feuer, die unter Donnergetös auf ben
Hügeln lobern und von denen die ganze Inſel zu brennen fcheint, hebt
fie die Beſchwörungen an, woburd fie ihren Vater weckt und von ihm
das Schwert Tyrfing fordert, das er im letten Kampfe geführt. An
der Thür des flammenden Grabhügels erjcheint der Tobte, verläugnet
und vermeigert dad Schwert, wird aber durch Hervörd Bauberjang ge-
nöthigt, es emblich herauszumwerfen.. Noch verkündet er ber Tochter,
daß Tyrfing ihr ganzes Gefchlecht verberben werde, und gibt ihr zum
Abſchied zwölf Männer Leben, Kraft und Schwung, all das Gute,
1008 Arngrims Söhne binterließen 247. Tyrfing vererbt fih in Her
vörs Nachkommenſchaft, an ihrem Sohne Heibref werben die teilen
Rathbichläge, die ihm der mildere Vater auf den Weg gibt, durch bie
Mitgabe der Mutter, den unbändigen Sinn und beilen Werkzeug, be
Fluchſchwert, vereitelt; bie vorbergefagten drei Unthaten werden mit
diefem verübt, zwei von Heibref jelbft, durch Brudermord und Töbtung
217 Fornald. S. 1, 442, 522.
87
eined Pflegbefohlenen, die dritte, indem er fchlafend von Knechteshand
ermorbet wird 248,
Noch in ihrer jehigen Geftalt verläugnet Hervörfaga nicht ihren
reinmythiſchen Urfprung, knüpft dann örtliche und halbgeſchichtliche
Beziehungen an, verläuft aber zulezt in die romanhafte Willkür und
Breite mancher nordiſchen Sagenbearbeitungen aus ben 14ten Jahrh.
Was Hier auszugsweiſe mitgeibeilt worden, ift fichtlich alter Sagen:
grund und wenn fich auch darin verſchiedene Anſätze erkennen laſſen,
fo kewährt fi doch durchhin die lebendige Fortbildung und natürliche
Anziehungskraft eines einheitlihen Gedankens. Es ift die große Ge
fchihte von ver Geburt und dem Lebenslaufe des Schivertes. Die
Hauptzüge dieſer reihen Entwicklung follen nunmehr erflärend verfolgt
werben. Gleich auf der exften Stufe, wie das Schwert hervorkommt,
ichlägt ein belannter Laut an, Svafr, und zwar in Spafrliomi gleich
artig mit Spafrlogi; liomi m. ift Glanz, logi m. Flamme, alfo Schwert
glanz und Schwertflamme 24%. Einfach, wie Jogi, ift auch liomi unter
den ſkaldiſchen Benennungen des Schwertes aufgegählt 200; Sigr-liömi,
Siegglanz, wird ein Schwert Hrölf Krakis genannt 251, eben wie in
Hewörfaga der Bater des ſchwertgewinnenden Königs beißt. Dem
entfprechen in angelfächfiicher Dichterfprache die Schwertbezeichnungen
248 Obiges zumähft nad der einfachern Faſſung der Herv. G., wie fie
aus der älteſten, aber nicht mehr vollftändig erhaltenen Handſchrift in Fornald.
8. 1, 513 fi. (vergl. ebend. Form. XXVIII) abgedrudt if; zur (Ergänzung
iR der vollſtändige, aber mehr verarbeitete Tert ebend. 411 ff. gebraucht. Vom
Streit auf Samsde melden au Saro 1, 93 und OUrvar-Odds S. &. 14
(Fornald. 8. 2, 210 ff.). Bergl. Sem. 116, 23. [Schriften 7, 116 fi. 8.)
49 Gr. 3, 391: „Goth. liuhab, ahd. [u. alıf.] lioht, nhd. Ticht neutr.;
altn. lios neutr.; faltj. liomo radius], agf. ioma, alt. liomi mase., alle
von der wurzel liuhan (lucere), wovon aud) altn. log neutr. und logi mase.
(fammes), altſ. Jogna (flamma) fem.“
2% Sn. 214b u.
21 Sörla B. sterke k. 18 (Fornald. S. 3, 439): „(Högni) spenti sik
sverdi pri, er Sigrliömi höt, ok fordam ätti Hrölfr konfingr kraki;“
k. 25 (ebend. 450): „sverdit Sigrliomi.“ In Öfteren und echteren Quellen,
namentlich der Hauptfaga von Hrölf Krali heißt deffen Schwert Sköfnüngr;
8. Hrölfs k. kraka C. 45 (Fornald. 8. 1, 93): „med averdinu Sköfnüng,
er alira sverda bezt hefir verit borit 4 Nordrlöndum (vergl. ebend. 102.
109); and) diefes Schwert hat feine Geſchichte, |. Sagabibl. 2, 520 f.
88
böado-l&öma , hilde-l&6ma, beides Schladhtglanz 202; für die Schlacht
jelbft ift einmal dieß der Ausdruck: „Schwertglan; (swurd-1&6me)
fland, als ob ganz Finnäburg feurig wäre” 258; mie zubor Schwert:
ſchwingung (sw&ord - geswing, altnorv. sverda svipun), fo bezeid;
net bier Schwertglanz, Blig oder Funkenſchlag ber geichmungenen
Schwerter, den heftig entbrannten Kampf. Diefe Zufammenfegung
swöord-l&E6ma gibt nun aber aud den hanbgreiflichen Beweis, wie gut
evafr, in der Bedeutung Schwert, fi dem zweiten Königsnamen
Svafr-liömi verbindet 25%. Schon das einfache liomi dient, wie zur
Schwertbenennung, fo zugleih als Beiname eines norwegiichen Königs,
Gudrödr liömi, und eines bortigen Kriegsmanns, Ivar liömi 255. Indem
folchergeftalt Schwerter: und Heldennamen ineinander fpielen, erflärt
e3 fi) um fo befler, wie in der Nätbfelftropbe des Sonnenliebs Svafr
und Svafr-logi fich perfünlich anlaflen und doch das Schwert und fein
Wirken bebeuten Tonnten. Das verhängnisvolle Schwert der Herbör
ſaga beißt Tyrfingr und ftellt fich damit in bie Reihe der vielen patro:
nymiſchen Schiwertnamen auf ung und ing, die eben durch dieſe Ablei⸗
tungsform das Necht ver Perfönlichleit anjprechen 296. Wie das Nibe
Iungenfchwert Balmung, das mit dem Hort aus dem Berge gelommen
ift, den Sohn ber Balm, Felshöhle, bezeichnet 257, fo ift Tyrfing der
252 Beov. 192. 87 (vergl. 119). 186: „leöhtan sweorrde.“
253 Battle of Finsborough, Conybeare 178: „swurd-leöma stod swylce
eal Finnsburuh fyrenu were.“ Über stöd f. 3. Grimm, Andre. und GL
XXXIl*, vergl. noch Hel. 96, 8: „liomon stodon. uuanamo fan themu
uualdandes barne.“ Udrv. danske vis. 1, 35: „nu stander striden norden
under Jutland.“
254 Die Handfchriften der Herv. S. haben Sigrlami, Svafrlami , daß aber
diefe Schreibung in -li6mi zu beffern fet, bewährt der ganze obige Zuſammen⸗
bang; im Befondern ift Sigrlidmi anderwärts beurtuntet (Anm. 251) und
Svafrlidmi hat feine Probe in Svafrlogi.
255 Heimsk. Harallds 9. ens härf. 6. 25 f. 87. Sörla Pättr k. 9
(Fornald. 8. 1, 405).
256 Eine Strophe voll folder sverda-heiti, darunter Sköfnängr und
Tyrvingr, Sn. 2134. So oft das Schwert durch Eigennamen lebendig wird,
find diefe männlid. Gr. 3, 440 bis 442. Bergl. Fornald. 8.2, 19 ob.: „Norr
ok hang menn gengu yfir, sem log yfir alira.“
37 Stalder, Schweizer. Idiot. 1, 127: „Balm, Balme £. Höhle, ober
ein oben überbängender Fels“ u. |. w.
89
Ablömmling des Torfes, des Eifenmoors 258, Wie im Worte felbft,
läßt fich diefer Sinn auch anderwäris in mythiſchen Borftellungen
nachweifen. Alte Lieder eines andern nörblihen Sprachſtamms, bie
finnifchen Runen, befingen, wie bie Geburt des Feuers, ber Harfe
u. dol., jo auch die bes Eifens; dieſes ift auch hier ala Sumpferz ge
dacht und indem der göttliche Schmieb Slmarinen e3 ſchmelzt und häm-
mert, wird ſchon feine Gefährlichkeit vorausgejehen: aus dem Moor
ift e8 gemwafchen, aus dem Eumpfe geipült, ſchäumend brängt es fich
ans dem Feuer, um die Efie fliegt eine Hormiß, die ver Schlange Zilchen,
der Ameife Juden und andre Plagen in das härtende Wafler trägt,
wodurch das Eifen böfe wird und, zu Miffethaten gereizt, eiternve
Wunden fchlägt, zu deren Salbung dann die Biene (als Gegenfah ber
Horniß) Honig aus den Blumen holen muß 25%, Hieher artet nun auch
die märchenbafte Sage, die ſich an bie weſtphäliſchen Brokſchmiede 269,
Nib. 90: Hort der Niblunges der was dar getragen
fg eime holn berge u. |. w.
94: Tö gäben fi im ze miete daz Niblunges fwert.
96: Mit dem guoten werte: daz hiez Balmunc.
896: Sud fuort er [Eifrit] Balmungen, ein ziere mwäfen breit.
daz mas aljö ſcherphe, daz ez nie vermeit,
ſwaͤ manz ſluoc Af helme: fin ele wären guot.
29242: Sr [Hagene] fluog Af Hifbebrande, daz man wol vernam
Balmunge diezen, den Sifride nam
Hagen der vil küene, dA er den heit fluoc.
Auch Balmung nimmt feinen Bang durch die Heldengeihichte. [Schriften 1,
29. 8.]
28 Altnord. torf n., torfa f. (cespes), tyrfa (cespite tegere); angeli.
turf, tyrf f.; ahd. zurf, zurft, zurbe (Graff 5, 706. Nechtsalterth. 114 f.
Eigenname Thurphing bei Dronfe 401? Dorf?).
29 9. Schröter, Finniſche Runen, Stuttgart 1884, ©. 27 ff. Doch wiffen
diefe Runen aud) vom Urfprung des Eifens aus hartem Geftein, gleich anfangs:
„ZR vom Berg Geburt des Stahles, vom Fels die Geburt des Eiſens.“
Über die Schlange im Gchwert weiterhin Mehreres; die Ameifen, doch in
aubrem Zuſammenhang, Herv. S. 520a, 3. 436. Ein Schwert, das jeden
Tag einen oder zwei Männer töbtet, aud) von Ilmarinen gefchmiebet, Kalevala,
öfvers. af M. A. Caströn, Helfingf. 1841, 2, 64.
20 Ravensberger Urkunde von 1277: „in omnibus fabrise palustribus
qui Broksmede vocantur.* Mittheilungen des Hiforifchen Vereins zu Oana⸗
bräd, iter Jahrgang, Osnabrüd 1848, ©. 247.
90
die vormaligen Eſſenarbeiter im Bruch, dem eiſenhaltigen Torfmoore,
geheftet hat: im Darnsſee (früher Darnsmare, Moor), in der Bauer⸗
ſchaft Epe, hauſten rauhe (behaarte) Leute, darunter beſonders ein
Schmied, der einft um Mitternacht im Mondſchein 261 geſehen wurde,
wie er bid an den Gürtel im Wafler faß und mit dem Hammer
in der Fauſt auf feinen Ambos zeigte; die Bauern verftanden ihn
und vertrauten ihm ſeitdem alle Echmiebearbeit an; zwar ſah ihn
Niemand weiter, aber was man Abends auf einen fladen Stein
legte, der am Seeufer zwiſchen zwei alten Eichen ftanb und bes
Schmieds Tafel genannt wurde, oder was man durch Rufen über ben
See beitellt hatte, das lag vor Tagesgrauen fertig auf dem Steine,
nachdem man bie Nadıt durch das Hämmern im See vernommen hatte;
Eifen und Arbeit waren trefflih und ver Preis billig, die Eper hatten
die beiten Pflugeiien im Lande; ald aber ein Ruchloſer einft ſtatt
Geldes einen ſchmutzigen Lohn auf die Tafel legte, da zifchte das
Waſſer und ein Speer mit fcharfem Eifen, aus dem See gefchleubert,
durchbohrte den Mann, die Erbe unter dem Steine borft und verfchlang
ihn, das Hämmern bed Schmieds aber wurde fortan nicht mehr ge
hört 22, Dem Schwertnamen Tyrfing geziemten urfprünglich gleich»
falls elbifhe Brokſchmiede; die jetigen Namen feiner Verfertiger, Dias
linn, Dulinn oder Dhrinn, find, leßterer in der Form Durinn, in
der norbifchen Mythologie wohlbefannt und gehören dem nächtlichen
Reiche der Duntelelbe (döckälfer) an 263, dagegen zeigt ſich in jenen
Zunftreichen Ziwergen, aus deren Efie die Hauptlleinode der Aſen ber
vorgehn, Brofr und Sindri (Bruch und Eifenfinter), noch deutliche Spur
alter Brokſchmiede 264, Unverlennbar ift die Ähnlichkeit der Sage vom
261 Bergl. Herv. 5. 514: „vid sölarsetr.“ 414: „& sölarfalli," „um
eölarsetr.*“ (Yngl. 8. 6. 15.)
262 Der Darndfee, von Yul. Sudendorf, in den angef. Mittheilungen
©. 247 fi.; vergl. D. Myth. 463. Auch ein Schwert fommt in ber Sage vor,
das aber nicht der Seegeiſt ſchmiedet, fondern als Knechtslohn verlangt
(Mittb. 251 f.).
263 Altı. dvelja, pr. dvaldi, morari, dvali m. somnus; dylja, pr.
duldi, celare; düra, per intervalla dormire, dür, m. nubes somni; die
Eigennamen find ftarle Barticipformen.
264 Mythus von Brokr und Sindri Sn. 130 fi. Altn. brok n. carex,
Nirdgras, Nied (vergl. Leo, Rectitud. 73); alt. sindur n., agj. sinder, ahd.
91
Uriprung des Fluchſchwerts mit dem Mythus vom Hervorkommen bes
Fluchgolves, mie folder die Eddalieder von Sigurd und den Niflun-
gen einleitet 265. Beide Erze, Eifen und Gold, jene im Schwerte
(lebendig und perfönlich geworben, dieſes annähernd im Ringe ?°6, be:
finden fih erft im Gewahrfam der Unterirbiichen, der Zwerge; das
eine wird dem Torfmoor, das andre dem Fluß abgenommen. Hier
mie bort wird den Erbgeiftern ein Befit abgenöthigt, ver, an das
Licht gebracht, den Menfchen zum Verderben gereicht, und faft gleich:
lautend wird von den in die Steintluft verſchwindenden Zwergen auf
das Rheinerz wie auf den Torffohn der fortwirkende Fluch gelegt 267,
Handelt es fich gleich in diefen Sagen von einem einzelnen Golohorte,
von einem bejtimmten Waffenftüde, jo mochten fie doch in älteiter Ge⸗
ftalt, nach Art der finnifhen Runen, allgemeiner den ahnungsvollen
Urfprung und die mweltbeherrichende Wirkſamkeit des Goldes und ber
Erzwaffe verbilbliht haben. Wirklich ift Tyrfing nicht has einzige
Heldenſchwert des Nordens, an dem fo graufame Eigenſchaften und
Geihhide hängen. In der Sage von dem bis zur Götterbämmerung
forttobenven Kampfe der Hiadhninge bat Högni das Schwert Däingleif
gezogen, das, von Zwergen gemacht, einen Mann töbtet, jo oft es
entblößt wird, niemals im Hiebe fehlt und, mo es gerigt, Teine Wunde
vernarben läßt 268; Däins-leifr, Dains Nachlaß, verkündet fih im Namen
finter, scoria ferri, Schlade. (Über Eifenfinter und WRafeneifenftein (Lauſitz)
f. DOten, Naturgeſch. 1, 862 fi.)
265 Sem. 180 fi, Sn. 135 fi. Völs. 8. €. 14 (Fornald. 8. 1, 151 ff.).
Die vollftändigere Entwidlung des Mythus von Golde bei der fränlifchen Helden⸗
lage. [Schriften 1, 149. &.]
36 Auh Ringe von großem Werth und munberbarer Kraft haben ihre
Eigennamen und ihre Geſchichte. Fornald. 8. 3, 753a: Andvaranautr,
Glesir, Hoitudr, Sviagris.
267 Sem. 181b: „Dvergrinn gekk f steinnin ok meelti: hat skall
gull u. f. w. bredrom tveim at bana verda oc avdlingom ätta at rögi.“
Herv. 8. 6.2, ©. 514 (vergl. 6. 414): „En er Drvälinn stöd i steinsdurum,
b& melti bann: sverd Pitt, Svafrlamil verdr manns banj hvert sinn, er
bragdit er u. |. mw. lupu beir (dvergarnir) 1 steininn“ u. |. w. (S. 415:
„dvergrinn hliöp ? steininn.“)
268 Sn. 164 (Arnem. 434): „p& svarar Högni: of std baudtu petta,
ef A vill seettast, pvi at nü hefi ek dregit Däinsleif, er dvergarnir gerdu,
er manns bani skal verda hvert sinn er bert er, ok aldri bilar 1 höggvi,
92
als vom Zwerge Däinn ftammend, der noch anderwärts, wie Doalinn,
als Funftreicher Schmied aufgeführt ift 26%. Sköfnuͤng, Hrölf Krafis
Schwert, bat die Art, laut zu fingen, wenn es Knochen fpürt, und
wer mit ihm verwundet wird, Tann nur durch einen Stein, der zum
Schwerte gehört, Heilung erlangen 270. Auch Bödhvar Biarli, Hrolfe
Dienftmann, befigt ein Schwert, das bloß wird, fobald er an bas
Heft greift, und niemals gejchwungen fein fann, ohne eines Mannes
Tod zu werben, ein Kleinod, das jeder von brei Brübern haben
möchte 271, Mas fo von verfchiedenen Sagenjchwertern vereinzelt und
beiläufig berichtet twird, dazu ergibt fi) in der Geſchichte Tyrfings die
eigens und burdgängig dem Schwerte gewidmete Urfage Yür bie
Sage vom Ylußgold bewährt fich diefe allgemeine und vorbildliche Be
deutung durch den Umftand, daß es drei wandernde Götter find, bie
den verberblihen Hort zu Tage fördern. Tyrfings erfter Erwerber ift
zwar nur ein naher Ablömmling Odins, aber den mythiſchen Boden
diefes Anfangs behauptet die ältere Yaflung der Hervörfaga noch damit,
dag Sigrlidmi® und Spafrlidmis Neich nicht benannt und in unbe:
ſtimmter Ferne gehalten ift; der Berſerk Arngrim kommt dahin auf
einer Wilingfahrt ofiwärts nah Biarmaland 22, fobald aber dieſes
Land genannt wird, betritt man das Gebiet der Fabeln und Märchen 273,
ok ekki sär grer ef bar skeinist af.“ Högni, der Führer dieſes Schweris,
wird, als Geipenft fortlämpfend, nad) fpäterer Sagenwendung, von dem bor-
genannten var liomi erlegt, |. oben S. 88.
3% Däinn (dä n. deliguium, dainn mortuus): Sem. 114, 7. Dvalinn:
Sn. 354 (Fornald. S. 1, 391). [Schriften 1, 88. 7, 279. 8.]
%0 Hrölfs S. 6.50 (Fornald. S. 1, 102): „at sverdit Sköfnängr bitr,
ok gnestr hann nü hätt i heirra hausum; en nättära Sköfnfngs var
sl, at hann kvad vid hätt, P& hann kendi beinanna.* Laxdela 3. ©. 251.
Bergl. oben Anın. 251. Vilk. 8. C. 360: „Pa hefdi ec latit dreingilega
syngia mitt sverd i Hunalandi.“ [Schriften 1, 153. 8.)
21 Hıölfs S. C. 31 (&. 61): „verär gverdit laust, D& hann tekr til
hialtanna; Pat fylgdi pri sverdi, at aldrei mätti bvi bregda utan bat
veri mannsbani u. |. w. (a. Pat het Lauf); benna meta grip vildu peir
bredr allir eiga.“ Saro 2, 81: „Utebatur quippe (Biarco) prestantis
ecuminis inusitatseeque longitudinis gladio, quem Lövi vocabat.“ Sn. 214 a,
4: „lauf.“ Fornald. 8. 2, 366.
272 Fornald. 8. 1, 515: „Arngrimr var hä t viking 1 Austurreg um
Biermaland; hann herjadi 1 riki Sigrlame konüngs.“
278 her Biarmaland, am weißen Meere, |. Jeuß 688 f. [Schriften 1, 139. 8.)
93
Die ftärler bearbeitete Saga läßt Afiaten und Türken unter Odin von
Diten ber fommen und die Norblande anbauen, das Reich aber, das
Ddin feinen Sohne Sigrlidmi gibt, ift Garbareih (Rußland), eben
damit Öffnet ſich der Blid nad Asgard, in die Heimat der Götter, die
bier, nach dem Beifpiel von Snorris Heimsfringla, aus Afen zu Aſia⸗
männern geworben find 2°, Die Mythen vom Urſprung des Goldes
und bes Eifenfchwertö beburften nun ber lebenspollen Durchführung in
den daran gelnüpften Helvenfagen. Jene Verwünſchungen, die über
Gold und Schwert ausgefprohen find, lommen je in einer langen
Folge von Gewaltthaten zum Vollzug. Doc iſt damit für beide Fälle
noch keineswegs gefihert, daß alle an biejen Faden gereihten Sagen
vom Anfang an mit den Mythen vom aufgelegten Fluche verbunden
waren. Es liegt in einem ſolchen Schickſalſpruche der Keim mannigfal:
tiger, freier Entwidlungen und je nach diefen muß auch rückwärts die
Formel der Borausfagen ihre Faflung wechſeln. Dem Schwerimythus
insbefondre ift viel Unzugebörendes angehängt worden, aber die Haupt:
züge feiner gründlichen Anlage find noch rein und unverfchüttet vor:
banden. Bon dem gottentfprungenen Spafrliömi 275, der das Schwert
den Zwergen abzivang und überall fiegreich leuchten ließ, gebt Tyrfing
auf zweiter abfteigenver Stufe an ein andres Gejchlecht, von götter:
feinplicher Herkunft, über. Arngrim, der neue Befiger desſelben, und
feine zwölf Eöhne find rafende Berferle, deren wilde Natur dadurch
mythiſch worgebildet wird, daß fie von Stromriefen des Alafalles, des
gewaltigſten der norwegiſchen Waflerftürze, abftammen 276. Ihr Wohnfig
2:4 Ebend. 1, 413: „komu austan Asiamenn ok Tyrkjar, ok bygdu
Nordrlöndin; Odinn het formadr Peirra u. |. w. Einn hans son het
Sigrlami; honum fekk Odinn pat riki, sem nü er kallat Gardartki.“
Zu letzterem ſ. Zeuß 546. Bergl. hieher Yngl. 8. C. 2. 5. 6. Auch daß die
fpätere Herv. 5. (©. 413) dem Odinsſohne Sigrlami eine Tochter Königs
Gylfi zur Gemahlin gibt, weilt auf Odins und ber Aaſen Verlehr mit Gylfi
m Yngl. S. €. 5, Sn. Form. 15 (bier wieder: „peirra Asiamanna, er Aesir
voru kalladir“) und Gylfaginning, Sn. 17 ff.
2:5 Wenn von feinem Bater Sigrliomi, dem Odinsſohne, gejagt wird
(Fornald. S. 1, 413): „hann var manna {rldastr sfnum,“ fo mag dieſe
ausgezeichnete Schönheit eben den göttlichen Urfprung anzeigen. Berg. Yngl.
8. C. 5 liber Odins Ausfehen.
3:6 Zu diefem Behuf ift in Cap. 1 der Herv. ©. ber Rieſenmythus voran⸗
geſtellt, deſſen ausführliche Erklärung in den Sagenforſchungen 1, 176 ff. nad)
94
ift die Inſel Bolm bei Hälogaland, von ver aus fie ihre Wiking⸗
ſahrten machen. Der Berſerke und der fie plötzlich ergreifenden Wuth,
des Verſerlganges, wird in altnordiſcher Überlieferung vielfach gedacht. *
Beim Eintritt dieſes Zuſtands Inirfchen fie mit den Zähnen, beißen in
bie Schilde, verichlingen glühende Kohlen, Iaufen durch loderndes
Heuer, rennen ohne Panzer (daher eben der Name ber-serkr, panzer:
Baar) 277 in den Streit, toben in ihrem Blutburft gegen bie eigenen
Genofien, weshalb fie auch beim Ausbruch des Anfalls in Bande ge:
ſchlagen werben 278, Übrigens erwähnen auch Sagen mehr gefchichtlicher
gefehen werden Tan. In Fornald. 8. 2, 9 hat Arngrim einen ganz andern
Stammbanm. |
* [Schriften I, 265. 8.)
77 Altn. ber, nudus, serkr m. tunica, indusium. Sn. 160: „(kalla)
brynju serk eda skyrtu.“ Ebend.: „Roda serkr.“ Kräkum. 17 (Formald.
8.1, 306): „vid Hamdis grän serk.“ Fornald. 8. 1, 212: „i gräm’serk-
‚Jum (doch eben die berserkir der Herv. S.). Ebend. 1, 275: „t hringserkjum
(a. iernserkjum).“ Yngl. 8. &. 6: „brynju-lausir.“
8 Saro 7, 125: „Hic (Byvaldus) septem filios habebat tanto vene-
fieiorum usu callentes, ut sepe subitis furoris viribus instincti solerent
ore torvum infremere, scuta morsibus altrectare, torridas fauce prunas
absumere, exstructa quevis incendia penetrare, nec posset conceptus
dementie motus alio remedii genere quam aut vinculorum injuriis aut
cedis humane piaculo temperari. Tantam illis rabiem sive swvitie in-
genii, sive furiarum ferocitas inspirabat.“ 124: „Tanta vero corporis
megnitudine erat (Harthbenus), ut novem cubitis proceritatis ejus dimen-
sio tenderetur. Huic duodecim athletæ contubernales fuere, quibus officio
erat, quoties illi presaga pugne rabies incessisset, vinculorum remedio
oborti furoris impetum propulsare u. ſ. w. Harthbenus repentino farierum
afflatu correptus summas clypei partes morsus acerbitate coneumpeit,
igneos ventri carbones mandare non destitit, raptas ore prunas in vis-
cerum ima transfudit, crepitantia flammarum pericula percurrit, ad postre-
mum omni s@vitie genere debacchatus in sex athletarum suorum pre-
eordia furenle manu ferrum convertit. Quam insaniam illi pugnandi
avidites an nature ferocitas attulit, incertum est.“ (Diefe rohen Rieſen⸗
kräfte bezwingt Hälften, ein Held des Anbaus, vergl. Sqgenforſch. 1, 192 ff.)
Fornald. 8. 3, 114 fg. Yngl. S. C. 6, wo Odins Mannen als Berferfe be:
zeichnet werden, vergl. Sn. 66 und die Strophe aus Hüsdräpa ebend. 162
(Arnsem. 428 fg. Lex. myth. 635 *). Gin Zrupp von Berferten ericheint
and) font im Königsdienfte, 3. B. in Hrölfe S. (Fornald. S. 1, 32 fj.). Auf
Odin, als den Beweger alle Kampfiebens, konnte zwar auch der Berferfgang
95
Art 779 der Berferfwuth, die ala ein Unheil für den damit Befaßten
angejehen wird, und noch das isländiſche Chriftenrecht von 1123 erflärt
da, mo es gegen bie Überbleibjel des Heidenthums eifert, ſowohl vie
Berſerke ſelbſt, als diejenigen, melde nicht den Wüthenden zu bänbi-
gen fi bemühen, für frieblog 220. So gebaren nun auch die zwölf
jungen Arngrimsföhne, wenn fie aber auf der Seefahrt fühlen, daß
der Berſerksgang über fie fommt, fteigen fie and Land und fchlagen
auf Waldbäume und große Steine, denn es ift ihnen begegnet, daß
fie ihre eigenen Leute tödteten und ihre Echiffe leer machten. Eie
führen die berühmteften Holmgangichmerter (Holmgang ift der Zwei⸗
fampf auf einer Inſel), bie ihr Vater auf feinen Kriegszügen genom:
men, ber ältefte, Angantür, hat Tyrfing; fo oft diefes Schwert gezogen
ift, wird es heil davon, wie von einem Sonnenfisal, aud in ber
Dunkelheit, nur mit warmem Menichenblut fol es wieder in die
Scheide gehn und was von ihm geblutet, lebt nicht bis zum andern
Tage, vielberühmt ift eö in allen alten Sagen 231. Weil aber von
Anganthr doch nur böfe Kunde geht, eilt die ſchöne Ingibiörg,
Tochter des Upſalakönigs Yngvi, feine Bewerbung zurüd und zieht
ihm den milderen Hialmar vor, ber deshalb von dem abgemwiefenen
Freier zum Holıngang auf Samsey beichieven wird. Zur beftimmten
Zeit fommen bie zwölf Berſerke dorthin, erichlagen alles Volt von den
zwei Schiffen Hialmars und feines Genoffen Orvarodd und erheben
dann mit biefen Beiden auf der Inſel den Kampf, in welchem Odd
die eilf Brüder Anganths, Hialmar aber den legtern erfchlägt und dann
bezogen werden, darum aber befteht doch der Gegenſatz zwiſchen ruhmreichen
Dpinsföhnen und wüthenden Berſerken, wie ihn Herr. &. darbietet.
213 Sagabibl. 1, 149 (Vatnsd. 8.), aud 1, 38 (Viga-Styrs und
Eyrbyge. 8.).
0 Krietinrettr n. f. w. ed. Thorkelin, Havn. et Lips. 1776, C. 16.
©. 18: „Ef madr gengr bersercs gAng“ u. ſ. w. (Auch Grägäe, Lex. myth.
477%)
231 Fornald. 8. 1, 516: „Sü nätıära fylgdi Tyrfingi, at hvert sinn,
er bann var or slidrum dreginn, pä& Ifsti af, sem af geisla, böat myrkı
veeri. ok hann skyldi slitdra med vörmu mannsblödi, ekki lifdi Pat ok
til anners dags, er bleddi af honum; hann er miök fregr 1 öllum forn-
sögum.“ 1, 423: „bviat IYsti af honum, sem sölargeisla.“ 1, 524: „ok
bra pa sverdinu, ok 1Ysti af miök ok sindradi.“
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felbft an feinen Wunden ftirbt. Auch bei diefem letzten Kampfe wirb
das Toben der Berſerke geichildert: wenn einer von ihnen fällt, knir⸗
ſchen die andern in den Schildrand und der Schaum bricht ihnen aus
dem Kiefer, ober fie ftreden die Zungen heraus, fchlagen bie Zähne
zufammen und brüllen mie Opferftiere, daß es in ben Felſen miber:
hallt 282, Orarodd läßt einen mächtigen Grabhügel über ven zwölf
Erſchlagenen mit ihren Waffen aufmwerfen, doch damit ift dieſe wilde
Glut nicht erftidt; allnächtlich fpielen brennende Feuer über den Grä⸗
bern, das ganze Eiland ertojt und fcheint in Flammen zu ſtehen; ber
Hirte flieht dem Walde zu und bie Seefahrer ftoßen erfchredt vom
Strande 289. Anders noch lebt die ungeftüme Art in Herbör *, An:
ganthys nachgeborner Tochter, fort. Als fie zur Welt fommt, meinen
die Leute, man folle das Kind ausſetzen, es könne nicht Weibesfinn
baben, wenn e3 feinen Baterfippen gleich werde, nicht gänzlich tobt
fei der Arngrimsföhne Geſchlecht, wenn fie lebe 284 Darin eben er:
reicht jene erbliche Kampfwuth ihren ftärkften Ausbrud, daß fie, nad;
dem die Männer gefallen, ein Mädchen ergreift und zum tobenden
Berſerk umſchafft. Hervör fchreitet in männlicher Rüſtung durch die
Hügelflammen, als dur ein heimifches Element, das blutbürftende
332 Schon bei ihrem SHerannahen fagt Hialmar (Fornald. 8. 2, 211):
„mer pikir stundum, sem gridüngar gialli edı hundar fli, en stundum
er pᷣvt ltkt, sem grenjat se.“ Dann ebend. 1, 425: „afmyndudust peir
Akafliga, ok gnögudu 1 skialdar rendrnar, en froda gaus ür kiapti beim
u. f. w. eyskradi süt 3 berserkjunum, rèttu At tüngurnar ok urgudu,
saman tönnunum, öskrandi sem blötneyti, sv& buldi 1 hömrunum.*“ Yud
die Strophe ebend. 422 (vergl. 2, 218).
283 Fornald. 8. 1, 518: „En er sölin settist gerdust dunur miklar
üt& eyna, ok lupu upp hauga eldarnir; p& ræddist fehirdir, ok tök til
föta, ok liöp 1 sköginn, sem mest mätti hann, ok sâ aldri aptr“ (vergl. 1,
484). 622: „Sidan gekk hün (Hervör) til ekipa; ok er Iysti, s& h@n,
at skipin voru brottu, höfdu vikingar redst dunur ok elda 1 eynni“
(vergl. 1, 442).
* (Schriften 7, 116 fi. 8.)
234 Ebend. 1, 517: „Nü er bar til at taka, at döttir Biartmars iarle
feddi meybarn, ok pötti flestum räd, at üt veri borit, ok sögdu, at
eigi mundi konu skap hafa, ef födur- frendum yrdi likt; iarl ld ausa
vatni ok uppfeda, ok kalladi Hervöru, ok sagdi, at eigi var b4 aldauda
«tt Arngrims suna, ef hün lifdi“ (vergl. 429 f.).
97
Schwert, das nod eigens von Feuer ummwallt ift 285, muß ihr heraus⸗
geiworfen werben, obgleich fie gemarnt ift, daß es ihren ganzen Stamm
vertilgen werde 28%, und mit dem Schwerte nimmt fie zwölf Leben voll
überihäumenven Streitmuths als Erbe bin 297. Das Nachtgemälbe
dieſer Grabbeihmwörung ift eines ber großartigften Bilder altnorbifcher
Dibtung. Aus der Hand fiegreicher, gottentftammter Helden und aus
dem Grabhügel wilter Berferle, deren unbänbige Kraft fich felbft ver:
zehrte, macht Tyrfing ben dritten Übergang, indem es zuleht zum
Werkzeug feigen Meuchelmorbs herabſinkt. Heidhrek, Hervörs Sohn,
der Mutter nachichlagend und von ihr mit dem Schickſalſchwert ausge
ftattet, miöbraucht dasfelbe zu Bruber- und Verwandtenmord und wird
dann jelbft damit von Knechteshand getöbtet. Er tft, gegen ben väter:
lichen Rath, niemals mehrere kriegsgefangene Knechte bei fich zu haben 288,
dach mit neun ſolchen ausgeritten, die ihn und fein übriges Gefolge
Nachts, ald er im Zelte fchläft, mit Tyrſing ermorben und dann das
berübmte Schwert beim Fiſchfang dazu verivenden, ben Hechten bie
Köpfe abzufchneiden. Damit fchließt nun auch der beveutfane Grund:
beftand der Sage, denn die Geſchicke Tyrfings find erfüllt 289.
Den ſinnbildlichen Charakter der Herbararfaga beftätigt der Eigen:
name, nad dem fie geheißen ift. Hervör (Gen. Hervarar), richtiger
Hiör-vör, ift Schwertwahrung, Schwerthüterin; als die Trägerin biejes
Namens in männliher Wappnung auftritt, nennt fie ſich Hiörvardr,
Schwertwart, Schwerthüter 29, und ebenjo heißt einer ihrer gefallenen
35 (Ebend. 1, 521b: „Angantyr kvad: Liggr mer und herdum Hiäl-
mars beni, allr er hann utan eldi sveipinn“ (vergl. 439).
236 Ebend. 1, 521a: „Sid mun Tyrfingr u. f. w. sett Pinni, mer!
allri spilla“ (vergl. 488).
237 Ebend. 5226: „Far vel, döttir! Niött gefa ek ber tölf manna
för. ef Pü trûa metlir, afl ok eljun, allt ed göda, bat er synir Arn-
grims at sik leifdu“ (vergl, 442).
8 Ebend. 447: „bat Attunda (rAd), at hann hafl aldrei marga her-
tekna brela med ser.” Das Brudftüd 1, 525 hat flatt diefes Rathes einen
audern: „setja aldr! Tyrfing at fötum ser.“
39 Ehbend. 488: „er petta talit hit bridja nidingsverk unnit med
Tyrfingi, eptir pvi, sem dvergrinn hafdi fyrimelt, voru nu endut hau
&lög.* Bergl. 448. 454; das Bruchſtück hat dieſe Nachzählungen nicht.
20 Altn. hiörr, Schwert, für Hiör-vör ſpricht eben der Übergang in
Hiör-vardr [vergl. Sprachg. 781 *]; ein ähnlicher Frauenname ift Hiör-die
Upland, Gäriften. VII. 7
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Brüber, dann in der Fortſetzung einer ihrer Enkelſohne. Iſt nun in
biefem Gefchlechte das Schwert vertreten und namengebend, fo erfcheis
nen auch die Namen der beiden Gegner besfelben, Hinlmar und Orvar⸗
odd, nicht beziehungelos; Hialmar, abgelürst aus Hialm-heri, if
Helmlämpfer, Örvar-Oddr ift vom Pfeile (ör f., Gen. örvar) fo be
nannt 291, Der Blid erweitert fih in eine manigfaltige Waffenfage.
Gegenfat ber Angriffswaffe ift die Schutzwaffe; gehört das Schwert
ben anftirmenden Ungeftüm, fo find Schild und Helm die Wahr:
zeichen ber Sicherheit und Befrievung. Den Friedensſchild erheben,
Schwingen, ift altnordiſch das Zeichen, wodurch die Einftelung ber
Schlacht zum Zwecke der Beiprehung und Unterhbanblung begehrt
wird 29%, Es tft nicht zu zweifeln, daß biehei wirklich ein meithin ficht:
barer Schild erhöht wurde, wie denn in einem Helbenlieve der Edda
ber heranfchiffende Feind, um mit dem Stranbhüter Worte zu mechfeln,
einen rothen Schild mit goldnem Rand an vie Segelſtange auf:
(Sigurds Mutter). Vör f. (althd. und altj. wara, consideratio, attentio,
cura, Graff 1, 907. He. 125) kommt im Sinne von Wahrung, Wahrnehmung,
noch als aflegoriicher Name einer Göttin und in einzelnen Redensarten vor,
Sn. 37 f. (Arnarm. 116? Sveinb. 21.) D. Myth. 286 f. 843. Hiör-verdr
(ensie custos) mit deutjcher Yorm vardr, flatt der altn. vördr, entipricht dem
angel. höoro -v&ard (Beov. 162), Gr. 2, 461. 533 f. Zu der größeren
Herv. S. 1, 417 fi. ift Hiörvardr, nicht Angantür, der Mitbewerber Hialmars
um SIngibiörg, worliber der Streit auf Samsey fi entfpinnt, auch ift fein
Name geeigneter, den Stabreim anzubeben (1, 435 f.: „Hiörvardr, Hervardr,
Hrani, Angantfri“), und die Inſelgräber beißen einmal: Hiörvards haugar
(438, vergl. jedoch 519); vielleicht Überrefte urſprünglich mehr hervorſtechender
Bedeutung Hiörvards.
291 Fornald. 8. 2, 185 f.
22 So in Herv. ©. ſelbſt, Fornald. 8. 1, 462: „ièt hann (Hrollaugr)
b& um morguninn snemma halda upp fridarskildi, ok bad Heidrek
konüng gänga & einmeli vid sik.* Ebend. 2, 99: „ba 1&t Fridpiöfr halda
upp fridskildi, ok stödvadist PA bardaginn“ u. ſ. w. 2, 193: „var haldit
upp fridskildi u. f. w. var brugdit upp fridskildi.* 2, 207 (in einem
Schiffkampfe): „bregär Ögmundr upp fridskildi.“ 3, 94: „var P& brugdit
upp fridskildi.“ 3, 150: „leir hann bregda upp fridskildi.“ (Die Stellen
find verzeichnet ebend. 8, 747 a.) Gegenſätzlich wohl zu (Forneld. 8. 2, 205):
„fara herskildi yfir, brenna allt ok bela.“ Olafs 8. hing helga u. f. w.
Chriſt. 1849, &. 21: „for Dar upp i Gardariki med herskilldi. [Zeuß
546 u., f. ob.)
9
wirft 293, Im deutfchen Altertbum verfündet der aufgehängte Schild
bauptfächlih den Gerichtöfrieven, die während des gehegten Gerichte:
ftrenggebotene Ruhe und Stille 294; der Ausbrud „frivefchilt“ findet ſich
zwar nur noch bilblic für Befchirmer und Fürjprecher, beſonders vom
himmlischen Schuge, gebraudt, aber auch fo noch gibt ihn eine alte
Eegensformel (zugleich mit „fridhemede“ und „halsberc“) im beitimmten
Gegenfage der Schirmmaffe zum ſchneidenden, beißenden Schwerte 29.
Dberfter Halter und Hüter des Gerichts: und Friedeſchilds ift der König,
darum auch Skiöldr ein pafjender Name für den Stammvater des bäni-
chen Königsgeſchlechts, der Shöldunge, einen Doinsfohn, der jelbft in
Schoonen göttlich verehrt worden fein fol 2%. Skibld flieht an ber
Spitze von Königsnamen, die ein Reich des Friedens und ber Sicher:
293 Seem. 153, 33: „Sinfiötli kvad: slöng upp vid ra raudom skildi,
sönd var or gulli; bar var sundvördr säA er svara kunni ok vid ödlinga
ordum skipta® u. f. w.
2A Rechtsalterth. 851 f. 853 f. 956; beſonders die Stellen: „tunginus
aut centenarius mallum indicent et in ipso mallo scutum habere debent.“
l. sal, 47, 1. 49, 1. Becheler Weistbum von 1482 (Weisth. 1, 6L0): „jo foll
der herr Friedrich Greiffenclae feinen ſchild henken in das dorf vor fein Hofe
und foll da dag dorf befhirmen und helfen behalten vor ſchaden.“ Vergl. noch
Rechtsalterth. 657: „liudefrethe, Br. 133 und liodeskeld, As. 20.“
235 Molfdietr., Ambraf. Handidr. A. C. IS. 19]:
„da was aber niemand des kindea fridefhilt “
Ebeud. R. B. [S. 32]:
„nu gebt mir einen man,
Der niit feinen worten fei heut mein frideſchilt!“
Hoffmann, Fundgr. 1, 369 [ave 26. Haltaus 525] 343:
„daz heilige himelchint daz fi hist min fribeichilt u. ſ. w.
ſant Marien lichemede daz fi hiut min frivhemebe u. f. w.
min fwert eine wil ih von dem fegen fceiben,
day ſnide und bizze allez daz ih ez heize
von minen handen und von niemen andern! |
ver heilig bimeltrüt der ft hiut min halsperch gut!“
Myth. (1) Anh. CXXXI f.] Ebend. 261: „der himel fi dir ſchiltin.“ Nom
Schwerte heißt es in Herv. ©., Fornald. 8. 1, 414: „ok biti iafnt irn ok
steina, sem kledi;“ 1, 514: „Pat skal svä bita iärn, sem kledi.“
Bergl. no) Cod. exon. 112, 15 fi.: „him ver engel neah, fele fıeodu-
veard“ u. |. w. „gyrede hine georne mid gestlicum vepnum.*
2% Fornm. S. 5, 238: „Skiöld Suänüngagod“ u. |. w.
— — — — —
100
beit verkünden: Fridleif, Fridfrodi, Froͤdi der Friedſame 297; den Na
men entſprechen auch bie an ihnen haftende Sagen von Froͤdis Frie⸗
den (Pröda-fridr), biejer golbenen Beit des Norbens, von weiler Ge
ſetzgebung, ftrenger Rechtspflege, raſtloſer Vertilgung der Räuber und
Gewaltthäter 2%, Das Friedensalter ift aber auch eine Zeit des Reid
thums und Gedeihens, ber däniſche Frodisfriede fällt daher gleichzeitig
mit der Fulle und dem Überfluß des ſchwediſchen Landes unter ben
Ynglingen, den Upfalalönigen, deren Ahn und Namengeber Yngvifreyr
zu dem Böttergefchlechte der Banen zählt, das über Luft und Witte:
zung und bamit über Schiffahrt und Feldfegen mwaltet; als Fiolnir,
Ungvifreys Sohn, bei Fridfrodi zu Gaft ift, ertrinkt er in ber Meet⸗
kufe 29%. AU dieſe reichhaltigen Sagen können bier nicht verfolgt wer
den, von Skiold ſelbſt aber ift noch auszubeben, baß jchon er, bei
Saxro, als Gejetgeber und Wohlthäter feines Volks ericheint, ſowie
ald Bänbiger roher Gewalt, indem er ſchon in Snabenjahren, waffen:
108, einen ungeheusen Waldbären mit feinem Gürtel bindet 300; wenn
297 Fornald. S. 2, 12: „Skiöldr hat son Odins Äsa-konfings; hann
var fadir Fridleifs (vergl. Gramm. 2, 70. 502 f.), födur Fridfröda“ u, ſ. w.,
weiterhin: „födur Fröda ens fridsama, födur Fridleifs“ u. ſ. w. Ebend. 14,
Sn. Form. 14,
288 Sn. 146 und Saro unter jenen Königsnamen. Sagenberühmte Kämpfe
werben mit Froͤdis Friedewalten in Beziehung und Gegenjat gebracht, nament⸗
ih der Streit anf Samsey bei Saro 5; 93: „Ita cuncta admodum bellicarum
rerum tempestate depulsa oceanum manus adhuc piratica non reliquit,
Qu& res maxime Frothonem ad occidentem armis incessendum adduzit,
cujus unicum in propaganda pace studium versabatur;“ der zwiſchen Hedin
und Högni ebend. 5, 90: „itaque statam a Frothone pacem internum labe-
factaverat bellum“ n..w. Bergl. Sem. 151, 13: „sleit Fröda-frid fianda
& milli.*
299 Yngl. 8. €. 11 bis 14. Beſonders C. 12: „An feinen (Ungvpifreys)
Tagen bob fih an Frodis Friede; da war auch Fruchtbarkeit (Ar) durch alle
Sande” u. ſ. w. €, 14: „Fiölnir, Sohn Ungpifreys, waltete ba über bie
Schweden und Upfala-Reihthum; er war mächtig, frucht⸗ und friedfelig (rikr
oc &rsell oc fridsell); da war Fridfroͤdi zu Hleibra, zwiſchen ihnen war
Freundſchaft und Gaſwerkehr“ u. |. w.
w Saxo 1, 5 f.: „Hujus (Skioldi) adolescentia, inter paternos
venatores, immanis bellue subactione insignis extitit mirandoque rei
eventu future ejas fortitudinis habitaum ominata est. Nam cum a tuto-
ribus forte, quoram summo studio educabatur, inspectande venationis
301
ferner die angelſächſiſche Überlieferung, aus bem Seimathlande herüber⸗
gebracht, den Bater Scilds Eceäf nennt und diefen Namen baher leitet,
daß Eceaf ala Tleiner Knabe, auf einer Korngarbe (agf. sceäf m., ah.
mbb. fcoup, manipulus, Gr. 3, 416) im fteuerlojen Schifflein fchlafend,
an das Land geſchwommen fei, deſſen Einwohner ibn aufzogen und
hernach zum König erwählten 301, fo ergibt diefe Verwandtſchaft zwiſchen
Schaub und Schild abermals den nahen Zufammenbang von Fruchtbar⸗
teit und Frieden; Eceaf führt ben Kornbau in das Land, Scild beichirmt
ibn. Im Beomwulfslied ift es Ecild felbft, der einft angefahren kam
und, nachdem er hochbejahrt, ein geliebter Lanbesfürft, abgefchieben,
mit ebenjo reicher Wafferrüftung, mie ex gelommen, twieber eingefchifft
wird 32, Gleichwohl heißt Scild auch hier Sceafs Sohn (Seild Scefing)
und umgelehrt ift, in der andern Sage, auch ber anfahrenbe Sceaf
mit Waffen umgeben 398, mas mehr dem Ecild anfteht. Je nachdem
der gottgefandte Ankömmling als Befruchter oder als Beichirmer bes
Landes gebadt ift, gehört ihm bie Garbe over der Schild unter das
Haupt. Lebteres bewährt fi am beutihen Echtwanritter, der wirklich
licentiam impetrasset, obvium sibi insolitee granditatis ursum, telo vacuus,
cingulo, cujus usum habebat, religandum curavit necandumque comitibus
prebuit ı. j. w. tantagne indolis ejus experimenia fuere, ut ab ipso
cæteri Danorum reges communi quodam vocabulo Skioldungi nuncupa-
rentur u. |. w. Hic non armis modo, verumeliam patrise charitate con-
spicuus extitit. Siquidem impias leges abrogsvit, salutares tulit, et quic-
quid ad emendandum patrie statum attinuit, summa diligentia prestitit.“
Auch feine Freigebigkeit wird gerühmt. [Wie find die pugiles Attalus et
Bcatus, die er bezwingt, zu verfiehen?]
9 Die Zeugniffe find zufammengeftellt und erläutert bei Kemble, Beov.;
J. Grimm, Deutfhe Myth. (1) Anh. XVII f., (2) 341 ff.; Leo, fiber Broöͤw.
2 ff. Ettmüller, Beow. 4 fi. BZeitfchrift für deutfches Alterihum 7, 413 f.
Beſonders anſchaulich berichtet Wilhelm von Malmesburyg S. 41: „appulsus
navi sine remige puerulus, posito ad caput framenti manipulo, dormiens,
jdeoque Sceaf est nominatus, et ab hominibus regionis illius pro miraeulo
exceptus et sedulo nutritus adulta tetate regnavit“ u. |. w. Matiheus
westm. fügt hinter „manipulo“ bei: „quem patris lingua seaf (}. aceaf)
dieimus, gallice vero garbam,*
0 Beomulf, Eingang.
x In der älteften Meldung Ethelwerds ©. 842: „ipse Scef cum uno
dromone advectus est u, f. m. armig circundatlus, eratque valde recens
puer® u. ſ. w. ohne Erwähnung der Garbe,
102
den Schild zum Küſſen hat, als er fchlafend zu Nimwegen anlandet,
um felbft als erflehter „Friedeſchild“, ala Kämpfer im Gottesurtbeil, dag
Landerbe ver brabantifchen Fürftentochter gegen den rieſenhaften Sachfen-
herzog zu fehirmen 30% Solches Landſchirmen bedeutet eben auch ber
Königename Stiöld und es ftellt ſich dafür noch ein altnorbifcher Zeuge.
Lieb und Sage geben einem hochſtehenden Landſchutzmann in Garba-
reich, Thorir, den Beinamen Jarnſtiöld, Eiſenſchild 305,
4 Konrads von Würzburg Schwanritter (Altd. Wälder-3, 49 ff. [Der
Schwanritter, eine Erzählung von Konrad von Würzhurg, herausgegeben von
Dr Franz Roth. Franffurt am Main, 1861. & H.) 2. 116 ff.: „ein
ritter in dem ſchiffe jlief u. |. w. der belt uͤz fime fchilte gemadet hät ein
tüffin, üf dem fd Tac daz heubet fin u. ſ. w. fin heim, fin halsberc unde hoſen
die waren neben in geleit, ex häte fine waͤpenkleit mit im gefüeret Affe den je.”
5% ff.: „wan der Sahſen fürfte hoͤch fchein alfd Trefteriche, baz nirgent lebte
fin geliche über allez Niderlant, wan man dekeinen ritter vant als ellenthaft
ze Sahſen, er was ſo lanc gemahlen, daz er ze rifen was gezelt, bävon den
firithären belt niemant getürfte td beflän“ m. f. w. 724 fi. (Die Jungfrau
fpricht): „er (got) ſi ze fridefchilte mir gegeben hiute, fd daz ich mine liute und
mine lant behalte vor fraft und vor gewalte!” 745 (der Nitter:) „ioch bin ich
in biz riche durch dag nit komen und gefant, daz ich beichirmen inwer fant mit
kampfe wil noch hiute“ u. ſ. w. 761 ff.: „ich han des willen unde mit, daz ich
Linamen iuwer güt vor allem ungefelle binamen firmen well.” 770 fi.:
„gnäde und flizzegen danc dem ritter fie do feiten, daz er vor arbeiten fie wolte
ſchirmen unde friden.” (Der Sachſenherzog Hat zuvor das Land verheert, 19 ff.:
„ec koam gerkden in ir lant mit gewalbeclider hant und mit fö grözer heres
kraft, daz fi) die frame tugenthaft mit nihte konde fin erwern, wan er begonbe
fie verhern mit raub und auch mit brande, an liuten und an fande wart ir
verluft vil manecfalt n. |. w. er brach ir dürfer unde flede mit ſchedelichen
reifen“ u. ſ. m.). 1028: „den fchilt den fpielt er im inzwei“ u. f, w. (der
Herzog den Ritter.) Auch im Lohengrin, herausgegeben von J. Görres,
S. 17 [Herausg. von Rüdert S. 18. 8.]: „Der ſwane fur dem geftade bi, in
daz ſchif fo fchreit der junge wandels fri, der vater truc den fchilt in finen
henden, er reicht in finem finde dar“ u. ſ. w. S. 19: „Der ſwan ber wift
das ſchiffelin gein dem geftade, daruf fo ffief der ritter fin und bet ſich ſchone
uf finen fchilt geſtreket.“ Zu erwähnen ift noch, daß Fyridebrant von Schotten,
anberwärts Fridefchotten, eine Tochter Schiltungs (Skiöldängs) zur Ehe hat,
Zeitſchr. f. d. Atertd. 1, 7 f. Zufällig im Habsb. Urbarb, 245: „Offitium
Schiltungi, advocati in Meingen u. |. w. Daz find nutze unde reht u. f. w. im
der graͤfſchaft ze Frideberg.“ Wadern, Lejeb. 323, 19: „eim ſchilt jiner .mäge.“
%5 Hyndlul. 22 (Sem. 116): „Järnskiöldr börir.* Auch Sfidarima,
ein Gedicht aus dem 15ten Jahrh., weiß von ihm, Sagabibl. 2, 588. 8.
103
Ahnliches nun vom Helme. „Friduhelm“ (entfprechend dem „frider
ſchilt“) iſt ein altbohbeuticher Mannsname 306 und deren find noch
manche mit shelm zuſammengeſetzt. Eigenthümlich nennt das Beowulfs⸗
Lied den Dänenkönig Hrobgar, Skiblds Entelfohn: Helm der Skildinge 307;
eben diefer Skilding aber hat eine Frau vom Geſchlecht der Helminge 908
und auch der Stammname Helm erjcheint unter ben Königen des Vidſid⸗
liedes 309, Wie nun weiter Jarnſtiöld ale Landvertheidiger beftellt iſt,
ebenfo bat nad Hervörſaga Hialmar (Hialmheri), der Helmbeld, treue
Landwehr gehalten und den König in mancher Lebensgefahr beſchützt 310,
Hrölfs Gautrekss. C. 16 (Fornald. 8. 8, 114): „Pörir hat madr, henn
var Öndugishöldr Hälfdänar konfngs; hann var bedi mikill ok sterkr;
hann var kalladr iärnskiöldr, hann hafdi lengi verit par landvarnar-
madr.“. (Öndugishöldr ift ein hoher Reichsbeamter, Statthalter, der feinen
Pla mit auf dem Löniglihen Ehrenfite, öndvegi, hat; „ündvegishöldar
konüngse“ Fornald. 8. 2, 261. 282. Ebend. 81: „hann (Starkadr) var
öndugismadr hans (konfings) ok rädgiafi ok landvarnarmadr;“ zu önd-
vegi fonft ebend. Sachreg. 76856.) Obgleich in den romanbaften Theil der
Gautrelsfega verwoben, fheint doch Jarnſkliöld eine ſchon überlieferte Sagen⸗
geftalt zu fein, er ſcheut den Kampf und ſteht danıit zu den fireitgierigen
Berferten bes Königs Harald im Gegenſatz; hieher trifft noch die Stelle der
Gage (3, 183): „Rölfe koniingr melti PA: Pas setla ek, Pörir felagi,
at skiöldr pinn hafl litla vörn veitt konfingemönnum.“ In Sörla Pättr
iR es Jarnſtlöſds nachgelaffenes Echwert, mit dem Ivar Lidmi auf Haey
Rachtwache hält und dem geſpenſtiſchen Högni (Inhaber des Fluchſchwerts
Dainsleif, |. ob. Anm. 268) das Hanpt fpaltet (Fornald. 8. 1, 405): „Ivar
liömi Atti vörd at halda bessa nätt. En er allir menn vorn sofnadir
& skipum, tök Ivar sverdit, er att hafdi Järnekiöldr (a. à Heidar-
skögi), en borsteinn, son hans, hafdi gefit honum ok öll herkledi sin,
ok gekk uppä eyna.“ (Zu fchiltwahte j. Biemann 361 a. Rechtsalterthümer
956, 251.)
6 Trad. Wizenb. Nr. 27: „friduhelm.“ Neugart, cod. dipl. Alem.
Nr. 829 (a. 849): „Fridihelm.“ Cod. Lauresh. Nr. 1075: „Fridehelm“,
ebenjo Ar. 15%.
0 Beow. S. 30: „Hrödgar madelöde heim Scyldinga“, ebenfo ©. 37.
Hilwir Belannter Auedrud der Staldenfpradhe für König, Sn. 191.
8 Ebd. S. 49: „ides Helminga;“ vergl. „ides Scildinge“ („dis Skiöld-
ünga“ Sem. 169a. 2004. Myth. 373 f.).
9 Cod. exon. 320, 15: „Helm (veold) Vulingum.“
310 Fornald. 8. 1, 418 fagt Sialmar: „ek befi u. ſ. w. haldit her land-
rörn.“ (In Rafns Überf. 1, 824 find „de tvende kemper og Landveerns-
104
Er ift, laut der Saga von Orvarodd, in Gemeinschaft mit diefem, ein
raftlofer Vertilger räuberifcher Wilinge und bat für fi und feine Fahrt⸗
genofjen Geſetze milderer Gefittung, welche fireng verbieten, den Wöl⸗
fen gleich rohes Fleifch zu eſſen oder Blut zu trinken, Kaufleute und
Bauern meiter zu berauben, als für den Schiffbevarf durchaus nötbig
ift und doch gegen vollen Erſatz, Yrauen am Lande zu plünbern oder
gewaltfam auf die Schiffe zu führen 311, Bei der Werbung um Ingi⸗
biörg hält Hialmar fein Gefuch für gegiemender, ala das der Berferke,
bie nur Übles in diefem Reiche und an vielen andern Rönigen gethan;
die Königstochter felbft enticheibet fich für Denjenigen, der ihr einzig in
Gutem befannt ift?12, Nachmals will Sialmar nicht einmal in ben
Grabbügel zu ſolchen Unholden gelegt fein 313, Nicht umfonft ift es
das fruchtbare Upjalaland, das Hialmar zu mahren hat; der König
Ungvi und feine Tochter Ingibiörg gehören auch den Namen nach zum
Geſchlecht der Ynglinge, deſſen Friedens- und Segenszeit ſchon oben
in Betracht kam 314, Im ſittlichen Gegenſatze des milden Hialmars zu
meend“ wohl ein erläuternder Beiſatz) Ebd. 516: „ok 1 mörgum lifehäska
fyrir ydr verit.*“ Auch der einfache Name Hielmr fommt in nordifhen Sagen
vor, in einer für diefelbe Perſon abwechſelnd mit Hialmar (Fornald. 8. 3,
696 5); Letzteres auch umter den Namen der Serlünige Su. 209a.
211 Fornald. 8. 2, 194. 525 f. Kafn. 2, 174 f.); gegen diefe „vikin-
galög“ find diejenigen kriegerifcher, welchen Hälfs Reden folgten, Fornald. 8. 2,
36 f. 53 f., vergl. 3, 351: „herja at rettum vikingalögam.“ Sagabibl. 3,
63 f. 70 f. Vergl. Seem, 1590: „ok hafdi Par strandhögg, ok ätu par
rätt.“ Ebd. 160, 6 f.
3% Fornald. 8. 1, 418: „er bat mukiigra, at ber veitid mör bessa
bon, heldr enn berserknum, er 1llt eitt hefir giört bedi 1 ydar riki ok
margra annarra konünga.“ (516: „pikkist ek ok makligri mina ben at
Piggja, enn berserkir bessir, er hverjum manni gera illt.“) 419: „pa will
hün bann eiga, er henni er kunnigr at gödu, en eigi hinn, er hün hefir
sögur einar af, ok allar illar, sem er frâ Arngrims sonum.“ 516: „pa
vil ek ann eiga, er mör er ddr kunnigr at gödum lutum, en eigi hann,
er ek hefir ekki af annat, enn sögur einar, ok allar illar,“
813 Ebd. 2, 221: „Nü vil ek bess bidja bik, sagdi Hiälmarr vid Odd,
at DA lätir mik eigi verda lagdan i haug hiä sv& illum vettam, sem
berserkirnir eru, fyri vi ek bikjumst miklu betr at mer enn heir.“
34 Statt Mngvi wird der König in andrer Lesart Ingialdr genannt,
beides in Vogl. S., doch ohne Beziehung bieher, Namen von Upfalafönigen.
Örvarodds 8. nennt ihn nad) der einen Faſſung Ingialdr enn illrädi (2, 524 fi.
105
dem tobenven Berferk ift jedoch ver urſprüngliche und unmittelbare bes
Helmes zum Schilde nicht verloren. Schon - daß Hialmar gewöhnlich
in voller Rüſtung, wie in ber Feldſchlacht, einhergeht, zeichnet ihn als
Mann der Schutzwaffe 315. Er bat eine Brünne mit vierfachen Ringen,
in ber er nie zubor verwundet worden 316, während fein Gegner ohne
Harniſch, einzig dem Fluchſchwerte wertrauend, in den Kampf rennt 317,
Auf den Helm befonvers ift das Schwert gemünzt; ſtaldiſch heißt es:
Helmsfeuer 38. So fährt denn auch der flammende Tyrfing in Hial
mars Helm. „Dein Helm ift gerhbauen”, jagt Odd, „und bie tiefe
Brünne, nun fährt auch dein Leben Hin” 319. Sechszehn Wunden hat
Hialmar und fterbend bittet er den Freund, Helm und Brünne zum
Wahrzeichen in des Königs Halle zu tragen, die Befinnung werde ber
Königstochter vergehen, wenn fie den Schirm vor der Bruft zerhauen
ſehe 2ꝛ20. Wirklich legt Odd hernach Brünne und Helm des Erſchlagenen
auf den Eftrih vor den König nieder 921, Der Poefie des wilblodernden
Kampfmuths gegenüber, die an den Schwertmännern fich entfaltet und
im Beichwörungslied ihren höchften Schwung nimmt, ift der milde Geift,
der überall um Hialmar weht, gefühlvoll im Abjchiedsgefange des edel
Helven bargelegt: fünf Höfe bat er daheim, in feines Vaters Halle
vgl. Yngl. S. 6. 38), nach der andern frembartig Hlödverr (2, 191 fi... Ter
Name Ingibiörg geht durch alle Darftellungen.
315 Fornald. 8. 2, 210: „Hiälmarr var sv& vanr at ganga, at hann
hafdi öll herkledi sta, bau sem hann hafli 1 bardögum.“
s16 Ebd. 215: „pviat ek hefi brynja pä, er ek hefir aldri sär 1 fengit,
hün er sett ferföldum hringum.*
317 Ebd.: „en ek hefi sverd bat, er Tyrfingr heitir, ok dvergar smi-
dudu, ok bötu, at hvergi skyldi 1 höggi stad nema, hvort fyrir eru iärn
edr steinar.“
318 Sn. 162: „hißims-elldr*, aber auch „brynju-elldr.*
319 Fornald, 1, 426: „hiälmr Pinn er höggvinn ok & hlid (in stda)
brynje, nü tel (a. kved) ek flörvi ok farit binn“ (vergl, 2, 216).
20 Ebd. 2, 218: „Berr pü til synie, sd er minn vili, hiälm ok brynju
1 Böll konüngs; hugr mun gängast hilmis döltur, er hün höggna str hlif
fyri briösti.“ (Berg. 2, 121.)
“1 Ebd. 2, 228: „Hann gengr inn 1 höllina, ok hefir brynju Hiäl-
mars 1 hendi ser, ok svä hiälm hans, ok leggr nidr & hallargölfit fyri
konfingi.“ Weiterhin bei der Beſtattung 223 f.: „p& er fram borinn hiklmr
ok brynja, er Hiälmarr hafdi &tt, ok Pikir mönnum mikils verdt um
afrek hans, ok hv& mikit honum hefdi til fiörs verit,“
106
trinken ftattlihe Hausmänner Meet und Bier im Überfluß (wieder bie
Fülle des befrieveten Landes 922), während er auf Samsey vom Schwerte
zerhauen liegt; von holden Freunden, vom ſchönen Gejange ber Mädchen
ift er hinweggefahren; Ingibiörg hat vorausgefagt, daß er nicht wieder⸗
fehren werbe, und jebt ſendet er ihr den golbrothen Ring von feiner
Hand; fchon fieht er den Raben vom Baume fliegen und ihm nach ben
Adler, der fein Blut koſten wird. Aber ber treue Gefährte nimmt vie
Leiche auf den Rüden, trägt fie zu Schiffe und läßt fe vor der Königs:
balle nieder; ber jungen Ingibiörg Bringt er den Ring und gebrochnen
Herzen? finkt fie in den Stuhl zurüd;. da legt er fie dem Todten in ben
Arm und beibe werben in Einem Hügel beftattet 323, Ein altes Vorbild
rührender Balladendichtung.
Sagen vom Pfeile find heimisch in dem norwegiſchen Geſchlechte,
welchem Orvarodd beigezählt wir. Dieſer hat drei anererbte Finnen⸗
pfeile, die, goldbefiedert oder goldgeröhrt, von ſelbſt auf die Sehne
zurück fliegen, auch Alles treffen, worauf fie gewieſen find, denn fie
find von Zwergen gejchmievet 32%. Von ihnen kommt aud) Odds Bei
name 325, Gleichwohl hat er fie gerade beim Streit auf Samsey im
Schiffe zurüdgelaffen und erfchlägt bie eilf Berjerke, die ihm als Kampf:
theil zugewiefen find, mit dem Blode, den er eben im Walde gehauen,
um baraus ftatt des zerbrochenen Steuerrubers ein neues zu zimmern 32%,
2 Zu „medir marga munngät firda“ vergl. das genher „pik kved
ek m&da margar undir.“
223 Fornald. 8. 1, 426 ff. (vergl. 1, 427.) 2, 216 ff., am letztern Orie
Ovaroddsſ.) ift die Erzählung ausführlicher.
34 Fornald. 8. 2, 173: „Oddr frendi! sagdi Grimr (Odda Bater),
bat era priär örver, en Per eiga nafn, ok eru kalladar Gusisnautar,
Hann selr nd Oddi örvarnar; hann litr a, ok meelti: Petta eru hinar
mestu gersimar; ber vorn gulii fidradar, ok per flugu siälfar af streng
ok & ok Purfti aldri at leita Peirra. bessar örvar tök Ketill heengr (ber
Großvater) af Gusi Finnakonüngi; Peer bita allt Pat, beim er til visat,
Priat Peer eru dverga smidi.“ (Sie haben weibliche Namen: Flög (?), Hremss,
Fifa, ebd. 122, vgl. Sn. 2160, Gr. 3, 444.) 2, 511: „ber vann ek(?) af
Gusi Finnskonüngi, en ber munu siälfar fliüge eptr & streng, ok allt
munu Per hitta, hat beim er atskotit u. |. w. feer voru gulli reyrdar.“
25 Ebd. 2, 186 f. 519 f.
6 Die dentlichſte Meldung bei Saro 5, 658: „Quippe Hialmerus atque
Arvaroddus, quorum jampridem abrupto gubernsculo tempestas navigis
107
Auch fonft kommt es in feinen Abenteuern vor, daß er fih, in Ermang-
lung der Pfeile, zur Kampfführung eine Keule zurichtet 3277. Aber eben
darum, weil er auf Samsehy ſich nicht feiner eigenften Waffe bebient,
it er bier nicht Hauptlämpfer, fondern auf diefer Seite ift es Hialmar,
ber fih mit dem Führer Tyrfings mißt; eine Gegnerſchaft, die ſoviel
gilt, ald wenn Odd die andern Eilfe auf fih zu nehmen hat3?5, Im
laceraverat, alterius excidendi gratia nemus ingressi, ligni rudem extenua-
vere materiam eo usque truncum dolabris ambientes, donec navalis in-
strumenti formam vastum robur indueret. Quod quum humeris impo-
situm soc:s cladis ignari deferrent, ab Osurs filiis recenti oppressorum
eruore madentibus lacessiti, duo cum pluribng fereo decernere coacti sunt
uf. w. Qui (Arvaroddus) informem adhuc gubernaculi truncum incere-
ditili libratum nisu tanta vi hostium adegit corporibus, ut duodecim(?)
unico ejus impulsu contusos elideret.“ Während Herv. S. ganz hievon
ſchweigt und ihm vielmehr ein gutes Schwert in die Hand gibt (Fornald. 8
1, 425), läßt Örv. 8. die Helden erft nach MWerfholz ausgehn und dann den
Srvarobb, der fein Schießzeug zurüdgelaffen und nur eine Art mitgenommen,
beim Anblid der Berſerle in den Wald wiederkehren und ſich noch beſonders
eine Keule bauen, Fornald. S. 2, 210: „Pat hefir atgengit um dagion &
skipi Odds, at Ihüsasnotra hefir isundr gengit (a. hnisa hefir gengit af).
En er morgun kemr, gänga peir & land upp, Oddr ok Hiälmarr', at höggva
ser efnitrö u. |. w. Oddr hafdi eptirlätit örvameeli sitt at akipum nidri“
u. ſ. w. 211: „peir Oddr gänga ofan ok Hiälmaır frä mörkinni. Nü
nemr Oddr stad, ok stingr vid Sötam“ u. f. w. 213: „bs meelti Oddr:
Peita kemr eigi vel vid, sagdi hann, p̃riat örrameli mitt ok Logi 14
eptir vid skip nidri, en ek hefi bastöxi eina 1 hendi u. |. w. Oddr gengr
nü aptr 1 mörkina, ok höggr ser kylfu eina“ n. ſ. w. 215: „Nü gänga
heir fyrat fram, Haddingjar tveir, en Oddr )Ystr sitt kylfuhögg hvora
beirra, ok Burfa beir ekki fleiri.“
57 Namentlich vor einem Kampf in Biarmaland, zum Theil wörtlich) kim
mend mit den zuletst ausgehobenen Etellen, 2, 177: „p& siingr Oddr vid fötum
u.|.w. beir si& nü allir mannfiöldann. Eigi er Petta-allvel Akomit, sagdi
Oddr, fyri pri at örvameli mitt er at skipum nidri; en nf mun ek snfa
aptr at mörkinni, ok höggva mèr kylfu eina med bastöxi bessi, er ek hefhi
it bendi u. f. w. en er hann kemr aptr, hefir hunn störs kylfu 1 hendi.“
Bergl. noch 2, 251. 291. 2.6, befonders die Worte: „p& kom Oddi 1 hug,
at hann hafdi mikile mist, Par er Gusisnautar voru honum horfnir.
Hann snfr b& iburt ür bardaganum ok 1 sköginn ok höpgr ser eina
störa kylfu“ u. ſ. w.
28 Ebd. 1, 423 f.: „peir Hiälmar sid, at Angantyr hefir Tyrfing 1
hendinni, Dviat Iyeti af honum, sem sölargeisla. Hiälmar melü: hvort
108
Ganzen aber konnten Orvarodd und Hialmar nur als Vertreter ber
Waffen, nad denen fie genannt find, fich als Jahrt: und Kampfgenoſſen
zufammenfinden. Jener wirb, wie biefer, als Landſchutzmann bezeich⸗
net 329, er gebraucht (mie Herakles) Bogen und Keule hauptfächlich gegen
gemeinſchädliche Ungethüme in Menfchen« und. Thiergeftalt. Iſt der
Pfeil auch nicht wie der Helm bloße Schutzwaffe, fo dient er doch in
ben Schükenfagen, mittelft feiner zwar binterkiftigen, aber fichern und
fernhintreffenden Wirkſamleit, ald Helfer und Rächer des Unterbrüdten
ober Alleinftehenben gegenüber dem Gewaltigen. Für jest ift von Pfeil:
fagen nur noch das beizubringen, daß, wie ſchon Odds Pfeile Schmied»
werd ber Zwerge find, fo von einem fpätern Abkömmling besfelben
Stammes, An, dem Bogenbieger (bogsveigir 330), erzählt wirb, er habe
am Waldbach einen Zwerg vom Steine weggebannt und dadurch ge
nötbigt, innerhalb breier Nächte einen Bogen, nach dem Maß von Ans
frübzeitiger Größe und Stärke, und dazu drei Pfeile zu ſchmieden, mit
deren jedem er einen berühmten Meifterfchuß vollbringen jolle 391; gleich⸗
artig und vielleicht nur nachgeahmt der Eage, wie Tyrfing gewonnen
warb, an dem bie drei Nidingswerke haften, aber ein weiteres Zeugnis,
wie fehr man bedacht war, jeder befreundeten Waffenart mythiſche Weihe
und höhere Bebeutfamleit zu verleihen.
Es ergibt fi) aus dem Bisherigen die Ahnung einer umfafjenden
Waffenfage, welche je in der beſondern Waffenart ein bebeutendes Le
bensverhältnis, im Gegenſatz, Berein over Zujammenftoß verjchiedener
Arten aber das Lebensganze eines waffenrüftigen Volles finnbilblich
viltu heldr eiga vid Ängantfr einn, eda vid breedr hans 11? Oddr svarar:
ek vil berjast vid Ängantfr, hann mun gefa stör högg med Tyrfingi, en
ek träi betr skyrtu minni, enn brynju pinni til hiifdar. Hiälmar meelti:
hvar kvämu vid par til orrostu, at bü gengir fram fyri mik; vilta bri
berjast vid Ängantfr, at ber Pikkir bat meira prekvirki; nt em ek
höfudsmadr bessarar hölmgängu u. ſ. w. ok skal ek berjast vid Ängan-
tyr.“ Bergl. 2, 215.
829 Ebd. 2, 536: „Oddr hefir nü landvörn fyri Gardartki.“
80 „Bogsveigir*, ben Anlaß bes Namens berichtet Äns Saga C. 3, ebd.
2, 329 fi. GBergl. ebd. 2, 290: „Oddr sveigdi älm“ u. ſ. w. (Schriften 1,
165. 7, 198. &.])
81 Fornald. 8. 2, 327. 338. ®ergl. den Drud der Saga bei Ziörner
C. 3. [5. 743.] Der Zwerg beißt Litr, wie der im Mythus von Balbr, Sn. 66,
109
barftellte 372. Hervörfaga felbft, in der ſich biefer Ausblid öffnet, ift
übrigens, wie fie vorliegt, gewis nicht aus Einem Guſſe berborgegangen,
ed bat in ihr ein uralter mythiſcher Keim immer meitere Ringe ge
trieben, näher ober ferner verwandte Überlieferungen murben dadurch
angezogen und ſchließlich verlor fih in millfürlicher Anfpinnung und
Fortdichtung der leitende Gedanke. Schauplatz ver Begebenheiten ift
bauptfächlih das baltifhe Meer mit ben beibfeitigen Küftenlänbern.
Den beftimmteften örtlichen Anhalt zeigt Die Saga in ihrem Mitteltheile,
dem Streit auf Samsey, der Shen von Saro geſchildert iſt. Dorthin
fahren die Arngrimsföhne, deren Heimat balb auf ein norwegiſches
Eiland, bald nad Schweden verlegt wird 39%, Aus Schweden Tommt
auch Hialmar, der Hüter biefes Landes, mit jeinem norwegischen Waffen
bruder Orvarodd, und fo fehr Diefer felbft der Fabelwelt verfallen ift,
werben boch ivenigftens die Namen feines Vaters und feines Ahns in
einer geichichtlihen Saga angeftreift 294. In feiner eigenen wird an:
geführt, daß Männer, die auf Samsey gewejen, bezeugen, man jehe
bort noch die Hügel, die er aufgetworfen; auch fpätere Volksſage auf
332 Die Shythen opferten tem Schwerte, Alinales (Herod. 4, 62), Wenn
nun nah %. Grimma Forſchungen Skythes, der Stammvater ihrer Könige,
Sohn des Herafles oder des Zeus ſelbſt, vom Geſchoſſe (PBlin. 7, 57: „arcum
et sagittam Scythen, Jovis filium, invenisse dicunt“) und Balmoris, der von
Stythen und Geten vergötterte Weile (auch Hialmar gibt Geſetze), muthmaßlich
vom Helme den Namen bat (fib. Zornand. 25 f. Spradhg. 187 f. 219. 220 f.
281. 771; vergl. no 222 f.: Styles, Stoloten, 460 f.: Baflarnen, Herod.
4, 5: Targitaos, Or. 3, 445), jo würde ſchon bort ein meitgreifender Waffen⸗
muthus beftanden haben. Nah Jornandes C. 35 [S. 128] kam das ſtythiſche
Schwert in Attilas Hand und auch auf deutſchem Boden (D. Myth. 186 f.)
bat ich, wie Fiſchart es nennt, Etzels „hochgeadlet unglädichwerb” fagenhaft
fortvererbt, D. Heſldenſ. 811 f.e Myth. 185 f.
83 Fornald, 8. 1, 413: „A ey peirri & Hälogalandi, er Bölm het“
(vergl ebd. 514); auch „Bölmey* ebd. 417. 2, 212: „? Bölm austr.“ Das
gegen bei Saro 5, 92: „Arngrimus, pugil Sreticus.“ Afzeliuß, Svenska
Folkets Sago-häfder 1, 70: „Pä en ö i sjön Bolm i Smäland sutto en
winter Arngrims tolf söner, alla grymma och wida ryktbara kämper.
Mänga sügner och minnesmärken efter dem skola i det landet ännu
finnas.“
4%. E. Müller, Sagabibt. 2, 528 f. Über Odd felbft ebd. 597 f.:
„Orvarodd nævnes ei i nogen Genealogi uagtet det hed at mange skulde
nedstemme fra hans islandske Datter (vergl. Fornald. 8. 2, 322. 559).“
110
Samsey und Drtöbenennungen in Norwegen haben fein Gebächtnis
bewahrt 335, Altnorbifches Gepräge bat vor allem auch der Verferlägang
und die Grabbeſchwoörung. Das Meifte dagegen, was fonft diefem Holm:
Iampfe vor» oder nachgeht, begibt fich, foweit es nicht dem gänzlich
märchenhaften Reiche des Könige Godmund in Gläſisvellir angehört 3%,
auf bem jenfeitigen Feftlande, in Garbareih und auf Albergjuborg
(Rußland und Laboga 337), ſodann in dem ungewiſſen Reibgotalanb und
auf deſſen Grenze gegen Hunaland.
Diejen Gebieten, welche dem norbifchen Sagenſchreiber in unbe⸗
ſtimmter Vorſtellung lagen, iſt namentlich der Mythus vom Urſprung
des Schwertes, ſowie gröſtentheils auch die Vollführung der daran
haftenden Nidingswerke, zugewieſen und damit erlangt die bedeutſame
Schwertſage in ihren Grundzügen ein allgemeiner germaniſches Heimatrecht.
Für den nächſten Zweck gegenwärtiger Unterſuchung iſt es nun
erheblich, daß eben in jenem den Keim des Ganzen in ſich ſchließenden
Mythus der Name des erſten Erwerbers das Wort svafr an ber Stirne
885 Fornald. S. 2, 222: '„ok er bat sagt af beim mönnum, er bar
hafa komit, at enn siâi bess merki t dag, er Oddr giördi PA.“ Sag.
Bibl. 2, 539: „Torfeeus anförer, hist. Norvag. P. 1, 274, at man til hans
Tid viste i Omegnen af Gaarden Beruriodre baade Orvar Odds Höi og
Faxes (eines Pferdes) Sö.* 2, 587: „Vi have altsaa Grund til at antage,
at Kampen paa Samsö er et wldgammelt historiskt ved Sarge förtplantet
Sagn. Gienklang heraf i det syttende Aarhundrede i de Minder, Sam-
singerne havde om Orvaroddshöi og Brödregravene (Torfei series regum
Dani® p. 35, 50. Thuras, Beskrivelse over Samsö 8. 70, danske Atlas,
8. 257, Antiqvariske Annaler 1 B. 8. 36, 37).
835 Über Godmund nnd fein Reich f. Sagabibl. 8, 247 ff. D. Muth.
783 ®;, die Sage von ihm bedarf noch befondrer Forſchung. Im 1 Gap. ber
Herd. S. bildet Godmund, der nah feinem Tode göttlich verehrt wird, mit
feinem Sohne Höfund ebenfo die mythiſche Unterlage für die friedſame Richtung,
wie der Stromriefe Hergrüum flir das Berſerkweſen; find Glesisvellir (Glanz
wiefen), wie ich vermutbe, das milde Land bes Frühlings, fo iſt auch auf biefer
Seite ein Naturmythus untergeflellt. Der Name Höfandr bebeutet einen oberſten
Nichter (Fornald. 5.1, 58), Höfund iſt Gegenſatz feiner. ungeftiimen Gemahlin
Hervör und hat den Ruhm bes weifen und unträglichen Urtbeilfpruchs (ebd.
411 f. 513. 452 f. 526 f.), fo daß felbft auf feinen Sohn Heidrek, in dem bie
zwiefpältige Sinnesart ber Eltern ſich befämpft, die Vorliebe für Geſetzgebung
und Gericht übertragen wird (ebd. 462 f. 531 f.).
37 Zeuß 546.
111
trägt. Die früheren Nachweiſe, daß damit das Schwert gemeint jet,
werben beträchtlich verftärkt, wenn nunmehr basfelbe Wort an der Epike
derjenigen Sage fteht, welche einzig und mit großer Vollſtändigkeit dem
Weſen und Wirken des Schwertes gewidmet iſt.
Neben dieſem Hauptnamen Svafrliomi lautet noch in der größeren
Hervörjaga ber mweiblide Eigenname Sväva wie ein verfprengter vor-
maliger Stabreim nad. Er ift zwei Frauen in verſchiedenen Theilen
der Saga angeeignet. Svaͤva (a. Tdfo), die Tochter des Jarls Biartmar
bon Albeigjuborg, ift eben nur burd ihre Verwandtſchaft mit den exften
Befigern Tyrfings bemerkenswerth, mit Spaftrliomi im Namenlaut, mit
Anganthr und Herbör ald Gattin und Mutter 338, Die zweite Späva
tritt viel fpäter ein, zum lebten Theil der Saga, der auf einem ur:
ſprünglich nicht zu biefer gehörenden, felbftändigen Sagengrunbe beruht.
Bruder: und Berwandtenmord, zwei auf Tyrfing gelegte Nidingswexrke,
find ſchon in Erfüllung gegangen. Heidrek, Hervörs Sohn, hat feinen
mülderen Bruder, der auch Angantyr hieß, mit dem unheilvollen Schwert
erichlagen 839, In der Verbannung kommt er hierauf zum König Harald
von Neidgotaland und erhält für tapfere Dienftleiftung deſſen Tochter
Helga zur Gemahlin, fammt dem Königsnamen und der Hälfte bes
Reichs; ald aber nachmals ein Misjahr einfällt und gemeiflagt ift, es
werbe nicht befler kommen, bevor nicht der vornehmfte Jüngling im
Lande geopfert fei (vgl. Leo, Beow. 84), und als ein Schiebsrichter-
ſpruch nicht den Sohn Haralds, fondern den Heibrels, für den erften
erlennt, da willigt der Baier unter dem Bebing ein, baß bafür je ber
zweite Mann Haralds in feine Gewalt gegeben und vereibet werde;
ſobald nun dieß geichehen, erflärt er, Odin werde vollen Entgelt für
einen Knaben erhalten, wenn dafür König Harald lomme mit feinem
Sohn und feinem ganzen Heere, alsbald läßt er bie Heerbörner blafen,
wendet die eben geivonnene Schaar gegen bie feines Schwähers und
wütbet dermaßen mit Tyrfing, daß Harald, befien Sohn und ein großer
338 Den ganzen Zuſammenhang gibt die erſte St des Beichmörungs-
liebes, Fornald. 5. 1, 435 (vergl. 519): „Vakna Bü, Ängantsr! vekr Bik
Hervör, einkadöttir ykkar Sväfu; seldu fir haugi hvassan meki, bann
er Svafrlama slöu dvergar.“
539 Ebd. 1, 448 (vergl. 524): „br& hann pä Tyrfingi, ok hi6 Ängantf
banahögg, uk vaon fyraetr nidingsverk med sverdinu.“
112
Theil ihrer Mannſchaft fallen, worauf er mit dem Blute der Ber
wandten die Altäre färben läßt und die Gefallenen indgefammt ftatt
feines Sohnes dem Din gibt; Helga erhängt fi im Tempel, Die
heibnifche Kriegsfitte, wie fie Schon bei Katten und Hermunburen bor-
fam, das feindliche Heer den Göttern zu weihen, eignete fich fehr, unter
die blutigen Werke des Schwertes aufgenommen zu werben, zum Nei—⸗
dingswerk aber wurbe fie erfi dadurch, daß fie gegen die Anverwandten
gerichtet war 341. Nachdem dann auch das dritte biefer Werke durch
den Meuchelmord an Heidrek felbft zum Vollzug gelommen, fo waren
die Sluchgefchide Tyrfings gänzlich zum Ende geführt 242, Gleichwohl
ift zum Schluſſe noch eine ausführliche Kriegsgeichichte herangezogen
worden, in ivelcher ber mörberifche Kampf zwiſchen Brüdern und Ber
wandten fich wiederholt und fteigert. Heidrek hatte auf einer Heerfahrt
nad) Hunaland den dortigen König Humli befiegt und deflen Tochter
Eväva ala Kebsweib hinweggeführt, bald aber fie in die Heimat zurüd:
gefickt, wo fie einen Sohn, Hlödr oder Hlöbver, gebar, ber beim
Mutternater aufgezogen wurde, Nach Heidreks Ermorbung folgte fein
Sohn Anganthr, derſelbe, für den das Dpinsopfer gefallen war, als
König der Reidgoten. Aber fein Halbbruder Hlöbr verlangte die Hälfte
bed Erbes und als ihm Heibref nur ein Drittheil anbot, brach er, obs
gleich erſt zmölfjäbrig, mit einem ungeheuren Hunenheere durch ben
Grenzwald Myrkvid in das Land ber Neibgoten ein, wo er am Schluß
einer zehntägigen Schlacht von feinem Bruder mit Tyrfing erfchlagen
840 Ebd. 1, 451 fi. 526 f. befonbers 454: „Hann (Heidrekr) meelti P&:
ov& lizt mèr, (at) goldit muni vera Odni fyrir cinn svein, ef har kemr
fyrir Haraldr konüngr ok son hans, ok herr hans allr u. ſ. w. L2t
Heidrekr konüngr bä riöda godastalla blödi Haralds konüngs ok Bälf-
dänar, en fal Odni allan bann val, er bar hafdi fallit, til Arböter, 1 stad
Änganifrs, sonar sins. Ok er Helga droitning freätti fall födur sins,
fengu henni sv& mikils bessi tidendi, at hün heingdi sik i disarsal (a.
disardal).“ 527: „kvedst hann petta fölk gefa Odni fyri sun sinn, ok
let riöde stalla bIödi konfings ok Hälfdänar, sunar hans; kona hans för
ser 1 disar sal.“ (Vergl. Yngl. S. C. 18.)
341 Ebd. 454: „ok vard Heidrekr konüngr banamadr mäga sinna;
er Pat talit annat nidingsverk unnit med Tyrfingi, eptir älögum dverg-
sing.“
812 Ebd. 488: „er betta talit hit Pridja nidingsverk unnit med Tyr-
fingi, eptir Pvi, sem dvergrinn hafdi fyrimelt, voru nü endut hau &lög.“
113
wird 343, auch Humli ift umgelommen und bie Hunberttaufenve bes
Hunenheers find bis auf wenige Hundert erfchlagen oder im Blut er:
trunlen. Die Übertreibungen und Wiederholungen dieſes lebten Theils,
in welchem auch eine neue Hervör, Schweſter Heibrels, mitkämpft und
dad huniſche Heer dem Zorn und Epeerwurf Dbins überantwortet
wird 344, Fönnten barin beitärfen, daß bier nur willlürlich zugebichtet
fei, um die Gedichte des Fluchſchwerts mit einem Prachtitüde zu bes
ſchließen, einer Hunenfchladt, ivoran berlömmlich die Vorftellung zahl
lofer Heereömenge und maßlojen Blutvergießens gelnüpft war 3!d. Bei
43 Diefen Brudermord rechnet Angantr nicht mehr dem Bwergflud, ſon⸗
dern dem Epruce der Rornen zu, Fornald. 8. 1, 506: „illr er dömr
Borna.“
Hi Der greife Held Gizr reitet dem Hunenheer entgegen und ladet es auf
das beſtimmte Schlachtfeld; dabei ruft er mit Sauter Stimme die Verwünſchun⸗
gen (ebd. 501 f.): „Felmtr er ydarr fylki, feigr er ydarr visir, greefr ydurr
gunnfari, gramr er ydr Odinn u. f. w. ok lati sv& Odinn fleinn fliüge,
sem ek fyrimeeli.“
5 So fon die Beichreibung der catalaunifhen Schlacht bei Jornandes
€. 131: „Manu (manus) manibus congrediuntur, bellum atrox, mul-
tiplex, immane, perlinex, cui simile nulla usquam narrat antiquitas,
abi talia gesta referuntur, ut nihil esset, quod in vite sua conspieere
potuisset egregius, qui hujus ıniracuali privaretur aspectu. Nam Bi senio-
ribns credere fas est, rivulus memorati campi humili ripa prolabens,
peremptorum vulneribus sanguine multo provectus, non actus (auetus)
imbribus, ut solebat, sed liquore concitatus insolito, torrens factus est
eruoriu augmento. Et quos illic coegit in aridam sitim vulnns inflictum,
Auenta mixta clade traxerunt: ita constricti sorte miserabili sorbebant
potantes sanguinem, quem fudere sauciati.* ©. 134 f.: „In hoc enim
famosissimo et fortissimarum gentium bello_ab utrisque partibus elxij
(elzv) millia cwsa referuntar, exceptis xe millibus Gepidarum et Fran-
corum, qui ante congressionem publicam noctu sibi Occurrentes, mutuis
eoncidere vulneribus, Francis pro Romanorum, Gepidis pro Hunnorum
parte pugnantibus.“ Dietrichs Flucht 9247 ff.: „ih Han ez lazzen uz der
zal, daz ich ez nymmer tar gefagen, jo wil (als) ir (der Hunen) da wart erjlagen.
nu fecht, wie ein not dag was, (daz) velt, blumen und gras nur von blut(e)
alles za! man fach die guzze hin ab gan als von dem regen tut ein pach; bie
toten nieman vor (dem) biute ſach.“ (Ebd. 6560 f. 6574 fi. 8856 fi. 9072 f.
9636 fi. Schlacht vor Naben 745. 750 f. 753.) Gare 5, 89: „Hac virium
fiducia cum Hunis pugna conseritur. Cujus prima dies tanta interfecto-
rum strage recruduit, ut precipui tres Ruscie fluvii, cadaveribus velut
Ufland, Säriften. VII 8
114
allem dem ift auch biefer Theil der Saga reich an Zügen altertblim-
licher Sitte, namentlich hat fich in den eingetwobenen Strophen, ſoviel
auch hier überarbeitet und zugejet fein mag, ber Nachklang des ächten
Heldenlieds erhalten, enblih, was das Wichtigfte, kann der Inhalt
dieſes letzten Abſchnitts ſelbſt als anderwärts beglaubigt nachgemwiefen,
wenn auch nicht mehr hinreichend aus der Verdunllung gehoben werben.
Saro, der feine Stammiafeln mit Humblus und deſſen Eöhnen Dan
und Angul beginnt und fofort mit Dan das bänifche Konigsgeſchlecht
eröffnet, gibt diefem zwei mit einer hochgeitellten Deutfchen erzeugte
Söhne, Humblus und Lotherus 34, und läßt erſt von lekterem ben
fonft obenanftehenden Sliold abftammen. Die beiven Söhne Dans find
gleihnamig mit Humli und Hlöbhr der Hervörſaga, aber aud mas
bon ihnen erzählt wird, ift ein Bruberfrieg um bas väterliche Reich.
Humblus wird nah bes Vaters Tobe zum König erloren; die Wäh—⸗
Ienden ſtehen auf Steinen, die im Boden befeftigt find. Bon feinem
Bruder befriegt und gefangen, muß er fein Leben mit Abtretung bes
Reiches erfaufen. Lother wird nachmals zur Strafe für feine Gewalt:
thaten vom Volke getöbtet 317, Ynglingafaga C. 20 weiß von einem
König Dan dem Hoffärtigen (mikilläti), nach welchem Dänemark (Dan-
ponte conatrati, pervii ac meabiles fierent. Pıreterea quantum quis itineris
per triduum equo conficere posset, tantum locorum humanis cadaveribus
impletum videres. Adeo spatiosa cedis vestigia erant. Itaque prelio
septem dies extracto, occidit rex Hun“ u. J. w. Und nun von der zehn-
tägigen Hunenfchladit der Herv. S. 505: „nefna fornsögur eina bessa orro-
atu mesta fyri nordan haf.“ 6508: „At morgni komanda ltr konfinge
kanna valinn, ok fannst bar enginn lifandi madr, höfdu Beir allir druk-
nat 1 biödinu, er sik b&ru eigi af vigvelli.“ 509: „ver bessi orrostu-
stadr 8 milur 1 kriog, sem valrinn hafdi fallit; eör nü enn 1 dag merki
til hauganna.* Die meiften diefer Schladdten werden von Gothen (Amelungen)
und Hunen gefchlagen. [Bergl. Heldenf. 70 f.]
46 Saro 1, 5: „Verum a Dan (ut fert antiquitas) regum nostrorum
stemmata, ceu quodam derivata principio, splendido successionis ordine
profluxerunt. Huic filii Humblus et Lotherus fuere, ex Grytha, sumne
inter Theutones dignitatis matrona, suscepti,*“
7 Das Ganze bei Saro 1, 5. Die Stelle von der Königswahl: „Lec-
tari regem veteres affixis humo saxis insistere suffragiaque promere con-
suererant, subjectorum lapidum firmitate facti constantiam ominaturi. Quo
rita Hamblus, decedente patre, novo patrie beneficio rex creatus“ u. f. m.
115
mörk) genannt ift; hier erfcheint er aber ald Sohn des Könige Danp,
deſſen Bater Rigr heißt, Im Eddaliede von Nig, der, ein irdiſch
wanbernder Gott, die verſchiedenen Stände zeugt, werben bie ftabrei:
menden Danr und Danpr nicht genenlogifch, fondern nur als Tampf-
rüftige Beſitzer Toftbarer Hallen und hohen Stammabelgut3 (ödal)
angezogen 349. Dampstadir, auch Stadir Dampar, Damps Stätten,
wird in Herbörfaga die Hauptburg Neidgotlands genannt; Hlöd ver:
langt von feinem Bruder mit andrem Halbtheil den herrlihen Wald
Myrkoid und den glänzenden (berühmten) Stein auf Damps Stätten, die
halben Heerburgen Heidrels, der Etein am Königsſitze bezeichnet aber
doch wohl die oberfte Gerichts: und Verfammlungsftätte und gemahnt
an die Dingfteine bei Saxo ꝰoo. Wieder in einem Eddaliede läßt der
% Yngl. 8. C. 20. Eine Stammtafel in Fornald. S. 2, 12 gebentt
„Dans ens mikilläta® erſt im adten Gliede abwärts von Skibld, ohne Er-
wähnung Danps. Bergl. J. Grimm, Sprachg. 732 4.
59 Sem. 1065 (Mund 665): „Ä Danr ok Danpr dfrar hallir, adra
ödal en ber hafit“ u. ſ. w.
550 Fornald. 8. 1, 490: „Sidan l&t hann efna veizlu mikla & heim
be, er Deampstadir heita (a. Dauparstödum) i Arheimum, er sumir kalla
Ernar herad, var bat höfudborg & Reidgotalandi 1 Pann tima, ok drakk
Dar erfi eptir födur sinn.“ 493: „hrisi bvt hina meta (a. hıris Pat it
mera), er Myrkvidr heitir“ u. |. w. „Steinn Dann hinn fagra (a. mers) &
stödum Damptar (a. Dampar), hälfar herborgir, er Heidrekr atti.“ Über
Steine am Gerichtsort, zur Königswahl und als Königaftuhl |. Rechtsalt.
802 fi. 286 f. 242 f. Fornald. 8. 1, 57 f., Stephanli not. ©. 29. Die
mehreren Steine bei Saro und der eine in Herv. 8. vermitteln fi) dadurch,
daf die Wählerfleine den Königsftein umgaben, |. Stephan. 1. c. „Ceeterum
ejusmodi saxa, que ‘ut plurimum duodecim fuerunt, hodieque multis in
locis apud nos conspiciuntur; in Swlandia nostra prope Lethram, vulgo
Leire, eivitatem olim .regiam, locus extat kongsstolen, seu sedes regia,
grandi saxo inter reliqua conspicuus, qui eligendo regi olim fuit depu-
tstus, et etiiamnum seniorum hac de re relationibus nobilitatus u, |. w.
Parilis exemplum ritus in Svetica extat historie. Nam extra civitatem
Upsalensem, ad unum milliare, in plano campo situs fait lapis, quem
morasteen (vergl. steinn hinn meera) appellant, regi® electioni ab anti-
quissimo tempore dedicatus.“ Olai Magni Historia I. 8. ce. 1 (&. 239):
„unde non procul est lapis campestris amplus, ab incolis perpetuo tem-
pore Morasten appellatus, in circuita duodecim continens lapides paulo
minori forma humi firmatos: in quo loco predisti senatores, seu regni
116
Hunenkönig Atli feine Schmäger durch einen Eenbboten zu ſich laden,
er verfpricht ihnen große Koftbarkeiten und die Etätten Danps (stadi
Danper), aud den berühmten Wald Myrkvid; durch diefen, den aud
der Bote durchzogen, und über die Hunmarf reiten dann die Niflunge
in Atlis Land 391. Hier alfo gleihfalle Danps Stätten und, faft wört—
did; mit Hervörſaga, der Grenzwald Myrkvid, aber Beides zu bunifcher
Herrſchaft gehörend. Zulebt eine merkwürdige Stelle des angelſächſiſchen
Liedes vom Wanderer; biefes Gedicht, wie ein andres berfelben Sprache,
nennt Hunen und Hredgoten zufammen, ber lettere Vollename wird
aber gleihbeveutend mit dem einfachern Hräben (Hreedas) gebraudt;
wenn nun der vielgewanderte Eänger jagt: „Wulfhere bejucht' ich und
Mormbere, jelten ruhte dort der Kampf, da der Hräben Heer mit harten
Schwertern um den Weichſelwald den alten Erbftuhl vor Atlas Volke
vertheidigen mujte” 352, fo ift dieſer Wyrmhere (ahd. Wurmbari) Tein
andrer, als der Jarl Ormar 859 der Hervörſaga, der gleichermweife mit
feiner Pflegbefohlenen, der jüngern Hervör, zur Grenzhut Reidgotlands
gegen das Hunenheer am Walde Myrlkvid beftellt ift, die blutigen
Schlachten zwiſchen Reidgoten und Hunen mitlämpft und darin unter:
gebt 354,
eonailiarii ac uuntii confluere solent.“ Scheffer, Ups. antiqua ©. 812
(R. U. 256): „stabat ergo noviter electus rex in lapide, stabatque non nisu
proprio, sed consensu manibusque procerum in eum sublevatus.“
201 Sem. 244, 5: „störar meidmar ok stadi Danpar, hris Pat it
moera (vergl. Anm. 350), er medr Myrkvid kalla.“ 246, 13: „Myrkvid inn
ökunna (vergl. 244, 8), hristisk öll Hänmörk“ u. |. w. Letteres kann auch
Hunwalb bedeuten.
3%2 Cod. exon. 825, 29 fj.: „Vulfhere söhte ic and Vyrmbhere, ful
oft Pär vig ne äläg, bonne Hraeda here höardur sveordum ymb Vistla-
vudu verga scöoldon £aldne &delstöl Ällan Jösdum.* Zu Edelstöl vergl.
Dans und Damts „Ödal“ in Rigsm. 45 und „steinn bann hinn fagra &
stödum Damptar® in Herv. 8., fodann was in Anm. 350 über den Könige
ſtuhl Hei Leire beigebracht ift, ferner Rechtsalt. 243: „Der ſchwediſche Konüngs-
s:öll lag bei Upfala. Olaf d. Heil. Saga GC. 76.” Über dal (ab. uodal,
agf. Edel) fiberhaupt R. A. 265. 492. (Graff 1, 144.)
353 J. Grimm in Beitfehr. f. d. Alt. 3, 143. Trad. Wizenb. 61: „uuorm-
herius" 2021: „uuurmharii“; Neugart 659: „Wurmhari“, ebenfo 109. 247.
81 Fornald. 8. 1, 496: „Sem bessi herr kom saman, rida peir &
skög Bann, er Myrkvidr heitir; hann skilr Hänaland ok Reidgotaland
117
Sn der Ahnenreihe bei Saro fallen Dan und Angul dem Gebraude
beim, aus dem Namen eines Volls oder Gefchlechts den des Stamm:
vaters zu bilden. Ihnen zunächſt verbunden find Humblus und Grytha,
wabrfcheinlich durch Vermiſchung gotbiicher mit däniſcher Stammjage °°°.
Humblus, bier der Vater Dans und Anguls, gemahnt an Humal, mie
in ber gothiſchen Stammtafel bei Jornandes, nach einer der ſchwankenden
Lesartn, der Sohn Gauts (berihtigt aus Gapt), des Urvaters ber
Amaler, genannt iſt 956 Grytha, die bei Saro mit Tan vermählt und
als eine Frau von höchſter Würde unter den Deutfchen bezeichnet ift,
eignet ſich in derfelben Namengattung, wie Dan und Angul, zur Ber:
treterin des einft gewaltigen oftgothilchen Vollsnamens der Greuthunge 837,
Der Rame Humblus wiederholt fi fogleih am älteren Sohne Dans
(a. Gotaland). En sem peir komu af sköginum, bä voru elättir vellir
ok bygdir störar, en & völlanum stöd borg ein fögur; Par red fyrir
Herrör, systir Augant$re ok Hlödvers, ok med henni Ormar, föstri ben-
nar; voru bau sett Par til landgezlu fyrir her Häua, höfdu bau har
mikit lid.“ |
55 Mag nun hiebei noch einftiger genauer Verband der Dänen mit ben
zur Weichfel vorgerüdten Gothen (Sprachg. 734) durchſcheinen oder dazu alt-
Rbliche Aufzäglungen namhafter Könige und Heiden verſchiedener Vollsſtämme
Anlaß gegeben haben, dergleichen nad im Vidſidslied, in Hernörfaga (Fornald.
8.1, 490), aud) für Götternamen (Fornm. 8. 5, 238), vorliegen, oder felbft
nur einzelne Antfänge wie Danr, Danptr, Dampstadir.
36 Jornaud. ©. 87. D. Mythol. (1) Anh. XXV f. (2) 345.
337 über die Greuthungi f. Ammian. 31, 3 f. Zeuß 407 (altn. Grftingr
Heimskr. 1, 9. 134. 272). J. Grimm, Eprachg. 448 f. Wäre Humbli =
Amala (Stephan. ad Sax. 28 5. Miller om Saxo 16) und Hlödr = Reidr
zu nehmen, fo hätten ſämmtliche Hauptnamen das gleiche Gepräge, Tas auch
ſchon im Ostrogotha bei Jornand. (S. 87. 88: „incertum, utrum ab ipaius
nomine, an a loco orientali dieti sunt Oſttrogothæ,“ vergl. Spracdhg. 442 u.
445 ob.) zu Tage ſteht; der Bruderzwiſt wiirde zu einem Streit um die Herr-
ſchaft zwifchen zmei verwandten Böllern. Das Ehwanten in dem altnord. Reid-,
dem angel. Hred-, Hr&d-, Hred-, fodann im Mannsnamen ſelbſt zwifchen
Hlödr, Hlödver, Lödver (®en. Hlödves), Hlödverr (@en. Hlödvers), gibt
allerdings für biefen Namen freiere Hand und läßt die Vermuthung zu, daß
die Wandlung in Hlödr durch Einwirkung eines fräntifchen Chlod- (Chlodoveus,
Clothahar,, vergl. Zeitfchr. f. d. Alterth. 6, 488) herbeigeführt fei, wie denn
Hiödver gerne mit Kiar, König in Walland, zuſammengebracht wird. (Seem. 133,
135, 15 und in Herv. 8, jelbft, Fornald. S. 1, 490; vergl. Sem. 234, 25.
245, 7. Su. 19%. Fornald. 8. 2, 11.)
118
und Orythas, dem Bruder Lothers, und mag wohl auch urfprünglicher
fein, als der aus dem vorbern Theile der Hervörſaga in den letzten
berübergenommene Angantyr; ber ältere Humbli erfcheint auch in ber
Saga als Großvater Hlöds, nicht zugleih Angantyrs, if} aber zum
Hunenfürften verjhoben. Die Verlegung bes Bruberitreit3 nah Däne⸗
mark ift eine Folge der Stammtafel, wie Saro dieje in däniſchem Sinne
zufammengefeßt bat 398, Dem gegenüber behauptet die Eaga den Schau⸗
platz auf gothiſchem Gebiet, in Reidgotland, und ihr fommt biebei das
Zeugnis des angeljächfifchen Gedichtes zu Statten. Über die Lage von
Reidgotland find zwar die Angaben nicht einbellig, aber nad) der ganzen
Anſchauung der Herbörfaga gehört dasſelbe dem norböftlichen Deutſch⸗
land an und genauer noch beftimmt das Wandererslied den Weichfel:
wald als Grenze zwifchen den Hräben, gleichbedeutend mit Hredhgoten,
und dem Volle Atlas, den Hunen 35%, Daß jemals in biefer Gegend
Gothen und Hunen zufammengrenzten, läßt fich keineswegs gefchichtlich
zurechtlegen, dieß ift jevoch fein Hindernis, in Humlis und Hlöds Erb:
zwiſt eine oftgothifche Sage anzunehmen. Bon der Überwältigung des
großen Gothenreiches unter Ermanarich durch die Hunnen und ber Ber:
widlung ber Dftgothen in Attilas Heerzüge her ift auch in ber deutichen
Amelungenfage die Kampfbetheiligung der Hunnen ftänbig geworden.
Abgefehen vom Verhältnis zu den Hunnen, ift gotbifche Anfievlung am
38 Alte däniiche Ortsnamen, mit Humble- zufammengefegt, können biebei
eingewirkt haben (vergl. Müller om Saxo 16, Stephan. not. 28a), haben aber
wohl leine andre Bedeutung als die deutfhen: Hummelberg, Hummelwald (ahd.
humbal, apis, ſchwed. humla, dän. humle, Hummel).
9 Größere Hero. S. (Fornald. 8.1, 509): „Er Pat sagt, at Reidgota-
land ok Hünaland se nü Ppydskaland kallat. PYdskaland er talit 12 konfiu-
gartki, sem Norvegr.“ Die Meinere dagegen (ebend. 526): „A Reidgotaland,
Pat heitir nü Jütland;“ ebenfo Sn. Form. 14: „pat heitir nü Jötland er Pa
var kallat Reidgotalaud.*“ Anders und gegenfägli Sn. 195: „l Bann tima
v&r kallat allt meginland (Feſtland) hat er hann (Odinn) ätti Reidgotaland,
en eyjer allar Eygotaland: Pat er nü kallat Danaveldi oc Sviaveldi.*
Fornald. 8. 1, 347: „Selund ok Reidgotaland, Eygotaland ok Eyland.*
(Ebend. 355: „Reidgotaland ok Vindland.“ (Vergl. ebend. 366. 368.) Yagl.
8. ©. 21 gebraudt für Reidgotaland auch einfach Gotland. S. hieher
Zeuß 500. J. Grimm, Sprachg. 788. 740 f., wo auch über die angelſächfiſchen
Hrödgotan, Hredas, Hredas und ihre Bufammenftellung mit den Hünas,
vergl. Andr. u. El. XXII.
119
Dfifeeftrand und an ber Weichfel frühzeitig bezeugt. An diefem Strome,
auf deſſen Dftufer, wohnten nah Ptolemäus, um bie Mitte bes
2ten Jahrh. n. Ehr., die Gythonen 39%. Zwei Jahrhunderte fpäter
ſcheint derſelbe Strom die weftliche Grenze der Herrichaft Ermanarichs
geweſen zu fein 361, Namentlib bat Lebterer, nach Jornandes, ba
Bolt der Aftier, am Ianggeftredten Strande bes germanifchen Meeres,
fih unterworfen 362 und von biefer Eroberung der Bernſteinküſte hat
fih ein merkwürbiger Nachglanz in gothiſcher Geſchichte und Eage fort
erhalten. Nachdem längſt aller ftaatliche Verband nelöft war, brachten
äftifhe Geſandte noch dem ofigothifchen Dietrih Bernftein zum Ge
ſchenle nach dem fernen Italien 36%. Aber auch Ermenrichs fagenhafter
Schatz mit feinen koſtbaren Kleinoden weiſt auf eben dieſe Fundgrube
glänzenden Schmuckwerks zurück 804. Bon dieſem nordöſtlichen Stand⸗
0 Ptolem. (160 n. Chr. Aſchb. 2) 8, 5: „map miv row Ovisrovkav
neramo» uno vous Oisidag, Tvdaneg. Biel älter if die Meldung des Pytheas
(um 320 v. Ehr. Aſchb. ebend.) bei Plinins, hist. nat. 37, 2: „Pytheas Qutto-
nibus, Germanie genti, accoli æstuarium oceani affirmat, Mentonomon
nomine, apatio stadigrum sex millium, ab hoc diei navigatione abesse
insulam Abelum; illue vero flactibus advehi (suceinum) et esse concreti
maris purgamentum“ n. ſ. w. Mascon 1, 248. Beuß 135 f. 402 ob. Aſch⸗
ba, Geſch. d. Weflgoth. 2. 21 ob.
#1 Jornandes jagt von Ermanarih (S. 102): „omnibusyue Scythie et
Germanise nationibus ac si propriis laboribus imperavit.“ Das eigentliche
Dfigothenreich aber if ihm in Scythien und des Ichtern Weſtgrenze gegen
Germanien die Weichſel (&. 69): „Heec inquam patria, id est Scythia, longe
ve tendens lateque aperiens, babet u. j. w. ab occidente Germaniam et
Aumen Vistule“ (&. 64: „Germaniam Scythiamque determinans“, vergl.
noh ©. 70). Zeuß 598 u., f.
2 Jornandes ©. 102: „Aestiorum qguoque similiter nationem, qui
Jongissima ripa oceani germanici insident, idem ipse prudentie virtute
subegit.“ Hierauf wird ſichtlich großes Gewicht gelegt‘, indem unmittelbar bie
in Anın. 861 ausgehobene Stelle: „omnibusque ... imperavit“ angehängt if.
ss S. das Dankſchreiben in Cafſiod. var. 5, 2 (S. 262): „Hestis
Thbeod. sex“ u. |. w. Darin wird das succinum beichrieben: „fit enim
sudatile metallum teneritudo (teneritudine) perspicua, modo croceo colore
rubens, modo fiammea clarilate pinguescens,*
Im Beomwulfstiede wird ein koſtbarer Halsring dem Kleinod in Egrmen-
richs Horte, dem Halsfhmud der Brofinge („Brosinga mene“), verglichen
Beow. ©. 91 f. Eıtmüller 114. Heldenſage 17), unter dieſem aber til
120
punft aus begreift es fich zugleich, wie gerade nur Ermantich in bie
altnorbifche Dichtung und Eage tiefer und lebendiges eingebrungen ift 365,
während Dietrih von Bern biefelbe nur fpät und äußerlich berührt.
Im Vidſidsliede nun beißt Eormanrif gleichmäßig Hreblönig und König
der Gothen 66. Durch Beiziehung der Hunnen mufte ſich die Stellung
der Völker verwirren. Herbörfaga und das angelſächſiſche Lied ſetzen
öftlih, auf das rechte Weichfelufer, die Hunnen, weſtlich und auf bas
linfe Ufer die Reidgoten, Hräden. In der Wirklichkeit hat man fid
für bie Zeit, in welcher gothiſche Bevölkerung und Herrſchaft an die
Weichſel reichte, weſtlich angrenzenb ſueviſche Völlerfchaften zu denken.
In der Saga jelbft ift nur fomweit eine Berichtigung angebeutet, als
wohl nichts Andres verftanden, als eben der leuchterive Bernftein, der Schmud
der Pruſe (monile Prusoram); denn Prus (Altpreußen) ift jlavifcher Name
der Aiften (Zeuß 670 ff.). So if auch Freyjas Halsſchmuck Brisinga (fatt
Brysinga) men aus Vernfteingefhmeide zu nehmen und es erklärt ſich damit,
weshalb Heimdall unt Loki um diefen Schmuck in Seehuntsgeftalt bei ven
Klippen miteinander kämpften (Sn. 105); die ſinnbildliche Bebeutung fällt darum
nicht hinweg. Saro erzählt (8, 156): „Jarmericus itaque tot gentium ma-
nubiis locupletatus, ut tutum pred® domicilium compararet, in editis-
sima rupe mirifico opere sedem molitur;* vorher aber hieß es: „Sembonun,
Caretum, compluriumque orientis gentium cladem exercuit.“ ür bie
kuriſche Nehrung hält man namentlich die Inſel Abalus und für das friſche
Haf (vergl. Olen, Naturgeich. 1, 314. Beuß 135. 269. Epracdg. 718) jenes
„®stuarium oceani, Mentonomon nomine“, Hei Plinius nah Pytheas
(Anm. 860); auf eine zuverläfjige Deutung des letztern Namens iſt nun freilich
zu verzichten, doch eriunert er weniger an men, als an das goth. maihms
(donum, res.pretiosa) m., altj. medom, m&dombhord, agſ. madum (gaza),
altn. meidmar (nom. pl. m. cimelia), &r. 3, 452, beſonders in den Plural⸗
formen, wie in der angeführten Stelle des Beowulflieds: „hord mäbmum
heleda“, Herv. S. (Fornald. 8.1, 494): „Göld meidna“ (ebd. men at hıälsi),
Sem. 263, 97: „meidma fiöld.“
5 Man vergl. Ammian. 31, 3 und Jornandes ©. 104 f. mit dem
beſonders reichhaltigen Saxo 8, 154 fi. und Sem. 265 ff. (Fornald. 8. 1,
224 ff.)
%6 od. exon. 819, 4 ff.: „Hred-cyninges häm — eästan of Ongle,
Eormanrices.* Ebd. 26 f.: „Atla vöold Hünum, Eormanric Gotum.“ Gbr.
324 ff.: „ic väs mid Eormanrice u. f. w. bär me Gotena cyning göde
döhte.* (Vergl. ebd. 878, 24 ff.) Bei Ammian. (31, 3. Zend 409) erfcheint
Ernienrih als König der Greuthunge, dem Jornandes (S. 100) if er
„uobilissimus Amelorum.®
121
fie über Hunaland den Humli, einen gothifhen Namen, berrichen läßt
und darnach diefes Land einmal auch Humlaland benennt 367, Jeden⸗
falls bleibt die einftmalige Angrenzung gothifcher und ſueviſcher Stämme
in jener norböftlihen Gegend gefichert 998, Tacitus erftredt Eitten
und Gebräuche der Sueven, nicht ihre Sprache, noch bis auf die Aftier,
die er ald Anwohner der rechten Strandfeite des fuenifchen Meeres be:
zeichnet, und erft hinter ihnen feht er Sueviens Ende’), Im Allge
meinen alfo Täßt fi auf folddem Gebiete mindeſtens ſoviel wohl er:
flären, daß an ben in Hervörſaga vereinigten Überlieferungen, neben
dem gothifchen und norbiichen, auch ein fuevifcher Antbeil beitanden
haben könne.
Im vordern Theile der Saga führte ven Ramen Svawa die Mutter
Hervörs, der Echwertjungfrau, der Erbin Tyrfinge. Denfelben Namen
trägt nun zum Schluſſe die Mutter Hlöds, der zwar kein Beſitzer dieſes
Schwerte, aber auf wunderbare Weife mit voller Kriegörüftung zur
7 Geht man auf J. Grimms Bermutbhung ein, daB unter den Hräden,
Hreidgoten, die Reudigni, Reudinge, gememt feien (Sprachgeſchichte 741,
vergl. 472 f. 717. 741 1.), welche Tacitus als einen Theil ver Sueven zu
gleih mit Langobarden Angeln u. a. (Germ. 40. 41: „huc quidem pars
Saevorum) in bie Dftjeegegend zwiſchen Elbe une Oder fegt, während Ptofe«
mäus 2, 11 (Spracg. 492), ohwohl weſtlicher, ſueviſche Langobarden und
fueviiche Angeln beifommen kennt (2ounfo: Auppoßaoder, Zovjßo: Ayyeıkol),
fo würde fich der Schauplap der Sagen voilſtändiger geichichtlih zurechtſiellen.
Allen die angel. und altnord. Vezeihnungen Hredgotan, Reidgotar, auch
einfach Gotar u. f. w., ftellen doch Dielen Bolf beftimmt auf die gothiſche Seite,
“ Ein fieghafter Kampf der den Hunnen pflichtigen Oftgothen unter
Humimund, Ermanarids Sohn, gegen die Eueven, Jornand. ©. 147, ift
nicht örtlich beftimmt; eine Niederlage, welche fpäter ein Suevenfönig, ſeltſamer
Weiſe gleichfalls Hunnimund genannt, durch die Gothen unter Theodemir er-
leidet, betrifft Sueven, welde Dalmatien plünterten (Jorn. 157: „quia Dal-
matiis Buevia vicina erat, nec a Pannoniis multum distabat, presertim
ubi tune Gothi residebant.“ Bergl. Zeuß 423. 424 u., auch Zorn. 152 ob.).
%2 Facitus, Germ. 45: „Ergo jam dextro sueviei maris litore Aestio-
ram gentes alluuntur, quibus ritus habitusque Suevorum, lingua britan-
nice propior u. |. w. sed e$ mare scrutantur, ac soli Omnium suecinum,
quod ipsi glesum vocant, inter vada atque in ipso litore legunt.“ Am
Ende des Cap.: „hie Suevie finis.“ Über die Äftyer Mascon 1, 243. Zeuß
267 fi. 667 fi, Sprachg. 718 ff., wo fie für germanischen Stamm erklärt
werden.
122
Welt gelommen if. Eine Strophe fagt: „Hlöd mar ba geboren in
Humlis Lande mit Sachs und mit Schwerte, mit tiefer Brünne, mit
ringumwobnem Helm und ſcharfem Dolche, mit wohlgezäumtem Roſs,
im heilgen Walde“. Der Sagaſchreiber ſchickt zur Erklärung voran,
es ſei damals alte Redeweiſe geweſen, daß ein Mann mit Waffen oder
Roſſen geboren ſei, wobei man die zur Zeit ſeiner Geburt für ihn ge⸗
machten Waffen oder bie gleichzeitig gebornen Thiere gemeint babe 970,
Sn Wahrheit aber ift bamit doch wohl nur die frübreife Kampfrüftig:
feit des jungen Helden ausgebrüdt 371, ähnlich wie in den Eddaliedern
gelagt wird, ber neugeborne Bali werde einnächtig Fämpfen, oder Helgt
fei einen Tag alt in der Brünne bageftanden 372; vollftändiger zutreffend,
wie in der finnifchen Rune der göttliche Kawe, der dreißig Sommer in
Mutterſchoße geichlafen, ſchwertbewaffnet und nit gefatteltem Hengſte
hervorbricht 373, Das maffenrüftige Herborlommen im heiligen Walde
berührt fi noch inſoweit mit den Vorftellungen von der Erbgeburt,
als auch die Eparten aldbald mit Speer und Schwert, Helm und Schild
3:0 Formald. 5. 1, 490 f.: „bat var formt mäl 1 ann tima, at madr
veri borinn med vopnum edr hestum; en hat var til bess haft, at bat
var melt um bau vopn,'er P& voru beim giör bann tima, svä ok f& ok
kvikendi ok hestar, ef bat var b& fredt, ok var bat alltsaman Jeert til
virdingar tignum mönnum, sem her segir um Hlödver Heidreksson:
Hlödr ver P4 borinn 1 Humlslandi (a. Hünalandi) saxi ok med sverdi,
stdri brynju, hiälmi hringreifdum ok hvössum meki, mari vel tömdum,
& mörk hinni helgu.“
TI Wenn nachher (ebd. 496) Humli für feinen Tochterfohn Hlöd ein Heer
mit zmwölfjährigem Kriegsvolk und zweijährigen Fohlen (med tölf vetra gömlu
mengi ok trevetrum fola) rüftet, jo fett dieß wohl aud frühe Streitbefähi-
gung voraus, bezeichnet aber doch hauptjächlich die vollfte Stärke des Aufgebots.
(Die Proja fügt bei: „ok Pat at sextugs aldri“ und nimmt fofort eine Zäh⸗
lung des ungeheuern Heeres vor.)
372-Seem. 95, 16: „Rindr berr i vestrsölum, sd mun Odins sonr ein-
nettr vega“ u. |. w. Ebd. 150, 6: „Stendr 1 brynju burr Sigmundar dagrs
eins gamall“ u. ſ. w. |
373 Schröter, Finn. Aunen 3: „Einen Krieger ſchwertbewaffnet, Hengſt
mit Sattel, ließ hervor er Aus der Seite Kunottaris, Kindlein aus dem
Schoß des Weibes.“ Bergl. Gananders Finn. Mythol. über. von Peterſon,
Heval 1821, S. 30 f. Kalevala 1, 3 f. Parc. 22071 f.:
„dije zwene waren uz chrache erborn,
von maneger tioft nach prife erchorn.“
123
aufgehn, die rafche Wehrhaftigfeit eines ganzen, neugefchaffenen Krieger:
ſtaats anzeigend.
Die ausführlichere Beſprechung der Waffenfage wird fih im Ver⸗
folge mehrfach vorbereitend erweiſen; für den nächſten Zwed, die Deu-
tung des Suebennamend, wirft fie nachſtehendes Ergebnid ab. Daß
svafr gleichbedeutend mit Schwert fei, bat durch Svafr-liomi und deſſen
Stellung an bie mythiſche Spike der Schwertfage gewichtige Beitätigung
erhalten. Die erfte Sväva tritt fo nahe zu Sväfrliomi, daß ein früherer
Verband durch den Stabreim vermuthet werben fonnte, bamit aber.
bienge zufammen, daß Swawa unmittelbar an Syafrliomi, als ihren
Bater, binaufzurüden und ber jetzige Name feiner Tochter, Eyvör ober
Eyfura, al® mit der Anlnüpfung an das von Bölmey ftammende Ber:
ſerkgeſchlecht hereingekommen anzujehen wäre 374, Die Wiederholung des
Namens Sväva im legten Theile zeugt weiter dafür, daß man benjelben
der Echwertfage, wozu auch dieſer Abichnitt geftempelt werben follte,
befonder8 angemeflen erachtete. Sin demjelben Namen den Beweis eines
juevifchen Urfprungs des am Eingang der Eaga ftehenven Schwert:
mythus zu finden, ift man dadurch noch nicht berechtigt, daß fich bie:
jelbe überhaupt auf einem Boden beiwegt, auf welchem Sueviſches mit
Rordifchem und Gothiſchem leicht zufammenwachien konnte. Einige Licht-
blide werben aber aud auf diefe Frage zurüdfallen, menn durch die
num folgende Eage der Frauenname Swawa jum Schwerte ſowohl,
als zum Vollsnamen, einleuchtendern Bezug gewinnt.
B. Ewawa. °.
Inhalt ver drei Eddalieder von Helgi, ſoweit derſelbe hier eingreift.
Nach dem erften bat Hiörward, König in Norwegen, die ſchöne Sigrlinn
beimgeführt, Tochter des Swafnir, Königs in Swawenland (Svävaland).
Ein andrer Bewerber um fie, Hrobmar, hat das Land mit Raub und
Brand verwüftet und den Swavenlönig (Sväva konüng) erfchlagen.
Ein Eohn aus diefer Che, der, groß und fchön, doch ſchweigend und
namenlos geblichen, fit am Hügel, als er neun Wallüren reiten fiebt.
54 Bergl. die Sage bei Caro 7, 183 fi. von Gunnar, Drott und Hifdiger,
nehft den verborgenen Echwertern, Sagenforſch. 1, 264 fi.
* [Echriften 7, 290 fi. &.]
124
Die berrlichfte darunter, Swava, Tochter des Könige Eylimi, ruft ihn
auf mit dem Namen Helgi und er verlangt zum Namen eine Gabe,
die Namengeberin ſelbſt. Sie weiß fechsundvierzig Echiverter in Sigars⸗
bolm liegen, eines aber ift beſſer denn alle, ver Schilde Unheil, gold⸗
befchlagen, Ring am Griffe, Muth in der Mitte, Schreden in der
Epige dem, den e3 erreicht, längs der Schneide liegt ein blutgefledter
Wurm, am Heft aber fchwingt die Natter den Schweif. Helgı mirft
jet jemem Vater vor, daß er Feuer die Wohnorte befreundeter Fürften
verzehren und Hrobmar über die Schäbe der Verwandten walten laſſe.
Hiörvard ift bereit, dem Sohne Mannichaft zu geben, wenn er ben
Mutteroater rächen wolle, worauf Helgi das Schwert fucht, das ihm
Swawa geviefen, fofort ausfährt, Hrobmarn erfchlägt und manch Helbens
wert vollführt. Swawa, die Walküre, die durch Luft und über Meer
reitet, ſchirmt ihn oft in Schlachten; auch auf nächtlicher Seefahrt wahrt
die lichtgoldene Jungfrau feine Echiffe vor dem Niefenweibe, das fie
verfenfen will; fie reitet, weiß unterm Helme, der Walkürenſchaar vor:
aus, die Roſſe fhütteln fih, von ihren Mähnen fällt Thau in tiefe
Thäler, Hagel in hohe Bäume, daher Iommt den Menfchen fruchtbares
Jahr. Hedin, Helgis Halbbruder von andrer Mutter, verwünfcht durch
ein Zauberweib, dag, auf einem mit Schlangen gezäumten Wolfe reis
tend, ihm am Julabend begegnete, thut auf den Sühneber bei Bragis
Becher das Gelübde nad Swawa, der Verlobten feines Bruders. Rees
voll aber fommt er auf milden Stegen zu Helgi und eröffnet ihm das
Unheil. Helgi antwortet tröftend, die Trinfgelübvbe mögen wahr wer
den, denn er ift zum Kampfe mit Alf, dem Sohne des erfchlagenen
Hrodmars, entboten und ihm ahnt, daß er nicht wiederkehre. Wirklich
fällt er in großer Schlacht auf Sigarswöl. Mit blutenden Wunden
heicyeidet ex Swawa zu ſich auf die Wahlftatt und bittet fie, nicht zu
weinen und nun Hedins Braut zu werben. Aber fie bat, als Helgi
ihr die Verlobungsringe bot, verheißen, nimmer nach feinem Hingang
einen Andern in ven Arm zu Ichließen. Hebin gelobt, den Bruber zu
räden. Bon Helgi und Swamwa ift gefagt, fie feien mwiebergeboren 3°.
Der wiedergeborne Helgi ift ein Sohn des Wölſungs Sigmund von
Borghild und ihn betreffen das zweite und britte Lieb. In fturmvoller
75 Sem. 140 fi.
125
Naht Tommt er zur Welt, Normen fchnüren die Echidfalsfäben, ber
Rabe fagt dem Naben, wie Sigmunds Eohn einen Tag alt Ion in
der Brünne fteht. Der Vater geht aus der Schladht, dem jungen Helden
bag Echwert zu bringen, und gibt es ihm zugleich mit dem Namen
Helgi, mit Sigarswöll und andern Befisthümern 97%, Bald ift die Eoft-
bare Waffe mit Blut beiprengt. Erft fünfzehbnjährig erfchlägt ex den
König Hunding, den Feind feines Vaters, und heißt feitbem Hundings⸗
töbter. Da er den Eöhnen Buße verweigert, bat er mit ihnen eine
Schlacht bei Logafiöll zu befteben, worin er auch fie nieberftredt. Kampf:
müd fit er unter dem Aarfels, da fährt ein Glanz auf von Logafiöll
und daraus fchießen Blige, Jungfraun unterm Helme fommen, ihre
Brünnen find mit Blut befprigt, Stralen ragen von den Speeren.
Helgi labet fie beim, aber vom Noſſe herab ſprechend verſchmäht es
Högnis Tochter, Sigrun von Sewafiöll, die wiedergeborne Swawa.
Andre Geſchäfte babe fie, ald mit dem Kriegsmann Bier zu trinten,
ihr Bater habe fie dem grimmen Hödbrodd, Granmars Sohne, ver:
beißen, ber nach wenig Nächten kommen werde, wenn nicht Helgi ihm
Kampf biete oder fie ihm megnehme. Eilig bemannt Helgi eine mäd):
326 Serm. 150. 7: „sialfr geck visi or vigbrymu, fingom fera !trlauk
grami. 8: Gaf hann Helga nafn ok Hringstadi, Sölköll u. |. w. blödorm
btinn bredr Sinfiötla.“ Völs. 8. 6. 8 (Fornald. 8. 1, 136): „Sigmundr
var P& kominn fr& orrostu, ok gekk med einum lauk imdt syni stnum,
ok hermed gefr hann honam Helga nafn ok Petta at nafnfesti: Hring-
stadi ok SOlfiöll, ok sverd, ok bad hann vel fremjast ok verda 1 wett
Völsüngs.“ Der Sagafchreiber bat ven bilblihen Ausdruck des Liedes mie-
verfianden. Jener „edle Lauch” (ttrlaukr, itr eximius, gleich nachher in dem-
jelben Liede Str. 9: „Almr 1trborinn“, vergl. Sem. 147, 37), den Sig⸗
mund feinem neugebornen Sohne bringt, ift nichts Andres, als eben das
Schwert. Das zweite Helgilied ift iiberhaupt voll flalbifcher Bezeichnungen und
in der ansgehobenen Stelle folgt gleichfalls für das Gchmert: „biödormr,“
Blutſchlange. Mit laukr ſelbſt find anderwärts noch weitere sreräskenningar
gebildet, im Nätbfelliede der Herv. S. (Fornald. 8. 1, 468): säralaukr
tefläutert durch: merkir), Wundenlauch, in einem Bere der Kormalsfaga:
randlaukr, Schildlauch, Sn. 265: Misterlaukr (Bellone allium). Die Form
Des Gewächſes gab zu diefer bildlichen Verwendung Anlaß, isländiſch ift dann
auch geirlaukr allium. (Schon ®. E. Müller, Sagabibl. 2, 49, wollte das
Lauchgeſchenk nicht gelten laffen und rieth auf lang, f. laracrum, bie heibnifche
Zaufe) [Bergl, D. Myth. 1165.)
126
tige Flotte, als aber die Yahrzeuge mit der Brandung ringen, rettet
Sigrun fie von oben. Nach der Landung erhebt ſich die Schlacht bei
Frekaſtein und ſtets iſt Helgi der vorberfte. Da kommt, unter machen:
dem Epeergefaus, vom Himmel die behelmte, flugkundige Sigrun mit
den andern Schirmerinnen bes Helden und ruft ihm aus der Luft herab
Glück zu, daß er den Gegner gefällt und nun der Braut und ihrer
Mitgift, des Sieges und der Lande fih freuen fol, zu Ende fei ver
Streit 377, Aber damit find die Gefchide nicht erfüllt und weiter führt
fie das britte Lied. Nicht bloß Granmars Eöhne, auch Sigrund Bater
und ihre Brüder bis auf Einen, die auf Hödbrodds Seite fochten, Liegen
tobt auf dem Felde. Sigrun meint. twieberbeleben möchte fie bie Tobten
und doch in Helgis Armen fi) bergen. Nicht lange lebt dieſer mit ihr
verbunden. Dag, Högnis am Leben gebliebener Sohn, der den Wöl:
fungen Eide geſchworen, opfert dennoch dem Odin um Vaterrache und
der Gott leiht ibm dazu feinen Speer. Er findet feinen Schwager beim
Walde Fiöturlund, durchſlößt ihn mit dem Speer und bringt felbft der
Schweſter die Trauerkunde. Sigrun ſpricht über den Eibbrüchigen
Schwere Verwünfhungen aus, nimmer wirb fie des Lebens fich freuen
in Sewafiöll, wenn nicht an der Grabthür des Helden Lichtglanz auf
gebt und das goldgezäumte Roſs unter ihm berrennt, daß fie ihn um:
fangen könne. Ein Hügel wird über Helgi aufgemorfen und als er
nad Walhöll Tommt, will Odin die Herrfchaft mit ihm theilen. Eines
Abends geht Sigruns Magd zum Grabhügel und fieht, wie Helgi mit
vielen Männern dahin reitet. Sie verlündet der Gebieterin, aufge
ſchloſſen jet der Hügel, Helgi fei gelommen mit blutenden Wunden unb
bitte fie, die Blutstropfen zu ftilen. Sigrun eilt freudig zu ihm in
den Hügel, küfien will fie ihn, bevor er die blutige Brünne abwirft,
er ift ganz mit Blut befprigt, fein Haar bereift, die Hände eiskalt,
wie fol fie ihm Abhilfe jchaffen? An der Blutbenetzung, jagt er, feien
die grimmen Zähren fchulb, bie fie meine, bevor fie jchlafen gehe, jede
ſei blutig auf feine Talte, grambellommene Bruft gefallen. Nun aber
fol köftliher Trank getrunfen werden und Niemand ein Trauerlied
fingen, wer auch jeine Bruftwunden fehe, da die Königstochter lebendig
5 Sem. 149 ff.; die entiprechenden Stellen des britten Liebes ebend.
158 His 162 (Mund 89 bis 91).
1237
bei dem Geftorbenen meile. Sie bereitet ihm eine Rubeftätte und Tchläft
ihm, wie einft dem Lebenden, im Arme, bis er vor Hahnenruf ges
rötbete Luftwege mit feiner Schaar zurüdkreitet. Bergeblich hart Sigrun
am folgenden Abend und nicht lange mehr lebt fie vor Harm und Trauer.
Bon einer nochmaligen Wiebergeburt als Helgi, Held der Haddinge,
und Sara, Halfdans Tochter, gleichfalls Walküre, mar in den Kara:
liedern gefungen 97°. Diefe find nicht mehr vorhanden, nur aus ber
Saga von Hromund Greipsfon läßt fich, durch bie Verwirrung und
Entftellung, welche bier die alten Überlieferungen erfahren haben, Einiges
vom Inhalt der verlorenen Lieder errathen. Kara ſchwebt in Schwan:
geftalt mit lautem Bauberfang über Helgi dem Kühnen (hinn freekni),
der in einer Schlacht auf dem Eife des Wänerfees als Berbündeter ber
Habbinge fit. In der Hige des Kampfes ſchwingt er dad Schwert
fo hoch, daß er feine Beſchützerin töntlih trifft. Kara finkt herab,
Helgis Heil ift gewichen und das Haupt wirb ihm gefpalten 379.
Die Helgilieder find der altnorbifchen Liederreihe vorangeſtellt, welche
die Gejchichten Sigurds und ber Niflunge bis in ihre letzten Ausläufer
darlegt. Sie verknüpfen fich mit diefem Kreife dadurch, daß Helgi der
Hundingstöbter den Wölfungen zugezählt ift, als Sohn Sigmunds und
Haltbruder Sinfidtlis, alfo auch Sigurds, des jüngftn Sigmunds⸗
fobnes von Hiördis. Im die Wölfungenfage weithin verzweigt find
Kriege dieſes Gefchledhts mit den Hundingen, darin nachmals Sigmund
feinen Tob findet und noch Eigurd die Vaterrache vollbringt. Möge
nun auch ein nicht im Stabreim anklingender Sigmundsſohn Helgi als
Zöbter Hundings von Alters her in eben diefer Sage Fuß gehabt haben,
fo kann ihr doch der Hauptinhalt ber Helgilieber urfprünglich nicht eigen
geiwefen fein. Die entichiedenen Wölſunge Sigmund und Einfidtli find
bier Nebenperfonen und bie Hundinge haben mit der eigentlichen Ges
ſchichte des zweiten Helgi nichts zu ſchaffen. Erft nach Hundings Falle
lernt er Sigrun Tonnen 399, belämpft dann um ihren Beſitz den Mit-
8518 Sem. 164 fi.
5:9 Fornald. 8. 2, 873 bis 375. Hier lautet der Wallürenname: Lara,
verborben aus Cara, wie der Name im Abbrud der Saga bei Biörner [S. 360]
gegeben ifl.
5 Nur nachträglid fagt dieſe, daß fie in der Schlacht und auf der Eeefahrt
ihm wahe gewefen jei, Sem. 160, 10 f., obgleich im Widerſpruche mit 161, 2.
128
bewerber Höbbrobd und deſſen Verbündete, die Blutöverwandten Eigrung,
und wird zulegt von ihrem Bruder zur Vaterrache burchftochen. Hierin
ift Zufammenbang und neben diefen Kämpfen ericheinen die vorher:
gehenden mit Hunding und befien Gelchlechte müßig und frembartig.
Saxo, der Alles auf einen däniſchen Helgo, den Vater Hrolf Krakis, be:
zieht, läßt den Helden zum Beinamen Hunbingstöbter einen iveiteren
von der Niederlage Hödbrodds erlangen 381. Das Richtige für die Helgen:
fage gibt nur ber legtere. Aber aud dem innerften Wefen nad) waltet
in Helgis und Sigruns unfterbliher Liebe eine viel andre Gefühls⸗
weiſe, als in ber ftrengen und berben Art des älteren Wölfungen:
geichlehts und ſelbſt fpäter in dem ſchickſalſchweren Bunde Sigurds mit
Brünbild, es herrſcht bier nicht der leitende Gedanke ber Wölfungen-
fage, die Höhe dieſes Heldenftammes über jedem andern, wenn aud
Helgi felbft als der trefflichite Held gepriefen wird. Mit gutem Ber:
ftändnis ihrer Aufgabe beſchränkt fich die profaiihe Volſungaſaga auf
den Inhalt des ziveiten Helgiliedes, nemlich auf bie Erzählung der fieg-
reichen Heerzüge gegen Hunding und Höbbrobd; nad Helgis Vermäh-
lung mit Sigrun beißt e8, nun fei er fortan nicht mehr bei dieſer
Enge 392, Eben hier jchließt auch das zmeite Lied ab. Eein Tob und
381 Earo 2, 28 f.: „Hundingum, Saxonie regis Syrici filium, apud
Stadium oppidum prolio vicit eundemqgue ex provocatione adortus duello
prostravit. Ob quod Hundingi interemptor vocatus, victoriee decus cog-
nomine usurpavit u. |. w. Ipsum quoque Hothbrodum cum omnibus copiis
navali pugna delevit u. |. w. Quo evenit, ut cui nuper ob Hundingi
cedem agnomen incesserat, nunc Hothbrodi streges cognomentum infer-
ret.“ Im Liede felbft, Seem. 157, 52: „Helgi Hundtugs-bani“ (vergl. 159.
Fornald. 8. 1, 320. 323). Zum Namen Hödbroddr |. ®r. 2, 460. Graff
3, 318.
#2 Fornald. 8.1, 141: „ok er hann her ekki sidan vid bessa sögu.“
Bergl. Müller, Sagabibl. 2, 50 f.: „Den anden eddiske Sang om Helge
Hundingsbane er sletikke i Volsungasaga benyttet. Men Segaskriveren
eigler vel til den, naar han siger ved Enden af Kap. 17: Helge wgtede
Sigrun, bleven megtig konge, men forekommer ikke oftere i denne Saga.
Han antyder derved, at han vidste mere om Helge, som han altsaa for-
bigik, fordi han kun vilde anföre det, der stod i Forbindelse med Sig-
munds og Sinfiotles Historie.* Die Proſa des dritten Helgiliedes beruft
fi einmal auf das alte Bölſungenlied (Seem. 161: „sv& sem segir 1 Völsüngs-
qvido inni forno“) und ein andermal auf das Helgilied (1626: „sem fyrr er
129
feine nächtliche Wiederlunft ift weggelafien, alfo gerade das bebeutfamfir
des Eddaliedes, das doch der Sagaſchreiber ohne Zweifel vor fidh hatte.
Was nun aber die Wölfungenfage von ſich abitößt, das wird eben
dadurch auf feine eigenthüümliche Geltung und auf anberwärtigen Zu⸗
fammenbang bingewiefen. So findet man fich aufgefordert, den nicht:
wölfungifchen Beftanbtbeil des zweiten und britten Liedes, befonbers ben
Schluß dieſes lektern, um fo genauer im Verhältnis zum erften Liebe,
von Helgi und Swawa, bas von ben Wölfungen gänzlich abliegt, ins
Auge zu faſſen; tritt aber dieſes in den Vordergrund, fo ftellt ſich das
mit, wie fofort zu zeigen ift, außerhalb bes fränkifchen Wölfungen:
kreiſes felbftändig eine ſueviſche Sage.
Swafnir, deflen Tochter Hiörward beimführen läßt, heißt König
der Sueven (Sväva-konüngr), fein Reich Land der Sueven (Svära-
land), das ift deutlich geiprochen 583, der Name Svafnir jelbft fcheint
norbiiche, der bichteriichen Bezeihnung Odins entnommene Umbilbung
eines deutſchen Königsnamens, der eben. auch auf ſueviſche Herrichaft
Bezug hatte. Swawa (Sväva), Suevin, bat diefen heimatlichen An⸗
balt offenliegend im Namen bewahrt. Bollönamen wurden auch zu
weiblichen Eigennamen verwendet. Suabin und Frenkin finden ſich in
denfelben Urkunden aus farolingifcher Zeit; Suavigotha hieß eine Tochter
des Burgundenkönigs Sigismund nad ihrer Mutter Oſtrogotha, Tochter
des oſtgothiſchen Theoderichs 94. Man darf nicht annehmen, daß ſolche
Kamen einzig beftimmt gewefen feien, die Herfunft in fremdes Land
verbeiratheter Frauen, durch Eroberung gelnechteter ober als Kriegsbeute
ritad 1 Heiga-qvido,“ vergl. 169a vor 7), auf diefes, worunter das erfle
vom Hunbingstödter gemeint ift, für die Scheltreden Gudmunds und Sie
flötlis, auf jenes, das nicht weiter befannt ift, für Sigruns erfie Begegnung
mit Helgi. Durch diefen Gebraud der Liederbenennungen ift Sinfiötli zur
Helgenfage, Sigrun mit Helgi zur Wölfungenfage gerechnet, immerhin aber
tiegt im den beiderlei Liedernamen eine Andeutung, daß früher zwiſchen Wöl⸗
fungen- und Helgiliedern unterfchieden worden.
38 Sem. 141 f. Die profaifche Bwilchenerzählung, in ber allein dieſe
Bezeichnungen vorfommen, lautet nach ihrem jonfigen Inhalt alterthümlich
genug, um benfelben in Berbinbung mit dem Namen Sväva, der durch das
Lied geht, Beglaubigung zu geben.
" Cod. Lauresh. 496. Dronle 100 (Schannat 98, Sprache. 708.
(Bergl. Anz. 5, 492 ob.)
Slam, Seriften.. VII. 9
130
meggeführter Leute zu bezeichnen. Trifft man doch die Ramen anfehnlicher
Männer Suab mitten in Schwaben, Franlo in Franken #5. Es Hand
mob! an, nad) feinem Nollöftamme benannt zu fein, deflen Ehre, Recht
und volle Freiheit damit dem Namenträger angeeignet war. Nenn in
einer Berlöbnisformel aus dem 12ten Jahrh. der freie Schwabe bie
freie Schwaäbin nah Satzung und Recht der Schwaben zur Ehe nimmt
und biefe Ausbrüde fich feierlich wiederholen, fo ift allerdings die nächfte
Abficht, die Verlobungsweiſe als viejenige des Schwabenrechtö zu kenn⸗
zeichnen, aber es fühlt fich doch auch das MWohlgefallen, der Stolz hin⸗
durch, ein freier, vollberechtigter Schwabe, eine freie Schwäbin zu fein
und zu beißen 386; aud der freie Franke ift formelbaft und Ftanke
für ſich fchon bezeichnet ven Vollfreien, felbft den Höhergeſtellten diefes
Volkes 33, Die Swawa des Eddalieds iſt zur Tochter eines Könige
Eylimi geworden, defien Reich nicht angegeben ift: fein Name wird aus
der MWölfungenfage, mo der Bater von Hibrdis, der Mutter Eigurbs,
Evlimi heißt, bieher aufgeftiegen fein 3, Daß Swawa wirklich dem
5 Zu Euab f. oben S. 75, Anm. 218. Franko im Col. Lauresh. 218,
272. 1852. 1367. 1856 bei Bergabungen im Rheingau und Wormsgau; auch
im Wirzburger Grenzbegang (Maßmann deutfche Abfchwörungsformein 183):
Francho.
86 „nah fwabe 2, nah ſwabe rehte, fo von rehte ain vri ſwabh ainer
vrien fwabin fol, mir ze mineme rebte, im zuo iuwereme rechte, mit mineme
volewerde engegen imereme vollen werde.” (W. Wadernagel, Leſebuch 189 f.
Maßmann a. a. D. 179 f) L. Alam. XI: „liberi Alamanni“, XVII:
„itera Alamanna.“ Graff 6, 854: „hyeſuape, pronuba.“
% Aerchia ad Wirzib, (Maßmann 185): „friero franchono erbi.“ Berzı.
Waltz, deutſche Verfaſſungsgeſchichte 182. Roth, Geſchichte tes VBeneficial-
weſens 292, Anm. 57. P. Paris, Romancero frangois, Paris 1888, 49:
„Quant vient cn mai, que l’on dit as lons jors,
que Frans de France repairent de roi cort u. |. w.
voit Frans (le France gni repairent de cort “
Ebend. 52: „Ecoutons Ducange. Franei; sic nppellabantur ii qui mpgnos
dies. seu nssisias publicas et gencrales Parium Francis tenebent.* Gloes.
Trevir. in 9. 9. Hoffmanns Althochdentſchen Stoffen ©. 11: „Karlingi,
Franci feroces vei Galli Senones vel Norcomanni vel Merovingi (vergl. ebend.
10, 18). ‘ Frankun, Franci nobiles, it. Germani u. |. w. Osterfrankun,
Orientales Franei.“ Graff 3, 825. Gudrun, berausg. von Bollmer, 366, 4.
Sprachg. 812 f. J. Grimm und Echmeller, Lateinische Gedichte 86.
- Swawa fonnte füglich hiördis, Schwertjungfrau (mie Stadi öndurdis,
131
Emawaland angehöre, bewährt auch der innere Zufammenhang. Diefee
and ift von Hrodmar ausgeraubt und ausgebrannt, der König von
ihm erihlagen worden. Wenn nun Swawa den jungen Tochterfohn
dieſes Suevenkönigs zu Thaten weckt und ihm das Schwert weift, wenn
fofort Helgi dem Bater aufrüdt, daß er den verzebrenden Brand un:
vergolten und das Erbe in unrechter Hand laſſe, wenn er dann, zum
Rachezug das gewiefene Schwert holt und im Kampfe von Swawa ge
Ihirmt wird, jo erfcheint diefe doch, felbft in der Trübung der urfprüng-
lihen Sage, noch immer als Vertreterin des Volkes und Landes, denen
fie mit dem Namen angehört. Ein ganzer Schatz von Schwertern ift
es. daraus dieſe Suevin dem bon ihr gemweihten Kämpfer das treff:
lichſte anweiſt. Damit tritt endlich zum alten Schwertnamen svafr ber
ſueviſche Volksname (Svava, Sväva-konfing, Sväva-land) entfchieben
beran und es wird zugleich gewichtiger, daß auch in die mit Svafrliomi
anbebende Schwertiage der Rame Svava zweifach bereinfpielt.
Helgi fragt, mas Swawa dem Namen, den fie ihm zugerufen,
folgen lafje, und mill diefen nicht annehmen, wenn nicht fie felbft, „vie
glänzende Braut“ 39%, ihm werde; zur Antwort zeigt fie ihm das Schwert,
bie Verlobung wird erft in die Zeit nah dem Kampfe gefeht 39. Daß
gleichwohl urfprünglidh, nad Helgis Verlangen, die Jungfrau felbft
dad Namengeichent, dad Schwert aber ein Pfand der Verlobung tvac,
bewährt fich in ben zutreffenden Zügen einer Eage bei Saxo. Regner
und Thorald, zwei ſchwediſche Königsfühne, find nad dem Tod ihre?
Vaters Hunding durch den Haß der Stiefmutter Thorild zum Hirten:
dienfte herabgewürdigt und mancherlei Gefahren ausgeſetzt. Da macht
fi Swanhwita (Schwanmweiß), Tochter des Dänenkönigs Hadding, ihre
8n. 28. Yngl. 8. C. 9), genannt fen, während Hiördis das zerbrochene
Bölfungenfchwert ihrem Eohne bewahrt umb übergibt, Fornald. 8. 1, 146.
154 f. In den deutſchen Gedichten Heißt Siegfrieds Mutter Sigelint und
diefer Rame, aus der nordiſchen Mölfungenfage durch Hiördis verdrängt, bricht
nun an des erften Helgis Mutter Sigrlinn bervor.
9 Sem. 142, 7: „brüdr biartlitud,* vergl. 146, 32: brudi Pinn.“
148, 41: „brüädr.“
Sem. 145, in der Proſa; weiterhin im Liebe 148, 42: „Melt hafda
&k Pai i munsrlieimi (vergl. 140, 1), P& er mer Helgi hringa valdi,“
worunter auch nicht die erfte Begegnung am Hügel verftanden fcheint. [Bergi.
Myth. 780. Andr. XXXVII f]
132
Schtweftern zum Gefolge nehmend, nad) Schiweben auf, um den Untergang
der edeln Sprößlinge abzumenden. Sie treffen diefe Nachts auf bem
Felde, von geipenfterhaften Weſen aller Art umſchwärmt. Swanhwita,
mit ihren Gefährten hoch zu Roſſe bleibend, erkennt an Regners, bes
älteren Bruders, leuchtendem Augenglanz feine Töniglihe Abftammung
und prüft feinen unerfchrodenen Muth. Indem fofort von ihrer jung:
fräulidhen Geftalt das Dunkel weicht und ein wunderbarer Lichtglanz
fich über fie verbreitet, beut fie dein Jüngling als Brautgefchen? ein
trefflihes Schwert, mit dem er gegen die Unholde fechten Tönne und
das er au in Zukunft als Held würdig gebrauchen folle. Sie jelbft
befämpft die Nacht hindurch den Geſpenſterſchwarm, gewinnt jo für
Regner die Herrfchaft über Schweben und !wirb feine Gemahlin; kurz
nach feinem Hinfcheiden erkrankt auch fie vor Kummer und bleibt, wie
im Leben, nun aud im Tode von ihm ungetrennt. Sohn und Radı-
folger biefer Beiden ift Hothbrod, den der Hundingstödter Helgo be
fiegt 91. Namen und Thatumftände der Helgilieder mögen bier noch fo
willfürlich angelnüpft fein 992, einige Verwandtſchaft nach Art und Quelle
muß Sago immerhin dieſen Sagentreifen angefühlt haben. Er flicht
Berje ein, wie gemöhnlich wenn ihm Lieder vorliegen, und auf folde
beruft er fih auch ausprüdlich 399. ebenfalls dient die Regnerjage,
wie er fie bewahrt und wiedergegeben hat, hieher zur Aufbellung.
Svanhvit, auch ſonſt ein Walkürenname 3%, wie fie hoch und licht
Wi Saro 2, 22 dis 24. 28 f.
” Seltfame Zufammenftellung Hadinge und Hundings 1, 19 u.
9398 „Cumque mults ad hunc modum coapteto rhythmorum canore
prompsisset (Svanlıvita)* u. |. w.
394 Im Eddaliede von Bölund, Sem. 134, 2: „önnor var Svanhrit,
svanfiadrar dr6,“ Auch Hrommmd, der Befieger bes dritten Helgi, hat von
einer Jungfrau Svanhvit, an die er glaubt, den Schild mit einem Band er-
balten, das ibn fchütt, fo lang er es trägt (Fornald. 5.2, 873: „ek (Svan-
hvit) vil gefa ber einn skiöld med Pvi bandi, er honum fylgir, mun
Pik eigi saka, medan Pü hefir Pat“ u. f. w. 8374: „Helgi sagdi: Pü
Hrömundr hefir bundit um Pina hönd sokkaband meyjar einnar, akil Pik
vid skiöld Pann, er bü berr, Pü fer engin sär, medan hü berr Betts,
ok held ek fyrir satt, DA trüir & P& meyju“ u. ſ. w.); das Schwert
(Mistilteinn, an den Mythus von Baldr gemahnend, vergl. Fornald. 8. 1,
416. 515. Sn. 2146) bat Hromund felbR einen Grabgeſpenſt abgerungen.
Drei nächtlich fingende Echwäne, die dem König Fridley einen Gürtel mit
133
glänzend mit ihren Schweſtern daherreitet und ihren Liebling gegen
nächtlichen Spul befchirmt, ift in Allem dieſelbe Erſcheinung, wie Swawa
und nachmals Sigrun 895; auch fie ruft den niedergehaltenen Edeling
zum Heldenthum und verfieht ibn dazu mit ben Schwerte, was aber
im Helgiliede nur angebeutet, das ift bei Saxo vollftändig ausgeſprochen:
daß die Schwertgabe das Brautgeichen? und damit das Berlöbnis
bindend geſchloſſen ſei 9%. Schon bei den Germanen bes Tacitus bringt
Runen aus der Luft fallen laflen, bei Saro 6, 100. (Bergl. noch Sem. 145,
2%: „hrit und hiälmi mer.* 168, 35: „hvit.“ Myth. 390 ob.)
% 2,23: „Hadingi filia Svanhvita} sororibus in famulitium mmptis,
Bretiam petit, clarissimse indolis exitium muliebri ingenio praecursura u. f. w.
sorores equis descendere cupientes, tali poämatis sono vetuit: ı. |. w.
Tutins excelsi terge premantur equi“ u. |. w. 23: „Admirsta juvenis
constantiam Svanhvita, ablegato nubile inumbrationis vepore, pretentes
ori tenebras suda perspicuitsie discussit u. |. w. miram virginei candoris
speciem novo membrorum jubare preferebat.“ Bergl. Sem. 141: „hann sA
rida valkyrjor niu ak var ein göfugligust.“ 145, 26: „er red hafnir
skoda fyrri nöt med firum; margullin mer, mèr bötti afli bera.“ 145,
%: „prennar mundir meyja, b6 reid ein fyrir hvit und hiälmi meer.“
151, 15. 17. 157, 58, Saro 2, 23: „Tunc Svanhvita speciosissimam
lineamentorum ejus habitam curiosiori contemplatione lustratum impensius
ıdmirate, regibus te, inquit, non servis editum preradians laminum
vibratas eloquitur. Forma prosapiam pandit et in oculorum mieatu
nsture venustas elucet. Acritas visus Ortus excellentiam prefert u. j. w.
Exterior pupillarum alacritas interni fulgoris genium conftetur.“ Bergl.
Sem. 150, 6: „hvessir augo sem bildingar.“ 158, 2: „Hvöss eru augo
1 Hagals DYjo, era Pat karis wit er & kvernum stendr.“ 159, 3: „systir
er hon Peirra Sigars ok Högna, Prt hefir ötul auga Ylfinga man.“
. Gap 2, 28: „Interea Regnero apud Bvetiam defuncto oonjunx ejus
Svanhvita parvo post et ipoa morbo ex meastitia contraeto decedit, fato
viram insecuta, a quo vita distrahi passe non fuerat, Fieri namque solet,
ut quidam ob eximiam charitstem, quam vivis impenderant, etiam vita
exosdentes comitari contendant.“ Vergl. Sem. 169: „Sigrän vard skamm-
if af harmi ok trega,“
36 Saxo 2, 28 f.: „ensemgue variis conflictibus opportunom se ei
dataram pollicits. miram virginei candoris speciem Bavo membrorum
jubare preferebat. Taliter accensi juvenis connubium pacta, prolato
mucrone sio cepit: Ä
In gladio, quo monstra tibi ferienda patebunt,
suscipe, rex, spons® munera prima tus |
134
zwar haupifächlid) der Bräutigam, neben den Aderftieren, ein gezäumtes
Roſs, Schild, Speer und Schwert als Mitgift ein, aber auch ihrerfetts
bringt die Frau dem Manne Einiges von Waffen zu; das halten fie
für das ftärkite Band, für die geheimmsvolle Weihe, für die Vermäh⸗
Iuugsgötter, darin liege-die Mahnung, daß aud das Weib nicht tapferer
Geſinnung und den Zufällen des Kriegs enthoben fei, daß fie ala Ge
nofjin der Arbeit und ver Gefahr eintrete, daß fie im Frieden und in ber
Schlacht Gleiches zu leiden und zu magen, fo zu leben und zu fterben
babe 397° Wie viel man biebei der eigenen Vorftellung des Bericht:
erſtatters zumeſſen mag ?%, im Ganzen verläugnet ſich auch hier nicht
fein offener Sinn für das germanijche Weſen, es liegt in feinen Worten
ein Erahnen jenes geiftigen Bundes, in weldem dad Weib die überall
gegenwärtige Kampfheilige (Hilde, Walküre) des Eriegeriihen Germanen
ift und der eben in ber Helgenfane feine vollfte, Dichterifche Durchführung
burd Leben und Tod, durch Tod und Wiedergeburt, gefunden bat.
In Rechtsformeln und Hochzeitgebräuchen dient freilich das Schwert zu-
näcft als Symbol ber an den Mann übertragenen vormundfchaftlichen
Gewalt, felbft der Wacht über Leben und Tod der ungeireuen Frau 3%.
Im Hrudlieb, einem lateinifchen Gedicht um den Anfang bes 11ten Jahrh
Schmeller 225 f., Wadernagel, Litteraturgejch. 72), reicht der Bräu⸗
tigam ber Braut den am Hefte des gezogenen, friſchgewetzten Schwertes
befeftigten Golbring, als Zeichen bes Treuebunds, für befien Verlegung
livc dignum te rite proba, manus temula ferri
gestamen studest oondecorare suum u. |. w.
llinc, tibi si volape est belli clarescere palme,
cOönscelare ausu qnod premis ipse manu.*
397 Germ. 18: „Dutem non uzor marito, ocd axori waritus offert u. |. w.
boves et frenatum equum et scatum cum framen gladioque. In hæe
munera uxor accipitur, atgne invicem ipss armorum aliquid viro offert.
hoe maxumum vinculum, hæec arcana sacra, hos conjugules deos arbı-
traotur. Ne se mulier extra virtutum cogitationes extraque beilorum
«asus pulct, ipsis iucipientis matrimonii auspiciis admenetur, venire se
laborum periculorumque sociam, idem in pace idem in prelio passuram
ausuramque (hoc juncti boves hoc paratus equus, hoc deta arma denun-
tiant): sic vivendum, sie pereundun: accipere se, que liberis inviolata
ac digua reddat, que nurus accipiant rursus, que ad nepotes referentur,*
3 Vergl. Rechtsalterth. 427, 3.
339 Nechtsalterib. 426. 484; 4. 167 f., 6. 450, U. “
135
ihre die Enthauptung drohe 40, Nach der fchon berührten ſchwäbiſchen
Berlöbnisformel übergibt zuerft der freie Schwabe der freien Schwäbin
mit fieben Handſchuhen, als ebenjo vielen Wetten (Pfändern), Land⸗
befig, Herde, Schab und fcharfe Ecke (Schwertfchneibe); dann aber gibt
ber Schwäbin geboruer Vogt die Wetten, bie Yrau und ein Schwert
gleichfalls mit dem Ring an der Hilge ſammt andrer Zugehör wieder
dem Manne, damu in beflen Treue, als ihres rechten und ftäten
Bogtes 401, Wörtlich dieſer Ring am Schwertgriff, an der Hilze
(„annulus in capulo fixus“, „daz pingerlin an bi helzen“), nun auch
in Swawas Zuruf („hringr er t hialti*%). Damit erweiſt fih ihre
Schwertweiſung unzweifelhaft als Verlöbnis 402. Aber bier ift es eine
Baffengabe, die, wie bei Tacitus, von der Braut dem Bräutigam ge:
boten wird, nicht ein Brand ber ehlidhen Bevogtung, fondern, wie bei
Swanhwit, Ruf und Rüftung zum Heldenthum. Was der freie Schwabe
der Schwäbin mit der fcharfen Ede zubringt, das Eigen, das er in
Schwabengebiet, in des Könige Reiche hat, Schatz und Schillung, Gold
“ J. GCrimm und Schneller, Latemiſche Gedichte des 10 und 11 Jahr⸗
hunterts. Göttingen 1833, S. 188, ©. 63 ff.:
Sponsus at extraxit ensemve piramide [pyrıte? &. 235] tereit.
Anulus in capulo fixus fuit aureus ipso,
Aftert quem spons® eponsus, dicebat et ad se:
„Analus ut digiium circam capit undique totam,
Sie tibi stringo ſidem firmam vel perpetualem,
Hanc servare mihi debes aut decapitari.“ Ebend ©. 215.
wi „Din wete ellin din nimet din frouwe unde ir voget. Nu nimet ver
voget ir geborm voget, diu wete unde die froumen unde ain ſwert uude ain
gufdin vingerlin unbe ainen phennich unde ain mantel unde ain huot uf Das
fwert (vergl. Nechtsalterth. 426: „gladium cum clamide“), daz vinaerlin an
die heizen, ımde antwurtet fi den man, unde ſprichet „wa ich in bevilhe nıine
ummtabele zieren triwon unde ze ineren gnaben, unde bitiuch durch Die trimwe,
alfich fi iu bevilhe, daz ir ir rehte voget fit unde ir genadich voge: fit, unde
daz ir nit palemunt ne werbent.” fo enphahet er fi, unde habeflm‘.” (ud.
S. 189, 8. 99: Qualiter inter se concordent," quid mihi curae?)
2 So war and das beringte Schwert, das zwiſchen Sigurd und Brynhild
iag, ein Brautfchwert, Seem. 225, 68, (Mund) 128, 65): „Liggi okkar enn t milli
m&lmr hringvaridr* (vergl. Sein. 142, 8: „varid gulli“, 166. 22: „brüdı
baugvarid, 167, 32: ‚gullvarid“), egghvast järn, svä endr lagit pt er vid:
beedi bed einn stigum, ok hötum h4 hiona nafni.“ (Bgl. Sem. 203. 209, 23:
„benrönd brugdinn gulli“ u. f. w. 216, 4.) Gr. 2, 592 u.: hringvaridr.
136
und Edelſtein, das eben, Ninge und Rödulsvellir, foll Helgi exit ſich
wieder erobern mit bem Schwert, an beflen Hefte ber VBerlöbnisring,
in defien Mitie Muth, in der Spike Schreien iſt 40%,
Der vielverfprechenden Anlage des erften Liebes würde nicht ger
nögt fein, wenn mit bem Tode des Helben und ber untröftlichen Wittwen⸗
trauer Swawas abgefchlofien wäre. Bielmehr geht ein innerer Bug
nach dem bebeutfamen Abfchluß, der im britten Liebe durch bie Wieder⸗
vereinigung im Grabe gegeben ift. Nicht als wären bie brei Lieber
auseinanbergerifiene und umgeftaltete Stüde Eines urjprünglichen Sagen:
liebe. Das zweite und britte, letzteres wieder aus Überreften verfchie:
dener Geſaͤnge beftehend, ergeben zwar unter ſich nur das Verhältnis
einanber ergänzender, theilweiſe abweichender Behandlungen desſelben
Gegenſtandes. Beide zufammen aber ftehen dem eriten Liebe nicht bloß
in Ramen, fondern in Thatfadhen und Anläflen eigentbümlich gegen
über. Eben die Wiedergeburt, welche das Lieb von Hiörwards Sohn
mit denen vom Hunbingstöbter zu größerem Zuſammenhange verbindet,
bringt es mit fih, daß jebem Heldenleben aud ein beſondres Helden:
lied eigen fei 44, Wie e8 nun kam, daß bie altnorbifchen Dichtungen
8 11. „wa ich in erwette fo getaniu aigen, fo ich in fwabe herſchepte han,
fo ich im des kuniges riche han, nah fwabe &, nah fwabe rehte u. |. w.
VI wa id im erwete fcaz unde ſcillinch, unde golt unbe gimme, unde allen
den trefen, den ich Hute han oder vurbaz gewinne, unde ſcarph egge, nah ſwabe
€.“ Seem. 142, 6: „Sid mundu, Helgi, hringum räda u. |. w. nd Röduls-
völlum u. f. w. ef bü ® Pegir, pöttu hardan hug, hilmir(s), gialdir.“
Damit iſt Helgis Muttergut in Suevenland gemeint, deſſen fih Hrobmar
hemädhtigt hat, ebend. 148, 11: „En Hrödmarr skal hringum räda, beim er
atiu orir nidjar; s& sösk fylkir fest at lii, hygsk aldaudra arli ai r&da.“
Röduls-Göll und Rögheimr, Sem. 148, 24, jcheinen nad dem Sieg fiber
Hrobmar Helgis und Swawas Wohnflätte geweſen zu fein, ubgleich die Profa
145 b fagt: „Sv&va var heima med födr sinom, en Helgi gulli i hernadi.“
408 Ansgeiprochen ift der Gedanke der Wiedergeburt nicht in dieſen Liedern
ſelbſt, ſondern in der begleitenden Profa, Sem. 1486: „Helgi ok Brava er
sagt at veeri endrborin.* 158 nur: „bau hhâtu son sinn Helga ok eptir
Helga Hiörvardssyni“, dagegen 158 b: „bon (Sigrän) var Sväva endrborin.“
169: „pat var trüa 1 forneskju, at men væeri endrbornir, en Pat er nf
köllud kerlinga villa. Helgi ok Sigrün er kallat at veri endrborin, bet
hann P& Heigi Haddingjaskadi, en hon Kära Hälfdanerdöttir, sr& sem
kvedit er ! Käruliodom“ u. f.w. Und die Lieder von Bryuhilb kennen biefen
Glauben, Sem. 222, 44: „leti-a madr hans langrer göngu, ars kon
137
Helgi mit Swawa im Wölfungenkreife wiebergeboren fen und fo bie
fuwifche Sage ſich in einer fräntifchen fortfegen ließen, ſoll nachher unter:
ſucht werben. Eben erſt im dritten Liebe (Mund 91a, Logaf. 92, 23,
Sevaf.) treten ſchwäbiſche Merkzeichen entſchieden wieder ein. Aber
auch in dieſer Übertragung haben fi) Spuren ber fuebifchen Heimat
erhalten. Im Liebe vom erften Helgi müfjen Hiörvards Boten nad} ber
Tochter des Suevenlönigd über einen mächtigen Berg mit großer An:
ſtrengung ihrer Pferde ziehen und als dann der König felbft mit aus⸗
fährt, fommen fie wieder auf den Berg und ſehen von da herab auf
das von Kriegsbrand heimgeſuchte Suevenland, in das fie vom Gebirge
nieberreiten 195; dahin gehören weiterhin Frekaſtein (Wolfsfels) und Si-
garswellir, beides zur Bezeichnung des Schlachtfeldes, wo Helgi fällt,
ſowie Swawas Wohnftätte Rodulsfiöll (Sonnenberge) 1%. Gigars:
wellir und Srelaftein wieberholen fi) aber in ber Geſchichte des zweiten
Helgi, exfterer Ortsname, neben Solfiöl und Snäfiöll (Sonnen und
Schneeberge), unter dem Lanbbefige, welchen Sigmund ber Namen:
und Schwertgabe an den neugebomen Sohn beifügt, letzterer bezeichnet
wieber eine Rampfftätte, wohin jet der Wölfung Helgi und Granmars
Söhne. fich beichieven baben 7. Auch bier ift überall Gebirgsgegend,
sptrborin aldri verdi.* 229, 14: „Munu vid ofstrid alle til lengi konur ok
karlar kvikvir foedask; vid skolum okrum aldri siita Sigurdr saman“
(Bryn hild fpricht dieß anf dem Helmeg, vergl. Br. Grimm, Lieber der Edda 287).
Fornald. 8. 8, 36: „berserkir kölluda hann (Btarkad) endrborinn iötun“
uf w. (Beitfhrift für deutſches Altertbum 1, 559, 122: „Uidrjbora. Id
est Libera.“ Deuitſche Sprachg. 690, 2 f.: Evin, 692 ob. Vergl. 698, 8.)
Rofeng. 1971: „ir haͤut wol gefiget, ſo bin ich wider geborn.“ Eclenlied,
Laßb. 197: „Eggen herz if in dich gevarn, fiwie er fat wor mir toter.” 198:
„So iſt Dietheres Herz in dir, din bruoder wunder fliene* u. |. w. (Bergl.
Sem. 147a: „at fylgjur hans (Helga) höfdo vitiad Hedins.“)
% Sem. 141, 5: „Hofum erfidi ok ekki erindi, mars praut ossar
& meginfialli.“ 1416: „er peir kömo upp & fiall, ok sd & Sıavaland
landsbruna ok jöreyki störa (vergl. Fornald. 8. 1, 497), reid konüngr af
fellino fram 1 landit.“
#6 Sem. 147, 35: „hon vissi het at veginn mandi Sigrlinnar sonr
ä Sigarsvöllum“ (vergl. 142, 8: „I Sigarshölmi“). Ebend. 89: „Fell hör 1
morgon at Frekasteini budlüngr“ u. |. w. 148: „Rögheims & vit n&
Rödulsvalla.“
“7 Sem. 150, 8: „Gef hann (Sigm.) Helga nafn ok Hringstadi,
Soul, Bnwfiöll ok Sigarevölla.“ 155, 43: „at Frekasteini.“ 157, 52.
138
ſchon der vorangegangene Sieg Helgis über die Hunbingsföhne, Die ihn
um Baterrache angriffen, war hei den Logafidll, Flammenbergen, unter
dem Adlerfels (und arasteini), wie ber frühere beim Wolfsſtein, er
fochten worden; unter dem Adlerſteine jigt er ſchlachtmüd, als von den
Xogabergen Glanz und Wetterleuchten aufgeht, die Ankunft Sigruns
mit ihrer Walkürenſchaar verlündenn 18. Sigrun felbft, die wieder⸗
geborne Swawa, hat den ftändigen Beinamen: von den Sewa—
bergen (frä Sevuiöllum), an denen ihr Wohnfit ift, wie Swawas zu
Rödulsfioll 49° Nun find fchon anverwärts in ben Seiwabergen bie
des Swawalandes wahrgenommen worden; ber ausheimiſch fortgebil:
deten Sage mag ſich der Name getrübt haben, doch hat auch ſprach⸗
lich bie Ausgleichung von Sevafioll und Svävatiöll keine beſondre
Schwierigkeit 11%. Gebirg und Wald find mandmal nad ven an
wohnenden Volkern benannt; fo die Wandalenberge, ver Thüringer:
wald, Frankenwald, Schwabenwald, auch au den alten Suebenftrom,
bie Ober, ift zu erinnern 11. Enthüllen fih tamit die Sewaföll
162a: „Helgi samnadi p& miklum skipalıer ok för til Frekasteins.“ 163, 8:
„at Frekasteini.“ 16%, 18: „fello 1 morgon a: Frekästeini Bragi ok Hogni *
“#8 Sem. 151, 13: „Fara hildiogar hiörstefno til, beirrar er lögdo at
Logatöllum.“ Ebend. 14: „Beitisk visi, pa er vegit hafdi Älf ok Eyjölr
und Arasteini* u. ſ. w. Ebend. 15: „pa br& lioma af Logaflöllam* n. |. w.
161: „Helgi var bä at Logaßöllum, ok !tafdi berizk vid Hundings sanu
u. |. w. ok var hann allrigmödr ok sat undir Arasteini ber bitti Sigräu
bann“ u, |. w. Bergl. Andr. und El. XXVII.
“9 Sem. 164, 12: „Sigrän frä Sövafiöllum.“ 1650: „Dsgr reid til
Sevaßölle ok aagdi Sigrünu tidindi.“ 166, 23: „Sitka ck (Sigr.) sv& sel
ur Sövafiöllum® u. ſ. w. 167, %: „Üt gakk bü, Sigrün, fra Sövaföllam“,
u. f. w. Ebend. 167, 32: „Ein veldr pü, Sigrün frd Stvatiöllom“ u. f w,
168, 35: „Nü kved ek einskis örvent vera sid ne eninıme at BEra-
köllam.“
410 Deutſche Mythologie 337.
al Div Caſſius 55, 1: „ir röv Nrandalınav —28 Geuß 445, vergi.
4. 130 rö Ilouatie upn, Alpes bestarnice.) Frankenwald Zenß 7 f.
But. S. C. 134 fe: „I Svävaskög.* Ptolemäus (Beuß 181. 759): „utzu
tod Suvnßov noranor: * Hidrwards Boten nad) Swawaland, nachdem fie der
Fahrt übers Gebirg erwähnt, melden weiter, Sem. 141, 5: „urdom sidan
deinorn vada;“ der König ſelbſt, von den Bergen ins Sand gelommen, ninumt
Nachtherberge an einem Strom, abend. 141 6: „reid konfingr af fiallino fram
i daudit, ok tök nättböl vid & eina Atli h< vörd ok för yfir ana*
139
ale jenes fortlaufende Joch von Bergen, dus nad) Tacitus Sue
vien durchſchneidet und jenſeits deſſen lygiſche Völkerſchaften fich aus:
breiten 112, fo kann weiter gewagt werben, in den Logafidll nordiſch
gefaßte Berge der Lygier, Logionen (Logjafiöll), zu. vermuthen. Man
denke an den vielfachen Verkehr der Nachbarvölker Semnonen und Lygier,
an jenen lygiſchen Häuptling Semnon, auch an den Semnonenkönig, dem
eine gottbegeifterte Jungfrau, eine Swawa aus altgermaniſcher Zeit, zur
Seite fteht! Hiezu endlich ber Rame des Waldes, bei welchem Sigrung
Bruder mit dem Speer Odins, dem ex um Baterrache geopfert, feinen
Schwager Helgi erftiht und von meldem aus er der Schwefter nad
den Sewabergen Kunde bringt; dieſer Wald heißt Fiöturlundr, Feſſel⸗
wald, und wo fonft ıft über fenen Namen Aufichluß zu finden, wenn
nicht in der altfuebifchen Stammfage, im heiligen Haine ber Semnonen,
in dem bas Menfchenopfer fällt und den Niemand anders betritt, ala
mit einer Feſſel gebunden 4132
Mehrfache Anläfte können dahin gewirkt haben, dab in den alt-
norbifchen Liedern die ſueviſche Helgifage mit der fränkiſchen Wölfungen:
ſage verfchmolen wurde. Die Gefchichte der Sagenbilbung im Allge
meinen zeigt den regfamen Trieb, urfprünglich verichiebene Kreife in
größeren Zuſammenhang zu verarbeiten, und die dichteriſche Selbft:
thätigleit, weldye hiebei waltet, hat freieres Spiel, wenn der Sagenftoff
aus der Fremde geholt und damit ſchutzlos feinem heimatlichen Beftand
entboben if. Im Beiondern bot das gleichmäßige Verhältnis des
u. ſ. w., womit chen Seemorn gemeint fein wird. Sn. 218a gibt unter ben
äheiti: „morn;“ ift etwa Se-morn auß Bväva-, Seva-morn geworden? In
folhem Zufammenbang mit Swäwaland, Swävakonfing ift 8 ja wirklich ein
Suevenftrom, eine Smabaha (veral. Schannat 288, Faldenflein, Nordg.
Alterth. 2, 20).
412 Germ. 43: „dirimit enim seinditque Sueviam continaum montium
jugum, ultra quod plurime gentes agunt, ex quibus latissime patet
Lyg5orum nomen, in plures civitates diffusum.*
415 Sem. 164 f.: „Dagr Högnason biötadi Odin til fodur- hefnda;
Odinn l&di Dag geirs sinus. Dagr fann Helga mäg sinn Par sem heitir
at Fiöturlundi, hann lagdi igögnum Helga med geirnom, Par fell Helgi,
en Dagr reid til Stvafialla ok segdi Sigränu tidindi,“ (flötur n. com-
pages, @r. 2, 141.) Ebend. 98, 28: „fall 1 morgen und Fiöturlundi
budlängr“ u. |. w. Germ. 39: „est et alia luco reverentia, nemo niei
vineulo ligatus ingreditur“ u. ſ. w.
140
ältern Helgi zu Swawa, bed jüngern zu Sigrun, Sigurds zu Brünhild,
alfo durchgehend des Helden zu feiner Wallüre, einen Punkt gegen:
feitiger Anziehung 114. Ob der Name Helgi fchon voraus in der Wöl:
fungenfage gangbar war, bleibt ungemwis. Einflußreicher war ein Ge
ſchlechtsname: in den Meldungen vom Sigmundsfohne Helgi, und nur
eben bier, find die Wölfunge für einerlei mit Ylfingen (Wölfingen) ge
nommen und erflärt. Die Profa zum dritten Helgiliede fagt ausbrüd:
lich: König Sigmund und fein Geſchlecht haben Wölfunge und Ylfinge
geheißen 115. Befragt man bie Lieber felbft, jo entfteht dadurch Zweifel,
daß in benfelben der ſtaldiſche Gebrauch, die Namen einer Anzahl
fagenberühmter Gefchlechter zur Bezeichnung eines Königs oder andern
Würbeträgers, feine Stammes und Gefolges, in ganz allgemeinem
Sinne zu berivenden 116, im vollfien Schwunge geht. Helgi wird
Audling, Bublung, Degling, Hilding, Lofvung, Sikling, Skidldung
genannt 117; die Völfunge, fein Kriegögefolg, haben biefen Namen in
den Lieberftsophen nur einmal #18, fonft heißen fie oder auch ihre Gegner
und Kriegdleute überhaupt: Aublinge, Bublunge, Deglinge, Hildinge,
Siklinge, Sliöldunge, gleichertweife nennt Höddbrod feine Zugehörige
einmal Hniflunge 91%. Sind nun die Wölfunge nicht lediglich in fold
4 Auch die Schmwanjungfeauen des ſonſt unverbimdenen Wolundsliedes
find als Walküren bezeichnet. Diefe halbgöttlichen Weien, nebft ihrem Gebieter
Odin felbft, vermitteln die Götterlieber der ältern Edda mit den Helbenliedern.
415 Seem. 158: „Sigmundr konüngr ok hans witmenn heta Völsüngar
ok Yifingar.“
416 Über diefe patronymiſche tignar nöfn und ihren jagenhaften Urfprung
j. Sn. 192 f. 2gl. Seem. 114 f. Fornald. 8. 2, 8 bis 11; tiber das Alter
des Hyndlaliedes Dietrih in der Zeitfchrift für beutfches Altertfum 7, 317;
über die nordiihen Etammtafeln Sagabibl. 2, 480 ff.
417 Audliugr (Ödliogr): Sem. 149, 2, Budlängr: 150, 12. 157,
54 |. 166, 17. 167, 31. Lofdüngr: 149, 4. 153, 27. 166, 23. 168, 34.
Hildingr: 159, 2 (allg. 160, 9 (allg). Deglingr (Döglingr): 150, 7
(allg.). 151, 16. 160, 11. 167, 29, Siklingr: 161, 1. Skiöldängr: 162,
6 (allg.). 157, 54: ättstafr Yngva (vergl. 188, 14).
118 Sem. 157, 51: VölsAngar; in der Profa 158. 162 b. 164 a.
49 Audiiugar (Ödl.): 153, 27. 154, 33 (allg.). 36 (ebenfo). Budiüngar:
149, 2 (aflg.). Hildingar: 150, 6 (allg.). 151, 13 (ebenfo). 16. 163, 10 f.
(ebenfo). 165, 17 (ebenfo). 166, 25 (ebenfo). 167, 27 f. (ebenſo). Deglinger
(Dögi.): 152 26. Siklingar: 153, 26. 155, 45 (allg). 163, 11 (ebene).
Skiöldängar: 169, 38 (dis skiöldüngea, Sigrun) Hniflängar: 156, 47.
141
allgemeiner Bebeutung aud als Mfinge bezeichnet? Dem entgegen ift
noch nicht enticheibend, daß diefe Bezeichnung einigemal in Fällen ftatt:
findet, die eine beftimmte Angabe des Geſchlechts oder Volles ermarten
laſſen; fo wenn Helgi gleich bei feiner Geburt Ablömmling der Ylfinge
genannt wird, ober wenn Sinfidtli vom Schiff aus, von Höbbrobbs
Brüdern um Führer und Voll der anfahrenden Flotte befragt, fie da⸗
beim ausrichten beißt, daß die Ylfinge von Dften gelommen feien unb
Helgi fih in ihrer Mitte befinde, und Jene dann eiligft dem Hödbrodd
verfünden, ein herrliches Königsvolk, die freudigen Ylfinge, feien an-
gelanbet 120, Erheblicher ift, daß, während die zuvor aufgezählten
VWürdenamen auch anderwärts den Helbenlievern der älten Edda ge-
(äufig find 421, die Plfinge durch diefe ganze Sammlung nirgend, weder
40 Sem. 149, 5: „Eitt var at Angri Ylfinga nid“ u. f. w. (Gr. 3,
21: „altn. nidr, zuweilen fillus, ofter propinyuus“; vergl. Seem. 114, 11.
235, 34 u. |. w. Bergl. 150, 6: „burr Sigmundar,“ ebend. 11: „Sigmun-
der bur,“ 160, iu. 161, 2: „syni 8.* 168, 37: „S. burr“, immer von
Helgi; 188, 18: „konr. 8.” 193, 1: „S. burr“ von Sigurd; doch wird nidr
anch den allgemeinen Würbenamen beigejegt, Seem. 192, 44: „skiöldänga
nidr“, vergl. 209, 18: „dis skiöllünga“, Sn. 194: „völsünga nidr“,
Amam. 526.) Sem. 154, 34 f.: „at se Yifingar austan komnir u, f. w.
Par man Höodbroddr Helga finna u, f. w. 1 flota midjom.“ 156, 48 f.:
„Sntaz her at landi u. ſ. w. göfugt lid gylfa, gladir Yifinger u. f. w.
mana nd Helgi hiörbing dvala.“ (Gylfi ift hier appellativ, vergl. Sn. 191.)
Sem. 159, 3: „adr hans Helgi höptu giördi u. f. w. Ylfinga man“ (Gr.
3, 323: „altn. neutr. man u. |. w. mancipium“ u. |. w.); vergl. jedoch ebend.:
„mer konüngs.“ Sem. 160, 7: „nidr Yifinge,“ fo nennt fi Helgi,
während er ſich doch vor Sigrun hehlen will, ebend. 11: „nA vill dyljask
döglingr for mö&r“; doc, gehört au Hamall, den er ala Führer der Flotte
vorſchiebt, 159, 5, zu den Leuten der Böljunge-Plfinge Sem. 168, 34:
„Ylfinga nidr ,“ Sigrun zu Helgi, aber ebend. au: „lofdüngi.“
2 Im erften Helgiliede: audlingr, Sem. 143, 13. 145, 27. 29; bud-
lüngr, Seem. 141,2 f 147, 39, I48, 40. 43, 145, 26: „budlüngs mönnom*“;
hildingr, Seem. 144, 18; „siklinge mönnom*, Seem. 145, 29. In andern
als den Helgiliedern: audlingr und audlingar, Sem. 175, 28. 181, 5. 213,
18, 214, 24. 217, 10. 240, 9. 250, 43. 367, 11: budlänger, Sem. 250,
(0), budlängr Grottas. 18; degiingr, Seem. 213, 14; lofäüngr, Seem.
199, 38; niflüngar (7), Sem. "267, 12, geir- niflängr (vergl. geir-niördr,
268, 8) 27, 27; siklingr, Seem. 182, 11; skiöldüngar, Sem. 192, 44.
209, 18. 251, 2. (Sigmund beißt Völsüngr, Sem. 117, 25; Sigurd ebend.
184, 18. 216, 1. 3. 218, 13.)
142
dichteriſch noch eigentlich, genannt merben, als eben einzig in den beiben
Liedern vom Wölfung Helgi. Selbft in Sfalda find fie nicht, mie bie
andern Würbenamen alle, mit einer Gebichtftelle belegt 22. Überhaupt
ift aus der Helgifage nichts in die Stalbenfprache übergenangen, wo⸗
gegen Wölſung als Würbename vorlommt und bie älteren Helden dieſes
Geſchlechts, Sigmund und Sinfiötli, in einem Staldengefange zur Aus:
ftattung ber Walhöll verwendet find 123. So bereinigt fi Mebreres,
die Angabe der Profa dahin zu beftätigen dak in befagten Liedern
Mfinge und Wölſunge gleichmäßig als mirklihe Namen des Fürften-
gejchlecht3 gelten, in welchem Helgi mwiebergeboren ift. Da jedoch die
zwei Namen (altn. Völsänger und Yifingar, agj. Wälsing und Wul-
finzes, ahd. und mhd. Welifunc, Welfune, und Wulfine, Wolfinc,
Wülfinge, Wölfinge) ſprachlich nicht? gemein haben, jo führt dieß
darauf zurüd, daß der zweite Helgi uriprünglich nicht den Wölfungen
angehört habe, jondern einem andern Stamme, deſſen Name fich jebt
in ben verbunfelten Ylfingen herausftelli. Zur Verwechslung und Ber:
ſchmelzung biefer beiden Geſchlechter Tonnte, abgejehen von dem nur
ungefähr ähnlichen Zaute, der Umftand wirken, daß die zwei Wölfunge,
die in den Helgilievern beigegogen find, Siamund und Sinftötli, einft
als Wölfe umberichweiften, worliber ebenvort zwiſchen Letzterem und
dem Strandwächter Gobmund Scheltreden gewechſelt merben 424; daß
422 Sn. 192 fiihrt auch bei ihmen allein keinen Namengeber an una fagt
überhaupt von ihnen nur: „af Ylfinge wtt var Eirtkr inn mälspaki;“ zwei
Handſchriften lefen aud Bier: „Ynglinga zeit“, Sn. Arnam. 523. Schon das
genealogifche Hyndlulied zeigt ſich unficher, erft fiehen die Ylfiogar unter den
vier Geichlechtern, um welche namentlich gefragt wird, Seem. 114, 11, in ber
nächſten Strophe 12 Tommt zwar ein Ulfr vor, aber nicht an der Spitze feines
Sippes, und als nachher, Strophe 16, die vier Stämme in der Antwort wieder
aufgezählt werden, find flatt der Ylfinge die Ynglingar eingetreten. Die
Stammtafein in Fornald. 8. 2, 3 ff. wiflen über ſammtliche Geſchlechter der
tignarnöfn Beſcheid, nur von ten Ylfingar ſchweigen fie ganzlich, jener Ulfr
des Hyndlulieds erjcheint Hier noch tiefer in einer Geſchlechtreihe, 2, 7, die
nichts weiter mit Ylfingen zu than bat, und Eirikr hinn mä&lspaki der Stalda
wird dem Stamme der Skilfinge oder Skiöldunge eingereiht, ebend. 9 f.
#23 Sn. 194: völsüngr. Fagrsk. 17.
s24 Seem. 154, 36 (Godm.): „pü hefir etnar Alfa kräsir ok bradr
Dinom at bana ordit; opt sär sogin med svölum muhni, hefir i hreysi
arleidr skridit“ u. j.w. 38 (Sinf.): „Niu Altu vid & nesi sägu ulfa ala.
143
aber dieſer Waldgang in Molfgeftalt und der Mölfingyame im Begriffe
der Landflüchtigkeit zufammentreffen, wird an andrer Stelle zu erörtern
ſein. Bon ven Wölſungen abgelöit, fallen bie Difinge dem ſueviſchen
Beſtand der Helgifage anheim. Hier, wie bei andern Böllerfchaften,
konnte ein Geſchlechtsname von beliebtem Stammwort oder von allge:
meiner Bedeutung fagenhaft umgehen. Weber mit den MWölfingen der
Dietrichsfage, noch mit den Plfingen der Inglingenjage, ergibt fich ein
innerer und unmittelbarer Zuſammenhang. Gleichwohl bat fchon ver
äußerliche Anklang an dieſe Letztern auf das Namenmefen ver Helgt:
lieder merklich eingewirkt. Die ſchwediſche Konigsſage berichtet, wie
ein König Hiörward, genannt Mfing mit feinen Wilingen in Schiveden
anlegt und von ®ranmar, dem König in Sübermannland, zum Schmauſe
geladen wird, wie Granmars Toter Hilbigunn 125 dem Gafte ten
Willkommbecher auf das Mohl aller Mfinge zum Gedächtnis Kolf
Krakis autrinkt und ihm hierauf verlobt wird, mie dann Hiörward und
Granmar ın Gemeinihaft mit Högni, König über Dftgotbland und
Schwäher Granmars, den Upfaltönig Ingiald erft glüdlich bekämpfen,
nach beſchworenem Frieden aber durch deſſen nächtlihen Überfall in den
Flammen umlommen #26, Woher der Nlfing Hidrward kam, ift nicht
gefagt, aber daraus, daß ihm der Heiltrunt auf alle Ylfinge zu Rolf
Kralis Minne gebracht wird, ift zu fchließen, daß biefe Dlfinge Dänen
waren, vielleicht dieſelben mit den Wulfingen, deren angelfächfifch in
Beowulf und Widſid gedacht iſt 12°. Meben dem Geſchlechtsnamen
ck var einn fadir heirra.“ 39 (Godm.): „Fadir varatiu ſenrisulfa öllum
ellsi® u. |. w. 155, 40: „Stiapr varlu Siggeirs, lätt und stödum heima,
vargliolom vanr at vidum üti; kömu per Ögögn Öll at hendi, P& er
bredr Pinom briost raufadir: gördir Pik fregjan af firin-verkum,“ Bergl.
Völs, 8. 6.8 (Fornald. S. 1, 130 ff.) Beow. 8. 137: „feehde and firene.“
25 Iſt es Hildigunn, die Tochter einer Smwawa (Mund, Edda 68, 17),
und gibt dieß eine Anknipfung? Kaum.
8 Yngl. 8. 6. 41 bis 48. Der Trinfgruß lautet: „heilir allir Ylfingar
at Rölfs minni Kraka!“ Bon Rolf Krafi meldet Yngl. S. C. 33 fg.
MU Bew. C. 7. Cod. Exon. 320: „Helm (veöld) Vulfingum.* Mög-
ih, daß Helm (nnd jo auch in der folgenden Beile Bald, vergl. Ettm. Lex.
115) hier aus einem Appellativ irrthümlich zum Eigennamen geroorden ifl, wie
un Beowulf, a. a. O., Hrodgar helm Scyldinga heißt (vergl. Etim. Lex. 457).
Son über die Wulfinge Leo, über Beow. 55 f., vergl. 20° Ettmüller,
eow. 2. M Henhoff in den Nordalb. Stud. 1, 158, wo auch die Verweilung
144
Afinge verlauten nun auch in ben Helgiliebern die dtei Kbnigsnamen:
Hibrward, Vater des erften Helgi und gleichnamig einer der Hundings
föhne 18, Granmar, Bater des vom Ylfing Helgi belämpften Mitbe⸗
werbers, Högni, der Bater Sigruns; und doch bat ber beiberfeitige
Sageninhalt, die Stellung der Ramenträger zu einander, lediglich nichts
gemein. Entlehnung diefer Namengruppe aus der Helgifage herüber
in bie reinnorbifche Gefchichte der Upfallönige Tann nicht angenommen
werben, glaublicyer ift, daß umgelehrt die gebieteriihe Dichtlunft bes
Nordens, indem fie fremben Sagenftoff von feiner Wurzel ablöfte und
ihn ſich aneignete, bemfelben nicht bloß ihr ſtaldiſches Gepräg auf
drückte, jondern auch durch Verſetzung mit norbifch mundgerechten Namen
fih ihn verähnlichte. Hiezu reichten lodere Fäden aus, gemahnten
deutſche Wulfinge an altbänifche Ylfinge, fo zogen biefe leicht andre,
mit ihnen zuſammenhängende Namen nad; überall ſagenhafte Anklänge
ohne inneren GSagenverband. Wie mit den Perfonennamen ſteht es
mit den Ortönamen; bald ein Berfuch beftimmter Berörtlihung, mie
wenn in der Profa zwifchen dem erften Helgiliede Hiörwarb zum König
in Norwegen erklärt ift und fein Sohn Hebin aud im Liebe ſelbſt aus
diefem Lande kommt 129, bald mehr nur bdichterifche Bezeichnungen der
Gebirgs⸗ oder Seegegend, wie jene Solfiöll und Snäfiöll, Sonnen:
und Schneeherge, der Gerichts- oder Kampfftätte, wie Hringftabir u. f. w.,
in deren Art aber auch nachweisbare Ortsnamen gebildet waren !W.
auf Barnlönig, Flandr. Rechtsgeſch. Bo. 1, Abth. 1, Urkundenb. S. 85:
„Sequitar de Wulpingis. Homines de Wulpis sive de Cassand“ u. |. w.
8 Die Butter heißt Sigrlinn; follte diefer Name, den Völs. S. nicht
fenmt, aus dentſcher Heldenjage, in welcher Sigfrids Mutter Gigefmt heißt
(Nid. 20, 2), 518 hieher aufgeftiegen fein? Giglint iR and eines ber weis-
fagenden Meerweiber im NRibelungenliede (1479, 1) genannt. (Eine Gigelint in
der Klage 1102.)
43% Seom. 145 fg.: „Hedinn var heima med födur sinum Hiörvardi
konüngi 1 Nöregi.“ 146, 31: „Kom Bü heill, Hedinn! hvat kantu segja
nfra apialla or Noregi?“
480 Ein „Helgi & Sölbiörgom“, in Halland, Heimskr., beransg. von Schö⸗
uing, 5, 60, appellativ: „sölbiörgum 1“, Fornald. 8. 1, 482; „Hringstadir*,
in Seeland, Heimskr. 8, 41: Fagrek. 4: „& Hringstödum & Siölandi.*
P. E. Müller jagt in der Sagabibl. 2, 50: „Det er nok overalt forgiweres
at ville bringe geograplıisk Nölagtighed i Qvaderne om Helge, thi om
man end blandt de mange Navne paa Herreder ok Landsbyer i Danmark
145.
Unter all dieſem irrenden Einfluß norbifher Namengebungen baben
fih nur um fo bebeutfamer die Grundnamen Swawa, Swafnir ber
Swawakbnig, Swawaland, Sewafidll, theils gänzlich ungelräntt, theils
wenig umgefärbt, im alten Beſtand erhalten. Die Suevin hat ſogar
ihrerſeits örtlich und an ber Spitze der großen Stammtafel im Norden
Befik genommen: es gab eine norwegische Bucht der Swawa, Swafu⸗
wit 431, und Halfdan der Alte bat die zweimal neun Söhne, von denen
die Tönigliden Würbenamen abgeleitet werben, mit Almweig (Alwig,
Afey) erzeugt, diefe Stammmutter felbft aber ift, nad dem Hyndla⸗
lied, eine Tochter Hildigunns, der Tochter Swafas und eines Gew
Lönigs 472,
Richt bloß in Stil und Namenwert, auch in ihrem inneren Weſen
ift die ſueviſche Sage von der norbiichen Zubildung betroffen worden.
Dieß konnte nicht ausbleiben, indem fie einer Geichlechtfage verbunden
wurbe, in welcher Odin vom Anfang bis zum Ende malte. Es ift
fein Grund anzunehmen, daß die Wölfungenfage nicht fchon in ihrem
Urſprung von Woden beberrfcht geweſen fei, mit ber Einbürgerung
im Norden aber fiel fie aud ber eigenthümlichen Ausgeftaltung bes
Ddinsmythus durch bie nordiſche Poefie anheim. Man Tann fich
davon eine Borftellung maden, wenn man bie älteren Geſchichten ber
Wölfunge, wie fie allein noch im vorbern Theile der profaiichen Saga
enthalten und bargeftellt find, mit den fpäteren zuſammenhält, wie fie
in den Eddaliedern dichterifch verarbeitet vorliegen und erft aus biefen
in den mit Sigurds Jugend beginnenden Theil der Saga übergiengen.
Diefem Liederkreis angereiht, prägte fi) auch die Helgifage norbifch-
odinifch aus. Der ziveite Helgi ift ein Wölfung und damit fteht er
in Dvins Macht. Diefer Gott ift Stammoater ver .Wölfunge und
als das Gefchlecht erlöfchen will, fendet er in dasſelbe den befruchten:
ok Sverrig kunde finde nogle, der svarede til Sagaens; aynes dog Je
Heste af disse, som Frekasteen, Arasteen, Logafield, Unavog, Brunavog
blot at veere allegoriske. Imidlertid er det rimeligt, iser da og et Sigars-
vold neevnes, at Digteren har tenkt sig Helge födt i Danmark.“
431 „Sväfayik,“ Heimskr. 4, 365. 409. (cf. Falsenii Hist. Norveg. 3,
€. 254); vergl. „Svaforni“ Heimakr. 4, 325.
422 Seom. 115, 17: „Var Hildigiinn hennar (Älmveigar) mödir IvAfu
borin ok sekonfingi.“
Afland, Ghriften. VI. 10
146
den Apfel dur feine Wunſchjungfrau (oekmey) 483, eine Benennung,
die nachmals auch auf Brünhild angewendet wird 494 und beren Sinn
ft, dag Odin, deflen angewünſchte Söhne (oskasynir) die Einherien,
feine Genofien in Wallhöll, find und der als Wunfchvater felbft Oski
beißt 435, durch dieſe ihm bienftbaren Jungfrauen die Annahme junger
Helden an Sohneftatt vermittelt. Gewbhnlicher ift der Name Wal:
füren, welcher die Erfiefung und Berufung ber von der Walftätte nad
Walhöll Fahrenden bebeutet 456 Walküren find nun auch Swawa
und Sigrun, doch find dieſe nicht, wie Brünhild, ausdrücklich mit
Odin in Beziehung gebracht 497. Von Dbin ift dem Wölfungenftamm
. 48 Fornakd. 8. 1, 118: „(Odinn) tekr oskmey sina, döttur Hrimnis
iötana. ok fer i hönd hemni eitt epli, ok bidr hana fera konfingi.“
434 Sem. 242: „en hann (Gunnarr) Brynbildi bed hialm geta, hana
qvad hann oskmey verda skylda.*
435 Sn. 24: „bann (Odinn) heitir ok Valfidr, Pvi at hans oekasynir
(Arnam filii adoptivi) era allie beir er 1 val falla; beim skipar hann
_ Valhöll ok Vingölf, ok heita beir 54 Einherjar.“ (Lex. isl.: „Öek f. vo-
tum; item electio.“ „oska-barn, n. adoptivus.“ „Öska-barna rettr, m. jus
adoptionis.“ „öskasonr, m. vid. sskabarn.“ über den altn. coinponieren-
den Bocal Gr. 2, 422, d. Bergl. Graff 1, 905, mo unter wunſt mehrfach
adoptio, adoptare, adoptivus. Ettm. 120: „gevfskan, adoptare, optare.“)
Sem. 61, 17 find barn und oskmögr zujamnıengeftellt, aber unterfchieben.
Über deutſche Adoption R. A. 463 bis 465. Der agf. Name Vüskfreg fcheint aud)
ein Verhältnis der Ankindſchaft auszudrücken, was dur die Zufammenftellung
mit Fresvine fich erläutert. D. Myth. (1) Anh. VIII f. (2) 192. Oski, Szem.
46. 49. Sn. 3. 24. Herjafadir, diefer gangbare Odinsname wird dem Gotte
beſonders auch da gegeben, wo er mit.den Einherien oder noch irdifch begüumſtig⸗
ten Helden im Verkehr gedacht ift, Sem. 6, 35: „G6l um äsum Gullinkambi,
sä vekr hölda at Herjafödrs.“ 36, 40: „Segdu Pat n. ſ. w. hvat einherjar
vinna Herjafödrs at, unz rinfask regin.“ 113, 2, wo namentlich der Waffen-
gaben an Hermod und Sigmund gedacht ift; fiber Adoption durch Waffen Rechts⸗
alterth. 166 f., vergl. auch Paul. Diac. 1, 28 f.
486 Sn. 39: „pessar heita Valkyriur; bar sendir Odinn til hverrar
orostu; ber kiosa feigd A menn, ok räde sigri u. |. w. rida iafnan al
kiosa val, ok räda vigum.* D. Myth. 889. Sie Heißen auch: „Odins
meyar,® Sn. 212a, „nonnor Herjans“ Sem. 4, 24; vergl. 248, 19: „hverri
heri Herjans disi.* 80. 159: „valköstu,“ Arnem. 417.)
47 Daß fie Walküren fein, ift zwar mer in der Proſa namentlich gefagt,
aber ihre Erſcheinung in den Liedern ſtimmt damit überein. Brünhilos Ab⸗
hängıgfeit von. Chin ift ausgejprochen Sem. 193, 2. 194. 228, 8; Walfüre
wird fie in ber Profa, ebd. 194, genannt.
147
auch das Schwert geftiftet und zwar zu Handen Sigmunds 488, in
defien letzter Schlacht es dann am Speere des entgegentretenben Gottes
entzweibricht, aus den Stüden aber wird dem nadıgebornen Sigurb
das Schwert zum Lindwwurmlampfe geichmiebet 139; in ben Liebern
vom Wolſung Helgi bringt Sigmund diefem älteren Sohn aus dem
Kampfdonner das Schwert zur. Namengabe 14, Seinen Speer leiht
Odin bier dem Bruder Sigruns, der ihm geopfert hat, zur Vaterrache
an Helgi 141. Diefer geht aber fofort nah Walhöll ein. Wenn nad
nem Staldenlied auf den Tob des norwegiſchen Königs Eirik (erfte
Hälfte des 10ten Jahrh.) Sigmund und Sinfibtli ale Einherien bei
Dbin in Walböll weilen, fo wird im Eddaliede noch herrlicher ihrem
Sohn und Bruder Helgi, ala er dorthin Tommt, von Odin die Mit:
herrſchaft angeboten 442, Aus den Sälen Odins reitet Helgi mit feinem
48 Fornald. 8.1, 120 f. (Völs. 8.@. 3): „hann (Odinn) bregdr sver-
dinu, ok stingr Pvi 1 stokkinn m. |. w. ok meelti: sä er bessu sverdi
bregär or stokkinum, D& skal e& hat higgja at mèr at giöf, ok skal
hann Dat siälfr sanna, at aldri bar hann betra sverd ser 1 hendi, en
Detta er“ u. f. w. Hyndl. 3 (Seem. 113): „gaf haun (Herjafadir) Hermödi
bialm ok brynjo, en Sigmundi sverd at Piggja.“ Bergl. Str. 25 (Ssem. 117a),
wo Sigmund Völsingr genannt ift, wie im Beowulf Välsing.
450 Fornald. 8. 1, 145 (Völs. 8. C. 11): „bessi madr kon: äm6t Sig-
mundi konüngi, ok bra upp geirnum fyrir honum; ok er Bigmundr
konängr hiö fast, kom sverdit 1 geirinn, ok brast 3 sundr 1 tvä luti“
u. |. w. Ebend. (C. 12) fagt der flerbende Sigmund zu Hiörbis: „vill Odinn
ekki, at vär bregdum sverdi, sidan er nü brotnadi“ u. |. w. und weiterhin:
„rardveit ok vel sverdsbrotin; par af mä gera gott sverd, er heita mun
Gramr ok sonr okkarr mun bera, ok bar mörg störverk med vinna“ u. ſ. w.
Die Yertigimg des Schwertes Bram aus den Stüden ebend. C. 15 (1, 156),
vergl. Seem. 1836.
40 Seem. 150, 7: „slallr gökk visi or vigbrymu Angum foors ttrlauk
#1 Beem. 1645 f.: „Dagr Högnason blötadi Odin til födurhefnda;
Odinn Mdi Dag geirs eins. Degr fann Helga u. ſ. w. hann lagdi igög-
nam Helga med geirnum; par fäll Helgi“ u. ſ. w.
42 Häkonarmäl bei Frauer, Die Wallyrin u. |. w. Weim. 1846, 87 f.
5 ff. Fegrskinna, Chriſt. 1847, 16 f. Sein. 1666: „Haugr var görr eptir
Helge, enn er hann kom til Valhallar, BA baud Odinn hanum öllu at
räda med ser.“ Helgi macht davon den Gebranch, daß er den alten Feind
der Wölfunge, König Hunding, zu den niedrigften Knechtsdienſten, ſelbſt zum
Shweinefüttern, verurtbeilt; handbgreifliches Beiſpiel der @infchiebung.
148
Gefolge zum offnen Hügel und dorthin Fehrt er, bevor ber Hahn das
Siegvolk, die Einberjen, medt, auf gerdthetem Luftfteig zurück 448,
Allein eben hier, wo die Umfpinnung der Sage von Helgi mit Bor:
ftellungen des Odinsmythus fich vollendet, offenbart ſich auch der ent
fchiebene Zwieſpalt ihres Grundbeſtands mit dem firengobinifchen Geiſie
der Wölfungenfage und ber norbifchen Überbichtung desſelben in ein
fremdes Gebiet. Die Verberrlihung in Walhöll ift unverträglich mit
dem Wieberfehen im Grabhügel, wie folches doch im gleichen Liede,
als tiefiter Sageninhalt, mit meifterbaften Zügen gezeichnet ift. Helgie
urlalte Hände, urlalte Bruft, darauf Sigrund abenblihe Thränen
blutig und quälend fallen, bis fie ihm eine fchmerzlofe Rubeftätte
bereitet, dann ber beivufte Gegenfah des Grabes und ber Wonne:
foftbarer Trank fol getrunfen werden, obgleich Luft und Lande ver:
loren find, Niemand fol ein Trauerlied fingen, obſchon er die Bruſt⸗
wunden fiebt, die Braut nun im Hügel geborgen bei dem Geftorbenen,
nichts mehr unverbofft, feit die Lichte, Lebendige dem Berlebten im
Arme ſchläft, al dieß verkündet nachbrüdlich einen Bewohner ver
Todtengruft, nicht einen Genofjen der himmliſchen Walhöll. In Doing
Saale fchmaufen die Einherien vom unvergänglichen Eber und bie
Wallkuren reichen ihnen das Trinkhorn; Ragnars Todeslied fchließt:
„beim laden mich Nungfrauen, die von feinen Hallen Dvin mir fenbet,
fröhlich werd' ich mit Aſen Bier auf dem Hochſitze trinken, verronnen
find die Lebensftunden, lachend werd’ ich fterben” 144, Hier it Wal-
höll, dort die Grabhöhle; es kann nicht urfprünglic fein, daß ber
Held erft göttergleich mit Dbin lebt, dann leichenhaft im Hügel ſchläft
und bald mieber über die Himmelbrüde zurüdreitet. Der Tobtenritt
muß vom Grabhügel aus: und dahin zurüdgegangen fein. Das befagt
doch ſchon Sigruns vorausgegangene Tobtenllage: „nicht fit’ ich fo ſelig
zu Sewafiöl, frühe noch die Nächte durch, daß ich des Lebens mid
freute, es gebe denn an der Thür (Grabthür) des Helden Glanz auf
und venne unter ihm das goldgezäumte Streitroſs bieber, daß ich den
43 Sem. 168, 36 f.
44 Fornald, S. 1, 310: „heim Lbiöda mer Disir, sem frä Herjans
höllu heßr Odinn mär sendar; gladr skal ek öl med Äsunı i öndvegi
drekka; life eru lidnar standir, lejaudi skal ek deyja.“
149
König empfangen könne 195; darnach im einem fpäteren Eddaliede
Godruns Klageruf: „Treibe du, Sigurb, das Schwarze Roſs, Taf das
burtige hieher rennen u. |. m. Gedenke, Sigurd, was wir berebeten, da
wir auf dem Kiffen zufammenfaßen, daß du, Tapferer, mich beſuchen
twolleft, ein Held aus dem Todtenreich, ich aber dich aus dieſer
Belt?“ 446 Bu folchem Ritt aus dem Grabhügel wurde Männern
bad Roſs in denfelben mitgegeben 44°, Im Rorben felbft war es wobl
die ältere Borftellung, daß der Aufenthalt Hingefchiedener ein unter
irdifcher fei. Schaaren tobter Männer reiten über die Brüde bes
Gibllſtromes norbwärts den dunkeln Helweg hernieber 44, Die uralte,
bei Saxo erhaltene Sage von Habbing, fonft einem Odinshelden,
weiit die Kampfſpiele der durchs Schwert Gefallenen, mie folde nad
der Edda in Walhöll ftattfinden, gleichfalls in die Unterwelt 149, Auch
43 Sem. 166, 233: „Sitka ek sva sel at Sövafiöllum Ar nd um neetr,
at ek una lifi, nema at lidi lofdüngs lioma bregdi, renni und viss vigbler
hinig (a. Pinig) gullbitli vanr, knega ek grami fegna.“ [Bu hinnig, Pinnig,
Gr. 8, 174. 179. Mund, Edd. 200a.]
446 Sem. 268, 18: „beittu. Sigurdr, enn blakka mar, hest inn hrad-
foora lättu hinig renna“ u. ſ. w. 19: „Minnstu, Sigurdr, hvat vid mel-
tum, pa er vid à bed bedi sätum, at myndir min mödugr vitja, halr
or helju, en ek Pin or heimi.“ (Lex. isl. 1. 324: „Hair, m, vir liber
et liberalis.“ Sn. 213a u. Sem. 36, 43. 51, 29 vergl. mit 49, 15:
„Helju 1,“ 19, 50: „t Helju“ u. |. w. 271, 19. Lex. myth. 139 a. Agſ.
häle m, vir, &ttmüller, lex. 447. Bosw. 131c.)
HT So wird der junge Norweger Aswit mit Roſs und Hund in einer Erd⸗
böhle beigeſetzt und zugleich läßt fi fein Freund Asmund in den Hligel ver-
ienten, weil fie den Bund befchiworen, daß der Überlebende mit dem früher
Berflorbenen begraben werben folle, Saro 5, 91 f. Bergl. Fornald, 8. 3
375 |. 378,
48 Sn. 67: „ridu um bräna 5 [ylki daudra manna u. |. w. en nidr
ok nordr liggr helvegr.“ Bergl. Sem. 4, 28: „Giöll ok Leiptr u. |. w.
falla ul beljar hAdan.“
4) Sayo 1, 16: „Progressigue precipitis lapsus ac liventie aque fiu-
viem, diversi generis tela rapido volumine detorquentem eundemaqne ponte
meabilen factum, oflendunt. (Juo pertransito binas acies mutuis viribus
concurtere contemplantur, quarum conditionem a foemina perennetante
Hadingo: ü sunt, inquit, qui ferro in necem acti cladis sus speciem con-
tinao protestantur exemplo presentigne spectaculo preterite vite facinus
&mulantur.“ Bergl. damit Sem. 36, 40: „Segäu bat u. |. w. hvat ein-
herjer vinna Herjafödrs at, unz riufask regin.“ 41: „Allir einherjar
130
isländiſche Gefchichtfagen erzählen, wie ein bortiger Anfiebler Thorelf,
beſondrer Verehrer Thors, einen Berg in der Nähe feiner Riederlaffung
Helgafell, heiligen Berg, nannte und denſelben auch in foldher Bereb:
sung und Friebheiligleit hielt (vgl. Wachter, Heimskr. 1, 42. 163), daß
Niemand ungewafchen dahin fehen, noch dort Menſchen oder Vich
Gewalt iwiberfahren follte, denn er war des Glaubens, daß cr und
alle feine Blutöfreunde nad) dem Tode dorthin fommen ivürden. Zur
Zeit feine Sohnes Thorftein ſah ein Hirte, der am Herbftabend nad
den Schafen gieng, daß der Berg ſich von ber Norbfeite aufichloß,
im Sinnen besfelben fah er große Feuer und hörte dahinzu lauten
Freudenruf und Hörnerſchall, auch bei genauerem Aufmerken, daß
dort Thorftein mit feinen Gefährten bewilllommt und angetviefen
wurde, den Ehrenfiß feinem Vater gegenliber einzunehmen; am nächften
Morgen erfuhr man, daß Thorftein beim Filchfang ertrunten war 4%,
Odins tänum 1 höggvask hrverjan dag, val peir kiosa ok rida vigi fr&,
öl med Äsum drecka ok sediask stehrimni, sitja meir um sättir saman.®
Darnach Bn. 44: „b& meelti Gängleri u. |. w. hvat er skemtun einherjanns,
hä er peir drekka eigi? Här segir: hvern dag, P& er heir hafa kledst,
p& hervieda peir sik ok gänga fit i gardinn ok berjast, ok fellir hverr
annen; Pat er leikr beirra; ok er lidr at dögurdarmali, b& rida peir heim
ul Valballar ok setjast til drukkjn.“ Daß Saro nicht willlürlid, etwa
unter Einfing Birgils, das Kampffpiel unter die Erbe verlegt, zeigt ſchon die
damit verbundene Erfcheinung des aus dem Boden auftauchenben Erdweibes,
das feine Führerin wird. [Bergl. Müller, crit. Unders. 22.]
#0 Landnämsbök P. 2, K. 12 (islendinga Sögur 1, 97): „Börölfr
nam land fr& Stafs& inn til börsar, ok kalladi bat allt börsnes; hann
hafdi svä mikinn ätränad & fialli Bvi, er stöd t nesinu, er hann kalladi
Helgafell, at hängat skyldi engi madr Öbveginn Iita, ok Bar var svä mikil
fridhelgi, at auugu skyldi granda i flallinu, hvärki fd n@ mönnum,
nemea sialft gengi & braut; bat var trüa beirra börölfs freenda, at peir dei
allir 1 fiallit.“ Mebreres in Eyrbyggia-Saga (Havn, 1787, ©. 10 f.) ©. 4:
„porölfr kalladi börsnes milli Vigrafisrdar ok Hofsvög. 1 pvi nesi stendr
eitt all. A Dvi fialli hafdi Pörölfr sva mikinn &trünad, ar bangat skyldi
einginn madr Sbveiginn lita, ok eingu skyldi tort$na 1 fiallinu hvärki
fe n6 mönnum nema sialfr gängi 1 burt. Pat fiall kalladi haun Helgafell.
ok trüdi at hanı mundi Pangat fara PA er hann dei ok allir & nesinu
hans frendr sem Pörr hafdi & land komit“ Ebend. €. 13 (©. 26 f.):
„Det sama haust för Pörsteinn At i Höskuldsey til fängs. Pat var eiti
kveld um haustit at saudamadr Pörsteins för at fd fyrir nordan Helgafell.
151
— —
Die verſchiedene Wohnſtätte nach den Tod erklärt fich weder dadurch
genügend, daß nur die Waffentodten ober mit Speeresſpitze Gezeich⸗
neten nach Walholl auffteigen 51, noch durch die Stelle des Harbards⸗
liebe, wonach Dbin die in der Schlacht fallenden Sarle, Thor ber
Thrale Geſchlecht hat 192; denn bie unteriweltlichen Kämpfer ter Had⸗
dingjage find, wie ausbrüdlich gefagt wird, durchs Schwert umgelommen
(ferro in necem acti) und die Todten in Helgafell gehören zu einem
freiem, priefterlihen Gefchlechte. Der Gegenſatz iſt anders zu fallen.
Erbbeftattung und Genoſſenſchaft in der Unterwelt oder im Berge,
Mitbegraben des Rofies und Tobtenritt über die Brüde des Helwegs,
aus und nach dem Grabhügel, greifen in einander und all dieß zuſam⸗
men fteht gegenüber dem Berbrennen ber Leihen von Mann und Roſs,
dem Leben der Einherjen in Odins Walhöll und ihrem Quftritt über
die Himmelbrüde. Ynglingaſaga fchreibt der Gefeßgebung Odins den
Leichenbrand und feinen Berebrern den Glauben zu, buß je höher der
Raub in die Luft auffteige, um fo herrlicher der Verbrannte im
Himmel fe 63 Mit Sigurd läßt Brünbild fih auf den Holzftoß
legen, über Helgi wird der Hügel aufgemorfen und dahin geht Sigrun
bann s# ai fiallit laukzt upp nordan. hann sä inn 1 fiallit elda störa ok
heyrdi hanget glaum mikinn ok hornasköl, oc er han hiyddi ef hann
nzmi nokkra orda skil, heyrdi hann ut bar var heilsat Pörsteini Pör-
skabtt ok förunantum hans ok melt at hann skyldi sitia 1 öndvegi gegnt
fedr stnum. benna fyrerburd sagdi saudmadr konu Pörsteins böru um
kveldit, hon l&t ser fätt um finnaz ok kallar vera mega at petta veeri
fyrerbodan siosrri tidinda. Um morgininn epter kömu menn ütan or
Höskuldsey ok sögdu Pau tidindi at Pörsteinn Pörskabltr hafdi druknat
t fiskirödri.” Bu vertrauliher Beiprehung jchwieriger Angelegenheiten wird
anf Helgafell gegangen, Eyrbygg. 8. €. 28 (&. 18%): „bau räd hava sist at
engu urdit, er bar hafa rädin verit.* Der Rame und die Heilighaltung
diefes Aufenthalts der Abgeſchiedenen führt auf die Trage, ob es nicht auf
ähnlichen Vorſtellungen beruhte, wenn deutſche Menbelehrte ihre Tobten insge⸗
jeuımıt zu Heiligen machten, was bie Kirche zum heidniſchen Aberglauben zählt,
indic. superst. et pagan. 6. 25: „de eo quod sibi sanctos fingunt quos-
libet mortuos“ (Deutfche Mythologie, 1 Ausg. Anh. XXI. W. Müller, altd.
Religion 64).
41 Szem. 41, 8. 8n. 24. 38. 41. Yngl. 8. 6, 10.
42 Sem. 77, 24.
#8 Yngl. 8. €. 8. 10.
152
zu ihm ein. Damit fallen Jene dem Brandalter und bem nordiſch
ausgebildeten Odinsglauben, Diefe dem Hügelalter und einer entipre
enden mythiſchen Anichauung heim #54 Die Grundverſchiedenheit
wird auch nicht dadurch aufgehoben, daß beide Arten der Leichenbe
bandlung bei demfelben Volke gleichzeitig in Übung giengen, die Beer
digung überhaupt niemald ganz entbehrlih war 135, daß demſelben
Todten beiberlei Ehre erwieſen wurde 156 und daß mit dem Wechſel
und Zufammengreifen der Gebräuche au in Mythen und Sagen, die
fih durch verſchiedene Bölfer und Zeiten fortgeftalteten, manigfache
Verwirrung kam 19°. In der Helgilage ſchlägt noch immer die Grund⸗
Lage der Erbbeftattung durch, ohne irgend hinzukommendes Verbrennen,
und fie fteht bierin auf gleicbem Boden mit der Grabbeichwörung
Hervörs, der Abkömmlingin Svafrliomis und Tochter einer anderen
Swawa.
Helgis dritter Erdengang hat in der um den Anfang des 14ten
Jahrh. abgefaßten Hromundesfaga eine fehr vertvorrene Tarftellung
erhalten. Warum er in diefer Wiedergeburt (vgl. Seem. 5, 26: „prievar
054 Nach Snorris Vorrede zur Heimskr. gieng brunaöld, dem haugsöld
vor: „En fyrsta ölder köllut brunaöld, 4 skyldi brenna alle dauda menn“
u. f. w. weiterhin: „ok höfz Par haugsöld 1 Danmörku; emn lengi sidası
hölz brunaöld mel Svium ok Nerdmönnum.“ Die Stellen in voriger Aum.
nehmen wieder das Verbreimen für ein Neusingeführtee. Berge. J. Grimm,
iiber das Berbrennen der eigen, Bern 1850, S. 50.
5 Es war religidfe Pflicht, wenigftens für die nothbärftige Beſtattuug
des auf dem Yelde gefundenen Todten zu forgen, Seem. 198, 3 f.
456 Auch über der Ace warf man noch den Hligel auf. Bei den Ger⸗
manen nimmt Tacitus den Leihenbrand und dazu noch einfache Raſenbedeckung
als das Herlömmliche an, Germ. 27.
457 Selbft der beriihmte Leihenbrand des göttlichen Baldr mit all feiner
mythologiſchen Auaſtattung läßt Zweifel an feiner Urſprünglichkeit übrig. Baldt
it den nächtlichen Weg zu Hel binabgeritten, die ihn ferhält, und bort unten
weilt auch Ranna bei ihm (Sn. 68), der fein Tod das Herz gebrochen; das iR
die rechte Farbe für die Berdunklung des von der ganzen Natur betranerten
Lichtgotts. Der prunkhafte Aufzug zur Berbrennungsfeier mochte für das Bilb-
wert am meugebauten Haufe eines reichen Isländers und die darnach Tunf-
mäßig gebichtete Drapa taugen. Umgelehrt flimmt Brünhilds Helfahrt unter-
irdiſch durch die Steinklüfte (Sem. 327) nicht fonderlich zu der herrlichen und
heldenhaften Aufriiftung des Echeiterhaufens, den fie mit Sigurd theilt (eben.
225 f. 6U bis 65).
153
brendo prisvar borna® u. ſ. w. Sem. 9, 59 ff. 36, 44 ff. Sn. 75 bis
77. Ruol. lie, 69, 13 bis 20) Helv der Haddinge (Haddtuga-skati)
heiße 458, erflärt die Saga nur foweit, daß er ſich auf Heerfahrt mit
zwei fchwebiichen Königen befindet, welche beide ben Namen Habbing
tragen 459, Auch die norwegiſche Stammtafel kennt ihn mit feinem Bei-
namen als Begleiter eines der Nachkommen von Habding, Raumis
Sohne, der Haddingjadal und Thelemark inne hatte, wie der Vater
Raum oder Raumi der Alte Raumsdal zuftand, und weldem dann
eine Reihe von Gebieten mit dem Haddingsnamen nachfolgte 1%,
Diefe Könige find zwar fämmtlic aus den Namen von LZandichaften
zurückerdichtet 191, aber ein Thal. der Haddinge ſetzt immerhin voraus,
daß es vormals ein Geflecht diefes Namens gab 1%, seiten Fuß
im Rorben bat Hromund, Greips Sohn, nad dem die Saga betitelt
if. Seine Abftammung wird zwar am gleichen Orte zu einem König
Hd von Hadaland hinaufgeführt, der nicht von beflerem Zeug ift,
ald Raum von Raumsbal, aber fein Rame und feine Heimat in
#8 Wan findet Haddinga- und Haddingjaskati, erſteres jet im Sing.
die Rarte Form Haddingr, letzteres die ſchwache Haddingi voraus (Gr. 2,
865); ebenfo wechſelt skati mit akadi, jenes bezeichnet überhaupt einen Kriegs⸗
mann und wird Sn. 195 zu erflären verfudht; J. Grimm ftellt (Zeitſchrift für
vergleich. Sprachforſch. Heft 1, ©. 81) die Gleichbedeutung beider Formen auf.
Die Belegfiellen für den zuſammengeſetzten Beinamen in verjdiedener Schrei-
bung find: Sem. 140. 169 (Mund) 96), Sn. 189 (Arnam. 482): „skati Had-
dingja*, Fornald. 8. 2, 8.
49% Fornald. 8. 2, 372: „Nokkru sidar kömu 2 konfiugar af Bvi
biod; höta badir Haldingjar (1. Haddingjar). Helgi (hinn frekni), Hraung-
vids brödir, var med beim.“ (Helgi heißt auch ein Bruder Hromunds.
2, 366.) -
40 Fornald. 8. 2, 8: „Haddingr, son Rauma, ätti Haddingjadal ok
pelamörk; hans son var Haddingr, fadir Haddings, füdur Högna ens
randa; eptir hann töku riki Haddingjar ?%, ok var hverr peirre eptir
annann; Helgi Haddingjaskati var med einum peirra.“
#1 Dunkel ift Sem. 284, 22 (Mund 1366): „IYngfiekr längr lands
Haddingja.“ [Bergl. Finn. Magn. Edda 4, 114.)
42 Eagabibl. 2, 488: „Saaledes bleve vel og iser de neevnie af Raums
Börn, der ekulde have givet visse Landskaber deres Navne, fordi man
omvendt af Landskabsnavnene sluttede sig til de gamle Konger.“ Ebend.
443: „Senere end det tolvte Aarhundredes Midte kan det Vesentligste af
denne Bamling af etymologiske Digtninger ikke antages nt veere.“
154
Thelemark ift anderwärts in geichichtlichen Bufammenbange beglaubigt,
ebenio, daß bei einem Gaftgebot auf Island, im Jahr 1119, von
ihm und wie er in Thrains Grabhügel gebroden, von König Dlaf,
feinem Gefolgherin, und vom Berferld Hraungveb, den nad der Saga
Hromund erſchlägt, gejagt und gefungen murbe 468, Hier ift Dlaf
König der, wie es jcheint, norwegiſchen Lidsmanne 464 und dazu fügt
es fih, daß in der Saga die Schlacht gegen feine ſchwediſche Feinde
auf dem Eife des Wänerſees vorgeht, das auch anderwärts zur
Kampfftätte zmifchen Norwegen und Schmeben bient 4655, Der Name
Kara kommt noch aus gefchichtlicher Zeit im alten Norwegen vor 466,
Sonft aber maltet die bet Sagafchreibern des 14ten Jahrh. herkömmliche
Willkür, die den überlommenen Sagenftoff mit erbichteten ober nicht
dazu gehörenden Perfonen und Abenteuern aufihmüdt, auch ſchon
in ber Hromundsfaga 19°. Namentlich erfcheinen in ihr Helgi und
Kara nur epifobilch untergeorbnet. Diele kommt zur Schlacht in
Schwansgeſtalt herangeflogen, obne daß von ihr zuvor die Rebe var,
463 Die Nachweifungen hat PB. E. Müller gegeben, Sagabibl. 2, 552 fi.;
befonders tiber den älteren Beſtand der Hromundsſage S. 565 bie Stelle aus
Sturiungafaga 1 Thattr Kap. 13, S. 28. Das Schwert Mifliltein, das Hro⸗
mund in Walland dem todten Thrain abringt, ift auch eines der berühmten
Holmſchwerter in der Herwörfaga und zwar, nad einer Faſſung derfelben, foll
Thrain felbft auch jolhes aus dem Grabhügel des Arngrunsjohnes Sening ge
holt haben (Fornald. S. 1, 416, vergl. jedoch 2, 371).
464 Rafn. 2, 14V überfegt: „Krigskonning.“ Alfo appellativ. Bergl. Fornald.
8. 2,154: „Olafs lidsmannakonünge“. Lidsstadir in Gudbrandsdal, Heimsk.,
herausg. von Schöning, 6, 388. Olafs 8. hins helga, Ahrift. 1849, ©. 147.
Hröm. 8, fagt 6. 1: „S& konüngr r&d fyrir Gördum t Danmörk (Lehteres nit
in allen Handichriften), er Olafr höt“ u. |. w. und unter Beziehung auf die
felbe au Gaungan-Hrölfse 8, (Fornald. S. 3, 362): „Olafr kanüngr 1 Dan-
mörk, er Helgi enn frekni herjadi &.“ Gardar im Sinne von Gardartki,
Rußland, find bier Feinenfalls gemeint.
465 Sn. 151. Yngl. 8. &. 33, vergl. S. Halfd. sv. 8.5 Wacht. 1, 140 f.].
#6 Harald. 8. ens härf. 6, 1 f.: Hogni Kärusonr.
467 Gagabibl. 2, 548: „den (Hrömundss.) kan neppe antages for mere
end et vilkaarligt Digt.“ 549: „Tildrageiserne gelv ere for det meste de
jevnligen forekommende, og det Eiendommelige hos dem synes, som
neermere skal vises, at veere Udpynininger af uvedkommende Sagn, man
vilkaarligen havde benyttet.“ 556: „Denne Saga er alisas den wldate
islandake, som vi med Vished vide at verre opdigtel.“
— |
155
weber von ihrer, noch von Helgis Heimat und Abftammung wird Kunde
gegeben und nachbem Beide den Tob gefunden, nimmt bie Gefchichte
Hromunds und feine® Gegners Habding ungeftörten Fortgang. In
jener älteren Erwähnung des Singens und Sagen? von Hromund ift
weder Helgi noch Kara genannt. Der Sagafchreiber felbft gibt feine
ungenaue Kenntnis der Helgifage auffallend bloß. Daß ihm die ver
lorenen Karalieder noch vorgelegen, davon zeigt fich nirgend eine Spur.
Nichts verlautet vom Roſſe Skäwad, das, nah der in Skalda auf:
bewahrten Stelle eined andern Liebes, ber Habbinge Held geritten
bat 48, Als folder ift zwar der in die Saga gezogene Helgi angefehen,
gleichwohl abei ein ganzer Auftritt aus den Begegnifien bes Hunbinge-
töbters Helgi hereingewirrt. Wie Diefer, als Mühlmagd verkleidet, fich
bei feinem Erzieher Hagal vor den Ausgefandten Hundings verbirgt,
aber body von Blind dem Unheilvollen erfpäht wird, fo ift nun ber
auf dem Wänerfee vertvundete Hromund in gleiher Verlleidung auch
bei einem Hagal verſteckt und wieber ift es der üble Blind, ber Verbacht
ſchöpft 0. Bei fo loſem und misverftändlichem Zufammenhange fcheint
48 Sn. 180 (Arnam. 482): „bessir (hestar) 'ro enn taldir 1 Alevinns-
mälum (a. 1 Kälfsvisu(m)) u. ſ. w. en (reid) Skevadi skati Haddingja.*
Bergl. ebend. 1796 u.]
469 Bergl. Beem. 158 f. mit Fornald. 8.2, 376 f. Der gefährliche Spür-
mann beißt in der PBrofa zum Eddaliede Blindr inn bölviei, in der Saga
Blindr binn illi (2, 376), weiterhin: karlinn Blindr, er h&t Bavis (2, 380);
auch biebei verräth fich die linficherheit des WBearbeiters, denn anderwärts in
der Saga werben zwei bei König Olaf vieigeltende, aber ſchlimme und argliftige
Männer, Bildr und Voli, genannt (2, 865, vergl. 371 bis 873); Jener wird anf
den Wänerfee erichlagen, Dieſer if ein Banberer, der das Eis zu Wafler
macht und dem Hromund das Schwert ans der Hand bläft, wofür der Held
ihm den Hals bricht (2, 875), Blind Bavis dagegen erſcheint erft nad ihrem
Tod als Kundichafter und mit Traumgefichten, bie feinem Herrn und ihm
ſelbſt den Untergang weiffagen und bald darauf in Erfüllung gehen, ähnlich
denjenigen, die in einem der Eddalieder von Atli und den Niflungen erzählt
und gedeutet werden (Seem. 253, 16 fi., vergl. 286, 37 fi.) Ju der Saga
iR Alles, was jene räthielbaften Männer betrifft, verdunkelt und verfchoben,
das Hare Verhältnis gibt Saro (7, 129 ff.) in der aus alten Liedern genom⸗
menen Erzählung von Hagbarth und Sygne, wonad König Sigar zwer alte
Männer zu Rathgebern Kat, ungleiche Brüder, deren einer, Bilwis, zur Ber-
Khnung und Mifde, der andre, der blinde Bölwis, zu Zwietracht und Verberben
wirkt. Hauptſtellen find: „Rex quippe Sigarus senum duorum, quorum
156
es doch nur der auf beiden Seiten vorkommende Name Habding geivefen
zu fen, was zur Einmiſchung ber Helgifage in die von Hromund ben
Anlaf gab und ein Vorgang dafür fand fich fchon in vorbemerkter
Stelle der norwegiſchen Stammtafel. Diejer Haddingsname felbft aber
ift Tein Hindernis, mie früher den Ylfing Helgi von den Wölfungen,
fo nun von der Hromundsſage den Helden der Habbinge freizuftellen.
Derjelbe Name ift auch im deutfchen Alterthum kundbar. Er bezeichnet
durch die Ableitungsform den Angehörigen eines Geſchlechts oder Volks:
ftammes und es ijt ermittelt, daß Habbinge ſprachlich Eines find mit
Asdingen, dem Namen des wandaliſchen Rönigshaufes, zugleich dem
eines den Gothen verbünbeten Volles 170, wie auch jonft Benennungen
alter Bolwisus erat, consilio cuncta ferd& gerere consuevera. Horum
tam discors ingeniam fuit, ut alter inimicitiis diesidentes in gratiem redu-
vere solitus esset, alteri care foret amiciti& junetos odio sequestrare et
simulteium pestes alternis ventilare dissidiie u. {. m. Bolwisum quendam
luminibus captum u. |. w. Bilwisus, Bolwisi frater, aliique sententie
potioris auctores“ u. |. w. Der entſchiedene Gegenſatz liegt ſchon in den
Namen: altn. bölvis (Beem. 77, 23. 98, 1: „bülvisir draumar.“ 1585. 197,
28. Gr. 2, 577), goth. balvavdsei (xauia, Sk. 1256), altj. the balowiso
(Ha. 33, 2. Sqhmeller, gloss. sax. 9b. 135 a, überhaupt hieher Gr. 2,
187 f. 449 f. Myth. 940); zu Bilwisus agf. bilvit, bilevit (mitis n. |. w.
Ettmüller, lex. 292. Bosworth 44c. Myth. 441. 847, wo der Gegenjaß von
Bilvisus, equus, und Bölrisus, iniquus, hervorgehoben if). Es find allego-
riſch mythiſche Perfonificationen des guten und böjen Rathes, die vermöge diefer
allgemeineren Geltung in verſchiedene Sagen eintreten können. Wo zum Billigen,
Ziemlichen gewiefen wird, fpricht Bilwis, wo zum Berderblichen, Bölwis, zu
einer fireitigen Berathung gehören Beide, als nothwendige Seitenftüde find fie
Brüder, durch Anlaut und gleichmäßige Wortfligung ihrer begrifflihen Namen
gepaart. (Bu Blindr vergl. Gestr hinn blindi, Gestumblindi, Fornald. 8.
1, 468 ff. 581 ff. Gestiblindus Saro 4, 9. Beitichrift für deutſches Alter⸗
thum 6, 10 f. Walther 86, 82.)
4% Yltn. Haddingar, Haddingjar, agſ. Heardingar (W. Grimm, über
deutſche Ruinen 228, 22. Ettmüller, post. 289, 3. Lex. 456); "Asrıyyei,
Asdingi, Hasdingi, Zeuf 461 f. J. Grimm, Myth. 316 f., Sprachg. 448:
„die echte gothifche form wäre Hazdiggos — capillati“ u. f. m., ebend. 477,
Nechtaalt. 240. 271. Jornandes de reb. get. S. 4 f.: „religquam vero
gentem capillatos dicere jussit (Diceneus), quod nomen Gothi, pro magno
suscipientes, adhuc hodie suis cantionibus reminiscuntur.“ Gaffiod,, var.
4, 49 (&. 254): „Universis provincialibus et capillatis defensoribus et
157
berrichenber Geichlechter auf die Voller übertragen find. Wanbalen
und Sueven werden in frühelter Zeit zufammen genannt, fie treten
einander nahe an der oberen Elbe, die aus ben wandaliſchen Bergen
berfirömt, und fie wandern nachmals vereint nah Spanien, wo fie
gleichmäßig das galicifche Küftenland einnehmen 471, So könnten
wandaliiche Asdinge in ſueviſcher Sage nicht befremben. Eine Spur
der urjprünglihen Stammbezeichnung ift e8 auch, daß in mehren
norbifchen Überlieferungen je Zivei des Namens Hadding zufammen:
geben, tie in ber Hromundsſaga, fo noch entfchievener, ala Brüder:
paar, in der Saga von Herwör; bier werben, übereinftimmend mit
Saro und dem Hynblaliebe, unter den zwölf Arngrimsföhnen zwei Hab:
dinge genannt und biefe Zweizahl has fich zur befondern Sage geftaltet.
Die beiden Habdinge, die jüngften der zwölf Gebrüder, find Zmillinge
und ihre verbundene Kraft ift gleich der Eines ber älteren Brüber,
deren zweien hinwider der ältefte, Angantyr, an Stärke gleihlommt 172,
Aber aud der Gegner dieſer Berferle, Hialmar, zählt in feinem Sterbe-
curialibus Suavia consistentibus Theodoricus“ (vergl. 5, 15, S. 281,
Max. 2, U. 52 f.).
471 Tacitus, Germ. 3: „quidam, ut in licentia vetustatis, plures deo
ortos pluresque gentis appellationes, Marsos, Gambrivios, Suevos, Vandi-
lios (a. Vandalios) aflirmant“ n. f. w. (Bergl. im dritten Helgiliebe, Seem.
166, 22: „öll Vandils-ve;* Heiligthum eines gottentiproffenen Stammvaters
Vandil? Vandils-kagi in Stütland, Fornald. 8.3, 361. Heimeskr., herausg.
von Schöning, 92 f. 412: „Vendils-kagi“ [Sumpf]. Gaffiod., var. 3, 38:
„Vvandil. Theod. rex.“ Gpradg. 475.) Div Caff. 55, 1: „past ds (0 "AA Bros)
in röv Oravdalınav opav.* Zeuß 445. 449 bis 452. 455, vergl. 127.
472 Hröm. 8. €. 6 (Fornald, 8.2, 3723): „kömu 2 konüingar af Svibiod;
h&ta badir Haldingjer (Hadd.).“ Hyndl. 22 (Sem. 1165): „tveir Had-
dingjar.“ Saro 5, 93: „duo Haddingi.“ Herv. 8., Fornald. 8.1, 415 f.:
„bau &ttu 12 sonu: Angantfr var elzir u. f. w. ellefti ok tolſti Hadding-
jer, ok unnu Peir bädir verk eins hinna, en Angantfr vann tveggja verk;
hann var höfdi herri, enn peir adrir; allir vöru peir miklir berserkir.“
Bergl. 1, 515: „Angantyr var elds u. |. w. ok 2 Haddingjar, ok unnu
Peir bAdir eins verk, bviat beir voru tviburar ok Yngetir; en Angantfr
vaon tveggja verk* u, ſ. w. 2, 212. 215. (haddingr, a. hundingr, als
Bürdename 2, 278. Rafn 2, 217.) Bergl. noch Saro 5b, 68: „Duodecim
Westmaro filii erant, ex quorum numero tribus commune Grep nomen in-
eessit. Hos simul conceptos idem partus absolvit, ortus squalitatem voca-
buli societate testautes.“ (Sn. i94 ı.)
158
liede, wie e8 in Orwaroddsſaga gefaßt ift, unter feinen Banlgenofien,
bie er noch grüßen läßt, zwei Habbinge auf 4173, In deutfcher Gefchichte
ftehen nicht felten Tönigliche Brüder, mehrere zugleidh, an der Spike
ihres Volksheeres 174, darum mag es nur zufällig bier eintreffen, daß,
nad Div, die Asdinge unter zwei Heerführern, ftabgeretmt Hraos und
Hraptos, zur Zeit des Marcus Antoninus in Dacien einfallen #75 und
daß, ein Jahrhundert fpäter, gleichfalls in ber Donaugegend, von
Aurelian befiegte Wandalen Frieden erlangen, indem die zivei Könige
derjelben ihre Söhne zu Geifeln geben 17%. Das Einzige, was fi
von den Geſchicken des dritten Helgi in allem Wirrſal der Hromunds⸗
faga eigenthümlich und bebeutfam erhalten hat, der unfelige Schwert:
ſchlag, durch den er feine Beichiemerin 177 töbtet und damit fich felbft
um Sieg und Leben bringt, deutet bier am Schlufle zurüd auf den
478 Fornsld. 8. 2, 220: „tveir Haddingjar“, vermuthlid aber, mit
Tindr und Tyrfingr, aus der Life der Arngrimsföhne, wie fie 2, 212 uns
in Hyndlul. lautet, berübergelomnen; nachher (2, 221) noch beſonders:
„Haddingr.“
4 3.8. Jornandes S. 129: „Inter quos Ostrogothornm preeminebat
exercitus, Vualamire et 'T'heodemire et Vuidemire germanis ductantibus,
ipso etiam rege (Attila), cui tunc serviebant, nobilioribus, quia Amalo-
rum generis eos potentia illustrabet.“
4 Dio Caſſius TI: „Asrıyyor di, av Päog ra nal 'Punrug nyouvre®
u. |. w. Zenß 462. Den Stabreim bat ſchon Müllenhoff, Heitfchrift fiir deutſches
Alterth. 7, 528, angemerft. Fornald. 8. 2, 21: „Hrappr ok Haddingr.*
J. Grimm, S$ornand. 88.
476 Dexipp. exc. ed. Bonn. ©. 19 f.: „os ra yap Basılsiz (Basler)
rorg naldag dnarspoı dıdoasav ds rn» oumpsiav“ u. |. w. Zeuß 446. Bei
Paulus Diac. 1, 7 zwei Heerführer der Wandalen Ambri und Affi, ihnen gegen-
über die zwei langobard, Brüder Ibor und Agio.
77 Sie ift nicht mehr Walflire genannt, wie Seem. 169, fondern Sauber
weib in Schwangefieder. (Fornald. 8.2, 373: „Ein fiölkfngiskons var par
komin 1 &lftar ham; hän göladi med svä miklum galdralätum“ u. f. w.
374: „Helgi frekni u. |. w. vann med fiölkyngi.“) Doch zeigt felbft Hro-
munds Geliebte Swanhwit in ihrem Namen (f. ob. Anın. 894) und als Geberin
des Schildes mit einem Bande, das vor Schaden fichert (ebend. 878 f.), noch
Spur des Walkürenweſens. (Smwanhwits Schwefter beißt Dagny, 2, 872,
anderwärt® Dagmerr, 3, 519, vergl. auch 8, 368 ob., wo ein der Hröm, 8.
unbelannter Umftand bemerkt if.) Auch Woli ift als Zauberer angefehen (ebend.
875: „med göldrum“),
159
fuevifchen Beginn bes dreifachen Erbenlebeng, auf das ſeitdem vergefiene
Heldenſchwert, dad dem Bunde des erften Helgi mit Swawa zum
Unterpfand diente. Helgi (heilago), Glüdhafter, mar ber Name, ben
fie ihm zurief und zu deſſen Gewähr fie ihm das wunderbare Schwert
wies; nun mit bem letzten, verhängnisvollen Schwunge des Schwertes
ift, wie es in der Saga noch wörtlich beißt, Helgis Heil dahinge⸗
fahren 78,
Erläuternd für den Umfchlag deuticher, namentlich fuenifcher Über:
lieferung in nordiſche ift eine Sage, die auch dem Anhalt nad mit
derjenigen von Helgi Verwandtſchaft zeigt. Saro erzählt und in ben
Grundzügen flimmt mit ihm fein Zeitgenoſſe Spend Aggefen überein,
wie der greife Dänenlönig Wermund, Wiglets Sobn, von den Boten
des Sachſenkonigs aufgeforbert wird, das Reich, das er wegen Alters
und Blindheit nidyt mehr verwalten könne, ihrem Herrn abzutreten;
wenn er aber einen Sohn habe, der mit dem Sobne bes Sachſen⸗
königs zu lämpfen wage, fo folle das Reich dem Sieger zufallen.
Wermund bat einen fpätgeborenen Sohn, Uffi, der zwar alle Süng-
linge von gleihem Alter an Körpergröße überragt, aber ftumpfen
Geiſtes zu fein fcheint; derfelbe verhält fi ftumm. lacht niemals und
nimmt an feinem Spiele Theil. Zum erſtenmal wird jekt, ba Alle
in Beitürzung fchweigen, der Stumme redend und erklärt fih ent:
ſchloſſen, nicht bloß den Sohn des Sachſenkönigs, fondern auch einen
weitern Kämpfer, ben derfelbe fi aus den Tapferften feines Volkes
geſellen möge, zu beftehen; denn es liegt auf den Dänen die Schmadh,
Daß zuvor Zwei der Ihrigen Einen Schweden belämpft haben. Die
Gefandten lachen der Pralerei des Jünglings, doch werben Drt und
Zeit des Kampfes beftimmt. Nachdem der blinde Greis durch Betaftung
der mächtigen Glieder des kühnen Sprechers fich überzeugt, daß es
wirtlich fein Sohn gewefen, Schafft man für Uffi Waffen herbei, aber
feine breite Bruft zerfprengt die Ringyanzer, es muß ein folder auf
geſchnitten und mit emer Spange geheftet werben. Auch mehrere
Schwerter werben gebracht, jowie aber Uffi fie ſchwingt, brechen fie
in Stüde. Der König hatte felbit ein Schwert von feltener Schärfe,
#8 Fornald. 5.2, 374: „nd er min heill farin.“ 375: „ok farino man
Pla heill.“
160
—
mit Namen Skrep; nichts galt für jo hart, daß es nicht vom erften
Streiche desfelben gefpalten würde. Weil er jedoch der Kraft feines
Sohnes nicht vertraute und dieſes Schwert keinem Anbern gönnte, hatte
Wermund ed längft in die Erde vergraben. Sekt läßt er fih auf das
Feld zu der von ihm bezeichneten Stelle führen, zieht das Schwert
beraus und reicht e8 dem Sohne. Uffi findet es von Alter mürb und
zerfrefien, weshalb der Vater von der Schiwingprobe abräth, meil,
wenn auch diefes Schwert in Trümmer gienge, Tein ber Kraft bes
jugendlichen Arms gewachſenes übrig wäre,
Der verabredete Kampfplatz ift auf einem von ben , Armen bes
Eiderſtroms gebilveten Eiland. Dort finden bie brei Kämpfer fidh ein,
die Ufer dieſſeits und jenjeits find mit Schauluftigen angefült. Wer:
mund ftellt fih auf den äußerften Theil ver Brüde, um, wenn fein Sohn
unterläge, fich in den Strom zu ſtürzen. Uffi, von Zweien angegriffen
und feinem Schwerte miötrauend, wehrt ihre Schläge mit dem Schild
ab, um erft zu beobachten, welcher der Gefährlichere fei, und dann
wenigftend dieſen mit Einem Streiche zu treffen. Wermund, welcher
meint, fein Sohn laſſe fih aus Schwäche die Schläge der Gegner jo
geduldig gefallen, neigt fih mehr und mehr über den abſchüſſigen
Brüdenrand. Uffi reizt feine Gegner noch durch Zuruf und als ihm
nun der Mitkämpe des Königsſohnes näher kömmt, fpaltet er dieſen
mit dem erften Schwertitreiche mitten durch. Da ruft der blinde Wer:
mund freubig: „ich höre ven Klang meines Schwertes.” Man fagt ihm,
was geicheben, und er zieht fich wieder vom Rande zurüd. Gleicher
Weile durchhaut Uffi den Königsfohn mit der andern Schneide des
Schwertes. „Ih böre zum zweitenmal den Klang meines Schwertes
Skrep“, ruft Wermund aus. Als man ihm nun ben Doppelfieg feines
Sohnes verlündigt, fließen ihm Freudenthränen über die Wangen. Die
Sachſen ziehen befchämt mit den Leichen ihrer Kämpfer ab, die Dänen
aber empfangen jauchzend ben Herfteller ihrer Ehre, auf fie geht nun
bie Herrichaft in Sachfenland über und Uffi waltet nad) dem Tode des
Baterd über beide Reiche 17%, In den Darftellungen beiber Schrift:
49 Saro 4, 59. 63 bis 65. Svenonis Aggonis filii compendiosa re-
gaum Denie historia &. 1 und 2 (Langebel, scriptor. rer. danic. ®. 1. Hafn.
1772, ©. 45 bis 47). Saxro jchreibt latinifierend: Uffo, bei Svend begegnet
auch die nordifhe Form Uffi, flatt des Königs der Sachſen aber ein rex
161
fteller ift diefe Sage nicht bloß unvertennbarer Ausbrud lebendigen
Bollsüberlieferung, fondern fie erſcheint auch dadurch, daß fie einen
Grenzkampf, die alte Feindſchaft der Dänen und ihrer fächfiihen Nach⸗
bar, fowie den Sieg der erftern, zum Gegenftande hat, um jo ent
fchiebener als eine grunddäniſche. Und doch verzeichnet der angellädh
ſiſche Stammbaum der Könige von Mercia die Namen Bibtläg, Bar
mund, Dffa, in gleicher Folge ber Zeugung wie bei Saro #0, und
nicht allein die Namen, auch die ausgeprägten Spuren der Gage
haften auf angelfäkhfifhen Boden. Dieb befunden die legendenhaften
Lebensgeſchichten der beiden Könige Dffa, von einem Mönche zu St,
Abans im 13ten Jahrh. aefchrieben #!. Warmund, König der Wet:
angeln, Gründer der Stabt Warwick, bat einen einzigen Sohn, Dffe,
ber zwar von anfehnlicher Geftalt, aber bis zum fiebenten Jahre blind
und bis zum breißigften ftumm ift 492. Da der gealterte Vater dieſen
Sohn nicht zum Nachfolger beftellen kann, fo firebt Rigan, einer der
Alamannorum, auch imperator, und eine teotonica superbia, Den Namen
des Schwertes, Bkrep, bat nur Saxo; Lex. isl. 2, 279: „skreipr, lubricus,
glat.” (Den Ort, mo Wermund das Schwert verborgen hat, nennt Svend:
tamulam. Ihm eigen ift auch bei der Betaflung: „Talem me memini in
flore extitisse juventutis“; daun daß Uffi im Holmgange zwei Schwerter führt,
auch feine Sprachiofigleit bis ins BOfte Jahr.) [Bergl. Schriften 1, S. 294. 296.
7, &. 218 bis 217. 9.)
0 Dentiche Mythologie, 1 Ausg, Anh. II.
#81 Matthei Paris, Monachi Albanensis Angli, Historia major u. |. w.
Editore W, Wats. London 1684. Folio. [Jetzt von Sir. Fr. Madden heraus»
gegeben in Rerum britannicarum medii wvi seriptores.] Huic edit. acoes-
serunt duorum Offerum Merciorum Regum .n. |. w. vite, &. 961 fi. [Hinten
im Wbhrud find dieje vitee durch beſondre Titel unterſchieden, S. 961: Incipit
historia de Offa primo u. ſ. w. cai simillimus fuit secundus Offe., ©. 969:
De orta secundi Offe., aber es ift fortlanfender Bufammenhang und unver⸗
feunbar der gleiche Verfaſſer. Bergl. in der hist. Angl. ſelbſt liber den zweiten
Dfie zum J. 1266, ©. 796 f.) Bergl. Kappenberg, Geſchichte von England 1,
223 f Müllenbofi, Sagen u. ſ. w. 4 bis 7
@L. cit. ©. 961: „Licet enim idem "uniens filius ejus (Warmundi.
reg. occidental. Anglor.) Offa, vel Offanus nomine, statura fuisset proce-
rus, oorpore integer et elegantissime forme juvenis existeret, permansit
tamen & nativitate visu privalus usque ad annum septimum, mutus autem
et verba humana non proferens usque ad annum tetatis sus tricesimum.“
And Gvends bäniicher Uffi iſt bis zum breißigften Jahre ſprachlos.
Ufland, Sqhriften. VIU. 11
162
Großen des Reichs, nad dem Königthum. Er fammelt ein gewaltiges
Heer und fordert den Slönig zur Echladt. In der Beratbung, bie
hierüber gepflogen wird, erfchließt auf einmal der bisher ftumme Offa
den Mund, fchilt die Abtrlinnigen und ermuntert die Getreuen. Bar
mund gürtet ihn feierlich mit bem Schwerte 489; Tag und Urt des
Kampfes werden ausgemacht. Die Geere lagern auf beiden Seiten
eined Stromes, befien reißende Flut den Übergang für Mann und
Roſs zu mehren fcheint 184; Dffe, der zuerft überfeht ımd die Feinde
jählings anfällt, muß fo lange, bis feine Genoſſen zögern nachkommen,
allein ven heftigen Streit beftehbn. In furdtbarer Schlacht werben
anfangs feine Schaaren geworfen, body bringt er fie vorlämpfend wieder
zum Angriff, erichlägt Rigans beive Söhne, die fi an ihn gewagt;
fein blutberaufchtes Schwert verzehrt die Feinde. Rigan Jelbft will über
den Fluß entfliehen. aber in der vom Blute der Erfchlagenen angeſchwell⸗
ten Strömung verfinten er und feine Begleiter unter ver Wucht ihrer
Rüftung; davon erhält der Strom den Namen Riganbume 18% Nach
8 Ib. S. 962: „Inprimis consulunt regi, ut filium suum, moribus et
wiste sd hoc maturum, militeri cingulo faciet insigniri, ut ad belluın
proceden» hostibus suis horrori fieret et formidini. Rex autem sano et
salubri consilio suorum obtemperans, celebri ad hoc coudicto die, cunı
solermni et regia poınpa, gladio fillum suum aceinxit; adjunctis tyrocinio
suo strenuis adolescentibus generosis, quos rex ad deons et gioriem filüi
sui militaribus indui fecit et honorari.“ .
“4 Ib, ©. 962: „Congregato itaque utrobique copiosissimo et formi-
debili nimis exercitu, parati ad congressum fixerunt tentoria e regione,
nihilque intererat nisi fluvius torrens in medio, qui utrumque excercitum
sequastrabat; et aliquandiu hine deinde meticulosi et censternati, rapidi
tluminis alveum interposilum (qui vix erat homini vel equo transmesbilie)
transire distulerunt; tela tamen sole, cum crebris comminationibus ei
convitiie, transvolarunt.“
#5 Ib. ©. 963: „Pater vero predictorum juvenum [Riganus, qei et Aliel
dicebatur], perterritus et dolore intrinseco sauciatus, subterfugiens amnenı
oppositum nitebatur pertransire; sed interfectorum sanguine torrens fluvius
eum loricatum et armorum pohdere gravatum et multipliciter fatigatum,
cum multis de euo exercitu simili Ineommodo prepeditis, ad ima submersit,
et sine vulneribus miseras animns exhalarunt proditores, toti posteritati
sum probra relinquentes. Amnis autem a Rigano ibi submerso sorliebatur
vooabulum et Kiganburne, ut facti vivat perpetuo memoria, nnuneupatur.“
(Über die Bach und Ortsbegeichiiungen anf »burne ſ. eo, rectitud. 72 f.)
163
esrungenem Siege läßt Dffa die umgelommenen Führer, auch die
feindlichen, ehrenvoll beftatten, die übrigen Tobten aber auf einer
bochragenven Stelle beerbigen, melde davon Dualmbul benannt if;
auch befiehlt er feinem Heer, tiber ihnen einen mächtigen Haufen großer
Steine aufzumwerfen, die umliegende Ebene aber heißt vom Blute ber
Getödteten fortan Blodeveld 196, Weiter wird erzählt, wie Offa, nach⸗
dem ihm der Bater das Reich übergeben, mit einer im dichten Wald
ausgeſetzten Königstochter, die er auf der Jagd getroffen 487, fich ver:
mäblt, wie dieſe, während feiner Abweſenheit auf einem Kriegszuge,
verratben, vertrieben und ihrer Kinder mörberifch beraubt, nachmals
aber von dem heimgekehrten Gemahl bei einem frommen Einfiebler
wieder aufgefunden wird, deſſen Gebet auch bie ermordeten Kinder ins
Leben zurüdruft. Das Gelübde jedoch, zum Dante für dieſe göttliche
Rettung ein Klofter zu gründen, läßt Offa unerfüllt, ebenfo fein Sohn,
dem er fterbend dieſe Pflicht auferlegt, und zur Strafe dafür fallen alle
die Fürften, die der gewaltige Dffa unterworfen, von ihm und feiner
Stahlommenfcaft ivieder ab. Die ganze Erzählung vom erften Dffa
bat eigentlih nur den Zweck, dem Ruhme des zweiten, als Stifters
der Abtei St. Alband, zur Unterlage zu dienen. Einem biefes könig⸗
lichen Beichlechtes, Tuinfreb, wird ein Sohn, Pinefred, geboren, ber
Ib. ©. 968: „Jussitque [Offe], ut interfectorum duces et principes,
quorum fama titulos magnificavit, ei praeipue eorum, qui in pralio
magnifice ac fideliter se habuerunt (licet ei adversarentur), seorsum honori-
thee intumularentur, factis eis obsequils cum lamentationibus. Exercitus
autem popularis cadavera in arduo et eminenti loco, ad posteritatis
memoriam, tradi jussit sepulture ignobiliori. Unde locus ille hoc no-
mine anglico Qualmhul, a strage videlicet et sepultura interfectorum,
merito meruit intitulari. Multoram etiam et magnorum lapidum super
eos siruem exercitus Offfe, voce præconia jussus, congessit eminentem.
Totaque circumjacens planities ab ipso eruentissimo certsmine et notabili
sepultura nomen et titulum indelebilem est sortita et Blodeweld a sanguine
interfectorum denominabatur.“ (Bosw. 63: „Cwealm, -es, m. pestilence,
eontagion, slaughter, destruction, death.“ @ttmüller, lex. 402: „cvealm
(evelm, cvyIm), -es, m. nex, exitium.“+ Bosw. 146: „Hul a hill.“ Bergi.
Ettmäller 464.)
3 Sie if reguli cujusdam filia, qui Eboracensibns prefuit, die der
Bater ſelbſt verführen wollte und, als fie widerſtand, den Thieren der Wildnis
ausicgen ließ.
164
bis in die Jünglingsjahre lahm, blind, taub und ftumm bleibt. Aber
in Erinnerung an ben großen Dffa hoffen die Eltern auch die Gene
fung ihres Sohnes 488 und geloben, daß berjelbe dann den verfäumten
Klofterbau ausführen folle. In demfelben Lande der Mercier fchaltet
ein gewaltthätiger Mann Namens Beormred und ift beſonders Denen
vom Töniglichen Blute auffäßig, weshalb Zuinfred mit den Seinigen
fich auf die Flucht begibt. Da erwacht der junge Pinefred wie aus
ſchwerem Schlafe, dehnt und erhebt fich, die Zunge ift ihm gelöft, pas
Auge geichärft. In kurzer Zeit erwächſt er zu folder Tüchtigleit, daß
Niemand im Reiche ſich ihm vergleichen darf, meshalb die Mercier ihn
den zweiten Difa nennen 489, Wehrhaft gemacht, befiegt er in blutiger
488 Ib. ©. 964: „Natus est igitur memorato Tuinfredo (qui de stem-
maie regum fuit) filius videlioet Pinefredus [vergl. Mythologie 361, mo in
Vinered gebefiert wird], usque ad annos adolescentise inutilis poplitibus
contractis ei qui nec oculorum vel aurium plene officio naturali fungere-
tur. Unde patri suo Tuinfredo et matri sue Marcelline oneri fuit, non
honori, confusioni et non exultationi. Et licet unicus eig fuisset, mallent
prole caruisse, quam talem habuisse. Verumtamen memorie reduoentes
eventum Offe magni, qui in tenera =tate penitus erat inutilis et postea,
deo propitio, penitns sibi restitutus, mirabili strenuitate omnes suos
edomuit adversarios et bello prerpotens gloriore multotiena de magnis
hostibus triumphavit, spem conceperunt, quod eodem ınedico medente
(Christo videlicet, Qui etium mortuos suscitat) propitiatus posset simi-
liter visitari es sibi restitui.“
#3 Ib. ©. 969: „Fugientes igitur memoratus Tuinfredus et uxor ejus
et familia a facie persequentis, sese in locis tutioribus receperunt, ne
generali calumnia involverentur. Quod comperiens Pinefrelus adolescens,
quasi a gravi somno expergefactus, erexit se, et cumpagıbus nervorum
laxatis et miraculoge proteneis, sese de longa desidia redarguens, feeit
alices, brachia, crura, pedes extendendo. Et aliguotiens oscitans, cum
loqui conaretur, solutum est vinculum lingus ejus, et loquebatur recie,
verba proferens ore facundo promptius articulata. Quid plura? de con-
tracto, muto et cœco fit elegans corpore, eloquens sermone, acie perspicax
oculorum. Qui tempore modico in tantam floruit ac viguit strenuilatem,
ut nullus in regno Merciorum ipsi in moribus et probitate multipliei
valuit comparari. uude ipgi Mereii secundum Offam, et non Pinefredum
jaın nominanies (quia a deo respectus et electus fuisset, eodem modo quo
et rex Offa, filins regis Warmundi) cosperunt ipsi quasi domino universa-
liter adheirere, ipsumgue jam factum militem, contra regem Beormredum
et ejus insidies putenler ac prudenter protegere, dantes ei dextras et
163
Schladt den Thronräuber Beormreb und wirb von ben Merciern als
König ausgerufen. Sein Reich erweitert er über zahlreiche Gebiete und
fiftet auch dem b. Alban bas verheißene Kloftr. Er flirbt in Dffelei
md wird in einer Kapelle bei Bedford am Ufer des Fluſſes Usca bei
geſetzt. Diefe Kapelle verfintt nachmals, vom Strom unterwühlt, in
den Grund besfelben; zur Sommerzeit aber ſehen zumeilen bie Baden⸗
den ben Sarg Dffad in ber Tiefe des Waſſers, doc kann berfelbe,
wie eine verfeite Sache, nicht wieder gehoben werden 49. Diefer
zweite Dffa tft zwar als ein rubmreicher König von Mercien ander
wärts gejchichtlich beglaubigt, aber ber mündhifche Lebensbeſchreiber bat
ihn nicht nur mit dem Schein der Legende befleiyet, fonbern auch
die bebeutendften Züge der Sage vom erften Offa auf ihn abgefpiegelt,
einer Sage, die felbft wieder, bei aller Berörtlihung im eroberten
Lande, doc unzweifelhaft aus der norbelbiihen Heimat berüberge:
Iommen ifl. Denn Offas Herrſcher⸗ und Heldenruhm verlautet auch in
einer Stelle des Beomulfliebes 191, deſſen Schauplag überall jene alte
Heimatgegenb tft, vor Allem gewichtig aber zeugt das Widfidslied:
„Offa beberrichte Angel, Alewih Dänen, deren allerftolgefter er mar,
fadus cum ipso, prwestitis jaramentis, ineuntes, Quod audiens Beorm-
redas doluit et dolens timuit sibi vehementer. Ponituitque eum ama-
rissime, ipsum Pinefreduam (qui jam Offa nominabatur) cum ceteris
fraudulenter non interemisse.“
4% Ib. &. 987: „Cum antem immortalis memorie rex Offanus fere
»ania offieinalie wedificia laudabiliter in conobio suo, quod a fundamen-
tis inchosverat, ordinato conventu cireiter centum monachorum ordins-
tissimorum, in villa, quæ Offeleis nuncupatur (juxta multorum opinionem),
diem clausit extremum. Cujus corpus apud villam de Bedeford delatum
in capella quadam (quia sic tunc exigebat temporis necessitas) extra
urbem, super ripam Uscee fluminis sitam, more regio dicitur fuisse se-
paltum. Refert auten usque in hodiernum diem omnium fere compro-
vindalium assertio, quod capella prefata, iongo usu et violentia illius
fuminis corrosa, sit submersa atque ejus rapacitate cum regis sepulchro
ad nihilam redacte, vel saltem (ut quamplurimi perhibent, in medio.
iiaminis alveo, quia firmissimo sarcophago continebatur corpus memora-
tam) sit ut ruinosa irrestaurabiliter precipitata. Unde, et nsque in pr®-
sens, sepulehrum illud ab incolis loci tempore wstivo ibidem balneantibus
quandoque in aque profunditate videtur esse consumptum. Ei quamvis,
licet diligentissime queeratur, aesi res fatalis esset, non invenitur.*
41 Ed. Thorlelin &. 146 f. Ettmüller 8. 1941 bis 1977.
166
doch errang er über Offa Ieine Gewalt, fondern Dffa erlämpfte, früher
denn je ein Menſch, ale Knabe faft, der Königreiche gröftes, kein ihm
gleichalter eritritt größre Gewalt einzig mit dem Schwerte; die Marten
ertveitert' ex den Myrgingen zu bei Sifelvor; fortan wahrten es Angeln
und Smwäfen, wie es Dffa erfämpft” 42, Damit ift Offas Grenzlampf
vom angelfähfifchen Riganburne in das alte Land der Sueven-Angeln,
nach dem Eiberftrome 49, zurückverlegt und es ift wieder dieſelbe Kampf⸗
ftätte wie bei Saro und Sueno; allein auch biefen gegenüber wird
die Stellung und Landsmannfchaft der GStreiter gerabezu umgelehrt,
uffi ift nicht ein däniſcher Königsſohn, der die deutſchen Grenznachbarn
im Holmgange befiegt, ſondern ein angliſcher, ber dem ſtolzen Dänen:
herrſcher Alewih 194 wiberfteht und deſſen Schwert dem anglifch-fueniichen
Gebiet weitere Grenzen zieht 4%. Das Wanbererslied aber ift volle
vier Jahrhunderte älter, ala die Meldungen der bänifchen Geſchicht⸗
fchreiber. Mit der Helgiiage nun berührt fi die von Offa in Fol:
42 Cod. exon. 820, 26 bis 821, 11.
488 {über Fifeldor = altır, CEgisdyr, bei fränt. Annaliften Egidora u. |. w.,
bei Saxo fluvins Eidorus, bei Sueno Egdore flumen, Eider, f. Mythologie
219. Cttmüller, Beow., Einl. 80. Ebend. lex. 858. Bosw. 88. Leo, fiber
Beow. 58 u., f.
44 Cod. ezon. 320, 26 f.: „Offa veold Ongle, Alevih Denum.* Das
Afı Harer, beftimmter Gegenſatz, Saro bejagt ſchwankend (4, 65): „Ita Saxonire
regnum ad Danos translatum post patrem Uffo regendum suscepit, utrius-
que imperii procurator effectus u. |. w. Hic a compluribus Olavus est
dictus atque ob animi moderationem Mansueti cognomine donatus. Cujus
sequentes actus vetustatis vitio solennem fefellere notitiam“ u. |. w. Diefer
Olavus mansuetus ift eine Überfegung des altnordifchen „Ölafs ens litill&ta.*
Fornald. 8. 2, 12, Stedt dahinter der Däne Alevih bes angelfächfifchen
Liedes? Bergl. Müller, Crit. unders. 47, |
5 Der Standpunkt im: Widfinsfiede ift fo zu faflen, daß die Sueven-
Angeln im Borrliden aus ihren älteren Wohnfigen an ber Elbe in die kimbrifche
Halbinſel, in das Angelnland nördlich der Eider begriffen waren (Jeuß 152 f.
362 biß 864. 495 f. Bergl. Leo, über Beow. 50 fi... Offas Schwertkampf am
Fifeldor erweitert ebenbort Die Marken für Angeln und Swäfen gegen dic unter
däniſcher Oberherrſchaft gedachten Myrginge. An der Eider, in Schleswig, Kiegt
Schwabſtadt, bei Neocor. 1, 208: Swaveſtede (Rorbald. Stud. 1, 135. Bergl.
Ettmtiller, Beow. 80). (Rechtsalterth. 118: „verlet an den gehegeben binge to
Swabſted mit ener grönen feben, als in dem lande et recht is. Weſtphalen 4,
3119. a. 1415.”
167
gendem. Dort wie bier wird ein ſprachlos hindämmernder Jüngling
plöglih zu Wort und That erwedt und mit einem audgegrabenen
Heldenſchwert außgeftattet, das er alsbald in fiegreichem Kampfe führt.
Vom erften Helgi beißt es nur, daß er bisbahin gefehtviegen babe;
uffi gilt für flumpffinnig und hat nie gefprochen ober gelacht, ihm
gegenüber ftebt der blinde Greis, der fragend und zweifelnd des Sohnes
erfte Rebe vernimmt und beflen mächtige Glieder befühlt, wie er her:
nad den Klang feines alten Schwertes Strep erlaufcht; der erfte Offe
ift felbft bis zum fiebenten Sabre blind, bis zum breißigften ſtumm,
durch diefe Steigerung aber ift bie Jugend bes ermachenden Helven,
die wirkſame Zufammenftellung des ftummen Sohnes mit dem blinden
Bater verdrängt; vollends der zweite Offa iſt mit allen erfinnlichen
Gebrechen überladen; dagegen das Widſidslied begnügt fi, das frühe
Jugendalter hervorzuheben, in welchem Offa das gröfte Königreid)
erſtreitet, und läßt ſo die Vermuthung zu, daß der ſtumme Mund
eben auch nur die herbe Verſchloſſenheit des jugendlichen Heldengeiſtes
bedeute, deſſen plötzliches Aufbrechen im rechten Augenblick um fo ge
waltiger überraſcht 1%. Dem Schwerte widerfährt fein volles Recht
nur in der däniſchen Darftellung, die überhaupt an finnreichem und
volftändigem Sagengehalt die andern alle weit übertrifft. Name und
Klang des Schwertes, deflen Beziehung zu feinen alten Herm, find
nur bier gewahrt; beim Mönde von St. Albans ift die Erlangung
des Schwertes eine ritterlihe Waffennahme, doc, läßt er den erften
Offa fo furdtbar mit dem Schtverte toben, dab man an die Schladht:
gemälbe der alten Heldenlieder gemahnt wird 497; das Manbererslied,
16 Bergi. Parz. 185, 15 bis 18. 151, 11 bis 20. 152, 28 fl.: „Der
verjiwigen Antanor, der durch ſwigen dicht ein tör” u. f. w. BOB, 30 f.
Barzival jelb in feiner kindlichen Einfalt heißt: „der tumbe* (155, 19. 161,
17. 162, 1), ein Wort, bas für die Begriffe taub, ſumm, ıhöricht, jung,
mastigfache Übergänge bietet. Graff, ahd. Sprachſch. 5, 425: „tumb u. |. w.
mutus, surdus. brutus, hebes, staltus, goth., angelf., altn. dumb u. |. w.,
mutas.“ J. Grimm, Die fünf Sinne, Beitichrift 6, 12. Nibelungen 1786:
Dannoch was ber rede finer järe ein kint.
day dö die tumben wären, wie grife die nz fint!
47 Gleichwohl mit beigemiſchter Bibelſprache, ib. S. 962: „plurimos de
adrerseriorum exercitu contrivit et in ore gladii irucidavit u. |. w. Et
resumpto spiritu vividiore, reliquose omnes hinc inde ad modum navis
168
wie es überall kurz und einfach, aber bedeutſam fpricht, gibt mit den
wenigen Worten, baß ber junge Offa „allein. mit bem Schwerte” bie
Grenzmarken erweitert babe, ſowohl die Macht diefes Schwertes, als
den Einzellampf, in dem ed des Helden einziger Genoſſe war, noch
velificantis et sequora veloeiter sulcantis impetuosissime divisit, ense terri-
biliter fulminante et hostium cruore sepius inebriato“ u. |. w. S. 368:
„Perstrepunt igitur tubes cum lituis, et dlamor exhortantium, equorum
hinnitas, morientium et vulneratorum gemitus, fragor lancearum, gla-
diorum tinnitas, ictuum tumultus aßra perturbare videbantur. Adver-
yarii tandem Öffse legiones dejiciunt et in fugam dissipatas oonvertunt.
Quod cum viderit Offa strennissimus et ex hostium cwde oruentus, hausto
spirita alacriori, in hostes more leonis et lewfie sublatis catulis irrait
traculenter, gladium suam cruore hostili inebriando. Quod cum viderani
trucidandi, fugitivi et meticulosi pudore confusi, reversi sunt super hostes,
et at famam redimerent, feruciores in obslantes fulminant et debacchen-
tar. Multoque tempore truculenter nimis decertatum est et utrobique
suspense est victorie; tandem post mnitorum ruinam hostes fatigati pedem
retalerunt, ut respirarent ei pausarent post conflictum. Similiter etiam
et exercitas Offani. Quod tum moleste nimis tulit Offanus, cujus sanguis
in ultionem wstuabat, et indefessus propugnator cessare erubescebat. Hic
casu Offte obviant duo filii divitis illius [Rigeni], qui regnum patris ejus
sibi attemtavit usurpare. Nomen primogenito Brutus sive Hildebrandus
et juniori Sueno. Hi probra et verba turpia in Offam irreverenter in-
gesserunt et juveni pudorato in conspectu exercituum non minus sermoni-
bus quam armis molesti extiterunt. Offe igitur magis lacessitus et calore
audacise scintillans et iracundia usque ad fremitum sucoensus, in impets
spifitus sui in eosdem audacter irruit, Et eorum alterum, videlicei
Brutum, unico gladii ictu percussit, amputsioque galew cono, cranekm
usque ad cerebri medullam perforavit et in morte singultentem sub
eguinis pedibus potenter prscipitavit, alterum vero, qui hoc viso fugam
iniit, repentinus inseguens, vulnere letali saucietum contempeit 68 pro-
stratum. Post hæe deswviens in cwteros contrarii exercitus duces, gladius
Offe quicquid obviam habuit, prosternendo devoravit, exercifu ipsins
tali exemplo recentins in hostes. insurgente et jam gloriosius triam-
phante. Peter vero“ u.|.w. Das Rääfifoigende ift in-einer früheren Aumer⸗
tung (485) gegeben. Schon &. 961 fieht bei der Stelle: „Quidam autem
primarius regni, cui nomen* Riganus, cum quodam suo complice, Mi-
tunno nomine* u. |. w. die Randgloffe: „Hic Riganus binominis fait.
Voocebatur enim alio nomine Aliel, Riganus vero a rigore. Huic erat
filius Hildebrendus, miles strenuus, ab ense sic dietus. Hunc voluit pater
promovere.“
169
hinreichend zu ertennen. Bon einer Walküre Offas ift nur zweifelhafte
Spur vorhanden ?°8, obgleich die Angelfachfen das gorgoniſche Walküren⸗
488 In der Waldjungfrau Drida, Mythologie 894 f. Vergl. Bualt. Mapes,
de nugis curial. 77. 79. Le livre de Baudoyn 16 ff. Vita Off sec.
&. Y11 (Qualiter Offa rex uxorem duxerit): „Diebus itaque sub eiedem,
regnanie in Francia Carolo, rege magno ac vietoriosissimo, quedam puella,
incie venusts, sed mente nimis inhonesta, ipai regi consanguines, pro
yaodam quod patraverat crimine flagitiosissimo addicta est judicialiter
morti ignominiose, verum ob regise dignitatie reverentiam igni vel ferro
tradenda non judicatur, sed in navicula (armamentis carente) apposita.
vietu tenui, ventis et mark eorumque ambiguis casibus exponitur con-
demnats. Qus diu variis procellis exagitata tandem, fortuna trahente,
titori Britonum est appulss, et cum in terra subjecta potestati regis Ole
memorstsa cimba applicuisset, conspectui regis protinus presentatur. In-
terrogats autem, yusnam esset, respondens patria lingua affirmarit, se
Carolo, regi Francorum, fuisse consanguinitate propinquam Dridamgue
nominatam, sed per tyrannidem quorundam ignobilium (quorum nuptias,
ne degeneraret, sprevit) tali fuisse discrimini adjudicatam, abortisque
lachrymis addidit dicens; deus autem, qui ınnocentes a laqueis insidian-
tiam liberat, me captivam ad alas tus protectionis, 0 regum serenissimt,
feliciter transmisit, ut meum infortunium in auspicium fortunatum trans-
rautetur et beatior in exilio, quam in natali patria, ab omni presdicer
posteritate. Rex autem verborum suorum Ornatum et eloquentiam et
corporis puellaris caltum et elegantiam pendens, matus pietate, prescepit,
us ad comitissam Marcellinam, matrem suam, tutius duceretur alenda ac
mitins sub tam honesie matronz custolia, donec regium mandatum au-
diret, confovenda. Pueile igitur infra paucos dies, macie et pallore per
alimenta depulsis, rediit decor pristinus, ita ut mulierum puleherrima
venseretur. Sed cito ir verba jactantie et elationis (secundum patriee
sur consuetudinem) prorumpens, dominse sum comilisse, que materno
aßectu eam dulciter educaverat, molesta nimis fuit, ipsam procaciter
eontemnendo. Sed comitissa, pro amore Silii sui, regis, omnis petienter
toleravit, licet et ipaa dieta puella inter oomitem et comitissam verba
diseordie seminesset. Una igitur dierum, cum rex ipsam causa visi-
tationis adiens, verbis consolatoriis alloqueretur,, incidit in retia amoris
illius;, erat enim jam species illins gencupiseibilis. Clandestino igitur ac
repentino matrimonio ipsam sibi fnconsultis patre et matre, necnon et
meagnatibus suis universis, copulavit, Unde uterque parentum, dolore ac
wedico in setate benili contabescens, dies vitee abbreviendo, sus mortis
horam lugubriter anticiparunt,; sciebant enim, ipsam mulierculam fuisse
regelibus amplexibus prorsus indignsm, perpendebentque jamjam vera-.
cissime, non sine causa exilio lachrymabili ipsam, ut predictum est,
170
auge und den Waldflug glüdivaltender Siegweiber kannten 9%. Ber
Wiedergeburt Helgis vergleicht fi das Aufleben des erſten Offa im
fuisee condemnatam. Cum autem aunos longevee senectutis comes Tuin-
fredus egisset et pres senectute casigassent oculi ejus, data filio suo, regi,
benedictione, nature debits persolvit; cujus corpus magnifice, prout decuit,
tradidit sepulture. Anno quoque sub eodem uxor ejus, comitissa Mar-
cellins, mater videlicet regis, valedicens- filio, ab hujus incolatu seculi
feliciter transmigravit. Rex itaque Offa vel Offanus, utrogue parentum
jam orbatus, consolationem a domino Jesu Christo, cui se palam et
frequenter confitebatur obligatum, postulavit 6 acoepit. Ex regina igitur,
uxore sus (qum se Petronillam nominavit), prolem suscepit sexus infra
biennium utriusque, filiumque suum primozenitum Egfridum jussit no-
minari. Interea utpote sagax, fortanatus et bellicosus, hostes suos con-
terminos audacter impetendo, fines regni Merciorum sub temporis brevitate
inopinabiliter dilatavit“ u. f, wm. ©. 980 (De sancto Alberio, cui terlia
filia regis Offe [Aelileda] tradenda fait nnptui): „Erst quoque quidam
juvenis, cui rex Offa regnum orientalium Anglorum, quod eum jure
sanguinis contingebat, concesserat, nomine Albertus. De cujus virtutibus
quidam versificator, solitus regum laudes et gesta describere, eleganter ait:
Albertus juvenis fuerat rex forlis ad arma,
Pace pius, pulcher corpore, menle sagax.
Cumqgue Humbertus. Archiepiscopus Lichfeldensis, et Unwone , Episcopus
Legrecestreusis, viri sancti et discreti et de nobili stirpe Merciorum ori-
undi, speciales essent regis consiliarli, et semper que honesta erant ei
juste atque utilia regi Offee suggessissent, invidebat eis regina, uxor Offe,
que prius Drida, postea vero Quendrida, id est Regina Drida, quis
regi ex insperaio nupsit, est appellara, sicut in prescedentibus plenius
enarratur. Mulier avara et subdola, superbiens, eo quod ex stirpe Caroli
origiuem duxerat, et inexorabili odio viros memoratos persequebetur,
tendens eis muscipulas muliebres“ u. f. w. (Angaben am Rande: Qui
tumen [Albertus] regine Quendride malitie regi Oflano accusatus, in
thalamo trucidatur. Qui martyr creditus, miraculis corusest.) ©. 981:
„Kex vero Offa cum de commisso facinore certitudinem eomperisset, sese
lugens in coenaculo interiori recludens, per tres dies cibum penitus non
gustevit, auimam gaam lachrymis, lamentationibus et jejunio vehementer
affligens, Et execrans mulieris impieistem, eam jussit omnibus viu
sum diebus inclusam in loco remotem secretiori peccata sua deplorare.
si forte, sibi celitus coliata gratie, ponitendo tanti commissi facinoris
maculam posset abolere.. Rex autem ipsam postea ut sociem lateris in
lecto syo dormire quasi suspeetam non permisit. ©. 982: In loco igitur
sibi deputato commorante regina annis aliquot, insidiis latronum pre-
vente, auro ei argento, quo multum abnndebat, spoliate, in puteo auo
‚m
zweiten; zivar jagt bie Legende nur, daß die Mercier ihn feiner Tapfer⸗
feit und Frömmigleit wegen, auch weil er von Gott erwählt worben
lei, wie einft ter König Dffa, Marmunde Sohn, den zweiten Dffa
und nicht mehr Pinefred genannt haben, allein wie auch die Proſa
vom zweiten Helgi meldet, bie Eltern haben ihn nad Helgi Hibrwards⸗
fohne aljo benannt, und doch daneben die Sage von der Wiebergeburt
tes eriten Helgi im zweiten und britten beftebt, fo mag auch die lehtere
Anficht in Beziehung auf Dffa dem angelſächſiſchen Volksglauben nicht
fremb geivefen fein. Wenn man zurüdhlidt, mie feft auch ber erfte,
minder geichichtliche Träger dieſes bei ben Angelſachſen auch fonft gang:
baren Namens dort örtlich eingebürgert ift, fo könnte ſchon in jenem ein
zweites Erſcheinen des altanglifchen Sagenhelven, alfo wie bei Helgi ein
dreifaches Xeben, gedenkbar werben. Daß endlich eine von den Sueven⸗
Angeln ftammende Heldenfage fich in denfelben Vorftellungen beivegt, wie
die bon Helgi, darin liegt ein meiteres Zeugnis für ben fuebifchen Urs
ſprung diefer leßtern. Konnte der fo entſchieden daͤniſch umgewandelte
uffi dennoch für die Gemeinfchaft der Nordſueven in Anipruch genommen
werben, fo verftärkt fich für die Helgifage der Beweisgrund, daß dieſe
auch in ausgeprägt norbifcher Bearbeitung fi) noch offen und nament»
lich zum Suevenlande befennt. Merkwürdiger Weife ift die ſueviſch⸗
anglifche Kunde von Uffi wieder eins Schwertjage, ber fchönften eine 900,
proprio precipitats, spiritum exhalavit, justo dei judicio sie condemnata,
ut sicut regem Alberium innocentem in foveam fecit precipitari et præci-
pitatum suffocari, sic in putei profunditate submersa vitam miserabiliter
terminarei.“ [Sie dat ihn mittelft eines Stubles, auf dem er feine Braut
erwarten jollte, in eine tiefe Grube verfenten und dort erftiden laſſen, ihre
Töchter wollte fie überſeeiſchen Freunden vermäblen.]
499 Mythologie 389. 949. 402.
0 Die geiftliche Seite der Offafagen hat einen fabelhaften Anllang im
Wamannenlande gefunden. Einem englischen Könige Offo, der ben Thron verließ,
um in fernen Gegenden Bote des Chriſtenthums zu fein, follte das Klofter Offen⸗
zel (Offoniscella, Schuitern), am Fuße bes weftlihen Schwarzwalds, feine
Gränbung nerbanfen, Schannat, vindem. liter. 17 fi. Hefele, Bei. der Ein-
führung des. Chriſtenthums im ſüdweſtlichen Deutſchland, Tübingen 1887, ©. 324
bis 332. Der Name Offo ericheint mehrmals in Weißenburger und Lorſcher Urlun⸗
ben (trad. Wizzenb, ind. onomast. 383: offone, cod. Lauresh. ind. onomast.
Ofo, vergl. ind. geogr. Offonis vilare). Bergl. noch Dumbed, geogr. pag.
eisrhen. 315 f. Leo. rectitud. 6, 100 bis 104 Nordalb. Stud. 185 u., f.]
172
Iſt es überhaupt gelungen, die Helgifage als eine ſueviſche nady
zuweilen, fo erübrigt die Frage, ob viefelbe in den Dichtungskreis
des Nordens noch geradezu von den alten Wohnfigen der Sueven im
nördlichen Deutihland übergegangen, over ob fie erſt mittelbar zugleich
mit der fränkiſchen Wölfungenfage, ber fie nun angereiht ift, bort
beimifch geiworben fei. Alles, was bis hieher von ſueviſchem Glauben
und Heldentbum erforicht werden konnte, bat weit mehr im Dften und
Norden, als meftlich und ſüdlich angenüpft. Um nad den Belten
und über diefelben zu kommen, batte altſueviſcher Einfluß viel bereitere
Wege, als im Durchgang durch die abgelegenen Sigambern am Nieder:
rhein. Einen folgen Weg hat eben erft die Uffifage gewiefen. Damit
treffen aber auch die Bahnfpuren zu, auf denen die Helgiſage weiter
verfolgt werben Tann. Dieſe führen nad einer Richtung durch die
normännifche Eroberung in das nörbliche Frankreich und von da hin:
über nach England, nach andres Seite dftlih in ſlaviſches Gebiet, felbft
dem altfuevifchen Boden find noch leiſe Zeichen eingebrüdt.
Der Name Helgo findet ſich im Urkundenbuche des Dreifaltigfeitö
kloſters zu Rouen um 1050 bis 1066 391, auch in demjenigen ber Abtei
St. Bertin zu St. Omer, und zwar bier mit andern Namen von ftreng
nordiſchem Gepräge, wie beſonders Anschitillus, Turchitillus (Äsketill,
börketill) 502, Abgeleitet von Helgo, ®en. Helgonis, welchem altfr.
Nom. Helgues, Acc. Helgon, entfprechen würde 308, find die Formen
ber Herkunft und Verkleinerung Hellequinus, Helequin, Hellequin 5%,
01 Chartular. monası. 8. Trinitat. de monte Rothomagi, in Collect.
des cartulair, de France 3, 442: Zeugen mit dem Normannenherzog Wilhelm
„Helgo del Maisnil; Ricardus, filius Helgonis.“ 445: „unum militem suum
nomine Helgonem del Maisnil“ u. ſ. w. (Droplaugarss. 15 u.: „Helgi m. |. w.
stefndi hanum til Öhelgi.“ 18 u.: „stefna til Öhelgi.“)
%% Cartul. de l'abbaye de Saint- Bertin & Saint-Omer, ebend. 8, 475:
„Helgo del Maisnil.“ 471: „Anschitillus.“ 474: „Goffridus, filins Tarchi-
ulli.* 476: „Hugo, fil. Turchitilli.“ Bergl. Le combat de trenıe Bretons
" contre trente Anglois (1350), publ. par G. A, Crapelet, Paris 1827, &. 8:
„Helichon le musart.“
509 Diez, Grammatik der romanifchen Sprachen 1, 804. 2, 87 f.
1 Ebend. 2, 275: „inus bat überdieß im Italiäniſchen, Spanifchen um
Portugieſtſchen diminutive Kraft (Ann. Im Nordweſten feine Spur u. |. w.)
Den lateiniſchen Suffir iſt dieß fremd, dagegen ſchließt es den Begriff der
Herlunft oder Abſtammung in ſich: sororinus iſt Sprößling der soror, Nber-
173
mit mandherlei weitgehenden Entftellungen, wie fie einem frembgeivor-
denen und für romanische Zubildung fchwierigen Worte nicht erlaflen
fein konnten 39, Der Ablömmling, der Jüngere, ift durch jenes -in
beutlich bezeichnet, wenn z. B. Sohn und Neffe des alten Fromont
den Namen Fromondin führen. Aber auch die gleiche Perſon finvet
man in einem Athem mit und ohne Suffix genannt: Hernaut und
Hernaudin over Hernaudet, Rigaut und Rigaudin, wonach denn auch
Helgo, Hellequinus, Hellequin, gänzlich einerlei find 50%, Ein Help
diefes Namens (Hoillequins, Hernequins), Eohn des Grafen Balduin
von Flandern und durch Heirat Graf von Boulogne, ift in Sang und
Sage eingetreten, deren gefchichtliche Anläfje der zweiten Hälfte bes
Hten Jahrh. angehören: in einer mörberiichen Schlacht an der Sande
(& Kanche) gegen die aus England herübergelommenen Heiden (Sarra-
sins) bleiben alle chriftlihen Kämpfer, darunter aud Graf Helgot,
Schwäher jenes Helden, auf der Walftatt; ex allein, zugleich mit
feinem Schildknappen von einer Lanze durchftochen, gelangt nach Samer
(Saumer-u-Bos) zu feiner Frau, Berte, und niet nieder, um vor dem
Altar des h. Petrus zu beten, aber im Gebet verjcheivet er und ebenfo
tinas des libertus, umitina der amita; das Jüngere läßt ſich leicht als das
Kleinere auffaflen. Auch dieje Form verflärkt ſich gern durch vorgefegtes c.®
Deutfche Grammatik 3, 708. Aber auch alıfr. erſcheint dieſe Form, werm nicht
anderwärts, body fehr tihli in männlichen Eigennamen.
505 Dergleidhen find: Herlequinus, Harlequinus, Herlechinus, Herle-
thingus (Herla); Hieiekin, Hoillequin, Herlequin, Hernequin, Hanequin,
Hennequin, Herluin, Hurlewayn.
06 Mort de Garin 113: „Li cuens Fromons et ses fils Fromondins,“
69: „A nom den, sire, Fromons et Fromondins“ u. ſ. w. 223: „Once
Fromons,“ dist li fes Fromondins. 228: „Sire Fromons,“ diet li quens
de Monclin, „Je ai oi vostre nies Fromondin.“ ®Bergl. Rom. de Garin 2,
242. Flaämiſch⸗franzöſiſche Gedichtſtelle: „Et van Fromont de Lens, van son
fil Fromondin“ (Chron. des ducs de Normandie par Benoit, publ. par
F. Michel 2, 337; auch in Theätre frang. su moven-äge, publ. par L. J.
N. Monmergu6 et F. Michel 76). „Fromons engenra Fromondin“ (Chro-
niques Anglo-Normandes, publ. par F. Michel 3, pref. XII). Mort de
Garin 71: „La bone dane a fait Gerin mander Et Hernaudin, que
tient en grant cheri6, Il ont Rigaut baisie et acoléo Et Rigeudins a de
piti& plor& u. f. w. A son ostel s’en-va Rigaus souper, Ill ei Gerins ct
Hernaus li sen&s.“ (Vergl. ebend. prei. LV.) Ähnlicher Gebrauch der Die
minutiongformen dentiher Donnsnamen Gramm. 3 641 f.
174
der Rnappe; ala Berte dieß flieht, wirft fie fih auf den Gemahl und
ftirbt mit ihm, am dritten Tage darnach ftirbt auch fein jüngerer Sohn
Balduin 307, Es Tann nicht behauptet werden, daß in dieſer ergrei-
7 Benealogie der Grafen von Boulogne aus einer Hanbichrift des 14ten
Jahrh. in den Chrono. Anglo-Norm. 3, pref., darin S. All: „Li devanı
dis quens Helgos (de Bouloigne) dona Bertsin, se fille, à Hernekin & feme;
li quens Hernekins fu fiex le conte Bauduin de Flandres, qui gist A
Saint-Bertin & Saint-Odmer. Ciex Hernekins prist en mariage, avoec
se feme, tote le tere ki gist entre le piere de Frenc et le pire de Kauver
et le pont de Nuienel, si com li mers le pourporte, dusques en Üise
e& si comme li noef fosse de Flandres le portent“ u. ſ. w. S. ZII:
„[En] jcel tans vinrent Germons et Ysembar en ceste tere, et li quens
Hernekins de Bouloigne ala encontre & tout .XXX”. homes à armes
et & ceval por warder le pais de Bouloigne; mais li Sarrasin qui
vinrent d’Engletere et arriverent par leur force et par lor volenté &
Wimerenc, et prisent Bouloigue par foroe [et ocisent) .X”. homes des
XXX”. homea que li quens Hernequins avoit; es gant il les avoient
ochis, si les espetoient en leur glaves et les rostissoient au fu en despif des
crestiiens; mais li quems Hernequins torna en fuies & tout .XX”. homes
& arme sor le cost& de le mer, at enconira se feme et li commandsa
k’ele l’atendist & Saumer-u-Bos. Et envoia ses .ij. fex, Bauduin Ile
maiané et Rainier: l’aisn6, en le terre de Lens, et l’oir de le Kiviere et
l’oir d’Ordre avoec aus. Et li quens Hernequins fist tant k’il passa outre
Kance et vint & l’Autie, et là encontra-il le conte Helgot et le conte
Florent de Poutiu qui venoient combatre et leur compaignies contre les
Sarrasins; mais li grans compaignie de Sarrasins iesi de Some encontr
Helgot et le oonte Florent et le conte Herneguin et le conte Henri de Hedin
et leur cumpagnies, si les assalirent à fus et as espees, et il aus. Ensi
enkacierent li Sarrasin les crestiiens que tot li crestiien i demorerent mort
en le place, fors li quens Hernequins, qui s’en fui ferus par mi le cors
d’une lance, entre lui et sen escuier, à Kance; et si avint que li quens
Hernequins regarda à mervelles derriere lui, et vit le grant compagnie des
Serrasins qui les kagoient: de coi cis lieus od il passen Kauce est encore
apelés Mirendoel. Et d’iloec vint li quens Hernequins à Sanmer- u-Bos
& se feme, et s’agenilla por orer devant l’autel Saint-Piere; et en ourant
moraut-il illoeques, il et ses esouiers. Et gant ce vit Berte, se feme,
si se laissa caoir sor lui et morut illoec avoec lui. Et au tiert jour
apröe, morut Bauduins, leur alenes fiex. Et puis vinrent li Sarrasin
dewastant tout le pais dusges & Saumer-u-Bos, et misent l’eglise en fu
et en ilame; et arsent l’abie de Sainte-Heremberte de Wirre dehore
Saumer-u-Bos, ü noires nonains estoient à cel tane.* Mit diefer Erzählung
muß nun der Einganc eines flämifchefrangdfiichen Berichts (der m Chroniqur
175
fenden Tobeögemeinichaft ein Nachklang der alten Helgenfage verblieben
fei; anders verhält es fich mit ver befannteren Anwendung des Namens
des ducs de Normandie par Benoit, publ. par F. Michel B. 2, Paris 1838,
©. 837 und in Théatre frangais au moyen-Age, puhl. per L. J. N. Mon-
meryue& et F. Michel, Paris 1889, S. 76, aud in Hist. litt. de la France
28, 499, mitgetheilt ift) zufammengehalten werden:
Siggeur, or ercoutes, que Dex vos sot amis,
Ven rui de sinte gloire qui en de oroc fou mis!
Assts l’av&s oit van Gerbert, van Gerin,
Van Willeme d’Orenge qui vait de eief. haiolin,
Van conte Je Bouloigne, van conte Hoilleguin
E: van Fromont de Lens, van son fil Fromondin,
Vun Karlemsine d’Ais, van son pere Pepin;
Mais jo Jira biaus mus qui bien dot estre emprin.
Les vers isıront bien fait, il ne sont pes frurins,
Ains sont de bons estuires, si com dist li eserins u. |. w.
(Mau vergleiche auch den auf einer von mir genommenen Abfchrift des Parifer
Manuſcriptes beruhenden Truck dieſer Stelle und die Erläuterung derfelben
in 5. Leos Ferienfchriften 1, Halle 1847, ©. 26. H.] Im Gegenſatze zu
ven belaunten Helden alter chansons de geste will der Dichter einen
neneren Kampf flämiſcher Kriegsiente, die er gleichfalls amfzählt, berichten,
Jene Helden der Vorzeit fiehen zwar wicht in firenger Orbnung, aber es
find zum Theil diefslben, die in der angeführten Genealogie der Grafen von
Beulogne vorlommen: (&. ZU) „Ciex Ernous, quens de Bouloigue, ent
j. fl qui eut & non Fromons li poestis, yui eut Bouloigne et Lens
et totes les autres ierres devanı dites. Fromons eugenra Fromondin
(Beide mit Gerbert und Gerin, d. h. Gariı von Lothringen und feinem Sohne
Serbert, in dem altfranzöſiſchen Heldengedichte). Fromondins eut. j. fl, qui
eut & non Quites et fu uns des .XII, pers au tans le roi Karlon. De Quiton
vint Otes, ki prist Guenelon le traiteur. De celui Oton vint li quens
Heigos, qui fonda Mosıruel et l’abie de Seint-Sauve en cele meisme vile.
Ciex quens Helgos prist & feme le fille le duo de Prise, qui estoit apolée
Seize u. ſ. w. Li devant dis quens Helgos dona Bertein, se fille, & Hernekin
& feme* u. [ w. (f. Anm. 506) Die rechte Ramenfolge im obigen Gedicht⸗
eingang wäre nun bie, daß Fromont und Fromondin den Grafen von Bou⸗
logne, d. 5. Helgot, und dem Grafen Hoillequin, d. h. Helgots Eidam Hernekin,
voronflüinden. Die Schreibung Hoillequin zeugt aber auch bafür, daß Hernekine
zu Hellequius gehört und nicht etwa von Ernous, Hernsus (Arnold) fiammt,
defien Diminutiv Hernaudins lauter (j. oben Anm. 504 ); dagegen bat Heigos,
cas, obl. Helgot iahd. »Töz), Sprachg. 640), nichts mit Helgo, Gen. Heigonie,
gemein. Indem aber ihre Namen mit denen andrer Liederhelden zufamnıen-
gereiht find, if anzunehmen, daß auch ihr Heldenthum, beſonders Hernekin
176
Hellequin auf einen bunleln Geiſterſpuk. Gefinde, Kriegsvoll, agb
Hellequins (familie, militia, milites Hellequini, maisnie, chasse
tragische Ende, im Gefange verberrlicht war. Die angezogene Gedichtſtelle
giht weiterhin Diminutionamen flämifcher Ritter: Boidekin, Simon Moussekin,
Wistasse Stalin, Roelin, Gilebert Dierekin, Willeme Scouelin, Claieguin,
ähnliche Namen normannifch- englifcher Streiter hat le combat de trente
Bretons u. |. w.: (Helecoq [Helgot?] son frere et) Jennequin Teillart,
Tommelin Belifort, Jennequin Betoncamp, Renequin Herouart, Renequia
mareschal (Helichon le musart), fo aud) ein Henekins de Wedeghen („vassal
da sire de Braine et de Hal, en 1287“ bei Reiffenberg, Monuments pour
servir & l’histoire des provinces de Namur, de Hainaut et de Luxembourg,
B. 1. Brux. 1844, ©. 734), und diefe Endingen auf -quin, -kin, wodurch
dehan in Jennequin, Hennekin, Renouart in Rennegnin u. f. w. verkleinert
ift, ſchließen fi offenbar. an die mn. und mnd. Diminutivformen -Fin, Fin
(Gr. 3, 678). Gleichartig fcheint nun auch Hellequin angeſehen worden zu fein
und konnte darum wirklich in Hennequin umgeftaltet werden, Die Ableitung
vom nachgewieſenen Helgo würde gleichwohl durch die Endung in -kin nicht
ausgeichloffen fein. Sperius, Chron. 8. Bertini cap. 20, part. 8 fagt:
„Sanctus campus vulgariter Helechvelt, nunc vero corrupto nomine
Bellefaut nominatur“ u. |. w., noch leichter konute Hölago, Helgo, Sei ber
Diminution zu Hellekin werden. Überhaupt wird durch die erft gegen das
14te Jahrh. im Franzöfifhen überhandnehmende Namenbildung mit -kin bie
frühere romaniſche Verkleinerung mit einfachen -in, wie fie an Fromont,
Fromondin aufgezeigt worden ift, nicht aufgehoben, wohl aber fpielen bier
mandherlei Übergänge und Aneignungen in einander, wie denn mit ben Di.
minutionamen auf -in und -kiu auch foldde auf -lin (f. oben Stalin, Roelin,
Seonelin, Tommelin, worin das 1 theils zum Stammnamen, theils zur Ab⸗
leitung gehören mag) zuſammengehen. Außerhalb der Frage über den perfön-
lien Namen Hellequin fällt der ſachliche Ortsname ten Hallekinne, Hellekine,
ſ. Reiffenberg a. a. O. 678: „Guyzelin de Hallekinne, chevalier, chätelain
et bailli de la terre de Namur. Gaillot le marque le troisitme des soure-
rains baillis de Namur, sous l’annde 1274, pr&cisement oelle de la charte
que nous rapportons; Hist. de Namur III, 813.* (&. 11, im Cartul. de
Namur: VII. 1274: „Guyzelins de Hallekinne, chevaliers castelains et
baillins de la terre de Namur, fais & savoir“ u. |. w.) Ebend.: „Ten Helle-
kine est un lieu pres d’Affligem, en Brabent, oü dit-on les Flamands,
dans un oertain combat, furent frappes au visage, ce qui donna lien &
ce proverbe applicable & ceux qui avaient 6t6 blesses au nez: Ja ghi
hebt ten Hellekine ghezyn. De Smet, Corpus chron. Flandr. I, 22%9.*
Über bieß Gefecht „ten Hallekine“ |. Reimchronik von Flandern 8047 fi. (in
Kanslers Dentmälern altniever. Sprache und Pitt. 1, 269. 6856: „parvas
infernus“), ®Bergl. Deutſche Myth. 894. G. W. Wolf, Wodana 1, V. 2, XLII
177
Hellequin), bezeichnen für Norbfrankreih und das normannifche Enge
fand das wilde Heer, das man in Schwaben auch beiliges Heer
nennen hört 5%, Überall erfcheint hiebei Hellequin als perfünliches
Einzelmefen dod an ber Spige einer geſpenſtiſchen Genofienihaft und
gerade nach ben älteften Zeugniflen ift er, gleich dem nordiſchen Helgi,
der Führer nächtlich reitender tobter Kriegeleute. Die frübefte Meldung
von dieſem Hellequinsvolke fällt wieder in die Normandie, in benjelben
Eprengel Lifieur, aus welchem etwa brei Jahrzehende vorher der Name
Helgo urkundlich auftaucht, und eben fie ergibt volllommen, wenn aud)
mit ftartem Beigefhmad von Fegfeuer und Hölle, das kriegeriſche Aus⸗
fehen der nächtlichen Geifterfchaar. Drberic in feiner normannifchen
Kirchengefchichte verzeichnet das wunderbare Gelicht, das im Jahr 1091
einem jungen Priefter des genannten Eprengeld (Gualchelmus), aus
defien Munde der Gefchichtichreiber berichtet, auf einfamer Heimkehr
8 „Fahren wie das heilige Heer”, wenn nicht etwa der Kraftantbrud
von „heiligen Donnermwetter“ geborgt ifl.
809 Das ergeben ſchon die Genitivformen militia Hellequini, Hurlewaynis
kynne, meyne u. |. w. und gleiche Geltung hat auch. der unflectierte Name
in maisnie Hellequin. Bergl. %. Diez, Grammatik der romaniſchen Eprachen
2 (Bonn 1838), 82: „Die Declination des [provenzalifhen] Subflantivs ſchei⸗
det, fo weit wie möglich, den casus recius von den casus obliqui, welch
letztere fi in der Form des Accufativs vereinigen +}.“ „tr Diefe Bezeichnung
der cas. obl. durd die Endung geftattet die dem Latein ſich annäbernde zier-
fie Auslaffung der GSafuspartilein in gewiflen Fällen. Man fagt ohne Be .
deuten per amor (de) dieu R. 3, 410, l’enaps Tristan der Becher Triſtans 2,
314, porta’l chan (a) n’Agout bringe ben Geſang der Dame Agout B, 287,
(a) mon aziman m’anaras dir gehe meinem Magnet zu jagen 8, 145; felbf
ohne flerivifche Unterſcheidung: (de) mi dons sui hom meiner Herrin Diener
bin ih 8. v. Bentad., lo filh sancta Maria der Sohn der h. Maria 3, 408.
Ahnlich verhält fih Das italiänifche la dio merch ober grazie, worin ſich aber
der Genitiv durch feine Stellung als foldyer kenntlich machen muß; doch nahm
fih die ältere Eprache etwas mehr Freiheit, ſ. Rayn. 6, 21.” Ebend.
23, 6: „Die Declination [des altfranzöſiſchen Subftantivs] fimmt, bie Ab-
plattung gewiſſer Bocale abgerechnet, gleichfalls faft ganz zur provenzalifchen, #*#*
„⸗Daher iſt auch hier die Unterdrüdtung der Präpofitiorien de und a erlaubt:
pro deo amur in ten Eidformeln, & la maniere (de) le roi auf die Weile
Des Königs, &s bras (de) m’amie in den Armen meiner freundin, dist donc
(a) son frere fagt alfp feinem Bruder. Ein neufranzöfifcher Überreft davon
iR hötel-dieu, de par le roi u. dgl. |. R. 6, %0.“
Udland, Edriften. VI. 12
1778
von einem Kranlenbefuh in monbheller Januarsnacht geivorden fet.
Auf gänzlich abgelegenem Wege hört derſelbe ein mächtiges Geräufc,
gleich dem Anrüden eines großen Heeres. Er meint, e3 feien die Leute
(femilia, Robert? von Bellesme, melde eilig ausziehen, um Courci zu
belagen. Während er fih unter vier Milpelbäume, die er abfeits
des Weges ſieht, zurüdgieben will, wird er ſchon von einem riefenhaften
Keulenträger überholt, der fich ala Wächter an feine Seite ftellt. Es
ift bier nit auf die verichievenen Abtheilungen des langen Zuges,
der fih jet an dem auf feinen Stab geftüßten Priefter vorbeibewegt,
einzugeben. Die Beichreibung desſelben bat durchaus abfichtlihen Bezug
auf Perſonen und Angelegenheiten, die dem Erzähler, beſonders auch
vom kirchlichen Standpunft, wichtig waren. Nur die legte Schaar,
ein zablreiches Heer von Nittern, kommt bier in Betracht. Bollftändig
gewappnet jcheinen fie zum Rampfe zu eilen, ſchwarz und funkenſprühend
reiten fie Pferde von riefenhafter Größe und führen kohlſchwarze Banner.
Unter ihnen, wie unter denen, die voranzogen, erfennt der junge
Prieſter Fürzlich VBerftorbene, felbit feinen eigenen Bruber; es waren
gemwaltthätige, Tampfluftige Rittersleute von befannten Namen und fie
haben jest für die verübten Frevel unter ihren glühenden Maffen furcht⸗
bare Qual zu leiven. „Das find, denft er bei fi, ohne Zweifel bie
Leute Helequins (familia Herlichini); von Vielen hört’ ich, daß fie dies
felben vormals gefehen, aber ungläubig lacht‘ ich dazu; jet aber ſeh
ich wahrhaftig die Schatten der Verftorbenen“ 510, Hellequind Todten⸗
5 Orderici Vitalis Angligene, coenobii Uticensis monachi, historie
ecelesiasticee libri XII bei Duchesne, Historie Normannorum scriptores'
entiqgui u. ſ. w. Lutet. Paris. 1619. Fol. S. 319 fi. Daſelbſt ©. 8,
©. 698 fi. ad ann. 1091: „Quid in Epiacopatu Lexoviensi in capite
Januarii contigerit cuidam Presbytero, preiereundum non Estimo, nec
comprimendum eilentio. In villa, que Bonavallis dieitur, Gusichelmus
sacerdos erat, qui Ecclesie sancti Albini Andegavensis ex Monacho
Episcopi et Confessoris deserviebat. Hic anso Dominice Incarnationis
MXCI in capite Januerii acoersitus, ut retio exigit, quendam wgrotum
in ultimis parochbie sum terminis noclu visitavit, Unde dum solus rediret
et longe ab hominum habitatione- remotus iret, ingentem strepitum velat
mazimi exercitus cospit audire, ei familiam Roberti Belesmensis putarit
esse, qnto festinaret Cureeium obeidere Luna quippe octava in sigeo
arietis tunc elare miosbat et gradientibus iter demsonstrabet. Preafatus
zug war alfo gangbarer Vollsglaube, und mie heimiſch dieſer Glaube
ſich dort zu Lande feftgepflanzt hatte, zeigt die Verwebung desſelben in
Presbyter erst juvenis, audax et fortis, corpore magnus et agilis.
Audito itaque tumultu properantium timuit et plura serum tractare
capit, an fugeret, ne a vilibus perasitis invaderetur et iuhoneste spolia-
retur, aut validam manum pro defensione sui erigeret, si ab aliquo im-
peteretur. Tandem quatuor mespileas arbores in agro procu) a calle
prospexit, ad quas latitandi causa, donec equilatus pertransiret, eſto
divertere voluit. Verum «quidam enormis stature, ferens ingentem
maxueam, Presbyteram properantem pr@venit et super capıt ejus lerato
vecte dixit: „Sta, nec progrediaris ultra! Mox Presbyter diriguit et
baeulo, quem bajulabat, sppodiatus immobilis stetit. Arduus vero
vectifer juxta eum satabat, et nihil ei nocens pretereuniem exercitum
exspectabat. Ecce ingens turba peditum pertransibat et pecudes s€
vestes multimodamque supellectiiem et diversa utensilia, que predones
asporiare solent, super colla scapnlasqne suas ferebat. Omnes nimirum
lamentabantur, seseque ut festinarent cohortabantur. Multos etiam vici-
nornm suorum, Qui nuper 'obierant, Presbyter ibidem reoognovit es ma®-
rentes pro magnis suppliciis, quibus ob ſacinora sus torquebantur,
andivit. Deinde turma vespilionum secuia est, cui prefatus gigas repente
associatns est u. |. w. Deinde cohors mulierum secuta est u. |. w. Non
multo post. numerosum agmen Ciericorum et Monachorum u f.w. Terri-
biäbus viste Presbyter admodum trepidabat baculoque innisus terribi-
liore exspectabat. Ecee ingens exercitus militum sequebatur, et nullas
color nee (nisi?) nigredo et seintillens ignis in eis videbatur. Maximis
omnes equis insidebant, et omnibus armis armati velut ad bellum festina-
bent et nigerrima vexilla gertabant. Ibi Ricardus et Balduinus, hilius
Gisleberti Comitis, qui nuper obierant, visi fuere; et alii multi, quos
Don possum enumerare u. |, w. ©. 695: Gualelielmus autem postquam
maltorum militum ingens cohors pertransiit, intra semetipsum sic cogitare
capit: „Hsc sine dabio familia Herlechini est, a. multis eam olim visam
audivi, sed incredulus relatlones derisi; quia ceria indieia namquem de
talibus vidi. Nunc vero manes mortuorum veraciter video, sed nemo
mibi credet, cum visa retulero, nisi certum specimen terrigenis exhibuero,
De vacuis ergo equis, qui sequuntur agmen, unum apprebendam, con»
festiim sscendam, domum ducam et ad fidem obtinendam vicinis osten-
dem.“ Mox nigerrimi cornipedis habenas apprehendit, sel ille Torsiter
se de mann roapientis excussit, aligerogue cursa per agmen ABthiopum
(früher, ©. 594, m der Schaar der Beipilionen: ingens etiam truncus a
duobas /Ethiopibus portabatur ®. f. w., woranf em von einem Dämon Be
marterter liegt) Ablit. Presbyter autem voti compotem se non esse doluit,
Erat enim etate juvenis, auimo audsx et levis, torpore vero velox et
180
Die Sagen von dem beliebteſten Volkshelden der Normandie, bem Herzog
Nichard Ohnefurcht. Hatte man biefen Normannenfürften, der geſchicht⸗
lich der zweiten Hälfte des 10ten Jahrh. angehört, rüdwärts dem kar⸗
Iingifchen Heldentreis eingereibt 511, fo war hinwider das eigentbümliche
Gepräge feiner befondern Sage noch mehr geeignet, die alten Über
lieferungen von Hellequin anzuziehen. Richards vollsmäßiger Beiname
(Sans-peur) bedeutet feinen unerfchrodenen Verkehr mit der Geiſterwelt.
Schon die normannischen Reimchroniken des 12ten Jahrh. von Robert 512
fortis. In media igitur sirata paratug constitit et venienti paratissimo
cormipedi obvians manum extendit. Ille autem substitit ad suscipiendum
Presbyterum, et exhalans de naribus suis projecit nebulam ingentem
veluti longissimam quercum. Tune sacerdos sinistrum pedem in teri-
pedem misit manumgue arreptis loris clitelle imposuit subitoque nimium
calorem velut ignem ardentem sub pede sensit, et incredibile frigus per
manum, que lora tenebat, ejus precordia penetravit. Dum talia fiunt,
quetunr horrendi equites adveniunt, et terribiliter vociferantes dicunt:
„Car equos nostros invadis? Nobiscam venies. Nemo nostrum lesit te,
cum tu nostra copisti rapere.“ At ille nimium territus caballum dimisit
u. |. w. ©. 696: Presbyter autem tuta septinana graviter ergrolavit.
Deinde postquam invalescere cœpit, Luzovium adiit, Gisleberio Episcopo
enncte ex ordine recitavit et ab eo medicamenta sibimet necessaria im-
petravit. Postmodum fere XV annis vegetus vixit, et hec qua scripto
wradidi, aliaque plurima que oblivione abolita sunt, ab ore ipsius audivi
et faciem ejus horremli militis taclu lesam prospexi“ u. ſ. w.
511 Er iſt der ältefte Herzog der Normandie diefes Namens, von 943 bis 996.
Zurpin hat noc keinen Richard unter den Helden Karls bes Großen. Zuerſt
in das normannische Rolandslied fcheint der heimiſche Name eingeführt worden
zu fein: XII, 4 (Ausgabe von Michel) „Richard li veiz e sun ne[vuld] Henri.“
CCLII, 8 „Richart le veill, li sire des Normans.* Hier fommt er im
Kanıpfe mit den Arabern um. Bei Bourdillon S. 9 fehlt der Name, dagegen
©. 181: „dan Richart le normant“; S. 191: „Li dus Richart“ u. j. w.
Im Fierabras 75: „Richart de Normandia;“ 2610: „hom m’apela Richart,
natz fuy & Normandia;“ vr reitet ala Bote, von einem weißen Hirſche ge
wiefen, durch den gefährlichen Flagotſtrom, 3728 bis 3766. An Karls Fahrt
nach Jeruſalem läßt ihn zwar nicht das alte Gedicht (Charlemagne, an anglc-
norman poem u. f. w. by F. Michel, London 1836) wohl aber die Histoire
u. f. w. de Gallien restaure (Long le- Saunier 1807) S. 16 Theil nehmen.
(Mort de Garin ©. 102.)
512 [Daß der Vorname Robert dem Wace fälſchlich beigelegt wird, habe
ih ſchon Schriften 7, ©. 661, Anm. 2, bemerft. ©.)
181
Race und Benoit geben ihm zwar nicht diefen Beinamen ſelbſt,
berichten aber, daß er bei Nacht wie bei Tag allein umgerittien, wes⸗
halb die Leute fagten, er fehe zur Nadıtzeit fo gut als am Tage,
und daß er manchem Gejpenft begegnet, aber nie vor irgend eimas
Furcht gehabt 513; dergleichen Spulgefchichten werben Tann mehrere
515 Le roman de Rou u. j. w. pub]. par F. Pluquet, B. 1, Rouen 1827,
©. 278, 8. 5432 bis 5441:
Par nuit errout come par jor,
unkes de rien ne out poor;
maint fantosme vit & trova
unken de rien ne sesfrta,
par nule rienz ke il veist,
ne nuit ne jor poor nel prist.
Pur ceo k’il ersout par nuit tant,
aloent la gent de li disent,
k’autresi oler par nuit veeit,
cum nul altze par jor faseit.
Chronique des ducs de Normandie par Benoit u. ſ. w. publ. par F. Michel,
®B. 2, Paris 1838 ©. 825, B 24890 bis 25006:
Une n’out poür soudes n’effrei
ne totemens aucun en Bei;
n’unques ne fu, ce dit l’escriz,
torbez d’error sis esperiz;
tos Jora fu seurs, ce lisum,
sens dotose termptation.
De uuis alot senz rien doter
tor aufrwei cum par jor.eler;
s’ert cil dunt tote gent saveient.
&. 326 qui plus fantosmes aveneient,
plus merveiles, plus deablies,
dunt plusors sunt assez oles.
8i beaus, si pors aveit les oilz,
eum par 'cler jor veeit de nuliz:
maint horribl& chose salvage
veeit senꝝ muer BON corage.
Die Unerſchrockenheit in kriegeriſcher Gefahr war für jeden Helden vorausgeſetzt
und nur diejenige Den dumleln Mächten gegenüber der befondern Auszeichnung
wert.‘ Das Grauen in lehterer Beziehung hieß ahd. nabtforbta, Graff 8,
688; ein ahd. Mannsname in Unforaht Neugart 60, St. Gall. Url. v. 775:
„Vnforabtus®, Meichelb. 1, 302: „Unforht”). Manches AÄhnliche mit Richard
Sans- peur hat ber deusfihe Thedel Umvorferd von Walmoden. Auch die Furcht⸗
182
mitgetheilt, namentlich wie er Nachts in einer verdveten Kirche betet,
darin ein Tobter auf der Bahre lient, mit bem er einen Kampf be
ftehen muß, und mie Richard gleichwohl nachher dahin zurüdtehrt, um
feine vergefienen Handſchuhe zu holen 314, Bon Hellequin ift nod
nidit die Rede, aber Benoit verfihert, daß Richards munderbare
Thaten nur zum zehnten Theil aufgezeichnet feien 55. Erſt in dem
Gedichte, das bie Sagen von Richards nächtlichen Walbritten in der
während des 14ten Jahrh. aufgelommenen vierzeiligen, einreimigen
Alerandrinerftrophe 518 bearbeitet hat und von deſſen Inhalt ver feit
Anfang des 15ten Jahrh. vielfach gedruckte und noch jetzt als Volke:
buch umgebende Projaroman eine Erweiterung if, kommt Hellequin
mit feinem Gefolge zum Borfchein 517. Warum follte dem geiſterſehenden
Iofen der Kindermährdden bewähren dieſe Eigenſchaft bauptjählih gegen böſe
Nachtgeiſter (Br. Grimm, Märden. 5 Aufl Nr. 4. #21).
514 Roman de Rou u. f.w. ®. 5442 bie 5489. Benoit ®. 25012 bis 25187.
[Diefe Erzählung von Wace ift diefelbe, welche Uhland im Fahre 1810 dentſch
bearbeitet, im Fahre 1812 in Juſtinus Kerners Boetiichem Alınanad) &. 232
bis 234 mitgetheilt hat. Sie ii jeitdem bekanntlich auch in Uhlands Gedichte
aufgenommen worden, zuerft in die zmeite Auflage von Jahre 1820, ©. 409.
410, zuletzt in bie fünfundfünfzigfte Auflage vom Jahre 1871, ©. 412.
413. 9]
55 Benoĩt B. 249756 bie 2496:
Muit fu li dux Richart preisiex,
mult fu al siecle esenuolez;
mult fu en terre grant sis nons
e sera tant cum nos vivrone;
e mult par i vut bien por quei,
kar merveilles parfiet de sei.
Merveillos furest li suen fait;
sol la disme nen egt refrait
n'escrit ne trov& en estoire
qui fassent digne de memoire.
516 Von diefer Gedichtform handelt F. Wolf, über die Lais u. ſ. mw. 256.
517 Das Gedicht ift nach einem Drudo.D. u. %., fpätefteng vom Anfang
des 16 Jahrhunderts: „Sölayt le Romant de Richart filz d’Robert le
diable q’ fut duc d’Normendie.* nen berausgeaeben. „Achevs d’impri-
mer le 31 octobre 1838, par: Crapelet u. ſ. w. es se vend & Paris, cobez
Silvestre* u. |. w. Die Hauptflelle von Heleqitin-aud) ın: Le lıvre des l&gendes
par le Roax de Liney, Paris 1886, S. 243 bis 245. Über ältere Drude bes
Brofaromans f. Nouvelle bibliothdque bleue u, |. w. Paris, 1842, Introdact.
183
Rormannenherzog nicht auch das altnormanniſche Tobtenheer begegnet
fein? Darüber befagt nun das Gedicht: ald Richard Ohnefurcht (sans
paour) nad) feines Gewohnheit Nachts dur den Wald reitet, ficht er
eine große Meute von Jagdhunden vorbeilaufen und hört den Ruf ber
Waibleute. Der unbefugten Jagd in feinem Forſte nacheilend, trifft
er auf einen Reigentanz und es Tommi ihm fein Senefchall entgegen,
der vor einem Sabre geftorben ift. Bon Diefem erfährt er, daß. es
Helcquin 918 mit den Eeinigen fei, ber bier Jagd und Tanz halte.
Unter einem Weißdorn findet er Denfelben und ftellt ihn wegen bes
eigenmächtigen Eintrittö in den Forft zur Rebe. Helequin gibt ven
Beicheid, daß Gott, ihr Gebieter, ihnen erlaubt babe, die ganze Nacht,
von Eonnenuntergang an, zu wandeln, fie fühlen fich aber keineswegs
behaglich fonvern erdulden unaueſprechliche Angſt und Bein. Der
Eeneichall breitet ein ſeidenes Tuch auf der Erbe aus, worauf Hele
quin fih niederſetzt. Nachdem Richard noch eine Frage über jein
eigenes Geſchick an Jenen gerichtet, erhält er zum Abſchied das koſtbare
Tuch von wunderfamem Gewebe Mit diefem Geſchenk aus der Hölle
seitet er von bannen und gibt es bei der Frühmeſſe im Frauenmünſter
zu Rouen als Altartucd zum Opfer 519. Das proſaiſche Volksbuch
läßt den Herzog, bevor er zu Hellequin felbit kommt, drei ſchwarze
vollſtändig gewappnete Ritter, die im Walde jagen, mit dem Schwerte
befämpfen ‚-über Hellequin aber wird die Auskunft gegeben, ex fei ein
Ritter großen Gefchlechtö geweien, der in einen Kriege Karl Martells
gegen die Earacenen al fein Gut verzehrt und felbit ein ſchöned Schloß
in der Normandie zu dieſem Behuf verfauft habe, fo daß er nach
beendigtem Kriege das Volt zu berauben anfıeng, weshalb Jedermann
über ihn und- die Eeinigen Rache fchrie; koch fei er nad feinem Tode
als eifriger Etreiter gegen bie Ungläubigen nicht verdammt, fondern
nur zur Buße verurtheilt worden, jede Nacht mit Denen feines Stammes
per Ch. Nodier KAVIH f. Der neme Abdruck, welcher bort S. Bi ff. ge
geben ift, hat eben die Erzählung von der mesnie d’Helleyuin nur unvolſſtändig,
im Folgenden ift daher ein zu Troyes im Anfang diejes Jahrhunderts gebrudtes
Eremplar des Volkabnchs benützt.
518 Auf demſelben Blatte wechſeln , Hanequin“ und „Helequin“.
519 Le Romant de Richart u. ſ. w A II bis BI. Bergl. Schriften 7,
©. 664. 666. $.]
184
die Orte zu durchſtreifen, wo fie Böfes verübt hatten 590. Wieder an⸗
ders bargeftellt ift dieſes Waldabenteuer in der 1487 zu Rouen ge
brudten profaifchen Chronik der Normandie: von feinem Schloſſe Mou-
lineaur an ber Seine reitet der Herzog einmal nad dem Abendeſſen in
den Wald, wo er unb-feine Begleiter ein furchtbares Geibs, das bon
einer großen Menge verfammelter Leute zu kommen fcheint, berannahen
hören; ein auf Kundſchaft gefchidter Anappe des Herzogs fieht unter
einem Baum einen König mit großem Gefolge; man nennt bie ın
gemeiner Sprache die Genoſſenſchaft Hennequins (la mesgnie Henne-
quin), aber es ift bie Karla des Fünften (la mesgnie Charles-Quint),
der ehmals König von Frankreich war; fortan kommt diefe Erjcheinung
dreimal wöchentlich in den Wald von Moulineaur nahe beim Schlofie.
Richard Tept fih mit einer Schaar feiner vertrauteften und Tühnften
Nitter in Berfted neben dem Baume, darunter der König und fein
Gefolge zu verweilen pflegen. Abends, in ber Stunde zwiſchen Hund
und Wolf (comme & heure d’entre chien et leut, & l’avesprant),
hören fie den großen Lärm und feben, tie zwei Männer ein mehrfar:
biges Tuch auf der Erde ausbreiten und dann der König ſich unter
dem großen Baum auf feinen Sit nieverläßt, feine Leute aber ibn als
Herrfcher begrüßen und bebienen; Richards Ritter fliehen enifeht und
lafien ihn allein, er aber fpringt mit beiden Füßen auf das Tuch und
beſchwört den König bei Gott, zu jagen, mer er ſei, was er bier im
Sande fuche und mas für Leute mit ihm feien; ber König nennt fi
als den bingefchiedenen Karl den Yünften von Frankreich, der feine
Sünden büße, mit ihm feien die Seelen feiner Ritter und anbter
Diener in gleicher Buße, zu biefem Zwecke ziehen fie aus, bie ver⸗
dammten Seelen unglaubiger Saracenen zu belämpfen, und nachdem
fie die ganze Nacht durch geftritten, werben fie um Tagesanbruch zu⸗
rücklehren. Der Herzog verlangt, ald Kampfgenoſſe mit ihnen audzw
fahren, worauf der König ihn ermahnt, was er auch ſehen möge, das
Tuch, auf dem ex fich befinde, feſtzuhalten. Mit großem Sturmgetöfe
(faisans grant noise et tempeste) fahren fie hin; um Mitternacht
hört Richard eine Glode wie von eimer Abtei erflingen und ber König
820 Nouv. bibl, blene 55 bis 57° L’Histoire de Richard Sans-Peur, duo
de Normandie u. f. w. & Troyes, ©. 4 bis 7,
185
fagt ihm auf Befragen, es fei das Mettenläuten in der Kirche ber h.
Katharina vom Berge Sinai. Der Herzog, ftetd gewohnt zur Kirche
zu gehen, will bier Mette hören. Mit nochmaliger Warnung, immer
auf dem feftgebaltenen Tude zu bleiben, entläßt ihn ber König, er
fol für fie beten, auf dem Rückweg werben fie ihn abholen. Nachdem
Richard fein Gebet in der Kirche verrichtet und fich dort umgefehen, trifft
er einen ibm verwandten Ritter, der ſeit fieben Jahren Gefangener
der Saracenen ift und unter die Bürgfchaft eines Geiftlichen der Kirche
zu deſſen Dienfte geftellt ift; biefer Ritter erfährt nun, daß feine Frau
verlobt fei und innerhalb Dreier Tage heirathen werde, jeboch übernimmt
es der Herzog, ihr bis dahin das Wahrzeichen vom Leben ihres Ge:
mahls, die Hälfte des beim Abfchieb in zwei Stüde getheilten Ehe⸗
rings, zu überbringen und fi) um bie Befreiung bes Gefangenen zu
bemühen: die Mette ift beendigt und fchon hört Richard den König
und feine Scaar beranlommen, fie find erftaunlich abgearbeitet, ge:
ſchlagen und verwundet, er aber ergreift feinen QTuchzipfel, fpringt zu
ihnen und fie fegeln wie Sturm und Gewitter von bannen (s’en vin-
drent singlant comme vent et tempeste); gegen Morgen fehläft er
vor Ermübung ein und beim Erwachen findet er ſich ganz allein im
Walde von Moulineaur unter dem Baume, ivo er zuerft den König
und fein Gefinde getroffen, ein Theil feiner entflohenen Ritter ift noch
im Walde verkrochen; der Frau bes todtgeglaubten Ritters bringt er
rechtzeitig das Wahrzeichen und löſt ihren Gemahl gegen einen gefan-
aenen Saracenenfürften aus; um die Buße der Seelen König Karls
und ber Seinigen zu erleichtern, bedenkt er reichlich bie heilige Kirche
und läßt für fie feierlichen Gottesdienſt abhalten 521. Abgeſehen von
der unftattbaften Deutung bed „in gemeiner Sprache (en commun
langaige)“ üblichen Hellequin, Herlequin, durch Charles⸗Quint, ift
bier die alte Volksſage in frembe Gebiete Hinübergefpielt und doch
nimmt fie auch fo noch von normanniſchem Boden ihren Ausgang und
kehrt ebendabin zurüd. Auch in andern Theilen Frankreichs war fie
belannt, wenngleich nirgends fo eingetvohnt und entfaltet, wie in ber
21 Ans Les Croniques de Normendie u. |. w. Rouen 1487, Fol., chap.
57 if die Erzählung abgebrudt in Chronique des ducs de Normandie par
Benoit, publ. par Fr. Michel 2, 336 bis 841 und in Theätre frang, au moyen-
ice u. ni w. 78 bis 16.
186
Normandie. Wilhelm aus Auvergne, Erzbiſchof von Paris, geft. 1249,
Ipricht von nächtlichen Reitern, die in frangöfifcher Volksſprache „Helle:
quin“, in Spanischer „das alte Heer” genannt werben, läßt aber unent-
ſchieden, ob es böfe Geiſter ſeien 522. Vincenz von Beauvais, geft.
1264, pergleicht Virgils Darſtellung der Heroen, die in der Unterwelt
die Übungen ihres vorigen Lebens, bie Luft an Waffen und Roſſen
fortpflegen, mit dem ritterlihen Aufzug der Genoſſenſchaft (familie)
Hellequind nad der Behauptung des Volle und erzählt ſodann nad)
mündlichen Mittheilungen von einem Chorgeiftlichen zu Orleans, ber
an feinen, nad beichivorener Abrebe aus dem Grabe wiederkehrenden
Haugmeifter die Frage richtete, ob derſelbe in Hellequins Heer geiviefen
fei, und die Anımort erhielt, dieſes Heer wandle neuerlich nicht mehr,
weil’ e8 feine Buße vollbradht habe 523, wodurch gemiflermaßen die
2 Guill. Paris. in tract. de universo, part, 2, 3, cap. 12: „De equitibus
vero nocturnis, qui vulgari Gallicano Hellequin et vulgari Hispanico
exercitus antiquus vocantur, nondum tibi satiefeci, quia nondum decla-
rare intendo. qui sint, nec tamen certum est, €03 malignos spiritus esse.”
(Du Gange, herausg. von Henfchel 3, 642.) „Nec te removeat aut conturbet
ullatenus vulgaris.illa Hispanorum noninatio, (ua malignos spiritus, qui
in armis ludere ac pugnare videri consueverunt, exercitum antiquum
nominant! magis enim anilis et delirantium vetularum nominatio est,
quam veritalis.“ Alfonsi de Spina fortalitium fidei, 1458, ed. 1494:
„Quarta differentia est aliquorum desmonum, qui vigilantibus per vias
apparent, quasi exercitus magni, qui cum magnis tumultibus incedere
videntur et vulgo dicitur huesta antigua. Aliguando etiam videntur javere
preliae magna.“ Vergl. D. Myth. 843. *
523 Bincent. Xelloyac. speculum historiale, pare 3 (ed..1474), lib 29,
cap. 117: „Eodem loco accipienda est Virgilii auctoritas de heroibus,
-quos apud inferos relegavit, quos dicit noscere solem summ et sun sidera,
qui eliam res leviores, quas vivi exercuerent, eos post mortem exerosrt
tesiatur Jdicens: Qu gratia curruum armorumque fuit, quæ cura niientes
paxcere eyuos, endem sequitur tellure repostos. Hæc autem opinionis
falsitas vel opinio fulsitatie inde, nisi fallor, sumpsit initium, quod animz
defunctorum peccatorum sunrum penas Juentes multis apparere solent in eo
habitu, in quo prius vixerant, id est rustiei in rusticeno, milites in mili-
tari, sicut vulgus nsserere solet de "familia Helliquini, de qua Henricus,
aurolianensis episcopus, nostri belvacensis episcopi [raler, referre solebet rem
valde mirabilem, quam ipse audierat ab illo, qui viderat, scilicet Iohanne,
aurelianensis ecelesise canonico. Dicebat enim lohannes iste, loquens de hec
re ad prefatunm episcopum. Excmplum de familia Helliqujni. Capitulum
187
Auffaffung der normannischen Chronik ergänzt wird. Dem Feenweſen
vermoben ift Sellequm in einem Epiele bed Adam de la Halle zu
Arras, um 1263: man glaubt feine Genofjenfchaft vor den erwarteten
drei Feen ber mit Ilingenden Glöcklein fich nähern zu hören, es erfcheint
aber nur fein Bote, der für ihn um die Fee Morgue wirbt; Helle:
quin wird bier ala König, als der gröfte Fürft im Feenreiche bes
zeichnet und Morgue läßt fi nad längerer Weigerung erbitten, ibm
Freundliches melden zu Iaflen 32. Im Roman von Fauvel, 1314, feiert
exviij u. |. w. Sed obsecro, ut mihi dicatis, si vos estis deputatus in illa
railitia, quam dicunt Helliquini. Et ille: Non, domine! Illa militia jam non
vadit, sed nuper ire desiit, quia penitentiam suam peregit. Corrupte uuiem
dietus est a vulgo Helliquinus pro Karloquintns. Fuit enim Karolus quintus,
qui peccatorum suorum longam egit penitentiam et nuper tandem per inter-
cessionem beuti Dionysii liberatus est.“ (Letzteres kann nur ein viel Ipäterer
Zuſatz fein, da Karl der Fimfle, zu dem allerdings der h. Dienyfius als
Schutzherr der Könige von Frankreich gehört, erft 1380 geftorben iſt. Es trifft
fi) eigen, daß eben biefem filnften Karl ber feinen Lebzeiten ein 1871 bis 1375
verfaßtes Buch gewidmet iſt, in welchem bereitS der mesgnee Hellequin mit ifrem
berfömmlien Namen gedacht ift, Radulf. de Presles Raoul de Praelles] ad lib.
15, cap. 23 de civit. dei: „La mergne&e de Hellequin, de dame Habonde et des
esperis qu’ils appellent' Fées, qui apperent &s estables et &s arbres“ u. |. w.
Du Gange, hg. von Henſchel 3, 642, ebend. 7, 418: „Radulphus de Praellis,
Magister hospitii Caroli V, reg. Franc.“ Bergl. P. Paris, les manuser. frang.
1, 19 fi. Ein Miniaturbild der Pergamenthandichriften zeigt den Verfaffer,
wie er fnieend dem Könige das Buch überreicht, ebend. 24.29.) In der weiter
folgenden Erzählung eines Kämmerers des Erzbiſchofs von Rheims, ebd. C. 119,
heißt es: „dominus meus archıepiscopus mittebnt me Attrebatäm (Arras).
Dum autem circa meridiem apud quoddam nemus appropinquassemus,
ego et famulus meus, qui me priecedebat celeriter equitans, ut mihi pararet
kosritiam, aundivit ille tumultum magnum in nemore quasi maltiplices
equoram fremitus, armorum sonilns et velut voces multitudinis impetu
proruentie in bellum u f. w. Nemus enim istad defunctoram animabus et
demonibus plenum est n. f. w. Cum ergo processissem et ad nemus perve-
nissem, jam umbre processerant et tamen voces quasdam Confusas audivi
et fragores armorum et equorum fremilus, sed nec umbras videre, nee
voces intelligere potui“ u. |. w. Bergl. Aneis 6, 686 fi. Thom. Gontiprat.
T 1268, Delrio 3.9 a, ob. Hilſcher, exerc. fur. 8 8,
9=M The&tre frangais au moyen äge 73 ff.:
Guillos,
J’oi le maisnie Hielekin |
noien ensiant, qui vient devant
188
diefer allegoriiche Vertreter des fchnöben Welilebens 523 feine Hochzeit
mit Frau Eitelrubm (Veine-gloire) zu Paris und babei wird in
S. 16 f.
S. 79 f.
et mainte clokete sonnant;
si croi bien que sofent chi pres.
La grosse feme».
Venront donc les fées apr&s?
Guilloe.
Si m’alt diex, je croi o'oil.
Rainneles à Adan.
Aimi! sire, il a peril;
je vauroie ore estre-en maison.
Adans.
Tais-te! il ni a fors que raison:
che sont beies dames parées.
Rainneles,
En non dieu, sire, aios son les föes u. f. w.
Rikece.
Al cui ieg-tu, di, barbustim?
Crokesos,
Qui? jou?
Rikece,
Voire,
Crokesos.
Au roy Hellekin,
qui chi m’a transmis.en meeage
& me dame Morgue le sage,
que me sire aime par amour it. f. w.
Morgue.
„A! bien viegnes-tu, Croquesot!
que fait tes sires Hellequine? u. f. w.
Morgue.
Croquesöt!
Crokesos.
Dame?
Morgue.
So ı as lettre
ne rien de ton seigneur & dire,
si vien avant!
Crokesos.
Diex le vous mire!
ausser aroie-je grant hasle:
tenes!
189°
der Brautnadht ein Charivari veranftaliet; vermummte, mit Schellen
bebängte Leute verführen unerhörten Lärm und Unfug, fingen das
Teufelslied und laſſen auch ben Hellequin aufziehen, einen brüllenden
Rieſen auf hohem, dürrem Mepper. vie Andern, die ihm tobend folgen,
feine Genoſſenſchaft (sa mesnie), mit ıhnen aber auch weibliche Helle
quinen, fchön geſchmückt und ein Mailied fingend, fo daß wohl aud
hier Feen gemeint find 526. Geifterhafte Weſen verſchiedener Art waren
Morgue.
Par foil c'est paine waste:
il me requierf chaiens d’amours;
mais j’ai mon cuer tourne aillours:
di-lui que mal se paine emploie!
Crokesos.
Aimi! deme, je n’oseroie:
il me geteroit en le mer..
nepourgnant ne poés amer, Ä
dame, uul plus vaillant de lui u, f. w.
(&. 814, ob. Hellequin ſcheint eiferfüchtig felbft zum Stechen gefommen zu fein.)
S. 81 f. Morgue.
De le main dieu
sole- jou sainnie et benite!
mout me tieng ore pour despite,
quant nensoie & fe) cacoignenr,
et je laissoie le gringneur
prinche qui soit eu faerie u, ſ. w.
Croquesoti
Crokesos.
Madanıe |
Morgue.
Amistes
porte ton segnieur de par mil
Crokesos.
Madame, je vous en merchi
de par men grant 'segnieur le roy.
85 9. Boris, Les manuscrits frangois 1, &. 306: „Fanvel represente.
les vanites du monde.“
mi Les mauuscrits frangois de la-bibliothdque du roi u, . w. par M.
Paulin Paris. 1. Paris, 1886, ©. 304: „Ne. 6812. Melange de po6sies. —
1° Complainte d’amour. —2° Roman de Fauvel, par Francois de Rues
et Chaillou de Pestain. — 3° Po&mes divers de Godefroi de Paris u. |. w.
Un volume in-folio magno, v6lin, trois colonnes, ministures et initialeg;
190
zu Masten pofienhafter Aufzüge geworden und in folder Verzerrung
kann es -Tprichmörtlich genommen fein, menn ein Straflied des 14ten
premitre partie da XlVe siöcle u. |. w. Anc. n*®, 267.“ &. 321: „Enän
le festin et les danses se terminent, le vin du coucher est servi, chacun
se retire, Fauvel se rend dans la chambre nuptiale. Mais & peine #tolt
il coueh6 qu’un’ bruyt effrayant se feit entendre:
Onques mös tel chalivali
Ne fu fait de ribaus de fours,
Com Ten fait par les quarefoura....
Desguists sont de grant manibdre:
Li uns ont ce devant deriere
Vestus et mis leurs garnemens;
Li autre ont fait leur paremens
De gros sas et de fros & moin;
L’en en cougneast un & poines,
Tant estoient tains et deſais.
1 n’entendoient qu’& meſſais;
Li uns avolt mis grant poele,
L’un le havet, le greil et le
Pesteil, et l’autre un. get de cuivre,
Et tuit contrefaisoient l'ivre;
L’autre an baoin ei sus feroient
Si fors que tresiont estonnoient;
Li uns avoit tantins à vaches,
Cousus sus cuisses ei sus naches,
Et au dessus grosses sonnetes
Au sonner et hochier claretes;
- Li autre tabours et cimbales,
Et grans estrumens ors et sales,
® Er eliquettes et maoegnotes ... ..
(„Ci s’ensuivent sotes changons que ceus qui font le clalivali chantent
parmi les rues, et puis après trouvera-on le lai des Hellequines.“) &. 322:
Les chansons des acteurs da Charivali ou Charivari sont des exira-
vagances houffonnes et möne impies; mais je dois un peu m’arröter sur
les Hellequines ou la Mesnie Hellequin.“ u. ſ. w. S. 824: „Voici commens
notre poßte decrit.cette Mernie:
.... puis faisoient une crierie,
Onques tele ne fut oie:
Li uns montret son cul au vent,
Li autre rompet un auvent;
L’un cassoit fenestree et huis,
L’autre getoit le sel ou puie-
191
Jahrh. von unheilftiftenden Advokaten fagt, fie fein die Sippicaft
Hellelins und zaufen fich wie bie Kettenhunde 52°. Eelbit im bildlichen
Gebrauche zeigt fich gleichwohl noch weit fpäter das Weſen bes alten
Volksglaubens bei dem Theologen Jean Raulin aus Toul, geft. 1514,
der nicht die alte Sippfchaft Hellequins zurüdrufen und als ein Tobter
in den Nebeln und Finfternifien des Weltlebens zu reiten fcheinen will 528,
L’un getoit le bren au visage,
Trop estoient l&s et sauraiges;
S. 825: Es tetes orent ba: bodres,
Avoee eus portoient deus biöres,
On il avoit gent trop avable (?)
Pour chanter la chansom au diable;
1l i avoit an grant jeiant
Qni aloit trop forment braient.
Vestu ert de bon broisseguin;
Je eroi que c’estoit Helleqwin,
Et tuit li autre, sa mesnie,
Qui le snivent toute enragie.
Mont&s est sus un roncin haut
Si tres gras que, per saint Qninaut,
l’en li peut les costes compter.....
Avec eus avoit Hellequines
Qui avoient cointises fines
Et se deduisoient en ce
Lay chanter qui si’ oe commence:
En ce dous temps d’este
Tout droit on mols de may“ n. f. w.
27 Nouveau recneil de eontes, dits, fablianx u. |. w. par A. Jubinal 1.
Paris 1839. S. 288: „C'est li Mariages des Filles au Diable. Me. 248,
Bappi. franc.* Darin ©. 284 f.:
„C'est ia mesnie Hellekin;
li s’entrepoilent com mastin.“
In Chronigne des ducs de Normandie par Benoit u. ſ. w. 2, 887 ift die Stelle
aus Me. de la bibl. de l’Arsenal, belles-lettr. frang.. in Fol. Nr. 175 gegeben:
„C'est la maisnie Hellequin;
ll s’entrepoilent eom mastin.“
(Die Strophe if diejelbe, wie fie auch von Godefroi de Paris in einem Gedichte
vom Jahr 1814, das fich in derſelben Handſchrift mit dem Roman de Fauvel
kefindet, gebraucht wird, Manuser, fr. 1, 832 f.)
28 ®. Paris, Manuser. fr. 1, 324: „Numqusd me velis," 6crivoit Jean
Raulin, mort en 1514, „antiquam illam familiam Harlequini revocare, ut
192
Bis in die neuefte Zeit bat fi da und dort im nörblichen Yranl-
veih das Gedächtnis Hellequins, wenn auch verbunlelt, forterhalten;
wie in ber Normandie noch feine Jagd fchweift 529, jo ift in ber
Gegend von Rheims fein Name ein abenblicher Kinderichred und eine
Bezeichnung der Irrlichter 59%, in Welſchlothringen aber, wo auch ber
videatur moriuus inter mundane cariw nebulas et caligines equitare?*
(Über 3. Raulin |. Basl. Ler. Suppl. 2, 761.)
529 Amelie Bosquet, la Normandie romanesque u: |. w. Paris 1845,
©. 68. 70. U. de Nore, coutumes, mytles et tradit. des provinces de
France, Paris und Lyon 1846, &. 267 f.
50 P. Baris 1. c. 824: „Dans mon pays (l’ancien R&mois) les petits
enfants s’effraient mutuellement, à l’approche de la nuit, en criant &
tue-töte: Arlequin sur nos talons! comme si la Mesnie Hellequin les pour-
suivoit encore. On y donne aussi la nom d’Arleguins aux feu-follets,
enfantes par les exhalsisons de la terre, dans les derniers jours de l'au-
tomne, Ces Arlequine, disent les meres avec affectation, s’attachent aux
pas des enfants; ils offrent une lumiöre trompense en sautillant devant
eux & quelque distance, jusqu’& ce qu'ila aient conduit la pauvre victime
dans un marais ou dans un pr£cipice,* Vorher, ©. 322: „On donnoit ce
nom (Mesnie Hellequin) à des espöces de fenx-follets ou genies plutöt
malfaisants que favorables, ef: plutöt mognenrs que malfaisants; ils
apparoissoient dans les temps d’orage, jetant des cris sourds et for-
mant un concert infernal. C’&toit des föes, des ombres de heros, des
ames en peine; c’&:oit tout ce que l’imaginstion pouvoit s’aviser d’aper-
oewoir. l’origine de la tradition de la Mesnie Hellequin se perd
dans l’obscurit6 des temps. On l'entendoit surtout bruire dana les en-
virons de la ville d’Arles et pres de ce fameux oimetitre d’Eliscamps,
que nos Chansons de gestes c&löbrent sous le nom d’Aleschans, et que
nous ne citons plas aujourd’hui (sous celai de Champs-Klisses), qu’en
consid6ration des tombes romaines que l'on y trouve encore. Ü’&oit
ponrtant en Aleschans que le brave Guillaume aa court né avoit été forcs
de fuir devant les Surrasins; c’&toit JA que son frère Vivien avoit perdu
la vie, afin d’accomplir ie serment t&meraire qu’il avoit fait de ne jamais
reeuler d’un pas devant lea paiens; c’&toit l& que reposoient la plupart
des heros tués avec les douze pairs & la bataille de Ronceveaux. Pius
tard, l’esprit des habitans de la contr&e, rempli du souvenir des Chan-
sons de geste, croyoit souvent distinguer, au milieu des &clairs, les grandes
figures d’Ogier-le-Danois et de Vivien, trainant derriere elles une foule
d’autres ombres moins illusires; coınme on le pense bien, les chevaux
noirs ne leur manguoient pas non plus que les sanglots, les eris, les
€clats de rire; or c'est l& pr6cisement ce qu’on appeloit la Mesnie Hellequin.*
Diefe an fi merkwürdige Nachricht wird nicht fo zu nehmen fein, baß zu Arles,
18
Name eines Hofes, le Pr&-Hellequin, den alten Mannsnamen be
wabrt, wird unter Mouhihennequin (Entfiellung von meisnie Helle-
quin) eine nächtliche Mufit in der Luft verfianden; wer fi) von den
geipenftifchen Spielleuten bemerlen läßt, den reißen fie in Etüde 31.
Daß Hellequin von der franzöfifchen Norblüfte aus, im Gefolge
der normannifchen Eroberung, nach England binübergezogen, beweiſt
fhon. die romanische, wenn aud mehrfach verborbene Form des Na-
mens und ber gleiche Ausdruck für die Genoſſenſchaft (meyne) jenſeits
der Meerenge. Dazwiſchen aber zeigen ſich Spuren, monad auch den
Angelfachien diefe Vorftelung nicht fremb war. Die Sachſenchronik
verzeichnet zum Jahr 1127, wie beim unbeilbringenden Eintritt eines
neuen Abted zu Burd (Peterborough) in den Wäldern ſchwarze, große
und bäßliche Jäger gejeben wurden, die, mit fchwarzen, großäugigen
Hunden, auf gleichfalls ſchwarzen Rofien und Böden einherritten; bie
Mönche hörten in der Nacht den Schall der Hörner und glaubmwürbige
fo weit im Stiden, ber Name Mesnie Hellequin gebraudyt worben jei, ſondern
nur fo, daß ein ähnlicher Bollsglaube auch dort befanden habe.
%ı Richard, Traditions populaires u. f. w. de l’ancienne Lorraine,
Remiremont 1848, S. 220: „Mouhibenneqguin. C'est, suivant les habi-
tants de la campagne, une troupe de musiciens qu’on entend quelquefois
dans les airs pendant les freiches nuits de lPété, et qui d&chirent impi-
toyablement les personnes assez malheurenses pour en ätre apergues"
u.f.w. ©. 221: „De nos jours, si nons interrogeons les habitants de
Rochesson et de queiques communes volisines sur cette symphonie sur-
naturelle, appelde pendant le moyen-&ge chasse saint Hubert, chasse
saint Eustache, chasse Rigout, haute chasse, chasse fantastique, ils nous
diront sans hesiter et sous l’empire de leurs croyances religieuses, que
ces bruits ne sont autre chose que des cris de pauvres enfants döckdes
sans avoir recgu le baptöme. A Ventron on donne encore & cette preten-
due musique sauvage le nom de la remoliere, sans doute parce que la
r&anion des divers sons dont se composait cette musique, avait quelgue
ressemblance avec ceux que produit la rou® d'un remouleur quand il
aiguise des instruments tranchants. Une ferme de la commune de Chatas,
eanton de Senones, est encore appel&e le Pr&-Hellegain, nom qui lui vient
peut-&tre de la suppression du mot Mesgnie daus ceax de Mesgnie-Henne-
quin et Mesnie-Hellequin, dont nous avons fait celui de Mouhihennequin“
u. ſ. w. (Chasse Rigout j&eint fi auf den lothringiſchen Helden Rigaut zu
beziehen, vergl. Mort de Garin ©. 60: la mesnise Bigaut, über jenen Tod
Mone, Unter. 250 ob.)
Npland, Säriften. VIEL | 13
194
Beobachter fagten aus, es feien zwanzig biß breißig Hornbläfer geweſen:
über die ganze Fastenzeit bis Dftern gieng es fo fort; dieß bes Abtes
Eingang, über jeinen Ausgang Tönne noch nichts gejagt werben, Gott
möge fürfehen 5%. Da der mönchiſche Bericht, welcher fich durch bie
Schlußworte als gleidygeitig befunbet, der gefpenftiichen Erſcheinung
feinen Namen gibt oder geben wollte, fo bleibt Hellequins Anrecht
582 Chronicon Saxonicum u. |. w. op. E. Gibson, Oxon. 1692, ©. 232
[Two of the Saxon chronicles, ed. by J. Earle. Orford 1865. &. 356. 5.)
(an. 1127): „Ne Pince man na sellice p we sod seggen for hit wes fal
cud ofer eall land .b swa radlice swa he ber com I ws bes sunnen-
deies P man singad Exurge quare 0 D. Pa son pær eft’ ba swgon
and herdon felg men feole huntes bunten. Da huntes weron swarte and
micele and ladlice. and here hundes ealle swarte and bradegede and
ledlice. and hi ridone on swerte hors and on swarte bucces. bis wes
segon on pe selue der-fald in pa tune on Burch and on ealle ba wudes
da weron fram pa selus tune to Stanforde. and ba muneces herdon da
horn blawen hi blewen on nihtes. Sodfeste men heom kepten on nihtes.
seidon bes be heom Pahte b Peer mihte wel ben abuton twenti oder pritti
horn-blaweres. his wees segon and lıerd fram P he pider com eall P lented
tid on an to Eastren. Dis was hia in-gang. of his ut-gang ne cunne we
iett noht seggon. God scawe fore.“ (Hoc modo infeliciter ei [Henrico
de Peitowe nomine] Abbatie donata, inter Christi festum et Candelarum
festam, spud Lundene, atque inde ivit cum Rege ad Wincester indeque
ad Burch, ubi vitam egit tanquam fucus in alveari. Bicut quicquid im-
portatur devorat fucus et exportat, ita etiam ille quieguid’oonsequi potait
sive intra sive extra, sive a Ciericis give a Laicis, trane mare misit, nec
quicquam boni ibi fecit, aut quieguam boni ibi dereliquit. Non quisquam
arbitretur, nos verum non dicere! fuit enim probe cognitum per totam
gentem, quod postquam is eo pervenisset, scilicet die Dominica, in qua
cantatur „Exurge quare o d.“, statim visi sunt et auditi complures
homines venantes, Venatores erant nigri et magni et deformes et eorum
canes nigri et oculos lati et immanes; equitabant eliam in nigris eguis
et nigris cervis. Hoc fuit visum in eo ipso ferarum saltu, in oppido de
Burch et in omnibus sylvis, que erant inter illud oppidum et Stan-
ford, et Monachi audierunt sonitum cornuum, qua inflarunt illi noctu.
Viri ide digni, qui eos observabant noctu, dicebant, arbitrari se, non pau-
ciores faisse quam vigiuti aut triginte, qui cornna sonuerunt. Hoc visum
fait et auditum a quo tempore is eo venit per totam Quadragesimam
usque ad Pascha, Hujusmodi erat illius accessus; de discessu ejus nihll
adhue dicere possumus. Deus previdet.) Über die Sachſenchron. |. TE.
Wright, essay 63. Ettmüller, anglos. poöt. XX f.
195
bier zweifelhaft. Dagegen wird in ber Lebensbeſchreibung des 1170
ermordeten Erzbiſchofs Thomas von Canterbury die familia Helliquini
ausbrüdlich genannt 53. Walter Mapes, an der Grenze von Wales
geboren, erzählt in einem an Bollsfagen reichen Buche, das aus den
achtziger Jahren des 12ten Jahrh. ftammt, zuerft von einem Könige
der älteften Briten, Herla, welcher mit dem des Zwergvolls im Bunde
der Gaftfreundichaft ftand; mie dieſer zu Herla® Hochzeit mit einer
Tochter des Yranlenlönigs gelommen war und babei feine koſtbar ges
Heiveten Zwerge in kunftreihen Gefchirren von lauter Gold und Edel;
geſteine reichlich hatte auftragen laſſen, fo begab ſich Herla das Jahr
nachher zur Bermählungsfeier des Zwergkönigs in die Höhle eines hoben
Felfen, die von Lampenſchimmer herrlich erleuchtet war; beſchenkt mit
Rofien, Hunden, Habichten und Allem, was zu Waidwerk und Vogel⸗
jagd vorzüglich dient, zog er wieder ab und beim Abfchieb gab ihn ber
Zwerg einen Heinen Braden mit der Weifung, daß Niemand vom
ganzen Gefolg abfteigen folle, bi dieſer Hund von feinem Träger
vorfpringe; an das Sonnenlicht gefommen, fragt Herla einen alten
Hirten um Nachricht von der Königin, der Hirte jeboch verftcht kaum
die Sprache des Fragenden, da Diefer ein Brite, Jener ein Sachſe
it, die ihm genannte Königin fol die Gemahlin des Britenlönigs
Herla geweſen fein, der nach der Sage mit dem Zwerge beim Felſen
bier verſchwunden, ſchon zweihundert Sabre lang haben die Sachſen
nach Vertreibung der alten Bewohner dieſes Land inne, worüber der
König, der nur drei Tage verweilt zu baben glaubt, fi faum vor
Staunen auf dem Pferbe hält; einige feiner Gefährten, die der Wars
nung bed Zwerges unerachtet abgeftiegen, werben alsbald in Staub
aufgelöft, weshalb er ftreng verbietet, vor dem Serabfpringen bes
Draden die Erde zu berühren, der Hund ift aber noch nicht berabges
lommen und es geht eine Sage, daß jener König Herla in enblofem
Wandel mit feinem Heer unfinnige Umzüge ohne Raft und Ruhe
halte. Biele glauben, dieſes Heer häufig geſehen zu haben, zulekt aber,
fagen fie, im Jahre der Krönung des dermaligen Königs Heinrich habe
basjelbe aufgehört, das Reich herkömmlich wie zuvor zu bejuchen; dazu⸗
3 Minstrelsy of the seott. border, 2 Band, 5 Ausg. Edinburg 1812,
©. 129.
196
mal ſahen viele Wallifer e8 an ber Wye, einem Fluß in Hereford,
unterfinten 594 Etwas verfchieden berichtet Walter Mapes in einem
fpäteren Abſchnitt, nachtichmeifende Schaaten, nach Herlething benannt,
feien in England gemeinkundig bis zu König Heinrichs II Zeiten er
ſchienen, ein Heer enblofen Irrſals, unfinnigen Umzugs und flarren
Schweigens, in dem Viele lebend fich gezeigt, bie man geftorben wuſte;
dieſe Genoſſenſchaft Herletbings fei zuleßt an ber Grenze zwiſchen
Wales und Hereforb im erften Regierungsjahre Heinrihs II, um Mit
tag, in der Weife geliehen worden, ivie man mit Wagen und Säw
mern, Tragfätteln und Körben, Vögeln und Hunden, unter bem
Zulauf von Männern und Weibern, umzufahren pflege; die damals
den Zug zuerft erblidt, haben mit Blafen und Gefchrei die ganze Nach
barfchaft dagegen aufgerufen und, nad dem Brauche jenes höchſt
wachſamen Volkes, fei fogleich zahlreiche vollftändig gewaffnete Mann-
haft besbeigelommen und teil den Leuten bed Zuges mit Worten
leine Rede abzubringen war, habe man mit Waffen Antwort erzwin:
gen wollen, biejelben feien aber in die Luft fich erhebend plöglich ver⸗
jhwunden und von felbigem Tag an fei biefe Kriegsſchaar nirgends
mehr ſichtbar geweſen 583,
584 Gualteri Mapes de nugis curialium distinctiones quinque. Ed.
by Th. Wright u. f. w. printed for the Camden society 1850, ©. 14 fi.
Der Schluß der Erzählung lautet S. 17: „Canis autem nondum descendit.
Una fabula dat, illum Herlam regem errore semper infinito circaitus
cum exercitu suo tenere vesanos sine quiete vei residentia. Multi fre-
quenter illum, ut autumant, exercitum viderunt. Ultimo tamen, ut aiunt,
anno primo coronationis nostri regis Henrici cessavit regnum nostrum
celebriter ut ante visitare. Tunc autem visus fuit a multis Wallensibus
immergi juxta Waiam, Herefordie flamen. Quievit autem ab illa hora
fantasticus ille circuitus, tanquam nobis suos tradiderit errores, ad quie
tem sibi.“
535 Ebend. S. 180: „[In Britannia minori vise sunt pıede nocturne
militesque ducentes eas cam silentio Bemper transeuntes, ex quibus Bri-
tones frequenter excusserunt equos et animalie, et eis usi sunt, quidam
sibi ad mortem, quidam indemniter.] Costus etiam et phalanges nocti-
vage, quas Herlethingi dicebant, famose satis in Anglia usque ad Henrici
secundi, domini scilicet nostri, tempora regis comparuerunt, exercitus
erroris infiniti, ingani circuitus, et attoniti silentii, in quo vivi multi
apparuerunt, quos decessisse noverant, Hæc hujus Herlethingi visa est
197
Herlethingus ift boch wohl ein meiter entftellter Herlekinus, das
gegen kann bei Herla, obgleich er zu einem Britenfönig gemadt ift,
doch ein agſ. Halga, Helga zu Grunde liegen, wie aud in ber Nor»
mandie Helgo und Herlikinus zufammengeben. ſilich die Abtei Burch
in Nordhampton, mo die nächtlihe Jagd ſich hören und ſehen ließ,
weftlich die Landſchaft Hereford, mo Herla:Herletbing umgog, fallen in
bad Gebiet des alten Königreichs Mercia, in welchem ſich die ſueviſch⸗
anglifche Offafage angefiebelt hatte, deren Berührungen mit der Helgi-
fage oben erörtert find; „Offas Graben” (Offen dice, fossa Ofite,
wallif. claudh Offe) heißt ein dem zweiten Offa zugelchriebener Grenz
wall, die Mark von Hereforb gegen Wales, mo Herlethings Genoſſen⸗
fhaft zulebt gefehen warb, und deſſen ſüdlichen Winkel der Wyeſtrom
bilbet, in welchem Herla mit feinem Heer unterfanf 536, In den auf-
guählten Überlieferungen aus Nordfrankreich und England dringt duch
alle Verdunklung des Namens und Vermifchung ber Eage mit ander
wärtigen, mit denen von Richard Ohnefurcht, mit Kreuzfabrtivundern,
Imergmärchen, doch immerfort der alte Grundzug des Helgilieds:
todte Männer reiten. Es ändert hieran nichts, daß die nächtliche Er-
Ihemung erft ein Heerzug, dann aber auch eine Ausfahrt zur Jagd 597
ultimo familie in marchia Walliarum et Herefordie anno primo regni
Henriei secundi, circa meridiem, eo modo quo nos erramus cum bigis et
summariis, cum clitellis et panariolis, avibus et canibus, concurrentibus
viris et mulieribus. Qui tune primi viderunt, tibiis et clamoribus lotam
in eos vieiniam concitaverunt, et ut illius est mos vigilantissime gentis,
statim ommibus armis instructi multa manus advenit et quia verbum ab
eis extorquere non potuerunt verbis, telis adigere responsa parabant. li
autem elevati sursum in aera subito disparuerunt, Ab illa die nusguam
visa est illa militia, tanquam nobis insipientibus illi suos tradiderint
errores, quibus vestes atterimus, regna vastamus, corpora nostra et jumen-
torum frangimns“ u. |. w.
% Gnalt. Mapes 1. c. 86: „Rex hic (Offa 758-796) Walenses in
modicam sus Wallie angulum et que) de nomine regis ejusdem dicitur
sihuc fossa cinxerat, cujus egressum vel exoessum pede luebent et luge-
bent amisso.“ Vergl. Camden, Britannia S. 499. Lappenberg, Geſchichte
von England 1, 225 f.
7 Den Auszug „eum bigis et summariis, cum clitellis et panariolis,
aribus et canibus“ (Annierkung 535) erläutert der ähnliche im Nibelungen⸗
led 870:
18
oder die braufende Jagd felber iſt 3; in Beiden fpiegelt fich die
Lebensweiſe des wehrhaften Mannes auch nach feinem Tode und dazu
wurden ihm nicht bloß Waffen und Roſs, fondern auch Jagdhunde
und Fallen in den Grabhügel oder auf ven Scheiterhbaufen mitge:
geben 59, Führer ber geifterhaften Schaar ift noch überall gleichfalls
ein bingefchiebener Held und bie Bezeichnungen milites, familia Helle-
kini, maisgnie Hellequin, find volltommen gleichartig mit dem alt-
nordiſchen Ausbrude für den abendlich ausziehenden Helgi und feine
Zeute: beir Helgi 540.
Züge der Helgifage auf ſlaviſcher Seite, vom alten Gardareiche
ber, bietet ein ruffiiches Heldenliet aus dem Gedichtkreiſe von Wladimir
bem Großen, der um ben Anfang bes 11ten Jahrh. gelebt Hat. Der
Ruhm diefes Fürften verfammelt an feinem Hofe zu Kie eine Tafel-
runde ber außgezeichnetfien Kämpfer, deren Thaten je in befondern
Liedern gejungen find. Ein folder Wladimirsheld, Potok Michailo
Iwanowitſch, reitet, um für den Tiſch feines Herın Waflernögel zu
ſchießen, nad) den Buchten des blauen Meeres. Dort erblidt er einen
weißen, goldgeflügelten Schwan und eben will er auf denſelben ben
Pfeil abvrüden, als ſich eine Stimme vernehmen läßt: „ſchieß nicht
mid), den weißen Schwan! zu beftimmter Beit bin ich dir nüglich.” Der
Schwan tritt heraus auf das fteile Ufer und verwandelt fich in eine
zarte Jungfrau, Afdotja. Potok ergreift fie bei der weißen Hanb umb
fügt fie auf den füßen Mund, Sie aber fpricht klagend: „menn bu
mich heiraten twillft, welches von ung zuerſt flirbt, mit ihm muß das
Geladen vil der rofie kom vor in über Rin,
din den jeiigefelen truogen bröt umde win,
vieifch mit den viſchen unde ander manegen rät,
den ein tünec ſo ride harte billichen hät.
58 Damit fällt jedoch der mythiſche Unterſchied zwiſchen Türfengejäg und
Wuotesheer nicht hinweg, wie fpäter fich ergeben wird, vergl. Sagenforſch. 102.
5899 Saro 5, 91: „Asvitus morbo consumptus cum cane ac equo ter-
reno mandatur antro.“ Fornald. S. 3, 878: „Äsmundr l&t verpa haug
eptir hann (Aran). ok setti hi& bomam hest hans med södli ok bei:.i,
merki ok öll herkledi, hauk ok hund.“ Sem. 225, 62 (Mund, 128, 64):
„tveir haukar.“ (Berg. J. Grimm, Über das verbrennen der leihen 48.
Beuß 568 u.)
540 Deutiche Grammatik 4, 296,
199
andre lebend ins Grab gehn.” Er ſchwingt fich auf fein gutes Roſs
und heißt fie, wenn auf ber Domlicche zu Kiew die Veiperglode an
Ihlage, zur Berlobung bereit fein. Als weißer Schwan fliegt fie
dorthin und Tommt vor dem gefchwinden Reiter an. Die Trauung
wird vollzogen und dabei die Bedingung des Mitbegrabens beſchworen °*1.
Eon nad anderthalb Jahren ftirbt die Vermählte und wird in ber
Borhalle der Domliche in ein tiefes, weites Grab gelegt. Potok
ftürzt fi mit Roſs und Ruſtung in die Grube binab. Sie wälzen
eine eichene Dede auf das Grab, verſchütten e3 mit gelbem Sand und
jegen ein hölgernes Kreuz darauf. Nur Iaflen fie Raum für ein Seil,
das an die Kirchenglode angebunden ift. Um ven mitbegrabenen Helden
verfammelt ſich zur Mitternachtftünde alles Gewürm und es kommt
eine furchtbare, feuerflammende Schlange; beim Schein eines Wachs⸗
lichts erichlägt er fie und beſtreicht mit ihrem abgefchnittenen Kopf die
Leiche, worauf Afdotja vom Tod erwacht. Er zieht das Glodenfeil
und fie werben mitfammt dem guten Roſſe berausgebolt. Als Potof
im Alter geitorben, begräbt man ihn auf die vorige Wetfe und ver:
ſcharrt mit ihni Afootia in die feuchte Erde 342. Hat fi in norman-
niſcher Überlieferung der Tobtenritt erhalten, fo hier im ruffiichen Liebe
die Grabgemeinſchaft in eigentbümlich freier Zubilbung. Afbotja als
Schwan begegnet fi mit Kara, wie auch mit den Schwanjungfrauen
des Eddaliedes von Wölund, bas den Helgilievern vorangeftellt ift.
Die nordiſchen, insbeſondre ſchwediſchen Eroberer, die in der letztern
Hälfte des 9ten Jahrh. zu Nowgorod (Gardar), dann zu Kiew, ein
Reich gründeten und den Steomfchnellen des Dujeper ſtandinaviſche
Namen gaben 543, konnten auch Überlieferungen mit fi) bringen, bie
541 Wie von den Freunden Aswit und Asmund, Anm. 447.
52 Alte ruſſiſche Dichtungen, gefammelt von Kirſcha Daniloff und zum
zweiten Mal berausgegeben, mit einer Zugabe von 85 bis jet unbelannten
Liedern und Erzählungen, und mit Noten zum Geſang. Gebrudt (in ruſſiſcher
Sprache) zu Mostwa, 1818, 40. Obiger Auszug des Liebes von Potok ift nach
der mir handſchriftlich mitgetheilten Überfeßung diefer ganzen Sammlung durch
Herrn Prof. Moriz Rapp gegeben. Der Kofal Kiriha Danilow, der die alt«
ruſſiſchen Volkslieder geſammelt und bearbeitet, war ein Beitgenofie Peters bes
Großen, |. P. v. Götze, Stimmen. des ruffifhen Volks in Liedern, Stuttgart
1838, ©. 54 fi. |
8 Beuß 656. bis 559.
200
in ihrer Heimat fhon im Sten Jahrh. fih zu Helbenliedern, wie fie
in der ältern Edda vereinigt find, geformt hatten. Wie in Potok bie
Helgifage, fo ericheint in Dobrünja, einem andern Tafelgenofien
Wladimirs, der Drachenkampf Sigurds als ruſſiſcher Vollsgeſang.
Doch find dieſe in der Liederedda anklingenden Sagenſtoffe nicht bie
einzigen Abdrücke deutſcher Sage im ruſſiſchen Heldenkreis und ſo mag
dieſelbe wohl noch auf andern Wegen dahin eingedrungen ſein.
Afdotja ſtirbt vor Potok und zum zweiten Male wird fie ſogleich mit
ihm begraben, bier konnten alfo die herben Zähren, welche blutig auf
Helgis eiskalte Bruft fallen, Feine Stätte finden. Der Glaube, daß
übermäßiges Weinen ber Burüdgebliebenen die Tobten nicht ruhen
laffe, geht durch die Dichtungen verfchtevener Volker. Im bänifchen
Liede von Aage und Elfe, dem auch fchwebifche entfprechen, bört ber
Ritter unter ſchwarzer Erde die Wehllage ber Braut, fteht auf und
Hopft mit dem Sarg an ihre Thür, fie läßt ihn ein und ſchlichtet
weinend feine Haare mit dem Golblamm, er jagt ihr, fo oft fie fi
freue, fei fein Grab innen mit Rofenblättern umbängt, fo oft fie ſich
gräme, fei der Sarg mit Blut gefüllt; da kräht der ſchwarze Hahn,
zur Erde müflen die Tobten, es kräht der rothe, des Himmelreichs
Pforten Öffnen fi, fie folgt dem Tobten auf den Kirchhof, wo er ins
Grab verſchwindet, den Monatstag darnach liegt auch fie in ſchwarzer
Erbe 514, Das kommt dem Helgiliede noch nahe: nächtliche Yufams
menfein, bie blutigen Thränen, der rotbe Hahn, mie jener, der das
Siegvolk welt. Daß aber die Zurüdgelaflene, glei Sigrun, lebend
und freiwillig in das Grab geht, dieſen bebeutenden Zug haben nur
Volkslieder ſlaviſch-deutſcher Grenzgegend bewahrt. Ein wendiſches aus’
der Oberlaufig, das auch in Böhmen vorfommt, ift des Inhalts: ber
Tobte heißt den neuen Schloßberen, feinen Ehenachfolger, deſſen Tritt
das grüne Gras auf dem Grabe beugt, der jungen Herrin ausrichten,
daß fie ihm ein andbres Grabhemd nähen möge, in biefem Tünn’ er
nicht liegen, nicht verweſen; das Gras beugt fich wieder unter dem
54 Udv. danske Viser u. f. w. 1, 210 fi. Swenska folk-wisor, utg.
af Geijer och Afzelius 1, 29 ff. 2, 204 fi. Svenska fornsänger u. f. m.
utg. af Arwidsson 2, 103 fi. Das daniſche Lieb ift in der vorzugsiweiie für
Eagenftoffe denticher Herkunft gebräuchlichen Bersart abgefaßt. [Bergl. Schrif⸗
tm 7, ©. 416 biß 419. H.]
201
Fuße der Frau, die ein anbres, neugenäbtes Hemd bringt, das Grab
iſt geöffnet, der Tobte heißt fie zu ihm herunterſteigen und bie Schlüffel
davor liegen lafien ; die junge Herrin fteigt ins Grab, bitterlich weinend,
nicht um das neue Schloß, nicht um den jungen Schloßherrn, nicht
um die anbern Kinder, nur um den kleinen Liebling, der fo fill in
der Wiege fchlief, und um fein Schwefterlein, das ihn fo ſchön ge
wiegt 545, Mit weiteren Umftänden ein beutfches Lieb bes mähriſch⸗
fhlefifchen Kuhländchens: ein Herr hütet ſechs graue Roſſe auf einem
wüften Kirchhof, da ruft aus dem Grabe, deſſen Gräfer er abhütet,
fein Borwirth (Ehenorgänger) ihm zu, er foll dem jungen Weibe fagen,
daß fie dem Begrabenen ein trodenes Hemb bringe, das erfte fer ihm
fo naß geworden, meil fie immerfort meine; als die Frau dieß ner:
nommen, gebt fie mit ihrem NRoden, an das Grab zu Hopfen: „thu
dich auf und thu dich, Erdenkloß, und laß mich 'nunter auf feinen
Shop!” da kräht die Himmelstaube, die Gräber thun ſich alle auf,
die Schöne fteigt zu ibm hinunter; es Träbt das Höllenhuhn, bie
Gräber thun fih alle zu, die Schöne muß unten verbleiben 54%. Gier
iſt ſelbſt noch ſchwache Epur bes alten Tobtenritts, aber die grauen
Heldenroſſe grafen gemächli auf dem Grabhügel. Immerhin ift es
ein eigener Zufall, daß dieſe letzten Nachllänge der Helgenfage dem
boreinftigen Suevenland angehören, der Laufit, wo die Semnonen
wohnten, und ber großen fueniichen Gebirgsfcheide, wo bieffeits Si⸗
grun, die wiebergeborne Swawa, bei den Sewabergen weinend faß
und jenſeits die Ingifchen Harier geipenftiiche Nachtfahrt hielten 347.
I Boflslieder der Wenden in der Ober⸗ und Nieber-Laufis u. f. w.,
berausgegeben von Haupt und Schmaler, 1, 92 f. 851 f. Ein flavifches Volks⸗
Bed aus Oberfchlefien (deutfch von M. Waldau, im deutfhen Muſeum, heraus⸗
gegeben yon Brut und Wolffohn, 1 Jahrgang, Leipzig 1851, S. 136 ff.)
erzählt, wie die nächtlich vom Todten abgeholte Braut fih auf dem Grabhügel
mit ihm trauen läßt.
546 Alte teutſche Bollslieder in der Mundart des Kuhländchens, heraus-
gegeben von J. G. Meinert 13 f. 481 f. Über diefe ganze Lieder» und Mähren-
gattung, andy mit Bezug anf Helgi, vergl. W. Wadernagel, zur Erflärung
und Beurtheilung von Bürgers Lenore, in den Altbentchen Blättern 1, 174 ff.
SIT Die Sage von Helgi und Swawa if nicht bloß Namenfage, fie if Pie
202
IL Wanderung und Nenfiedlung.
1. Wanderſage. |
Bon der heilig gehaltenen Geburtsftätte des Suevenvolles. aus ift
bisher die Eage vesfelben oftwärts, nord: und nordweſtwärts verfolgt
worden. Wie aber der große Strom der Völkerwanderung jüblih und
ſüdweſtlich gieng, To haben auch die ſueviſchen Hauptzüge, an benen
der Volksname haften blieb, beim Aufbruch aus dem alten Heimatfige
den Weg nad) Süden eingehalten. Was von dieſer Triegerifchen Wanber⸗
fahrt, über die Anfievlung im eroberten Lande, bie Einordnung und
Abgrenzung mit andern flüflig geivorbenen Volkern, ſagenhaft gemeldet
ift, mie die mitgewanderten Götter, die angeftammten Glaubensvor:
ftellungen in den neuen Niedeslafjungen zur Erſcheinung kommen, das
alles bat jebt die Sagentunde genauer zu erörtern.
Zunädft die Wanberfage. Die fabelhaften Erzählungen von der
Ausfahrt und den Neifenbenteuern deutfcher Völker find ziveifachen
Ursprungs, die einen Iönnen nur auf gelebrtem Wege zugerichtet fein,
die andern ftammen aus volfemäßiger Überlieferung: ba jedoch auch die
ver lebtern Art nicht in alten Liedern, überhaupt nicht in alter Volls⸗
Sprache, aufbewahrt find, fonbern im Latein geiftlicher Aufzeichner,
fo haben auch fie den Beigeichmad der Schule mehr oder minder an
genommen. Was und wieviel als echte Volksſage anzuerkennen fei,
darüber muß jedesmal der innere Beftand des Erzählten entfcheiden.
Insbeſondre gilt dieß von dem lateinischen Bericht über die Wande—
zung der Sueven, deſſen handſchriftliche Duelle weder vorhanden noch
in Beziehung auf Alter und Herkunft näher bezeichnet ift. Hier ber
bauptfächliche Anhalt: |
Sm Norden liegt eine Landſchaft am Meere, welche Suevien ge
nannt fein fol. Eie war dem Gößendienft jo fehr ergeben, daß jähr
Alteſte ſchwäbiſche, vielleicht deutſche Heldendichtung, ein Typus jchwäbifchen
Namens und Weſens, zurückzuführen auf Germania 18: fo zu leben, zu fterben
und neu zu leben. Stälin 1, 25, A. 2. Bon der weiten Ausbreitung der
Sage wieder zu ihrem innern und urfprüngliden Beſtand ſich zu wenden,
befien Gewähre in den älteften Zeugniffen, Zacitus und Appian, gegeben if.
[Randbemertung von Uhland. 9.]
203
lich zur Ehre und Verfühnung ver Abgötter zwölf Chriſten erwürgt
wurden. Zur Rache für diefes Chriftenblut ftrafte Gott die Bewohner
des Landes mit Hungersnoth. Damals hatten fie einen rechtsver⸗
ftländigen König Namens Rudolf. Diefer beichied die angejehenen
Männer, ohne ihre Kinder, zur Berathung, wie fein Bolt dem Hunger
entgehen könnte. Einmüthig murbe befchlofien, daß Diejenigen, melde
mehrere Söhne hätten, alle bis auf einen, ven liebften, töbten fol:
ten. Bei diefer Verhandlung war Anshelm, Vater von fünf Söhnen;
traurig gieng er nah Haufe, mo er, auf Anbringen feined Sohnes
Dietwin, diefem die Urfache ſeines Kummers entvedie. Dietwin bes
merkte, daß nun auch er umlommen werbe, weil fein Bater einen
liebern Sohn habe; wenn er bei ber Beſprechung geweſen wäre, fo
würb’ er vernünftigen Rath gegeben haben. Als nun zur Berkündi«
gung des gefaßten Beſchluſſes eine neue Berfammlung gehalten wird,
nimmt Andbelm feinen Sohn mit zu Hofe: Auf Erforbern des ber
fümmerten Königs fagt Dietwin feine Meinung: man folle lieber
Schiffe anfchaffen, in denen die zum Tode Beſtimmten ftatt befien
über Meer geführt würden. Dieß erhielt allgemeine Zuſtimmung. Zwar
erhub fih im Lande große Wehllage über die Ausweifung jo vieler
Söhne und Töchter, als jedoch die Fahrzeuge bereit waren, fchifften
Diejenigen fi) ein, welche font hätten fterben müfjen. Bald wurden
fie von beftigem Sturm ergriffen und in den Hafen der Dänen, zu
Schleswig, geworfen. Hier hieben fie die ſämmilichen Schiffe zu Stüden,
damit Keiner von ihnen in die Heimat zurüdtäme Das Land durch⸗
ftreifend, gewannen fie jo reihe Beute, daß zwanzigtauſend der Ihrigen
beritten gemacht wurden; die übrige Menge folgte den Neitenden zu
Fuß. Nachdem fie diefed Dänenland mit ftarker Hand durchwandert,
zogen fie zum Elbeſtrom, überfchritten ihn und verbreiteten fi) über
die Rachbarſchaft. Zur felben Zeit war fchwerer Krieg zwifchen bem
Frankenkönig Dietrih und Irmenfried, dem König der Thüringer. Die
Urfache des Zwiſtes ift in der Geſchichte der Sachſen jo beichrieben.
König Clodoveus batte vier Söhne und unter fie vier Neiche vertheilt.
Der vierte, Dietrich, erhielt bad Land der Auftrafier, worin Met
gelegen it, und durch Wahl der Franken war er dort zum Könige
beftellt. An Irmenfried, ber mit feiner aus des Vaters rechtmäßiger
Ehe ftammenden Schiwefter vermäblt war, ſandte Dietrih Boten um
204
Frieben und Eintracht, auch Beftätigung feiner Herrſchaft. Die Königin
aber ließ durch Iring, den Ratbgeber ihres Gemahls, die Gejandten
beſcheiden, daß Dietrich, als Sohn eines Kebsweibs, ihr leibeigen und
fie die vechtmäßige Neichsnachfolgerin fei. Dietrich erbot feinen Dienft
dadurch, daß er mit einem fränkiſchen Heer ın das Land der Thüringer
einfiel und es zu verwüften anfıeng. Inzwiſchen hatten bie Sueben
nach Überfchreitung der Elbe an der Grenze des Landes ihre Zelte
aufgefchlagen. Damit nicht Irmenfried ihren Beiftand erlange, lieh
Dietrich ihnen, die ihm näher Iagerten, foviel Land zum Eigenthum
verheißen, als der Fluß Ealza bei feinem Ablauf in die Saale um-
ſtrömte. Auf dieß Verfprechen eilte die geſammte Neiterei der Sueven
ihm zu Hilfe, das Fußvolk blieb im Lager zurüd. Irmenfried führte
eine erlefene Reiterfihaar gegen Dietrich, warb aber in diefem Zuſam⸗
menftoße feldflüchtig, fette fchnell über die Unftrut und leiftete auf dem
Ufer dieſes Fluſſes den Feinden hartnädigen Widerſtand. Ihm war
Dietrich mit den Schaaren der Franken und Eueven gefolgt und bielt
drei Tage lang das gegenüberliegende Ufer beſetzt. Ex felbft Tagerte
mit den Franken oberhalb am Strome, die Sueven unterhalb. Wider
beide Heere glaubten die Thüringer nicht Stand halten zu können und
beſchloſſen, ſich an Dietrich zu übergeben. Zum Unterhänbler beftellten
fie Iring; wie er den Krieg angefchürt, follte er nun Yrievensftifter
werden. Widerſtrebend und erft nachdem er feiner Schwefter gemahnt
worben, verbünbete fi Dietrich mit den Thüringern unter ber Bebin-
gung, daß, mas ſie erblich befeflen, fie jeßt von ihm zu Lehen nähmen.
Zufällig geſchah es, daß ein Thüringer, Wito, den Habicht auf der
Hand tragend, am einen Ufer berabfaın, am andern aber ein Sueve,
Gozhold, heraufgieng. Wito ließ feinen Habicht nad einem Reiher
über den Fluß fliegen, mo Gozhold die beiden Bägel auffieng. Der
Thüringer bat um Zurüdgabe feines Geflügeld, er wolle dafür dem
Schwaben etwas jagen, was diefer nicht wiſſe. Mit Gozholds Bewil⸗
ligung feßte er zu Roſs durch eine Furt, erhielt den Reiher mitfammt
dem Habicht und eröffnete dem Schwaben, daß die Könige verjähnt
feien und die Thüringer nach rings unnützem Rath ihren bisher erb:
lichen Beſitz bienftpflichtig hinnehmen follen. Gozhold Tehrte mit ber
vernommenen Nachricht zu den Seinigen zurüd. Diefe fürdteten, um
Dietsih3 Zuſage betrogen, ober gar durch die verſchworenen Könige
205
aus dem Lande vertrieben zu werden, fie befchloflen daher, die durch
Gozhold geiviefene Furt in der Nacht zu überfchreiten und unverſehens
in das Lager der Thüringer einzubringen. Eo geſchah es, fie richteten
eine ſolche Nieverlage unter den Feinden an, daß kaum fünfhundert
mit Irmenfried entrannen, bie hierauf zum Hunnenkönig Attila wan⸗
derten. Die Sueven nahmen nad Bertilgung der Thüringer Alles ein,
was von Feldern, Wiefen und Wäldern an die Unftrut grenzte, und
wohnten fortan dort ohne Jemands Widerftand. ‚Das fuenifche Fuß:
volf aber, das in den Zelten geblieben war, begab fi, fobald ihm
fund geivorden, daß jene fich bleibenden Sitz erftritten haben, gleich:
falls auf die Fahrt, um irgendwo anſtoßende Wohnftätten aufzufinden.
Eie kamen an die Donau und überſchritten dieſe; nachdem fie hierauf
mit großer Mühfal die Donaumoore durchzogen hatten, verbreiteten
fie fih über ein ſehr angenehmes und meites Feld, das nad ihnen
Schwabaue (Swabowa) genannt ift, um, wenn fie bier eine Weile
gerubt, um fo freier die penninifchen Alpen zu überjteigen. Denn fie
waren entichloflen, nach Lampartenland zu ziehen unb fich dort anzus
ſiedeln. Auf einer Seite des Feldes war die Donau, auf der andern
ein großer Wald. Dazumal hatten in dem Donaulande die Wilzen
den Sohn Rorfteind von Wilzen, Alpker, ftatt eines Königs, zum Her:
zog genommen, teil bei einer Nieberlage, die fie lange zuvor erlitten,
ihr König mit dem ganzen Königäftamme umgelommen war. Zum
König beitellten fie fi) deshalb aus burgundiichem Gefchlechte den
Sohn des Königs Walderich, Adilvolk. Als nemlih die Sueven ſich
auf beſagtem Felde gelagert, fchidte der Herzog Alpter Botichaft an
den erlorenen König Adilvolk, daß er mit getvaffneter Macht kommen
möge, um die fremben Völfer, die hier aufgetaucht, zu übermältigen.
Als die Sueven dieß erfahren, befleibeten fie, nah dem Rath eines
gewiſſen Luithold, ihre rauen mit ben beften Gewanden, fehmüdten fie
mit Gold und Silber und lieben fie fo mit ben Kindern in ben Ges
zelten zurüd. Die Männer giengen mit ben Waffen abjeits in ben
Wald und bargen fi dort im Hinterhalt. Die Feinde rüdten an
und als fie im Lager nur die rauen ſammt den Kindern fanden,
machten fie reihe Beute und zogen, mit ven Frauen und Kindern fich
belaftend, wieder ab. Da kamen die Sueven fachte aus ihren Ber
fteden hervor, brachen in die Menge der Gewaffneten, entrifien ihnen
206
den Raub unb vertilgten dieſes ganze Burgundenheer, die Lande rings
umher zogen fie unter ihre Herrichaft °%,
Die Geſchichte diefer ſueviſchen Wanderung aus dem überfeeifchen
Norden bis in die Donauebene läßt ſich in brei Abfchnitte theilen. Der
erfte berichtet den Anlaß de3 Zuges und verfolgt viefen bis zum Über:
gang über die Elbe. Auch die weiten Wanderfahrten der Gothen und
Langobarben geben, jene nach Jornandes, diefe nach Paulus Diaconus,
Saro u.%., zu Schiffe vom Norben, von ber Inſel Ecadan, Scanzia,
Ecandinavia aus, die für den wahren Bienenftod ver Völkerſchwärme
gehalten wird 549, Insbeſondre von den Langobarden wird ausführlid
erzählt, wie bei eingebrochener Hungersnoth erft Vorfchläge der Tötung
gemacht, zuleßt aber Diejenigen, welche das Land verlafien jollten,
ausgelooft wurden und unter ben Brübern Ibor und Agio, auch deren
Mutter Gambara, abzogen 5%, In den einzelnen Umftänden weichen
die Berichte manigfach von einander ab "und jo bat aud wieder die
ſueviſche Wanderfage, abgeiehen von ven gänzlich verichiedenen Ramen,
zu viel Eigentbümliches, um lediglich der langobarbifchen abgeborgt zu
fein 59, Sie allein gibt den fjagenhaften Zug, daß die gelanbeten
58 Goldaſt, rer. svevic. scriptor., 2 Ausg., Um 1727, &.1fl. De
Herandgeber jagt darüber in Hiterarifcher Beziehung nur dieß (prefat.): „Ano-
nymus scriptor. Hoc sive fragmentum sive integrum scriptum debetur
Marquardo Frehero a Kessingen V. N. et Consiliario Palatino, qui id ex
Bibliotheca illustrissimi Principis Electoris Friderici IV sus manu de
scriptum mecum, ut alia omnia, lubens communicavit.“
49 Jornandes ©. 66: „Ex hac igitur Scanzia insula quasi offieina
gentium aut certe velut vagina nationum Gothi quondam memorantur
egressi, qui ut primum e navibus exeuntes terras attigere, illico loco
nomen dederunt* u. f. w.
50 Baul. Diac. 1, 1 bis 3. 7. Prolog. edict. reg. Rothar. (bel,
S. 8 f. Bergl. Vin, f) Saro 8, 157 fi. (Bergl. Stephan. not. 181 f.)
551 Die ältefte Quelle, der Prolog, gibt gar Teinen Grund des Auswan-
dernd an. Paulus bezeichnet als ſolchen die Übernölferung, hat aber and)
andre Angaben gelannt (1, 1 in fin.) Nach Saro (der librigens den Paulus
fennt, 8, 159: „Paulo teste“) zwingt dazu, wie bei den Sueven, ber Mangel
an Lebensmitteln, durch unglinftige Witterung herbeigeführt. Ihm fällt das
Ereignis in die Beit des Königs Snio, der, genauer befehen, der perfonificiexte
Schnee iſt (Sagenforfchungen 34 ff.); vie Überlieferung, die ihm vorlag, mag
au den mythiſchen Namen enthalten haben, was ihn zu biefer Einorbuung
207
Auswanderer durch Zertrümmerung ihrer Schiffe jede Rüdlehr abfchneis
den; To Schlägt Hagen, nachdem er die Nibelunge über die Donau ger
feuert, das Schiff zu Stüden 952 und es artet ebendahin, wenn ſchon
veranlaßte, aber weil er nur gefchichtliche Berfonen ſah, Lonnte ihm das Schnee:
wetter zur Dürre werden: „sive parum compluta humo, seu nimium
torrida.* Ein andrer Anlaß zum Auszug if, nad) dem Long. anon., daß
die Langobarden in der Heimat von Schlangen gequält find (Beuß 473 *), was
wohl denfelben Sinn hat, wie wenn die Cimbern und Teutonen durch Über-
fintung des Meeres (Florus 3, 3: „quum terras eorum inundasset oceanus“,
Sprachg. 635) vertrieben werden. Das Ausloofen und was damit zufammen-
hängt, ift im Prolog wieder verfefwiegen. Bei Paulus wird, ohne daß vorher
von Zödtung die Rede war, die ganze Maffe in drei Theile getheilt und ein
Drittheil durd) das Loos zum Wuszuge beftinmt. Saxo läßt erft anf Aggos
und Ebbos Antrag den Tod der Breife und Heinen Kinder, wie auch die Fort⸗
ſchaffung des noch unmwehrhaften Alters befchließen (vergl. Diüller om Saxo 134
(harter Winter]), dann aber durch die Mutter Gambaruc das Loos auswirken,
jo daß, wenn diejes kraftloſe Greiſe träfe, ſtatt deren Stärkere freiwillig aus⸗
zögen. Die ſchwäbiſche Faſſung hat daflir den alten Anahelm mit feinem Sohne
Dietwin.
5 Tie Stelle von den Sueven, Goldaſt 1: „quo vi tempestatis appulsi
cunctas scaphas minutatim consciderunt, ne denuo repatriaret quisquam
eorum.“ (Saro jagt nur 8, 159: „desertisque navigiis solidum iter in-
gressi“ u. f. w.) NRibelunge 1521:
Dõ fi daz ſchif entluoden und gar getruogen dan
fwaz dar Affe heten der drier Minege mar,
Hagne ez fluoc ze fiuden und warf ez an die flxot.
des hete michel wunder die reden küene unde guot.
1622: „Zwiu tuot ir daz, bruoder?“ ſo ſprach Dancwart,
„wie fuln wir fomen übere, ſo wir die widervart
riten von ben Hiunen ze lande an ben Rin?“
fit dd fagt im Hagne, dag bes kunde niht gefin.
15238: Dõ ſprach von Tronje Hagne: „ich tuonz Af den wän,
ob wir an difer reife deheinen zagen haͤn,
der uns entrinnen welle durch zegliche nöt,
der muoz an diſem wäge linen fchemlichen töt.“
Im Eddaliede wirb das übel zerarbeitete Schiff unbefeſtigt den Wellen tiber
laſſen, Sem. 255, 87: „Röa ndmu riki, rifo kiöl hälfan, beystu bak-
Rllum, brugdusk heldr reidir, hömiu slitaudu, häir brotnudu, gerdut
far festa ddr Beir fr hyrfi.* Beral Vole. 8. 6. 86 (Fornald. 8. 1,
214 f. Yu Vilks. und Kämpevis. nichts davon). Vergl. Aler. 2642 biꝑ 2699,
208
bie abziehenden Helvetier Haus und Habe verbrennen oder wenn hinter
dem balben Theile der wandernden Gothen bie Brüde einflürzt und
fie baburch für. immer bon ihren Genofien getrennt find 55%, Die Un
fahrt der Sueven und die Berftörung der Schiffe geichieht im Hafen
der Dänen zu Schleswig, wohin der Sturm fie verichlagen hat 5%,
Schleswig wird andermärts als ein Hauptſitz ber Angeln, vor ihrer
Auswanderung nad Britannien, genannt und ebendort war, nad) ver
ſchiedenen Meldungen, der Knabe Eceaf im fteuerlofen Echiffe, ſchla⸗
fend auf einer Garbe, dem Wahrzeichen des Anbaus, angefahren, wurde
nachmals König des Landes und fteht als ältefter Ahnherr in angel
fächfiichen Königsreihen, wie auch an ihn ver im Widſidslied als Herricher
ber Langobarden benannte Sceafa gemahnt 5°. Die Sueven erjcheinen
883 Gäfar, beil. gall. 1, 5: „oppida sua omnia, numero ad duodecim,
vicos ad quadringentos, reliqua privata wdificia, incendant. Frumentum
omne, preter quod secum portaturi erant, comburunt, ut domum redi-
tionie spe sublata paratiores ad omnia pericula subeunda essent.* Fornan-
de8 ©. 67: „medietate transposita pons dicitur, unde amnem transjecerät,
miserabiliter corruisse, nec ulterius jam cuiquam licuit ire aut redire.
Nam is locus ut fertur, tremulis paludibus voragine circumjecta con-
cluditur, quem atraque confusione (?) natura reddidit impervium. Ve
rum tamen hodieque illic et voces armentorum audiri, et indicia hominum
deprehendi, commeantium adtestatione, quamvis a longe audientium,
credere licet.“
55 Golbaft, I. c.: „vento arrepti vehementiseimo ejecti sunt in portu
Danorum, in loco Sleswik nominato.“
885 Ethelwerdi (im 1000, 2appenb. 1, LVI fi. Won. 1, pref. 81 f.)
Chronic, Lib. 1, in Monum. histor. britann. 1 Band, 1843, ©. 5608:
„Porro Anglia Vetus sita esi inter Saxones et Giotos, nabens oppidum
capitale, quod sermone Saxonico Siesuuic nuncupatur, secundum vero
Danos Haithaby.“ (Der Chroniffchreiber iſt feld von Bniglihen Stamme,
8. 4, €. 2, &. 514.) Ottars og Ulfstens korte Rejseberein, af R. Rask,
Kjöb. 1816, &. 52 (vergl. 120 f. Anm.): „And of Ciningesheale he cvad
(Ohtbere, König Älfreds, 871 bis 901, Zeitgenoffe) Pet he seglode on fif
dagan to beem porte, pe mon het et Hædum, se stent betvuh Vinedam,
and Seaxum and Angle, and hyrd in on Dene.“ ©.54: „Vulfstän sæde
pet he geföre of Hedum“ u. f. w. Gaungu-Hrölfs 8. 6. 87 (Fornald.
8. 3, 361): „Li Jötlandi eru margir höfudstsdir; sydst (a. enn fyrati er)
{ Heidabe, annar { Ripum, Pridi { Arssi, fiordi { Vebiörgum; bar taka
Danir konüng sinn.“ (Bergl. Fagrek. 56. 102 u. 124. Leo, liber Beow. 54.)
Gul, Meld, (nad Kemble in Ettmüllers Beow. 5): „Iste (Scedf), ut fertar,
209
aber in jenem Lande nicht friebfam und feßhaft, gleich dem anglifcyen
Sceaf, fie ziehen mit den erbeuteten Roſſen weiter an die Elbe und
verbreiten fich jenſeits dieſes Stroms; auch arı Ufer der Elbe haben
bie ausgeiwanderten Langobarden, nach einem ihrer Gejcichtfchreiber,
zuerſt eine neue Wohnung gegründet 556, So läßt biefer erſte Theil
der ſueviſchen Wanderfage in offenliegender Verwandiſchaft mit dem
Beginn der langobarbifchen die ferne Zeit bucchbliden, da noch Sueven⸗
Langobarden und Weiterhin Sueven:Angeln die untre Elbe entlang bis
zum Belte wohnten und auch im Götterbienfte der fuenifchen Küſten⸗
völfer, namentlich der Angeln, der Glaube an überfeeifche Herkunft ſich
kund gab.
Der zweite Abſchnitt ſteht in genauer Beziehung mit ſächſiſch⸗
thüringiſcher Geſchichtſage. Was Widukind vom Zuſammenſtoße ber
Sachſen mit Thüringern und Franken umſtändlich erzählt, iſt den Be:
gegniſſen des ſueviſchen Reitervolls mit Dietrich, Irmenfried und Iring
nicht minder ähnlich, als der Auszug der Langobarden dem der Sueven.
Die Thatſachen ſind im Ganzen die gleichen, nur ſind am einen Orte
Sachſen, am andern Sueven das verrathene und zuletzt ſieghafte Hilfs⸗
in quandam insalam Germanie Scandzam, de qua Jordanes, hiſtorio-
graphas Gothorum, loquitar, appulsus navi sine remige puerulas, posito
ad caput frumeuti manipulo, ideoque Sceäf nuncupatus, ab bominibus
regionie illius pro ıniraculo exceptus et sedulo nutritus, adulta wetate
regnavit in oppido, qnod tune Blasvic, nuuc vero Haitheby appellatar:
est auteın regio illa Anglia vetus dieta, unde Angli venerunt in Bri-
tanniam, inter Saxones et Gothos (Jutas?) constituta.“ Vergl. Mytb. (1),
And. XVII, ebend. XI: „Scedf ift fiherhaupt der ältefte heibnifche name
in fäntlihen (angelj.) Rammdäunen.” Cod. exon. 320, 21: „Soedfa (veold)
Longbeardum.“
6 Goldaſt, 1. c. S. 2: „eumque regionem illam Danorum manu
valida (Sueri) peragrassent, ad Alb(i)am fluvium commigrarunt, eoque
transito per finitima loca sese diffuderunt.*“ Langob. anon. (Beauf 472):
„postquam de cadem ripa (Vindelici amnis) Langodardi exierunt, sic Scate-
nauge Albise fiuvii ripa primis (sic) novam habitationem posuerunt.*
über Scandianvia, Scandza, Skadan, Schatanavia, Bcatenauge, Scede-
nigge u. ſ. w. f. Zeuß 157 bis 159. Sprachg. 726 f. D. Abel, Paulus
Dialonus 261. Beſonders aber auch Leo, Über Beomulf 48 bis 56. (Wylfinge,
Sähdaänen, vergl. in Beziehung auf Heidabee Fagrsk. 56 ob.: sunnan, 124:
sudr til Heidabojar, Fornald. 8.3, 361: sydst ji Heidebe.) Ihm entgegen
Mällenhoff, Nordalbingifhe Studien 1, 148 fi.
Upland, Schriften. VII. 14
10
voll. Manches ſpricht nun dafür, die fächfifche Meldung für urfprüng
lich, die ſchwäbiſche für erborgt anzufehen. Diefe ift namenlos, Alter
und Ort der Abfaflung ift unbekannt, e3 wird fogar auf eine geſchrie⸗
bene Geſchichte der Sachſen ausdrücklich Bezug. genommen °97; jene tft
bald nach der Mitte des 10ten Jahrh. im alten Eachienlande, zu Korvei,
von einem namhaften Eingebornen aufgefegt, auch ift fie nach Inhalt
und Ausführung reicher und knüpft überallbin an Örtlichleiten, ältere
Sage, Sitten, Einrichtungen, Heidentbum des fächfifchen Landes und
Volles an 558, Auf der andern Seite zeugen eben biefe bedachten
Antnüpfungen, die forgfältigen Ausmalungen und die tohlgeitellten
Reden der handelnden Berfonen pon der felbfithätigen Hand des Be⸗
857 Goldaft, 1. e. S. 2: „Ea tempestate grave duellum inter regem
Franeorum Theodericum et Irminfridum regem fuerat Thuringiorum.
Causa vero congressionis in historia Saxonum describitur talis.“
58 Ortsnamen bei Wibufind 1, 9: „in loco, qui dieitur Runibergun*,
„in urbe, que dicitur scitbingi , sita super fluavium, qui dieitur Unstrode*
(vergl. 1, 18 [S. 17 ob.]. Auf die Sage von älterer Feindſchaft zwiſchen
Sachſen und Thüringern bezieht ih 1,9 [S. 11. n.]: „ad Baxones, qui jam
olim erant Thuringis acerrimi hostes® u. |. w. Ausfehen, Charafter (vergl.
1, 10 [S. 13 u.]), Tracht und Bewafinung der Sadfen 1, 9 [&. 12], nament
li „habentes ad renes cultellos magnos.* Ihr Feldzeichen im der Sand des
alten wodanartigen Hathagat 1, 11 (vergl. 1, 12 [S. 16): „divinum ei
animum inesse c@lestemque virtutem“, fein Name übrigens auch bei Ruodalf.
fuld. „Hadugoto.“ (Über ahd. loz, agf. gest, altn. gauir, gauti Gr. 2, 455.
495. Myth. 341; Sprachg. 440 bis 442. 447. 774 u., f. 06.5 Graff 280 f.;
vergl. GI. sax. 466: giotan, göt. Über altf. a und d Gr. 1 (8), 240, 7.)
Serreintheilung 1, 9 [S. 120]. Verfaffung und Mecht 1, 14. Srminfänle 1,
12. Bon ring, als mythiſchem Weien, ift noch befonders gu reden. Schon
der ältere Auodolf von Fuld (gef. 865) jhreibt den Eieg über die Thüringer
den von Dietrih zu Hilfe gerufenen Eachfen zu, knupft übrigens dieſes Er⸗
eignis unmittelbar an die Landung der lektern „in loco, qui vocatur Ha-
daloha“, an, womit aud der Name ihres Führers, bier Habugoto, anflingt;
er bat auch Scheidingen, aber flatt Runibergun einen andern Ortänamen
(Berk 2, 674 f.) (Ekkehardi (Uraug.) Chronic. universale (Bert 8, 168):
„A. D. 797. Expeditio facta est in Saxoniam et usque ad Oceanum ultra
omnes paludes et invia loca transitum est, et rex [Carol.] de Hadoloha
regressus (nam- id nomen est loco, nbi oceanus Saxoniam alluit) totam
Saxonum gentem in deditionera per obsides accepit, et ad palatium Aquis-
grani regressus“ u. |. w.) Bedenklich ift immerhin bei Widukind, daß er vie
Thüringer zweimal von den Sachſen aufreiben läßt.
211
arbeiter3 559; gerade ba, wo das ſchwaͤbiſche Stüd fich auf die Geſchichte der
Sachſen beruft, ftimmt es wenigſtens mit Widulmd nicht überein 560, wie
es ibm auch fonft bei aller Kürze nicht an eigenthümlichen Zügen fehlt.
Aterthümlich einfacher ftellt es namentlich den Kampf an ber Unſtrut
dar; bei Widulind, dem dieß ohne Zweifel ſchon vorlag, bat Irmen⸗
fried, nachdem er in dreitägiger Schlacht bei Runibergen (Dorf Ronne
berg) von Dietrich befiegt war, fih in die Stadt Scithingi (Burg
Sceidungen) an der Unftrut geflüchtet, wo ihn nun die Sachſen förm⸗
lich belagern, erft die Borftabt einnehmen und anzünden und dann, in
Folge des Geſprächs bei der Fallenjagb, zur Nachtzeit die Mauern er
fleigen, wogegen ber ſchwäbiſche Bericht von einem Nachts überfallenen
Lager der Thüringer weiß 5% und dem fcheidenden Flufle, der in
den Wander: und Kampfjagen der alten Völler überall mitfpielt, feine
volle und ausfchließlihe Bebeutung läßt: der Thüringer reitet, den
H bicht auf der Hand, am einen Ufer hinab, ber Sueve am andern
hinauf, Jener läßt den Habicht auf einen Reiher binüberfliegen und
beide Vögel zufanmen fallen dort in des Sueven Hände 562; Widukind
89 Tas fächfiiche Feldzeichen 1, 11 (vergl. 12 init.): „eignnm, quod apud
c08 habebatur sacrum, leonis atque draconis et desuper aquile volantis“
(nachmals Wappen der Grafen von Ringelheim, Eagittaring, antiquit, regni
Thuring. 2, 273), ſodann der GSiegesaltar mit den Säulen, 1, 12, wird
man, abgejehen von den gelehrten Deutungen, nicht wohl zur alten Bollsfage
rechnen können; Widnkind bat tiefe mit feiner anderweiten Kenntnis von fächfl-
hen Dingen anzgefattet und bei der Irminſäule die Nachricht Eginhards ans
Karls Sachſenkriegen vor Augen gehabt.
5 Auf die Etelle Aum. 557 folgt eine Stammtafel Theoderichs, bie von
den Angaben bei Wibulind (1, 9) bedeutend abweicht, librigens geſchicht⸗
licher ift.
6 Goſdaſt 26: „decreverunt (Buevi), noctu vadum per Gozholdum
monstratum transire ac Thuringiorum castre ex improviso irrumpere.*
262 Goldaft ebend.: „Præterea forte accidit, ut quidam ex Thuringiis,
Wito vocabulo, ripam fluminis, accipitrem manu gestans, descenderet,
alteram quoque ripam Gozlıoldus quidam de Suevis e regione ascenderet,
Et mittens Wito accipitrem ad irretiendam ardeam flumen transvolare, a
Gozholdo amt aves sunt intercepte.“ Wibulind 1, 10 hat nur: „egres-
sus est quidam cum accipitre, vietum queeritans supra litus Auvii supra-
dieti. Emiss) vero volucre, quidam ex Saxonibus in ulteriore ripa illico
eum suscepit*; dafür bewahrt nur er. den altepiichen Zug: „Saxo, statim
emittens accipitrem, sociis retulit quæ audivit.“
212
bat nicht bloß den Neiher vergeſſen, ver doch zur Flußlandſchaft mits
gehört, fondern auch die Furt, die bei dieſem Anlaß der Schwabe kennen
lernt, wodurch die Vogeljagd am Grenzftrom erft ihren Sinn für bie
Enticheidung des großen Kampfes erhält; auch Gregor von Tours, die
ältejte Quelle, fpricht von feiner Stadt, fondern einzig von ber Unſtrut,
an ber die Thüringer eine folche Niederlage erlitten, daß ihre Leichname
den Franken zur Brüde über das Flußbett dienten 569. Wornehmlich aber
lommt aud) dem Suevennamen auf biefem frembfcheinenden Boden ein
bedeutender gefchichtlicher Anhalt zu flatten. Beide Faflungen der Sage
weichen gleichmäßig von ben beglaubigten Nachrichten ab, welche weder
den Sachſen noch den Eueven einen thätigen Antheil am Sturze des thü⸗
ringiſchen Reiches einräumen; wenn jedoch der ungenannte Sagenfchreiber
mit diefem Ereignis eine ſueviſche Anfieblung verbindet, fo ftcht er auf
gutem Grunde, mag auch die Übereinftimmung mit der Geſchichte hiebei
feine buchftäbliche fein. Er berichtet, Dietrich habe den Sueven für ihre
Hüfleiftung ſoviel Land zu eigen verheißen, alö die Sala bei ihrem
Ablauf in die Saale umfange, und nach Vertilgung der Thüringer haben
denn auch diefe Sueven alles an die Unſtrut ftoßende Landgebiet ein:
genommen und bleibend bewohnt 564, Fränfifcher, aber doch die vor:
tragende Bedeutung der zurüdgebliebenen Sueven anerfennend, lautei
was Dietrichs Eohn Theodebert an den Kaifer Yuftinian jchreibt: nad
Unterwerfung der Thüringer babe die brfänftigte Macht des Volles der
568 Gregor. Turon. 3, 7: „Denique cum se Thoringi cedi vehementer
viderent, fugato pı® limore Herminefredo, rege ipsorum, terga vertunt el
an Onestrudum ſluvinm usque perveniunt. Ibique tonta cædes ex Tho-
ringis facta est, ut alveus fluminis cougerie cadaverum repleretur et
Franci tanquam per pontem aliquem super «a in litus ulterius transirent.“
Erft Aimoin, im Anfang des Ilten Jahrh., fagt 2, 9: „Uermenfridus ipse
cum paucis elapsus in munimenluın 'se contulit urbis“; er gedenkt aud
einer zuvor von Sfrinenfried den Franken bereiteten Fallgrube. [Sagittarius
200 f. 254.]
861 Goldaſt, 1. c. 25: „Porro Suevi Thuringiis interemptis occupa-
verunt cuncts in arvis, in pratis, in nemoribus Umstrort flumini conti-
gua, ac deinceps nemine resistente coluerunt, (Die Zujage Theoderich® war
ebend. 2a: „spopoudit eis terram illam in proprietatern traditurum, quan-
tam fluvins Salza per deeurssum suum cingeret, delluendo in flumen
Sala.*)
213
Rorbfuaven feiner Herrſchaft den Naden gebeugt 5%. Einer wirklichen
Umfiedlung diefer Suaven wird erft in der Art gebacht, daß zur Zeit,
da Alboin in Italien einzog (568), alfo einige Jahrzehnde nach dem
Fall Irmenfrieds (530), von den Frantenlönigen Chlotahar (ft. 561)
und Sigibert (ft. 575) Suaven in die Wohnftätien der mit Alboin aüf-
gebrochenen Sachſen eingefegt wurben 366, Widukind bezeichnet dieſe
fuevifchen Einwanderer ald die Suaven jenfeits der Bode 57, Auch
ber Vollename hielt fih im Beſitz diefer Gegend, „Suevon“ hieß ein
mittelalterliher Gau zwiſchen Saale, Bode und dem Unterharz, im
Halberftabter Eprengel 58, In Italien entziveiten fi die Sachjen mit
den Langobarden, teil letztere ihnen nicht geflatten wollten, unter
eigenem Rechte zu leben; auf abenteurlicher Fahrt zogen fie in ihr altes
565 „Id vero quod dignamini esse solliciti, in quibus provinciis habite-
mus aut quæ gentes nostre sint, deo adjutore, ditioni subjecte: dei
miserieordia feliciter subactis Thuringis et eorum provinciis acquisitis,
extinctis ipsorum tune temporis regibus, Norsavorum gentis nobis placata
majestes colla subdidit, deoque propitio Wisigothis, qui inoulebant Francie
septeutrionslem plagam, Pannbniam [Aguitaniam?] cum Saxonibus Eu-
ciis [?), qui se nobis voluntatse propria tradiderunt, per Danubium et
limitem Pannonie usque in oceani litoribus, custodiente dco, dominatio
nostra porrigitur.“ Duchesne 1, 862. Bouquet 4, 59. [Beuß 857. 887.
362: „Die in der Heimath zurüdgebliebenen Warnen [?] treten an der Elbe
in der Folge unter dem Namen Echwaben auf, auch beſtimmter Nordſchwaben
genannt, zum Unterfchiede von den Schwaben im Süden, die, einft als
Jutungen ihre Nachbarn, ben Namen aus dein Norden dahin gebracht hatten, *]
566 Gregor. Zur. 5, 15. Paulus Diaconus 2, 6. Die Stellen nach⸗
ber im ganzen Zuſammenhang. (Berg. Edhart, Fr. or. 1, 84. Maæsc. 2,
181, 9. 1.)
567 Wibnfind 1, 14: „Suavi vero Transbadani illam quam incolunt
regionem eo.tempore invaserunt, quo Saxones cum Longobardis Italiam
adierunt, ut eorum narrat historia, et ideo aliis legibus quam Saxones
utuntur.“
568 Zeuß 363. 568 bis 360. Spradg. 494. Cdhart, Fr. or. I, fl.
gibt Regeſten dieſes Gaunameus mit den verjchiedenen Schreibweifen ver Ur⸗
tmmden: Urkunde Ludwigs des Frommen „pagus Svavia“; Ottos I, %. 941
„in pego Svevon“; Ottos II, 978 „in pogo Swewa"; Heimihs IV, 1064
„in pago Suabe“; ebend. 1073 „in pago Suabengowe.“ Nachzuſehen: Grupen,
Origines 2, 397 fi. (Suevego). Ann. Quediiab, a. 1012 (Berk 5, 81):
„In quadam ville Saxonice Suevie, Cocstede (Kohftebt) nomine“ u. |. w.
214
—
Baterland, das fie mit Weibern und lindern verlaffen hatten, zurüd,
als fie e8 aber von ben Schwaben und andern Vollerſchaften befeht
fanden, führten fle mit denfelben Unterhanvlungen und Kämpfe, bern
Gedäachtnis ſich nicht ohne fagenhaften Anftrich erhalten bat: die Suaven
boten ihnen, um Frieden zu haben, erft den dritten Theil, dann bie
Hälfte, ſodann zwei Drittheile bes Landes, endlich zum Lande nod
allen Viehbeſtand, aber auch damit nicht zufrieden, begehrten wie
Sadfen den Kampf und theilten zum voraus die Frauen der Suaven
ımter ſich, als ob dieſe ſchon erichlagen wären, allein im Streite felbft
fielen von 26000 Sadfen nicht meniger als 20000 und von - 6000
Schwaben nur 480; zwar ſchwuren die übrig gebliebenen Eachfen, weder
Bart noch Haare zu fcheeren, bevor fie fi) an den Siegern gerädt
bätten, doch brachte der neue Kampf ihnen nur größere Rieverlage und
fo warb fortan vom Ariege abgelafien 569%. Diefen übertreibenden Mel:
569 Gregor. Zur. 4, 43 (Ben 886): „post hec Saxones, qui cum
Langobardis in Italiam venerant, iterum prorumpunt in Gallias .. . seilicet
nt a Sigiberto rege collecti in loco, unde egressi fuerant, stabilirentur ..
Hi vero ad Sigibertum regem transeuntes, in locum, ünde egressi fuerant,
stabiliti sunt.“ 5, 15: „et quia tempore illo, quo Alboinus in Italiam
ingressus est, Clothacharius et Sigibertus Suavos et alias gentes in Joco
illo posuerunt, hi qui tempore Sigiberti regressi sunt, id est qui cum
Alboino fuerant, contra hos corsurgunt, volentes eos e regione illa ex-
trudere ae delere. (Masc. 2, 182): At illi obtulerunt eis tertiam partem
terre, dicentes: simul virere eine collisione possumus, Sed illi contra
eos irati, eo quod ipsi hoc ante tenuissent, nullatenus pacificare volnerunt.
Dehinc. obtulerunt eis iterum isti medietatem; post heec duns partes, sibi
tertiem relinquentes. Nolentibus autem illis obtulerunt cum terra omnia
pecora, tantum ut a bello cessarent, Sed nec hoc illi adquiescentes eer
“ tamen expetant, Et inter se ante certamen, qualiter uxores Suavorum
dividerent et qui quam post eornm exitnm acciperet, tractant, putantes
eos jam quasi interfectos habere. Sed Domini miseratio, quæe justitiam
facit, in aliam partem voluntatem eorum retorsit. Nam confligentibus
illis, erant autem viginti sex millia Saxonum, ex quibus viginti millie
oeciderunt, Suavorum quoque Sex millis, ex quibus quadringenti et oeto-
ginta tantum prostrati sunt, reliqui vero victoriam obtinuerunt. IH
guogue, qui ex Saxonibus remangerunt, detestati sunt, nullum se eorum
barbam neque capillos incisurum, nisi prius se de adversariis uleiscerentur.
Quibus iterum decertantibus, in majore excidio conruerunt, Et sic a
bello orssatum est.“ Paulus Diaconus 2, 6. 3, 5 bis 7; aus 5. 6 (Mask.
215
dungen von fränkifcher und Tangobarbifher Seite, bei Gregor bon
Tours und Paulus, gegenüber fteht die Gloſſe des Eachjenfpiegels mit
folgender Enge: dieweil Hengift und feine Männer nad England aus»
gezogen waren und ihre Weiber daheim gelaflen hatten, kamen bie
Schwaben, bezwangen Sachſenland und nahmen ber Sachſen Weiber;
da aber bie Eachfen wieberlamen und die Schwaben vertrieben, fo zogen
einige Weiber mit den Schwaben fort, die (zurückgelaſſenen) Kinder diefer
Weiber hieß man Schwaben, darum find die Weiber auch erblos aus
diefem Geſchlecht und es heißt im Gefehe, daß die Sachſen das ſchwä⸗
bifche Recht aus Haß der Weiber behalten d?o. Der Saͤchſenſpiegel jelbft
deutet den Grund dieſes Hafjes fo an: die Schwaben dürfen von weib⸗
halben kein Erbe nehmen, weil in ihrem Gefchlechte die Weiber gänzlich
erblos gemacht feien um ihrer Vorfahren Miffethat willen 971, Übri—
gend zeigen andre Stellen des Sachſenſpiegels, daß ſich eigenes und
gleiches Recht des fchmäbifchen Stammes (foAnifcher art) mitten unter
ſächſiſchem Geſetze leidlich gefriftet hat >72, Der ältere Widukind be
merkt ohne Seitenblick, die nach dem Abzug der Sachen bereingelommenen .
Eunven über der Bode gebrauchen andre Gejete, ala vie Sachſen 9°3,
2, 181): „Certum est, hos Snzones ideo ad Italiam cam uxoribus et
parvulis advenisse, ut in ea habitare deberent. Sed quantum datur in-
telligi, noluerunt Longobardorum imperiis subjacere. ‘Sed neque eis a
Longobardis permissum est in proprio jure persistere, ideoque wstiman-
tur ad suam patriam repedasse.“
30 Br. Grimm, Deuftſche Sagen 2, 70 aus Glofſe des Sachſenſpiegels
zul, 17 und 2, 12. Bergi. Edhart, Fr. or. 1, 84: Chron. duc. Brunsvic.
371 Sachſenſpiegel, herausgegeben von Homeyer, B. 1, Urt. 17, 8 2:
„Die jvaue ne mach of von wifhaluen nen erue nemen, wende be wif in irme
jlechte al ernelos fint gemalet dur ir vorvaren mifſedat.“ B. 1, Art.18, 81:
„Drierhande reht behelden be ſaſſen wider karles willen. Dat fveuiiche recht
dur ver wine hat.” Vergl. Eckhart I.c. Rechtsalterth. 407. 472. 949,
528. 1, Art. 19, insbefondre $ 2: binnen ſuaniſcher art u. |. wm.
Sveviſch recht ne toeiet von feflifcheme nicht, wende an erue to nemene vnde
orbel to ſceſden.“ 8. 1, Art. 29. B. 2, Art. 12, 8 12: „Scilt en foaue
enes faffen ordel oder en faffe ienes (a. des fuavis, eimes ſuawen nrteil), dat
muten fie vorme Toninge befceden, alfe hir vore geredet 14.“
673 Widnkind 1, 14 (f. Aum. 567) ſcheint in den Worten „et ideo aliis
legibus quam Saxones utunfur * die Rechtöverichiedenheit als zuſtändig an⸗
zuertennen: darum, weil die Sachſen weggezogen waren.
216
Die Sachen ihrerfeitö batten auch, den Langobarden gegenüber, beim
eigenen Bollsrechte verharren wollen. Tiber Entftehung und Änderung,
Berfhiebenheit und eiferfüchtigen Gegenſatz der Vollksrechte haben ſich
vielfach Sagen gebildet und zu ber Rechtsſage des Sachſenſpiegels mit
feiner Gloſſe findet ſich ein treffendes Seitenſtück: find die nordſchwä⸗
bilden rauen wegen angeblicher Miflethat ihrer Ahnmütter erblos ge:
worden, fo haben umgelehrt bie dänischen, bie zuvor kein Erbrecht
Batten, folches zum Lohn der Treue für ihr Gefchlecht erhalten, als fie
zur Auslöfung bes gefangenen Königs al ihren Goldſchmuck hingaben 57%.
Zwei Jahrhunderte nad) dem Einzug der Nordſchwaben in das Land
zwifchen Saale und Bode müflen [ich diefelben zu den Sachſen zählen
laffen: König Pippin führt im Jahre 748 ein mächtiges Heer burd
514 Saro 10, 187: „In qua fortunm violentia Sveno virili defectas
auxilio foemineum experius est. Nam cum exhaustis regni opibus ne
surum quidem redemptioni ejug suppetere videretur, tanta ei matronerum
humanitas offuit, ut detractis aurium insignibus cw@teroue cultu certatim
digestam pondere summam explerent, plus commodi in salute prineipis,
quam amanitntis in Ornamentorum suorum specie rcponentes u. |. w.
Nee illi qnidem ad premia matronarnm obsequio exsolvenda ingrats.
mens fuit. Nam faminis deinceps participandarum hereditatum jus, 3
quibus ente loge repellebantur, indulait.* Svenon. Agg. reg. Dan. hist.
&. 4 (Langebet, Scriptor. rer. dan. 1, 53 fg.): „Delegantur ituque [Sclevor.]
legati, qui Danis denunciarent, ut regem suum trino auri et argenti
pondere redimerent. (Juod diu exequi non distulerunt. Nam universo
ferme regni censu coadunalo, occurrentibus in Winningha cum rege cap-
tivato Sclavis, Dani Svenonem redimere non detrectabant. Ast ubi census
ejus solulioni non suffioeret, decreverunt matron® suis ornatibus suın-
mam redemptionis explere. Igitur annulog, armillas, inanres, monilia,
torgues, et quicquid illis pretiosum erat, regi liberundo impendebant.
Qno expleto, Daui a rege silvarum et nemorum tum primum communis
jimpetrarunt. Mulieribus quoque, eo quod prius paterne hereditatis
prorsus essent exsortes, ob pr&stitum sibi a matronis farorem et bene-
Nciorum collationem, in posterum primas tribuit, quatenns soror fratri,
de c«tero, in dimidia familie hereiscund® portione communicaret, Omni
namgus rationi oonsentancum duxit, aincere dileclionis exhibitionem pari
remunerationis benevolentia compensere.* Bergl. Eagabibl. 8, 76 bis 79,
Nachzuſehen nach S. 78, 4: Weftphal 1, 309, 622.) Rechtsalterth. 473. *)
Sonſt dänifche Rehtsfage Saro 87 fg. (Müller, om Saxo 66) Friefiſche D.
©. 1, 117 u., ff.
217
Thüringen nad) Sachſenland und unterjocht dort, mit Beihilfe von
100,000 Elaven, die Sachſen, „die man Nordſuaven nennt” 575, So
kann es nicht befremden, daß wieder zmweihundert Sabre jpäter ber
Sachſe Widulind den fagenhaften Sieg über die Thüringer gänzlich den
Sachſen zufchreibt und der Suaven Über der Bode nur nebenher ge
denkt. Gregor von Tours dagegen, deſſen Lebenszeit noch ganz nahe
an den Fall Irmenfrieds hinaufreicht, räumt in den Kämpfen der Nord»
ſuaven mit den Sachſen um jenes Landgebiet entichieben den erftern,
obgleich den minder zahlseichen, die Oberhand ein und fo Tann aud
denfelben ein altes Anrecht an bie zwischen den beiden Völkern ſchwe⸗
bende Sage nicht abgefprochen werden. Die Gefchichte läßt, wie fchon
erwähnt, Teines von beiden den letzten Thüringerlönig an der Unftrut
befämpfen. Wie das Volksrecht ift auch die Volksſage zmeifältig und
wollte man fie dem einen oder dem andern Theile ausfchlieplich zus
ertennen, jo würde, kraft des Sachſenſpiegels, der Schwabe tas Urtheil
des Sachſen fchelten, der Sadfe das des Schwaben. Der Wanderfage
dritter Abſchnitt betrifft die Geſchicke des ſueviſchen Fußvolks, das in
der Elbgegend geblieben war, als die Berittenen dem Rufe Theoderiche
folgten. Auf die Nachricht, daß Diefe fich einen wohlgelegenen Aufent
halt erkämpft baben, brachen auch die Andern auf, zunädit um ans
grenzende Wohnftätten aufzufinden 976, fie kamen aber ſüdlich bis über
die Donau. Die ſueviſche Heerorbnung ift ſchon aus Anlaß der Sem:
nonenfage berührt worden. Dort kam die Hunderttheilung des Herres
in Betracht, bier iſt das damit zufammenhängende Verhältnis der Reiterei
zum Fußvolk hervorzuheben. Bon den Germanen überhaupt berichtet
Tacitus, mit weldyer Fertigkeit die Mannfchaft zu Fuß das Reitertreffen
675 Annal. Mettens. ad a 748, Berk 1, 880 (Zeuß 364): „Pippinus
adunato exercitu per Turingiam in Saxoniam veniens fines Saxonum,
yuos Nordosquavos vocant, cum valida mann intravit, Ibique duces
geniis aspere Sclavorum in occursum ejus venerunt, unanimiter auxiliumn
illi contra Saxones ferre parati, pugnatores quasi centum millis, Saxones
vero, qui Nordoequavi vocaniur, sub sunm ditionem suLactos contritos-
que subegit.“
56 Buev. or. 1, 26 fg.: „Et venientes ad Danubium (pedites Sue-
vorum) trunsierunt illum u. f. w. ut illic aliquandiu pausantes liberius
transcenderent Penninas Alpos. Decreverant enim, Longobardiam ire ac
illam provinciam inhabitere.“
218
mitmacdhe 977. Ariovifts Reiterfchaaren insbeſondre ſchildert ber kriegk⸗
fundige Gegner Cäſar mit fichtbarer Vorliebe: es waren 6000 Reiter
und ebenfoviel der geſchwindeſten und tapferften Fußlämpfer, je von
den einzelnen Reitern zu ihrem Schuß einzeln aus der ganzen Menge
gewählt; mit ihnen bewegten ſich die Reiter in der Schlacht, zu ihnen
zogen fie fich zurüd und wenn fie ins Gebränge Tamen, eilten jene
berbei, umftanden Diejenigen, melde ſchwerverwundet vom Pferbe-ges
fallen waren, und bei weiterem Vorbringen ober fchnellerem Rüdgug
liefen fie gleich hurtig mit den Pferden, an deren Mähnen fie fi
bieten 5%, Diefe Schilderung gibt nit nur ein böchft belebtes Bild
kriegeriſcher Gliederung und Bewegung, fie zeigt auch, in der beſondern
Genoſſenſchaft jedes Reiters mit feinem Fußlämpfer, eins jener inner
lichen Bande, durch welche das germanifche Heer zufammengehalten war,
Schaarung nad Vollsftämmen und Verwandtichaften, Nähe ver Weiber
und Kinder, Gefolgstreue 579%, Die Wanderſage zeichnet nicht mit Cäſars
Griffel, aber in dem eben bemerkten Zuſammenhang lafien doc, ihre
Angaben über reitende und fchreitende Sueven cine nähere Beziehung
zur alten Volksſitte vermuihen. Raum haben die Wanderer das fefte
Land betreten, jo machen fie zwanzigtauſend der Ihrigen mit erbeuteten
8577 Tacitus, Germ. 6: „In universum sstimanti plus penes peditem
roboris, &oque mizxti proliantur, apta et congruente ad equestrem pugnam
velocitate peditum, quos ex omni juventute delectos ante aciem locant.“
Claudian. de III cons.. Honor. ®. 28 (©. 302): „frena Suövi.* Ylorus
©. 851, 43 u. Stälin 1, 67,9. 1.
| 578 Cäſar, bell. gell. 1, 48: „Ariouistus hie omnibus diebus exer-
eitum castris continuit, equestri pralio quotidie contendit. Genus hoc
erat pugn®, quo se Germani exercuerant: equitum millia erant VI, toti-
dem numero pedites velocissimi ac fortissimi, quos ex omni copia singuli
singulos, sum salutis causse, delegerant; cum his in preliis versabanter,
ad hos se equites recipiebant, hi, si quid erat durius, concurrebant; si
qui grariore vulnere aceepto equo deciderant, circumeistebant, si quo erat
longius predeundum aut celerius recipiendum, tanta erat horam exer-
eitatione oeleritas, ut jalsis equorum sublevati cursum adeguarent.“ Bergl.
4,2. Livius, histor. 44, 26 (a. C. 168, Almanam urbem? [Die Alamannen
werben zuerft vor 213 genannt.] Sprachg. 460*, Ammianus Marcelliuus 16,
12 (©. 155).
579 Gäfar 1, 51 (generstimgue constituerunt m. f. w.). KXaritus,
Germ. 7 f. 14.
219
Verden beritten und ihnen gefellt fih nun Schritt und Tritt bes
übrigen Heeres >80; das ift die vollftändig geeinigte Volkskraft, nad:
mals aber ſcheiden ſich Reiter und Yußvoll 581 und diefe Trennung ber
Streitgenoſſen (commilitones), die wie jene zwei Götterjünglinge brüber:
ih verbunden waren, mag den großen Riß im Gefammtleben der fuer
vifchen Völker durch ihren Auszug nad verichiedenen Weltgegenden
bedeuten. Der ſüdwärts gezogene Theil bat die Abficht, nachdem er
ſich jenfeits der Donau gelagert, von da aus bie Alpen zu überfteigen.
Es tft dieß der Weg jener ſueviſchen Juthunge, die um bie Mitte des
sten Jahrh. Rätien verheerten und Stalien bebrohten 582. Freilich ge:
ſchah das lange vor dem Untergang bes Thüringerreiches und dem Ein-
tritte der Nordſuaven in die alte Heimat der zu ben Langobarben aus
gezogenen Sachſen, aber den Grundftrichen nach richtig erhielt fich Doch
in ber Sage die Scheidung der Süpfueren von ben Nordſueven. Diefe,
nur um Weniges links der Elbe vorrüdenn, gründeten an der Bote
ein Suevengau, nach Genen foll das mette Feld ihrer erſten Lagerung
rechts der Donau Schwabaue benannt mworben fein 53. Die Raft an
50 Suev. or. 1b fg.: „Deinde provinciam illam perlustrantes tanta
ex ea spolia diripuerunt, ut viginti millia de suis ascensores predalorum
siatuerent caballorum. Religua vero mullitudo ecomitabatur equitantes
gradiendo.“
6% Ib. 2a: „Qua pactione saneita omnis equestralis ala Suevorum
festinarunt Theoderico in nuxilium, relicto pedestrali exercitu in loeo
eastrorum.“ 2b: „Pedites vero Saevorum, qui in papilionibus remanserant,
ut cognoverant quis commilitones dimieando obtinuissent loca ad com-
masendium oportuniora, profecti sunt et ipsi, ut sicubi reperirent habi-
tetiones coutiguas sibi.“
“2 Ammianus Marcellinus 16, 10 zum J. 866: „Imperator (Constantius)
.... adsiduis nuntiis terrebatur et certis, indicantibus Suevos Retias incar-
sare“ u. |. mw. 17, 6 zum %. 358: „Juthungi, Alamannorum pars italicis
eonterminans tractibus, obliti pacis et faderam, qua adepti sunt obse-
erando, Retias turbulente vastabent, ädeo ut etiam oppidarum tentarent
obsidia pr&ter solitum.* Ambrofius, Epist. 5, 27 (Amm. ed. Grouor.
©. 181, n. t. Zeuß 812): „in medio Romani imperii sinn Juthungi popu-
labentur Rhetias“ u. |. w. (Dieß unter Balentinian, aus beffen Zeit es bei
Ammianns 26, 4 zum %. 364 heißt: „Gallias Retiasque... Alamanni pupu-
lebantur*, alfo Juthungi = Alamanni.) Über Rätien vergl. Zeuß 238 u.
3 Soldat 26 fg.: „deinde paludes ejusdem fluminis (Danubii) in-
genti labore transeunies in campo ammnissimo ac latissimo, Swabowa ab
220
biefer fchönen Stätte wird aber den Anlöümmlingen von Wilzen 3 und
Burgunten fireitig gemacht. Unter Wilzen find in dieſem Zufammen-
bange die von Böhmen her andringenden Slaven zu verftehen, ber
Name ihres Herzogs, Alpler, Rorfteins Sohn, lautet freilich deutſch.
Dieſe Wilzen wenden fih um Hilfe an die Burgunden, wie fie aud),
nach dem Untergang ihres eigenen Königſtamms, einen Sobn des Bur:
gundenfönigs zum ihrigen beftellt haben; der entſcheidende Kampf geht
gänzlich zwifchen Burgunden und Sueven vor 85. Die Burgunden,
die nach Ptolemäus hinter den Sueven-Semnonen von ber Dber bis
zur Weichjel wohnten, ftehen nad der Mitte des 4ten Jahrh., vor ihrem
Weiterzug an und über den Rhein, im obern Maingebiete 5, Das
ift nun eben die Zeit, für welche Sueven, Juthunge, Alamannen als
Verheerer Rätiens genannt find; aus berfelben Zeit wird der Marl
fteine zwiſchen Burgunden und Alamannen, ver Kämpfe zwiſchen beiden
eadem gente modo nuncupato, sese diffuderuni“ u. ſ. w. „Suabowa®
heißt auch eine Heine Halbinfel am Rheine gegenüber von Aheinau in Urkunden
von 870 und 876, bei Neugart 448 (1, 375) und 500 (1, 407).
84 „Wilzeburc (Wilzburg bei Weißenburg im Nordgau). M. B. 1, 136. 161.
a. 1226. Zeuß 655, vergl. 649: Burgunden und Sorben gegen den Obermain.
585 Goldaſt 3a: „Eo tempore Wilzhi Alpkerum, Slium Rorsteini de
Wilzin (ift damit etwa jene Wilzeburc gemeint?), in ipsa regione creaverant
ducem pro rege, quod iidem Wilzhi cum longe ante trucidarentur, rex
suus („Walderiens“ ift bier unriehtig beigejeßt) cum omni stirpe rıgia est
deletus, Quam ub rem ex Burgundionum progenie Adiluolchum, Wulderici
regis fillum, regem sibi constitaere. Siquidem Sueuis, ut prefatum cst,
in campo constitutis, Alpkerus dux legationem Adiluolcho regi fecerat
in Burgundiam, ut copia armatorum veniret ac peregrinas nationes, quæ
in illa provincia emersissent, opprimeret.“ „Adalvolch“ bei Graff 1, 148 a.
„GBeruolc“, „Ratfolc“, Trad. Wizenb. „Sigefolc” Cod. Lauresh. „Cati-
vulcus“ Gäjar, bell. gall 5, 24. 6, 31. Bei Remling, Urlundenbuch zur
Geſchichte der Biſchöfe zu Speyer, Mainz 1852, mehrfad in Urkunden des 1Iten
Jahrh. (S. 198. 206. 210. 211. 214. 223), 1283 big 1241 ein Adelvolckus
(auch) Adelwolcus), Adelvolcus de Lache(n). &. 293: „Adelvolcus, deeanus
et scolasticus“ des Domcapitels zu Speier, 1262. Anzeiger 5, 488 u. Beit
ſchrift für deutfches Alterthum 2, 265.
6 „ro vor Zuundav röv Zeuvorav (I$vag), oirıyas dınaovdı nera Cor
Alßır anı vod slpnusvov udpovg apog dvaroidg usypı rou Jovnßov noranov.
ai ro ru» Bovpowrav ra dpefhs zal ubzp vo Ovisrovla narayorrev.“
Beuß 769. 133 f. Eprachg. 699.
221
Volkern um Grenzen und Salzquellen (die von Schwähllh:Hall oder
von Kifiingen) gedacht 597, Diefes obermainifche Burgundenland war
87 Bergl. Anm. 582. Ammianus 18, 2 (S. 207) zum Jahr 359: „oum
ventum fuisset ad regionem, eni Capellatii vel Palas nomen est, ubi termi-
nales Japides Alnmannorum et Burgandionum confinia distinguebant, castra
sant posita.“ 28, 5 (&. 586) zum Jahr 370: „dein quod (Burgundi) sali-
narum finiamgue causa Alamannis- sepe jurgabant.“ Claud. DMamertin.
Paneg. genethl. 2, 17 vom Jahr 291: „Burgundiones Alamannoruın
agros Occupavere, sed sua quoque clade quæsitos. Alamanni terras ami-
sere, sed repetunt.* (Beuß 466. Epradhg. 702.) Zeuß 466 f.: „Neben ven
Alaniannen u. f. w. haben ſich die Burgunden behauptet und über ein Jahr⸗
hundert ruhig und den Römern unſchädlich hingebracht. Ihr Gebiet bleibt
daher im Kriege Julians mit den Alamannen unangetaftet, und an ihrer Weſt⸗
grenze am Palas (dem Pfahl an der Jagſt und dem Kocher) ſchlug der Cäſar,
um nur die unruhigen alamannifchen Könige zu vernehmen, fein Lager auf.
Da ſüdwärts gegen die Donau die Juthungen ſaßen und im untern Lauf
des Mainz bis zum Meine bie Gebiete der Alamannenfönige Hariobaudus
und feines Bruders, des mächtigen Macrian, ſich ausoreiteten, fo waren die
Gegenden des obern Maingebietes um dieje Zeit Burgundenland, wahrſchein⸗
lich weit rüdwärts bis an die Waldhöhen. Hier nennt fie Ammian (28, 5)
bellicosoa et pubis immens® viribus affluentes ideoque metucndos finitimis
‚universis. Sie haben fich gefondert gehalten, nicht, wie die Zuthungen, an
die Alamannen angeſchloſſen, fih vielmehr gegen fie wegen der Örenzen und
Ealzquellen im häufigem Streite erhoben. Dem Balentinian war es darum
nicht ſchwer, fie gegen die Alamaunen aufzuregen und felbft zu einer beſtimm⸗
ten Unternehmung gegen diefelben zu gewinnen.” 312: „Wahrſcheinlich ift
Capellatium die alte keltiſche Bezeichnung der römischen Befeftigungsmauer Palaz,
das ih uch in Pfahl erhalten Hat, dasſelbe Wort, durch die Deutfchen um-
geformt. Da aber bier Fein anderer Theil der römifchen Grenzbefeftigungen
verftanden werden Tann, als der über dem Nedar an der Jagſt und dem
Kocher, jo iſt anzunehmen, daß ſich von da nach Often die Burgunden ver⸗
breiteten. Cine andere Grenzbeftinnmung gibt no Ammianus 28, 5: Sali-
narum finiumque causa Alamannis srepe jurgabant (Burgundii). Welche
Salzquellen aber Bier verftanden werben müffen, ift faum zu entjcheiden, da
die Burgunden ebenfowohl bei Hall als bei Kiffingen fid mit ven Alamannen
berühren konnten. Gewiß ift, daß die Burgunden von der Donan entfernt
waren; denn nie werben fie während ihres Aufenthaltes neben den Alamannen
als Nachbarvolk von Rätien genannt, wohl aber die Juthungen. Es darf aber
für ſicher gelten, daß die Burgunden einen beträdtlichen Raum einnahnıen
und deswegen über das ganze obere Maingebiet ausgebreitet waren.” Gtälin
2, 128: „Endlid gelangte ev (Julian) an die Grenze der Wlemannen and
Burgunden, in eine Gegend, genannt Gapellatium oder Palast, wahrſcheinlich
222
nicht zu entlegen, um nad Hilfe gegen die an ber Donau gelagerten
Sueven beichidt zu werben 58. So bietet fih auch für biefen letzten
Theil der Erzählung eine örtliche und vollsgeſchichtliche Anlehnung;
der fagenhafte Vorgang, die ſueviſche Kriegälift, findet fich nirgend
anderwärts und auch die bier vorlommenden Berfonennamen laſſen fich
jo wenig, als manche der früheren, fonft wo an Gefchichte oder Sage
antnüpfen 569, Es ſpricht nichts dafür, daß der Inhalt der Dargelegten
drei Abfchnitte von Alters ber in Lieb oder Enge verbunden geweſen
fei; Überlieferungen, bie unter ſich nicht innerlich zufammenbängen, find
bier gerade fo an einander gereiht, wie e8 mit den Abenteuern ber wan⸗
dernden Gothen, Langobarden, Sachfen geicheben ift. Merkwürdig bleibt
aber, daß jeder Abfchnitt das Leben des ſueviſchen Bolles, wie ſolches
erſt durch neuere Forſchung überfichtlich getvorven ift, auf einer befon-
dern Stufe darftellt; der erfte gibt den Gefichtölreis der dem “Meere
zugewandten Suevenvölfer, der ziveite die Trennung nah Süb und
Nord und die neue Stellung des nörblihen Vollstheils, der dritte führt
den füblihen Hauptzug auf den Boden, den er ſich zum neuen, blei:
benden Wohnſitz erlämpft. Die Sage geht nicht vom femnonifchen
Mittelpuntt aus, fie lommt über Meer und mißt den langen Heeriveg
vom Geſtade des Belts bis in das ſchwabiſche Donauland. Nachdem
in der großen Völkerbewegung das Wandern die allgemeine Loſung
die Gegend um das falzquellenreihe Schwäbiſch⸗Hall, da fi auf der Grenze
der Burgunden und Wemannen Salzquellen befunden haben follen, der Name
der Gegend auf den nahen römiſchen Pfahl hinweiſt und die Wohnfike der
Burgunden nördli von diefem Pfahl gedacht werden müffen.” Sprachg. 702 f.:
„der bader um die falzquelle geftattet aber den ort der grenze an ben Kocher
im ſchwäbiſchen Hal wie an die Saale bei Kiffingen zu legen (Ben ©. 312).“
Ebend. 803 u., f. ob. werben in den Burgunden die Lygier des Tacitus gefunden;
diefe waren dod wohl mehr ſüdöſtlich. Vergl. Beuß 134 ob.
%8 Goldaſt 3: „Siquidem Bueuis, us prefatum est, in campe con-
stitutis Alpkerus, (Wilzorum) dux, legationem Adiluolcho regi fecerat in
Burgundiam, ut copia armalorum veniret ac peregrinas nationes, que in
illa provincia emersissent, opprimeret,“
%9 Bei Goldaſt, scriptor. rer. alam. 2, 1195 (unter den nom. propr.
masc. in Alemannia Curiensi et Burgundionensi): „Vualdiricus, Vnaldri-
eus.“ ber auch nicht felten in den Trad. Wizzeb., dem Cod. Lauresh. und
bei Neugart. Ein Franle Waldricus bei Widulk. 1, 9 (S. 10).
223
geworben war, kann es nicht befremben, wenn ber Glaube an über
feeifche Herkunft, Iandeinwärts dringend, auch Diejenigen ergriff, die
ber Geburt im Binnenmwalde gehuldigt hatten, und fo die fuenifche Übers
lieferung fih von Grund aus zur Wanderſage geftaltete.
Noch gilt es, eine räthſelhafte Berfon aufzubellen, die beim Sturje
des thüringifchen Reiches in bedeutende Mitwirkung gezogen ift, den
unbeilvollen ring. Die Gefchichtichreiber, welche dem Ereignis näher
fteben, kennen dieſen ring überhaupt nicht und nach ihnen fommt ber
König Irmenfried dadurch um, daß er zu Zülpich unverſehens von der
Stadtmauer herabgeftoßen wird 5%. Die fagenhaften Berichte lauten
ungleich, der ſchwäbiſche weiß zwar von den Ränken rings, läßt aber
den befiegten König mit den wenigen Überbleibfeln feines Heeres zu
Attila entrinnen, ohne daß biebei rings bejonders ermähnt if; da⸗
gegen unterſcheidet Wibulind mas er für geſchichtlich anfieht, merflich
von dem, was er als Sage beigibt. Zur Gefchichte rechnet er, daß
König Irmenfried mit feiner Yrau, feinen Söhnen und wenigem Gefolg
aus der von ten Sachſen überfallenen Stadt entwichen 591; weiterhin
aber erzählt er als denkwürdiges Gerücht, welches Ende bie beiden
Könige genommen. Iring, ber fich in Dietrihd Lager befindet, wird
von Diefem durch große Veriprechungen zum Berrath an feinem Könige
beſtochen; als Irmenfried, berbeigerufen, fich vor Dietrich niederwirft,
wird er von Sring, der als königlicher Waffenträger mit bloßem Schwert
zur Seite fteht, rüdlings erſchlagen; alsbald fpricht Dietrich: „allen
Menfchen verhaßt, weil du deinen. Herrn erfchlugft, hab’ offenen Weg
bon mir zu meichen! ich will deiner Echalkheit keinen Theil haben.“
„Mit Zug”, erwidert Iring, „bin ich allen Menfchen verhaßt morben,
weil ich deinen Ränken gehorchte; bevor ich ſcheide, will ich meinen Frevel
büßen, indem ich meinen Herrn räche.“ Wie er mit entblößtem Echwerte
ſteht, erfchlägt er auch den Frankenkönig und legt über deflen Leichnam
den feines Seren, damit Diefer menigftens tobt noch fiege. Ob man
folcher Rebe Glauben fchenten wolle, ſchließt Widukind, ftehe beim Lefer:
doch fei nicht gu verwundern, daß wermöge diefer Sage der Milchkreis
0 Mascou 2, A. 21 f.
sm Widukind 1, 11: „Cumgue penes regem, videlicet Irminfridum,
samma victoria esset (?), requisitus, cum uxore ae liis ac raro comitatu
evasisse repertus est.“
224
am Himmel bis zur Stunde nad ring benannt werte 5%, So bat
Widufind das Verdienſt, den Mythus, den er richtig berausfühlte,
dennoch in Träftigen Zügen gewahrt zu haben. Die ſchwäbiſche Fafjung
konnte bier nicht beipflichten , eben weil fie ihren Srmenfrieb nach Hunnen⸗
land rettet und bamit anderweitige Sagenverbinbung eingeht 3%, Syn
den Gedichten des größern deutſchen Helvenkreifes befinden ſich am Hofe
des Königs Ebel mehrere chriftliche SFylirften, die, durch inneren Zwift
aus der Heimat vertrieben, fich unter den Schub des mächtigen Her:
ſchers geftellt haben; vor allen Dietrich von Bern mit feinen Reden
aus Amelungenland, dann aud, meift zufammen genannt, ber Landaraf
Senfried von Thüringen, Hawart von Dänemark und ring. Über
den letzten ſchwanken die Angaben. Nach dem Nibelungelieb ift er
Hamarts Mann und wird auch ale Däne, als Markgraf von Dänemart
52 Widukind 1, 13: „Qui autem finis reges secutus sit, quia memiora-
bilis fama esi, prodere non negligo. Minsus denique Iring ad Thiadricum
co die, quo capta est civitas, proxima noctu susceplus ab co permansit
in castris. Audito autem, quis elapsus esset Irminfridus, egit, ut dolo
revocarelur et Iring eum interäceret, lamquam claris muneribus ab ipso
donandus ac magna potestate in rcgno honorandus, ipse vero Tlhiadricus
ceedis illius quasi alienus existeret. Quod cum Iring zgre suscepisset,
falsis promissiunibas corruptus, tandem cessit seque parere voluntaü
illius confessus est, Revocatus ilaque Irminfridus, prosternilur vestigiis
Thiadrici. Iring vero, tamquam armiger regalis stans secus evaginalo
gladio, prostratum dominum trucidavit. Statimque. ad eum rex: Tali
facinore omnibus mortalibus odiosus factus, dominum tuum interficiendo,
viam habeto apertam a nobis discedendi; sortem vel partem tuse neguitise
nolumus habere. Merito, inquit Iring, odiosus omnibus morlalibus factus
sum, quia tuis parui dolis; antequan, tamen excam, purgnbo hoo scelus
meum vindicando dominum meum. Et ut evaginato gladio Btelit, ipsum
quoque Thiadricum obtruncavit, Sumenaque corpus domini, posuit super
endaver Thiadrici, ut vinceret saltem mortuus, yui vincebatur vivus;
viamıque ferro fuciens discessit. Si qua fides his dictis adhibeatür, penes
lectorem est. Mirari tameı non possumus, in tantum ſamom preevaluisse,
ut Iringi nomine Quem ita vocitant, lacteus cali circulus usque in pr®-
sens sit notatus.“ (Deutide Sagen 2, 322 ff.)
83 Golidaſt 25: „decreverunt (Suervi m. ſ. w.), Thuringiornm enstra
ex improviso irrumpere. (Quo peracto tantam strugem de lıostibus dede-
runt, ut vix quingenti cum Irminfrido evaderent, qui etiam comınigre-
verunt ad Uunnorum regem Attilam,*
225
bezeichnet, übrigens ſteht er mit ben beiben andern an ber Spitze
einer anfehnlihen Schaar von Thüringern und Dänen und im Kampf
it er der vorragende Helv 59%; „mie ring erichlagen ward“ ift ein
3 Nib. 1286:
25 kom von Tenemarfe der !itene Gäwart
unt Irinc, der vil fnelle, vor valfche wol bewart,
Iruvrit von Düringen, ein wätlicher man;
ft enpbiengen Kriemhilde, daz ſido re umoſen bin.
(1326: Dit zwelf Hundert maunen, die fuortens in ir ſchar.)
(1745: Häwart und Frinc, zwen üz erwelte man,
vie jach man gefelleciichen bi den Plinegen gän.)
1815: dö lömen die von Düringen, als uns daz iſt gefeit,
und der von Tenemarlen wol tüfent küener man,
von flihen ſach man vliegen vil trunzlne Ban.
1816: Irnorit unde Haͤwart in den bnhurt riten.
ir beten die von Rine vil ftofzlich erbiten,
fi buten manege tiofle den von Dürengen lant.
des wart von flihen dürkel manıc herlicher zant.)
1965: Tb rief von Tenemarle der marcräve Frinc:
„ih Han Af Ere laͤzen mu lange minin dinc
und han im volles ſtürmen des Geften vil getän;
bringet mir min gewäfre! ja wil ich Hagne beſtaͤu.“ (Vergl. 1967; 2.)
1968: „Do wart gewäfent balde der degen Frinc
und Irnvrit von Düringen, ein kllener jungelinc,
und Hawart, der flarle, wol mit tffent man;
ſwes Frinc begunde, fi woldens alle ine gefldm.
1969: 28 ſach der videläre ein vil gröze ſchar,
die mit ringe gemäfent komen dar.
fie truogen uͤf gebunden manegen helm guot u. |. w.
(1971: „Ru heizet niich niht liegen!“ ſprach Hawartes man.)
1974: Jrinc von Tenemarken höhe truoc den ger n. |. w.
1983: er (Giſelher) fluoc den Tenelender u. |. w.
1988: doch wunder Jrinc Hagnen durch dem heimehuot.
daz tet der heit mit Wasken, daz was ein mwäfen vil guot.
1989, 3: al da muoſt im entwichen der Haͤwaries man.
15: Do fiuont gein dei winde Frinc von Tenelant u. f. w.
des hete der marcräve einen ich höhen mruot.
19%, 2: der HAmwartes man u. |. w.
2001, 2: er fchöz af ringen, den heit von Tenelant.
2002: Irinc mmoR entwichen zuo den von Tenelant.
2008, 2: den ſtarken ringen u. f. w.
Ubland, Schriften. YIN 15
namhafter Abfchnitt des großen Liedes: zweimal läuft er allein, jedes
Geleit abweiſend, gegen den Saal an, den die Burgunden innebaben,
das erfte Mal ficht er nacheinander mit Sagen, Voller, Gunther, Gernot,
erichlägt ihnen vier Männer, wird felbft von Giſelher niebergefchlagen,
bag er betäubt und für tobt im Blute Liegen bleibt, fpringt plötzlich
wieder auf, vertvundet Hagen und entflieht unter deſſen funkenſchlagenden
Schwertftreichen mit zerhauenem Schilde die Stiege hinab; das andre
Mal fchießt Hagen, mit dem er abermals gewaltig Tämpft, auf den
ſchon Berwundeten einen Speer, daß ihm die Stange vom Haupte ragt;
fo muß ring zu den Seinen entweichen und als man ben Speer aus:
bricht, nabet ibm ber Ton 3%. Die Klage weiß von den drei Fürften,
daß fie in des Neiches Acht gelommen wären, dab man fie gerne zu
des Kaiſers Hulden gebracht hätte, fie jedoch bis an ihr Lebensende
unverföhnt blieben; Irnfried fei aus Thüringeland, mo er Landgraf
bieß, verftoßen worden, Hawart fei Vogt in Dänemark geweſen und
babe mit großer Gabe den kühnen ring, der in Lothringen geboren
war, zum Manne gewonnen 5%, Im Gedichte von Dietleib, das mit
2008, 4: do ſprach vor finen mägen der küene rede unt gemeit u. |. w.
2005: Er ſprach zuo den von Düringen unt ben von Temelant u. |. w.
2006: genefen niht eumohte der Hämaries mar,
dd muos ed on ein flriten von den von Tenemarke gan.
2007: Irnorit unde Hämart ſprungen für daz gadem
mit tuſend helden u. f. w
2008: der edel videlaͤre den Lanteräven ſluoc u. ſ. w.
2009, 4: doch viel der lanteraͤve vor dem videläre tdt.
2011: [DE] die Tenen unt die Düringe ir herren fähen tbt.
2014: Thfent unde viere fümen in daz huͤs,
bon fmerten fach man biiden vil manegen ſwinden füs.
fit wurden body die reden alle brinne erflagen u. |. w.
Fornald. 8.2, 12. 14: Hävardr, enn handram(m)i, in bänifcher Königereibe.
5 Woentüre 35, bei Lachmann das 19 Lied.
896 St. 185 ff.:
bie Df gnäbe wären fomen
Etzeln, dem richen. die dienten ängeftlichen.
der wil ich iu nennen dri, daz ellin fant des wären pri,
daz iht küeners drinne wäre, dame Irnfrit, der märe,
und Häwart und Irint. den reifen wärn iriu dinc
von grögen ſchulden (han ich vernomen, daz fl) ins riches ähte (wären) bomen.
doch wart des vide fit gebäht, daz man fi gerne hete braht
227
ber Klage ven gleichen Verfafier bat 597, find tiefe zuſammengehörenden
Neden gleichfalls foldhe, die um des Hafles ihrer Feinde willen ihr
zuo bes feifers hufden; (doch) belibens in den ſcuiden
an; an ir libes ende. fi hät mit gebender hende
Etzel braͤht dar zuo, daz fi nu fpdt unbe fruo
täten, fwaz er wolde; do man rechen folbe
der Ichönen Krimbilde leit, des wärn fi willic unde bereit.
man fagt, ala ich haͤn vernomen, von wanne fi dar wären lomen.
Frufrit, der heit uz erlant, der het gerumet Dürenge lant,
da er £ lantgräve hiez, 2 man in da verflieg.
Hämart, der degen ſtarke, was vogt m Tenemarlke,
Frink. der degen Az erforn, was ze Pütringe geborn
und was ein ſtart küener man; mit grözer gäbe im an gewan
Häwart, daz er wart fin man; ſus if uns daz märe lomen an.
ſi heten üz gejundert driu unt drizec hundert
RK braͤhten mit in in daz lant; der wart von Volleres hant
f& maneger in dem fturm erflagen, daz manz immer wol mac fagen.
och finoc der heit märe, ber ſpähe vibeläre,
Senfribe, den rihen, im dem fiurme herüchen.
w fluog von Zronge der belt ben Füenen und den üy erwelt,
von Luiringe ringen. (mer) het bes gedingen,
dag ieman Hiener folte leben? doch het im vollen kön gegeben
den er daͤ flahen wolde tös, Hagen, der fit in der nödt
Sefuont unz hinz dem’ leſten bi ben werben geften.
Häwarten den fluoc Dancwart (Nib. 2010. Hagne). des ellen jelten was geipart
in beheiner jlahte not. mich wundert bes, daz in ber töt
ie getorfle beflän, wan er het da getän,
daz man daz fagt ze märe, ob es zivelfen wäre
ao Füenen geichehen, day mans müch für wunder jehen.
(Abweichende Lesarten Anm. ©. 296 f. Helbenf. 155 f.)
540 fi.: nu was od) der kunec Fomen,
da er ringen vant, den mit williger hant
des muotes unverdroggen Hagen het erfchozgen,
da er im angeflic entran. fivie der Hämartes man
wol firite mit dem degene umt ſwie der Narle Hagene
von im wunt wäre, der lilene Trongäre
bet den helt ze töde erilagen. ven begunde bö flagen
mit Eheln, dem rien, alfo tlegelidyen
der fürfte von Berne, fi fähen vil ungerne
die fin bil tiefen wunben, od Hagte in am den ſtunden
der alte meifter Hilkebrant alfd, daz manz wol ervant.
ouch Hulfen Hagen in din wip des vil Hienen (Iringes) lip.
228
eigenes Land räumen muften; Sting aus Lothringen wird dem Herzog
diefes Landes, von welchem er in Acht gethan ift, Irnfried von Thü-
ringen dem Landgrafen, ber ihn vertrieben, auf Etzels Seite zum Gegner
beftellt 58, Sonſt wirb ring für fi) allein in den Gebichten von
den Hagte man von ſchulden; naͤh ſchöner wibe hulden
efender man nie bay geranc; oc muos man im des fagen dank,
daz er fd herlihen warp uud aljd gnendiclich erftarp
vor maneges refen ougen u. |. w.
562: der fünie Hagte jere
des ftarfen Fringes ellen unde finer hergefellen.
in hiez der wirt od) iragen dan und mit im brizic finer man,
die bi im zuo den flunden oc töte wurden fanden.
(Vergl. Anm. S. 803. Vergl überhaupt bieher Heldenf. 115 fe. Sommer im
der Beitichrift 3, 202 f. Gegen den Zuſammenhang zwifchen Ienfrit und
Hawart und dem Edeorid und Hadawart im Waltharius 755 bis 845, wie er
Heldenf. 116*) vermuthet if, erllärt ſch J. Grimm,» Lateinifche Gebichte 116 f.)
59% Helden. 159 ff. Lachmann, Aum. 287. W. Wadernagel, Geſchichte
der dentſchen Fitteratur ©. 207. 210.
5% Dietl. 1589: von Luttringe ring.
8433 fi.: da bevalch er Ebel) gefundert ritter zwaintzigt hundert
aus Luttringen dem Hienen Yringen;
Habart und auch Yrnfrid, die zwen helden, riten mit u. f. w.
6287 fi.: Da ſprach die edel Iunigin: „fo bevifch ich das gefinke min
Zringen von Luttringen; des han ich gebingen,
day ſy der ellenthafte man nach eren wol gelaiten fan;
damit reit auch Hawart, fo fileget fich Die heerfart,
und Srenfribt, der mweigant; die miehen doch ir jelber lant
raumen durch ir veinde Haß; es zimbt im leicht deſter bas,
ob ir in dem fireite dhainer wider reite.“
7722 fi. (Hildebrand fpricht): „den berzoge aus Luttringen
ven fol ber Yringk beftan, von dem in achte ward getan
der Etzelen rede aus Hımelant. Irnfride, den weigant,
ben fchaffe ich billeichen dem lantgraven reichen,
von dem der heit ward doch vertriben und elfenbe iR auch beliben
in huniſchen landen bei Etzele(n) weiganden.
So fchaffe ih Hawarte, der nie den leib geiparte
m dhainer angftlihen not, wie wol er ſahe den tot,
06 er da ſterben folde, den fürſten Berchtolde
von der Smwaben lande” u. f. w.
11614 ff.: und Syrenfrive von Züringen lant und Hawart, ben weigant,
und ringe von Luttringen u. f. w.
11627: der tewr degen Yrnfridt.
229
_
Dietrichs Flucht und von ber Schladht vor Raben unter den Helden
deö bunnifchen Heered genannt, doch ohne irgend einen Bezug auf feine
Herkunft und jein Geſchick; nur geventt er einmal feines Bruders Er
win 39, Keines dieſer deutſchen Dichtwerke fpricht von ber nach dem
Helden benannten Himmelftraße. Doch erfcheint biefelbe noch, wenn
auch verbuntelt, in ber nordiſchen, aber meift aus nieberfächfifcher Über:
lieferung zufammengetragenen Dietrihefage. Diefe verlegt ven Schaus
platz ber Nibelungenotb nach Suſa (Eoeft), wofelbft die Steinmauer,
an ver rung, von Hagen? Speer durchbohrt, nievergefunten und in
welcher der Epeer feftgeftanden, noch immer Irungs Wand heiße ®®,
Daß bier eine Verwechslung de3 deutfchen Wortes „Weg” (altn. vegr)
mit dem altn. veggr, Wand, obwalte, unterliegt keinem Zweifel 1,
ber Irrthum war aber auch dadurch hervorgerufen, daß ein Iringsweg
keinen Einn hatte, wenn ber Held auf der Kampfftätte liegen blieb.
Die Stellen find verzeichnet Heldenfage 116 197. 211 (Dietrichs Flucht
5126: „der ftard Yrinck.“ Rab. 54. 709: „Yrinch, der mere”, vergl. Kl. 188:
„ssenfeit, der märe“, 207: „ber heit märe, der fpähe videläre“ u. ſ. w.). Rab.
542: „Hin fur trat her Yrind, als ein helt gut u. |. w. ſechtzehen tnfeut
vollickliche, tie han ich hie” u. |. w. 548: „Ich und myn bruder Erwin“
u. |. w. (Epurwin? Dietrichs Flucht 9841 auch „Erin und Ploblin”;
Dietrichs Flucht 5126 ff.: „ez waz der ftard Yrind und daz ander her Plodelin
und von Elſen Troie her Erwin“ u. f. w. 5375 f.: „do ſprach Yrind und
Blodelin und von Elfen Troie Erwin“ u. ſ. w. 5893 f.: „ber Yrind und
ber Blobelin, ez fompt von Elfen Troie ber Erwin“ u. f. w. 7335: „Blodel
und ber rind,“ 8567 f.: „rind und Blod(e)lin, Helph(e)rich und Er(e)win“
u. f. w. 9841 f.: „Elürinh und Plodlin, Walther und Erwin.” Rab. 56:
„Erwin von Eifen Troie.“ Vergl. Wolfwin unter den Wölfinsen.)
co Wilk. 8. ©. 860 (vergl. ©. 852): „Oc nn hleypur Irungur annat
sinn i hollina at Hogna, oe nu varaz Hogni vid, oc snyr i gegn honum,
oc leggur sinu spioti undir hans skiolld i hans briost, sva at sundur
tekur bryniuna ok bLukinn, sva at umm lıerdarnar kom ut, oc tha letur
Irungur sigaz vid steinvegginn, oc thessi steinveggur heilir Irungs veggur
enn | dag, oc spiutid Hogna nemur stadar i steinvegginum.* Altſchwed.
S. om Didrik af Bern (Stodh. 1850) €. 332; „iba sprangh jron järl j
salen, tha fik haghen etlı spyuth stanglı ok stak til honum vndher skiöl-
len ok gynon: brönio ok brysth saa at wtlı stodh om liärdhanar ok han
störthe dödh op til mwren ok kallas tlız du j dagh Jrona regt. - Br
(€. 822 richtiger: Irwngh) . 5
@ı Helvenf. 179. 395. Mythologie 833.
gr +
230°
Die Anlage der Nibelungenoth bradyte mit fi, daß bie Hauptftreiter
in ihr Blut fanten; auch ring, einmal in dieſen Kreis aufgenommen,
war tem Zuge deö Ganzen verfallen und das beutfche Lied, dem Feine
Wortverwechslung zu ftatten kam, bat ſich mit Recht jeder Bezugnahme
auf den myhthiſchen Weg enthalten. Wohl aber kennen alte Gloffen
den „Iringes mer” als Sternbahn und die „ringes ſtraͤza“ der Auer
berger Chronik, welche faft wörtlich nah Widukind erzählt, findet ſich
noch bei Aventin in der Form „Euringöftraße” 62, Ein Nachllang
davon, wie ring in Thüringen fi mit dem Echwerte Bahn bricht
(„viamque ferro faciens discessit“), ift im Nibelungenlied ertennbar,
wenn dieſer Rede feinen erften Angriff auf die Burgunden allein mit
dem Schwerte macht und noch flüdtig, aus dem Blut auffpringend,
jähe Schwertichläge gegen Hagen führt 8, In biefem Theile feiner
© Mythologie 332. Aventin, Chronif, Frankfurt 1588, Bi. 1026:
„König Euring, König Theffels Bruder, ift gefeflen oberhalb Taurnburg, jet-
und Griechiſchen Weifienburg, in der Statt Schirmburg, jekund Sinching,
umb die Donauw zu Deuifhhurg, da die Dra dreyn fellt, iM ein Künſtler
und des Geftirns fündig gewefen. Bon im nennen die alten Teniſchen Eurings⸗
firaß, den weiffen Kreiß, fo man zu Nacht am Himmel fit, und die Römer
und Griechen in ihrer Sprad von der Milch, auf Griechiſch Galaxia und
lacteum circalum beiffen.” Bon Guring werben die Ortsnamen @uring,
Euraßburg, Euringaßburg, ebend, BI. 108a. Bergl. Schmeller 1, 96. (Bom
König Thefiel heißt es vorher, Bl. 1026: „wie die alten beyerifchen Heimen
fagen, bat er hundert Zar gelebt, regiert nad) feines Vatters tod fünf und
achtzig Far, in alt Beyern heiffen in die Bawren noch König Xheflel, fagen
viel von im.”) [Die Mihfiraße Mmüpft an die Galater an, da |pielt dann
Liv. 88, 16 fi. herein, vergl. was be’ Zeuß im Reg. unter Talaras, Galatia
verzeichnet ift.]
@s Nib. 1967 Iring zu Hagen:
„j& wil ich mit dem fmerte eine dich beftän.“
1970 Voller:
„Sehent ir, vriunt Hagene, dort ringen gän,
der inch mit dem ſwerte lobete eine beſtaͤn?“
1987: Wie rebte tobelihen er üz dem bluote fpranc!
finer fnelheite er mahte jagen danc.
dd lief er fg dem bäfe DE er Hagnen vant,
set 8 amd Sluog im flege fminde mit finer eilenthafter bant.
1988: - *- DE dahte Hagne: „du muoft des töbes weien.
dich envride der tievel, dune kanſt niht genefen.”
231
Rampfibaten ericheint ring, wie bei Widulind, als ver Held auf ſtreit⸗
barer Flucht. Als foldhen Tennzeichnet ihn aber auch fein Name. Die
wenn auch vertvorrene Schreibung einer thüringifchen Glofſe „via secta:
Juuaringes uueg“ 604 weiſt darauf, daß die Hauptfilbe in Srinc, Eu⸗
ring durch Zufammenziehung gebilbet fei, und als zufammengezogened
Stammwort bietet ſich hiefür abd. Epar, Epur, ebir, heber, agf. &ofor,
altn. iöfur (flalbiich für König), und hieraus gefolgert goth. ibre,
ibrus 605; wie ber Name lormandes auf ein gotb. Iburnanbs, zfa.
larnanps, ahd. Eparnand, zurüdgeführt werben konnte 606 und Euricus,
ein weſtſueviſcher Königsname, auch in den vollftänbigeren gormen
Eburicus, Heboricus vorkommt 607, fo ergibt ſich auch Euring, Srine,
Hirinc ald Zufammenziehung aud Iburinc, Ebirine, Hebirine 6%,
Urkunden der ahd. Zeit bringen den Ramen in beiver Weiſe, am bäu:
figften zufammengezogen Irinc, daneben aber auch Eburing, Heberinc
und in ber Mehrzahl als Drtsnamen Eboringa, Heburinga, bu:
doch wundet Frinc Hagnen durch den helmehuot.
daz tet der helt mit Masten, daz was ein wäfen vil guet.
1989: Dd ver herre Hagne der wunden enphant,
do erwagte im nngefuoge daz jwert an finer hant.
al da muoſt im entwichen der Haͤwartes man,
abe von der fliegen Hagne volgen im began.
4 Myth. 332: „ungedrudte gloffen der amplonianischen bibl. zu Erfurt
(1/, id. bi. 14a) haben „via secta: Juuaringes uueg“, weldyes Juwaring
ſehr bemerlensiserth zu ber noch fpäteren Form Euring in Euringsſtraß bei
Aventin 1026, 108.a ſtimmt.“ Da uu in uueg = w fteht (Gr. 1 (2), 137),
fo wird auch Juuariug nicht für Juwaring, fondern für Zworing oder Jwaring
zu nehmen fein; Schwanten zwiichen alt. a uud o Gr. 118), 231. 285 u., f. ob.
[Eitm. lex. 66: „ring m. |. w. goth. Eisings. Eiziugs? u. |. w.“]
0 Graff 1, 9 f. Er. 3, 826. Epradig. 276 u. 407, 2.
©s J. Grimm, Diphth. 51. Über Fernandes 4 f. „Eharnand“ Graff 2, 1098.
602 Iſidor. Hilpal., hist. Goth. Vand. Suer., herausgegeben von Rösler,
S 58 Mascon 2, U. 167 f. Aſchbach, Geſchichte der Weſtgothen 211, 69.
Dagegen iſt der Name des weſtgothiſchen Euricus zufammengezogen aus Eu-
tharins, Ifid. ©. 31. Mascou 1, 485 ff. (au Euridicus, Euaricus), über
Jomandes 5, 2.
8 Über Zornandes 59. Sprachg. 449: „jelbft der heſdenname ring
ſcheint nichts als ſtarke kürzung von Epurdurinc.“ Bergl. ebend. 598, 2. Die
Zufammenziehung aus durinc hat 3. Grinım aufgegeben, damit ati abet’:
nicht die aus Epur-, bir.
233
ringa 9, einfach Ibor erſcheint im Namen des Iangobarbifdhen Sagen:
beiden 610, Ebor in einer alamannifhen Urkunde Ss. Ca ift früher
bemerkt worden, daß im beutichen Altertum ber in den Wald geflohene
Berbannte ald Wolf gedacht und bezeichnet war und daß vermutblich
auch dem jagenhaften Geſchlechtnamen Wölfinge diefe BVorftellung zu
Grunde liegt.“ Ähnliche Bewanbtnis hat es, wie nun gezeigt werben
fol, mit Eber und Ebring. Der norwegiiche Königsſpiegel vom Schluſſe
bed 12ten Jahrh. reiht unter die Mertwürbigleiten Irlands Folgendes
ein: „bort ift nod) ein Ding, das wunderbar bedünken mag, die Männer,
die man Eber nennt; die Urſache davon, daß Männer zu Ebern werden,
ift diefe: wenn Kriegsvolk zufammentrifft, in zwei Schlachtorbnungen
geſchaart, und breite heile gewaltigen Schlachtruf erheben, ta Tann
es furdtfamen Männern, die nie zuvor ins Heer gelommen find, ge:
ſchehen, daß fie vom Echreden, der fie tort ergreiit, ſinnlos merben
0 eine, Hirinc, über ganz Deutſchlaud verbreitet, bedarf feiner beion-
deru Belege, wit dem Genitiv find mehrfih Ortsnamen gebildet (vergl. Done,
Unterfuchungen 74 f, Anzeiger 5, 260. Mythologie 334 oh). ım alemanıifchen
Urkunden „Irincheshuſa“ (Irgenhauſen Kant, Zürich) Nengart 176 vom J. 812;
„Iringesberc“ (Igeisberg, im wirtembergifchen Oberanıt Freudenſtodt) Cud
Hirs., Auen 2, 64, Gerbert, hist, silv. nig. &, 222 (Stälin 2, 437: „partem
montis iringesberc*), „Eburing“ Grafj 1, 9% u., f. ch. „Heberinc” Neugart
886 von J. 859. „Eboringa“ Reugarı 114 v. J. 791, „Heburinga“ ib. 120
v. 3. 798 (vergl, Hebriringa ib. 268), „Ebringa“ ib, 401 v. J. 861, „Ebriu⸗
gen“ ib, 7 zw. 716 bis 720, „Eburingen“ Cod. Lauresi. 2668 (überall
Ebhringen im Breisgau, verfhieden von „Eueringiu“ Neugart 877, Efringen
bad, W. Lörrach, beide Orte auch bei Dünige, Reg. Bad. Ortsreg. ©. 167),
„Zburinga* Neugart 53 vom J. 778 Überlingen), ſtait deſſen in Walafr. Str.
vita b. Galli 6, 15: „ad Iborninges villam* (Golidaft, Ser. rer. alam. 1,
154). Für letztere Schreibung fommt die dunkle Namenform Churun, Chorun,
Chan, Eburin (f. die Rauıenreg. bei Neugart, Zeuß, Cod Iauresl.) in Frage.
Neugart 596 (1, 486): „birinesora”, Ind, geogr. (13) „&bersan.”
6 Baulus Diaconus I, 7. Myihologie 336. Diphth 51. Eprachg. 686.
Sl Goldaſt, script. rer. alam. 2, 29, XIV {nicht bei Nengart]: „sign.
Ebores“, Mitzeuge: „sign, Ebaroli“ = Irolt (vergl. Gubr. Bolim. Str. 310
bis 318. 665). Gregor. Zuron., Hisi. ececlesiast. Fraucor. B. 7, G. 13: „Ebe-
ronem, eubicularfium Childeberti [2] regis* u. f. w.
ee So wohl auch Wolfuni, wie Helmuni (3. Grimme, über eine urlunde
inch: 68 ah. 16, Meichelbedl 108), vergl. Er. 2, 174 u., f. 994 ob. An-
zeiger 6, 473. 475, 3. Gtaff 1, 850: „Wolfene.“
233
und hernach von ben Leuten hinweg in Wälder laufen, wo fie wie
Ihiere fih nähren und gleich den Milde bie Begegnung der Menſchen
fcheuen“ 612. Aber auch auf Jsland war diefe Vorftellung heimiſch.
Eyrbyggia⸗Saga erzählt zum Jahr 981, wie in den blutigen Streitig⸗
fetten der beiden Asländer Thorarinn und Thorbidrn ein Schotte, Ras
men! Naglı, der bei Zenem zu Gafte war, als er die Waffen ſchwingen
ſah, erfchroden davonlief, in das Gebiry hinauf, und zum Eber ward;
nah Beflegung der Gegner reiten Thorarinn und feine Begleiter dem
Flichenden, den fie oben an der Berghalte hinlaufen fehen, eiligft nach,
um zu verbüten, daß er nicht im die Eee oder über die Feljen hinab
fpringe, fie ergreifen ihn auch, weil er vor Müde erlegen ift, aber zwei
Schafknechte Thorarinns, welche Naglı, die Nachreitenven für Feinde
baltend, in feine Flucht mit fortgeriflen hat, flürgen fi vom hoben
Gipfel des Bergfalles zu Tod, der aud nad ihnen binannt ift *18,
612 Konge-speilet, Chriſtiania 1848, Cap. 11, ©. 27, wo dieß noch weiter
abenteurlich ausgemalt wird: „b& er enn einn sd hlutr er undarligr mun
Pykkja um menn p6, er geitir eru kalladir. En Pessi er sök til, ef menn
verda at gelti, ai bar sem lid kemr samun, ok ekipat med tvennum
fylkingum, ok oepu hvärirtveggja herop äkafligs, bi kann hat at henda
blauda menn ok oskufulla, Pä sem cigi hafa fyrr I her komit, at heir
late vıt sitt af Peirri ögu ok hrezlu, er beir fä par, ok hlanps aidan f
sköga fra ödrum mönnum, ok ſdedaak bar sem dyr, ok avd fordaak peir
manna fund sem villidyr. En svä er sagt frä fölki bPessu cf Pat lifir f
skögum 20 veir med Pessum haetti, 54 vaxa fjedrer a likömum Beirra
sv& sem n fuglum, ber er hylja mä likam bairra med fyrir frusti ok
kulda, en enger her störfjadrar, er beir megi llaug af aka sem fuglar.
En svä er mikill sugdr Njötleikr Peirra. at eigi S6 adrir menn nälgask
fund Peirra, ok eigi mjöhundar heldr en menn, Pviat Pat fölk mä näliga
jafnakjött fara hit efra f trjäm sern apynjur cda ikarnar.“ Die Abfaſſung
Des Königajpiegels wird zwiſchen 1190 und 1202 gefegt. Fort. VILf. Bu
beachten iR ebend X*: „De este af Beretningerne om Irland findes ogsaa,
skjont noget forskjelligt, bus Girgldus Cambrensis, i hans Topograpbia
Hibernie , ses Finsens Dissertata furan den store Udg. af Kongespeilet,
hvor Citaterne findes anförte.“ |
a3 Eysbyggia-Saga u, |. w. Havn. 1387, Gap. 18, ©. 54 (a. 981):
„Peita sumar kom üt skip i Salteyrar 08i. oe &ttu häulft Norrener. het
Biörn styrimadı beirra. hann för til vister & Eyri til Steinpors. halft
skipit atin Sudreysker menn [Hebudenses|. oc Allgeirr styrimadr beirra.
hann för til vistar i Mäfehlid til Pörarins Svarta. oc felagi hans ıncd er Nagli -
234
Durch diefe Meldungen erhellt fih dann aud das ältefte altnorbifche
Zeugnis, ein Spruch der Liederedda: „auffchauen folft du nicht in ber
Schlacht, dem Eber gleich werden ber Männer Söhne“ 814. Der ein
zelne Kriegamann fol an feiner Stelle fortlämpfen, ohne fih durch ben
BE in das große Schladhtgewühl den Sinn zu verwirren und dem
Eber glei, d. h. felbflüchtig zu werden; bamit fpricht fi) noch merfwürbig
het. mikill nadr oc fothvatr. hann var Skotzkr at kyni“ u. ſ. w. S. 58 fi.:
„p6 geck börarinn üt.. oc Peir felagar. oc runnu epler beim börbirne
u. ſ. I bessu kvramu peir Pörarinn epter. oc vard Nagli skiötastr.
enn er hann sé at heir ofrudu vappum. glupnade hann. oc hli6p um
fram. oc { fiallit upp. oc vard at giallti. Pörarinn li6p at Pörbirni. oe
hi6 med sverdi { höfupit. oc klauf 6fan { iexla u. |. w. peir pPorariun
töku hesta beirra börbiarnar. oc rija heim. oc sä peir p& hvar Nagli
liöp et efra um hlipina. Or er heir kvamo f tünit s& peir at Nagli var
kominn fram um garpinn. oc stefndi inn til Bülandzhöfds. par fann
hanu Prela Pbörarins tvo er räku saudi or höfpanum. hann segir heim
fondinn. oc sva lipamun hverr var. kaellapiz haun vist vita at prarinn.
oc hans meun voru lätner. Oc f bvi sä heir at menn ribu heiman epter
vellinom. Pä t6ko beir börarinn at hleypa pvi at peir villdu hidlpa
Nagla at haun hiypi egi & si6 eda fyrer biörg. oc er beir Nagli si& at
menninner ripu wsiliga. hugbu peir at Pörbiörn mundi par fara. tku
peir nd räs af nyiu aller inn til höfpans. oc runnu har til er beir koma
Par sem nü heiter preelaskrida. Bar fengu peir börarinn tekit Nagla.
Pviat hann var näliga sprunginn af mepi. enn hrelarner hiupu per fyrer
Öfan. oc fram af höfpanum oc tynduz. sem van var. vi at höfpinn
var sva härr at allt hefer bäna bat er har ferr hſan. Sidan föru peir
P6rarinn heim.“ Bon gleihem Schreck wird bei einem andern Etreithandel,
den diefelde Saga erzählt, der Thräl Dfeigr ergriffen (C. 37, S. 190 a. 999):
„hann varb sva breddr, at hann geck näliga af: vitino, oc liöp T flall
upp, oc bapann f foss einn oe tyndiz, oc heitir bar Öfeigsfors.“ He
fehlt aber das bildliche: „vard at giallti.“
64 Havamal Str. 180 (Mund 18. Raſt 265, 20. [Dietr. 28, 181]):
„Ridumk Per, Loddfäfnirt en bäü räd nemir, njöte mundu ef PA nemr:
upp lits skalattu { orrosta; gjalti glikir verda gumna synir, sfdr Pitt
um heilli helir.* Zu der letzten, fchwierigen Zeile j. Finn Magnufen, den
wldre Edda 3, 135 und über die ganze Str. ebenb. 162: „Vore Forfedre
brugte den Talemasade om dem som i Slaget tabte Bevistheden af Frygt
og saaledes löbe til Fielde eller Skove, at de bleve forvandlede til Brian
eller Vildgalte. Dette forklarede nogle siden bogstavelig, hvorved en ny
Overtro opkom. See Werlauffs Anm. til Vatnedela (Kbbarn. 1812, 4.)
8. 107.“
235
das Bewuſtſein des Gleichnifjes, ber bilblihen Meinung aus. In
ſolchem Eberwerden tft nun freilich nur das blinde Rennen bes fcheuen
Thiers nach der Wildnis aufgefaßt, anderwärts dient jeboch der Eber
vielfach zum Bilde der Kühnheit und Streitbarkeit, die er eben dann
berborlehrt, wenn er verfolgt und verwundet ift 615, So heißt es in
ber Nibelungenothb von Dankwart, der nad dem Berluft aller Ritter
und Stuechte, fogar feines mit Wurfjpeeren befchwerten Schildes, ſich
auf blutgenektem Pfade zu feinen Herrn burchichlägt: „da gieng er vor
ben Feinden, gleichtwie ein Eberſchwein zu Walde gebt vor Hunden, wie
fönnt’ er kühner fein!” 616 Dasfelbe befagen, nur altertbümlicher, alt-
hochdeutſche Liedesftüde aus dem alemanniſchen St. Gallen, bes In⸗
halte: „Wenn Rafcher andrem Rafchen begegnet, dann wird fchleunig
Schildrieme zerfchnitten. Der Eber geht an ber Halde, trägt ben
Speer in der Seite, feine rüftige Kraft läßt ihn nicht fällen. Ihm
find die Füße fudermäßig, ihm find die Borften gleichhoch dem Forfte
und feine Zähne zwölfellig“ 617. Am heftigen Zufammenftoß ift dem
615 Ofen, Naturgeſchichte 7, 1182 (das Wildſchwein): „Im Ganzen find
He furchtſam. Sehen fie einen Menfchen, fo bleiben fie plötzlich ſtehen, ſehen
ign eine Zeit lang an unb laufen enbli davon, wenn er näher kommt.“
1133: „Berwundet rennen fie auf den Feind los und bauen mit ihren Zähnen
kitwärts in die Höhe, wodurch fie manchem Hund den Leib aufreißen. Die
Sanjagd erfordert iiberhaupt viel Geſchicklichkeit und Muth.”
65 Nib. 1882:
DO wändens in betwingen, dd er niht fehildes truoc.
kei, waz er tiefer wunden durch die helme fluoc!
des muoje vor im ſtruͤchen manic klener man;
dar umbe lop vil grögen der lüene Dancmwart gewan.
1883: Ze beiden ſinen fiten fprungen fi im zuo.
jaͤ tom ir eteßlicher im den ſtrit ze vruo.
do gie er vor den vinden, alfam ein eberſwin
ze walbe tuot vor bunden; wie möht er füener gefin?
1884: Sin vart din wart erniuwet von heizem biuote naz.
wie fund ein eimic rede geftriten immer baz
mit finen vienden, dann er bete getän?
man fach Hagnen bruoder ze bove herlichen gän.
1, Wadernagel in der Zeitfchrift für beutfches Altertum 4, 470 |.
Soſe nel fnellemo pegagenet andermo,
So uuirdet jliems firfniten feiltriemo.
Der heber gat in litun, tregit fper in fitun:
236
Helben der Schild weggehauen und jebt, wie Dankwart, ſchirmlos fi
turdhlämpfend, bat er fein Gleichnis an dem Eber, der, in der Seite
den Speer, dennoch mit aufrechter Kraft riefenmäßig dahergeht *18,
fin bald ellin ne lazet in uellin.
Imo fint fuoze fuodermagze,
imo fint burſte ebenho forfte,
unde zene fine zuuelifelnige.
Ebend. Leſeb. 1, 110 ff. und auderwärts.
618 Die angeführten Strophen find einer lateiniſchen Rhetorik aus St
Gallen als Beifpiele ſtiliſtiſcher Yiguren, die tritte ald Beleg der Hyperbel,
einverleibt, nicht zu einem Ganzen verbunden, aber mit geringen Zwiſchen⸗
räumen auf einander folgend. Daß fie, wenn auch nur als Bruchſtlcke (zwi⸗
[hen der erften und zweiten mochte der Bedrängnis eines verwundeten, zum
Beiden genöthigten Helden gedacht fein), zufammengehören, if im Obigen zu
zeigen verſucht worden; dem Berfaſſer der Rhetorik lag das Ganze im Gedäch ⸗
wis und zog ihn von einer Stelle zur andern. Wadernagel, dev dieſe Strephen
um das Jahr 1000 entftehen läßt, vermuthet in ihnen eine freie Verdeutſchung
ooidifcher Verfe aus der Jagd des ungeheuern Ebers von Kalydon (Metam. 8,
282 fi. 329 ff. 415 fi. 482 ff.), Zeitſchrift für deutſches Alterthum 6, 280 f., vergl.
Geſchichte der deutſchen Litteratur 80, 20). Allein neben dem unverlennbar
Ahulihen nach diefer Seite beftht doch zugleich die manigfachſte Berlihrung wit
den Eberjagden mittelalterliher Sagen und Gedichte, wobei das belämpfte Thier
meift auch als ein dämoniſch riefenhaftes erſcheint. Das Heimiſche deuten ſchon
die einfachen Austrüde an: „illnd teutonicum“, „sicut et teutonice de apro“,
wie glei) nachher vor einer entſchieden beutichen Redensart: „similiter teuto-
nice u. f. w. alles liebes gnuoge“, und ebenfo die fanktgakifche Logik vor ihren
kerndeutſchen Sprichwörtern (Altdentſche Blätter 2, 135 f., vergl. Lefebuch 1,
123 f.); wirllich zeigen auch die deutſchen Strophen feine Spur von Zwange
der Überſetzung, dagegen merllichen Einklang mit volfsmäßigen Nedeformen
andrer altdeutſcher Lieder (vergl. Str. 1: „Sofe fnel fnellemo“ u. |. w. mit
ME. 3, 1356: „hert ift daz fpil, waͤ fuen gen fuene ritet uud oud menlichen
firitei” u. ſ. w. ebend. 149a: „waͤ kraft gen kreften ift gewegen” u. |. w.;
Etr. 2: „fin bald elin“ u. f. w. mit Nib. 1872, von den Knechten: „waz half
ir baldez ellen? ft muofen ligen töt.* Str. 1887, von Dankwart: „ez bet fin
ſtarkez ellen vil michel wunder getän“). Hauptfächli aber gebören die althoch⸗
deutihen Stüde keiner Erzählung an, fonvern geben, durchaus im Präfens ge
halten, erſt einen allgemeinen Ausſpruch, von der Kampfluſt rüfiger Männer,
dann ein Bild, die ungebrochene Kraft des Ebers. Sie nähern fih bamit der
Beife altnordifcher und angelſächſiſcher Spruchdichtung, welche gleichfalis menſch⸗
liche Zuflände in lurze Gedentverfe faßt und in enifprechenten Raturbildern
abjpiegeit; fo läßt fih zu Etr. 1 ein Spruch der Liederedda halten: „Ogishelm
Symbol der Gewalt) ſchützt Keinen, wo Zornige fämpfen („hvars skolu reidir
237
Solcher Art find die Anfhauungen, die dem Iandflüchtigen, zugleich dem
auf der Flucht noch ftreitbaren Manne den Namen fchufen. Diefer
lautete wohl in ältefter Zeit einfach Eber, entſprechend jenem ſprich⸗
wörtlichen Eberwerden. Ibor beißt der eine Führer der durch das Roos
aus ihrer Heimat vermwiefenen Langobarden 619, Wildeber (Vildifer,
Vildefer) nennt fih, in der norbifchen Dietrichsfage, ein fremder Necke,
der feinen Dienft dem Berner anbietet, in unfcheinbarer Kleidung, aber
buch einen goldnen Armring, der darunter vorfcheint, gute Ablunft
verratbend 6%; der Sagenfchreiber erläutert noch eigens, Wildeber heiße
der Mann darum, weil er niemals bei feinen Blutsfreunden oder in
feinem Baterlande fei, ſondern beftändig bei auswärtigen Häuptlingen 623,
vega“, nnllingend an: „fofe fnel jnellemo*“ u. |. w.), das findet, wer unter
Mehrere (a. unter Beherzte, „med frecnom“) kommt, daß Keiner allein ber
Tapferſte (hvatastr) ift* (Sesam. 188, 17. 18, 65, vergl. 197, 28); ander⸗
wärts wird das Leben des freundlofen Mannes als eine Gemeinfchaft mit reißen
den Wölfen dargeftellt (Cod. Exon. 342, 24 ff., wogegen zwei Brüder vereint
den wilden ber angreifen oder den grimmigen Bär, ebend. 844, 17 fi.), oder
als das Berkommen eines einſamſtehenden Baumes (Sem. 16, 51); das Ger
fräd beredter Männer als Glut, die fih an Glut entzlindet, die Eintracht
unter fchlimmen Freunden als bald verloderndes euer (ebend. 17, 58. 16, 52)
[Bergi. noch Freidank 95, 18 f. 96, 27 fi. 97, 24: vriunt von vriunde u. |. w.
3. Ziemer, Deutiche Gedichte des 11ten und 12tem Jahrhunderts. Wien 1849,
©. 73.)
619 Brofper, chron. ad a, 379 („Iborea[?] et Asone ducibus“). Paulus
Dieconus 1, 3. Zeitjchrift. für dentfches Alterıbum 5, 1. Mythologie 386: „Fbor
= abd, Epur, agſ. Eofor, altn. Jöfur, d. i. eber (aper) held“ u. f. wm.
Sprachg. 684 f.
0 Wilk. S. 6. 109: „nu spyr Thidrikur Kongur hvad mann hann
ee? Hann svarar, ec heiti Vildifer“ u. {. w. 8. om Didr. K. 131: „Ko-
Dungen sporde hweat man a’stw. han swarade Jak heter wildefer.“ Bergl.
Cod. Exon. 379, 23: „me ves Deor noma.“ [bend. 342, 26. 844, 22
wird deor von Wolf und Bär gebraucht.) Seem. 186, 2: „Göfngt dyr ek
heiti, en ek gengit hefk inn-m6durlausi mögr; födur ek äkka sem fira
syair, geng ek einn saman.“
1 Wilk. 8. C. 162: „villigoltur, thad er a tlıydesku Villdifer, ſirir
ihri er hann kalledur eva, at haun er alldrigi med sinum frendum, oe
gi a sinni fosturjordu, helldur iafnann med utlenzkum hofdingium.
Villigoltar er allra dyra froknastur oc verstar vid at eiga theim er vei-
dir“ n. ſ. w. 8. om Didr. K. 171: „Tha förde iy en willegalt thz heter
vppa iydzeke wildefer. thy kalladis han sa. han war aldrey na’r sina’
238
Das läpt doch Teinen Zweifel über den angegebenen Sinn des Eber
namend. Sieber reiht ſich aber auch noch das merkwürdige Bruchſtück
eines altbeutfchen Gebichtes von: Abor, der wieder benfelben Namen
trägt; dieſer ebellühne Weigand räumt eben das Land, mo er in einer
Selshöhle feine Eifenrüftung, die er vor Ermattung nicht mehr zu tragen
vermag, zurüdläßt und mit dem Schwert allein nach dem Nordwalde
geht, in dem er drei Tage vor ſchrecklichem Gewürm nicht raften Tann,
bis er zu einem Jungbrunnen kommt und dort jchlafend von einem
wilden Meeriweibe gefunden wird, das ihn frifch und geſund bavet, auch
wit wunderbaren Begabungen ausrüftet, fo daß er nachmals „feinen
Gefellen und die Königin“ erldſen Tann 622, Die mythiſchen Züge diefes
Bruchſtücks lafien um fo mehr das Ganze vermiffen, wenn auch dieſes
ber Abfafiung nad erft dem 14ten Jahrh. angehörte.
In den aufgezählten Fällen ift es, außer bei Ibor, der einzelne
Held, ber ins Elend zieht, der Sondereber 823, der fich durchhaut, ja
ed wird auf dieſes eigenträftige Alleingehen Nachdruck gelegt 624. Die
Beziehung des landflüchtigen Eberbelden zum Geſtirnwege kann nun fo
fra'nder eller i sit fa’dernes land. vtan han war mz wtlendzeka hoff-
dingia® u, ſ. w.
622 Abor und das Meermeib, von Jak. Grimm, Zeiurfchrift für deutſches Alter-
tbum 5, 6 fi. „Der berre von dem feine gie, fein fwert er da niht enlie
n. f. w. alfuft nam er urloup und gie von dan, der edel kune wigant, alfe
rumt er do daz lant. Do gie der berce balde zu einem nortwalde drie tage im
einem vorfle u. ſ. w. do faz der nothafte man nider an daz grune gras, flafes
im do not was. Do flief er unlangen; fein ſwert bet er gevangen in beide fine
bant, ein wildes merwip in do vant a. ſ. w. in ber felben liten u. ſ. w. jech6
wochen und zwene tage a. |. w. fint erlofte der berre gut finen gelellen und
onch die kunegin.“ Ähnlichkeit mit Wolfbietrichd Abentenern iſt nicht zu ver
lennen. [Bergl. auch Bartſch in Pfeiffers Germania, V. Wien 1860. 8. S. 105
bis 108. 9.)
023 Rotter Bi. 79 (Hattemer, Dentm. 2, 28°): „ber eber üzzer walde.“
„der einlnzzo uuilde ber. der mit Demo fuaneringe me gät.” „der anbermo
finero gemözicefte ne jehet, der ift fingularis (finnbir Ebir).” [bir, verres, Gr.
8, 826.] (Der „Schwanring*, Heldenſ. 30. 888, ift hier nicht haltbar, vergl.
Schmeller, 3, 259. Mone, Unterf. 77. Wackernagel, Wörterb. DXiII. Groff
4, 1169 erflärt nicht.)
624 Nib. 1884, 2 (von Daufwart):
wie fund ein einit vedie gefiriten immer bag
mit finen vienden, dann er bete getän?
239
gebacht werden, daß er auf die weitefte Wanderſtraße binausgetrieben
ſei, ungefähr wie in den Achtformeln ber Berbannte in die vier Straßen
der Welt gewieſen wird 625, Über den einzelnen Wanderer hinaus führt
aber die patronymifche Yorm Iring, fie deutet, wie in jenen Orts
namen, auf eine Sippfchaft von Eburingen 626, einen größern, gemein.
famen Wanberzug. Diefelbe Form in der Mehrzahl beftand für zwei
der vier altenglifchen Haupttwege, Erminge: und Wätlingeftaße, welch
letztere Benennung zugleich der himmlischen Milchſtraße zulam 87°. Er⸗
minge find aber mwörtlih arme Leute, bie bebürftigen Pilgrime 628,
25 Kleinſchrod, Abhandlungen aus dem peinlichen Nechte, Th. 2. Erlangen
1798, &. 6 (Bannformel): „mir weifen dich in die vier Straßen der Welt im
Namen des Teufels.” J. Grimm, Irmenſtraße 57. Daß etwa der mit
dem Blute feiner Feinde beiprengte Weg des fliehenden Kämpfers gemeint fei,
wie abermals von Dankwart 1884, 1: „Stn vart bin wart erniuwet von hei⸗
zem binote naz“ (vergl. 1888, 8. 1892 f.), it nicht anzunehmen, da die Milch⸗
Rraße, wie auch diefer Name befagt, überall licht und weiß gedacht war Irmen⸗
ſtraße 22. 28).
28 Dann iſt Irine an die Stelle von Ebur getreten, wie in Völs. 8.
Völsängr den agſ. noch in Welse erhaltenen Ramen des Stammvaters ver-
drängt bat (Helbenf. 16). Wie unter den Wölfingen Wolfinc, Wolfmin u. ſ. wm.
(ebend. 238. 240. 102), fo bieher Zrinc und Erwin (Anm. 599) = Eburwin;
wieleicht auch Irolt = Eburolt, vergl. Gudrun (Bolimer) 310 f.:
Der wirt biez zuo im flgen die zwene junge man,
Frolden und Höranden. vrägen er began,
von warnen fi dar wären fomen in day riche.
„war mir gäben geſte bi minen ziten nie fd Lobeliche.“
Do ſprach der rede Horant: „Daz wil ich iu fagen.
Berre, Af genäbe 18 müezen wir in Magen:
wir fin vertribene Iinte von unfer felber Lande,
ez hät ein lünic ride getän an uns finen grözen anden.“
= Mythologie 880 f. 1214.
8 Ettmiiller, Lex. anglos. 30: „earming (erming) -es, m. miser,
mendiens. si6 An fröfer [solatium] ermings, Boeth. 84, 8. ermingstret
(irming, yrmingstieet) -e, f. via publica, nisi potins eormenstret, irmen-
street legi debeat, Som.“ Boswortb 75: „Earming, es; m. A poor mise-
rable being.“ „Ermingestrete* Thorpe, anc. laws ©. 192. Mythologie
(2) 830, vergl. (1) 218. ME. 1, 88: „Mir feit’ ein ellender pilgerin“ u. |. w.
1, 59: „des armen pilgerins“ u. |. w. Die Pilgericheften, befonbers nad
Rom, waren fchon zur angelfähhfifchen Beit Rarl im Gange; Beda 5, B ad a.
725: „Peregrinari, quod his temporilus plures de gente Anglorum, igno-
210
Wätlinge, in deren Straße die ber erfteren einläuft, jcheinen Ausge-
triebene zu fein 62° und die gemeinfame Straßenmünbung für Beide war
zu Dover, der Einichiffungäftätte nach dem Feſtland im Süden 65%, Daß
auch auf der Iringsſtraße nicht bloß ber einfame Wildeber gieng, be:
ftätigt ein altſächſiſcher Name der hell leuchtenden, von der Milchſtraße
durchichnittenen Sternginppe, die den Griechen Drion hieß: „eburdrung“,
Eberhaufe 691, (Waren die belgiichen Eburonen, die zu Cäſars Zeit am
Ardennenwalde wohnten, deutfchen Stamms germaniſche Auswandrer
und Anſiedler umter den Galliern des linken Rheinufers, fo iſt ein ganzes
Volk von Ebern gefunden und der Vertilgungskampf der Römer gegen
dasſelbe gibt ein volllummenes Wald: und Japdftüd #92; noch im Laufe
biles, nobiles, laici, cleriei, viri et femin® certative congueverunt.“ ap
penberg 1, 198 f. (ebend. 230. König Offas Römfahrt.) Philips 26.
629 Ahd. wazan, abigere, Brafj 1, 1087: „nuie; abigebat m. ſ. w. geunäz-
jeni u. ſ. w. persecatio u ſ. m.” (Bergl. Wackernagel, Wörterbud DUXXVIII.
Grammatil 2, 75, Nr. 259; ij nicht umgelehrt abigere die urfprüngliche, olere die
abgeleitete Bedeutung?). Mythologie (1) 214*: „wäre vallingustreet verderbt
ans vadhlinga strei (via vagantium)? obgleich ich Fein agf. vadholing, nur
vadhol (vogabundus, errations) fenne; dann läge earmingastreet der beveu
tung ganz mabhe.* Bergl Ettmüller lex 75: „vädia, m. vädle, f. n. adj.
vagabundus. mendicus, pauper u, ſ. w vädie, e, f. mendicatio, inopla u. f. w.
sädljan u. f. w. vagarı, mendicare, indigere.“ n. j. w. eo, restitad. 4.
650 Britaunia u. |. m. auth. G. Camdeno, Pranlfurt 15%, &. 262:
(von Dover): „Ueleberrimus enim est trujectus, cautumque olim lege erat,
ut nemo, qui religionie gratia peregre prolficisceretur, alibi trajicerel.“
Die Straßenzüge find auf der Karte „Britannia Sexunica* bei Lappenberg
Bd. 1 angegeben.
Mythologie 689 f. (Suhm, Symbole 369a: „Oriona, edirdhning.“
371a: „Orion, eburdn(rJang.“ Unmittelbar darauf 372b: „Via aecla, irin-
ges nuec.“) Schon bei Deget. 3, 19, 16: (Bergl. auch oben den fuchtering.)
„a vaganlibus globis, quos vocant drungos.“ FMone, Urgeſchichte des badi⸗
ſchen Landes 1, 188.]
62 Gäfar, bel. gali. 2,4: „Condrusoe. Ehurones, Ceeresos, Premanos,
qui uno nomine Germani appellantur, arbitrari ad XL millia.“ 5, 24:
„Eburones, quorum para maxims esl inter Mosam et Rhenum, qui sub
imperio Ambiorigis et Cativulci erent* u. |. m. Zwar fagt Ambiorig 5, 27:
„esse Gallie commune consilium u, |. mw. non facile Gallos Gallis negare
potuisse , preeserim cum de recuperanda commuei libertate consilium
initum videretur u. f. w. magnam ımaaum Germanorum conductam Rhenum
transisse, hanc adfore biduo“ u. f. m. (Bergl. 6, 34: „Cesar ad finitimas
241
des Mittelalters hieß ein Abelögefchleht eben dieſer Gegend: Eher der
Arbennen) 633,
eivitates nuntios dimiltit, omnes evocat spe preede, ad diripiendos Eburones,
ut potius in silvis Gallorum vita, quaın legionariorum, vericlitaretur“ u. f. w.);
aber anverwärts beißt es wieder, 6, 32: „Segni, Condrusique ex gente et
numero Germanorum, qui sunt inter Eburones Trevirosque, legatos ad
Cssarem miserunt oratum, ne se in hostinm numero duceret, neve omnium
Germanorum. qui essent citra Rhenum, caussam esse unam judicaret: nihil
se de bello cogitasse, nulla Ambiorigi auxilia misisse, Cesar, explorata
re questione captivorum, si qui ad eos Eburones ex fuga convenisgent,
ad se ut reducerentur, imperavit: si ita fecissent, fines eorum se violaturum
negavit.* (Bergl. 2, 3: „reliquos omnes Belgas in armis esse, Germanos-
que, qui cis Rhenum incolant, sese cum his conjunxisge“ u. ſ. w. worauf
dann 2, 4 die obige Aufzählung diefer &ermanen: „Condrusos, Eburones“
u. |. w. folgt. Zeuß 190 u., f. 06.) Über. den Ardennerwald und die Flucht
babin 5, 3: „in silvam Arduennam u. ſ. w. que ingenti magnitudine per
medios fines Trevirorum a flumine Rheno ad initium Remorum pertinet“
u. |. w. 6, 29: „Ipse (Cesar) u. |. w. ad bellum Ambiorigis profectus, per
Arduennam silvam, quæ est totius Gallie maxima atque ab ripis Rheni
Snibusque Trevirorum ad Nervios pertinet, milibusque amplius quingentis in
Jongitudinem patet, L. Minucium Basilum cum omni equitatu premittit“
u. J. w. 6, 30: „Basilus, ut imperatum est, facit, celeriter contraque onmium
opinionem eonfecto itinere, multos in agris inopinantes deprehendit; eorum
indieio ad ipsum Ambiorigem contendit, quo in loco cum paucis equitibus
esse dicebatur. Multum cum in omnibus rebus, tum in re militari fortuna
potest. Nam sicut mıagno accidit casu, ut in ipsum incautum atque etiam
imparatum incideret u. |, w. sic magne fuit fortune, omni militari in-
strumento, quod circum se habebat, erepto, rhedis equisque comprehensis,
ipseam effugere mortem. Sed hoc eo factum est, quod wdificio circumdato
silra (ut sunt fere domicilia Gallorum, qui vitandi eestus caussa plerumque
silvarum et fluminum petunt propinquitates), comites familieresque ejus
angusio in loco equitum nostrorum vim paullisper sustinuerunt. lis
pugnantibus, illum in equum quidam ex suis intulit: fugientem silve
texerunt. 31: „Ambiorix u. f. w. clam dimissis per agros nuntiis, eibi
quemgne consulere jassit: quorum pars in Arduennam silvam, pars in
continentes paludes profugit. Qui proximi Oceano fyerunt, il in insulis
sese occultaverunt, quas wstus eflicere consuerunt (wie Abor beim Meerweib).
Multi, ex finibus suis egressi, se suaque omnia alienissimis crediderunt,.
Cativaleus, rex dimidie partis Eburonum. gui una cum Ambiorige con-
silium inierat, state jam confectus, cum laborem aut belli aut fugæ ferra
non posset, omnibas precibus detestatus Ambiorigem, qui ejus consilii
auctor fuisset, taxo, cujus magna in Gallia Germaniaque copia est, se
upland, Schriften. VM. 16
242
Um reichften bevöllert aber, als Wander» und Heerweg, irdiſch
zugleich und am Himmel vorgebilvet, zeigt fi diefe Straße in chrift-
exanimavit.“ (Ofen 8, 358 [Eibenbaum, taxus, gemeine @ibe, t. baccata]:
„Der Soft aus Rinde und Blättern ift giftig.”) 6, 32: „Tum copiis in ires
partes distribatis, impedimenta omnium legionam Aduatucam contulit. Id
eastelli nomen est. Hoc fere est inmediis Eburonum finibus, ubi Titurius
atque Aurunculejus hiemandi caussa consederant“ u. f. w. 6, 33: „Ipse
(Cesar) cum reliquis tribus (legionibus) ad flumen Scaldem, quod inflait
in Mosam, extremasque Arduennz partes ire constiluit, quo cum paucis
equitibus profeetum Ambiorigem audiebaı“ u. ſ. w. 6, 34: „ubi euique
aut vallis abdita, aut locus silvestris, aut palus impedita spem presidii
aut salutis aliquam offerebat, consederal“ u. |. w. 6, 35: „Hæc in omnibus
Eburonum partibus gerebantur n. ſ. w. Trans Rhenum ad Germanos per-
venit fama, diripi Eburones atque ultro omnes ad preedam evocari. Cogunt
equitam II millia Sicambri, qui sunt proximi Rheno“ u. f. w. 6, 43: „ac
sepe in eum locum ventum est, ut non modo visum ab se Ambiorigem
in fuga captlivi, sed nec plane etiam abiisse ex conspeetu contenderent;
ut spe consequendi illata atque infinito labore sueceplo, qui se summam
a Cesare gratiam inituros putarent, psene naturam studio vincerent scm-
perqne paullum ad summam felicitetem defuisse videretur, atque ille
latebris ac silvis aut saltibus se eriperet et, noctu occultatus, alias regiones
partesqne peteret, non majore equitum presidio, quam IV, quibas solie
vitam suam committere audebat.* Gäfar rechnet tie Eburonen geographiſch
und politiih zu Gallien und den Galliern („Gallie commune consillum“,
„Gallos Gallis“ u. ſ. w. Masc. 1, 35,N.8: „weil fie bereits mit den gallifchen
Böllern in einer gemeinfamen Staats-Berfaffung flunden”), der Name des Bots
hat Anfang mit ven Feltifchen Eburovices (Gäfar 8, 17. Beuß 204), Ebrodanum
(Herden), Eporedoriz (Cäfar 7, 76) u. ſ. w. (Mone, gall. Spr. 96 f.
Zeuß 189%), der Hauptort der Eburonen Aduatuca weiſt auf ihre Nachbarn
Aduatuei, die den Galliern (2, 30: „hominibus Gallis*) beigezählt.find, die
Namen ihrer Flihrer Ambiorix und Cativulene gemahnen an andre keltiſche
Manngsnamen anf -rix und an die Bollsnamen Ambivareti, Ambiani (Pivins 5,
34: „Ambigatus“), Ambibarii (7, 75 neben Aulercis Eburovicibus, Zeuß
204 u.), Catu-riges, Volce (Beuß ebend.), auch die Namen der übrigen mit
den Eburonen unter der Bezeichnung Germani vereinigten BVölter lauten um-
deutich und Germani felbft ift nad der befannten, aber noch immer nicht
ins Klare gebradgten Stelle des Tacitus, Germ. 2, ein Name, weldyer den
zuerft fiber den Rhein gefhrittenen Deutſchen, den nahmaligen Tungri aud
im Ehuronenlande (Zeuß 213 f.), von Nichtdeutichen gegeben war und den
neuere Forſcher anf keltiſchen Urfprung zurüdflhren (Sprachg. 787. Leo in der
Beitichrift für beutfches Alterthum 5, 514. Vergl. ebend, 4, 480, A. 4. Zenß 69
[Mahn I. Pfeiffer Germania 4. 494 f. Dagegen ebend. 14, 488. KR.)
243
Eicher Umwandlung. Auf der Jakobsſtraße giengen im Mittelalter die
zahlloſen Pilgrime nad S. Jago von Compoftella in Gallicien, die
Andrerfets zieht Caſar, der übeshaupt zwiſchen Galliern und Germanen jcharf
unterfcheidet und dem Germani, Germania die gegebenen Beneunungen für
deutichen Stamm und deutfches Befammtland find, jene Ardennenvöller ex gente
et numero Germanoram noch beſonders dadurch in den großen Stammverband,
dafı er fie Germanen dieffeits (meftlich) des Rheines (Germanos, qui cis Rhenum
incolunt, qui essent citra Rhenum) benennt, alfo mit den jenfeits bes
Stromes wohnenden unter Eine Gattung zujammenfaßt. Leicht erklärt fidh, wie
en verhältnismäßig Feines Boll (5, 28: „civitatem ignobilem atque humilem
Eburonum“) mitten unter Galliern auch galliiden Zufhnitt annahm (vergl.
ewius 21, 38: „gentibus semigermanis“, Zeuß 227), aber daß ihm germanifcher
Urfprung zuerlannt war, liegt deutlich in den Angaben Cäſars. Derſelbe ber -
richtet auch von den Aduatikern, die von ihm nicht unter die Ardennengermanen
eingerechnet find, aber an die Eburonen grenzten und mit ihnen zuſammenhielten
(Eäfar, beil. gall. 5, 38: „Ambiorix statim cum equitata in Aduaticos, qui
erant ejus regno finitimi, profieiseitur n. |. w. Aduaticisque concilatis“ n. f. w.
5, 39: „Eburones, Aduatici“ u. f. w.), fie feien Ablömmlinge der Eimbern
und Teutonen, von diefen auf ihrem großen Zuge, 6000 an ver Zahl (zu
Säfars Zeit wurde ihre Streitmacht anf 29,000 geſchätzt, 2, 4), zur Wahrung
ihres am weſtlichen Rheinufer niebergelegten Geräthes zurüdgelafien und nad
manderlei Kämpfen mit benachbarten Böllern ‚bier jeßhaft geworben (2, 29:
„Ipei (Adustici) erant ex Cimbris Teutonisgue procreati; qui cum iter in
provineiam nostram atque Italiam facerent, his impedimentis, que seeum
agere ac portare non poterant, citra flumen Rhenum depositis, eustodie
ex suis ac presidio VI millia hominum una reliquerant. Hi, post eoram
obitam, multos annos a finitimis exagitati, cum alias bellum inferrent,
alias illatum defenderent, consensn eorum omnium pace facta, hunc sibi
domieilio locum delegerunt“). Die germaniſche Verwandiſchaft erfiredt fich
nod weiter in Raum und Zeitz auch diejenigen Belgen, welche fidh rühmten,
die Cimbern und Teutonen, in der Bedrängnis des gefammten Galliens, allein
non ihren Wrenzen abgewehrt zu haben, wollten body, nad) Ausſage von Ab»
gefandten der Hemer, eines beigifchen Volks, deffen Rame in Rheims erhalten
M, gröftentheils von den Germanen abftammen, vor Alters über den Rhein
gezogen fein und die dortigen Gallier ausgerieben haben, als Belgen werden
ſofort mit den Adnatikern die Eburonen und die andern unter dem Namen '
®ermanen begriffenen Böller verzeichnet. (2, 3: „Remi, qui proximi Gallie
ex Belgis sunt ı. ſ. w. neque se cum reliquis Belgis consensisse u. |. m.
reliquos omnes Belgas in armis esse, Germanosque, qui eis Rhenum
incolant, sese cum his conjunxisse“ u. ſ. w. 2, 4: „Cum ab his queereret
(Ceser), qum civitateg guanisque in armis essent et quid in bello
possent,, sic reperiebat, plerosque Belgas esse orios a Germania, Rhenum-
244
Salobsbrüber 894 und in benjelben Namen war auch die himmliſche
Iringsſtraße umgetauft 69°; der Gürtel Orions, ein Theil des germar
que antiquitus transductos, propter loei fertilitatem ibi consedisse Galloe-
que, qui ea loca incolerent, expulisse; solosque esse, qui patrum nostrorum
memoria, omni Gallia vexats, Teutones Cimbrosque intra fines suos
ingredi prohibuerint. Qua ex re fieri, 'uti earum rerum memoria magnam
sibi auctoritatem magnosque epiritus in re militari sumerent.“ Hieran
ſchließt fi dann die Aufzählung der einzelnen Bölter und ihrer Streitkräfte,
vergl. Zeuß 188.: Eine weitere Erinnerung an den verheerenden. Zug der Cimbern
und Teutonen durch Gallien 7, 77. Xacitus, Germ. 28: „Treveri et Nerrü
circa affeciationem Germanicse originis ultro ambitiosi sunt, tanquam per
hane gloriam sanguinis a similitudine et inertia Gallorum separentur.“)
Iſt al dieß nicht lediglich Erbichtung der Ehrfucht (moflir Zeuß 190 f. im ber
angeführten Stelle des Tacitus die Duelle findet), fehlt e8 der Sage, wie
anderwärts, nicht gänzlich an geſchichtlichem Hintergrund, der bei Grenzvöllkern
wohl gedenkbar und durch den Germanennamen auf beiden Seiten des Rheins
glaublih gemacht ift, fo wird die ältere Einwanderung in Gallien von bem-
ſelben germaniſchen Nachbarvolke ausgegangen fein, von dem nachher die Er⸗
oberung ausgieng, von den Sigambern (Gäfar 6, 85: „Sicambri, qui sunt pro-
ximi Rheno“ u. ſ. w.; fie kamen zwar, nicht eben brüderlich, zur von Cäſar aus-
gerufenen Ausplünderung der Eburonen herüber, wandten fi) aber dann gegen
die Römer ſelbſt), frliherem Namen der Syranfen, die auch noch vorzugsweiſe @er-
manen hießen (Zeug 834 *. Sprachg. 788). Unter den älteften Franlennamen
eriheint nun Ebero (Greg. Tur. 7, 13. Sprachg. 546. 541) und auch zu Cati-
vnleus gefellen fi) aus karolingiſcher Zeit die Namen Beruolc (mit Kerunc, Ger⸗
man), Natfolc (Trad. Wizenb. 272. Bergl. oben Adiluolchus, und zum erften
Wort Catti, Catualda, Tacitus, annal. 2, 62. 63), Sigefolc, Cod. Lauresh.
ind. onom. Oben Anm. 585. Beitjchrift für deutfches Alterthum 2, 255.
638 Reiffenberg, Monuments pour servir à l’histoire des provinces de
Namur, de Hainaut et de Luxembourg ı. f. w. 8. 1. Brurelles, 1844.
Prelim. ©. XXXIX: „Ardenois ou Sangliers d’Ardenne.“
64 Bollglieder 302, 1: „Wer das clend bawen wel, ver beb fidh auf
und ſei mein gefel wol auf fant Jacobs ftraßen!” 803, 2: „al ob den wed
fint Jacobs "waert” u. |. w. Hormayr, Taſchenbuch fir vaterländifche Geſchichte
1837, ©. 168, aus der Vorrede des Büchleins: „Die Straß zu fant Jacob“
u. |. w. Nürnberg bei Jobſt Gutknecht 1520: „Ich Herrmann Kunig von
Bade mit der Gotts Hilf will machen ein Feines Büchlein, das’ ſoll fant
Jacobs Straß genannt fein, darinn will ich leren Steg und Weg und wie fein
ein yeder Jacobs Bruder wol pfleg mit Trinken und auch mit Eſſen“ u. f. w.
Lacomblet, Ur. 184. 185 (a. 1061): „Jacobswech“. Mythologie 1914. Jacobs-
Brüder: H. Schreiber, Theater zu Freiburg, S. 12. Wadernagel, Lefebuch 2
(1 Auag.), 1589 u. Schmeller 2 263. [Schriften 4, ©. 315. 316. 9.)
245
niſchen Eberbrungs, wurde zum Jakobsſtab 636, Die ältefte Meldung
von dem neugeweihten Wege gibt der felbft fagenhafte Turpin im Einr
gang feiner vor dem Schluß bes 11ten Jahrh. abgefaßten Gefchichte des
fpanifchen Heerzugs: nachdem Karl der Große feiner driftlichen Herr⸗
ſchaft weithin die Reiche unterworfen, befchließt er, von der Mühjal des
Krieges fortan auszuruhen, beim Aufblid zum Himmel aber gewahrt
er einen Weg von Geftirnen, der fi) vom friefiihen Meere zwifchen
Deutfchland und Stalien, Gallien und Aquitanien, über Gasconien
und Hifpanien bis nach Gallicien hinzieht; mehrere Nächte hindurch finnt
der Kaiſer eifrig über die Bebeutung diefes Weges nah, bis ihm ge
fichtweife ein Held von unfäglicher Schönheit erfcheint, der ſich als den
Apoftel Yacobus zu ertennen gibt, deſſen Leib in dem von den Eara-
cenen ſchmählich unterbrüdten Gallicien unbelannt liege; wie nun Karl
bon dem Herrn über alle irdischen Könige erhoben worden, fo fei er
auch erwählt, die Straße des Apofteld zu bahnen und das Land bes
felben aus ben Händen ber Unglaubigen zu befreien; der geftirnte Weg
am Himmel beveute, daß der Kaifer mit großem Heere biefe Kriegs⸗
fahrt antreten und nach ihm bis zum Ende biefer Zeit alle Völker,
von Meer zu Meere pilgernd, bie Kirche und den Sarg des heiligen
Zwölfboten andachtvoll befuchen werben 837,
635 J. Grimm, Irmenſtraße 16 bis 19. V. d. Hagen, Irmin 38 bis 41.
Mythologie 331 *. 1214 ob. Den Jalobspilgern war, wie den Geefahrern,
weiſendes Geſtirn nicht überfläffig, Hormayr a. a. DO. S. 170: „Im Jahre
1430 pilgerte Jobſt Keller, Bürger zu Augsburg, in Folge eines in großer
Lebensgefahr geihanen Gelübdes, nah ©. Yago de Gompoftella, ohne felbes
Anden zu können. Drei Jahre darauf machte er diefe Wallfahrt zum anderten
Male, gieng aber dabei fo oft irre, daß er erſt am Ende des fünften Monats
Bas Biel feiner Reife erreichte.“ Auch via Rome foll zuweilen gleiäbebeutend
mit Müchftraße gefunden werden, J. Grimm, Irmenſtraße 17.
636 v. d. Hagen, Irmin 89. Mythologie 690. Leg. aur., herausgeg.
von Gräfe, 423: „Cui (Hermogeni) Jacobus baculum suum dedit“ u. f. w.
697 De vita Caroli magni n. |. w. ed. Ciampi (fiber das Alter des Buchs
W. Grimm, Ruol. 2. XXXIV [Schriften 4, S. 854, Anm. 1. $.)), C. 1:
„Hic vero Carolus postquam multis laboribus per multa climata orbir
diversa regna, Angliam, Galliam, Teutonicam, Baoieriem,, Lotharingiam,
Bargundiam, Italiam, Britanniam ceterasque regiones innumerasque urbes
as mari usque ad mare, divinis subsidiis munitus, iuvincibili brachio
potentie sum acquisivit et ab Saracenorum manibus abstulit christiano-
216
Das Ergebnis diefer Nachweifungen kann fo gefaßt werben: Jring
gehört weder der Geſchichte an, noch urfprünglic der. Helvenfage, in
ihm ift der Ebergang zum Walde, das Bild des Ianvflüchtigen Reden,
perfönlich getvorden, der Vertriebene zieht die Straße Ebrings, bes
Eberhelden; in die Cage vom Untergang des thüringifchen Reiches if
ring dadurch gelommen, daß König Irmenfried und fein flüchtiges
Heer die Ebringäftraße fuhren, fo fangen die älteften Lieber von dieſem
que imperio subjugavit, gravi labore ac tanto sudore faligatus, ne am-
plius bellum iniret, et ut requiem sibi daret, proposuit; statimque in
celum intuitus est quemdam caminum stellarum, incipientem a mari Frisie
et tendentem inter Teutonicam et Italiam, inter Galliam et Aquitaniam,
rectissime transeuntem per Gasconiam, Blascam et Navarram et Hispa-
niam, usque ad Galletiam, qua beati Jacnbi oorpus tunc temporis latebat
incognitum. Quam viam cum Carolus per singulas noctes seepe perspi-
ceret, cœpit swepissime preemeditari, quid significaret. Cui hc summo
studio cogitanti heros quidam, optimam et pulcherrimam, ultre quam diei
fas est, habens.speciem, nocte in ecstasi apparuit dicens: „Quid ais, fili mi?“
At ille inquit: „Quis es, domine?“ „Ego sum, inquit, Jacobus apostolus,
Christi alumnus, filius Zebedei, frater Joannis Evangeliste, quem Do-
minus super mare Galilee ad predicandum populis suis ineffebili gratia
eligere dignatus est, quem Herodes rex gladio peremit, cujus corpus in
Galletis, quæ a Saracenis adhuc turpiter opprimitur, incognitum requies-
eit. Unde ultra modum miror, cur terram meam a Saracenis minime
liberasti, qui tot terras tantasque urbes acquisivistii. Quapropter tibi
notifico, quia sicut Dominus potentiorem omnium regum terrenorum te
fecit, sic ad preparandum iter meum et liberandanı tellurem meam a
manibus Moabitarum te inter omnes, ut tibi coronam sterne retributionis
exinde preparet, elegit. Caminum siellarum, quem in celo vidisti, hoc
significat, quod {u cam magno exercitu ad expugnandam gentem pagano-
rum perfidam et ad visitandam basilicam meam et sarcoplagum meum
ab bis oris usque ad Galletiam iturus es, et post te Omnes populi a mari
usque ad mare peregrinantes, veniam delictorum suorum a Domino im-
petrantes, illuc iterum ituri sunt, narrantes laudes Domini et virtutes
ejus et mirabilia ejus, quæ fecit; a tempore vero vite tun: usque ad
presentis seculi finem ibunt. Nunc autem perge, qua citius poteris,
quia ego ero auxilistor tuus in omnibus! Et propter laborem tuum im-
petrabo tibi coronam a Domino in cwlestibus, et usqus ad novissimum
diem erit nomen tuum in laude.“ Taliter beatus apostolus tribus vicibus
Carolo apparuit. His itaque auditis Carolus, apostolice promissione fretas
et coadunatis sibi exercitibus multis, ad expugnandas gentes perfldas
Hispaniaın ingressus est.“
247
— —
meitlundigen Ereignis; auch an Etzels Hofe, der Freiſtätte geächteter
Helden (namentlich der Wölfinge) 638, lebt Iring in Gemeinſchaft mit
folhen, mit Yrufried und Hawart, eben nur weil fie den Iringsweg
giengen 5°9, und daß er bald Thüringer, bald Däne, bald Lothringer
heißen Tann, fpricht wieder für feine allgemeinere Bedeutung; vom bild⸗
lichen Ausdrud zur Perfönlichkeit gelangt und: in die epiiche Handlung
eingedrungen, verläugnet er gleihmwohl aud in ben einzelnen Zügen
feinen Urfprung nicht: verübte Gewaltthat, beſonders gegen ben recht⸗
mäßigen Herrn, nöthigt zur Landflucht 649 und fo wirb Iring in Thür
ringen zum Verräther an feinem König, erfchlägt dieſen und, über:
Inbener Weife, den Frankenkönig dazu, nah den beutihen Gebichten
aber bat er des Kaiferö oder des Herzogs von Lothringen Huld ver:
wirkt, wie er dann überall auch fliehend ſich als Held erweilt und mit
dem Schwerte ſich Bahn bricht, ift oben gezeigt worben; die Sternen:
firaße nach ihm zu benennen, war dennoch fein thüringiiches Helden:
thum wenig geartet, auch biebei muß zum weiteren Sinne feines Weſens
gegriffen werben, für ben irbiihen Weg der Heimatbflüchtigen, beren
Bertreter Iring iſt, ergab fich ein großartiges Gegenbilb in der Himmel:
fitaße, auf die derfelbe Name übertragen ward. Darf man aber von der
mittelalterlichen Borftellung, wonach diefer. unermeßliche Zug zahllofer
Sterne nicht bloß dem einzelnen Pilger, ſondern einem ganzen Heere
von Glaubensftreitern die Bahn vorzeichnete, auf die altgermanifche
Meinung zurüdichliegen, fo war hier die Iringſtraße das leuchtende
und weiſende Himmelszeichen für jene allgemeine Heertvanderung ter
Bölter, die aus ihren alten Wohnfiken in ungelannte Ferne drängten
oder getrieben waren 611,
63 Bergl. Zeitfchrift für dentſches Altertum 3, 198, 2. 202, 4.
9 1. 568: „des ſtarken Iringes ellen unde finer hergeſellen.“ 553:
„ellender man nie baz geranc.* 3, Grimm, Irmenſtraße 51: „do muoſten fi
cheren dan zum Hunen fluhticlichen.“ (Mus welcher Handſchrift der Mage?)
60 Bergl. die Berfolgung des flüchtigen Mörders im Bacharacher Blutrechte,
14te8 Jahrh.: „mit wofingefchrei, ınit glodenflange, durd den büfteren walt,
als lange bis in die ſchwarze nacht benam.“ Rechtsalterth. 879. I. Grimm,
Irmenſtraße 51: „Auch der altventfhe ring war ein entrinnender, land-
röumiger Miffethäter, ein fogenannter utlagr und vogelfreier Mörder.” (Vergl.
noch Nibelungen 1488, 2 f. 1492, 4.)
641 Berg. noch Hickenildestrete (Mythologie 3300. Camden -37) und
248
Auf den Wanderzug der Sueven felbft ift in dem lateinifchen Be
richte die Eage von ring und feiner Straße nicht bezogen, auch ver-
bürgen die jchwäbifchen Iringsberge eine Aneignung dieſer Sage fo
wenig, als die aus Ebur abgeleiteten Geſchlechts- und Drtönamen.
Unverfennbar aber ift die Iringsſtraße gemeint, und zwar merkwürdig
als irdifher Weg, wenn noch in einer Urkunde von 1489 ein Ader zu
DOfterdingen mitten in Schwaben bezeichnet wirb: „off Herrichs ftraß
gelegen“ 642, Auch darf nicht unberührt bleiben, daß die lekte und
mweitefte Suevenwanderung, die zu Anfang bes 5ten Jahrh. in Gemeins
Ihaft mit Weftgotben und Vandalen unternommene, genau benfelben
Meg nahm, der nachmals dem Kaifer Karl und feinem Heere am Stern
bimmel gezeigt ward. Gallicien, das Ziel der Jakobsſtraße, wurde der
Sitz des fpanifchen Suevenreichs, deſſen Ichter König Eburik hieß. Die
Nachrichten über dieſe faft zweihundertjährige Herrfchaft der Weſtſueven,
aus der Feder hifpanifcher Beiftlihen, find dürr und für die Eagen-
forfhung durchaus unergiebig. Eher vielleicht könnte fie an einen im
jpäteren Mittelalter auf gallicifchem Boden erwachſenen Mythenkreis
anknüpfen, wenn er in reineren Quellen erhalten wäre. Im Lande
Salvaterre, denen befannt, die in Gallicien fahren 643 (ven Jakobs⸗
Pilgern), auf dem Berge Montſalvatſch, ftand der Tempel und bie Burg
des heiligen Grals, Pfleger dieſes Heiligthums aber war ein fönigliches
Geichleht, in dem eine Reihe deutſch gemahnender Namen auffällt:
chemin de Brunehaut, beides irdifche Heerftraßen. Die Milchſtraße als Wohn-
ort der Herven, Macrobius in Ciceros somn. Scip. und Philopon. in Ariftoteles
Meteor. (Manil. Astronom. 1), ». d. Hagen, Irmin 30, 72a. 38, 103a.
St. Jakobs heroiſche Erjcheinung ebend. 39 f. Perez de Gusman, Valerio u. f. w.
(Salamanca 1587) S. 28 bis 30. 245. Auf einen Heerweg deutet auch die
malerifche Benennung der Milchftraße Broneldenftraet, wenn rau Hifde gemeint
iR (Mythologie 262 f. 1214 od. Bergh 117 verweilt nur auf Grimm).
62 Spital zu Tübingen Zinsbuch (handfchriftlih) von 1528, BL. 109.
In Rotenburg a. N. vormals und vielleicht noch eine Heringsgafle. In einem
Herrenberger Zins- und Gültbuch von 1470: „Herings lehen“ zu Haslach.
643 Titurel, Drud von 1477 (Bl. 166, 8): „Wer in Galitz if varende,
Der waift ſant falvator und Salvaterre.“ Hahns Ausgabe 306, 4: „Swer in
Galitz ift geweſen, der weiz wol fancte jalvator und Salvaterre* |öfter]. Bollks⸗
lieder 802, 25 (Jacobslied): „Den Yinftern Etern (Finisterre) wellen wir Ian
fan und mwellen zu Salvater ein gan, groß wunderzaichen an ſchawen“ u. f. w.
Die Straß zu fant Jacob u. |. w. 1520 (f. Anm. 684): „Ealvatera” u. f. w.
249
——
Titurifon, Titurel, Frimutel, Sigune; in der Wildnis unferne ber
Burg fit in den Äſten einer breiten Linde Jahre lang die jungfräus
liche Sigune, einen Todten im Schooße haltend, die unverblühte Leiche
ihres im Speerlampf gefallenen Geliebten, den fie durch ihren Klage:
ruf wieder ind Leben wecken möchte 614, gleich jener aud im Namen
anlautenden Sigrun unter den Suevenbergen, die am Arme des er
ihlagenen Helgi im Hügel ruht 48,
644 Barzival 188, 22 f.: „den fürſten töt DA vander der juncfroumen in
iv ſchöz.“ 141, 24: „nu minne in alid töten.“ 249, 14 fi.: „vor im üf
einer linden faz ein magt, der fuogte ir trime nöt. ein gebaljent ritter töt
lent ir zwiſchenn armen.“ Ziturel, Hahns Ausg. 5162: „Hey leben flimme zv
ſchricken. daz do mir bift fo tevre. Damit ich moht ergwiden. dir an leben
daz fügze und day geheore. Alfam der lewe fine fint die toten. Ivncfrowen zobtic
tunen. wolt ich zu liebe gar durch dich verſchroten.“
65 Sem. 168, 35: ;Nü kved ek enskis Örreent vera sid nd snimma
at Sevafjöllum, er bä & armi Ölifdum sefr, hvit ? haugi Högnadödttir!
ok ertu kvik in konungborna.“ Vergl. 166, 23. 168, 33 f. Die gleichen
Ramen find e8 allerdings niit; Sigfine (reimend mit brüne, Barzival 188,
17 f.) mag bei den mhd. Dichtern erſt in der Herlibernahme aus dem Alt-
franzöfifchen zum langen & gelommen fein und urſprünglich der weibliden Ab⸗
leitungsform ahd. (Sig-) un, unna, altn. yn, ynja (Gr. 2, 175. 819. 994.
1002 ahd. Hruadun) angehört haben, während Sig-rün ein zufammengefetter
Rame if, deffen zweites Wort in ahd. und alt. Frauennamen socia (colloquii)
bedeutet (Gr. ‚2, 517: Eigirfin); da übrigens dieſe Zufammenfegung mit rün
vorherrfchend im Norden gangbar ift, fo könnte eine ſueviſche Sigun zur Sigrün
bes Eddaliedes umgewandelt worden fein. Dagegen heißt Sigyn, Sigun
(Sig-yn) im nordifden Mythus die Gattin Lolis, die bei ihrem von den Ajen
gebundenen Manne fittt und das auf ihn herabträufelnde Echlangengift in
einem Beden auffängt (Sem. 7, 39. 69. Sn. 70), wozu Finn Magnufen
(Lex. myth. 423) bemerft: „Siguna (ni fallor) in Germanorum medii evi
romanensibus fabulis ac poömatibus celebratar nt fildissima uxor aut
amasin, sed humana tantummodo, et longe alio viro vel amatore gau-
dens.“ Mythologie BEI**: „Zit. 105, 4 heißt es merkwürdig: „Sign, diu
figebaft Af dem wal, da man welt magede kiuſche umd ir fliege.” Die nächfte
Str. 106 (Lachmann S. 408) fährt fogleih fort im deutfchen Wortjpiele mit
Gigiin und figehaft: „Din dir hät ane gefiget, du folt figenunft erflriten mit
dienfllicher triwe an ir” u. f. w. Auch das Hemd, das Sigime dem Geliebten
auf die Fahrt gab und von dem mohl aud das „Bleigertüchlin” ©. 217 ff.
feinen Urfprung hat, erſcheint nur im Geſchmacke des ritterlichen Minnedienſts,
gleichartig mit St. Georgen Hemde, das Wolfvietrih von Sigeminne (Mytho⸗
logie 1053), tann auch mit dem Schildbande, das Hromund von Svanhwit
250
2. Hauptvölker.
Die allgemeine Bewegung der germaniſchen Völker bewirkte nicht
bloß den Wechſel ihrer Wohnſitze und ihrer örtlichen Stellung zu ein⸗
ander, aus ihr ergab ſich auch eine burchgreifende Veränderung ber
Madtverhäliniffe, die Zerfegung alter Gemeinfhaften und die Bildung
neuer, das Verfchwinden Tangberühmter und das Auftauchen Taum oder
gar nicht vernommener Bollönamen. Wohl war der ſueviſch-alaman⸗
niſche Einbruch über den römiſchen Grenzwall im Südweſten, ſchon
gegen Ende des 3ten Jahth., von folder Stärke, daß er nicht bloß
augenblidlih Sthreden und Niederlage weithin verbreitete, ſondern
auch dem Stamm und Namen der Sueven nachhaltigen Fortbeftand
im neueroberten Lande ſicherte. Allein biefer Abſtoß war doch nur
ein Bruchtheil des großen fuevifchen Verbandes, ver in Altgermanien
als vorherrihende Macht 'gegolten hatte, aus dem frühe ſchon bebeu-
tende Glieder (Katten, Hermunburen, Lygier) felbftändig berbortraten
und neben den Sueven oder feindlich ihnen gegenüber genannt twurben,
der aber fortan nad allen Seiten bin fich auflöfte, auf weiten und
entgegengefegten Wegen ſich zerſtreute. Im Laufe bes 5ten Jahrh.
gieng ein ſueviſcher Zug mit den Banbalen die nachmalige Jakobsſtraße
weſtlich bis über die Pyrenäen, zahlreich genug, dort ein gallicifches
Suevenreih aufzurichten, die Sueven⸗Angeln aber jchifften in Geſell⸗
haft der Sachſen über die Norbfee und wurden Mitgründer der ger
manifchen Herrfchaft in Britannien; um bie Mitte bed 6ten Jahrh.
ftifteten die ſüdwärts abgezogenen Sueven-Langobarden ein zweihundert⸗
"jährige Reich in Uberitalien. Noch mehrfach erfcheinen wandernde
und angefiebelte Sueven mit ober unter anderen Völkern und zunächſt
der alten Heimath blieben jene nur über die Elbe worgerüdte Rorbfuaven
am Harze zurüd. Während aber al diefe Abflüffe altſueviſcher Volle
kraft in neuen Böllerverbindungen und Staatenbildungen aufgehn,
treten in das deutſche Reich, das ſich aus den Strömungen der lang⸗
andauernden Wanverflut emporhebt, die Sueven-Alamannen als einer
der vier Hauptftämme ein, die fi das Mittelalter hindurch in ihren
Herzogsgelchlechtern die Königswürde ftreitig machen: Franken, Sachfen,
empfangen bat (Fornald. S. 2, 373 f.), endlich ſogar mit Helgis Schwerte, der
Namengabe von Ewamwa- Sigrun.
251
Schwaben und Baiern, mit denen Anfangs noch die Thüringer Schritt
halten 6%. Waren altgermanifch die Sueven das hervorragende Bolt,
fo find e8 im Aufbau des deutfchen Geſammtreichs die Franken; von
ihnen hat auch dasfelbe zuerft ben Ramen und nach den mittelalterlichen
Rechtsbüchern ſoll der König fränkifches Hecht haben, von welchem
Land oder Schild er geboren fei 617. Die Gemeinichaft der Alamannen
ift, wie die altfuebifche, eine mehr im Stammgefühl, als im ftaatlichen
Verband haftende, wielberrfchaftlihe, an ihrer Spite ſtehen in Mehr:
zahl Herzoge oder fogenannte Könige (duces, reges, reguli) 648; bei
den Franken dagegen ift alles Streben auf einheitlihe Staatägemalt
gerichtet und der anfteigenbe Herrſcher rottet Die eigene Berwanbtichaft
aus, um allein die Zügel in der Hand zu halten und fie ebenfo feinem
Nachfolger zu überliefern 94, In Chuodomars Alamannenbeere müfjen
beim Beginn der Schlacht die Häuptlinge vom Pferde fteigen, damit
fie das Schickſal des mistrauenden Fußvollks theilen 550, der Franken⸗
646 Stälin 1, 334, Anm. 2 und 3. Schwabenfpiegels Landrecht 120: „von
vier landen.” |
67 Dtfried, bei Graff S. 1 [bei Kelle ©. 3. H.]: „Ludouuig, ther fnello
n. ſ. w. er öſtarrichi vihtit dl. fo frankono Hining fcal. Ubar frantono
lant. fo gengit ellu fin giuualt.“ Diut. 2, 370: „Germania, franchono
Iant.” Ecmeller 1, 615. Schwabenſpiegels Landrecht 123 6: „Alfe der künig
erweit wirt. von fwelen landen er geboren if. daz reht hat er verloren.
vnd fol haben frendiches reht. von fmweler geburt er geberen if. daz reht hat
er ouch verloren. vnde fol haben frendiches reht.“ Sachſenſpiegel 3, 54, 84:
„Die toning fal hebben vrenkeſch recht, fuenne be gefoxen is, von fvelfer bord
be of fi, wanne alfe die vranke finen lif nicht verwerlen ne mach, he ne werde
in her hanthaften dat gevangen, oder yme ne fi fin vrenleſch recht verbelet, aljo
ne mach deme foninge neman an fin Iif fprefen, yme ne fi dat rile vore mit
ordelen verdelt.“
8 Stälin 1, 157 f. Mone, Urgefchichte des babifchen Landes 1, 811 ff.
Mertel, de republ. Alam. S. 4 fg. 26, IU, 1.
69 Löbell, Sregor von Tours 164 u., f. 227. 268.
6 Ammianıs 12, 16 [S. 157]: „subito Alamannorum peditum
fremitus indignationi mistus auditus est, unanimi conspiratione voci-
ferantium, relictis equis secum oportere versari regales, ne si quid. con-
tigisset adversum, deserta miserabili plebe facilem discedendi copiam
reperirent. Hoc comperto, Chnodomarius jumento statim desiluit, et
secuti eum residui idem facere nihil morati, nec enim quisquam ambi-
gebat, partem suam fore victricem.“ |
— — — — —
könig Chlodowig ſchlägt im Angeſichte feines ganzen Heeres mit ber
Streitart den Kriegsmann zu Boden, der fein Loos an ber Beute, ein
Kicchengefäß, auf altes Frankenrecht trogend, herauszugeben verweigert
bat 651. Gtraff im Innern angezogen und jeden Zuwachs von außen
feft an fich Inüpfend, mufte dieſe Gewalt in einer Zeit gährender und
zu neuer Geftaltung bdrängenber Kräfte über jede zerfahrene, in fid
u fihre Macht entfcheivenves Übergewicht erlangen.
Die Schwaben haben ihren alttundbaren Namen behauptet, wenn
er auch eine Weile durch den der Alamannen in Schatten geflellt war;
Sadfen, Franlen und Baiern werden erft fpäter lautbar, aber bie
Völker felbft griffen zuvor fchon thatkräftig in die deutſche Gefchichte
ein, als Cheruster, Sigambern, Markomannen 832, Unter diefen alten
Namen; in den früheren Wohnfigen oder in Heerhaufen, die von da
ausgeben, befinden fich die nachmaligen Hauptvölfer verfchiedentlich ſchon
Säfarn gegenüber in Streitgenoflenfchaft oder Grenznachbarſchaft; in
Arioviſts Heere Marlomannen und Sueven, weiter unten am Rheine,
wo Säfar den Strom überfchreitet, Sueven, Cheruster, Sigambern 653,
Am merlwürbigften aber ftehen alle vier in den Waffen, als fünfzig
Sabre nachher Drufus in Germanien einbringt. Die Kriegsgeſchicke
biefes jugendlichen Helben find bei den römischen Gefchichtfchreibern
jelbft in. jagenhaftes Licht gehoben und es läßt fich dabei felbft ber
Einfluß germanifcher Vorftellungen mutbmaßen. Drufus iſt fühn genug,
im friefifchen Meere die Eäulen des Hercules, von denen ihm gefagt
war, aufſuchen zu wollen, aber der Dcean widerſetzt ſich dem Erfor:
chen heiliger Geheimniſſe 654. Waren es Gebirge des höbern Nordens,
61 Gregor. Zuron. 2, 27: „Quo mortuo reliquos abscedere jubet,
magnum sibi per hanc causam timorem statuena.“ (Lübell 212 ff.)
6% Liber das erfle Vorkommen der drei neueren Namen |. Beuß 150
(Saxones). 326 (Franci). 866 (Baiuvarii), über die Gleichheit der Böller
ebend. 380 ff. (Saxones = Cheruseci). 826 }. (Franci = Sigambri). 364 fi.
(Baioverii = Marcomanni), vergl. Zeuß, Die Herkunft der Baiern von ben
Marlomannen u. |. w. Münden 1889. Sprachg. 624 f. 520 fi. 504 f.
653 Säfar, bell. gall. 1, 51: „Marcomannos u. ſ. w. Suevos.“ 4, 19:
„Suevos u. |. w. Sigambros.“ 6, 10, 35: Sueven, Cherusfer, Sigambern.
Sueen und Sigambern zufaminengenannt in der consol. ad Liviam 13. 311.
(Sprachg. 521 u.)
654 Tacitus fpricht Tavon im feierlihem Tone, Germ. 34: „Ipsum quin
J
253
bie von ber Anfahrt des Donnergotts erzittern 6557 Warnende Vorbedeu⸗
tungen feßen feinem Heerzug im innern Lande an den Ufern ber Weſer ein
Biel. Hier läßt fich ein Bienenfchwarm an einem Sauptzelte nieder und
bedeckt die davor aufgeftedtte Lanze ®5%, ein altrömifches Vorzeichen und
body dasfelbe, das noch vor der. Sempader Schlacht Herzog Leopolds
Waffen anfliegt 657; ernſter noch iſt die Erſcheinung des germanifchen
Meibes von übermenſchlicher Größe, das ibm Halt gebietet und fein
nabes Ende weifiagt 658; er ftirbt an einem Sturz mit dem Pferde
und der Eigelftein zu Mainz fol ein Denkmal feiner Siege fein 69°.
Sn feinen Tagen war, nach Florus, in Bermanien folcher Triebe, daß
die Menſchen umgewandelt ſchienen, das Land ein anbres, der Himmel
felbft milder und weicher als fonft 660, Derfelbe redneriſche Schrift:
etiam Oceanum illa tentavimus. et superesse adhuc Herculis columnas fama
vulgavit: sive adiit Hercules, seu quidquid ubique magnificum est, in clari-
tatem ejus referre consnevimus. nec defuit audacia Druso Germanico: sed
obetitit Ocearus, in se simul atque in Herculem inquiri mox nemo tentavit:
sanctiusque Ac reverentius visum, de nctis deorum credere, quam scire.“
655 Sem. 67, 55: „Fiöll öll skielfa, bygg ek & för vera heiman
Hiörrida.“
6 Div 45 [Masc. 1, 67 A.]. Zul. Obfequens, de prodig. 1, 132 (ver-
muthlich aus Livins): „In Germania in castris Drusi examen apum in
tebernaeulo Hostilii Rutilii, castrorum prefecii, consedit, ita ut funem
pretendentem prefixamgne tentorio lanceam amplecteretar. Multitudo
Romanorum per insidias gubacta est.“
657 Livius 21, 46: „Apud Romanos haudquayuam lanta alacritas erat,
super cetera recenlibus etiam territos prodigiis. nam et lupus intraverat
castra, Janiatieque obviis ipse intactus evasernt. et examen apum in ar-
bore pretorio imminente eonsederat.* Bergl. ebend. 24, 10. 27, 28. Halb»
faters Sempader Lied (Wadernagel, Leſebuch 1, 921): „bo fam ein imb ge-
flogen, in blinden er gniftet bat: be ans herkogen waffen er flog, als do
- "der jelbig herkog wol für die linden z0g. „Das bitet frömbde zefte”: fo redt
der gmeine man.” Florus 4, 2 (6, 286): „examina in signis.“ Vergl. S. 3593.
8 Dio 65, 1 (Mythologie 375). Suetonius, Tib. Claud. 1: „Hostem
etiam frequenter cesum ac penitus in intimas solitudines actum, non
prius destitit insequi, quam speciea barbares mulieris humana amplior
vietorem tendere ultra sermone latino proliibuisset.“
5 Mascon 1, 68 f., U. 8. Moptbolugie 349. Weisthlimer 2, 744.
(Schwert. zu Mainz?)
660 Florus, rer. rom. 4, 12: „En denique in Germania pax erat, ut
mutati homines, alia terra, cœlum ipsum mitius molliusque solito videre-
254
— —
fteller gibt aber zuvor auch eine Kriegsmaähre, in der feines jener vier
deutſchen Volker fehlt:
Nachdem Druſus mit ausgezeichneter Kriegsbeute von den Marko⸗
mannen einen erhabenen Hügel als Siegesmal aufgeſchmückt, greift
er die gewaltigſten Völker, Cherusker, Sueven und Sigambern, zugleich
an. Dieſe haben zwanzig römiſche Hauptleute verbrannt und unter
folder Weihe den Krieg unternommen, mit fo zuverſichtlicher Sieges⸗
hoffnung, daß fie zum voraus bie Beute vertragsmäßig getheilt: die
Cherusker haben die Pferde gewählt, die Eueven Gold und Silber,
die Sigambern die Gefangenen. Aber Alles geht umgekehrt: Drufus
ift Sieger, ihre Rofje, Herden, Halsketten, fie felbft ala Beute ver
tbeilt und verlauft er 661,
BVoreilige Theilung der Beute, wie fie Gregor von Tours auch
den Sadjen bezüglich der juenifchen Frauen zuſchreibt 662, iſt nad»
mals in deutlicher Heldenfage ein beliebter Scherz. Wolfdietrich. begegnet
mitten im Walde zwölf Schächern (Räubern), die fich fogleich jeber
- fen Theil an ibm auserfehn: dem erften ſcheint der Lichte Schild
in die Augen, der zmweite will das Rofs haben, der britte den Helm,
ber vierte die Eifenhofen, der fünfte das Schwert, der fechfte bie
Platte, der fiebente die Roſsdecke u. ſ. f., da e8 aber am eilften,
Thon ausgeht, fo verlangt ber zmwölfte, daß, wie fie doch ſämmtlich
ihr rothes Blut wagen müflen, auch Alle gleichen Theil empfangen,
und jo wird auch befchlofien; allein der Held ftredt fie der Reihe nad)
zu Boben und fpottet dann: „Nun feib ihr Alle zu gleihem Theil
tar.“ Horatins, carm. 4, 14, 51 fg. (ad Augustum): „Te cede gau-
dentes Sygambri compositis venerantur armis.“ (Bergl. carm. 4, 4.)
wi Florus 4, 12: „Nam Marcomannorum spoliie insignibus quendam
editam tumulum in trophei modum (Drusus) excoluit. Inde validissimas
nationes, Cheruscos Suevosque et Sicambros, pariter aggressns est: qui
viginti oenturionibus concrematis hoc velut sacramento sumserant bellum,
adeo cerie viclorie spe, ut predam in antecessum pactione divi-
derent. Cherusci equos, Suevi aurum et argentum, Sicambri captivos
elegerant. Sed omnia retrorsum. Victor namque Drusus equos, pecora,
torques eorum ipeosque preda divisit et vendidit.“ (Beuß 94. Gtälin
1, 10, % 5. Sprachg. 521. 565 u., f. ob. Zum Menfchenopfer vergl.
Tacitus, ann. 1, 61.)
62 Uregor. Turon. 4, 43; f. ob. Anm. 569.
255
gelommen“ 668, Ebenſo reitet Wittih, Wieland Sohn, einer Stein
brüde zu, an der zwölf Kämpen räuberifchen Zoll einfordern; von den
Binnen ihrer Burg jehen fie den Ritter heranlommen und Jeder nimmt
fich ſchon fein Theil: Waffenftüde, Roſs, Gewand, Schatzgurt (fegyrdil,
wohl vasfelbe, was Wolfdr. Frankf. Hof. BI. 101 a: „fin ftarles yſen
jlos.”), jelbit eine Hand, einen Fuß, der Letzte das Haupt; aber auch
fie verrechnen fi, fie werben erfchlagen und ihre Burg verbrannt,
nachdem all ihr angefammeltes Gut, Gold und Kleinod, weggenommen
iſt 664, Dieſe Theilungen find mit gutem Bebachte zugeſpitzt, fle fchla-
gen jämmtlich ins Widerfpiel um, der gleiche Theil wird fpottiweife zu-
gemeflen, in der Wahl der Etüde felbft zeigt ſich ein Fortichritt won
Hab’ und Gut zu Leib und Leben. So find auch bei Florus die Ge:
fangenen das britte Loos und es mag nicht bloßer Zufall fein, daß
den Eigambern, dem nachmals herrſchenden Franken, eben diefe Wahl
zugeſchrieben wird, die auf die Berfon des Feindes geht, mit deſſen
Bewältigung auch alles Andre gegeben ift. Die vorjchnell Theilenden
find bier ganze Völker, die drei mächttgften, und es fcheinen damit
frühe fchon jene Wahrzeichen angeveutet, welche nachmals die deutfchen
Hauptflämme im Guten oder Böfen einander reichlich zuerkennen.
Näher tritt dieß in einer Sage, die freilich nur noch aus weit abge:
leiteter und trüber Quelle, Tritenheims übelberufenen Frankengeſchichten
vom Anfang des 16ten Jahrh., geichöpft werden kann:
Die Alemannen, auch Sueven genannt, waren ſchwer von ven
Römern bevrängt und riefen deshalb die Franken, Thüringer und
Sadjfen zu Hilfe. Der Frankenlönig Chlodomer ſchickte fofort ein ger
cs Wolfdierih, Frankfurter Handſchrift BL. 995 f. Schluß Bi. 102:
„Er fpot(et) ir mit fchalle, als wir es hant vernomen, er ſprach: nu fint
ie alle zů glichem teil befomen.“ (Heldenbuch, Hagenam 1509, Bl. nitij b fi.
fo. d. Hagen, Heldenbilder 81].) Kürger im Wolfdietri der Amıbrafer Hand-
ſchrift [S. 85]: „Wie Er die Schacher ſchlüg in dem Walde.“ Kaſpar von der
Aön Str. 199 ff.; dort find es unpaffend 50 Räuber und werben 24 erjchlagen,
Bier 40 und 20. [Der große Wolfvieterich, herausgegeben von A. Holtınann.
Heidelberg 1865. 8. Strophe 840 bis 864. 9.)
“ Wilk. 8. 6. 35 f. ®Bergl. Sagen om Didrik af Bern C. 82 big 89.
Eigenthümligde Behandlung des Räuberlampfs: „Li Monisges Guillaume“
8. 443 fi. (T. Hofmann, fiber ein Fragment des Guillaume d'Orenge,
Ringen 1851, ©. 21 fi.)
256
waltiges Heer unter feinem Bruder Genebald, aud die Könige der
beiden andern Böller lichen es nit an Hilfsmacht fehlen und bie
Römer murben mit ungeheurem Berlufte gefchlagen. Als nun bie fieg:
baften Deutſchen im Lager berfümmlicher Weife die Beute theilten,
beffuldigte ein Sueve, Adelbert, einen Thüringer, Gunther, etwas
von dem gemeinfamen Gute heimlich entwendet zu haben. Dieler läugnete
und jener erbot fi zum Beweiſe durch Zweikampf, -ben auch tie
Führer zuließen. Im ziveiten Gange fiel der Thüringer und bei Ent
Heidung feiner Leiche fand man das Geftohlene. Über biefe Beſchä⸗
mung waren die Thüringer höchlich entrüftet, verbargen zivar ihren
Ingrimm, aber 120 aus ihrer Mitte beichlofien, Rache zu nehmen.
Sie überfielen in der folgenden Nacht das Zelt, darin fie" den Adelbert
vermutheten, und verlangten, tab ihnen ber Mörber zur Vergeltung
audgeliefert werbe. Die Sueven, entfchloffen, ihren unfchuldigen Ge
noffen zu ſchützen oder mit ihm zu fterben, ſtürzten fih auf bie
120 Thüringer und erfhlugen fie faft ale. Darüber erhob ſich am
Morgen ein allgemeiner, blutiger Kampf zwiſchen beiden Völkern. Die
Thüringer, ſoviel ihrer übrig blieb, flohen in das zwei Meilen ent:
fernte Lager der Franken, die fo wenig als die Sachſen vor gefchebener
Sache davon gewuft hatten. Die Führer ber zwei leztern Heere
ſuchten Frieden zu ſtiften, brachten aber nur einen Waffenſtillſtand
auf drei Jahre zu Stande. Von dieſer Zeit an blieb zwiſchen Sueven
und Thüringern ein heimlicher Groll, obgleich Viele die Urſache nicht
mehr wiſſen. Nach Ablauf der dreijährigen Friſt ſagten die Alemannen
den Thüringern den Krieg an. Dieſe, ihrer Kraft mistrauend, ſuchten
Hilfe bei Chlodomer, der ihnen jedoch die eigene Gefahr von Seiten
der Römer und Gallier, ſowie die große Entfernung der Alemannen
von den Franken entgegenhielt, da erſtere den Urhab, letztere die Mün⸗
dungen des Rheins innehätten. Die Boten erwiderten: die Thüringer
befiten ein breites, fruchtbare und angenehmes Land, von welchem
König und Boll das befte Stüd, an den Ufern des Mains gelegen,
ben Franken abtreten wollen, damit diefe ihnen, den Thüringern, eine
Mauer und den Alemannen eine Grenzmark werden. Dieß Erbieten
fand Beifall und demnächſt zog eine mächtige Frankenſchaar, Gewaff⸗
nete, Aderbauer, Werkleute, mit rauen, Kindern und aller Habe
unier Gencbalds Befehl vom Nieberlande herauf und nahm freudig
257
von dem verheißenen Gebiete Beſitz. Als aber die Alemannen vernah⸗
men, daß zwiſchen ihnen und den Thüringern die Franken ſich am
Maine nievergelaflen, erſchraken fie, ſchickten an Genebald Botfchaft
um Frieden und ftellten den ganzen Hader mit den Thüringern in fein
Ermeflen. Ebenfo thaten auch diefe und damit war der große Zwie⸗
Ipalt durch Genebalds Klugheit beigelegt. Der Dirt, mo die neuen
Anlömmlinge fich zuerft nieverließen, bieß ehemals „Lunaw“, jebt iſt
dort die fränkische Stadt Wirzburg 86°,
Tritenheim ſetzt diefe Borgänge in die Jahre 312 bis 316 n. Chr.;
Chlodomer ift ihm der 36fte in einer Reihe fränkifcher Könige, die vom
Sahr 440 v. Chr. an läuft, von ber aber die Geſchichte nichts meiß.
Geſchichtlich erjcheint der Name Chlobomer erſt als ein merowingifcher im
6ten Jahrhundert. Genebald, dem ein Eohn Marcomer zugetheilt wird,
ift gleichnamig mit dem beglaubigten Genobaudes, der gegen Ende bes
4ten Jahrh. mit den Brübern Marcomer und Sunno die Franken bei
einem den Römern furdtbaren Einfall am Niederrhein anführt 666, allein
bei Tritenheim kommen drei Brüder Genebald, Marcomer und Sunno
wieder bejonders als niederfränkiiche Herzoge im Anfang des Sten Jahr.
vor und auch fonft Spielen dieſe Namen verjchiedentlich in feinen Königs:
und Herzogsreihen 667. Als feine Hauptquelle für bie Zeit bis zum
665 De origine gentis Francorum compendium Joannis Tritenhemii
abbatis, ex duodecim ultimis Hanibaldi libris, quorum sex primos Wast-
balldus conscripsit, ab introitu Sicambrorum, ad partes Rheni in Ger-
maniam u. |.w. (Joh. Trithemii u. f.w. prime partis opera historica u. |. w.
Trantfurt 1601, Fol.) S. 74 fo. Ej. Compendium sive breviarium primi
voluminis annalium sive historiarum, de origine regum et gentis Fran-
eorum u. |. w. (Bueignung von 1515, ib.) ©. 24 bis 26. Am Ende des
Buchs de orig. (S. 99) fteht die Jahrzahl 1514, am Schluß der Zueignung
des compend. 1515. Letzteres ift übrigens, namentlich auch in obiger Er⸗
zähfung, ausführlicher und im Drude vorangeftellt. Löbell (484, 1) fieht die
orig. fiir einen Auszug des compend. an, fie geht aber viel weiter in der Beit,
bis auf Ludwig den Deutichen, während dag compend. mit Hilderich, dem letzten
Merowingen, fließt.
666 Sulpic. Alerand. bei Gregor. Zur. 2, 9. Claudianus, de land. Stilie.
1, 241 biß 245: „Marcomeres Sonnoque m. f. w. fratres.“ Beuf 340 f.
DMatcou 1, 311 f. (Tragiſches Geſchick der beiden Brüder.)
67 Orig. ©. 79: „Eodem anno (403) Marcomerus et Sunno duces et
fratres Genebaldi Francise inferioris mortui sunt“ u. ſ. w. Vergl. Compend.
Upland, Schriften. VIII. 17
258
Tode des Chlodoveus bezeichnet er Hunibalde, eines Zeitgenofien des⸗
felben, zehen Bücher fränkifcher Gefchichten 5686. Auf dieſen Gewährs⸗
mann beruft er fich beſonders auch zweimal in der Erzählung vom
Gtreite der Schwaben und Thüringer 69%, Der Franke Hunibald aber
fol für fein Tateinifch verfaßtes Werk aus Liedern und Schriften der
Priefter feines Volks geihöpft haben 670%, Hiernach follte man, wenn
S. 33, 17 ff. Anderes weilt der Inder unter diefen Namen nad. Unter
feinen Gewährsmännern, jedoch erſt flir die Beit, bei welder Hunibald abbricht,
nennt Zrithemius, comp. ©. 42, auch den Gregorius, archiepisc. Turonensis.
68 Compend. ©. 2: „ls [Hunib.] etenim solidus Frencorum historio-
graphus clarnit iu humanis Clodovei regis, quem sanctus Remigius, præeui
Romanorum, baptizavit, temporibus, anno dominice nativitatis quingen-
tesimo; et scripsit post Doracum, philosophum, Wastlaldum, historicum,
et alios plures rerum gesterum antiquissimos scriptores insigne opus,
quoı iA libris decem et octo distinxit. In sex primis gentis Francorum
primeram deducit originem ab excidio Trojano usque ad mortem Ante-
noris regis, quem Scanziani, Gothi, Suecique sive Suedi, eircn Dunubii
ostia Interfecerunt, anno videlicet ante Christi nativitatem quadringente-
simo quadragesinıo. In aliis vero sex libris tempns compleclitur ab in-
teritu regis Antenoris memorali usque ad Faramundum, regem Francorum,
eecundi ordinis quadragesimum tertium. A Faramundo reliqui sex libri
continuantur usque nd ultimum annum Ciodovei, primi ex regibus Fran-
corum christieni, qui obiit anno dominice nativitatis quingentesimo quarto-
deeimn.“ ©. 4: „Quantas vero difficultates in itinere habuerint (die Bor-
väter der Franken), qus bella cum obsistentibus sibi populis gesserint
quantaque pericula vel inciderint, vel evaserint, si quis ad plenum secire
desiderat, memoratum scrintorem [Hunib.] legat in libro historierum
gentis Francorum, cujus initia sicuti sunt miranda. sic mihi videntar
(salva pace judicantium melius) in pluribus esse fabulosa.* (Der Name
Hunibald findet fi im Cod. Lauresh. 1, 26, a. 770. „Qunbald“ in der
Urkunde des Cod. Wizeburg bei Maßmann, Abſchwörungeſormeln 183. Bei
Neugart. „Hunpolb.*)
68 Orig. ©. 25: „Ab eo tampore Sueros Doringi semper de perfidia
habuere suspectos et usque in pressentem diem (ut Ilunibaldus loquitur)
occulto et manifesto in eos Odio laborant, cum plures caussam mulus
nesciant insectationis hujus.“ ©. 26: „Exiverunt gutem [Pranci] non
simul ung vice Omnes, sed Successive per turmas, die præscripto inci-
pientes, donec tandem in mense Septembri nuınerum complevere pre-
signatum, Hunibaldo Francorum testante historico.“
#0 Compend. ©. 4. „Usque in hunc annum (a. Chr. 412) Wasthald
Seytha, sive Sicamber, patrio sermone, historierum opus gentis sus
259
nicht Tautere Geſchichte, doch um fo reicheren, uralten Sagenſchatz erwarten
dürfen. Leider jedoch bietet dieſer tritenheimtiche Hunibald nidt ein
Dentmal aus Chlodwigs Tagen, fontern einen fpäten, felbft mit
einigen deutſchen Säben in niederrheiniſcher Mundart etwa bes 1Bten
Jahrh. 671 ausgeftatteten Verſuch, bie Zeit vom trojanifchen Urfprung
deduxit, per annoe plus minus D. CC. LVIII. ab excidio ineipiens Trojano,
in quo varias geperis sul mansiones describit et sedes, duces quoque et
bella, reges et eörum gesta diversa per ordinem. Post quem Hunibald
Frencus ex carminibus et scriptix flaminum, gentis Francorum continuavit
historiam per annos D. CCCC. XXVI. usque ad ultimum regis Clodovei
annum, qui primus ex regibus Francorum fidem Christi suscepit, a sancto
Remigio beptizatus, anno domini COCC. XCIX.“ S. 20 fg.: „Eodem
anno, quo Severus in Britannia fait a Fulgentio peremtus, Sunno, rex
Fraocorun: , Germanis et Saxonibus auxilia ferentibus, transmisso flumihe
apud castellum Delonum, Gallias vastavit depopulatayue regione per
geyrum spoliisque ditatus .remeavit vietor. Reliqua vero, quæe magnifice
et pace gessit et bello, Hildegast, philosophus Francorum vatesque insignis,
earmine Germanico et post eum Hunibaldus prosa descripsit sermone
Letino, de quibus et nos in primo annalium diximus. Moritur autem
Sunno, rex Francorum, anno regni sui octavo atque vicesimo, dominice
vero nativitatis CC. XIII. indietione Romanorum sexta.“ ©. 28: „Hilde-
gast etiam, sapiens Francorum memoratus, nobilium filios docuit in citha-
ris et in variis aliis instrumentis musicie, gesta majorum carminibus
lingua decantare materna“ u. j. w. ©. 8: Heligastus. ©. 9: Busanus,
Amerorlacus. S. 19: Vechtanus,
671 Compend. ©. 8: „Hinc prorerbium exivit inter Sicambros, ut
quoties alter ab altero vidisset seu audisset aliquid legi contrarium,
dicebat: „Hort opp, !ieff man! kent gy nit dy grote funig Bafan?* (S. 7 u.
Basangoth) ©. 13: „Sicambri autem, sub eorum rege Franco audacissime
dimicantes, nomen sui ducis Franci Quasi numen quoddem crebrius
vociferanies, clamabant: „Sie Frand, Hie Franck.“ ©. 14: „Ex eo tem-
pore Bicambri, priscum nomen deponentes, regis anıure sui Francos sese
naseupare coöpernnt. Enimvero, Hunibaldo testante, non solum proceres,
sed milites quoque omnes et universus totias gentis populus, ipsa novitate
nominis usquo adeo fuerunt delectati, quod regem precibus inducerent,
quatenus edicto publico sanciret, eos deinceps perpetuo non Sicambros,
sed Francos fore dicendos. Quod rex tanto libentins constituit, quo
nominis imamortalitatem sut cupidius amavit. Dicti sunt igitur Franei,
qui prius ab aliis Sicambri, ab aliis dicebantur, foederis ratione, Ger-
imani. Et mirum quidem in modum gloriabantur noritate hnjus vocabnli.
quippe qui multie deinceps temporibus, quoties mutuo sibi Ooccurrissent,
260
ber Franken bis zu den geſchichtlichen Meromingen mit einer Langen
Folge erträumter Könige, druidiſch und römiſch zugeſtutzter Prieſter,
Sänger und Weiffager, mit bebenflichen Erflärungen ver Volks⸗ umd
Drtönamen, dann mohl aud mit fpärlichen Bruchftüden urkunblicher
Geſchichte und vollsmäßiger Überlieferung auszufüllen 672, Bon biefer
letzten Art ift die ausgebobene Grenzſage. Sie bildet, auch in Stil
und Haltung, ein Seitenftüd zu der ſueviſchen Wanderfage 673. Auch
in ihr fpiegelt ſich eine vollsgefchichtliche Thatfache: die Einſenkung des
oftfräntifchen Keils zwiſchen Thüringern und Aamannen. Wann. and
unter welchen Umftänden biejes Ereignis ftattfand, davon gibt es bei
den Gefchichtichreibern Teine ausbrüdlihe Meldung. Noch über bie
ita salutabant: „Ein guten tag, fryer Frand!“ &, 22: „Hinc Germani su-
mentes proverbium, qguoties viderunt aliquid vetusta simplicitste fabre-
fectum, sive depictum, sic laudantes antiquitatem dicere consueverunt:
„Das ift ein gut alt Frändifch Werd.” Orig. &. 74: „Quod cum nanciatum
fuisset in castrie Thoringorum, mox in furorem coneitsti, mane diluculo
in Suevos prosiliunt, cum insania voeciferantes: O gy verreverß böswidt!“
(Compend. 5: „Ecce Camber u. f. w. Si Camber“ u. ſ. w. ib.: „qui
prius Novimagi, idest Neumage, quasi novi cognati dicebantur a Saxo-
nibus, deinceps vocabantur Sicambri“ u. f. w.)
672 Über den vielbefprochenen Hunibald f. Löbell a. a. O. 484 ff. Trithemius,
von feinem Geburtdorte Tritenheim an der Mofel fo genannt, vieljähriger Abt
zu Spanheim am Hunbsrüd, zulegt und zur Zeit ber Abfaffung des compend.
und der orig. Abt des Klofters St. Jakob in der Borftabt von Würzburg, war
ganz in ber Stellung, fi an der Geſchichte der nieberrheinifchen wie ber
Mainfranken gleich lebhaft zu betheiligen. Dieß jchließt aber keineswegs aus,
daß ihm bei dem größeren Werke, wovon daß compend. eben nur ein Auszug
if, nit ein bereits mit dem Namen Hunibald geftenpelter Zuſammentrag
fabelhafter Srankengejchichten vorlag. Es wäre doch der Mühe werth, dem
„Exemplar der Chronik des Abtes Tritheim, von dem Berfafler eigenhändig
geſchrieben“ (Willen, Heidelberger Bäerfammiungen 216 [vergi. 137]), auf
der Milnchner Bibliothek nachzuſpüren. Joh. Trithemius u. f. w. ine bie
graphifche Skizze von Ph. 5. Horm. Würzburg 1813. Drud von C. A. Zürn.
40. [Silbernagel, Johannes Trithemins. Eine Monographie. Laudshut
1868. 8, 9.]
673 Bon Freher erhielt Goldaſt das Stüd de orig. Suevor., |. oben Aum.
545, Freher gab aber auch Zritenheims Werte herans (1601), theils ans
älteren Druden, theils auch Handſchriften, wie der Titel befagt. Nachzufehen
wären noch: Viror. doetor. ad Melch. Goldast. epistole ex bibl. H. G. Thy-
lemanni, Francf. et Spire 1688. 4. Willen 128. Bodmer, Minnef. 1, ZVIL
261
Mitte des sten Jahrh. ftehen die Burgunden am obern Main und find
dort mit den Alamannen im Grenzſtreit begriffen, wovon in jener
fuenifhen Wanderſage fi Spur gezeigt hat 67%; im Anfang bes fols
genden Jahrh. aber erfcheinen fie an und über dem Rhein und auf
ihren Abzug aus dem Mainland if wahrfcheinlidh die fränkifche Befie
nahme erfolgt 67%. Das iſt nun ungefähr die Zeit, für welche Geno-
baubes, Marcomer und Sunno als fränkiſche GHeerführer gegen die
Römer am Nieberrhein bezeugt find 87%, und aus ben unten Rhein:
landen führt auch Tritenheims Genebald die Franken in den Maingau.
Der geichichtlihe Name kann gleichwohl von der Sage abgelöft werben,
in bie er auf gelehrtem Wege, aus Gregor von Tours, Eingang ges
funden zu haben fcheint 677, Die Vollsfage bat, eben in Ermanglung
geſchichtlichen Willens, durch lebendige Handlung anſchaulich gemacht,
wie es lam, daß bie Thüringer über den Wald, die Schwaben über
den Main geiviefen find, die Franken aber fich auf dem fchönen Land⸗
ftreif zwiſchenein gelagert haben, und fie hat ben erfien Anlaß biefer
Handlung den Eigenichaften entnommen, melde bie beutichen Völker
in Schimpf und Ernſt gegenjeitig einander zufchoben. Dergleichen
findet man in mittelalterlichen Gedenkverſen, lateiniſchen und beutfchen,
zulammengeftellt 68 und in einem ber erftern beißt ed: „brei Diebe find
gleich einem Sad und zwei Thüringern” 97%. Dazu ftimmt nun, daß
674 Anm. 586. 587. Die Nachrichten Ammians betreffen die Jahre 859 und
370 (aud) noch 871. 374, Beuß 846).
65 Zeub 346 f. 468 (412. 413). Stälin 1, 144. 145 u. Bergl. 150.
676 Yum. 666. (Zeuß 840: „Segen das Ende des Jahrhunderts“ u. ſ. w.)
5 Anm. 667. (Zum Namen Genobaudes |. Sprachg. 539.)
678 Bergl. Mone im Anzeiger 7, 607 f. W. Wadernagel in der Beitichrift
für deutſches Alterthum 6, 254 fi.: „Die Spottnamen der. Völler. “
69 Mone a. a. D., aus And. Gartneri proverb. dicteria, Cod. Monac. O. 27:
„Sunt fares trini: saccus binique Thuringi,
hospitat invitus vagos, aed honeste chorizat,
halec assatum Thuringis est bene gratum,
de solo capite faciunt sibi fercula quinque.“
Bei Langebel, Scriptor. rer. danie. 1, 71 ſteht nur ber erſte Bert, in andern
Berbindungen:
„Sunt fures terni saccus biniqve Tyringi.“
Bu „honeste chorizat® vergl. Barzival 689, 7 ff.:
„da was werber knappen vil, wol gelert üf feitfpil.
262
der Thüringer Gunther eın Stüd von der gemeinfamen Kriegsbeute ent»
wendet. In demfelben Spruche wird aber auch geſagt: „Suevien bridt
Verheißungen um ein Geſchenk“ 680, Dieß geftattet bier ſoweit Anwendung,
als der Schwabe fich nicht ſcheut, um eines fo Kleinen Beutetheild willen
befreundete Heere, was auch betont wird, in ben Harnifch zu jagen; bie
Thüringer rufen ben Schwaben zu: „O ibr verräthrifche Böjewichte !” und
baben fie von biefer Zeit an im Verdacht der Treulofigleit 81, Schon
bei Florus kann darin, daß die Sueven in der Beutetheilung Gold und
Silber wählen, ein Anzeichen ver Habſucht liegen. Der Streit um geringen
Gegenſtand (querelle d’Allemand) zieht immer weitere Kreife, der Bor:
wurf, der Einen Volksgenoſſen trifft, wird von den Volksheeren blutig
ausgefochten. Die Franken und die Sachſen treten nicht in ven Kampf
ein, aber Jene, wie fie einft ala Sigambern das wichtigſte Beuteftüd,
die Gefangenen, ind Auge faßten, ziehen jebt als Vermittler und Herr:
ſcher vom ganzen Haber ben Gewinn, die Erftredung ihres Gebiets
zwiſchen bie zwei ftreitenden Völker und den Zuwachs ihrer Macht 682,
im feines kunſt was Doch ſo ganz, fine müeſten flrichen alten tanz;
niwer tänze was daͤ wenc vernomu, der und von Dürngen vil ift fomn.“
Zum Hering vergl Filharts Gargantua Gap. 4 (S. 79). Ebent.: „Diebs⸗
oder Sommißjäd.”
650 Mone a, a. O.:
„Suevia promissa percepto munere frangit,
vitat tarpe loqui, quie nobilis atque superba.“
Bei Langebek 1, 70: „Swevie promissa percepta muners frangit,
Vitat turpe logvi, quia nobilis atqve superba.
681 Trithemins, orig. 74: „Caussa turbationis fuit, quod miles ille Suevus
nomine Adelbert dixerat, Thuringum nomine Gunther nescio quid (ebenjo
compend. 24) furtive de preda communi omnium subtraxisse.“ Ebend.: „in
Suevos prosiliunt (Thuringi), cum insania vociferantes: „O gy verredercß
böswidhtl” Ebend.: „Atrox inter amicos pugns committitur (ebenfo compend.
%), in qua plus quam duodeeim millia Thuringorum a Suevis peremta
sant, ceteri fuga lapsi“ u. ſ. w. Compend. ©. 25: „Ab eo tempore Suevos
Doringi semper de perfidia habuere suspeetos“ u. f. w. Bergl. Sebaftian
Franks Überſetzung BI. 216: „als ob fie (die Schwaben) trewbrüchig wiber
jre gelübd und bündtnus gehandelt” u. |. w.
62 Comp. ©. 25: „Super his (Landanerbieten der Zhliringer) consul-
tstione prehabita, Franci consensere libenter, utpote quibus nihil magis
cordi erat, quam nomen Francum dilatare, simul et regnum.* 65, 2%:
„Ducem vero populi Francie orientalis rex Clodomirus Genebaldum, frairem
welcher nachmals die Freiheit der Alamannen und das Neich der Thü-
ringer gleihmäßig unterliegt.
Wenn die Thüringer in der Grenzfage zum Epotte den Schaden
haben, fo nehmen fie ſpät noch an den Schwaben Vergeliung; fie be:
haupteten, in dem Kampfe zwifchen König Albrecht und ihrem Land⸗
grafen Friebrih bei dem Dorfe Luca, im Jahr 1307, haben die
Schwaben tie Roſſe aufgeichnitten und feien barein gekrochen, woher
das Sprichwort: „EB gehet dir nun als den Schwaben vor Luca“ 688,
Bas man den Schwaben fonft noch in Gutem und Böſem nachſagte,
wird noch zu befondrer Ausführung kommen. Mandmal ift auch in
den Gedenkverſen der Schmährede fogleih ein Lobſpruch beigefügt und
der ſchwäbiſchen Habgier mwiderfpricht geradezu ein anbres Stichelwort:
som guten Muthe der Schwaben. bei bartenı Leben 8*4.
saum, constituit, cui exercitum simul ei adwministralionem totius ducalus
sub his conditionibus, Francorum more, commendavit, ut videlicet tam
ipee quam ejus filii heredes et successores perpetuo sub ditione regum
Francorum permaneant eorumque mandatis in cunctis fideliter obediant,
cum ipsis ad bellum contra quöscungne adversarios procedant et reli-
quorum consuetudine dneum regri Francorum servitutem ipsis regibus et
bonorem ubique debitum impendant.“
3 Schmeller, bairiiches Wörterbuh 3, 524 aus Hofmanns Xhliring.
Ghronit Cgm. 1012, Bl. 127: „Da wart alfo gros mordt, das die Schwaben
die roß ufichnitten und krochen borin; und von denen wart ein jprihwort
als: Es gehet dir nun als den Schwaben vor Luca.”
684 Der Minne⸗Falkner Str. 73 (Schinellers Labrer ©. 185): „Mit guten
gedinge und hertem leben nimmet der Swab fein ende.” Allgemeiner bei Sreidant
43, 12 f.: „Dem armen ift niht m? gegeben warn guot gedinge uud fibel leben.”
An den Ballen eines Hanſes zu Hanover war noch 1541 eingejchnigt worden:
„Dan dem armen 98 nycht beters gegeuen Alfe gude hopenynge unde ouel leben.“
K. Gödele, Reinfrit von Braunſchweig 110, 111. Ein Sprud aus einer Wolfen⸗
bättler Handſchrift des 16ten Jahrh. in Eichenburgs Dentmälern 417 fehließt:
„Die Schwaben überflüſſig zehren,
Bor allen landen fie doch geben u. |. w.
In den Sanden findt man rei und arm,
Schwaben hüpft auf mit leerem darm.“
Der Ring 1 9, 306, 7 fi:
Hab geding und laß es nict,
Ob dir jody niemer guot geſchicht!
Ban oft ein Swab der nimpt fein end
Mit guotem troft, der fmerzen went.
264
Den vier beutfchen Hauptvblkern wurbe felbft an der Gründung
des römifchen Kaiſerthums, das ſich nach der Vorftellung bes Mittel-
alters ununterbrochen in den deutſchen Königen fortfeßte, eine weſentliche
Mitwirkung zugetheilt. Sie waren es, die den erften Herrfcher dieſes
Weltreichs, ihren eigenen Belämpfer Julius Cäfar, auf den Thron
hoben. Davon berichten die Kaiſerchronik und das Leben des b. Anne,
Gerichte des 12ten Jahrh., Folgendes:
Die Nömer ließen aus Erz alle die Lande gießen, die fie bezwun⸗
gen hatten. Über jedes hängten fie eine goldene Schelle, die alsbald
ohne Menſchenhand erflang, wenn tasfelbe fi) empörte. Eines Tags,
als der Senat zu Rathe faß, lautete eine Schelle, daran fie erfannten,
daß beutfches Voll wieder aufgeftanden war. Sie entjandten ben
Helden Julius mit 30,000 Helden, denen er gleiche Zahl zufügte, weil
ibm die deutſche Kraft mohl befannt war. Ex wandte fi) zuerft gegen
die Echwaben, beren Herzog Brenne ihm mit Heer entgegenritt. In
breit Feldſchlachten wehrten die Schwaben ihr Land, bis er fie in Güte
zu einem Teibing bat, wo fie das Land in feine Gnade gaben. Sem
Gezelt hieß er da auf den Berg Swevo fchlagen, nad dem das Boll
geheißen ift. Nach der Schwaben Rathe zog er auf die Baiern, die aus
Armenien ftammen, wo Noe auf dem Ararat aus ber Arche gieng; dann
machten ihm die Sachſen zu fchaffen, einft Mannen bes wunderbaren
Alerander8 und von den Mefjern benannt, mit denen fie die Thüringer
treulos erfchlugen; zulegt naht er fich feinen alten Verwandten, den ebeln
Franken, deren Vordern von Troja, nad Zerftörung der Stabt, ande
zogen und, von Franke geführt, fich unten am Rheine nieberließen, den
er für das Meer nahm. Alle dieſe deutſchen Völker überwältigt Julius
. nur in blutigem Kampf und es wirb die Waffentüchtigleit jedes einzelnen
bejonders gerühmt. Als ihm aber zu Rom felbft Gegner erftehen, kehrt
er zurüd zu den Deutichen, klagt ihnen feine Noth und bietet ihnen.
fein rothes Gold. Da folgen ihm die Schnaren ber Tapfern aus Gallien
und Germanien mit glänzenden Helmen, feften Halöbergen und fchönen
Schilden nad Lamparten gegen die Übermacht des Pompejus. Es hebt.
ſich der härtefte Volfftreit, ber in dieſem „Meergarten” je gefchehen
fonnte: wie die Banzerringe Hangen, da die Rofle zufammen fprangen,
Heerhörner tojten, Bäche Blutes flogen, bie Erbe unten bröhnte, die
Hölle entgegenhallte, da die Hebreiten in der Welt fi) mit Schivertern
265
ſuchten! Cäſar ift Steger und bemächtigt fich des Reichs, erbricht bie
Schatlammer und gibt ben Schab feinen Getreuen; ſeitdem maren
deutfche Männer zu Rom ftet3 lieb und geehrt 685,
Vorhergehende Sagen von den früheften Gefchiden beutjcher Voller
waren fichtlich aus Iebenbiger Überlieferung genommen, von ben Ges
fchichtfchreibern mehr ober weniger glüdlich mit urkundlichen Nachrichten
ausgeglichen, in gelehrier Sprache und Redeform auögeführt. Umgelebrt
nun Tonnten die Ableitungen vom Berge Swevo, aus Armenien, von
Alexanders Heer und der alten Troja, ſowie die Verwandiſchaft und
Streitgenofienihaft mit Julius Cäfar, nur von Schriftlundigen aus»
geben, haben aber ihren Weg ins Volk gefucht und find auch theilmeife
durch Behandlung im Stil des deutichen Heldenlieds 688, ja durch Ber:
EB Die Stelle tiber die Schwaben lautet nah Maßmanns Ausgabe ber
Kaiſerchronik 265 fi. (vergl. Annoliev 279 ff.):
„Zulins was ein guot kneht, vil fchiere machete er fich gereht
und ander fine holden, die mit im varen folben.
er Tärte ingegin Swäben, den tet er michil ungnäde.
zuo Swäben was dö geſezzen ein herzoge virmezzen,
genant was er Brenne. er reit mit here engegene.
Daz buoch tuot uns kunt, er vaht mit in briftumt
mit offenem firite. fie flusgen wunden wite,
fie vrumeten manigen bluotigen rant. die Emwäbe irwereten wol ir Iant,
ung fie Julius mit minnen irbat zuo eineme tegedinge.
ie lant fie dä gäben in fine gnäbe.
fin gezelt hiez er flahen dd Nf einen berc, hiez Smwind;
von dem berge Swervo fint fie alle geheigen Swaͤbe,
ein liut ze räte vollen guot; fie fint ouch rebefpähe gnucc,
die ich dide des vurndmen, daz fl guote reden wären,
wol vertic unde wol wichaft; iedoch betwanc Juͤlius alle ir kraft.
Die Smwäbe rieten Fülio, er kerte Af die Baiere“ u. ſ. w.
Ob das Annolieb ans der Kaiſerchronik geihöpft habe oder umgelehrt, barliber
iR verfchiedene Anficht; der erſtern Meinung ift Maßmanı (Kaiferchronit 1, XV.
Begzenberger, Anno 31 fl.), der letztern W. Wadernagel (Litteraturgefehichte 172).
686 Kaiferchronit 499 ff. (vergl. Anno 448 ff.):
„ba wart der bertefte volcwic (alf’ iz buoch noch quit),
der in difeme meregarten ie geprumet mohte werben.
dwi, wie bie farringe Mungen, do die march zefamene fprungen!
herehorn duzzen, beche bluotes vinzgen.
[A. d'erde dar umtine dunite, die heile engegine glumite,
266
webung mit der Nibelungenfage 68°, in gewiflem Grade volksmäßig
geworden. Die balbgelehrten Einbilbungen hatten aber auch, fchon
wo fie zuerft auftauchen, ein beftimmted Abſehen auf das wirkliche
Vollsleben, auf die neue Staatengründung. Es handelte fih Darum,
die neue Ordnung ber Dinge der alten Borftellung von den vier
Weltreichen einzureiben, bie auch in ber Kaiferchronit bei dieſem An:
laß aus Danield Traumgefichten gedeutet wird 68, und insbefondre
die emporftzebende Frankenherrſchaft ala unmittelbare Erbin ber alt
römifchen zu beglaubigen 689, Daß die Julier, das Geſchlecht des
erften Cäfars, von Julus, des Anens Sohn, abftammen, war aus
Virgil und Livius befannt 69 und daß die Franken von Troja geloms
dd die Heriftin in ber weride fuohtin fi) mit fwertin u. ſ. w.]
da belac manic breite ſchare, mit bluote berunnen alje gare.“
Bergl. Aler. 4654 ff. (Bweilampf, einmwic):
„zeſamene fi do fprungen; woh, wi di fvert clungen” u. |. w.
4707 fi.:
„da wart gevollit manic furh mit dem bfute al rot. da was die grimmifte not,
die dar ie dehein man in folcwige vernam.“
Rother (Maßmann) 4249 ff.:
„Do lagen uf den doden bie tliere mar verfcrodin. -
von den wundin vloz daz blut. Da Wolftat, der helet gut,
ze bem volkwige quam“ u. ſ. w. |
Ludwigslied (Wadernagel 106, 23 ff.):
„Sang was gifungan, Uuig was bigunnan;
Bluot flein in unangon; Spilodun ther urankon“ u. ſ. m.
687 Bergi. W. Grimm, Helbenfage 87. Lachmann, zu den Ribelungen 836.
8 Kaiſerchronik 581 ff. Anno 175 fi. Daniel 7, vergl. 2, 31 bie 45.
689 Löbell a. a. O. 194 fi. Waitz, deutfche Verfaffungsgefchidhte 2,
128 f. 144.
880 Äneis 1, 286 ff.:
„Nascetur pulchra Trojanus origine Ceesar,
Imperium oceano, famam qui terminet astris,
Julius, a magno demissum nomen Iulo.“
(Wohl von Auguftus? Vergl. Aneis 6, 789 ff.) Living 1, 8: „Nondum ma-
tarus imperio Ascanius, nee filius, erat; tamen id imperium ei ad
puberem wtatem incolume mansit. tantisper tutela muliebri (tanta indoles
in Lavinia erat) res Latina et regnum avitum paternumque puero stetil.
Haud nihil ambigam (quis enim rem tam veterem pro certo affirmet?),
hiccine fuerit Ascanius, an major quam hic. Creusa matre Ilio incolumi
267
— — — — —
men, willen ſchon Schriftſteller der merowingiſchen Zeit 601. Auch
was die Kaiſerchronik namentlich von den Schwaben meldet, iſt Mis⸗
verftänbnis ſchriftlicher Meldungen. Ob im Herzog Brenne ein galli⸗
fcher Brennus ober jener Brinno, den bie Canninefaten auf den Schild
erhoben, nachklinge. muß bingeftellt bleiben 692, Der Berg Swevo,
nad) dem die Schwaben geheißen find und auf welchem Cäfar nad
ihrer Unterwerfung fein Gezelt auffchlagen läßt, iſt Doch nur der von
Blinius und nad ihm von Solinus genannte Berg Sevo, bei Iſidor
Suevo, mit Beziehung auf den Volksnamen, jo wenig die Lage diejes
Berges auf Cäfars germanifche Feldzüge paßt 6%. Daß Schaaren aus
Gallien und Germanien zu Cäfar fteben, ftimmt mörtli mit römifcher
Geichichtfchreibung 6%; in der pharlaliihen Schlacht entichieben für
Gäfar die deutfchen Cohorten, die einen fo heftigen Angriff auf die zahl:
reiche ‚Neiterei des Feindes machten, daß Dieſe Fußvolk zu fein, Jene
zu Roſs anzufprengen Schienen 6%. Das bat die Katferchronil, wo fie
netus comesque inde paterne fuge, quem Julum eundem Julia gens
suctorem nomitis sui nuncupat.“
691 fiber die trojaniſche Abkunft der Franlen ſ. W. Grimm, altbinifche
Heſdenlieder 431 fi. Dione, Anzeiger 4, 1 ff. Löbell a. a. D. 479 fi. Rett⸗
berg, Kirchengeichichte Deutfchlands 258 fi. Bezzenberger, Anno 108 f. 110.
80. Zeuß 402* (8. 2. Roth, die Trojafage der Franken, in Pfeiffers
Germania 1, Stuttgart 1856. 8. ©. 84 bis 52. Man vergl. auch Ber-
mania 2, ©. 379. Joſeph Wormſtall, Die Herkunft der Franken von Troja.
Zur Löſung eines ethnographiicden Problems. Münfter 1869. 8. 9.)
632 Livius 5, 38.48, 88, 16. Florus 2, 11. Zuftinus 24, 6 fg. Tacitus,
bist. 4, 15 fg. (Brinno). Bergl. aud die Könige Brenner bei Avent. Reg.
und ebend. Ingram, König in Baiern.
63 Zeuß 76. 156. 265. Myth. 387. Die Stelle bei Iſidor, orig. 10, 2:
„dieti autem Suevi putnntur a monte Suevo, qui ab ortu initium Ger-
maniz facit.“ Ob. Anm. 141. Erufius, P.1, L.12, c. 9 (©. 336.): „Comes
Geroldus a Pussen: arcis insignis (que in medio Sueuise sita, antiquitus
Sueuia dieta est: et Prineipum Sueui® auita sedes fuit: ac mons Sueuus,
bodie Der Buß) et Bauarie itemque Sueuie Prefectus“ u. f. w.
6 Kaiferchronit 469 fi.: „Do fie virnämen finen willen, dd ſameneten
fh die fnellen, Azir Galli und üzir Germänie komen fchare manige (Unn.
413 ff., 420: „alf ein vlät vüren fin daz lant)“ u. ſ. w. Florus 4, 2: „hine
Gallici Germanique delectus.“
68 Florus 4, 2: „Sed nec minus admirabilior illius exitus belli. Quippe
cum Pompejus adeo equitum copia abundaret, ut facile circumventurus
268
von der Bluttaufe des römischen Reiches handelt, fich nicht entgehen
laſſen; es ift „der deutſchen Herren Troſt“, der Cäfarn bei Kleiner Zahl
feines Heeres ermuthigt 6%. Einheimiſch deutſche Sage, aber aud fie
durch ältere Schriftwerke vermittelt, zeigt fih in der Aufzählung der
vier von Cäſar bezwungenen Völfer bauptfähli& nur beim Streite der
Sachſen mit den Thüringern, in Betreff der Schwaben aber in ber
entiprechenben Stelle des Annoliebs, welche bie Borbern der Schwaben
an dem namengebenden Berg Zelte fchlagen läßt, nachdem fie mit
mancherlei Bolt über Meer dahın gelommen waren, was zu bem erften
Theil der Wanderfage ftimmt 697, Allen vier Stämmen iwirb reichlich
Lob gezollt und von den Schwaben, die zwar den Baiern gegenüber
nicht mohlgefinnt erfcheinen, wird gefagt, fie ſeien rathfundig und berebt,
erprobte Reden, rüftig und ftreitbar 6%, Der meifte Glanz aber fällt
doch wieder auf die Franken, die „viel eveln”, womit eben ihr hohes,
zum Herrfchen gebornes Gefchlecht verftanden ift, die alte Verwandt⸗
ſchaft mit Cäſar in der gemeinfamen trojanifchen Abkunft 6°.
Die Schwaben, wie fie fpät zu ihren Tagen kommen, ſaßen volle
sibi Cæsarem videretur, circumventus ipse est, Nam quum diu z»quo
Marte contenderent, jussuque Pompeji fusus a cornu erupisset equitatus,
repente hinc signo dato, Germanorun: cohortes tantum in effusos equites
fecere impetum, ut illi esse pedites, hi venire equis viderentur. Hanc
stragem fugientis equitatus levis armature ruins comitata est. Tunc ter-
rore latius dato, turbantibus inviccm copiis, reliqua strages quasi una
manu facta est.“ Appianns, de bell. civ. 2, 64. 78. (Bezzenb. 111 u., f. ob.)
686 Kaiferchronit 495 ff.: „Juͤlius kerte in ingegene, iedoch mit minmerre
menege, durch der diuflen herren tröft.“
697 Anno 279 f.: „Unttr bergin ingegin Suäben biz her vanen üf Haben;
deri vordirin wilin mit herin dari cumin wärin ubir meri mit miglicheme volle”
u. ſ. w. In der lebten Beile findet Bezzenberger 105, 283: „eine hiumweifung
auf die Alemannen.“
6s S. ob. Aum. 685.
899 Kaiſerchronik 848 ff.: „Car begonde dd nähen zuo ſinen alben mägen,
zuo den Franten, den vil edelen. ir biderbe vorderen fömen von Tröje der
alten“ u. f. w. Anno 848 f. beſſer: „iri beidere vorberin quämin von Xröie
der altin” u. |. w. Auch ein galliihes Hilfsvolk Cäſars rühmt fi) der Ber
wanbdtfchaft mit Rom durch Abftamınung von Jlium, Lucan, Bharfal. 1, 427 f.:
„Avernique ausi Latio se fingere fratres,
sanguine ab lliaco populi“ u. |, w.
(8. Grimm a. a. O. 439.)
269
acht Jahrhunderte hindurch in ber neugeimonnenen Heimath, bis an
ihnen, nach Franken und Sachſen, die Reihe war, ein geiftesmächtiges,
jagenberühmtes Gefchlecht aus ihrem Stamm an die Spige des deutſch⸗
römischen Reiches zu ftellen.
9. Golleinium.
Jener germanifche Einfall über den Bfablgraben gegen Ende bes
sten Jahrh. befchräntte ſich nicht darauf, die alten, zum römifchen
Zehntland gewordenen Wohnftätten zmifchen dem Oberrhein und ber
Donau wieder zu erobern. Die weite Strede vom Main bis zur Aar,
von ben Vogeſen bis zum Lech und den rätifchen Alpen, wurde ſueviſch⸗
alamannifches Gebiet 700. Es war ein langer und verheerender Kampf.
der bier die ftets noch gewaltige Römerherrſchaft brach. Wie man die
Überrefte verfunfener, von der Sturmflut tveggeraffter Stäbte unter
dem Meereöfpiegel zu fehen glaubt, fo liegen unter dem Boden, über
den die Sueven: Alamannen hinfuhren, überall zertrümmerte Römer:
werte. Bon dem Rebe römiſcher Heerftraßen und Grenzwälle, von
Städten, Thürmen, befejtigten Lagern, blieb nur der bebedte Grund:
bau mit einzeln bervorragenden Bruchſtücken übrig. Diefer Mauer:
kranz Triegerifcher Rieberlafiungen war es ja eben, der dem ungeftümen
Vorbringen der Germanen Widerſtand geleiftet, ihnen felbft früher
innegehabtes Land verfchloffen hatte; er mufte niebergeivorfen und
ber Erde gleich gemacht werden, damit fich dem Wanderzug beutfcher
Vollsheere freie Bahn öffne. Es war aber noch ein tieferer Beweg⸗
grund im Leben biejer Völker, ber fie zu Feinden und Bertilgern der
römischen Stäbtegründungen machte. Schon Ariovift drohte mit feinen
waffenrüftigen Germanen, die binnen vierzehn Jahre unter fein Dad
gegangen 701; alterthHümliche Ausdrucksweiſe, monad im Norden nur
der ein Seefünig hieß, der niemals unter rußigem Ballen fchlief 702,
Auch als Grund des jährlichen Ackerwechſels läßt Cäfar die Germanen
anführen: damit nicht das kriegeriſche Leben mit dem ftätigen Landbau
70 geuß 317 u., f. (Mlifaz). Stälin 1, 146. 292%. Sprachg. 708 *.
m S. ob. Anm. 8.
M Yngl. 8. C. 34: „undir s6tkum däsi“; Sagenforſch. 215. Nod in
einem Wallenſtader Rodel die „ruofigen Hafen” (Dachſparren), Bezeichnung bes
Hansfriedens, Schwabs Schweizerburgen 2, 31.
270
vertaufcht und, um Froft und Hike zu vermeiden, kunſtlichere Woh⸗
nungen gebaut werben 708, Tacitus erflärt es für eine befannte Sache,
daß die deutfchen Volker keine Stäbte bewohnen und nicht einmal zu
fammenhängende Wohnfige dulden "94. Die Mamannen insbeſondre
batten, als Julian im Jahr 356 feinen erften Feldzug gegen fie unter
nahm, 45 Städte der linken Rheinfeite in Ajche gelegt oder geplündert
und, wo fie welche in Beftk genommen, tie, nach heutigen Namen,
Straßburg, Brumat, Elfaßzabern, Selz, Speier, Worms und Mainz,
bewohnten fie doch nur das umliegende Gebiet und mieden die Städte
felbft wie Yangnege und Gruben 705, Nicht ohne fagenbaften Anflug
find die Nachrichten über frühere Verheerungen des Alamannenktönigs
Chrokus in Gallien, von denen die Trümmer großer Stäbte zeugten;
die alten Tempel ftürzte er von Grund um, befonders zu Clermont
einen Göttertempel von ausgezeichneter Feftigleit und Pracht. Bor
diefem Heerzug hatte er feine Mutter um Rath gefragt, mie er ſich den
Beinamen eine® Großen verdienen lönne, worauf fie ihm zur Antwort
gab: „Mein Sohn, wilft tu bir in der Welt einen Namen madıen,
jo reiße die großen Baumerfe der Römer nieder und vertilge die Ein-
wohner! denn fchönere Gebäude fannft bu nicht aufführen, auch durch
Kriegsruhm jenes Volk nicht übertreffen.” Der Sohn befolgte den Rath
dee Mutter ivie einen Götterfpruch 7%, Der eigentlide Sinn tiefer
038 Cäſar, bell. gell. 6, 22: „Ejus rei multas adferunt caussas: ne,
assidua consuetudine capti, studium belli gerendi ogricultura commutent
n. f. w., ne accnraltius, ad frigora atque estus vitandos, wdificent“ u. |. w.
(Damit glei gebt die Nadtheit, Cäfar 4, 1 fin. Germ. 24, Armalausi,
Heruli u. |, w. Ammianus 15, 4: „corpora nudantes intecta® u. ſ. w.)
?0%4 Germ. 16: „Nullas Germanorum populis urbes habiteri, satis
notum est, ne pati quidem inter se jnnctas gedes.“
05 Yulianns, Orat. ad S.P.Q. Athen. (Masc. 1, 246, 4. 25): „Ergo
adultis jam frugibus castra movi, innumera Germanorum multitudine
eircä eversa per Gallies oppida commorante. Quorum numerus Oppido-
rum ad quinque et quadraginta pervenerat, burgis et castellis minoribus
omissis.* Stälin 1, 125. Ammianus 16, 8: „Audiens itaque [Julian.] Argen-
toratum, Brocomagum, Tabernas, Salisonem, Nemetas et Vangionas et
Mogontiacum civitates barbaros possidentes, territoria earum habitare
(nam ipsa oppida ut eircum.ata retiis busta declinant), primam omnium
Brocomagum occapavit“ u. f. w. Stälin 1, 155. Zeuß 317.
06 Greg. Turon. 1, 30: „Horum [scil. Valeriani et Gallieni] tempore
271
gottgebotenen Zerftörung mag im Gegenfage des römifchen Städte:
weſens und Tempelbaus mit dem germanischen Walbleben und Hains
dienfte zu fuchen fein. Schon der Name bes Helden, Chrocus, ahd.
hruoh (greculue), agf. hröc, Ruh, Kräbe, ift eine Stimme aus ber
Wildnis 707, Daß heidniſcher Glaubenseifer mitwirkte, beftätigt eine
fpätere Angabe des Agathiad, wonach die Alamannen ſchonungslos
aud die chriſtlichen Kirchen verbrannten und entfchmüdten 708,
Eines jedoch unter den germanischen Völkern wird, mit Hinweifung
auf feinen Ramen, als dem Burgbau ergeben befonvergeftellt: bie
Burgunden. Ammian führt zwei Gründe an, warum die Burgunden,
damals noch in der obern Maingegend, ſich von Valentinian wider bie
Hamannen aufftiften ließen: einmal weil Jene fich von alten Zeiten
ber römifche Ablömmlinge mwuften, ſodann meil fie um ber Salzquellen
unb Örenzen willen bäufig mit ven Alamannen haderten 79%, Bu erläus
tem verfucht ift die Beziehung zu den Römern bei Orofius: man fage,
et Chrocus ilie, Alamanorum rex, commoto exercitu, Gallias pervagavit.
Hie autem Chrocus multe arrogantie fertur fuisse. Qui cum nonnulla
inique gessisset, per consilium, ut ajunt, matris iniquse, collecta Ala-
mannorum gente, universas Gallias pervagatur cunctasque wedes, que
antiguitus fabricatree fuerant, a fundamentis subvertit“ u. ſ. w. Act. S.
Privati in Act. 8. 8. Boll. Aug. ®. 4, ©. 439: „Alemanni, transmisso
Rheno, Gallias petierunt numero quoque potius, quam virtute preevalidi;
quibus Crocon regem illo tempore prefuisse confirmat antiquitas. Hæc
itaque gens multitndine innumerabilis cum locustarum more non solum
Gallie pervagnta, universa perterreret vel deleret (quod etiam magnarum
urbium protestantur ruine), in Gavaldane regionis excidium animum atque
arma convertit“ u. f. w. Stälin 1, 118, woſelbſt A. 1 binzugefligt wird:
„Hauptquellen find andy Act, 8. Desiderii ib. Maj. B. 5, ©. 244 und bei
Bouguct 1, 641.” |
707 J. Grimm über Jornandes 88: „an den alanıann. namen Chröcus,
Chruocus (ahd. hruoh, cornix)“ u. f. w. Gramm. 3, 361. Graff 4, 1149 f.
Schmeller 8, 20. Ein andrer Alamannenkönig tiefes Namms in Aurelius Bictor,
Epit. 41 (Stäfin 1, 120, 4. €).
"8 Agathiad 2, 1: „To Alanavızcv arav döyovv vovg 150g apsıdag zul
aznyldi,ov.“ Stälin 1, 162.
09 Ammianus 28, 5b (©. 6585, a. 370): „Gratanter ralione gemina
prineipis accepie sunt littere: prime, quod jam inde temporibus priscis
subolem ee esse Romanam Burgundi scinnt. dein qund salinarum finium-
que causa Alamannis sepe jurgabant.*
272
die Burgunden feien einft, nachdem Drufus und Tiberius das innere
Germanien unterivorfen, in die Lager vertheilt worden und fo (mit
den Römern) au einem großen Volle verwachſen; auch ihren Namen haben
fie vom Werke bergenommen, meil man zahlreih im Grenzland er
richtete MWohnftätten gemeinhin Burgen nenne 710. Im vollen Sagen
zuge begriffen ift enblich die Erzählung des Byzantiners Solrates:
Jenſeits (rechts) des Rheinſtroms wohnt ein Voll, Burgundionen
genannt; biefe führen ein ftet3 friebliches Leben, denn fie find faft alle
Bauwerkleute und nähren fih vom Lohn viefer Arbeit. Ihr Land
wurde burch beftändige Einfälle ver Hunnen bebrängt und oft wurden
viele Leute von denfelben getödtet. Aus Rathloſigkeit aber nahmen fie
zu keinem Menfchen ihre Zufludt, fondern wollten ſich lieber einem
Gott anempfehlen. Indem fie nun bedachten, daß der Gott der Römer
träftig denen belfe, die ihn fürchten, griffen fie einmüthig dazu, an
Shriftus zu glauben. Sie begaben ſich in eine galliihe Stabt und
erbaten fi von dem Bilchof die chriftlihe Taufe Als hierauf ber
Hunnenlönig Uptar in ber Nacht von Überjättigung zerplagte, über:
fielen die Burgunden das führerlofe Heer und fiegten ihrer wenige im
Kampfe gegen große Überzahl, nur Dreitauſend exlegten fie gegen
Zehntaufende, und von da an mar das Volk mit Inbrunft hriftlich 711,
Der Name Burgundionen beftand ſchon, als das Volk, ferne von
römischer Berührung, zwiſchen Ober und Weichiel wohnte 12. Die
210 Oroftus 7, 82: „Burgundiorum quoque, novorum hostiam, cœpit
novum nomen, qui plusquam 80 millia armatorum ripz Rheni fluminis
insederunt. Hos quondam, subacta interiore Germania a Druso et Tiberio,
adoptivie tiliis Cæsaris, per castra dispositos. ajunt iu magnam coaluisse
_ gentem. Atque etiam nomen ex opere presumsisse, quis crebra per limi-
tem habitacula constituta burgos vulgo vocant: eoramqne esse preevalidam
et pernicioseam manum Gallie hodieque testes sunt in quibus preesumta
possessione consistunt. Quamris providentia dei omnes Christiani modo
facti, catholica fide nostrisque elericis, quibus obedirent, receptis, blande,
mansuete, innocenterjue vivant, non quasi cum: subjertis Glallis, sed vere
cum fratribus christianis * Masc. 1, 276, 4. 2b. Zeuß 402°. (Über bie
verworrene Stelle bei Liudprand, antapod. 3, 44 [Reuber ©. 126] |. Sprad-
geſchichte 701.)
711 Socret. scholast. Constentinop. histor. ecclesiast. 7, 30. Jeuß 469 f.
712 Plinius, hist. net. 4. 28: „Vindili, quorum pars Burgundiones*
Masc. 1, 4). Ptolem. (Yeuß 759, 4). Zeuß 133 f.
273
ungeſchichtliche Stammverwandtſchaft ober Verbrüderung desſelben mit
den Römern iſt nur ein Verſuch, die vorausgeſetzte gemeinſame Bau⸗
fertigkeit beider Völker zu erkllären. Die Römer waren, nach Geſchichte
und Eage, wie nod in der SKaiferchronit Cäſar, die Erbauer fefter
läge, beſonders den Rhein entlang "13. Diefem Beilpiel die Burgun:
den folgen zu lafien, war der Bollaname ſelbſt für römiſche Schrift:
fteller einlabend; burgus, als Bezeichnung eines Kaſtells, ift ſchon
dem Begetius, im 4ten Jahrh., befannt tt. Wirklich bebeutet aud)
Burgundio einen Bewohner der Burg, der ſchützenden, bergenden
Stätte 715, und die Entftehung des Volksnamens muß ſich auf den
Gebrauch einer feiteren Bauart für das einzelne Haus ober für ge:
meinſame Ummallung beziehen. Damit ftand inöbejondre das leichte
Baumefen der Alamannen in ſchneidendem Gegenſat; eben als dieſe
in der Maingegend Grenznachbarn der Burgunden waren, gedenkt
Ammian ihrer gebrechliben Wohnungen und viel fpäter noch läßt der
Redner Ennodius die von Theoderich nad Oberitalien verſetzten Ala:
mannen ih Glüd wünſchen, daß fie, vom Schilf befreit, aus den
Haffenden Wohngelaffen zu einer fefleren Bebedung gelangt feien 1%,
Nur von den Alamannen am unten Main bemerkt Ammian noch
eigens, daß ſich bei ihnen forgfältiger nach Römerweife gebaute Woh⸗
nungen befunden haben 112; feftere Bauart mies auf römische Muſter
und fo muſten die burgbauenden Burgunden ben Römern befreundet
73 Kaſtellbau des Drufus: Florus 4, 12 (S. 402, vergl. 413, Tacitue,
ann. 4, 5): „Nam per Rbeni quidem ripam guinquaginta amplius castellu
direxis“ Dio L. 44. Mate. 1, 67, A. 8; Balentinians: Ammian. 28, 2.
D, N. Stälin 1, 134; Share: Kaiſerchronik 879 ff., je eine Stadt der andern
„zt huote”; anders und weniger aufchanlich Aunolied 499 fi. Berg. Annolieh
479 #. Kaiferchronit 688 f.
116 Begetius 4, 10: „castellum parvulum, quem burgum vovanı“ u. |. w.
Epradg. 700 f. Mone, badische Urgeichichte 1, 188.
75 Spradig. a. a. D. Zeuß 183 %*,
76 Ammian. 18, 2: „sepimenta fragilium penatium.“ Ennodius, panc-
gyr. Theoderico regi diet. (Manſo, Geſchichte des oftgothifchen Reichs 478):
„Ulris liberata gratulatur |Alamannie generalitas], terram ineolens, que,
hactenus dehiscentibus domiciliis, solidiori sarcine [a. schani] emergebat
beneficio.* Stälin 1, 155.
717 Ammian. 17, 1: „domieilis u. f. w. curatius ritu romano con-
strucla.“ |
Upland, Egriften. VIII. 18
274
ericheinen. Dem noch jet forivauernden Unterſchiede bes ftäbtifch
romanifchen Eteinbaus und ländlich alemannifchen Holzbaus entfprad
unter den Germanen felbft, in einfadhen Zügen, daB Berbältnis bur⸗
gundifher Bauart zu derjenigen der andern Völker 76. Da jebod
diefe die vorberrfchende war, erichien jene als eine abſonderliche, fie
galt, eben meil fie beileren Schutz gewährte, für unkriegeriſch und
damit fielen die Yurgunden der Epottfage anheim, mit ber- die deut
chen Etämme, wie an andern Beifpielen gezeigt worden, fich wechſel⸗
ſeitig befchentten. Der bhzantiniſche Kirchengeſchichtſchreiber, der bie
Belehrung der Burgunden erzählt, mochte ſich dieſes Ereigniffes ernſt⸗
ih freuen, aber die Umftände, unter denen basfelbe vorgegangen fein
lol, find der belle Volksſcherz, der vielleicht fchon in gänzlich vorchriſt
licher Zeit auf ähnliche Weife gefpielt hatte. Weil die Burgunben fi
mit Baugewerk abmühen, find fie nicht waffenrüftig; rate und thatlcs,
weber ber eigenen Kraft noch auf ben Beiſtand tapfrer Völler ver:
trauend, erwarten fie alle Hilfe von einem Gott, dem fremden Chriſten⸗
gott. Der Sieg, der ihnen unverdient, durch das Berften des heiß⸗
bungrigen Hunnenkönig® zufällt, lautet wie ein uraltes Märchen.
Nah dem Gedichte von Dietleib führt Hagen, der Berwanbte und
Dienfimann des Burgundenlönigs, in feiner Fahne eine Burgzinne 719.
Auch einer Drtsfage vom Urſprung der Stadt Hall im Schtunben ift
bier zu gedenken:
Wo jet der Ealzbrunnen von Hall fließt, war vor Alters im
‘8 Vergl. A. Schott, die deutfchen Golonien in Piemont, Stuttgart 1842,
€. 119 ff. (AVI: burgundiſches und alemanniſches Haus; das burgundijche
wird nur in der anziebenden Ausführung als allgemeiner romaniſches anfzu-
fafjen fein. Burdhart, Unterſuch. über die erfte Bevölterung des Wlpengebirgs,
biftorifches Archiv 4, S. 51 bis 58.) Nachzuſehen Stablins bier angeführte
Abhandl. im ſchweiz. Geichichtsforich. 4, 850, wo aud ven der Bauart.
‘19 Dietleib 2380 f.: „in der Burgonie lant fuere fg an ungenad.”
2386 fi.: „do horten fy wit ſchiere fagen von einer burge, die was güt, dar⸗
auf ſaſſen vil heehgemät viertzig ritter oder bas u. f. w. man fagt in von ber
burge fint, daz die Tronie was geuant, das haus und auch das güte lant was
alle Hagene undertan m. |. w. von Tronige die burgare u. |. w. 2768: „ber
neve mein.“ 2843: „von dem herren mein.” 9817: „nu fa er einen fanen
tragen mit einer burgzinne, die lag gefniten darinne; den fuert Hagene und
feme man.“ Heldenfage 180.
275
unwohnlichen Wald eine herbe Lache, zu der das Wild lief und daran
Iedte, wodurch die Bottedgabe des Salzes offenbar wurde. In dieſer
Bildnis ftanden nun bald fieben feite Thürme, von benen ber Ort
„pin fieben Bürgen“ geheißen mar. Die Bewohner berjelben trieben
oft umbefireifende NRotten ver Römer mit großem Berlufte zurüd und
ala einmal ein römifcher Bote fi) dahin verirrte, ſah er aus einem
der Thürme ein Banner hängen, das ber Befiter biefer Burg, vom
Adelsgeſchlechte ver Berler, einem römischen Hauptmann im Streit
abgerungen und bort den Hömern zum Epott audgeftedt hatte. Der
Berlertburm, bei St. Michaels Kirche gelegen, ift erft im Jahr 1718
eingeftürzt und auch die Stellen der andern ſechs Thürme oder Stein
bäufer find wohl befannt 2°,
Waren es nun diefelben Ealzquellen, um melde zus Römerzeit
die Burgunden mit ven Alamannen lämpften, fo ift die Frage zuläßig,
ob nicht in diefen fieben Burgen, der alten Benennung des Drts, ein
fpäter‘ Rachhall des burgundifchen Namens zu bören fei.
Die Burgunden, die bei ihrem erften Erfcheinen hinter den ſueviſchen
Semnonen, nachher am Ubermain norböftlich im Rüden der Alaman:
nen ftanden, batten fih nad ihrem Rheinübergang, nachdem fie, in
Maınz einen römischen Gegenlaifer, Jovinus, eingejeht und ihnen
tömifches Gebiet in Gallien und dem vormaligen Helvetien eingeräumt
war, in weiter Ausdehnung ſüdweſtlich vor den Alamannen gelagert 721,
Ihr Rame rief auch im neuen Lande die gleiche Deutung berbor.
Wieder belehrt eine Schmeizerchronif, die von Rom und bie von Trier
haben einander manig Jahr bekriegt, die letztern aber virl edler noth⸗
fefter Leute in bieß Land geſetzt, welde die Wege von Lamparten
herein über die Schneeberge hüten follten, damit die von Rom keinen
Durchgang haben möchten; da jeien ſoviel Burgen im Lande gemadt
worden, daß man ed das mindre Burgund genannt, und jei ber
Edlen und Landsherren eine große Zahl geworben *22, Aber auch
0 Lacorn, handſchriftliche Chronik von ſchwäbiſch Hall 1700, Band 1,
S. 10. 3 f. 513. 612 bis 614. Bergl. Erufins 2, 226. (Burgunden in
Dacien Zeuß 447, vergl. 465, Eiebenbürgen?)
21 Zeuß 468 bis 470. Masc. 1, 874, 880 f.
7 Konr. Yuftingers Berner⸗Chronik, heransg. von E. Stierlin und J. R.
nß, Bern 1819, ©. 18: Münzen bezeugen, daß SYovinus zu Trier als
276
lebendig burgundiſche Eage kommt von dorther, deren verfdiebene
Faſſungen fi auf folgende Hauptzüge zurüdführen laſſen:
Der Herzog von Burgund gerieth in forglichen Krieg mit dem
König von Frankreich. Man warb zu Rathe, den Streit durch Zwei
kampf zu entfcheiden. Bon fränlifcher Seite ward ein Kämpe gewählt,
der dafür galt, zweier Männer Stärle zu haben, von burgundiſcher
ein ebler Herr, Theoderich, der Stifter des Haufes Strätlingen am
Thuner Eee, Diefem bie man bald den Imbiß bereiten und als er
genug gegeflen und getrunfen hatte, ließ er fi in den Ring führen,
da er kämpfen follte. In einem Seſſel figend, martete er feines
Miderfachers, bis er im Warten einſchlief. Als nun der fräntifche
Kämpe herbeikam, der burgunbilche aber in tiefem Schlaf, Allen hörbar,
„rußte”, da erſchral Jener und ſprach. „Fürchtet ex mich fo wenig,
daß er fchläft, das ift ein Zeichen, daß ich mit ihm nicht kämpfe.“
Eo gewann Theoderid den Kampf mit Schlafen, der Herzog aber
gab ihm zum Tante feine Tochter Demut zum Weibe, famınt dem
Lande Minderburgund, beſonders den Wenbelfee (Thunerfee), den
Burgunderberg und das Land um GSträtlingen, wo Theoderich eine
ftattlihe Burg erbaute, die er Söhnen und Enteln hinterließ 723.
Daß nad der einen Yaflung der Erzengel Michael fampfgerüftet
neben dem Echlafenden erſchien, iſt ein legendenbafter Beiſatz zum
Ruhme ver Michaelökirche zu Einigen; dafür ift in der andern der
Krieg unpaflend zwiſchen Frankreich und England erhoben. Franten
und Burgunden eignen ſich dem örtlichen Anhalt der Eage. Der Kern
derfelben aber, der Sieg des Fürftreiters im Echlafe, ift ein echter
Burgundenſchwank, Seitenftüd zu dem Siege mittelft übler Berbauung
des MWiderfachers "24, nur daß der fchnarchende Löwe achtbar genug
ericheint, um urfprünglid von Burgunden felbft erſonnen zu fein.
Kaifer anerfannt war, Masc. 1, 874. Bergl. die Thürme der burgunbifchen
Königin Bertha (Buliiemin, la reine Berihe 7). j
723 Yuftinger 2U bis 22, ausgeglichen mit den Angaben der Einiger Chronik,
Echweizerburgen 2, 826. 512 (Schilling?). Vergl. Vurchart a. a. D. 53,
Graff 2, 562: „Ruzjan (und ruzon) u. |. w. stertere® un. |. w. Stalder 9,
294: „Rufen, ruuſſen u. |. w. furren, ſummen u. |. w. im Schlafe fchnardhen“
uf. w. Rollei. 160, 7: „der lem begonde rußen.“
U Die Burguuden felbft fcheinen im Nufe großer Eßluſt geftanden zu
fein, Eidonius Apollinaris, carm. 12:
277
Bon den fühmweftlich gezogenen Völkern waren die bauenden Bur⸗
gunden die erften, welche dem Chriſtenthum bulbigten, fie werben wegen
der milden Eitte gerühmt, die fie in Folge defien annahmen 725, aber
fie ließen auch am frübeften ihre Sprache und ihr deutfches Volksthum
in romanifcher Überwältigung aufgehn. Die zerftörungsluftigen Ala-
mannen 726 blieben bis zum 7ten Jahrh. unbekehrt '27, vertrieben die
römischen Niederlaffungen und bildeten fortan eine Grenzwehr germas
nifcher Art und Sprache.
Ein lateiniſcher Dichter des 4ten Jahrh. umfchreibt in der Auf
zählung von Attilas Hifsvölfern den Alamannen, ohne ihn zu nennen,
ala Denjenigen, den der Nedar mit fchilfichter Welle befpüle 728, Diek
it eben dag Schilfrohr, das, nach Ennodius, die Alamannen für ihre
Wohnungen vertwendeten. Der „barbarifhe Nedar“ ift eigentlicher
Alamannenſtrom und PBalentiniand Siege über dieſes Bolt ſchildert
der Lobredner fchmeichlerifch ald cine Gefangennehmung bes erft hiedurch
namenfundig werdenden Nedarz, gleichfam eines vom Water Rhein
zu Geifel gegebenen Königöfohnes 72%, Aber der gepriefene Kaifer
„quod Burgundio cantat esculenlus,
infundens scido comam butyro u. f. w.
tot tantique petunt simul gigantes,
quod vix Alsiuoi culina ferret.“
Liutprandi bistor. 3, 12. Neuber 126]: „an Burgundionum voracitaten
atque superbiam ignoratis? u. |. w. Burgundion«.s eos quasi gurguliones
appello, vel quod ob superbiam toto gutture loquantur, vel qnod verius
est, quod edacitati, que per gulam exercetur, nimis indulgeant.* Bergl.
Stälin 1, 156.
725 Drofiuß (a. 417) 7, 32: „quamvis prövidentie dei omnes Christiani
modo facti, catholica fide nostrisque clericis, quibus obedirent, receptis,
blande, mansuete, innocentergue vivant, non quasi cum subjectis Gallie,
sed vere cum fratribus Christianis.“ Zeuß 469. Masc. 1, 381. Milde ihrer
Gelege: Masc. 2, 21, A. 3, Anm. ©. 10 f. Daß die Burgunden denn doch
au unter den verheerenden Bölfern, neben den Alamannen genannt werten
(Zeuß 466. Masc. 1, 202, X. 8), begreift fich leicht.
26 Bon ihnen konnte gefungen werden: „wi fi vefte burge brechen“, Annc⸗
lied 4.
7 Stälin 1, 160 n. 163 ob.
= Eidem. Apoll. carm. 7, 324 f: „Bructerus, ulvosa quem vel Nicer
blait unda, prorumpit Francus“ u. |. w. Zeuß 319. 352.
729 „Barbarus Nicer“ Eumen., paneg. Coustant. 13. Stälin 1, 121.
278
fonnte nur noch an ber Ausmündung biefes Ylufles eine von defkn
Fluten untertvühlte Befeftigung mittelft Anbersleitung desſelben neu
berftellen 30, Alle von den Nömern gegründete Anlagen aufwärts bis
zur Quelle des Stroms waren längft in bie zerftörende Hund ber
Alamannen gefallen. Zahlreich find die verfchütteten Reſte Tiefer
Römerbauten befonderd im oberen Nedarthal, mitten in der Land»
firede, die einft von ber germanischen, mahrfcheinlich fuebifchen Vorhut
an ber belvetiichen Rheingrenze eingenommen war. Die jobenannte
peutingerfche Tafel, mittelalterliche Nachbildung einer römischen Etraßen-
farte, gibt den Heerimeg von Vindonissa, Windiſch, hi Reginum,
Regensburg, mit feinen Raftorten und unter dieſen ift einer mit ber
Beiſchrift „Samulocenis“, durch zwei Häufer oder Thürme ausgezeichnet,
wie es nur bei bebeutenden Plätzen, meiſt Colonien, d. b. durch Her
jendung römischer Bürger und Veteranen, ſowie durch ftantärechtliche
Bevorzugungen der großen Mutter Rom veräbnlichten Stäbten ber
Fall ift 91, Der beigefehriebene Name hat auch feinen örtlichen Anhalt
gefunden, feit unter den römischen Bautrümmern in und bei Roten
burg am Nedar, die jchon durch ihren Umfang und den weiten Zug
Mone, badiſche Urgefdhichte 2, 288. Zeuß 319: „der Nedar, der Fluß des
Alamannengebietes.” Symmach., laud, in Valent. Aug. 2, &. 21 (ed. Mesji
1815): „Quod Nigrum fluvium quasi quoddam pignus acı pimus, jam
minus nirum est, quod tibi regum liberi pro federibus offerantur. Nee
Rhenus, ut ita dixerim, romana pace gauderet, niei amnem convenam,
velut obsidem, tradidisset u. |. w. Ipsi illi vates exoticie nominibus
licenter ornati, cum ad indicum Gangem et Borysthenem acythicum «ar-
men extenderint, Nigrum parem maximis ignoratione siluerunt. Nunc
primum victoriis tuis externns fluvius publicatur. Gaudeat serrvitute,
capius innotuit.“ Stäfin 1, 188.
iR Ammian. 28, 2: „Denique cum reputaret [Valent], munimentum
eelsum et tutum, quod ipse a primis funderas auapiciis, prieterlabente
Nicro nomine fluvio, paullatim subverti posse undarum pulsa immani,
meatum ipsum aliorsum vertere eogitavit“ u. ſ. w. Symmach. 6.7. Stm
t, 186. Done a. a. O. 243 ff.
31 Stälin 1, 29 f. 89, U. 11. 91. Bon dieſem Straßenzug überhaupt
ebend. 96 fi., insbefondre warum ter Etraßenbogen im Gegenfab mit der
Zeichnung der Tafel nördlich ven der Donan zu ziehen fei, 101 f. Die Tafel
it weniger eine geographifche, als eine Marichlarte, weshalb auch die Meilen:
zahl von jedem Ort zum andern angezeigt if.
279
einer großartigen Wafferleitung von einer beveutenden Stabtanlage
zeugen, zahlreiche Überrefte hervorgezogen worden find, welche bie In⸗
fhrift Colonia Sumlocenne aufweifen 7°, Zugleich treten bürgerliche
und Eriegerifche Ämter und Würden, Zahl und Namen von Hrerab-
theilungen, Gewerbthätigleit, Götterverebrung in einer Menge aus:
gegrabener Bildwerke, Dentfteine, Säulenftüde, Gefäße, Münzen, und
igren Aufichriften zu Tage. Zeitangaben, nad den Jahren von Er:
bauung dir Stadt Rom ober nad Conſuln, verbürgen dieſer Golonie
eine Dauer von 97 bis 303 n. Chr. alfo wenigftend von zwei Jahr:
hunderten. Die Römerftabt war jomit noch vorhanden, nachdem Raifer
Probus (geft. 282) den Germanen, welche den Grenzwall von Neuem
überftiegen und in Gallim 60 Städte eingenommen, eine furdtbare
Niederlage beigebracht und ihre Überbleibfel über den Redar und die Alb
zurüdgeworfen batte, ja fie fcheint, wenn fie burd früheren Einfall
der Germanen zerflört war, eine von denen zu fein, melde diefer Kaiſer
im Barbarenland neu aufbaute und mit Beſatzungen verſah 733,
2 Sauptfählih die reihen Entbedungen v. Jauuanus: Colonia Sumlo-
cenne u. |, w. Etutigart und Tübingen 1840; nachträglich hiezu: Bufauımen-
Rellung der zu Rottenburg am Nedar anfgefundenen römiſchen Inſchriften (im ten
Jahrbüchern des Vereins von Altertfumsfreunden im Rheinlande 15, ©. 68 fi.
unbe von 1850: ebend. 16, 134. 18, 221); unter den weiteren Auffinbungen
bejonders eine Weihetafel vom Jahr 97 u. Ghr., deren Inſchrifi den Ortsnanıen
vollſtöndigſt gibt: „SALVS SVMELOCENNENSIS“ (Schwäbiſche Kronik vom
Aten Januar 1861). Bergl. Stälin 1, 39 f., Nr. 84. 91 bis 98.
733 Bopiscus, vit. Tacit. 6.8: „Nam limitem tranerhenauum Germani
rapisse dicuntur, ocoupasse urbes validas. nobiles, divites et potentes.*
Matc. 1, 192, 9.2. Stäfin 1, 30, U. 7. Bopiscus, Prob. C 18: „His ges-
dis, cum ingenti exervitu Gallias petit, que omnes, Oocciso Posthumio,
tarbate faerant; interfecto Aurelianu, a Germunis poasesse. Tante suien.
lic proslia feliciter gessit, ut a barbaris sexaginia per Gallias nobilis-
simes reciperet civilates, pridam deinde omnem. qua illi, preter divitien,
etiam efferobantur ad gloriam. Et cum jam in nostra ripa, imo per om-
nes Gallies securi vagarentur, casis prope quadringentis millibus, qui
Romanum occupeaverant solum, reliquies ultra Nieram Auvium et Albanı
remorit, tanium his preedee berberice tulit, quantum ipsi Romanis abs-
tulerani; eontra urbes Romanas et casıra in solo barbarico posuit stque
illie milites collocavit. Agros et horrea et domos et annonam Trans-
rbenanis omnibus fecit, iis videlicet, quos in exrubiis eollocarit® u. ſ. w.
Max. 1, 194. Erälin 1, 70. 118 u., f. ob.
280
Die Inſchriften geben aber, neben „Sumlocenne*, für denſelben
Ort gleichzeitig einen zioeiten Namen:. „Colonia Solicinium* 34 und
diefer Inüpft fich an ein andres, von Ammian umſtändlich berichtetes
Ereignis der alamanniichen Kriegsgeſchichte Im Eommer des Jahrs
368 untemahm der Kaiſer Balentinian von Gallien aus einen Einfall
in das innere Land der Alamannen. Diefe waren damals noch von
der Maingegenb herauf am Rheine gewaltig. Dort hatte ein alaman-
niſcher Häuptling Ranto die Stadt Mainz bei der Feier eines ri:
lichen Feftes überfallen und Männer und Frauen mit reicher Habe him:
weggeführt; am Oberrhein ftand der jugendliche König Vidikabius ’°,
deſſen Bater Bitomar 736 mit feinem Bruder Gundomad 14 Jahre
vorher dem Kaifer Conftantius den Rheinübergang bei Bafelaugft ver:
webrt hatte, dem Ausfehen nad zart und kränklich, aber kühnen und
tapfern Geiftes, den Krieg gegen die Römer unaufhörlich ſchürend. Nach⸗
dem Diefer durch Meuchelmord hinweggeräumt und in Folge feines Todes
der alamannifche Anlauf erfchlafft war, rüftete Balentinian gemächlicher
einen bebeutender als gewöhnlich angelegten Feldzug gegen die Ala:
mannen aus, um fie von neuer Bewegung abzujchreden. Mit dem
großen und mohlverfehenen Heere zog er in Begleitung feines, obgleich
noch nicht Tampffähigen Eohnes Gratian, ohne Widerſtand zu finden,
über den Nhein und einige Tage landein; Saaten und die verlafjenen
Wohnungen wurden verbrannt, fonft aber die Lebensmittel gefammelt
und bewahrt. Dann fchritt er langfamer vor, bis er in der Nähe eines
Ortes, deſſen Name Solicinium, wie vor einem Riegel anbielt, indem
gemeldet war, daß die Feinde von Weiten erblidt worden. Diefe hatten,
der Ortlichkeit kundig, einen hoben und fchroffen, nur auf ber Storbfeite
gelinvder abhängigen Berg beſetzt. Der Kaifer felbft wollte mit wenigen
Bertrauten einen Weg auf die Höhe auskundfchaften, gerieih aber in
4 Jaumann, Bufamnmenftell. 59 f. Stälin 1, 93. Solicinium if bis
jet nur auf Scherben von Geſchirren gefunden worden, teren eine nad dem
bezeichneten Conſulat das Jahr 237 ergibt.
‘38 Vergl. Neugart, ind. ouomast. unter: Widogaug, Witagowo, Witi«
gauwo, Witigamo, Wiligowo, Wittagame. Myth. 349 f. Babomar?) 461.
(Cod. Laur. 2, 570, Nr. 2788: „Wivegavenhufa", Stäln 1, 316 ob.)
736 Über Badonarius und fein merkwürdiges Geſchict ſ. Ammian,, ind. rer-
unter diefen Namen. Masc. 1, Regifter. Stälin 1, 123 u., f. ob.
281
Eümpfe, aus denen er einem feindlichen Hinterhalte faum entritt, wäh:
send fein Kämmerer, der feinen mit Gold und Evelfteinen geichmüdten
Helm trug, zufammt dieſem völlig untergieng und nachher weder lebend
noch tobt wiedergefunden wurde. Die Erftürmung bed Berges und ber
bartnädige Kampf, der fidh oben entſpann, ift umftänblich befchrieben.
Letzterer endigte damit, daß bie übrig gebliebenen Alamannen ſich zer:
freuten und in die Wälder bargen; doch war auch ber Verluſt auf
Eeriten der Römer nicht unerheblich. Der Kaifer führte fein Heer in
das Winterlager nad Trier zurüd 82.
Die Entfernung der vormaligen Eumlocenne von irgend melder
Übergangsftelle am Oberrhein ftimmt mit den ungefähren Angaben über
die Dauer des Zugs bis in bie Nähe von Solieinium. Ortlichkeiten
ber Gegend von Rotenburg, auf melde die Beichreibung des Gefechts
bezogen werben Tann, find ermittelt worden, doc läßt fi) darüber nicht
entjcheiven, bevor der verfunlene Kaiſerhelm twieder aufgefunden iſt.
Des Nedars geſchieht nicht Erwähnung, aber Einfall und Angriff kam
auch nicht von biefer Eeite. Balentinian wird den Fährten einer alten
Römerfirafe vom Rheine ber gefolgt fein 9. Solicinium ſelbſt wird
nicht als eine noch aufrecht ftehende Etabt, fondern nur als ein Ort
diefed Namens in einer den Wlamannen heimifchen Gegend bezeichnet 799.
37 Anımian. 27, 10 (vergl. 80, 7), daraus: „Vithicabius rex, Vado-
marii filius ı. ſ. w. Parabatur post hac lentioribus curis et per copias
multiformes in Alamunnos expediiio solitis gravior u. |. w. Contracia
igitur undique mole maxima catervarım, armis et subsidiis rei cibarie
diligenter instructa u. |. w. anni tempore jam tepenie Valentinianus cum
Gratiano Rlıenum [Bar.] transgressus, resistente nemine u. |. w. per regio-
nes longn itu porrectas u. |. w. quoniam aliquot diebus emensis nullus
potait, qni resisteret, inveniri u. |. w. Post hec leniore gressu Princeps
ulterius iendens u. f. w. horrenda eircumsonantibus Alamanuis u. |. mw.
Gratianoque apud signa Juvianorum retro detento, cujus wetas erat elinm-
tum proeliorum impatiens et laborum u. f. w. radices aggerum“ u. |. w.
Weiteres je an betrefiender Stelle.
3 Vergl. Jaumann, Col. Suml. 87 f£ Schmid, Reue Nachweiſe über
Römerftraßen bei und um Tübingen, in den Wiürttembergifchen Jahrbilchern
1851, Heft 2, ©. 68 ff.
39 Anımtan. 1. c. ©. 544: „cum prope locum venisset, cui Soliciuio
[9]. Soliconmo] nomen est, velut quadam obice stetit, ductus procarsan-
tum relatione veriseima Barbaros Inpge conspecios. Qui nullam ad tuen-
282
Vom Gelingen der Unternehmung im Ganzen ſpricht Ammian etwas
zweifelhaft *4% und das Bedenken rechtfertigt fih dadurch, daß Vale
tinian im folgenden Jahre nöthig fand, den ganzen Rhein entlang
Burgen zu erbauen und eine, wie fchon erwähnt, früher von ihm ge
gründete am Nedar, aber erft am Zufammenflufie besfelben mit dem
Rheine, berzuftellen 41,
Aufonius, der Erzieher der Ebhne Balentinians, gedenkt in feinem
Gedicht auf den Mofelftrom der zu Trier gefeierten gemeinfamen Triumphe
des Baters und des Sohnes, nachdem die Feinde über den Nedar und
Lupodunum und die Duelle der Donau getrieben worden 712, Ob bie:
mit derſelbe Heerzug vom Jahr 368 gemeint fei, den Ammian nur bis
Solieinium führt, der fih aber jenen Falls bis zur Donauquelle er⸗
ſtreckt haben müſte, ober nicht ein fpäterer Streifzug Valentinians, der
im Jahr 374 einige Gaue der Alamannen verheerte und dann in der
Nähe von Bafel die Vefte Robur erbaute, darüber beftehen verfchiedene
Anfichten *43, Für die erftere Annahme enticheivet Aufonius ſelbſt in
dam salutem viam superesse cernentes, nisi se celeri defendissent occursu,
locorum gnaritate conßsi, unum spiranlibus animis montem ocenpavere
precelsum“ u. f. w. 30, 7, S. 654: „Alamannis congressus [Valentin.]
prope Bolicinium [ohne Bar.] loeum“ n. ſ. w.
40 Amm. &, 545 f.: „dum turmarum funeribus mutais res gerebatur
u. |. w. In hae dimicatione nostri quoqne oppetiere non contemnendi
u.f.w. Hisque tali casuum diversitate perfectis, milites ad hiberna, Im-
perstores Treveros reverterunt.* Giünftiger 80, 7, &. 654: „ubi iusidiis
pene perierat circamventus, ad exitium ultimum delere potuit universos,
n} paucos velox effugium tenebris amandasset.“
A Ammian. 28, 2. 80, 7. Symmach. C. 7: „duorum fluminum u. ſ. w.
gasra dedecus u. f. w. manus geminss aggerum institutiones mole valla-
vit.“ Stälin 1, 184 f.
«42 Yufon., Mosella 40 ff.:
„nee premia in undis
sola, sed Auguste veniens quod manibus urbis
spectavit junetos nalique patrisque trinmphos,
hostibus exactis Nierum super et Lupodunnm,
et fontem Latiis ignolum annalibus Histri.
Hæc profligati venit modo laurea belli,
nıox alias aliasque feret“ ı. |. w.
243 Jaumann, Sumloc. 74 f. bezieht die Stelle des Aufonius anf eine
Meſdung Ammians 30, 3 (zum J. 874): „Secuto post heec anno, Gratiano
283
weiteren Äußerungen, die man zu wenig beachtet hat. Im dritten Epis
gramm läßt er den Danubius, der fi) den Zweiten nach dem Nil rühmt,
das Haupt freudig aus feiner Duelle heben und bie Augufte begrüßen,
den Bater und den Sohn, als Bote will er zum Euxinus laufen, das
mit Valens erfahre, daß die Sueven durch Niederlage, Flucht, Flammen,
untergegangen feien und nicht mehr der Rhein Galliens Grenze bilbe;
wäre feiner, bes Danubius, Etrömung, wie der bed Meeres, ein Rück⸗
gang vergönnt, fo könnte er den Sieg über die Gothen von bort zurück⸗
bringen 744, Im folgenden Epigramm redet Danubius, das Haupt im
innerjten Lande verborgen, abermals die Mitlaifer an, unter deren Ger
walt er, mit feinen Nebenftrömen, nun gänzlicy fließe, ebenfo wo er
mitten unter den Sueven feinen fühlen Quell ergieße, ala wo er Ban-
nonien burcjchneide und waſſerreich in den Pontus münde; die nächte
Balme ſei dem Valens befchieben, der felbft noch die Quellen des Nils
auffinden werde 795, Das find die drei Mitlaifer in ber Stellung, bie
alscito in trabew societatem AByuitio Consule, Valentiniano post vasta-
tos aliquos Alamannie pagos munimentum zedificanti prope Basiliam,
quod appellant aconle Robur, offertur prefecti relatio Probi, docentis
Ilyriei clades.“ Schluß des Gap.: „Treveros Valentianus ad hiberna dis-
cessit.“ Anders Stälin 1, 133. Mone, badiſche Urgefichte 2, 328 f. Diele
wieder unter fich abweichend. Zofim. 4, 9.
‘4 Yufon., opp. &. 4: „III. Danubius Augg. alloquitur.
Illyrieis regnator aquis, tibi, Nile, secundus
Danubius letum profero ſoute caput.
Salvere Augustos jubeuv, natumgue patremgne,
Armiferis alai quos ego Pannoniis,
Nuntius Euzino jam nunc volo currere pouto,
Ut sciat hoc Superäm ecura secunda Valens,
Ceede, fuga, lammis stratos periisse Buevus,
Nec Rhenum Gallis limjtis esse loco.
Quod si lege marie refluus mihi curreret amnis,
Huc possem victos.inde referre GoLhos *
8 ©. 5: „IV, Idem eosdem allognitur.
Danubius penilis caput occultatus in oris,
Totus sub vestra jam ditione fluo;
Que gelidum fontem mediis effundo Suevia,
Imperiis grovides qua seco Pannonias,
Et qua dives aquis Scythico solvo ostia ponio,
Omnia sub vestrum flumina mitto jugum.
284
fie im Jahr 368 eingenommen haben: Valens befriegt die Gothen an
der untern Donau 745, während fein Bruder Balentinian und deſſen
Sohn Gratian ald Befieger der Sueven-Alamannen an der Donau:
quelle ftehen, die, nach der Schmeichelei im Mofelgebichte, vor ihnen
den römiſchen Geſchichtbüchern unbelannt gemwefen fein foll 47. Der
Dichter feiert aber auch noch in Lieberfpielen, obgleich ein bejahrter
Mann, vie blauen Augen und blonden Haare, tie blühende Geſichts⸗
farbe Biflulas, eines Heinen Suevenmädchens, das, jenfeit des Nheins
geboren, am Urfprung der Donau heimisch, ihm ala Kriegäbeute zuge:
fallen, aber von ihm freigelaflen und als Pflegtind behandelt fer 7.
Augusto dabitur sed proxima palma Valenti.
Inveniet fontes hie quoque, Nile, tuos.“
Danuvius als Flußgott in einer Botivinfhrift zu Ristiſſen: „I. O. M. ET.
DANVVIO. EX VOTO.* Stälin 1, 49. 100.
6 Anımian. 27, 5. »Dagc, 1, 269.
4 5. 0b. Anm. 742. Stäln 1, 133, 4. 4. Die perfönlide Gegen-
wart Balentinians und feines Sohnes zu oberft an der Donau ift doc in den
Berfen des 3 Epigramms unvertenubar ausgebrüdt (Ann. 7.44):
„Danubius letum profero funte caput.
Sulvere Augustos jubeo, natumque patremque,
Armiferis alui qnos ego Pannoniis.“
Man vergl. was der Vater zum Sohne fagt, als er denfelben, in Jahr 367,
feierlich zum Auguftus aufnimmt, Ammian. 27, 6: „Aceingere igitur pro
rerum urgentium pondere, nt patris patruique collega, et assuesce impa-
vidus penetrare cum agminibus peditum gelu pervios Histrum et Rlıenum“
u.f. mw. Übrigens machte Gratian den Zug nad) Soliciniun zwar mit, dınfte
aber, feiner Jugend wegen, am dortigen Gefechte nicht theilnehmen, ebend. 27,
10: „Valentinianus cum Gratiano Rlenum transgressus u. |. w. (ratia-
noque apud signa Jovianorum retro detento, cujus wtas erat etiamtun
pra@liorum impatiens et laborum“ un. ſ. w. Durd Obiges widerlegt fid,
was Mone (Badifche Urgefhichte 2, 829 u.) annimmt, daß an der Donauquelle
nur die Bejatungen von Angft und Windiſch einen Eeitenangriff gemacht.
‘#8 Aufon., opera, ed. Bip. S. 167:
„Ut voluisti, Paule, cunetes Bissule versus habes,
lusimus quos in Sueree gratiam virguncule.“
©. 108:
„Biseula, traus gelidum stirpe et lare prosata Rlıenum,
consceia nascentis Bissula Denubii,
capta manu, sel miesa mann, dominalur in. ejus
delieiis, enjns bellica praeda [uit.
285
So ergänzen fi die beiden Echriftfteller gegenſeitig. Auſonius, der
von Solicinium fchweigt, bietet dafür ben bei Ammian vermiften Nedar
fammt Lupodunum und der ihm reichlih fprubelnden Donauquelle.
Solicinium dort und Lupodunum bier entfprechen ven beiden Schlachten,
durch welche ver Lobrebner Symmadus feinen Kaifer Alamannien heim:
fuchen läßt 749, Ammian bat ohne Zweifel einen guten Gewährsmann
gehabt, der Dichter übertreibt, fcheint aber mit gegentwärtig geweſen zu
fein. In feinen Angaben ift e& nur Zupobunum, was irre macht. Daß
Ladenburg urfprünglich fo genannt war, läßt fich nicht verfennen. Die
Lorfcher Urkunden der Karolingerzeit geben: Loboduna civitas, Lobodo
castrum, Lobedenbure u. ſ. w., und für den zugehörenden Gau: Lubo-
doniasis, Lubdunensis, Lobodunensis pagus, Lubdengowe, Lobo-
dungowe u. ſ. w. 750; die ganze Ortslage bringt e8 nahe, daß eben
Matre carens, nutricis egens, nescivit herai
imperium . . ...
Fortune ac patrie qu& nulla opprobria sepsit,
illico inexperto libera servitio,
Sie Latiis mutata bonis, Germana maneret,
ut facies, ocnlos cerula, flava comas.
Ambiguam modo lingua facit, modo forına puellam,
bec Rheno genitam preditat, heec Latio.“
6. 169: „Delicium, blanditie, ladus, amor, voluptas,
Barbara, sed que Latias vincis alumna pupas,
Bissula nomen teners rusticulam puelie,
borridulam non solitis, sed domino venustam.“
(Bergl. E. 167: „Poematia, que in alumnam meam Inseram“ u. f. w.)
©. 169: „Ergo age, pictor,
puniceas confunde rosas et lilia misce,
quique erit ex illis color aeris, ipse sit oris!“
(Berg. A. Bacmeifter, Alemanniſche Wanderungen. 1. Eiuttgart 1867. 8,
€. 76 bis 92. 9.)
WW Symmad., Laudes in Val. Ang. I (ed. Maji 1815, ©. 10): „Fru-
etra tunc tibi perauellis motus optavit Alamannia, cni tantum miserite
invexit eonflictns tuus, quantum praliis.debebatur ambobus.* (Stälin 1,
188, X. 1; über die Zeit der Laudes ebent. 115 u.)
’W Codex Lauresh. 226 (1, 320): „Actum in Loboduna civitate
(aano XIII regni Pippini reg.).“ 281 (1, 358 f.): „in pago Lobodo-
unse in villa Hantseuesheim super fluvian Neckar u. ſ. w. Actum In
Lobodone castro (anno XII regni domini Pipini reg.).“ 440 (1, 453):
„ia Lobedenburg (öft..* 532 (1, 501 f.): „in publico mallo apud Lobe-
286
— — — — —
die von Valentinian gegen die Alamannen in der Rheinneckarecke ge⸗
gründete und im Jahr 569 neuhergeſtellte Burg Lupodunum geheißen
babe 51, Wie foll aber dieſe Nedarburg mit der Donauquelle ſich be
rühren? Dazu fand doch Aufonius den Dingen zu nabe, um nicht zu
willen, was er zufammennannte. Dieß führt zur Annahme eines andern
Lobodunum, deſſen Stelle man in der längft zesftörten Bergveſte Lupfen
(Zuphun, Luphen) zu finden glaubt 75%. Es gibt mehrere galliſch⸗
sömifche Ortönamen, die fi in verſchiedenen Gegenden wiederholen 39,
fei e3 wegen gleichbeichaffener Ortlichkeit, oder auch in abfichtlicher Fiber:
tragung. Balentinians Veſte an ver Nedarmündung wird von Ammian,
fo umftänblich biefer den mühſamen Bau verfelben beſchreibt, ohne
Namen gelafien, der gleichzeitige Aufonius muß ein fernentlegenes Lupo-
dunum meinen; vermittelt wäre jeder Widerſpruch in der weiteren An:
nahme, daß Baleniinian, als fein Befeftigungstvert wider die Alamannen
vollendet war, basjelbe nad einem Drt benannte, an bem er fie im
Sinnern ihres Landes befiegt zu haben gepriefen wurde.
Ammian und Symmachus fprechen von Alamannen, Aufonins
überall von Sueven und es ift fein ausreichender Grund, dieß bei cinem
denbarg u. f. w. in pago Lobedenburg.“ 251 (1, 337): „in pego Lub-
doninse u. |. w. in Suabeheim“ u. f. mw. (Letsteres öft. f. Ind. geogr. unter
Suabeheim in Lobod. Sueboheim ia Worm.) 947 (2, 51): „in pago Lubi-
dunense.“ 2457 (2, 478): „in pago Lubdengowe.“ 274 ff. (1, 353): „ia
pago Lobdunensi, Luabdunensi, Lobodonensi, Lubudoninse, in pngo Lobo-
don, in pago Lobodungowe.“ Dann Lobodengowe, Lobedengowe, Lob-
dengowe, Ind. geogr. Bergl. Euch, Politiiche und Kirchen - @eichichte von
Labenburg u. |. w. Heidelberg 1843, ©. 56 ff. Schon Freher, de Lupoduno,
antiquiseimo Alemannie oppido, .commentariolaus, Masc. I, 273. [Ba
meifter, Alemannifche Wanderungen 1, S. 10. H.]
51 Mone, badiſche Urgeſchichte 1, 245 f.
72 Jaumann, Col. Suml. 75. Stälin 1, 134, A. 1. Sattler, Hiſto⸗
riſche Beidhreibung des Herzogtums Wlrtemberg 2, 78: (a. 1095) „de Lap-
hun.* Neug. Nr. 970 (2, 229. a. 1268): „Luphen“. Römiſche Alterthümer
foınmen am Lupfenberge nicht vor, wohl aber eine heidniſch⸗alamanniſche Be
gräbnisftätte, v. Dürrich und W. Menzel, die Heivengräber am Lupfen u. f. w.
Stuttgart 1847 (Jahreshefte des mirtenbergifchen Alterihuums- Vereins. 3 Heft.
1846). Nah Cruſius 3, S. 318 wurde die Burg 1415 zerflört.
3 Mone a. a. ©. Will man lem doppelte Lapodunum, fo fällt man
in ein zweifadhes Solicininm, Stälin 1, 134, 4. 2.
287
gleichzeitigen, den Greignifien jo nahe ſtehenden Schriftfteller einzig für
dichterifche Namengebung zu erllären 79%. In der Gegend, in welcher
der Schwabenname nachher als der allein volksthümliche vortrat, Tonnte
berfelbe gar wohl ſchon im sten Jahrh. gehört werden, wenn nicht als
Nachlaß der einft hier angefjedelten grenzhütenden Germanen, doch ver
möge des ſueviſchen Beſtandtheils im Alamannenbunde. Gerade bei
ben Hlamannen an beiben Seiten der Alb, und fat ausfchließlich bei
ihnen, bat fi aud noch im Bten und Hten bis ins 11te Jahrh. die
merfwürbige Spur fuevifcher Landtheilung nach Hunderten erhalten: auf
der Donaufeite, in der Gegend von Ehingen, Riedlingen, Saulgau,
Siwerzenhuntari, Ruadolteshuntari, Muntharishuntari (Munderlingen),
Goldineöhuntari und noch über den Bobenfee, im Thurgau, Wald⸗
hramnishuntari, auf der Nedarfeite Munigifingeshuntari (Münfingen),
Ölehuntra, worin Holzgerninga (Holjgerlingen am Schönbuch) gelegen,
und Hattenhuntari, darin Hachinga (Hechingen), Masginga und Dala-
heim (Möflingen und Thalheim, Bezirks Rotenburg), auch Hattin⸗
bunta geichrieben und fo zufammengenannt mit Suligeutwa, in welchen
der Drt Tuzzilinga (Dußlingen bei Tübingen), im Sulichgau beſonders
aber die Ortsnamen Kirichheim (Sirchentellingfurt bei Tübingen) '°>,
4 GSlaubian und Gibonins Apollinaris nehmen keinen Anftand, die Ala⸗
mannen im lateinifchen Verſe zu nennen, Glaubian, de laudib. Stilie, 1, 238 f.:
„Quoties sociare catervas
oravit, jungique tuis Alen.ania signie!“
De IV cons. Honor. 449:
„Imploraique tuum supplex Alamanuia nomen.“
Sidon. Apoll. carm. 5, 376: „irux Alamannus.“
car. 7, 373 f.:
„Rhenumque, ferox Alaınanne, bibebas
Romanis ripis“ u |. w.
7, 389: „Leges qui veniam poscant, Alamanne, furoris.“
Aufonius ſelbſt gibt epigr. III [S. 4] gegenfäglih „Susvos“ und „Gorhos“
und edyil. Vill, 29 (8. 171]: „Frencia mixta Suövis,“ alfo Sueven zufau«
men mit den eigentlichen zeitgemäßen Namen aubrer Hauptoöller; wenn im
legtern Gedichte „Getes“ den Goihen bedeutet, fo beruht dieß auf allgemeinerer
Zeitanficht (Jeuß 408).
8 Urkunde der Grafen Eberhard und Rudolf von Zübingen vom Jahr
1296; fie verlaufen: „Eorchain taz dorf bi dem Meder, waulayı, und wennmen⸗
velt m. |. w. mit allen den rehten, din wir an ben ſelben gueten beten und an
288
Argsfiingen (Ergenzingen) und Sulicha (Sülden), das alte Soli
einium 79,
Daß der Drt Solicinium, ivenn glei die Stadt von römiſchem
Bau längft gebrochen war, doch auch für die Alamannen befondre Be
deutung batte, darauf weiſt nicht bloß ihr Stillftand, ihre Ortskunde
und ihre ernſtliche Gegenwehr an diefer Stelle, ſondern mehr noch das
Fortleben des Ortänamens in ausgezeichneter Weile. Set freilich iſt
Sülchen nur noch eine einzelnftebende Friebhofliche außerhalb Roten:
burg, aber nad Solicinium war Jahrhunderte hindurch ein ganzer Gau,
eben der Eulichgau, benannt, wre nach dem rheinifchen Zupodunum ber
Kobvengau. Im Leben des h. Meinrad wird gejagt, derſelbe fei im
Ulamannien geboren, in dem Gau, den tas Altertbum nad ber Billa
Sulichi Sulihgau genannt habe 757. Das Gut Sulicha erſcheint auch,
uns braht waren, von unjeren vorderon u. ſ. w. an holze und au velde,
an wafen und an zwige, an waßer und an maide ı. f. w. und Cunrades, des
ritters von Wildenomwe, unſers bieuftmannes, muiftat ze Tälinsfart” u. |. w.
Bgl. Mone, Zeitihrift für die Gejchichte des Oberrheins 8, 484.
7566 Über das ſueviſch -alamanniſche Wefen der Huntare Merkel, de republ.
Alam. ©. 4, III. 27,2; 9 u. 36 f., II: „Equidem non tam, ubi pagi
centenarum nomine vocantıır |. w., quam ea documenta distinguo, Qui-
bus centenas (Huntari) in comitatam ac psgos transiisee ostendatur m. |. w.
Hæ cenienarum reliquie omnes ad Sueviam spectant neyue in Trans
rhenunis Alamannie, neque in Alamannicis aut Franci= orientalis aut
Burgundie partibus, neque in Helvetia (preter centenau Waldhromnis-
huntari ete.) vestigise ejus rei inveniri possunt“ u. f. w. (Das Fuer
anderfchieben von Gau und Huntari zeigt fi, außer „in pego Hattinbunta
es Buligeuwa“, namentlid; auch in „centena Eriggeuwe et Apphon*, Stälin
1, 281 u. 293.) Genane Aufzählung der alam. Gaue und Huntare bei Erxälin
278 fi. 544 ff. Zum Waldbramnish., der nit in Stälins Bereich fäbt, !.
Mertel ©. 37 ch. Nengart, Ind. geogr. 286 ob. Beachtenswerth Ruaboltes-
Huntare und Pfalzgraf Ruodolt, Stälin 1, 250. 338 u., f. ob. Zu den Pfalzgrafen
von Tübingen? Sonſt von den Huntaren Rechtsalt. 532 |. 756 f. Sprad-
geſchichte 252. 491 f. 551. 586. Waitz, Deutſche Verfaffungsgefchichte 1, 82 bis
38, 42 f. (Meg. 295.) Es ſcheint, 100 Höfe, aus deren je ein Mann zum
Heere zu fielen waren, haben ein Huntari und wieder 100 der lehtern (pegi,
Gäfar, Tacitus) das große Gemeinweſen, eivitas, gous, gebilbet. Bergi.
Baig 1, 51.
‘57 Vita 8. Meinradi (} 861) Bernune auetore (aus dem 11 Jahrh.
Stäun 1, 239, nad Mone 10 Jahrh.): „Temporibus Karoli, religiosissimi
imperatoris Francorum u. ſ. w. pıedietus vir in Alamannia natus est in
289
wie fchon früher das erwähnte Tuzzilinga in Hattinhunte und Sulih⸗
geuma und nachmals Kirihheim im lehtern, als Töniglicher Befig und
wirb von Heinrich IV zum Seelenheile feiner Großeltern Konrad II
und Gıfela und feines Vaters Heinrich III zum Marienaltar der Kirche
von Epeier vergabt, welche feine Ahnen ald Tönigliche Begräbnisftätte
geftiftet hatten und wo Jene felbft beftattet waren 56. Wahrfcheinlicher
Grund der früheren Wichtigkeit des Orts ift der fruchtbare Boden feiner
Umgebung. Ihre Kampfftellung batten die Alamannen, wie ihre ſue⸗
viſchen Vorgänger, am Rheine hin, aber dort waren fie auch beftändig
ben verheerenden Einfällen der Römer auägefeht und es muſte ihnen
zur Sicherung ihres Unterhalt oder bes jeweiligen Rückzugs von ver
Grenze cin tiefer im Lande gepflegter Anbau Bedürfnis fein. Daß fie
pago, quem ex villa Sulichi Sulichkeuue vocavit antiquitas.“ Vergl.
Ldeichtlen, Schwaben unter den Römern 130 f. Etälin 1, 310 und die Les-
arten bei Mone, Quellenſamml. der badifchen Landesgeſchichte 1, 53. [Bacmeiſter,
Memannifdye Wanderungen 1, ©. 32. 33. H.] Eine Kreuzlinger Urkunde von
1213 Hat „Sulfin“ (auch „Sölken“), im Dupl. „Eutihin, Sulichin“; eine
andre von 1264 „Sulchen.“
78 Urkunde Heinrichg IV aus Worms 1057. (Dümge, regesta Badens.
106): „quoddam predium Svlicha nominatum, in pago Svlichgowe in
eomitatu Hessonis situn“ u. |. w. (Für unecht angefeben ift die Urkunde
Konrads III von 1140 bei Dümge 181 ff., worin „Sulecho“. Daß Konrad II und
Gifela zu Speier beigefett find, |. Hahn 2, 250. 254. Heinrichs IV Leiche
wurde fünf Jahre lang nicht in die Kaifergruft zugelaffen, ebend. 3, 94 f.)
Rahmals gehörte Sülchen dem Klofter Hirichau, Cod. Hirsaug., Etälin 2,
6%. König Arnolds Schenlung vom %. 888 (Neugart 581. 1, 473 f.): „in
pago Hattinhunta et Sulibgeuwa in comitatibus Perengarii et Eparhardi,
villa, que dieitur Tuzzilinga, ecclesiam cum curte et domo* u. f. w. ift eine
Hingabe Desjenigen zum Eigenthum, was fein Bater Kaifer Karl nur auf Lebens⸗
zeit bewilligt hatte. Heinrich II übergibt 1007 an Bamberg ben „locus Kirih-
heim dictus, in pago Sulichgonue u. f. w. situs“, Mon. Boic. B. 28, Nr. 244
(Ctätin 1, 810. 523 ob.). Über die königl. Güter in Alamannien ſ. Gtälin
1, 339 u. 344. 522. Sülchen, von Speier wieder an Klofter Hirſchau ver-
gabt, Cod. Hirs. (Cruſius Th.2, 8.10, C. 15, ©. 429): „Sigefridas, Spi-
rensis Episcopus (Crufius: is opinor, qui 1031 |?) vixit), flius preedicti
Sigehardi, pro fratre suo Godefrido dedit molendinum ad Sulichin. Postea
residua sua“ u. ſ. w. Ebend. (Erufius ©. 430): „Richmunt de Suichen
dedit 1 h. in Schadwiler, que data est pro alia in Wurmlingen.“ Leicht-
len 142 |. Nachher häufig Edelleute von Süldhen, 1075: „Domnus Ezzo de
Sulichen“, ebend. 145 (mie in voriger Stelle „Richmunt de Sulchen“).
Upland, Schriften. VL. 19
un — ——
290
— — u — cam ——
einen ſolchen ſchon von den bier ausgetriebenen Feinden beftens be
gründet fanden, ift durch die aus den Trümmern der Römerſtadt auf
gefammelten Bildwerke bezeugt. Bier zufammengehörende Denkſteine,
jet abgerieben und verwittert, aber am Ende des 17ten Jahrh. ald fie
noch befier erhalten waren, vollftändig abgezeichnet, bringen in ben ein:
gegrabenen Bildern die verfchiedenen Lebenskreiſe der Colonie zu fin
reiher und umfaflender Darſtellung. Reben einigen fchwieriger zu
enträthfelnden Geftalten zeigt fich der mit befahntem Epeere anfteigende
Krieger, vielleicht Mavors felbft, wie es einem Lagerplatz anfteht, aber
auch der Mercuröftab und jelbft Melpomene und Thalia, je mit der
Maske in der Hand, fehlen nicht; daran reiht fich in einfachen Zügen
das häusliche Xeben, der Mann, das Widellind tragend, die Frau mit
Hausgeräthichaften, ein größeres Kind mit vorgefpanntem Biegenbode
fahrend, weiter der im Baumjcatten bingeftredte Hirte, ein Lamm
ätzend, der Adergang, durch zwei zufammenfchreitende Stiere ausgedrüdt,
fogar der Weinbau, durch zwei Männer, die an gelchulterter Stange mit:
einander eine Bütte tragen, und eine Frau, die eine Hufe auf dem Kopfe
bält, noch deutlicher durch traubenreiche Rebengewinde verbilblicht 799.
Beſonders anziehend für eine Sagenkunde find endlich unter der Menge
von Bruchſtücken fchmudreicher Gelchirre aus gebranntem Thon die:
jenigen, deren halberhabene Bilpnereien Yabeln des Hafliichen Alter
thums, auf die Pflege vieles frifch geaderten Bodens bezüglich, dar:
ftelen. Bor Allem ein Sämann, den Sad über den Kopf gelegt, mit
vorgebeugtem Leib und vorgeftredter Hand, und binter ihm die Stempel:
ſchrift: Consivius 760, alfo der göttliche Stammvater Janus, der jenen
Beinamen batte, weil ihm die Ausfant des Menſchengeſchlechts zuge:
#599 Col. Suml. 180 fi. Tab. VI bis IX. Bergl. Gruflus, Paraleip.
6.14, &. 57: „Ante inferiorem autem portam Rotenburgensem, qua Tybin-
gam descenditur, quædam stant prisca Romanorum lapidea monuments,
que, ex ngro eflossa, a patre supradicti M. Georgii (Walchi), ibi collocats
eunt. Ergo Romani quondanı his in locis dominati. (Add. ex M. Ser.)
u. ſ. w. Reperta sunt circa Rotemburgum, cum foderetur, varie siroc-
turee lapidee, magna cadavera tria, magna ossa, item monete ex auro
et argento. Unde colligitur, priscam Landskronam fuisse magnam urbes:
et a Romanis havitatam.“
760 Jaumann, Zuſammenſtell. 82, 11 (auch ſchon Beilage zum Schwäbi⸗
ſchen Merkur 17 Dec. 1847) und nad eigener Anſchauung.
291
— —
ſchrieben war und deſſen früher bei Anlaß der geſäten Sueven gedacht
worden iſt, ein paſſender Vertreter ebenſo der eigentlichen Feldbeſtellung,
als der im Barbarenlande geſchaffenen Pflanzftätte 71; ferner in manig⸗
faltigen Gruppen ber Kampf der Pygmäen mit den Kranichen, benn
diefer ergehliche Krieg wird im Yrühling um- die von ben wandernden
Vögeln gefährdeten Saaten geführt 762; beiden Stüden ift der zutreffende
Rame des gemeinjamen Töpfers, Cerialis, beigevrüdt 783. Mehrfach find
auch die Gefäſſe von Reben umrankt, unter denen geflügelte Liebeögätter
ſpielen oder Leſe halten 6), womit, wenn es ſich auf fo frühen Wein-
bau in bortiger Gegend bezieht, den Bergen binter Sülchen größere
Ehre wiederfährt, als ihnen heutigen Tages gezollt wird. Probus, ver
überhaupt als ein vorzüglicher Förberer des Yeld- und Weinbaus in
den römischen Provinzen befannt ift, hinſichtlich des letztern zunächſt in
Gallien und Pannonien, und der fich diefer Wirkſamkeit felbft rühmt,
hatte, nach Zurüdtreibung der Alamannen über Neckar und Alb und
bei Herftellung römischer Städte und Lager auf barbariichem Boden,
namentlich auch zum Beſten der von feinem Standort aus überrheinijchen
Beſatzungen für Aderland, Speicher und Häufer gejorgt 7%. Die Flur,
761 Open 11, 1, 3. 66. 70.
762? Col. Sum]. 216. Tab. XVIII, 1. Schwend, Mythol. der Griechen
604 ob. vergl. 505 u. Plinius, hist. nat. 7, 2 I8. 1, 10 u]. 10, 30.
Den 7, 549: „Zhre [dee Kraniche] Nahrung beiteht aus Würmern, Schneden
u. f. w., auch aus Körnern, Beeren und der grünen Saat, wo fie mandınal
ihädlich werden, befonders in Erbſen und Bohnen.“
78 Col. Suml. 201, m. Bufammenfl. 82, 10 bis 12. Beil. zum Schwäb,
Nat. 17 Dec. 1847: „Cerialis, von dem fo viele Geichirre in München aus
Rheinzabern u. |. w.“
164 Col. Suml. 216 u. Tab. XXII, 7. XXVII, 2, Berge. Nitſch, myiho
logiſches Wörterb. 162: „Ein Amor von weißem Marmor (in der Billa Negroni
zu Rom) reitet, mit Weinreben befränzt und eine Weinrebe in der Hand hal-
tend, auf einem Leoparden von ſchwarzem Marmor“ u, |. w. (Col. Sumt. 106,
Stalin 1, 107 u. Mone, bad. Urgeſch. 1, 54.)
18 Bopiscus, Prob. ©. 14 (&. 694): „Agros et horres et domos,
et annonam Transrhenanis omnibus fecit, iis videlicet, quos in excubiis
collocavit.“ (S. ob. X. 783.) C. 15 fin des Kaifers Schreiben an den Senat,
compositis rebus in Gallia): „Subaeta est omnis qua tenditur late Germa-
nia u. |. w. Omnes jam barbari vobis arant, vobis jam serunt et contra
interiores gentes militant ı. f. w. omnes penitus Gallie liberate u. f. w.
292
wo der römische Conſivius den Samen auögeftreut, tft noch in chriſt⸗
licher Bollsfage von höherer Hand beftellt und gefegnet: ein Bauer be
fuchte, fo oft er dort zu pflügen hatte, in der Sülchenfirche die Mefle
und ließ die Arbeit ruhen, dann fam jebeömal ein Engel und führte
für ihn den Pflug; zum Dante ließ der Bauer auf diefem Felde die
Theoberichötapelle bauen 786, Sprichwörtlich, menn aud minder poe
tifch, hieß die Gegend von Rotenburg eine „Schmalzgrube”, fie ift dem
Chronikfchreiber „der rechte Kern des von Fruchtbarkeit wertberühmten
Landes” 767,
Pr&de omnis recepta eat. capta etiam alia et quidem major, quam fuerat
ante direpta. Arantur Gallicana rura barbaris bobus, et juga Germanica
captiva prebent nostris colla cultoribus; pascuntur ad nostram alimoniam
gentinm pecora diversarum; equinum pecus nostro jam fecundatur equi-
tatui; frumento barbarico plena sunt horrea. Quid plura? illis sola relin-
yuimus sola, nos eorum omnia possidemus.“ €. 18: „Gallis omnibus et
Hispanis ac Britannis hine permisit, ut vites haberent vinumque conficerent.
Ipse Almam montem, in lllyricoo circa Sirmium, militari manu fossum,
lecta vite consevit.*“ C. 20: „Causse occidendi ejus he fuere, primum,
quod nunquam militem otiosum esse perpessus est. siquidem multa opera
militari manu perfecit, dicens, annonam gratuitam militem comedtre non
debere“ u. f. w. Aurel. Victor in Ces. C. 87: „Post quem Probum, in
lllyrico factum, accepere, ingenti belli scientia, exercitandisque varie
militibas, ac duranda juventute, prope Hannibalem alterum. Namque ut
ille oleis Africe plerague per legiones, quarum otium reipublice atque
ductoribus suspectum rebatur, eodem modo hic Galliam Pannoniasque
et Masorum colles vinetis replevit, postea sane quam barbarorum at-
tritee gentes sunt, que nostris principibus, suorum scelere interfectis, in-
ruperant“ u. f. w. Masc. 1, 198. Col. Sumloc, 67 bis 69.
66 E. Meier, Deutfche Sagen u. j. w. aus Schwaben, Stuttgart 1852.
©. 157.
767 Handſchriftliche Chronik der Stadt Rotenburg a. NR. „dur Chriſtoff
Lugen von Lutenhartt. 1609.” (Stuttgarter Archiv.) Bd. 1, ©. 15, in einem
gereimten Lobſpruch auf die Stadt:
„Wie jo mandherlai
Zrudt vnnd wein, darzu groß guet
In diſem Bürdhel wachen thuet,
Derbalb ift fy gar meit befant
Brnd von Bilen ſchmalzgrueb genandt.“
Br. 3, ©. 28: „Sowil aber den Feld vnnd Aggerbaw, auch Wein vnnd Wiß-
wachs, jo dann Bartenwerdh, Bewäldung, Vihezucht vnnd dergleichen Nott-
293
— — — —
Die beiderlei noch unerklärten Benennungen der alten Colonie
werben fo angeſehen, daß der römiſche Name „Solieinium“ derſelbe ſei
mit dem barbarifchen (feltifchen) „Sumelocenne® 768, Der Übergang
der einen Form in bie andre bleibt aber ſchwer zu vermitteln und ber
Zweck zweifacher Geftaltung bes nemlichen Worts läßt fich nicht abjehen,
da aud) Sumeloeenne mit lateinifcher Ableitung gebraucht wurde (Samu-
lIocenis, Sumelocennensis) und mit Solicinium doch fein römiſches Wort
gewonnen war. Sind die Namen verſchiedenen, wiewohl beidemal nicht:
römischen Urfprungs, fo wird man von Neuem daran erinnert, daß
biefer Landſtrich, als zuerft von ihm durch Cäſar Kunde ward, germa⸗
nifche Bevölkerung batte und nicht erft von geftern, fondern von un«
beftimmter Zeit ber. An Drtönamen haftet zumeift die Spur früherer
Bewohner 76°, wie bieß für die Kelten reichlich in Aniprud genommen
wird, aber auch von Germanen im geeigneten alle gelten darf, felbft
das Berbleiben ſueviſcher Vollörefte, nachdem dad Decumatenland haupts
ſächlich mit helvetifchegalliichen Einwanderern bejegt war, tft keineswegs
unmwahrjcheinlich 77%, Das Waldgebirg des Rheinbogens, der Schwarz⸗
wald, hatte fhon während der Römerherrſchaft, zu dem keltiſchen Namen
Abnoba 771, den zweiten, marcianifcher Wald, erhalten und für lehteren
Ausdrud nimmt die neuere Forfchung einhellig germanifchen Urſprung
an, im Sinne von Marl, Grenzwald ‘72; deutihe Bezeichnung des
vund Nutzbarliche Herrlichlait belangen thut, diſer Ortt Lu vnnd Fruchtbar⸗
thaitt halber vilen aubern flrzuziehen Iſt, dann vmb diſe gegne der Rechte
Kern deß von Fruchtbarkeit weitberliembten Landes, daher woll die Statt vnnd
wit vnbillich von etlihen Ein SpeißSammer oder Schmalzgrueb genant württ.“
8 Stälin 1, 98. Leichtlen 151. Col. Suml. 126, 3. |[Bacmeifter, Ale⸗
mannische Wanderungen 1, ©. 32. 9.]
769 Sprachg. 202 u.: „Am fchwierigften bleiben ortsnamen, weil fi in
ihnen zumeift die fpuren fremder und früherer bewohner eingebriidt haben.“
To Stälin 1, 62 f.: „Die Vehutfamfeit, mit welcher Tacitus der Ge⸗
fammtbevölterung tes Landes das deutjche Weſen abfpricht (non numeraverim),
erlaubt anzunehmen, daß fich auch noch Deutfche, melde wohl dem Marobod
nicht inegefammı nad Böhmen gefolgt waren, im Lande gefunden haben.”
71 Plinius, bist. nat. Tacitus, Germ. ©. 1 (Lesarten bei Mafmann).
Btolem. 2, 2. Avien. deser. orb. (4 Ihd.) 487. Zeuß 10°", Erälin 1, 6.
Mone, Urgeih. 79. [Bacmeifter 1, S. 189. 9.)
7% Benting. Taf.: „Silva marciana.“ Ammian. 21, 8 (a. 361): „Dis-
cedens inter heec Julianus a Rauracis u. |. w. Profecturus itaque per
294
Grenzgebirgs konnte aber nur von innen fommen, von Germanen, denen
der Schwarzwald eine Grenzhut gegen Helnetier und Gallier war, und
fie wird von den Römern erft gebraucht, nachdem auch dieſe in das
innere Land eingebrungen waren. Sumelocenne ift in der Schreibung
Samnlocenis Zwifchenglied einer ganzen Reihe gallifcher Ortsnamen an
der Römerftraße und fällt damit am natürlichiten berfelben Abftammung
anheim 773, Solteinium 77% dagegen und noch mehr die an Ort und
Stelle hervorbrechenden Formen Sulicha, Sulidin, Sulibgema, weiſen
auf ein verſchiedenen Zweigen des deutichen Sprachſtamms gemeinfames
Wort, das mit feinen Ableitungen in der Bedeutung von Pflug, pflügen,
Pflugfeld 7°5, bervortritt: agſ. sulh, aratrum, sulhung, aratio, was
ein Berbum eulhian, arare, vorausſetzt; ahd. fuoli, ſuohili (aratiun-
eula) 776, Das würde ſich der dargelegten Beichaffenheit der Gegend
Marcienas silvas viasque junctes Histri Quminis ripis“ u. f. w. (Hermann.
Sontract. a. 1030: „circa silvam Martianam*.) Stälin 1, 130. Zeuß 10%**.,
Necdhtsalt. 497. Grenzalt. 110 f. 116. Spracdg. 499, 2. 503 ob. 628, 4:
„Marklo“. 740 u. Selbſt Mone, der dem Galliihen nichts vergibt, nimmt
zwar nicht für erwiefen an, ob Dart ausſchließlich deutſch fei, bringt aber
ſchätzbare Velege alamannifcher Waldmark bei, Urgeſch. 2, 14f. Zu Myrkvidr
eb. ©. 115 f.
773 Man vergl. auch Arusena I. Abusena (Stälin 1, 101) der penting.
Tafel, Nemetocenna (Beuß 220*), silva Argoenna, Arduenna (ebend. 9. 11),
Badubenna (Myth. 61. Epradhg. 585 ob.)? Bacenis? (Sprache. 875 u. 491 ob.
594 ob. 618, 2). Aber auch ahd. Buohunna (Zeuß 9. Sprachg. 594 ob.).
Häufige Ortsbezeichnungen mit och, ahd. u. mihd. 1öh (Tat. Incus), Sprachg.
61, 2. 63 u. 409, 2. Graff 2, 127 u., f. Die Lochen find im Volksmunde
Plural, bei Erufius, Paraleip. 34: „auff der Lochen“. Inuava vAn? Aber die
goth. u. ahd. dat. plur. gehen auf -m.
74 Die Tefung bei Mommfen 201: „saltus Sumelocennensis® läßt ver
mutben, daß Sumelocenne da8 größere Waldgebiet, Solicinium die angebante
Umgegend der Stadtanlage bezeichnet habe, Jenes die Marl, Diejes das Pflug⸗
land, vergl. Grimms Rechtsalterthümer 498, 6,
775 Bergl. „Pflugueld“ a. 1276, Stälin 1, 817.
76 Gramm. 3, 415: „Agf. sulb, Gen. sulhes, oder sul, aules (aratrum),
wie ich glaube masc., wovon analog jenem huohili (Goth. höha, aratrum],
cin sulincle (aratiuncula) abſtammt; im engl. hat fi) sull, wenigſtens propin-
ziel erhalten u. f. w. Und aud jenes sulh mag ſich früher weiter erſtrect
haben, da die ahd. mundart neben huohili, ein fuoli (aratiuncula) dat. pl.
juolinun befaß, gl. mons. 329, Dor. 220a, das auf ein simplex fuel =
ſuhol oder vielleicht ſuloh führt*), wenn man nicht vorzieht, fuohili von tem
295
— — —— — —
von Sulicha wohl eignen und Cäfar ſelbſt beſtätigt, daß ſchon bie Sueven
ſeiner Zeit den Ackerbau übten und den Betrieb desſelben geordnet
hatten, wenn er auch nicht ihre Hauptnahrung ausmachte 77,
Spätere Geichlechter, die auf dem Schutte der Römerftabt wohnten
und pflanzten, muſte diefe begrabene Herrlichkeit nachdenklich machen,
befonders jo lange die Baurefte noch anfehnlicher, die ausgepflügten
Zunde noch reicher waren. Gefchichtliche Kunde darüber war nicht vor:
handen und fo muſte die Sage Rath ſchaffen. Erft am Anfang des
i6ten Jahrh. befaßten fich die Gelehrten mit der Frage nad den Ger
ſchicken, die bier gewaltet, aber auch ihnen fam nur noch fagenbafte
Antwort entgegen. Wieder ift es Tritenheim, der fich, in feiner Chronik
des Kloſters Hirſchau, mit feltfamen Entvedungen berbeiläit. Zum
Jahr 1112 meldet er, daß damals die Stadt Rotenburg am Nedar
burch ein Erbbeben von Grund aus erjchüttert und gänzlich zerftört
worden, aber nicht fange bernach von den Einwohnern, die fi in die
nachher anzuführenden fuoha (occa) abftamımen zu laßen. Das agj. sulh aber
jheint das lat. sulcus masc., die durch den pflug gezogene furche; ein agſ.
verbum sulhian (sulcare) folgt aus sulhung (aratio). *) in abd. urkunden
erſcheint fol, ſoͤl? (neutr.) zur bezeihnung urbares landes: in daz haganina
ol Wirzburger grenzurkunde), in daz Grimen fol (daſ.); birkinen folen, det. pl.
wibinen folen (Schannat 695) u. ſ. w.” 8, 416: „Das gepflügte land ahd.
u. f. w. juohili (aratiuncala) Maßm. denfm. 103. vergl. juoli vorhin f. 415;
huchili vorhin f. 415; agf. sulincle.“ Sprachg. 56: „Das gotb. wort lautet
böha, wofür aud ahd. huoho gemutmaßt werden darf, weil ſich huohili ara-
tiuncula vorfindet, genau wie ahd. fuoili juoli auf fuol ſuhol führen, das dem
agj. syl sul sulb aratrum entſpricht und uod im provinziellengl. sull
fortvauert. sulh aber fcheint das lat. sulcus, die pfluggezogene furdhe, und
sulhian arare folgert fi) aus sulhung aratio.* 69 ob. 303 u. „uärog“
(eulcus). 401 ob. 409 u.: „lat. sulcus, agj. sulb, ahd. fuloh? u. f. w.“
Bergi. Graff 6, 186 ob. Bosw. 213, Ettmüller 650 (eulub). Bon fulih
m. (vergl. Gr. 2, 284, 1) a)), das noch in der Zujammenjegung Sulihgeuma
erſcheint, Pflug, abgeleitet: ſulicha (Dümge 106), julecho (ebend. 132), nom.
neutr. Pflugland, dat. sing. fulichin (Br. 1, 609 u. 629 u.)? Gehören sullı
und sulcas aud etymologiſch zufammen, fo hatten fie doc der Bedeutung nad
verfchtedene Richtung genommen (Pflug und Furche), wodurch die Stammoer-
wandifchaft verbuntelt war. Plautus, Trucuientus Act 1, Scene 2: „volo
babere aratiunculam pro copia hic apud vo:.* Not. Zaubm. „Aratiunculam
i. sgellum conductaum, queın arem.“
7 Käfer, beil. gall. 4, 1.
296
Wälder geflüchtet, wieberbergeftellt worden fei; ferner unter Berufung
auf das zu 1112 Bemerkte, als ähnliches Ereignis: im Jahr 1280 fei
die Fürzlih vom Erbbeben zufammengeftürzte Stadt nad Anorbnung
und auf Koften deö Grafen Albrecht von Hohenberg in den vorigen
Etand gebracht worden; zur Zeit des Königs Faramund haben bie
Franken diefe Stadt erbaut und ihr den Namen Landskron gegeben 77%,
Etatt defien wird auch Landsort, Landsfurt gefchrieben. Andre, die
nicht zwei Erbbeben und Mieberberftellungen annehmen wollten, be
mübten ſich verfchiedentlich,, die Zeitangaben zu berichtigen 779. Urkund«
lich ift allein, was zwei gleichzeitige Jahrbuchſchreiber aufgezeichnet haben,
nemlich der in jener Gegend heimische Konrad von Wurmlingen, zum
Jahr 1280: dazumal fei nahe bei Rotenburg eine neue Stadt mit
Mauern und neuen Gebäuden angefangen worden 78%, wobei unter
Rotenburg noch die alte, im 17ten Jahrh. abgetragene Burg auf ber
"8 Trithem., Annal. Hirs. 1514 ad 1112 (Leichtlen 148): „Anno quo-
que przenotato Rotenburg, juxta Necari fluminis ripas in Suevia oppidum,
terre mota concassum funditus, et in toto cecidit conrulsum penitus et
destructum; sed non diu postea per incolas, qui ad nemora confugerant,
instauratum est. Ad 1280. Item anno preenotato oppidum Rotenburg,
ad litus Necari flaminis Suevie situm, quod nuper [?] terre motu fun-
ditus corruerat, consilio et impensis Alberti, comitis de Hobenberg, jactie
fundamentis atque repositis ad pristinum statum est restitutum. Hujus
oppidi similem ex terre motu ruinam et restitutionem longe supra reci-
tavimus in primo volumine, a. 1112. Quod quidem oppidum Franei olim
temporibus Faramundi regis construxerunt et Landeskron, vel ut codices
habent vetustiores Landskorn [Landsort?] nominaverunt, aut loci ame-
nitate provocati, aut guardie opportunitate?“ (Landesſchutz, guardia?)
779 Naucler, Comment. Chron. Bl. 286 (Leichtlen 147). Grufius Tb. 2%
8.9, 8.5 (S. 819). Th. 2, 8. 12, C. 18 (©. 574). Th. 3, 8. 2, 6.2
(©. 126). Parnleip. €, 14, ©. 57. Der Dentftein von 1602 (Leichtlen 149)
bedarf feiner Erörterung.
70 Conradi de Wurmelingen annal. Sindelfing. a. 1280 (Böhmer,
Font. rer, german. 2, 465): „Civitag nova prope Rotinburch muris et
novis edißciis fait inehoata.“ Martinus Minorita (Eccard 1, 1632): „1281
in ÄL Rotenburg super Neccarum resdificatur, ubi retroactis temporibus
egregia' ejusdem vocabuli eivitas sita fuit.“ Haug, Chron. Sindelf. S. 15,
N. 1: „veteris roman civitatis ruinas u. f. w. tunc plerumqne solo
squatas esse opinor. Rotenburg a. adhuc 1307 simplicıter interdum
Nova Civitas appellabatur.*
297
Waldhöhe (Weilerburg) verftanden ift 781; ſodann der Minderbruber
Martinus zum Jahr 1281: in der Faften diefes Jahrs fei Rotenburg
am Redar wieberaufgebaut worden, wo in altvergangenen Zeiten eine
berrlihe Stadt desfelben Namens gelegen. Ein Naturereignis, durch
welches legtere untergegangen, ift in beiden Stellen aud nicht leiſe an»
gedeutet. Wirklich hat bier weder Faramund eine Etabt erbaut, noch
das Erdbeben eine verfchlungen. Wovon die Erde gefchüttert, das mar
der Sturmfchritt ftädtebrechender Alamannen.
In dichtem Walde bei Lenzburg im Yargau fteht riefenbaft der
moosbedeckte Römerftein, einziger Überreft einer feſten Stabt, die bier
erbaut geivejen fein fol, in ber Nachbarſchaft ver größeren Vindoniſſa;
ceinft in der Nacht erhob fih Sturm und Gewitter, die Erbe fpaltete
fi) und die Stadt verfant 782; das ift diefelbe Cage, wie von der Stabt
am Nedar, nur daß von Solicinium mehr als Ein Stein Kunde gibt.
Sn den Trümmern diefer Nömercolonie haben ſich, nachdem die
Götter des Alterthums gemwichen, germaniſche Pygmäen eingeniftet.
Darüber befagt die handſchriftliche Chronif der Herrn von Zimmern
vom Jahr 1566, „es fei gewislich wahr, daß bie „Erdenmendle“ vor
Sahren viel Wohnung und Wandels um das jebige Rotenburg am
Nedar gehabt. Die Stadt habe vormals Landsort oder Landskron ges
beißen und zu felbiger Zeit ſei Eülchen die Pfarrkirche geweſen. Diefe
alte Stadt jei 1112 den Zten Jänner von einem Erdbidem und unver:
ſehenen Gewäſſer verwüftet worden und zerfallen, bis im Jahr 1271
Graf Albrecht von Hobenberg die Stadt Rotenburg dahin, wo biefelbe
jegt gelegen, erbaut habe. Auf derfelben Seite des Nedars haben bie
Erpmännlein gewohnt, denn, menn man von Rotenburg gegen bem
Wekenthal binausgehe, finde man nicht fonbers tief in der Erde ein
wunberbarliches Gebäu, nemlih einen Gang, wie ein Porticus ober
ein Kreuzgang, der fich in die Länge erftrede und auf ber einen Seite
mit Biegelfteinen zugemauert, auf der andern mit Heinen fteinenen
781 Nach der Beichreibung des Dberamts NWottenburg 144 foll die neue
Burg ſchon 1216 vom Grafen Burkard von Hohenberg erbaut worden fein, was
aber des Beweifes bedarf.
762 Echmweizer- Sagen u. f. w. ton Fr. Dite (Better), Straßburg 1840.
©. 71 f. Die Duelle der poetifhen Bearbeitung ift nah Anm. S. 86: „Münd-
Ihe Sage.“
298
Eäulen gebaut geweien, offen und oben gewölbt, inwendig durchaus
hohl, zweier gemeiner Werkſchuhe breit und vier folder hoch, das Pavi⸗
ment des Porticus ſoll mit „geleften” Steinen aufs zierlichfie gemacht
fein, auch wiſſe man weder den Anfang noch das Ende folches Porticus,
noch wo er bingangen, denn fein Zweifel, daß er von Menſchenhänden
nicht gemacht tworben, viel weniger daß er zu menſchlichem Gebraud
jollte dienftlich fein” 89. Mit dieſer Anfievlung der Erdgeiſter befindet
fih die Sagenkunde im Übergang zu der weitichichtigen Unterſuchung
des ſueviſch⸗ alamanniſchen Götterglaubene
— — — — —
IV. Götterweſen der Iueven- Alamannen.
1. Natur- und Schhidfalsgätter.
Die Zeugnifle zur Kenntnis des ſueviſch⸗ alamanniſchen Heidenthums
Iprechen theild nur von Verehrung der Natur in ihren gegenmwärtigften
Erfcheinungen und fühlbarjten Kräften, tbeil aber auch von Gottheiten
mit perfönligem Eigenleben. Es erfcheint zmedmäßig, von den Auf:
fafjungen ver erftern Act auszugeben. Cäfar fagt von ben Germanen
überhaupt, wobei er jeboch zumeift die Sueven im Auge hatte, daß fie
zu Göttern nur diejenigen zählen, die ihnen fichtbar feien und beren
Einfluß ihnen offenbar zu Statten komme, Sol, Bulcanus und Luna,
von den übrigen haben fie nicht einmal gerüchtiveife vernommen "4;
biebei fteht die römische Götterwelt im Hintergrunde, aud ber den Ger
manen nur das finnlih Wahrnehmbarfte erreichbar war. Eigens die
Alamannen im eroberten Lande betrifft bie Hauptftelle bei Agathias
(} vor 582): „gewifie Bäume verehren fie und Fluten der Ströme,
783 Bimmerifche Hoſchr. v. 1566, im flrfil. fürftenberg. Archiv zu Donan⸗
eichingen, &. 1081 ff. [Ausgabe von Barad 4, ©. 229. 280. H.]
7% Cäſar, bell. gall. 6, 21: „Germani multum ab hac consuetudine
[Gallorum] differunt. Nam negue Druides habent, qui rebus divinis pre-
sint, neque sacrificiis student. Deorum numero eos 80los ducant, quos
cernunt et quorum opibus aperte juvantur: Solem et Vulcanum et Lunam;
reliquos ne fama quidem acceperant.“ Gchwend, Mythologie der Römer
58 ff. 121 f.
299
Berghöhen und Thalfchluchten; diefen weihen fie, als ob fie damit Heis
liges vollbräcdten, Pferde, Ochien und unzählige andre Thiere, indem
fie denfelben die Häupter abjchneiden” "8, Wie Säfar dem roben Natur:
bienft der Germanen die übervolle Götterhalle der Römer entgegenftellt,
fo der neubelehrte Grieche dem der Alamannen die dhriftliche Gottes:
verebrung der Franken. Ein früherer und ein fpäterer Gemährsmann
unterftügen. diefed Zeugnis. Der römiich-heibnifche Dichter Claudian,
am Ende des Aten Jahrh., rühmt, bezüglich auf Alamannien, den fteg:
reihen Etilico, der es dahin gebradt, daß nun fernhin durch das
öde Schweigen des herlyniſchen Waldes ficher gejagt werden dürfe und
römiſche Arte ungeftraft die durch alte Verehrung fchaurigen Haine
fchlagen und Eichen, die den Barbaren für eine Gottheit galten 786.
Sodann noch in der erften Hälfte des 8ten Jahrh. jagt eine Ermahnung,
die dem h. Pirminius zugelchrieben wird, einem Glaubensboten zu den
Alamannen und Stifter des Klofterd Reichenau: „Betet feine Gößen an,
weder an Felfen nod) an Bäumen, weder an abgelegenen Orten noch
an Quellen, auch nicht auf Kreuzwegen bringet eure Anbetung und
eure Gelübde dar!“ 787
Diefe Kundgebungen, von fo verfchiedenen Standpunkten ausgehend,
einigen fih darin, daß dem Alamannen die ganze umgebende Natur,
Gebirg und Thal, Wald und Strom, Baum und Quell, eine gött:
liche Weihe hatte. Wenn von chriftlicher Seite, namentlih in päbft-
lihen Sendſchreiben und den Beichlüffen der Kirchenverfammlungen,
%5 Agatbias, Histor. 1,7: „Asıdpa re yop rıra ilusaovrar nal peidpa
norauay nal Acpuvg nal Yapaypya.. Tuvrors, Gonep udıa dowvrag, imnovs
rs nai Boaz nal alla ürra uvoia naparouovrrig dauderchorser.“ Gtälin 1,
161 f. Masc. 2, 15, 9. 8.
76 Gfoubian, de laud. Stilie. 1, 228 ff.:
„Ut procul Hereyni® per vasta silentia eilve
venari tuto liceat; Incosque vetusta
religione Iruces et robora, numinis instar
berbarici, nostre feriant impuue bipennes.
Ultro .quin etiam devota mente tuentur
victorique favent; quoties Bociare catervaß
oravit jungique iuis Alemania signis!“*
Erälin I, 162. 143.
7 Neugart, episcopat. Constant. 73. Stälin 1, 163. 19.
300
wie auch in den Leben der Heiligen, das germaniſche Heidenthum häufig
als rohe Anbetung der Naturgegenftände felbft aufgefaßt ift, fo laſſen
doch die angeführten Zeugniſſe durchblicen, daß den Alamannen bie
Ahnung einer im Naturleben waltenden höhern Macht nicht gefehlt hat,
in demfelben Sinne, wie fchon den Germanen des Tacitus im Schauer
des geweihten Haines und am heilig gehaltenen Salzftrom die unſicht⸗
bare Gottheit nahe war 8. Die geringen Spuren von Tempeln ober
Gögenbildern der heidniſchen Alamannen 78° heben nicht auf, daß vor
herrſchend es auch ihnen widerſtrebte, die Gdtter in Wände zu bannen
ober im Menfchenbilbe barzuftellen 7%. Ihrer alten Abneigung gegen
den geichlofienen Bau ift fhon gedacht worden, überhaupt aber waren
die germanifchen Völker jener Zeit nicht dazu gerüftet, fi in Werfen
der bildenden Kunft zu verfugen. Auch nachdem die Deutfchen in die
Ubung und Pflege diefer Kunftgattungen eingetieten waren, nahmen fie
ihre Richtung weniger auf die finnlich abgerundete Geftalt, als auf bie
ahnungsvolle, ungemeffene, von der ungreifbaren Gegenwart bes Geiftes
durchdrungene Natur. In der Malerei erſchloſſen fie die Landſchaft
und was fie aud in jedem Fache Tüchtiges geleiftet, fo hat doch ihre
eigenfte Kraft in derjenigen Kunft ſich ſchöpferiſch ertoiefen, die zugleich
in den ftärkften Maſſen arbeitet und am meiften der Gedankenwelt an
gehört, in der Baufunft; aber auch hier bauten fie ald Hauptzwed wieder
nicht ein Haus, fie pflanzten einen Wald mit riefenhaften Stämmen
und Wölbungen, fie thürmten ein Gebirg mit himmelan ragenden Gipfeln.
Der alamannnifche Naturbienft, den bie beſprochenen Stellen in
allgemeineren Zügen bezeugen, ift nun in feine beſondern Gebiete zu ver
folgen und e8 werden im Fortgang aud) die Geifterwefen, die im Innern
derfelben leben und wirken, erfennbar und vertraulid herankommen.
‘8 Germ. 9: „lucos et nemora conseerant deoramgue nominibus
appellant secretum illad, quod sola reverentia vident.* 39: „silvam,
auguriis patrum et prisen formidine sacram“ [vergl. A. Claud. „Iucosque
religione truces“] u. {. w. „ibi regnator omnium dens“ m. |. m.
“57: „Bumen gignendo sale fecundum u. f. w. religione insita,
locas propinquare clo precesque wortalium a deie nasguam
iri.“
fin 1, 161. 162 m.
m. 6. 9: „nee cohibere parielibus deos neque in ullum ha-
»eciem assimilare ex magnitudine colestium arbitrantar.*
301
a) Erde und Erdgeifter.
Mar die nährende Erde als Mutter angerufen, fo wurden Berg
und Geftein als Vater oder Urvater benannt; fo der Altvater zwiſchen
Schleſien und Mähren, der Altlönig, Altling, mit den vermuthlich
alamanniihen Steinringen, die Schweizerberge Altmann und Egel 91,
Diefer letzte Name ift auch der mittelalterliche des Hunnenlönigs, Laut:
verichiebung von Attila (abd. Azilo, Ezilo), Diminutivform des goth.
atta, Vater 7%, Oſtgothen zogen in Attilas Heer und waren ihm be
ſonders betraut 799, in der deutſchen Heldenfage ift fein Hof div Zus
fluchtftätte aller vertriebenen Helden, namentlih Dietrihs und der
Amelunge; ihm zur Seite fteht Frau Helche, Herche (altn. Herkja,
Erkea), zugenannt die Gute, die an elenden Reden mütterlich handelt
und durch deren Tod die von ihr erzogenen Jungfrauen verwaiſt find 794,
wohl auch namengleich ber gefchichtlihen Kerla, einer gaftfreien Ges
mahlin des Hunnentönigs 7%; gaben nun ihm die Gothen den Vater:
791 Bergi. J. Grimm, Zeitſchrift des heſſiſchen Vereins für Geſchichte 2,
139 big 143, Beitfchrift für deutſches Alterthum 1, 26, altdeutfche Blätter 1, 288.
2% Grimm, Gr. 3, 820. Zeitſchrift fiir dentſches Alterthum 1, 25.
Sprachg. 271 u. 289, 15) 17). 475. Neugart, ind. onom.: Atilo, Azzilo.
(Zeuß 719: „Aradıg“, „*) Al. Aria, 'Arrilag Men. ©, 301, Etel, Itil,
die Wolga bei den Türfen.“)
733 Jornandes 6.38: „Inter quos Ostrogotbarum preeminebat exercitus,
Wealamire et Theodomire et Widemire germanis ductantibus u. |. iv. eum
[Ardaric. Gepid.] et Walamirem, Östrogotharum regem, super cteteros
regulos [Attila] diligebat. Erat namque Walamir secreti tenax, blandus
alloquio, doli ignarus ı. |. w. Sed solus Attila, rex omnium regum, super
omnes et pro omaibus sollieitus erat.* (Magc. 1, 430, A. 2.)
798 Dierr. FI. 4820 ff.: „fraum Helche weinen bes began; fie ſprach vil
muterlih: awe, Dietrich!“ 4918 f.: „daz ir fo muterlihen tut an manigen
ellenden reden gut.“ Nib. 1184, 4: „an ber ift nu vermweifet vil maneger junc⸗
froumwen lip” u. |. w. Vergl. Heldenfage 68. Mythologie 232.
785 Prise. S. 68: „Postridie ad domus Attil® interiora septa me con-
tuli, dona ferens ejus uxori, qu® Cerca vocabatur. Ex ea tres illi liberi
u.f. w. Eam famulorum multitudo in orbem circumstabat, et ancille ex
adverso humi sedentes telas coloribus variegabant, qu® vestibus barba-
rorum ad ornatum inseruntur“ u. f. w. ©. 68: „Interea Reccam, Attile
uxor, qu® ejus res domesticas curabat, nos etiam ad coenam invitevit.
Ad eam, ut erat multis Scytbiee principibus comitata, accedentes, contigit
nobis etiam humanitate frui. Illa vero nos excepit mellitis et jucundis
302
namen, warum nicht auch ihr einen mütterlihen? Und fo wird man an
jene agf. Erce, der Erbe Mutter, gemahnt und es fragt fidh weiter,
ob nicht das dunkle Wort Erce eben eine Urmutter bedeute, alſo bem
männlichen Bergnamen Atilo, Azilo, der weibliche Name einer Erd⸗
göttin Ercha entfprochen babe. Im einem Eddalied erfcheint Herkja
mit Atli 796, zugleich aber ift in ber j. Ebba unter den Rieſenweibern
(von Riefenart find die Urweſen) eine Herkja aufgeführt 797, Einer
Erdgottheit eignet fi) auch das Meifte, mas norbdeutiche Bollefagen
von der riefenbaften Frau Harke, Herke überliefert haben 7%. Aliwater
beißt noch ein großer Felsblock im Schwarzwald, bei Kalmbach, ben
der Volksmund als den älteſten der umberliegenden Steine bezeichnet 7#.
Helvenlieder der Edda kennen den Eid auf heilige Steine, der Bruber
Sigruns von den Suevenbergen hatte ihrem Geliebten Helgi Eibe ge:
Ichworen beim lichten Wafler des Stroms und dem falten Steine der
Flut 800,
confabulationibus et magnifico epularam apparatu® u. |. w. ( Iſt Gerca
diefelde Berjon mit Reccam?) Bergl. Heldenfage 68. 345. Lachmann, Anm. 384, 3.
196 Seem. 237, 46. 238, 53 f. vergl. 237a: „Herkja hèt ambött Atla,
bon hafdi verid frilla hans,“
197 Sn. 2106 (Tröllgqvenna heiti: Heera (?), Herkja, nachher auch Ama,
o. Amma, Atla. Atla neben Eyrgiafa und Jarnsaxa, welche gleichfalls ven
Gebirg anzugehören jcheinen, Sem. 118, 35. Mund 70, 3. Galzburger
Berbrüderungsbud 101, 17: „attita” f. (iara, ioru vellir, Heitföhrift für dentſches
Altertum 7, 316 ob., vergl. Mythologie 232: Hera, Gr. 3, 676 f. Diminur.;
&rada, ärda, herd, iörd auch abgeleitet, einfach ero, hero, Mythologie 229.)
78 A. Kuhn und W. Schwark, Norddeutſche Sagen u. ſ. w. Ar. 126.
Hieher überhaupt Mythologie 232. Spradg. 819, 1u.
79 Eifert, Nachrichten zur Geſchichte von Calmbach und Höfen, 1850, ©. 5:
„Der Heimenhartt heißt in unfer jebiges Deutich überſetzt: der Riefenforft, und
die Sage von ungeheuren Niefen, die Hier gehauft haben, bat ſich jo ſehr er-
halten, daß man fogar erzählt, der lebte diefer Art u. f. w. fei unter dem
gröſten TFelsblod in der Gegend, dem Langenftein auf dem Meiftern ober unter
dem Altvater begraben, den der Vollswitz als den älteften der umberliegenden
Steine bezeichnet“ u. |. w. €. Meier, deutſche Sagen aus Schwaben ©. 97.
[Heimenflein im Neiblinger Thale. 9.)
&00 Sem. 165, 18: „pik skyli allir eidar bita, beir er Helga hafdir
unna; at enu liosa leiptrar (vergl. 48, 28. En. 4. 218a u.) vatni ok at
ürsvölum (®r. 2, 789. Stem. 160, 11) unnar steini.* 237, 47: „ber mun
ek alle bess eida vinna at inum hvita heiga steini“ u. f. w. 248, 32:
303
— —
Bon der mätterlichen Erbe iſt nun auch aus dem Alamannenlande
Mandyes zu jagen. Zunädft in ihrer urftofflihen Ruhe ift fie Gegen:
fand finnbilvliher Handlungen, aber auch fo ſchon fichtbar heilig ge
balten. Im alten Gefeß der Alamannen trüt ein foldhes Verfahren
beſonders lebendig vor Augen: wenn Streit entftanden ift zwiſchen zwei
Geſchlechtern über die Grenze ihres Grunbeigentbums und Einer jagt:
„bier ift die Grenze”, der Anbre an eine andre Stelle gebt und fagt:
„bier ift unfre Grenze”, dann ſoll der Graf dieſer Vollögemeinde gegen:
mwärtig fein und ein Seichen legen, wo Sjener und mo der Andre bie
Grenze haben will, und fie follen um den ftreitigen Raum einen Kreis
ziehen; iſt dieſer gezogen, fo follen fie in die Mitte treten und, in Gegen:
wart des Grafen, von diefer Erde heben, was die Alamannen Zurfodi
nennen, und Zweige von den Bäumen in die Erde fteden, die fie er
heben, und die ftreitenden Gefchlechter follen jene Erde in Gegenwart
be3 Grafen aufheben und fie in feine Hand befehlen. Er wickle fie in
ein Tuch, lege ein Siegel an und befeble fie in fichre Hand bis zum
feftgeießten Gerichtstag. Dann geloben fie unter fich ven Zweikampf;
wenn fie zum Kampfe gerüftet find, dann legen fie die Erbe in bie
Mitte und berühren fie mit ihren Schwertern, mit denen fie lämpfen
follen, und nehmen Gott den Schöpfer zum Zeugen, daß, weilen bas
Recht, defien auch der Sieg jet, und fämpfen. Welcher von ihnen fiegt,
der nehme den ftreitigen Raum in Befig und die Andern, die ſich bes
felben anmaßten, büßen, weil fie das Eigenthum wiberfprochen, mit
zwölf Eolidi 801,
„eida opt um svarda uk dr of nefnda, at söl inni sudrhöllu ok at Bigtys
bergi“ u. ſ. w. Rechtsalterth. 897.
WW Lex Alam. €. 83: „Si qua eontentio orta fuerit inter duas genea-
logias de termino terre eorum et unus dicit: hie est terminus, alius
revadit in alium locum et dieit: hic est noster terminus, ibi præsens sit
comes de plebe illa ei ponat signum, ubi iste voluerit et ubi ille alius voluerit
terminum, et girent ipsam contentionem. Postquam girala fuerit, veniant in
medium et presente comite tollant de ipsa terra, quod Alamanni zurfodi
dicunt, et ramos de ipsis arboribus infigant in ipsam terram, quam tollunt,
et ilie genealogiee, quæ contendunt, levent illam terram presente comite et
commendent in sua manu. Ille involvat in fanone et ponet sigillum, com-
mendet fideli manu usque ad statutum placitum. Tunc spondeant inter 86
pugnam duorum. Quando parati sunt ad pugnam, tunc ponant ipsam ter-
ram in medio et tangant ipsam cum spatis suis, cum quibus pugnare debent,
304
Gregor von Tours erzählt, als die Sueven, d. h. Alanıannen,
in Gallicien mit den Vandalen in Grenzftreit gerathen, fet vom Köniz
der Erftern die Enticheibung durch Zweikampf vorgefchlagen mworben;
aus den beiberfeitigen Heeren fchritt je ein gewaffneter Süngling hervor,
der Kämpe der Bandalen unterlag und wurde getöbtet, morauf fie von
der fpanitchen Grenze abzogen 802, Wie bier der Krieg zulammengren:
zender Völker, fo ift nach der Geſetzſtelle die Fehde zwiſchen zwei nad;
barlichen Gefchlechtern in den minder blutigen Einzellampf der beiden
Vertreter abgelentt. Das Geſetz ftellt diefen unter Obhut des Richters
und orbnet dafür ein Verfahren von finnbilblihem und zugleich aus
geiprochen religiöfem Gepräg an. Das Abzirlen des ftreitigen Plabes
wird urfprünglich bezwedt haben, dieſen felbft als Kampfkreis einzuhegen.
Durch die Aushebung des mit Zweigen beftedten Torfes (Raſenſtücks)
aber wurde der Platz ſymboliſch auf bie orbentliche Gerichtsſtätte ver.
et testiicentur Deum creatorem, ut cujus sit justilia, ipsius sit victoria,
et pugnent. Qualis de ipsis vicerit, ipse possideat illam contentionem, et
illi alii presumptiosi, quia proprietatem contradixerunt, conponant cum
XII solid.“ NRedhtsalterth. 114 f. (Genealogia bereutet wohl urſprungliche Ber:
wanbifchaft, dann aber Marlgenoffenfhaft u. dergl., die alamannifchen -inge.)
802 Gregor. Turon. 2, 2: „Post bee (an. 406) Vandali a loco sao
digressi, cum Gunderico rege in Gallies ruunt. Quibus valde vastatie,
Hispanias appetunt. Has secuti Suevi, id est Alamanni, Galliciam ad-
prehendnnt. Nec multo post scandalum inter utrumque oritur populum,
quoniam propinqui sibi erant, Cumque ad bellum armati procederent ac
jamjamque [a. acieque in conflictu] in conflictu parati essent, ait Ala-
mannorum rex: „Quousque bellum super cunctum populum commoretur?
Ne pereant, quæso, populi utriusque phalange, sed procedant duo de
nostris in campıum cum armis bellicis et ipsi inter ge confligant! Tune
ille, cujus puer vicerit, regionem sine certamine obtinebit.“ Ad heec cunetus
consensit populus, ne universa multitudo in ore gladii rueret. His enim
diebus Gundericus rex obierat (an. 428), in cujus locu Trasamundus
obtinuerat regnum. Confligentibus vero pueris, pars Vandalorum victa
euccubuit; interfectoque puero, placitum egrediendi Trasamundus spopondit,
ut scilicet, præparatis itineris necessariis, se a finibus Hispanie remc-
veret“ [Anmerkung zu „Trasamundus“: Sic semper Corb.; Regius A vero,
Bec., Regm. [et Clun.] cum aliquot editis Transimundus, alii Trasimun-
dus. Hsc non sub Trasamundo, sed sub Genserico contigerunt. Gunderico
successit Gensericus, non Trasamundus, qui post Gundabundum regnare
capit anno 496.] Dan vergl. die Zweilämpfe, bie zwiſchen Wlamannen und
Thüringern, Burgunden und Franken verabredet waren, oben ©. 256. 276.
305
jet. Wie der einzelne Kämpfer feinen Stamm vertrat, fo ber aus:
gehobene Torf dad Grundſtück, um das geftritten wurde. Auch für
Übertragung des Eigenthums oder Befikergreifung ftellt im beutfchen,
namentlich ſchwäbiſchen Rechtsalterthum die Scholle, der Wafen, bie
Rebe den Ader, die Wiefe, den Weingarten vor 809, Die religiöfe Be-
beutfamteit des ausgebobenen Rafens bewähren angeljächfifche Aderfegen,
in denen Heibnifches mit Shriftlichem verfeßt ift: aus ben vier Seiten
bes zu jegnenden Aderd genommene Torfe werden mit Baumäften und
Kräutern, auch DI, Honig, Hefe, Milch belegt und mit heiligem Waſſer
betropft, fo zur Kirche getragen und nachdem vier Mefien darüber ge:
fungen find, auf den Ader zurüdgebraht, wo dann jene Segen?:
ſprüche erfolgen, in denen die Erde und ihre Mutter zugleich mit den
heiligen Namen des Chriftenglaubens angerufen werben 89%, Was mehr
nur eine Segnung zur Tragbarkeit des durch böſen Zauber ver:
dorbenen Aders geworden ift, zeigt gleichwohl noch die Spuren eines
der Erbgöttin gebrachten Dpferd, denn fie felbft wird noch mitange-
fleht 200. Menn daher im Beginn des alamannifchen Grenjftreits die
&03 Bergl. Rechtsaltertb. 112 bis 117, liber „curfodi“ ingbejondre 114 u.,
f. ob. Grafi 5, 706: „Zurft, Xorf, angelf. ıurf, altmorb. torf, gleba, cespes.
De ipsa terra, quod Alamanni zurf (var. zturf, zcruf, zuruft, surfo, curffo,
carffodi) dicunt. L. alam. 84. zurba, cespes, terra avulsa. L.“ Pergament-
Urkunde von Hotweil 1320 (im ftäbtifchen Archiv zu Herrenberg): „bi waſen und
bi zwie, es fie an holcze, an vefde, an aderen vi an wifan“ u.f.w. Hier lebt
ion neben dem Symbol: Waſen und Zweig, die Sache felbft: Holz und Feld.
Horber Stadtrecht, Pergament- Handichrift des 15ten Jahrh. Bl. 10a: „Was
pfaud man ouch vertäbingen wil, die varende hab find, die fol ain richter jehen.
ZR es aber ligent güt, wingarten, ader oder wifun, fo fol man ainen ſchollen
oder reben da von bringen vnd den richten laffen ſehen“ u. |. w. Stelle des
wirtembergilchen Landrechts von 1554 UL, 120. 124, Rechtsalterth. 114. Ebend.
113 von „Swabſted“: „mit ener grönen joden” (Weftphalen 4, 8119 ſa. 1415]).
554 Raft, Angelsaks. Sproglere, Stodholm 1817, 157 (aus Nyerup,
Symb. Hafn. 1787, 147, vergl. XXIII f.). Mythologie 1185 fi. |
58 Mythologie a. a. D.: „eordan ic bidde and upheofon.* (Auch
„upbeofon,“ der hohe Himmel, der mit der Erde zufammenmirten fol, findet
fh, in gleichem Verbande, noch in der Eprache des nordiſchen Heidentbums,
Sem. 1, 3: „iörd fannsk eeva né upphiminn“, 70, 2: „iardar hvergi ne
upphimins“, 241, 15: „iörd düsadi ok upphiminn.“) Zur Segnung ein-
lentend: „Erce, erce, erce, eordan mödor, geunne Pe se alvealda &ce dryhten
äcera veaxendra“ n. |. w. und doch zugleich wieber der alte Götteranrnf: „hal
Upland, Sqriften. VII. 20
306
beiben Kämpen mit den Schwertern das Nafenftüd berühren unb babe
Gott den Schöpfer zum Zeugen nehmen und um Sieg bitten 9%, fo iſt
kaum zu zweifeln, daß auch biefer Anruf in heibnijcher Zeit der heiligen
Erde ſelbſt gegolten babe, die durch ihre fieggebende Kraft für das Recht
entſcheiden ſollte. Bon der wirkſamen Erdkraft ift altnordiſch und
angelſächſiſch mehrfach die Rede; für ſich allein oder in Verbindung mit
andern Urkräften gibt fie der heranwachſenden Jugend Gedeihen, ben
Kanten und Wunden Heilung, den Unfichern Feſtigkeit, den Kämpfenden
Sieg 207. Diefen befonders betrifft eine angelfächfiiche Formel, welche
anweift, mit der rechten Hand unter den rechten Fuß Erbe zu werfen,
denn Erde fei mächtig wiber jebes feindliche Weien, und dann bie Sieg
weiber (Wallürsen) anzurufen, daß fie nicht zu Walde fliegen, ſondern
dem Flehenden wohlgeſinnt fich zur Erbe nieberlafien 8%. Beſtimmter
ves Bü folde fira mödor!*“ wie Sem. 194, 4: „Heilir æsir, heiler 4synjur,
heil sis in flölnyte fold!“
806 „tunc ponant ipsam terram in mediv et tangant ipsam cum spatis
suis, cum quibus pugnare debent, et testificentur Deum creaiorem, ut eujus
sit justitia, ipsius sit victoria® u. ſ. w. Im bajuvarifdyen „wähadinc“ (Lex
Bajuv. 11, 5): „eui Deus fortiorem (a. fortiem) dederit et vietoriam“ u. f. w.
7 Sem. 118, 36: „S& var (burr) aukinn iardur ınegni, svalköldum
sw ok s6nardreyra.“ (Bergl. 233, 21 vom Tranke mit vielartigen Bekand-
tbeilen: „bat var um aukit urdar magni, svelkoldum sw ok sönardreyra“
u. ſ. w.) 119, 40: „ss ver aukinn (burr) iarder mrgni.“ 27, 26: „hvars
pü öl dreckr, kids p6 ber iardarmegin, Pvfat iörd tekr vid öldri“ u. f. w.
Mothologie 608. Dann im mehrgedadhten Anrufe Srem. 194, 3 f.: Heill Dagr,
heilir Dage synir, heil Nött ok nipt (vergl. So 123; „Hvernig skal iörd
kenna? «. f. w. döttir Nätter, systir Auds ok, Dags“ u. ſ. w.) ok gelit
sitjondom sigur! heilir wsir u. f. w. heil su in fiölnyta foldi mal ok
mannvit gefit okr merom tveim ok leknishendr ınedan lifum!“ Angel
fächfifcher Wundfegen Mythologie 1193: „eorde be oubere mid eallum kire
mihtum and mägenum, P&äs gealdor mon mag singan on vunde.“ (Stalder
2, 156: „Landakraft f., was aus dem Baterland herfimmt. Wenn der Schweizer
im Ausland Schweizerfäfe findet, fo jagt er: das iſt Landskraft: auch eben fo,
wenn er da einen Landsmann antrifft.”)
38 Mythologie 1198. 402: „nim eurdan oferveorp mid Bine svidrau
handa under pinum svidran f&t and cvet;
fö ic under f&t, funde ic hit.
hvät, eorde mäg vid ealre vihta gehvylce,
and vid andan and vid »=minde,
and vid Pa micelan mannes tangan
307
geftaltet ſich dieß in einer Sage bei Sao: Froger, der norwegiſche König,
en Bohn Odins, hat von ben Göttern die Begabung erhalten, von
Reinem befiegt zu werden, der nicht zus Zeit des Kampfes ben Staub
unter feinen Füßen mit der Sand hinwegraffen lönne; ebenfo ftreitbar,
als reich, bleibt er bis in fein Alter unbefiegt, da werben von dem Dänen»
tünige Frotho dem Tapfern zehn feiner Jarle aufgerieben und zuletzt
er felbft auf feinem heimathlichen Eiland zum Zweikampf gefordert; es
werben zwei Bierede, einer Elle lang, in den Boden gezeichnet, je als
Stand für einen der beiden Kämpfer; nachdem fie ſich aufgeftellt, ver:
langt Frotho den Umtauſch der Waffen und der Pläbe, wozu Froger
einwilligt, teil ihm ber blendende Waffenglanz feines Gegners läftig
it; von ber Stelle, die er verlaflen bat, greift Frotho ben Staub auf,
als Gewähr bes Sieges, der ihm alebald durch Erlegung Frogers zu-
fällt 80%. Die Erde, durch deren Nährkraft alles leibliche Lehen, Wachen
(wider den großſprechenden, fiegesfihern Gegner). and vid on forveorp ofer
greot Bonne his virman (?) and cved:
sitte ge sigevif, sigad 16 eorden!
nsetre ge vilde Il. ville] 16 vuda fleogan !
beo ge svä gemyndige mines gödes,
svä bid mannagebvylc metes and £deles!“
(Grimm überfegt: „sedete bellone, descendite ad terram, nolite in silvam
volere! tsın memores esiote fortune mes, quam est hominum quilibet
eibi atque patrie!“)
&09 Saro 4, 67: „Cui (Hugleiho) Frotho succedit, cognomento Vegetus,
qui ipsam cognominis speciem corporis animique firmitate testatus, denis
Norvagie ducibus bello cansumptis, insulam, qute ex eo posimodum nomen
obtinuit, ipsum postremo regem invasurus accessit. Frogerus Aic erat,
gemine admodum sorte conspicnuus, quod non minus armis quam opibus
illastris regiem ditionem athletico decoraret officio, tantumque gymnicis
palmis, quantum dignitatis ornamentis pulleret, Hic, ut quidam ferunt,
Othino patre natus, a diis immortalibus, benefcium præstare rogstis, muneris
looo obtinuit, non ab alio vinci, quam qui certeminis tempore suhjectum
pedibas ejus pulverem mana eenvellere potuisset. Quem Frotho tanta 4
superis üirmitate donatum comperiens, duelli postulatione solicitet u, |. m,
Ita e diverso bina quadrats forms spatia cubitalibus fgurata lateribus
hami denotat, a locorum usu doeumenti (Unterricht im Kampfe) initium
editarus. Quibus descriptis assignatam uterque sibi pertem complectitur.
Tum Frogerum Frotho arma secum ac locam permutare jubet. Nec diffieilis
admissio fuit. Frogerum siquidem hostilium nitor coneitsbat armorum,
308
und Erftarfen bebingt ift, mochte deshalb überhaupt ſchon zur Stärkung
im Kampfe angerufen werben, aber Träftigend zum Siege durd das
Stehen auf ihr, durch die Berührung mit ihr, mufte fie befonders ba
ericheinen, mo es fih um die Behauptung bes angeftammten Bodens
handelte. Der Staub des eigenen Landes unter bes ftreitfertigen Königs
Füßen, bie aufgegriffene Erbe, die der Angelſachſe unter feinen redkten
Fuß wirft, und dann erft fein Aufruf an bie Siegmweiber, wie es fcheint,
gleihfalls zum Beiftand in ver Vertheibigung feines Erbguts 810, das
Berühren bed Hafenftüds mit den Schwertern der um gleichen Befik
tampfbereiten Alamannen mit Berufung auf göttlihen Siegenticeid,
alles dieß trifft in derſelben Vorſtellung von bilfreicher Kraft der mütter:
lichen Erde zufammen 811,
Eine altnordiihe Benennung des Raſens iſt: „Bruftfchmud ber
Erbe“ (iardar men). Damit tritt die Erbinutter perfönlich hervor. Der
Ausdruck gehört aber nicht den Skalden an, fondern ber Rechts⸗ und
Gejelichaftsiprache und er gibt ebendamit glänzendes Zeugnis, wie
lebendig die Erde auch in den Formeln und finnbilblichen Handlungen
biefer Gebiete aufgefaßt war.
quod Frotho preditum auro capulum ioricamque specie radiantem, sed
et cassidem in eundem modum eximio comptam fulgore gestaret. Igitur
Frotho, Joei, quo Frogerus excesserat, pulvere correpto, omen sibi victoris
datum existimavit. Nec augurio elusus, continuo Frogerum oceidit, tem
parvulo vaframento maximam fortitudinis gloriam assecutus. Qaippe quod
nullius ante viribas licuit, astutia preestitit.* L. Ettmüller, Altnordiſcher
Sagenſchatz. Leipzig 1870. ©. 186. 137. 9]
810 Die Berszeilen:
„beo ge sv& gemyndige mines gödes,
sv& bid mannagehrvylc metes and &deles!“
erklärt J. Grimm, Mythologie 402, dahin, daß die Stegweiber gleich Nornen,
unter Berfprehung von Gaben, ins Haus geladet werben. Sie gehen wohl
eher auf ven Schub des angefochtenen Eigentums, der Nahrung (metes), dei
Stammguts (&deles, vergl. Rechtsalterth. 265. 492); gedentt, nehmt euch an
meines Eigenthums, wie wenn es eures wäre, wie Jeder fich das feinige an-
gelegen fein läßt!
811 Wo, flatt Kampfes, der Eid entfcheidet, wird das Schwert, anf das
er zu ſchwören ift, in bie Erde geſteckt, Rechtsalterth. 90, 2. Vergl. ebend
166 ob. 117 f. 896, 4.
— — — — — — — —
Abhandlungen
aus
Dfeiffers Germania.
1,1) Bar fhwäßifhen Sagenkunde.
Eine Zeitfehrift für deutiches Altertum, die fi in Schwaben be
grünbet, ſchien mir ber geeignete Drt zu fein, an tem dieſe Proben
einer noch unabgeſchloſſenen Arbeit zur ſchwäbiſch-alemanniſchen Sagen:
funbe niebergelegt werden könnten. Die lünftige Einreihung in irgend
einen größeren Zuſammenhang bleibt ihnen, wie ben etwa nachfolgen-
ben, vorbehalten. Wenn die Forſchung ven meiner nächſten Heimat
ausgeht, fo verzichtet fie deshalb nicht darauf, meitere reife zu ziehen.
Es ift aber im Gebiete der Sagen immerhin raikfam, ven Blid in
da8 Allgemeine und Entlegene an ber genauen Beobachtung des Be:
iondern und Heimifchen zu fchärfen.
1. Die Pfatzgrafen won Tübingen.
Die Grafen von Tübingen, eın ſchwäbiſches Geſchlecht, das in
feiner blühenden Zeit durch ausgebreiteten Beſitz, Anſehen am beutfchen
Königähofe, ftattliche Lehens- und Dienſtmannſchaft, kriegeriſch befonvers
buch tapfere Vertheibigung feines Stammfiges fi hervorthat, auch
unter den freigebigen Eängerfreunden nicht ungenannt blieb !, waren
1 Wibertus Bohemus (Mitte des 13ten Jahrh.): Palatini Tuingorum
vassallis exgnisitis et ministerialibas potentibus abandantes Buevos alios
preecesserunt. Stolin, Wirtembergifche Geſchichte 2, 21. 429 fi. Belagerung
Tübingens (castri Alamannorum, quod Twingia vocatur, Gests Trev. C. 58)
im Kampf der Gegenkönige 1078 (Stätin 1, 510. Schmid, Geſchichte der
Pfalzgrafen von Tübingen 27 f.): abgewiefener Angriff Welfs des Jüngern
1164 (Stätin 2, Sf: Schmid 80 ff.), woräber noch Wolfram von Eſchenbach
312
gegen Mitte des 12ten Jahrh. Pfalzgrafen in Schwaben und bamit,
wenn nicht früher ſchon, Bermwalter oder Lehenträger Töniglichen Kam:
merguts, namentlih ber Reichs[1, 2jforfte 1, geworden. Ihre Burg
Tübingen lag auf der Grenzfcheide zwiſchen dem Schwarzwald be
Nagoldgaus und dem in ndrblichem Höhenzug fich vorſtreckenden Buchen
walbe, dem Neichsforfte Schainbuoh, Schönbuch, den fie vom Reiche
zu Zehen batten?, Sie waren nun auch von ber Zuft und Herrlich
teit ihres mweitausgebehnten, nach der einen Seite das ſchwarze Nabel:
holz, nach der andern den grünen Laubwald umfafienden Jagdgebiets
wahrhaft hingenommen und ben vollen Zauber diefer Waldliebe legt
fpotter (Willeh. 331, 26 ff. vgl. Haupt, in den phifol. hiſtor. Berichten der
ſächſ. Geſellſch. der Wiſſenſch. 1, 189). Minne. 2, 89 (Tanhauſer):
Ein junger belt von Abenbert
und Hug, ein Z[ujwingäre,
die worhten heide herren wert,
fi buozten manigem ſwäre (vgl. Stälin, 2, 436).
I Stälin 2, 4130 f. 438. 6538. Schmid, Nachtr. 267 f.
? Stälin 2, 233. 718 f. (Crufius, annal. 2, 491 herzogf. Urf. v. 1187).
Schmid, Url, 8. 6. (1191). Ebd. 89 (Urk. Gr. Rudolfs des Scheerer& von
1310): „won ber vorgenante wald, der Schainbuoch, vnſer Iehen ift von dem
Römſchen Riche.” Die vorherrfchende, richtige Schreibung der Urkunden ıf
Schainbunoch (daneben begegnet Schaienbuoch, Schaigenbuodh); hiemit hängt zu
fammen der urkundliche Name des Schönbuchbaches Schaich (wonach der Schaich⸗
bof, der Schaichberg): „birrebalb dem hache, den man nemner die Schaiadh, biz
an den Bailigen brunnen” (Schmid, Url. 8. 88, in voriger Urk. von 1310)
Buoch bedeutet Buchwald (vgl. Schneller 1, 146), wie Aich Eihwald, Ton
Zannenwald; die Zufammenfekung Schainbuoch weift auf ahd. Scagin-buo$
(Gramm. 1, 3te Ausg., 183) und wenn gleid: ſcago m.. Gen. fcagin, nicht mehr
im ahd. Wörterſchatze zu finden ift (abd. ſcahho, promontorium, Schmeller
3, 816, widerfirebt der Kürzung), jo kommt altnord. skagi, m., Vorgebirg,
der jütiſche Skagen und eine der Norbipiten Islands: Skagi, mit ben Zuſam⸗
menfeßungen Skagafördr , Skagaströnd, zu Hilfe und diefen ähnlich IR der
Schauibuoch, feiner Lage im Sprengel der Pfalzgrafen gemäß, Buchwald dei
Vorbergs. In Schaiach — Stagaha (vgl. Gramm. 3, 884) darf man an⸗
ſchiagen, „wie nabe das g felbfl dem j und dem übertritt in i lag“ (Gramm. 1,
Ste Ausg., 184). Roh anderwärts im mittelalterlichen Schwaben begegnet man
villule Scegenbuoch (Done, Beitfchrift für die Gefchichte bes Oberrheins 1, 316),
Shaienbuoch (ebd. 2, 70), Schainbuoch (2, 91. 3, 476), Schagenbuoch (6, 92),
jetzigem Hofe Scheinbuch zwiſchen Salem und Überlingen. Zu bemerken if
noch bei Neugart 1, 322 (Urk. von 861): in saltu Ska.
313
eine Sage dar, die hier zum erftenmal, aus der handſchriftlichen Chronik
der Herrn von Zimmern mit ber Jahrzahl 1566, in den Driud ge
geben wird 1:
„Die aller elteft gedechtnuß von erbmenblin bat fi vor etlich
hundert jaren bei aim pfalenzgrafen von Tübingen begeben. Es ligt
noch ain dorf uf dem Schwarzwald, genant Pfalzgrafenweiler, in dem
ain burg geweſt, die hat noch heutigs tags greben, aber von lenge
wegen der zeit iſts fonft in ain fjoldhen abgang kommen und mit fo
großen beumen verwachſen, daß es fchier kaim burgftal mer geleichnet.
Sn difem ſchloß und weiler hat aines ain graf von Tübingen gewonet,
der hat under andern kurzweiln vil gepflegen zu jagen, wie dann bie
alten Deutichen, unjere vorfarn, fih des waidwerks vil beflißen, dar
von auch der Ceſar fchreibt. Uf ain zeit ift der graf abermals ufs
holz zogen, bo ift ime uf dem wald ain wunderklains jegerlin entkom⸗
men, das fuert zwai [1, 3] jaghündlin mit fi) an ainer fuppel; das
menblin nampt fi) maifter Epp, dergleichen bie hünblin das ain Will,
das ander Wall, waher fie aber kommen, das findt man mit gejchriben.
Der graf bet ab dem jegerlin maifter Eppen und jeinen zwaien hündlin
fovil gefallen, daß er die mit ime haim name gen Pfalzgrafenweiler,
und behielt die vil zeit aljo bei fich und fürohin, als oft der graf mit
maifter Eppen und feinen ziwaien hündlin uf deu wald zoge, jo fieng
er allimegen wilpret, daß er ungefangen nie haim kam; zu dem gieng
eö dem grafen, jo lang er diß erdenmendlin ober jegerlin bei ſich er:
balten, glüdlich und wol an leib und guet und an allem dem, das er
fürnam. Ainsmals unberftuend fich ber graf abermals zu jagen mit
feinem jegermaifter Eppen und denen zwaien hündlin Willen und Wallen
an dem Weilerwald, allernegft hinder Feherbach dem fchloß 2; wie fie
1 Sorgfältige Abfchriften der vielen bei wiederholten Aufenthalt in Donau-
eichingen von mix bezeichneten Stellen diefer werthvollen Handſchrift, Bap. Fol.
verbante ich der großen Zuvorkommenheit der dortigen Herren Ardivbeamten.
Die nachfolgende Erzählung ſteht &. 1086 fi. [Ausgabe von Barad 4, S. 287
bis 239. H.] Im Abdruck find mer die Buchftabenhäufungen und Ungleichheiten
ber Echreibweife vermieden.
⁊ Der Name des zerfiörten Schloffes Vörenbach über der Waldach iſt noch
durch den Weiler Börbah im Bezirke Freudenſtadt erhalten, AR. Mofer, Be
ſchreibung von Württemberg 2, 681.
314
nun in den Wald Samen, da prachten die zwen hündlin ain mechtigen
haupthirß, der nit von bifen landen was, uf die füeß. Der hirß namb
die flucht gen Horb der flat und ab für ain wald, haißt der Weitom !,
und füro Tübingen zu, ba neben aber für Gemünd, Ellwangen,
Dinkelöbühel, Nürmberg und durch den Behemerwald bik gen Prag in
ainen wald barbsi gelegen. Der graf und fein jegermaifter Epp mit
iren bunden Willen und Wallen zugen alles binnad alle tag, biß daß
fie die naht begriff, und allgeit morgens frue wider uf, zugen aljo
hernach biß gen Prag; fie famen an die burg, darin damals ain Fünig
vor Behaim mit feinem hofgefind. Wie aber der graf, auch fein jeger
und die hund an bie porten Tamen, da mas es beſchloßen. Es waren
aber bie zwai jaghündlin Will und Wahl fo wol lauts, daß ſich menig:
lich darob verwundert. Diſe ding waren dem Tünig gleich fürbradt,
der bieß fie einlaßen. Do zog der graf mit feinem jeger und benen
bünblin. big in bes künigs fal, darin hiengen ob den taufenven hir
gehüm. Wie aber die baid hündlin under das gehürn kamen des hirk,
den fie alfo gejagt beten, da ſahen fie über fi uf und waren aber
mals fo wol lauts, daß ber künig und alles hofgeſind ain groß wunder
darab nam, Man tete ußer des künigs befelch bie gehüm ainstails,
die des negſten gefangen waren, herab und legt bie für bede jaghünble,
melde als fie über bas vecht gehürn kamen, da fielen fie darein, zu
gleicher weiß als die hund tuen, die ein hirß beftettigen. Darauf Tagt
des künigs jeger, daß berfelbig Birk erft bei ainem tag barbor war
gefangen worden, barbei man auch wol erkennen font, daß es ber
birß [1,4] war, ber bes erften an dem Weilerwald bei Feherbach, wie
obgemelbt, uf die bain mar gebracht morben. Darauf ward der fünig
von Behem größlicdhen verwunbern, mie e8 umb dife ſach ain geftalt
bette; aljo erzalt ver graf dem künig ben anfang bi ans ende, erſtlich
wie im fein jegermaifter, maifter Eppp, das Hain menblin, fampt
feinen zwaien jaghündlin uf bem holz iveren ufgeftoßen, auch wie im
1 Der Withow erſcheint auch im Herkommen der Stadt Horb, Berg.
Hodſchr. des 14ten Jahrh. (Schmid, Urt. 8. 264), ſodann in einen alten Seel⸗
buch der Pfarrei Eutingen bei Horb: „das Holt, genant ber wythow“ (ebd. 217).
Horb war im 18ten Jahrh. tübingiſch. Die zimmriſche Chronik ſchreibt:
Weytow, richtiger wäre kurzes i, der Name bedeutet: Holzſchlag (vgl. Schneller
4, 200 f.).
315
hernach allemal uf tem jagen gelungen und nie ler ober ungefangen
were haim Iommen, mer wie er bifen birk am Weilerwald bes erſten
ber antroffen, dem weren fie darnach alle tag bik daher nachgezogen.
Da nun der künig foldhe abenteuer vername und horte beB grafen
namen, ba kante er ine wol, und fand feinen namen gefchriben in
etlichen brieven, darauf aigentlichen abzunemen und zu erweilen, daß
er des Fünıgs von Behem ofiner und abgefagter feind mas; darab er
fhrod der graf nit wenig. Alſo fprach der künig, er folt barab nit
erfchreden, dann er were leibs und guets ficher. Die herren und ander
bofgefind, fo darbei waren, redten fovil zun jacken, daß der künig und
ber graf freintlicden und allerbings verainiget wurden, unb ließ der
fünig alle ungnab fallen. über etliche zeit, ald ber graf mit feinem
jegerlin maifter Eppen und den zwaien jaghündlin Willen und Wallen
wolt hinweg ſchaiden, da bat in ber künig fo ernftlih umb die zwai
bünble mit vermelben, wo ex ime bie ſchankte, wolte er ime nichts ver-
fügen, warum er ine auch bete, das zimlich were. Daruf bedacht fich
der grave und underrebt fich mit mailter Eppen, feinem jegermaifter,
deshalben. Maifter Epp widerriet dem grafen das zethuen, fo verſagt
auch ver graf dem Fünig ungern feiner bit, thete e8 auch noch vil un:
gerner. Wie er alſo in langem zweifel ftonde, dorft ers dem künig nit
abiehlagen und ſchankt im letztlich die hündlin. So bald das beichach,
do wolt fi das jegerlin maifter Eppe von feinen lieben jaghündlin,
dem Willen und Wallen, nit ſchaiden, jonder blib auch bei dem künig
zu Prag. Unlangs hernach da ruft der künig von Behem ven grafen
von Tübingen mit tnechten und pferven, aud anderer fchenfin nad
füniglihen eren ımb ließ in mit allen gnaden. abſchaiden. Der
grafe raift wider haim gen Pfalzgravenweiler und bald darnach Fam
in ain verlangen an nach jeinem maifter Eppen und den jaghünblin;
das meret fih an ime fo vil, daß er anfıeng an leib und guet abzu:
nemen, auch bald darauf ftarb. Hernach haben feine nachkommen difen
fig Pfalzgravenweiler verlaßen, daß kainer mer an berfelben art ! ges
feßen, gleichwol dem borf der nam bliben, und ift aud die herrſchaft
von dem grawen von Tübingen in frembbe band fommen. Bil ver:
1 Art bedentet hier: Gegend, Landſchaft, |. Schmeller 1, 111. Deutſches
Wörterbuch 568,
316
muetungen nad fo bat fi diſe hiftoria under kaiſer Heinrich dem dritten
des namens begeben, der den Fünig von Behem überzogen, und bat
damals nit allain der römifch Taifer, ſonder auch mertails alle fürften
und ftende des [1,5] deutſchen lants ber kron Beben abaefagt, und
wiewol die biftoria von wilen mögte als für unglaublich geachtet, fo
mag doch nit vernaint werben, daß fich vor zeiten wunderbarliche fachen
in beutfchen landen begeben.“
Als nächte Duelle des Vorſtehenden nennt bie Chronik das hand
ſchriftliche Geſchichtbuch eines gewiſſen Beienfelber, der, von Horb ge⸗
bürtig, daſelbſt, ſeit 1424, 29 Jahre lang Amtmann geweſen und,
nachdem er noch anderwäris in verfchiedenen Dienften fidh befunden,
ebenbort um 1470 in gutem Alter geftorben jei !; befien Gewährsmann
wird hinwider fo angegeben:
„Die biftori aber mit maifter Eppen und feinen bunden, auch dem
pfalzgraven von Tübingen, bat er von ainem gar alten ebelman ger
1 Der nähern Anzeige feiner Lebensumftände ift noch beigefügt: „Bei jeinen
zeiten ift er oil gepraucht worden bei fürften und herren, auch allem umb⸗
geſeßnen adel wol befant geweſt, in welcher zeit er vil wunderbarlicher hand»
lungen, die allenthalben im reich fürgangen, gejehen und erfaren, die er den
merertail zum fleißigften Hat ufgezeichner und beichriben, ſonderlichen aber um
(and zu Schwaben und den nechft umbgelegnen ländern, derhalben ime and
billich zu erkantnuß und ainer ſchuldigen dankbarkeit fein leben der gedechtnuß
ſoll hevoichen werben.” Das Schichſal feines Werks, das, nach ber gegebenen
Probe, flir die ſchwäbiſche Sagenkunde Loftbar fein mitfte, wird mit Hecht bitter
beflagt: „Daß ich aber wider uf unfern Beſenfelder kom, der die alten fachen jo
fleißig und mit allen notwendigen umbftenden befchriben, fo ift zu mwißen, daß
ſolch buech bei feinen nachkommen ain guete zeit hernach zu Horb bliben, und
wiewol es noch heutige tag ain gar groß dides buech und aller volgefchriben,
fo ift doch wol zu fehen, daß man fein bievor nit vil geachtet, aller verplateret
und vil darauß verloren ift worden, wie bann bei den unverſtendigen foldhe
herrliche monumenta laider gering geſchetzt werten, daß ſchad if, daß folk
werk alfo imperfect verſtreuwet ift worden. Die fragmenta darvon fein bei unfern
zeiten feiner nachkommen [einem,) einem beden, worden, der wonet zu Schem⸗
berg [Echömberg, Bez. Rotweil?), haißt ... . und wiewol der weber fehreiben
oder leſen [fan], nah dem [noddann?] kan man ſolchs buech mit großer müche
und arbait von ime erlangen und zuwegen bringen, allain ber urſach, ſeitmals
man fo große nachfrag darnach [beit?], jo went er, es jei waiß was anbers,
ußer grobem unverfland.“ Doc mag aus diefem Buche gerade mandhes Sagen-
bafte ſich in die zimmriſche Chronik gerettet haben.
317
bapt, bat Steffan von Emershofen gehaißen; der ſaß bazumal im
ſchlößle Feherbach, zwiſchen Horb und Haiterbad an der Waldach ge
legen, berfelbe hats von feinen voreltern in gefchriften befommen. Difer
edelman von Emerähofen hat fonft noch etliche mer dörfer gehapt, an
dem obgenanten mweßerlin, der Waldach, darunder ains hieß Krespach.
Allernechſt bei diſem ſchlößle Feherbach, darauf der von Emershofen
gewonet, do ligt das dorf Pfalzgravenweiler, in welchem der alt pfalz⸗
grave von Tübingen gejeßen, dem die geſchicht mit maiſter Eppen be
gegnet. Man ficht noch heutige tags das burgftal und bie greben,
die barumb fein gangen, und follen des obgehörten von Emeröhofen
voreltern der pfalenzgraven von Tübingen lebensleut und biener ge:
weſen fein 1.“ |
[1, 6] Damit verliert ſich die Überlieferung in unbeftimmte Yerne.
Der Berjuh einer geſchichtlichen Anknüpfung des jagdluſtigen Pfalz⸗
grafen an ven Böhmenfrieg Heinrichs III bleibt füglich zur Seite liegen.
Meifter Eppe und feine Jagdhündlein find Geftalten aus dem alten,
großen Märchenreich und es ergibt fich für fie ein merkwürdiges Seiten«
ſtuck aus meitentlegener Gegend. Walter Map, ein englifcher Geifl-
licher, wahrſcheinlich an der Grenze gegen Wales geboren, erzählt in
einem lateinifch gefchriebenen, an Bollsfagen reihen Bude, das in
feinem Hauptbeftand aus ben achtziger Jahren des 12ten Jahrh. ſtammt,
von der gaftfreundlichen Grenznachbarſchaft zwischen Herla, einem Könige
der älteften Briten, und dem bes Zwergvolks; bie beiden Herrfcher laden
fi gegenfeitig zur Hochzeit, diejenige des Zwerges wirb in ber von
vielen Lampen erleuchteten Höhle eines hoben Felfen gefeiert, aus mel:
der Herla, reich beſchenkt mit Roſſen, Hunden, Habichten und Allem,
was zu Waidwerk und Vogelfang gehört, wieder abziebt; beim Abſchied
gibt ihm ber Ziverg noch einen Heinen Spürhund mit ver Weifung,
daß Niemand vom Gefolg abfteigen folle, bi8 der Hund von feinem
Träger vorfpringe; im Sonnenlicht und auf feiner Reichsgrenze ange
kommen, fragt Herla einen alten Hirten nad feiner königlichen Ge⸗
1 Über das Geſchlecht von Emmershoven und insbejondere den gegen Mitte
des 15ten Jahrh. geftorbenen Stephan von E. |. Sattlers Hiſtoriſche Beſchrei⸗
bung des Herzogthums Wlirtemberg 2, 82 f. Als Zübinger Bürger in einer
Urkunde von 1397: Hans von Jmershofen, Schmid 395, Anm. 1.
318
mablin, der Hirte jeboch verfteht kaum die Sprache des Fragenden, ba
diefer ein Brite, er ſelbſt ein Sachſe ift; die ibm genannte Königin,
berichtet ex, foll bie Frau des voreinftigen Vritenkönigs Herla geweſen
fein, der, wie man fable, mit einem Zwerg am Felſen bier verſchwun⸗
den, ſchon zweihundert Jahre lang haben die Sachſen feit Vertreibung
ber alten Bewohner biefes Land inne; vor Staunen hierüber hält ber
König, der nur drei Tage verweilt zu haben glaubte, ſich kaum in ben
Bügeln; einige feiner Gefährten, die der Warnung bes Zwerges uner⸗
achtet abgeftiegen, werben alsbald in Staub aufgelöit, weshalb er-
nochmals abmahnt, vor dem Herabipringen des Braden die Erbe zu
berühren, der Hund ift aber noch nicht herabgelommen; es geht eine
Sage, daß jener König Herla in ewiger Irre mit feinem Heer wüthende
Umfahrten raſt⸗ und ruhelos abhalte, Viele glauben dieſes Heer oftmals
geliehen zu haben, zulegt aber, jagen fie, im jahre ber Krönung bes
dermaligen Königs Heinrich babe basfelbe aufgehört, das Reich her
fömmlich wie vorher zu befuchen; dazumal ſahen viele Walifer es au
der Wye, einem Fluß in Hereford, verfinten 1. Etwas verfchieben
meldet Walter in einem fpäteren Abjchnitt [1,7] mit Anderem, die
Genoſſenſchaft Herlethings (mie bier ber Nante lautet) ſei zulekt an
der Grenze zwiſchen Wales und Hereford im erften Regierungsjahre
1 Guslteri Mapes de nugis curialium distinctiones quingue. Ed. by
Th. Wright u. ſ. w. print. for the Camden society. London 1850, & 14 ff.
(Dist. I, cap. XI. De Herla rege.) Die hieher befonders bezliglichen Stellen
find (S. 16): Celebratis igitur ibi nuptiis et talione pygmeo decenier im-
pensa, licentia data recedit Herla, muneribus onustus et xeniis equorum,
canum, &ccipitrum et omnium, que venatui vel aucupio prestantiore
videntur. Couducit eos ad tenebras usque pygmsus et canem modicam
sanguinarium portatilem presentat, omnibus modis interdicens, ne quis
de toto comitatu suo descendat usquam, donec ille canis a portatore sao
prosiliat, dictaque salute repatriat u. |. w. (S. 17): Quidam autem ex
sociis suis ante canis descensum immemores mandatorum pygmei deseen-
derunt et in pulverem statim resoluti sunt. Rex vero, rationem ejus
intelligens resolutionis, prohibuit sub interminatione mortis consimilis, ne
yuis ante canis descensum terram contingeret. Canis autem nondum des-
cendit. Una fabula dat, illum Heriam regem errore semper infinito eir-
cuitus cum exercitu su0 tenere vesanos sine quiete vel residentia u, f. w.
Bol. Philips, Walter Mapes, in den Situngsberichten ber faiferl, Acab. der
Wifſenſch. PHilof.-hifter. Claſſe, Bd. 10, Jahrg. 1858, ©. 819 ff.
319
Heinrichs 1, um Mittag, in ber Weiſe gejehen morben, wie jet ber
Hof mit Wagen und Säumern, Tragfätteln und Körben, Vögeln
und Hunden, unter dem Zulauf von Männern und Weibern, umzu⸗
fahren pflege '.
Weder von den Erbleuten, noch vom Wuotesheer und ber milden
Jagd ift an diefem Ort ausführlich zu Iprechen, fo Manches fonft über
die genannten Ericheinungen bie ſchwäbiſche Sage varbietet. Es handelt
ſich hier zunächft um das märcdenhafte Bild einer unbegrenzten Jagd⸗
uf. Schade, dab bie oberrheinifche Chronik nur mit wenigen Worten
eines großen Streites. gedenkt, der im Jahr 1208 von ben Herren im
obern Schwaben von eines Hirſches wegen befchehen 2. Ginläßlicher
find fchon in alter Heldenfage Jagdfahrten geichilbert, tie fi Tage
und Wochen lang Über weite Landſtrecken Bintreiben und, mweil im blim
den Eifer in fremden Bann eingebrochen wird, ein verberbliches Enbe
nehmen, fo die Wiſendjagden des Jarls Iron in ber norbifchen Dietrichs-
ſage? und die Eberjagd im altfranzöfiichen Heldengebichte von Garin
dem Lothringer. Der Bruber diefes Helden, Begues von Belin, rennt
einem rieſenhaften Wilneber durch manche Landfchaften und große
Ströme mit ſolchem Ungeftüm nad, daß er feine brei Kleinen Hunde,
die nicht mehr folgen Tünnen, zu fih aufs Pferb nehmen und in
feinen Armen tragen muß 4. Das ftreift einerfeitö an die unaufhalt
1 Gualt. Mapes ©. 180: Hæe hujus Herlethingi visa est ultimo familia
in merchie Walliarum et Herefordie anno primo Henrici secundi, circa
meridiem, eo modo quo nos erramus cum bigis et aummariis, cum cli-
tellis et panariolis, avibas et canibus, concurrentibus viris et mulieribns
u. ſ. w. Bgl. oben ©. 195. 196. 9.)
2 Oberrheinifche Chronif, beransg. von F. K. Grieshaber, Raſtatt 1860,
S. 22: do [1208] beſchach der finde merfart und ein großer ftriit von den
deren in obern Swaben von eins hyrzes wegen.
3 Saga Thidriks konungs af Bern, udg. af C. R. Unger, Chriftiania
1853, Gap. 264. 258 ff. -
4 Li romans de Garin le Loherain u. ſ. w. par M. P. Paris. ®. U
(Baris 1835), S. 228:
Li dus séoit sor un cheval de pris,
Chasse le porc et mout sovent le vit.
Entre ses bras dui verais chiens a pris
Une grant piece el pan de son hermin,
Tant que il furent moult bien entalenti.
320
fame [1,8] Nadjage des Pfalzgrafen vom Weilerwalde bis zum Grab
hin, anberfeits an den mäßiggroßen Traghund (canem modicum
sanguinarium portatilem) in Herlas Zuge. Richt den Helden allen,
auch ausgezeichneten Rofien und Hunden gab man gerne munderbarm
Uriprung; bei Saro befigt ver Räuber Bidrn einen Hund von furdt
barer MWilbheit, der allein. zwölf Männer überwältigt und, dem Ber
nehmen nach, früher die Herde des Rieſen Ofote gehütet hat ?, dagegen
ift das Schoßhünblein „Petiteriu”, deſſen zauberifches Farbenſpiel und
füßer Schellenflang ben liebefranten Triftan tröftet, aus dem Feenlanbe
bergefandt ?; fo war ed denn auch angemeflen, eine, kundige Spür
Resvigor6s et moult. bien refrechis
]i les mit jus lez un abat£is
Si pres du porc, que ohascuns bien le vit;
Hapant le mainent et picant & estri,
Li autre chien accoururent au cri.
Etwas verjchiedener Tert bei Mone, Unterfuhungen zur Gefchichte ber teut-
hen Heltenfage, Quedlinburg 1836, ©. 229:
et li dus sist sus l’auferant de pris,
que li dona l’emperöres Pepine,
n’ot tel por corre dusqu’& l'eaue du Rin;
entre ses bras III petis chiens a pris,
une grant piece les porta li marchis u. ſ. w.
i Saro Grammaticus, historia danica (Ausgabe non Stephan. Enrö
1644) 6, 97 [Ausgabe von P. E. Müller 1, ©. 260. H.]: Preteren
Biörnoni inusitates ferocitetis canis extabet, horrende quidem acerbitatis
bellua atque humano convietui formidolosa, qus seepius bissenos sola
viros oppresserit, Sed quoniam tradita magis quam cognita referantur,
fidem arbiter penset. Hæo siquidem, ut accepi, deliciarum quondam looo
habita, Ofoti gigantis inter pascua tuebatur armentum. Oiöti ſteht and
unter den iötna heiti der En. Edda (Arm. 1, 556. 2, 4716. Raſt 2116),
Fornald. 8. 2, 131: Oföti ur Ofötanshrdi; fußlos, ſchwebend, ſcheint er ein
Sturmriefe zu fein, wie Thrymr, ber feinen Hunden Goldbänder fliät, Säm.
Edda (Mund) 47, 6, vgl. 49, 23, Mythus von Thör 101.
2 Triftan (Maßmann) 3897, 7 ff.:
ein purper, ebel unde rich,
vrembe unbe wunderlich,
al naͤch des tiſches maͤze breit,
wart vür in üf dem tifch geleit,
ein bündelin dar üf getragen.
daz was gefeinet, hörte ich jagen,
321
bunde für eine Zucht ber winzigen Erbmännlein gelten zu lafien, fie
zugleich einem Jägermeiſter von entiprechender Geftalt zu untergeben 1.
Die menihlichen Gefchäfte und Ergökungen werden überall auch auf
andere Weſenkreiſe übertragen. Ein guter Jagdhund war unge
mein [1, 9} bochgebalten. In den alten Vollksgeſetzen, namentlich dem
alamanniſchen, find die Bußen für Todtung oder Entwenbung ber ver:
fihiedenen Arten von Jaghunden genau verzeichnet ?. Zu Gelnhaufen,
und wart dem berzogen [@ilän] gefant
fg Avelun, ber feinen Iant,
von einer gotinne
durch liebe unt durch minne.
1 „Pygmseus“, „Lomuneio“, „ain wunderklains jegerlin“, „das mendlin“,
erdenmendlin“. Auch der Zwerglönig Laurin if, nach feinem ganzen Aufzug,
ein Freund des Waldes und der Jagd, Heldenbuch, Straßburg 1504, BL Ib f.
(mit Lesarten andrer Drude): |
vorn an dem fpere fin
do ſchwebet ein fan fibin,
daran zwen winde,
recht als fi liefen geſchwinde
in einem twilben walde
nach fchnellen tieren balde;
ſi luonden, ala ob fi lebten
und an dem baner jchwebten.
fon und helm gab liechten ſchin,
daruf fo jungen vögelin,
nachtgal, lerchen, zife,
ſchone in ſtiller wife,
lieplich als ob fi lebten
und in dem walbe ſchwebten,
mit liften jo was es gedacht
und mit zonber volbradht;
es fuort ein goldfarben ſchilt,
der wart mit fperen nie verzilt,
daran von gold ein leopart,
recht als er wolte an die fart,
der ſtuond, recht als er lebte
und nad) gewilde ftrebte.
Gedicht des 15ten Jahrh. (bei Laßberg, Friz von Zolre 86); in dem Hort
ich, das aim getwert | in ainem horne jagte (ugl. nachher &. 825, Aum. 1).
2 Lex Alamann, Tit. 82. I. 5i quis canem seusium primum cur-
salem, id est qui primus currit, involeverit, solidos sex componat; qui
Uhland, Schriften. VII. °ı
322
in der töniglichen Pfalz, lag ein Brade mit beirauften (gefledten?)
Ohren auf Polfter und Kiflen von Seibe, mit ſeidenem Leitſeil und
fülbernem, übergoldetem Halsband, gleichmäßig einer zu Büdingen und
einer zu Wächtersbach, um dem König, wenn ex im bortigen Reiche»
walde birfhen wollte, bereit zu fein!. Im Lieb und Sage wurden
edle Braden nambaft gemacht, und mie diefe ſelbſt gefoppelt giengen,
jo findet man ihre Namen alterthümlich durch den Stabreim oder
andern Anklang verbunden. Wirklich werben auf Irons Jagd vier je
durch den Riemen und den Reim zufammengebaltene Paare (Stapp
und Etutt, Lusfa und Rusfa u. f. f.) von dem Sarl felbft, feinem
Jägermeiſter, Truchſeß und Schenken tiber den getvaltigen Wiſend
seenndum, solidos tres componat. II. Qui illum ductorem, qui hominem
sequentem dueit, quem lajtihunt dicunt. furaverit, duodecim solidos com-
ponat u. |.w. ®gl. Lex Sal. Tit. 6. 7. Lex Baiurar. Tit. 19. 20. Begurs
von Belin ſchlägt feinen nom Eber getöbteten Leithund überaus Hoch an
(Garin 2, 226):
encontre mont li sangles est drecies u. . w.
là gieta mort le gentil liemier,
nel voulsist Begues por mille mars d’or mier.
Bei Mone (Unterfuchungen 2928):
ne-l' vosist Beges por c. 8. [?] de deniers.
1 Büpdinger Reichswalds Weisthum. von 1880 (J. Grimm, Weisthümer
3, 426): „Dis ift des riches recht ober ben Budinger walt, daz die zwolf furſter
off irn eyt gedeilit hain. Zum erfien beylen fie, daz daz riche oberfle märder
jy ober den walt, und darnoch, wan eyn riche in der burge zu Geyinhnfen
lige, fo fal eyn furftmeifter, der von alter geborn darzu fy, von rechte dem
ride halten, wan er [d. h. der König, das Reich perſönlich; Wadernagel,
Wörterbuch 438, vgl. Titurel, Hahn, Str. 1284: Er drabt ouch eine ſchone
mit einem leithunde, | ev fur gelich der krone m. ſ. w.) birfin wulde, eyn braden
in der burg zu Geylnhuſen mit bebraufrin oren, und ſal ligen off eyme ſyden
kolter und off eynem ſyden kuſſen, und fin leydeſeyle ſyden und daz halsbant
filberin und oberguldet. Item und derſelben einer zu Budingen und einer zn
Wechtersbach in derfelben maße.“ Ähnliches im Dreieicher Wildbann von 1338
(BWeisthiümer 1, 502). Bgl. oben ©. 320, Anut. 2, ferner die Befchreibung des
koſtbaren Bradenjeils im Titurel (Lahmann Str.-187 ff., dafelbit 142: nie feil
baz gebunder | wart, oudy was der hunt vil mol gefeile. Hahn Str. 1147 fi.)
und Spangenbergs Fagteufel (Theatr. diabolor. Frantf. 1569, UL 813): Was
wirt vergebens gelts auff die zier vnd ſchmuck der hund, auff famet, feiden,
geflidte vnd gewirkte fappen, leitriemen, halsbande vnd dergleichen, darzu au
gülden vnd fübern jpangen, vnd fchellen, gewandt?
323
— — — — —
nad einander in den Kampf geführt 1, auch iſt ausdrücklich angemerkt,
daß bie zwölf beiten [1, 10] Hunde des Jarls alle in beutfchen Liedern
genannt jeien?. Wille und Walle, von Meifter Eppen an ber Koppel
geführt, reimen ſich gleichfalls und ihre Namen bebeuten übereinkom⸗
mend den eiftigen Anlauf, den emfigen Waldgang 3; durch beftänbige
Wiederholung beider Namen zeigt der Erzähler fein Wohlgefallen an
diefem Zuſammenklang. Die Nüblichleit des mohlabgerichteten Jagd⸗
hunde im alten Walbleben, das tagelange Zufammenfein mit bem
Hugen Thier auf einfamen Wandel in der Wildnis, das gemeinjame
Hinftreben nach dem gleichen Ziel der zu erhafchenden Beute, gaben
dem Verkehr des Waidmanns mit feinem treuen Begleiter ein Geprag
inniger Vertraulichkeit. Eine gereimte Erzählung aus dem 14ten Jahrh.
I Tbidr. 8. Gap. 257, ©. 231: ba er Iron jarl hœyrir sagt fra ber-
sum tidendum. kallar hann. Hvar er Nordian mınu enn b:ezti ueidimadr.
bni mina hunda skiott. tak nu Stapp minn enn bwata racka. oc tac
Stutt hann uil ek oc haua med mer u. f. w. oc Bracka oc alla mina ena
beztu racka. tak nu oc Losca [®. Luska] er ec veit allra tika bezta oc
Rusca. Cop. 263, ©. 285: Enn fyrsti kemr at Nordian veidimadr u. |. w.
oe hann hævir i taumi .Il. bunda ena bæztu iarlls Stutt oc Stapa. oc
lila sidar Iron iarll. oc bann hevir i taumi Paron oe Bonikt. pa ridr
drottseti isrls oc hevir i taumi Bracca ou Porsa. par nest kemr sken-
kiari iarlisens. honum fylgia tikrnar Rusca oc Lusca. So auch Fornald.
8. 1, 11 (im Berfe): ok hätu Par | handa nöfnum | Hoppr ok HÖ.
2 Thidr. S. Gap. 258, ©. 231: Iron iarll ridr nu af Brandinaborg
med sina hunda. Oc hat er met i sogum. ut wigi mun getit vera betri
veidihunda en hann atii. XII. voru nir beztu hundar Peir er allir nefndir
i Pydeskum kvedum. en allz hafdi hann med ser. LX. godra veidihunda.
3 Abd. walldn, ambulare, meare; willo m. impelus, Graff 1, 822.
Allegoriſche Diinnejagden aus tem 14ten bis 15ten Jahrh. laſſen auch einen
Hund Wille 108, der ebenjo begrifflih gemeint if, wie feine @enoffen Liebe,
Zreue, Wunſch, Troſt, Yuverfiht u. |. f. (Hadamars von Laber Jagd Str. 17.
33 und öfter, Liederfaal 2, 293 ff. Spiegel 126, 22 f.); doch mag gerade ber
Begriff Wille durch den wirklich gangbaren Bradennamen hereingelommen fein
and man meint den leibhaften Geſpann des Walle zu vernehmen, wenn «8
einmal heißt (Tiederfaal 2, 297):
do hort ih Wille[n] clingen,
daz ez durch den wald erdoß.
Ein gelehriger Hund Willebredyt, der mit feinem Herm fpricht, Liederſaal
1, 297. Eppe, der Name des Jägers, ahd. Ebbo, Eppo, ift Abkürzung von
Ederhard
324
banvelt von bem guten Hunde Harm!, der als geichidter Fänger feinen
Heren, einen armen Ritter, und beflen ganzes Haus ernährt; fein
Thier entgeht ihm, er fängt den Fuchs und ben Bären, die Hindin
und das Schwein, und da der Ritter das Erjagte mit feinen Gefellen
theilt, fo theilen dieſe binmwider ihr Gut mit ihm. Der Katjer, dem
die Trefflichleit des Hundes fund geworben, bietet für venfelben einen
Weiler, der jährlih hundert Pfund Gilte trägt; über dieſe Botfchaft
beginnen bie Kinder zu weinen und ber Ritter felbft ließe jeinen Hund
ungern um taufend Pfund töbten oder mishanbeln, doch vermag er
dem Begehren des Kaiſers micht zu widerſtehen unb fo begründet
Harm, nachdem er einen mörberifhen Probelampf mit ben kaiſerlichen
Rüden fiegreich beftanden bat, den Wohlſtand feines alten Herm 2.
„Geſell! [1, 11] trauter Hund! Gefellmann, ich zu bir und bu zu
mir!” mit ſolchen Schmeichelworten ruft in den Waibfprüchen ver Jäger
feinen Leithund an?. In fortmährender Anſprache mahnt er vie
1 Sarm, barme, m. Hermelin; vgl. Eneit 1769 f.: her was ein vil edel
hunt, | daz ander teil was alfe ein harm. Xiturel (Hahn) Str. 1151: Der
brade was harmblanc gevar ein Mein vor an ber flirne.
3 Lieberfaal 2, 411 ff. Von dem Nitter fagt der Eingang: „er haißer
Hainrich von Nümeich, | dem aventür wil beſchäch“; hiezu fragt Laßberg: „vielleicht
Neuenegg, NReunel?“ und es wäre ſchon willkommen, auch diefe Jagdſage dem
ſchwäbiſchen Schwarzwald und dem Eprengel der Pfalzgrafen von Tübingen,
in melden die von Nuwnek, Niwenegge gehörten (Gtälin 2, 528. 669. Schmid
436. 480. 495), aneignen zu können, aber der Heim auf „beſchach“ erforkert
„Niuwenach“ oder „Niunach“; einige Fäden fpinnen ſich gleichwohl an. oberhalb
Neuneds, an denifelben Flüßchen Blatt, liegt der Ort Aach, im 12tem Jahrh.
urtundlih: predium Ahs (Stälin 2, 815. 466), fo daß fi etwa Neunach
zu Nenneck verbielte, wie unweit davon Schiltah, Fluß und Gtäbtchen, zu
Scilted, Burg (in einer vom Pfalzgrafen Otto von Tübingen mitbeflegeiten
Urkunde von 1274 eben als Zeugen beifammen: Wernherus de Schildegg,
Tragebotus de Nuwenegg, milites. Schmid, Url. 8. 51), auch ſpricht „baz
geribt in ber Ahe“ noch im Sabre 1400, vor „jungher Abrechts von Nunegk“ und
drei andern Edelleuten, was von Alter Ger Recht geweſen mit ber Jagd auf
Düren, Schweine, Wölfe, Rothwild, „und welle arman ainen bunt fiber jar
hät, der mag wol ainen baflen fahen“ (J. Grimm, Weisthümer 1, 387).
3%. Grimm, Waidfpriihe und Jägerſchreie (Altdeutſche Wälder 3, 98 ff,
Nr 96 bis 104. 115 ff. 187 ff). Jägerkunſt und Waidgeſchrey u. f. w.. Nürn-
berg 1610. 8 (na 5. Leyſers Abſchrift). Liederſaal 2, 298, 5 bis 7. 34. 808,
352. 304, 401. [Bergi. Schriften 2, &. 857. 858. 5.)
325
„lieben“ Hunde, fragt, „tröftet“ und dankt er, ruft er fie befonders
auf, dem ebeln Hirſche nach der Bruft, nach ber prächtigen Krone zu
greifen . So fallen auch die Hünblein des Meiſters Eppe noch in
das abgenommene Gehör des von ihnen fo meit gejagten Hirfches,
das fie unter taufenden herauskennen und vor dem fie, wie fchon vor
dem befchlofienen Burgthor, „Io mol lauts“ geworden find. Die „wol
lautendben“ findet man in ben Waidſprüchen als gewöhnliches Beimort
guter Jagdhunde. Damit ift zwar zunächſt nicht der Wohllaut im
beutigen Sinne gemeint, ſondern ber belle, rechtzeitige Anfchlag bes
Spuͤrhunds, das weithörbare Klaffen der verfolgenden Meute, das auch
ben Jäger den Weg weiſt?, aber eben dieſes muntre Gebell Tautet
1 Liederfaal 2, 802, Bil f.: fin ſprüch warent maifterlih | und jagt im
horn waidenlich. 804, 884 ff.: da hin, Trit, mins herzen trut! | fchrai ich und
troft min fieben bunt | und jagt im born zu ber felben flunt. 304, 891 FE:
jener jeger troft fintt Hunt, | ich troft dü min, fo ich beit kunt. J. Grimm,
Waidſpr. Nr 137: dies ift der edle hirſch, fo dir heut gangen an, | da er z0g
her müt feiner prächtigen Iron u. |. w. | dem haſtu, mein Geſellmann, recht ger
than. Jägerkunſt u.f.w. Nürnberg 1610, letztes Waidgefchrei Str. 5:
Gefellmann, tritt zu mir, ale ich zu dir!
id trag dir, bo Ho w. gut, des edlen hirſches gehurn für,
greif im von dem end nad) der bruft!
du Haft, ho Ho w. aut, fürften und herrn gemadt ein luft,
greif im nach der obern kron!
davon empfangen wir, bo bo w. gut, auch unfern Ion,
Gefellmann, Hab bant!
das ift, ho bo w. gut, der erfle anfank.
Mit Singweife fteht ein Wohlauf an Nitter und Knechte, dann mehr noch
an die „lieben Hund”, in G. Forſters frifchen Lieblein 2, 1565, Nr 81, Schluß:
Da lauft der edel birfch da ber,
nu hımbt berzu, ir gefellen all,
und greifet zu mit reichen ſchal!
2 Zägertunft u. |. w. Waidgefchrei Mr 61:
Lieber waidmann rund, thue mir Tund!
haſtn nit hören jagen
drei wollautender jaghund ?
Lieber waibmann, das fan ich bir wol jagen,
dort in einem grünen grund
da höret ich jagen drei wollantender jaghund.
Der ein war weiß,
der jagt den edlen hirſchen mit allem fleiß;
326
ihm herzl1, 12Jerfreuend 1 und, zufammen mit dem Halle des Hift:
horns, Hang es den Söhnen einer jagbeifrigen Zeit wirklich wie Muſik
in bie Ohren. Walther von der Vogelweide (18, 26 ff.) fchließt feine
guten Wünſche für das volllommene Glück eines fürftlichen Gönners
damit niht wildes mide ſinen ſchuz,
ſins hundes lonf, fins hornes duz
erhelle im und erſchelle im wol naͤch eren!
Umgelkehrt findet ſich in einem Spruche des 14ten Jahrh. (Liederſ. 2,
427, 300 ff. Regensburger Handſchrift BI. 190) die Verwunſchüng:
ich wünſch, day im ze fainer ſtunt
kain jagbimd icht erfar,
war gu er fer dar
daz al gefwigent fnell;
ich wünſch, daz im icht heil?
an dem gejait fin walthorn,
daz ez den hals hab verlorn
und e; werd timmer.
Das feinfte Gehör für ven Wohlklang bes Bradenrufs bewährt jedoch
Wolfram im Titurel (Str. 132):
der ander ift fal,
der jagt den edlen hirſchen über berg und tiefe thal,
der britt war roth,
der jagt den eblen hirſchen biß uf den tod.
1 Ebd. Nr 57:
Lieber waitman frei,
was ift alier jäger frembengefchrei?
Der Tieben jaghund jung und alt
nad einem birfchen im grünen wald.
In der Eneit (1667 fi.) wird bie Abſicht der Königin, eine Jagd zu ver⸗
anftalten, fo ausgebrüdt:
ir mut truc fie darzu,
daz fie eine morgens vru
in den walt riten wolde
und fi da banechen folbe,
boren bie hunde
unde furzen bie ſtunde.
2 Megensburger Handſchrift: nit erhell.
I Regensburger Handſchrift: fein laut.
327
Sus lägen fi unlange, do gehörten fie jchiere,
in beiler ſüezer Rimme üf. rötvarwer vert naͤch munden: tiere
ein brade kom hoͤchlutes zuo zin jagende.
Bekannt ift die Zegenbe von dem frommen Kloſterbruder, dem ein
Böglein durch fo fühen Geſang die Freude des Himmelreichs fund gab,
dag er, um es zu fangen, ihm in den Wald folgte, als ibn aber die
Glocke nach dem Klofter zurüdtief, ward er von Niemand mehr er:
tannt, denn e3 waren in feiner Entzüdung hundert Jahre und drüber
bingegangen. Andrer, weltlicher Klang läßt den unerfättlichen Jäger
Raum und Zeit vergeflen; der [1, 13] Pfalggraf von Tübingen rennt
feinen erbmännifchen Hunden bis in ein meitentlegenes Land nad,
König Herla bat, gleich dem bingerafften Mönche, mehr als ein Jahr⸗
hundert verträumt und geht mit Hunden und Habichten, ben Gaben
des Zwergkönigs, in den endlofen Umzug der nächtlichen Geifterjagd
über. Wie fich das Leben bes rüftigen Mannes zwiſchen Waffen und
Wald theilte, jo zog er auch nad feinem Tode bald kampfmäßig in
Wuotes Heere, bald als Jäger im Sturme bes wilden Gejaibs. Das
Ihwäbifhe Märchen meldet zwar vom Pfalzgrafen nichts dergleichen,
aber die mündliche Volksſage weiß noch vom ewigen Jäger zu Pfalz⸗
grafenweiler, ven man jeine Hunde loden hört, ſowie von einer ge
fpenftifchen Jagd im Wurmlinger Obernwald nächſt ver Pfalz Tübingen:
erſt kommen zivei Beine Hunde, mit einer Kette zufammengebunden,
hundert Schritte weiter ebenfo ein größeres Baar und dann ein brittes
ganz großes, Hinter ihn der Jäger auf rieſenhaftem Gaul; es Heißt,
derfelbe ziehe von biefem Walde bis ins Unterland, indem die brei
Koppeln immer vor ibm berlaufen und er ſelbſt Iauten Jägerruf aus
Rößt 1. Dieß meitfahrende Halloh gemahnt doch merklich an die pfalz-
gräfliche Hirſchjagd mit den elbifchen Hunden vom Weilerwalde Tübingen
zu und fürber bis in den Böhmerwald.
In dem Märdien felbit Liegt aber auch ein tieferer mythiſcher
Grundzug. Dasfelbe befagt im Eingang, daß der Graf, fo oft er mit
1 €, Meier, deutſche Sagen u. |. m. aus Schwaben, Stuttgart 1862,
Ar 113, 1. 126, 5. Dieſe reichhaltige und forgfältige Sammlung der noch
jet im Munde des ſchwäbiſchen Volkes förtlebenden Übertieferungen tritt Manche,
was ich aus ſchriſtlichen Zeugniſſen voriger Jahrhunderte Heibringen fann, fiber-
raſchend zur Seite.
328
Meifter Eppen und den beiden Hünblein von Pfalzgrafenweiler auf den
Wald zog, niemals ohne Yang heimgelommen, zudem es ihm, fo lang
er dieſes „Erbenmenblin” bei ſich behalten, glüdlih und wohl au Leib
und Gut, auch an allem feinem Vornehmen ergangen ſei; ſodann am
Schluſſe, nachdem er ungern und wider ben Nath bed Heinen Jäger⸗
meiſters bon dieſem und den Hünblein gefchieben, es fer ihn bald nad
der Heimfahrt ein Verlangen nach ihnen angelommen, welches fich fo
gemehrt, daß er angefangen an Leib und Gut abzunehmen, auch bald
barauf geftorben fei, feine Nachkommen aber haben ben Sik Pfalz
grafenweiles verlafien und dieſe Herrichaft, obgleih dem Dorfe ber
Name geblieben, fer in frembe Hand gerathen 1. Nun find die Erb:
männlein, zu denen Meifter Eppe ausdrücklich geftellt wich, dieſes un:
zäblbare Arbeitsvolk der. mütterlihen Erbe, nicht bloß im inneren
Erdgrunde [1,14] raftlos geſchäftig, fie find auch treue und trauliche
Genofien der auf ihm errichteten und gepflanzten Heimivefen. In ben
Mohnftätten der Menſchen verfehen fie millig und ohne Lohn jeden
häuslichen Dienft, fie pflegen den nährenden Viehſtand, auf der Wide
belfen fie beim Heumahd, auf dem Felde zur Erntezeit, im Holze bemm
Reifichbinden, und fo gewähren fie auch dem Pfalzgrafen, ver gänzlich
im Walde daheim ift, ihre heilbringende, beutereiche SSagdfolge 2.
Allein dieſe geheimnisvollen Mächte find empfindlih, ihre Hingabe iR
eine freiwillige und verlangt Erwiberung, der Graf aber zerreißt das
1 Die Burg Weiler (castrum Wilare), an die das Märchen ſich knüpft,
gehört ſchon 1165 den Pfalzgrafen, nad) denen fie zugenannt ift; 1228 madıt
Rudolf II fie mit andern feiner Erbgüter dem Bisthum Straßburg Iehnbar,
1297 aber iſt fle im Befite der Grafen von Eberflein (Stälin 2, 99. 445.
Schmid 139. 149. 244). Das Märchen ſelbſt ift ein nicht zu verachtendes Zeug-
nis für dei Zuſammenhang der Pfalzgrafen von Tübingen mit ben alten
Grafen bes Nagoldgaus (Stälin 2, 428. Schmid 28 f.); noch in der vorge
dachten Lehenbeftellung von 1228 fliehen castrum Wilere und ecelesia Nagelte
beifamınen.
2 Auch im alten Norden begleiten die Landgeifter (landvzettir) auf Jagd
und Fiſchfang (Landn. Th. 4 C. 12: Pat sA üfreskir menn at landveettir
allir fylgdu Hafrbirni P& er hann för til Pings, enn Porsteini ok bordi
bredrum hans b4 er peir föru til veida ok fiski. Bgl. Gulath. Christenr.
in Norges gamle love 2, 308: at trva a landveettir at se j Ivndum sda
havgum wdJa forsom, ebd. 326 f. Lex myth. 561 f.).
329
innige Band, indem er den Meifter und die Hünblein in andre Hände
gibt, und er muß das büßen burch die ſchmerzliche Sehnfucht nad
ibnen, die ihn, an Leib und Gut berabgelommen, bald in das Grab
legt 1, fein heimatlicher Sit am Walde gebt, gleich jenen, in frembes
Eigenthum über. Es fühlt fi) eben in dem Bezuge zu den Erdgeiſtern
eindringlich durch, wie dieſes Grafengeſchlecht von Alters her dafür an:
gefehen war, zum Forſte geboren zu fein.
Daß in ber fabelhaften Erzählung die Sinnedart und jelbft der
Schichſalsgang ber Pfalzgrafen von Tübingen richtig aufgefaßt iſt, er
bärten geichichtlihe Thatſachen. Zu biefen darf die Erbauung des
längft abgegangenen Jagdhauſes Königswart, in berfelben Schwarz
waldgegend, von ber. das Märchen feinen Ausgang nimmt, durch den
Pfalggrafen Rubolf im Jahre 1209 füglich gezählt werben, wenn aud)
die lateiniſchen Inſchriften, etwa das Werk eines Mönches von Neichen-
bach, Teine gleichzeitige waren. Davon melbet, an das Jagdmärchen
anfchließend, twiever die Hauschronik von Zimmern:
„Bemelte pfalzgraven haben noch bei vierthalb hundert jaren große
jagen ufm Schwarzwald gehapt, under denen ein pfalzgraf Nuebolf
das ſchloß Künigswart zu ainem jaghaus erbaumen, und zu ainer ges
dechtnuß bat er in dasſelbig gegen Schwarzenberg mit lateinifchen worten
in ain ftain haumwen laßen: 7 DOMUM ISTAM FECIT RUDOLFUS
PALATINUS COMES DE TUWINGEN ANNO INCARNAT. DNI
1209 OB MEMORIAM SUI +4. Gegen Rath [Röth] Hat er laßen in
ain ftain baumen: + RUDOLFUS PALATINUS COMES DE TU-
WINGEN FECIT PORTICUM HUNC ANNO INCARNAT. XPI
1209 IN MEMORIAM SUI +. innerhalb aber in dem fchloß bat er
bife wort einhauwen laßen: + RUDOLFUS P. C. DE TUWINGEN
DOMUM ISTAM PROCURAUIT FIERI ANNO INCARNAT. CHRI
1209 UT OMNES HIC VENATURI [1,15] SUI SINT MEMORES
ET SALUTEM ANIMAE [ejus] IMPRECENTUR 4.“ ?
1 Wie fehr diefe geifterbaften Weſen gefchont werben müſſen, zeigt auch
nod) in der gerrübten Herlafage der Traghund, vor dem, folang er nicht von
ſelbſt herabfpringt, jeder Abfeigende fogfeih in Staub zerfällt. Vgl. oben
&. 1%. 318. 5.)
2 Zimmriſche Chronik a. a. D. vgl. mit der Stelle bei Steinhofer (Wirten-
bergifche Chronik 2 Theil, Tilbingen 1746, 5. 124), der von diefen Infchriften
330
So wird felbft die Sorge für das Seelenheil dieſes Pfalzgrafen den
Jägern empfohlen, obgleich fonft ihre Andacht, die Jägermeſſe, nit
in befondrer Geltung ftebt 1. Die Tübinger gefielen fi, neben dem
Waidwerk, aud in Merken der Frömmigkeit durch Klofterftiftungen,
die ihren Landbeſitz beträchtlich fchmälerten. Der Erbauer des Jagd-
hauſes im Schwarzwald hatte früher im Schönbuch das Klofter Beben
haufen gegründet, wo er nud feine Grabftätte fand; über feine Nach⸗
kommenſchaft wuchs dieſe Abtei jo mächtig herein, daß ber tiefuer
ſchuldete Pfalzgraf Botfrid I im Sommer 1301 Burg und Gtabt
Tübingen mit aller. Zugehör 'an pas Klofter verlaufte?. Zwar wird
dieſer „Zitel feiner Geburt“, wie er felbft Tübingen urkundlich bezeich⸗
nen ließ 3, bald darauf wieder eingelöft, aber bei feinen Entelföhnen
fommt es wieder dahin, daß fie, von Schuldenlaſt gebrängt, im Sabre
1342 den alten, anſehnlichen Stammfit an den Grafen Ulrich von
Wirtemberg enbgiltig verängern. Da beißt es im Kaufbriefe:
wie von noch beftehenden fpricht und ben Ort fo bezeichnet: „Königswart, der
alte Burgftall des unter den dornfettifhen Schirm gehörigen Kloſters Reichen
bach zwiſchen Beeſenfeld und Illensperg.“ Cruſius 2, 497 |. Stälin 2, 442.
Schmid 117. Der Name Königswart (vgl. Schmeller 4, 160 f.) beutet auf
einen Bau im Reichswalde, wie auch das benachbarte Pfalzgrafenweiler lenn⸗
baren Bezug bat. Ein anderes Jagdhaus auf dem Schwarzwal in einer
Urkunde von 1270 (Mone, Zeitſchrift 1, 371): „Nos Otto senior, comes de
. Eberstein u. f. w. domum venacionis construzimus.“
1 Schmeller 2, 266: Die Jägermeſſe, das Yägermeislein, eine Tarze,
flüchtige Meffe „Kurze Mes und lange Yagd | einen guten Jäger mad.“
Jagtenfel (Theatrum diabolorum BI. 2985): „Etliche [Iäger], die barneben
aud) ein wenig für andechtig und geiftlich möllen gefeben fein, die hören zuvor
eine predigt und dörfen begeren, ja fie wöllens alfo haben, daß man etwas vil
feier, denn ſonß gewonheit, inen ein predigt mache und allein das euangelium
fage, oder darliber gar eine kurze vermanung thue und bieweil andere gebreud)
liche geſenge übergehe und anftehen laß und alles kurz überlaufe, wie man
* denn folddes ſchnappenwerk im bapsthumb jägermeflen genennet hat; wie barbei
die andacht fei, ift wol zu erachten, denn fie body mit gedanken allbereit im
hotz und feld find.” Kürzeſtes Zeitmaß Titurel (Hahn) 5683: fo lanc ein mefle
von einem fnellen prifter fi geſchehende (vgl. 5562).
2 Schmid 310.
3 Ebd. Url. 8. 102: dominiam sen titalum noetre natinitatis seilicet
opidum Thuwfagen; 103: prenarrati dominii atque tituli; 104: dominium
seu titulam sue natiuitatis scilioest opidum Thuwingen. (gl. Homeyer,
Bantgemal 35: natalium suorum principalem locum.)
331
„Bir Gbtze [Gotfrid III) und Wilhelm, gebrücber, graven zu Tuwin⸗
gen, verjehen offenlich an diſem Briefe... das wir ... haben verkouft
und zu koufen geben reht und reblih... unfer veftin Tutwingen, burg
und ftatt, lüt und guot, geſuocht und ungeſuocht, fundens und un-
funbens, intvenbig ber veſtin und ußwendig, under erben und darob,
an veld, an walb und an waſen, an ziwigen, an waßer, an waßer⸗
zinfen, an gelt, an vellen, mit aller [1, 16] irer zuogebörbe-... dem
edlen graben Uolrih von Wittenberg und allen finen erben umb
zwainzig tuſend pfund guoter und gäber heller.“
Nur von Einem laflen die Tübinger auch da nit: „und haben
uns daran kain reht behalten dann allein die hundlege zu Beben:
bufen und das gejaid in dem Schainbuodh 1.” Zwei Jahre nachher,
1344, erläßt jenoh Graf Götz dem Klofter Bebenhaufen auch ven
Anſpruch der Hundlege, der ihm auf deſſen Gjtern zu Weil im
Schönbuch und anderswo zuftand Zunor fchon kann das Anrecht
der beiden Brüder auf den Schönbuch nur noch ein ſehr befchränktes
geweien fein. Als Neichsleben befand fich dieſer Forft mit ver Ge:
waltfame über Wildbann, Hunblege und Gejägd feit 1334, und zwar
ſchon vom Water ber, im Beſitze des Pfalzgrafen Konrab von ber
Tübingen Herrenberger Linie, der aber au, im Jahr 1348, das
Ganze „und mit Namen den Wildbann“ ven Grafen Eberhard und
Ulrich von Wirtemberg zu kaufen gibt. Die Verkäufer konnten übri-
gens beruhigt fein, daß ber Wald wieber in gut maibmännifche Hand
fam. Denn nicht umfonft führten bie Wirtemberger Hirichgeweih und
Jägerhorn im Wappen, tvorauf in Lieben des 15ten und 16ten Jahrh.
mehrfältig angejpielt wird 4, auch find ihre altherkömmlichen Haus
1 Sendenberg, selecta jur. et histor. 2, 232 f. Sattler, Graven 1,
Zte Aufl., Beilage Nr 100. Eine Urkunde des Grafen Ulrich von Helfenftein
von 1302 über den Verlauf ferner Burg Herwartſtein nebſt Zugehör zu Gunſten
des Klofters Königsbronn enthält den Ähnlichen Vorbehalt: reservavimus tamen
nobis et nostris successoribus jus venandi (Beſold, doc. rediv. 637), [Man
vergl. Uhlands im Fahre 1847 entflandenes Gedicht „Der letzte Pfalzgraf“ in
den Gerichten, fechsundfünfzigfte Auflage, Stuttgart 1872, ©, 854. 356. H.
2 Beſold 409 f.
3 Schmid, Urt. B. 166. 175 f.
43. 2. in einem auf Herzog Ulrichs fieghafte Wiederlehr (Heyd, Schlacht
bei Laufen 70):
332
namen Eberhard und Ulrich der Jagdſage nicht fremd geblieben. Ein
Graf Eberhard von Wirtemberg wird auf der Birſch im grünen Walde
dur die Erfcheinung eines bahberbraufenden geipenfterbaften Jägers
mit eingefchrumpftem Gefichte verwarnt, der einft bier Herr geweſen,
und, da er nie Jagens fatt werben konnte, zulegt Gott gebeten, bis
zum jüngiten Tage jagen zu bürfen, wie er denn auch feit fünftbalb
bundert Jahren unabläffig einen Hirfch verfolgt 1; von einem Grafen
Ulrich wird als befondrem Liebhaber der [1, 17] Reiter: ober Jäger:
meſſen erzäblt . Aber die Jäger von Wirtemberg bliefen auf, wäh—⸗
rend bie von Tübingen abbliefen.
Derfelbe Chronikichreiber, ver die wunderſame Jagd des alten
Pfalggrafen wohlgefällig nacherzählte, rügt doch bei anbrem Anlaß mit
mich freut fein pfeif, fein faitenfpil,
wären barpfer, geiger noch fo vil,
fo freuet mich gott und 's jägerhorn.
Auch in demjenigen, welches man glanbmürdig ihm jelbft zufchrieb: Ich ſchell
mein borm ins jamertal u. |. w. Meine Bollslieder Nr 179, vgl. Heyd,
Ulrich 1, 92.)
1 Meifterfang Mich. Behams aus dem 15ten Jahrh., Sammlung für alt-
dentſche Litteratur 48 ff. Vgl Jagteufel (Theatrum diabolorum 305 5b): „Eimer
hette einmal gejagt: wenn unfer herr gott wolte mit im wechſeln laſſen, fo wolt
ich, daß er mich für mein theil des himmelreichs hie ewig möchte jagen laflen.
Seind das nit feine reden?“ Das Gleiche von Hadelberg im Kicchbofs
Bendunmuth 4 (Frankf. 1602), 342 [Ausgabe von fterley 3, ©. 357. $.)
umd in ſchwarzwäldiſcher Bollsfage vom ewigen Jäger bei Nenbulach, E. Meier
a. a. O. Nr 125.
2 Wendunmuth 1 (1602), 61 [Ausgabe von Öſterley 1, ©. 54. £]:
„Einer von Wirtenberg, Ulrich genannt (da fie noch grafen geheifen worden),
der auch wie fein nachkommen ein guter weidmann und jäger war, wolte ein-
mals eilends nach feiner gewonheit auf die jagt, dann im feine diener von
‚Schönen wolgebornen hirſchen, an eim end ſtehende, verkündigt hetten, beſorgte
fie würden, da er lang verzög, verſcheicht werben, wolte doch der zeit: gebrand)
nad ein meſs hören, faget darumb zu feinem capellan, er folte ein reuter⸗ oder
ein jägermeis leſen, das iſt (wie man fpricht) furz und gut machen. Der ein⸗
feltige priefter fucht das ganze buch auß, und da er niergend, ba ein renter-
oder jägermefs ſtunde, erjehen mögen, bat er bem herren, ber ja fo gem
gewölt heit als der pfaff, daß fie funden were, ſolches traurig angezeigt, der
ig nicht mit wenig lachen feiner und aller diener deſſen underrichtet, fonft glaub
ich, Das gute pfäfflein ſuchet noch biß tezt dran. Ob fie auch ungemeflen ober
nicht anf die jagt geritten, hab ich noch nicht erfaren.”
333
Enträftung die üble Wirthfhaft des Nachkommen Götz und gibt zu
deſſen Bild einen neuen, ergänzenden Zug (©. 689 f.):
„Difer unnuten leut in den gefchlechtern bat man vor jaren vil
gefunden, under denen ſonderlich pfalzgraf Gotfrid von Tübingen ein
fürnem man geweft und feines übelbaufens halb wol bekant ift. Der⸗
felbig gewan ain follih unmillen zu feinen ligenden güetern, daß er
fich entſchloß derfelbigen kaine zu behalten, juecht auch alle mittel, daß
er deren megte ablommen. Darumb hab er dem grafen von Würtem:
berg alles übergeben und zu Tübingen fei er zum tor hinaußgeritten,
do hab er fih umbgelert und ganz frölich zu feinen dienen gejagt,
nun freut er fi von ganzem herzen, daß er doch ainmal des wueſts
fete ablommen. Das war ain ftim mer aind ochſen ober ains maul⸗
tierd dann aines mentfchen. Aber dem von MWürtemberg war es ain
eben fach, der bet wol leiden megen, da& alle feine nachpurn dilen
finn heiten gehapt. ... Ich glaub, er [Gotfrib] hat in großer armuet
erben müchen, ain wunber unnuger man ift er geweſen, der im bergen
gehapt, follihe nugliche und herrliche güeter von feinem ftammen und
namen hinweg zu geben und fich deſſen fo berzlichen zu erfreuen.”
Nachdem diefer Pfalzgraf Götz fich feines ganzen Beſitzthums in
den heimiſchen Gauen entjchlagen hatte, blieb ihn gleichwohl eine Zus
fluht auf dem Erbgut feiner Gemahlin, einer Gräfin von Yreiburg,
ber Herrſchaft Lichtened im Breisgau. Die zunmrifche Chronik felbft
weiß, noch aus ihrer Beit (1866), von einem feiner Ablömmlinge, dem
Grafen Konrad von Tübingen zu Lichtened, zu erzählen, und zwar
(S. 1116 f.) zwei Beifpiele bartberziger Strenge, deren eines bier
ftehen mag:
„Sp tft ain gemain gefchrai, daß graf Conrad ain firenger uns
barmberziger man feie. Das beichaint ſich wol an dem, daß er ain
alten tor[1, 18]wart zu Liechteneck gehapt, der ainsmals bie jchlüßel
am tor vergeßen, bo bat im der graf zu ainer ftraf die wal ufgeben,
eintweders in tum ober aber er fol ain forglichen felfen zu Liechtened
hinab kleten. Das bat ber arm man ußer großer fordt angenommen
und verpracht, aber [mit] follichen geferden, daß kain wunder, ba er
ſchon zehen hels abgefallen were.“
Ulbermäßige Sorge um die Thorſchlüſſel von Lichteneck, nachdem
diejenigen des alten Stammhauſes längft verſchleudert waren.
334
Dem Berlommen des pfalzgräflichen Geſchlechts ift hier nicht weiter
nachzugehen, die lehte, dunfle Epur einer Nachkommenſchaft besfelben,
noch vom Anfang des vorigen Jahrhunderts, führt durch ein befonbres
Geſchick nach dem Schwarzwald zu der Frau eines Jägers 1.
ſi, 304} 29. Dietrich von Kern.
Bon der Bollsihümlichkeit Dietrich8 von Bern im alten Schwaben:
lande gibt e8 noch unbendhtete Zeugniffe, die bier mit. den fchon be
fannten zufammengeftellt und erläutert werben follen; der Inhalt feiner
Sage wird hiebei nur ſoweit berührt merben, als es zu dem angegebenen
Zwecke nöthig ſcheint.
Das Dorf Wurmlingen bei Rotenburg, auf der Thalgrenze zwiſchen
Neckar und Ammer mit einer weitumſchauenden Bergkirche gelegen, war
einſt die Wohnſtätte zahlreichen Adels. Die beurkundete Reihe des⸗
ſelben eröffnet Anshelm, Ritter von Wurmlingen, welchen der Pfalz
graf Hugo von Tübingen in einer Handfefte von 1174 als weiland
feinen febr lieben Dienftmann bezeichnet ?. Der Ortöname lautet fchon
bier Wurmelingen, dann 1252 Wurmlingen ®, aber auch noch in Ur
funden von 1273 und 1276 Wurmeringen *; gleichertweife beißt das
viel früher vorkommende Wurmlingen bei Tuttlingen in St. Galler Ur:
funden des Sten und 9ten Jahrh. Yurmeringa, Burmiringum u. |. m. °,
1 Zeller, Merkwürdigkeiten von Tübingen, dal. 1743, ©. 47: „da id
mich erinnere von 1701, daß in dem Galwer Amt eine Jägerin, eine wahre
abflanımende von diefen Grafen gewejen iſt.“ (Bgl. Schmid 602.)
2 Eiyzabeth, magistra conventus sororum [Marthell.], filia Anselmi
quondam militis de Wurmelingen, nostri karissimi ministerielie, Schmid
108. Stälin 2, 432.
3 Stälin 2, 447: in villa Wurmlingen.
4 Kreuzlinger Archiv, nach Kauslers Abichriften, 1278: Albertus dietus
Randal de Wrmeringen ... Montis in wrmeringen; 1276 (vgl. Schmid.
Url. 8. 39): in monte Wrmeringen.
I Neugart Nr 126, a. 797: in pago, qui vocatur Perahtoltipara, in
vico nuncnpante Vurmmeringa, Nr 135, a. +93: in Wurmmaringas;
Nr 584, a..882: in Wurmiringum. Stälin 1, 287.
335
im 18ten Jahrh. ift aber auch bort r zu I geworden !. MWurmringen
gefellt fi zu den benachbarten Polteingen, Entringen, Gärtringen,
Gündringen, welche patronymifch von den ahd. Mannönamen Paltheri,
Antberi, Kartheri, Kundheri abzuleiten find, wie jenes von Wurmheri?,
dem Stammvater der Wurmeringe. Beſitzthümer desſelben Geſchlechts
in verichievenen Bezirken find nicht felten gleih benannt, urkundlich
läßt fich jeboch ein ſolcher Zuſammenhang zwiſchen Wurmlingen in der
Berhtolbz[1, 305]baar und dem bei Rotenburg nicht aufweiſen?. Für
leteres hat die vollsmäßige Anſchauung im Stamm: und Ortönamen
ein Bild erfaßt, das eines Lindwurms, und basfelbe, mit Anwendung
auf bie vorbemerfte Ortölage, zur Drachenfabel ausgeitaltet. Ein wurm⸗
förmiges Ungetbüm führten auf Helm und Schild nicht nur Diejenigen,
bie fich eigens von Wurmlingen nannten, ſondern auch die dortherum bes
güterten von Steinhülwe und von Hölnftein An Namen und Wappen:
bild lehnen fich Bollsfagen, die, obichon unter fich abweichend und ver:
werren, darauf hinausgehn, daß in einer Kluft der Wanbelburg, einer-
platten Abjtufung am ſüdweſtlichen Abbang des Wurmlinger Berges,
ein Lindwurm gehauft babe, der, mit dem gleichverberblichen Wurme
des Ammerthals im Schwärzlodh ab: und zumanbelnd, die Umgegend
beraubte, auch aus den Kirchgängern fich feine Beute holte und fo ben
Gang zur Bergkirche (früherer Pfarrkirche) auf diefer Seite fperrte, bie
ein Ritter von Wurmlingen, deſſen Rüftung mit Spiegelgläfern behängt
war 5, den durch fein eigenes Bilb in Staunen verfeßten Gegner mit
I Wie anderwärts Pirninga zu Birlingen (Bierlingen, Stälin 1, 287.
302. 344. 383), Gerringen zu Gerlingen (ebd. 316 f. 386), Holzgerminga zu
Hohggerlingen (ebd. 295. 521. 561. 600), Hurningen zu Hirrlingen (ebd. 2, 507).
2 Bei Reugart, ind. onomast. (unter Vnrinher, Burmberi, Wurmhar)
iR dieſer Name reichlich vertreten, doch faft nur aus dem Thurgan.
I Edellente, nah erfterem Orte genannt, lommen 1259 und 1261 als
Dienfmänner der Grafen von Bollern vor (Stäfin 2, 506. 522. 528).
4 Grufius 3, 115: In planitie alba, glaucus erocodilus, ein blawer
Zintwurm. An zwei Urkunden im Staatsarchiv von 1348 als Siegel Hainrichs
von Wurmlingen, Abzeihnung duch Hrn Dr L. Schmid: ebd. Url. ®. 178.
182. 211. Nah Thidr. 8. Cap. 185 führt der Fafnistödter Sigurd einen
Draden im Schild und auf dem Helme.
9 Der Meduſa Hält Perfeus den Spiegel entgegen, vgl. bei Marner (M.
©. 2, 45a): ein fiftallin ſchilt. Der Baſilisk flirht, wenn er ſich im Haren
Waſſer fieht.
336
dem Speere durchſtach; ein Schnitzwerk am Altar wird für eine Dar
stellung dieſes Kampfes angefehen. Den Wurm im Ammerthale traf
gleiches Geſchick am Brunnen in einer Klinge bei Schwärzloch 2. Der
Wohngelaß dieſes Hofs ift in einen kirchlichen Bau romaniſchen Stils,
Kapelle des 5b. Nicolaus, eingeſetzt, auf deſſen fühlicher Außenwand
unter dem eingehauenen feltiamen Bildwerk ſich beſonders krolodil⸗
und dradenartige Thiergeftalten hervorheben, wohl geeignet, die Sagen
dihtung anzuregen; auch war noch vor vierzig Jahren im Innern be
rundbogigen Chors ein großer Thierſchädel [1, 306] an die Mauer ge
fettet, der für den Kopf des erlegten Lindwurms auögegeben wurde;
die Gegend bei Schwärzlodh, hinter welchem ber verderbliche Drache ge
hauft, fei damals ganz wild und fumpfig geweſen?. “Die zwei nad
barlichen Würme bezeichnen beutlich genug das noch unbewältigte Ge
mwäfler der beiden Flußthäler, an deren Grenzſcheide der Wurmlinger
Berg auffteigt. Vergleihung anderer Drachenſagen, namentlich ber
Heldenthat Schrutans von Winfelried und ihrer Ortlichfet, twürbe bieß
noch mehr ins Klare ftellen.
Der Bezug auf den Lindwurmkampf ſetzt fih in den Namen
der Wurmlinger fort. Bei denſelben Geſchlechtern, die das Ungethüm
im Wappen führten, ift der Name Dietrih zu Haufe. Dietriche einfad
„von Wurmlingen” find nachweisbar zu den Jahren 1185, 1225,
I Nach gefälliger Aufzeichnung des Herrn Pfarrers Laun in Wurmlingen.
Die Schnitarbeit am Altar der erft gegen Enve des 1Tten Jahrh. nenauf-
gebauten Bergklirche wird derſelben Zeit erfi angehören; in einem Schreiben des
Kreugfinger Pflegers zu Rotenburg vom 2dten Nov, 1681 an den Abt genannten
Kofters wird empfohlen, daß auf den Mitar mit andern Heiligenbifbern and
das Gt. Georgs gerichtet werben möge, „als welcher Heilige der orten für einen
fouderbaren Patron wegen |. v. rofs und viehs verehret wird” (Archiv. Wurm⸗
lingan., ein bei bortiger Pfarrei befindlicher Band mit Urkunbenabfchriften von
1773, die Berhältniffe des Kofler Kreuzlingen zu feiner Pfarrei und Pflege
Wurmlingen betreffend, S. 886 f.). Das Schutzamt bes h. Georgs ber die
Pferde rührt wohl von feiner Eigenicheft als Witter ber; ob fein Drachenkampf
auch ſchon in der alten, abgebrannten Kirche dargeſtellt war, if wicht erfichtlic.
2 E. Meier, Sagen 210 ff., eine ganze hieher einfchlagende Sagenreihe:
„Der Lindwurm im Ammertbale.“
3 Aufzeichnung des Herrn Procurators Abel in Stuttgart. Frilheſte Kuute
von Schwärzlodh im Codex Hirsangiensis S. 63 und bei Sattler, Graven 4,
Beilage S. 369. Bgl. Schmid 52. 54.
337
1279. 1, Dietrihe von Steinhülwe zu 1285, 1298, 1301, 1353 und
noch 1400 ?. Neben und mit dem Ortsnamen Wurmlingen tritt aber
zu Dietrich auch noch ein allmählich zum Geſchlechtsnamen erwachſender
Beiname; zueft in einer Urkunde von 1261: Theodericus merbelt,
Ritter in Wurmelingen, weiterhin in folden von 1277, 1296, 1299,
1301, 1323, 1333, 1339, 1343: Dietrich der Märehelt, oder genannt
Märhelt, mehrmals mit dem Berfate: von oder in Wurmlingen ®. Die
PMärbelde (fpäter, im 16ten Jahrh., fchrieb man Mörhild) [1, 307]
1 Kreuzfinger Urkunde von 1185 (Ar, Wurml. 1 f.): testes sunt Albertus
cum duobus filiis suis, Bertoldo et Alberto, et patruo eorumdem, Dietrico,
et Kuonrado cum fratre suo, Ruodolfo de Wrmelingin u. f. w. Urkunde
Alberts von Rotenburg 1225 (ebd. 7 ff.), unter den Zeugen: Dietericus de
Wrmilingin ... Ruodolfus, sacerdos viceplebanus in Wrmilingen u. |. w.
Conradi de Wurmlingen annal. Sindelfing. ad a. 1279: Joannem et soro-
rem suam copulavi legitime, pueros Dieteriei, militis de Wurmelingen.
2 Urkunde von 1286 (Mone, Zeitihrift 3, 446): Nos Dietricus et Diemo,
fratres, flii quondam Alberti, militis, dicti de Stainhülwe... omnia bone
nostra in parochia ville Wurmelingen sits ... vendidimus u. f. w. Urkunde
von 1298 (ebd. 4, 281): Dietrih von Steinhuli. Wurmlinger Urkunde vpn
1801 (Ard. 82), unter den Zeugen: Dietricue de Stainhülwe. Urlunde von
1358 (Schmid, Url. B. 182): ze bürgen ... Dyetrih, den pfützer von Stam-
büfwe u. |. w. mit deſſen Drachenſiegel. Kundjchaft von 1400 (Weisthümer 1,
387): jungher Dietrihen von Stainhülm (auch Stainhulme) u. ſ. w. In einer
Urkunde von 1289 (@erbert, hist. nigr. silv. 3, 222): Diemo de Stanihul;
Diemo, Dieme, fheint Kürzung von Dietmar, wie Tanımo von Tancmar
(&r. 8, 694).
3 Urkunde von 1261 (Monumenta Zollerans 192): tbeodoricus blarrer,
theodericus merhelt, milites in Wurmelingen; einer von 1277 ift bemerft
in der Beſchreibung des Oberamts Rotenburg 215; Notenburger Urkunde von
1296 (Arch. Wurm. 32), als Beuge: Dietrich der Märehelt; Wurmlinger
Urkunde von 1299 (Regeften des Stiftes Kreuzlingen von PBupilofer Nr 118):
Allen tünd ich Dietrich der Märehelt [fo ift ſtatt Märchelt zu lejen] von Wurme⸗
lingen ... Benze fälige der Märehelt [ebf.], min bruoder u. ſ. w. Wurmlinger
Urkunde von 1801 (Arch. Wurml. 82): Dietericus, dictus Merehelt de
Woarmelingen; Rotenburger Urkunde von 1323 (Staatsarchiv, auch abſchriftlich
in Weitenauers Traditionenbuch des Stifte St. Manriz in Ehingen, 1674 bis
1678, ©. 56): Dietericus, dictus Meerhelt, in Wurmlingen, armiger ... post
interitam quondam Dietrici, fratris mei dilecti u. f. w.; Urkunde aus Noten-
burg von 1833 in einer 1346 bezeugten Abſchrift (Staatsarchiv): Dietriden dem
Märbelt ... der vorgenannte Märhelt; Urkunde von 1339 (Staatsarchiv): Ich
Balfan vn Wurmlingen, Dietrichs dez Märheltz fun; Urkunde von 1343 (ebd.
Npland, Schriften. VIN. 292
338
eriheinen bejonders zahlreich in den Schenlungs: und Jahrzeitbüchern
gerjtlicher Stiftungen des benachbarten Rotenburg und feiner Vorſtadt
Chingen. Laut der vorhin mitaufgezählten Urkunde von 1323 wurde
Lem Dietrich, genannt Märhelt, zu Wurmlingen von der Stabt Tübingen,
deren Bürger den Tod feines Bruders verfchuldet hatten, zur Errich⸗
tung einer Kaplanei für deſſen Seelenheil ein Sühngeld von 20 Pfund
Heller zugefichert und er jtiftete biefelbe zum Altar des b. Kreuzes in
der S. Morizlirhe zu Ehingen, in der dann auch die Märhelbe ihre
cigene Kapelle und Begräbnisftätte hatten; der umgefommene Bruder
diefes Dietricha hieß ebenfo und auch in der Folge taucht der Name
Dietrich mehrmals auf, mo Vergabungen oder Jahrtage ver Märhelde
eingetragen find. Daß dieſe urfprünglich demfelben Gefchlecht ange
hören, das früher einfach von Wurmlingen benannt war, läßt fid
faum bezweifeln, da nicht bloß der Vorname Dietrich durchläuft, ſondern
auh Vater und Sohn, der eine mit bem Zunamen Märheld, der andre
ohne denjelben mit dem Ortsnamen verzeichnet werden?, überdem
abfehriftlih ans den in München befindlichen Bebenhäufer Soder): Ich Diettrich
der Märhilt, mit mir min bruder Benge u. |. w. (Die Urkunden von 1323,
1333 und 1339 nad, Abſchriften des Herrn Drs 2. Schmid.)
I Lugen von Lutzenhart Rotenburg. Beichreibung vom „Jahre 1609 (hand
ſchriftlich im Staatsarchiv zu Stuttgart), btes Bud: Unno 1359 lebt Herr
Dieterich Merhild, Nitter; ebb. unter den Jahrtagen der Mörbilde in der Gtifts-
firde zu Ehingen: Item [annivers.] Werner Mörhildts, quondam Scalteti
in Rottenburg u. j. w. Item Dieterich Mörhildts, filii predicti Wernheri
Merhildts u. |. w.;, ebd. aus dem Todtenkalender zu den Carmelitern: Theo
derici Mörbild, eines Ritters, Chriſtinä Mörhildin, feiner Hausfrawen, Wernher
Mörhilts, des Schultheißen und feiner Hausfrawen, Renhardts von Wurmlingen,
feines Baters u. ſ. w. (val. Beichreibung des Oberamts Rottenburg 216); ebb.,
Seelbuch des Spitals: Hic habeatur memoria Wernkeri Mörhild et Hainriei,
sacerdotis, et Theodorici, filioram suorum u. |. w.; ebb.: Kofler Ror-
balden ... obiit Theodoricus Mörhild u. f. w. As Schultheiß der Stadt
Rotenburg fit dafelbft ein Weruher Märhelt öffentlich zu Gericht nach einer
Urkunde von 1383 (Staatsarchiv, abſchr. dur Herrn Dr Schmid), als Land-
richter nach einer von 1391 (Staatsardiv): Ich Wernher Märheld, ain frige
lantribter ze Routemburg am Neder von mins gnädigen herren herzog Albrehtz
hen ze Delterih ... gewalt tuon funt ... da; ich ge geribt faß uf dem hoff
ze Rontemburg an der offenn frigen küng ſtrauß u. |. w.
2 Stellen der vorigen Anm. ergeben: Bater Renhart von Wurmlingen,
Eohn Wernher Mörbild, deffen Sohn Dietrich Mörhild.
339
fämmtlihe Marheldbegängniſſe ber Morizkirche von ber Stiftung jeneB
vollgenannten Dietrih Märbeld in Wurmlingen ber Urkunde von 1323,
mit welcher Ichon bie von 1261 in ben Benennungen übereinlommt,
ihren Ausgang nehmen; das Lindwurmmwappen führen aud die Mär
beide 1. [1,308] Der BWortfinn dieſes ala Geſchlechtsname feitgetuorbenen
Beinamen in feiner echten Geftalt ift vollfommen Mar. Die ältefte
Urkunde, von 1261, fchreibt ihn „merhelt“, die von 1301 befier „Märe-
belt”, die von 1323 bat „Märbelt“, rein und nicht durch Einfügung in
Internischen Text verfümmert geben ihn bie beutichen von 1296 uni
1299: „Dieterich der Märehelt“; alfo buchftäblich mittelhochbeutfches „ber
märe belt”, d. 5. der berühmte Held. In der anhaltenden Verbindung
mit Dietrich kann aber bier kaum ein Anbrer gemeint fein, als der
gepriefene Dietrich von Bern, der, gleich mehrem herrlichen Reden,
in ben Helbenlievern jelbft als „ber märe, der belt märe” bezeichnet
mb angerebet wird ? und befien vollsthümliche Berühmtheit faft ſprich⸗
1 Schon der Urkunde von 1299 (S. 337, Anm. 8) Hatte der Ausfteller Dietrich
der Märehelt fein Inſiegel angehängt; ob basfelbe noch vorhanden oder tie es
befhaffen, wird nicht angegeben. Die Siegel Dietrihs an der Urkunde von
1923 und Balfans an der von 1339 Haben has Ungethüm. Bei Zug von
Zugenbart a. a. D. ift das Wappen gemalt.
2 Rlage 213 f.: des wart ir fiberheit getän | von dem Bernäre. | fd fprach
ver heit märe u. ſ. w. Rab. 195: als fi) der Bernäre | des goldes under
want, j ürloub nam der märe (vgl. der heit von Berne Rib. 2182. 2273. 2293.
2801. Dietrichs Ylucht 8262). Bon Andern Nibelunge 375: ir Heike märe
(ogl. 652). 1917: der märe heit quot. 1992: Nu löne dir got, Frinc, vil märe
heit guot! 2216: die beide märe. Klage 207: der belt märe (ebenfo 718.
1%01,. 449: märer belt guot! 458: heit märe! 917: den heit märe (ebenfo
1048. 1949). 1298: vie beide märe (ebenfo 1980). 1461: Heibe märe. 2010:
die ſtolzen hefoe märe. Gudrun (Bolimer) 848: ein märer belt ze finen handen.
412: ter märe beit guet. 867: ein märer heſd guot. Dietleib 9086: der Het
vil märe. 12321: der heit märe. Dietrichs Flucht 6476: helde märe! Hab. 67:
der märe heit halt. 276: edel Heide [a. reden) märel 989: heit märe. Nuol.
191, 21 (auch 236, 26): der heit mare. 194, 6: beide vil mare. 219, 16:
der mare beit Ruolant. 219, 25: manc beit mare. 2823, 18: du heit mare!
Selbſt im Barcival 268, 9: den küenen helden mären; vgl. 835, 17. Die
Belegſtellen find bier gehäuft, um die Berbinbung des Adj. „märe” mit bem
Eubf. „heit“ ala eine fo geläufige darzuthun, daR ihr der fragliche Beiname
ungezwungen zufällt. Nicht zu überſehen ift auch das altnerbreitete ... mer ...
mär in zufammengefetten Mannsnamen, wie Lintmär und Santınar neben ahd.
340
wörtlih darin ihren Ausbrud fand, daß von ihm die Bauern, der ge
meine Mann, foviel fingen und fagen!. Auf biefen Helden bezogen,
- erlangt der Name Dietrich erſt feinen anfchaulichen Berband mit dem
[1, 309] Stamme der Wurmeringe, ihrem Wappenbild und ihrer Lind:
twurmfage. Denn Dietrih von Bern war, gleich feinem Ahnberre
Wolfdietrih, mit dem er in norbifchen Darftellungen, nicht ohne innern
Sagengrund, gänzlich zufammenfällt, ein gewaltiger Drachentöbter und
muß noch immerfort bis zum jüngften Tag in der Wüfte mit Würmen
ftreiten, wie denn eben auch die Wurmkämpfe als Gegenſtand bes ge
meinüblichen Singens und Sagens von ihm nambaft gemacht werben ?.
Adj. lintmäri und Verb. liutmaͤran, mhhd. Subſt. neutr. lautmäre, Yelcındr
und Dietmär neben altnord. Adi. Biodmerr. (Gr. 2, 571. Graff 2, 197.
829. Benede 2, 785. Törftemann, altdeutſches Namenbud 1, 906 fi.)
1 Aunales (Juedlinburgenses, dem Grundbeſtande nad un 1000 (Berk,
Monumenta 5, 31): Amulung Theoderic dicitur u. ſ. w. Et iste fait Thideric
de Berne, de quo cantabent rustici olim; zu diefem und den fich anfchließen-
ben Beugniffen bei W. Grimm, Heldenfage 32. 281. 286. 808, kommt noch
die Stelle des älteſten deutichen Zürcher Jahrbuchs: Anno domini CCCCC,
umb daz felbe zit richindte Dietrich von Bern, von dem die puren fingent, wie
er mit den wurmen hab geftriten und mit den helden gefodhten u. j. w. (Mit-
theilungen ber antiquarifchen Geſellſchaft in Zürich 2, 60; vgl Mone, Quellen
und Forfchungen 1, 178 f.); ſodann eine Aufzeichnung ans dem 1dten Jahrh.
bei W. Wadernagel, die altdeutſchen Handichriften der Basler Lniverfitäts-
Bibliothek S. 34: Dietrich von Bern, von dem die puren fingend; ferner die Mel-
dung der Ehronik von Köln BL 895: Ind was der Deberih van Berne, van
dem die bueren fo vifl ſyngent (Lerih in den Jahrbüchern des Bereins von
Alterthumsfreunden im Rheinlande 1, 34). In den Heldengedichten ſelbßt.
Dietrihs Flucht 2482 fi.: day ift der Bernäre, der mit maniger manbeit |
alliu diu wunder Hät bejeit, | davon man finget unde feit. NRofengarten 1095:
Ich [Kriemb,] Hören fint diner Tintheit [a. von diner küenheit ſo] vil fingen
unbe fagen. Dietrich und feine Gefellen 162: vff bürgen, in fteten, in berffen |
horte ich Rentw.] ime ie daz befte jehen.
3 Beugniffe fiber Dietrichs Drachenlämpfe wieder bei W. Grimm, Helden⸗
fage 89. 234. 236. 250. 255. 281. 291; das neueſtens gebrudte größere Ge
diät von Dietrich und feinen Gejellen, freilich eines der fnäteften und willlür⸗
lichſten dieſes Kreiſes, wimmelt von furchtbarem Gewürme, das unter bes
Berners und Hildebrands Schwertſchlägen verendet. Der ſchwäbiſche Nitter
Hermann von Sachfenheim, der in feiner 1458 verfaßten Mörin mehrmals anf
Dietrid Bezug ninnnt, weiß and) von den fortdauernden Wurmlämpfen (Ausg.
Worms 1539, BL. Ala): Man ſpricht, herr Dietherih von Bern | der leb in
341
Die Geſchichte des beutichen Namenweſens bei ben verfchiebenen
Ständen und Genoſſenſchaften erheifcht einen beſondern Abjchnitt vom
Auflommen der Beinamen an lehen⸗ und bienftberrlichen Höfen. Dafür
bietet der ſtammverwandte Norden die alterthümlich einfachſten Vor⸗
bilder aus fagenhaften wie aus gefchichtlichen Heldenkreiſen. In ſolchen
gibt der Hofherr dem eintretenden Gefolgsmann einen neuen Namen
oder einen Beifah zu dem bisher geführten, wodurch der Mann von
gleichnamigen Genofien unterſchieden, überhaupt ausgezeichnet und zu⸗
gleich dem neuen Verhältniſſe wie ein eben erſt Geborner eingekind⸗
ſchaftet wird; man hieß das „den Ramen mehren“ oder „Tängern“ und ein
Geſchenk des Herrn, bie „Ramenfefte”, am liebften ein Schwert, fortan
dem Dienfte des Gebers geweiht, war das fichtbare Zeichen bes ges
Ihlofjenen Bundes 1. Solche Ramen[1, 310]mebrungen, in Ernft und
wäßter rumenei | vnd fecht all tag mit würmen brei (vgl. Etzels Hofhaltung
Str. 192. Mone, Unterfuchungen 66). Über das Singen der Bauern vom
Burmftreite die Stelle des Zurcher Jabrb. in voriger Anm. Den Namen Wolf
dietrih, der nur ans ter Heldenfage ſtammen kann, führt im 16ten Jahrh. ein
Angehöriger des zu Wurmlingen begiiterten Adelsgejchlechts Megiter (Cruſius 8,
115, vgl. 736), über deſſen Zufammenbang mit den älteren Wurmlingern jedoch
nichts erhellt; ein Wolſdietrich aus dem 18ten Jahrh. Heldenfage 161, einige
aus dem 16ten in Mones Anzeiger 5, 144. 8, 488.
1 Fornald. 8. 1, 72 (8. Hrölfs kon. Kraka C. 86): konungr segir...
ok nü vil ek hann heiti eigi Höttr lengr ok skal hann heita Hialti uppfr&
Pessu; skaltu heita eptir sverdinu Gullinhialta (ogl. Nib. 1722, 2: daz ger
hihze was guldin); ber König feib empfängt feinen Beinamen 1, 86 (C. 42):
ok sem bessı madr [Vöggr] kom fyrir Hrölf konung, b& meeiti hann:
Punleitr er bessi madr ok nokkr kraki t andlitinu, eda Er betta konungr
ydarr? Hrölfr konungr melti: nafn hefr hä gefit mör, bat sem vid mil
mun festagt, eda hvat gefr hä mör at nafnfesti? (Bgl. En. Edda, Arnam.
1,892. Sayo 2, 81.) Wie die zwei Halföreden, Vrüder des gleihen Namens
Steinn, als Innsteinn und Ütsteinn unterſchieden werden, |. Fornald. S. 2,
37 (8. af Half C. 10); Ähnliches von zwei andern gleichnamigen Brüdern in
Halfs Gefolge ebd. 2, 86: hät annarr Hrökr hinn svarti, en annarr Hrökr
hion hrid. Ferner wie An bogsveigir (Bogenkrümmer) und fein Sohn borir
baleggr (Hochbein) zu ihren Beinamen kommen, Fornald. 8. 2, 831 f. 369
(Ans 8. 6.3. 7 [vgl. eben &. 108. H.)). König Olaf Tryggvafon als Ramen-
geher an Stalden und wehrhafte Dienfimänner, Forum. S. 2, 51: En er
samt um viärnefnit, segir Hallfredr; hvat gefr hä mör at nafnfesti, ef
ek skal vondrzedaskald heita? Konungr svarar: 58 ek at betta vill hä
342
Scherz, aus Geftalt und Eigenfchaft des Zugenannten, aus einzelnen
Borfällen, überall frifch aus dem Leben und der Eingebung des Augen:
blicks gegriffen, darum an ber Perfon des Empfängers haftend und
für Übertragung auf die Nachkommen nicht zum voraus beftimmt, find
auch als die Grundlage der Zunamenbildung zu betrachten, mie biee
fett dem 12ten Jahrh. beim deutichen Lehen: und Dienftabel in fort
fchreitendem Wachsthum, aber auch immermebr ber urjprlinglichen Weile
fremd getworden, zu Tage tritt. Befonbrer Anläfle wird fo wenig mehr
gedacht, als irgend einer Yörmlichleit nach Art ver Gefellentaufe bei
den Handwerkern und wohl auch der Namengebung in ver Singfchule,
benn bie Beinamen, zivar als ſolche durch vorgefeßtes „dietus, «ugno-
mine, genant, den man nemnet“ u. f. iv. noch Tenntlich gemacht, ftchen
doch überall fertig und meift fchon anererbt, als Geſchlechtsnamen, in
den Urkunden. Aber auch fo noch fprechen fie ihren reinperfönlichen
Urſprung gröftentheils vernehmbar aus und daß fie dem Erftbenannten
burch Zuruf der Genoſſenſchaft, am nahbrüdlichften aus dem Munde
des Dienftberen felbit aufgeprägt murben, macht eben ihr fürmlicher
Gebrauch in den vom Heren und den Mitvienftleuten beurkundeten
Handfeften wahrfcheinli 1. Dem perjönliden Bezug entſpricht auch
die neckiſche Laune und gejchäftige Einbildungskraft, woraus mandıe
dieſer Namenihöpfungen hervorſprangen. Man wird bad nicht ber
Tennen, fo ungewis bie eigentlichite Veranlafiung bleibt, wenn z. B.
Lehenträger oder Dienftmänner ver Pfalzggrafen von Tübingen bie
ftändig gewordenen Zunamen führten: „Sunnundalp“, Sonnenläfer ?,
kenningarnafn eiga, ok bigg hêr af mör sverd hbeldr fridt u. ſ. w. 3, 88:
Konungr svarar: nü mun ek lengja nafn Pitt, ok kulla pik porleif iar-
laskald ... vil ek gefa ber skip 1 nafnfesti med mönnum ok reida x. f. w.
3, 188: Konungr melti B&: mun ek nä auka nafn Pitt, ok kalla Pik
Dorstein uxaföt, ok här er einn hringr, at ek vil gefa ber at nafnfesti.
3, 203: Konungr svarar: nü skal auka nafn Pitt, ok kalla Dik Porstein
skelk hedan af, ok er hör sverd, at ek vil gefa per at nafnfesti.
1%. Grimm, über eine Urkunde des 12ten Jahrh., Berim 1852, ©. 20,
2 Urkunde des Pfalzgrafen Rudolf II von 1228, auf Burg Herrenberg:
cum Rodegerus de Rosenowe predium in feodo tenuisset de manu nobilis
viri Algoti Sunnunchalbi in villa Nuzdorf super lacum pothamicum sita
. etidem Algotus idem prasdium de manu nostra titulo feodali tenuisset u. f. w.
(Schmid, Url. 8. 14). Eine anſehuliche Urkundenreihe von 1206 bis 1259 gibt
343
„diu [1, 311] Letanie“, Litanei !, „din Nixe“?. Neben fo abenteur:
lichen Kennzeichnungen kann es nicht wundern, auch einer auf bie deutſche
biefen Adelsnamen Sunnundalb, Sunnuntalp u. f. w. theil® unmittelbar hinter
deu Zanfnamen, theils mit vorgefetem cognomento oder dietus (Bader, Marl«
graf Hermann V von Baden 77, wol. 83 bis 86. Mone, Zeitſchrift 2, 75. 85.
83. 99. 3, 69. 470. 472 f. 4, 246. Monumenta Zollerana 178). Zur -
Deutung des Worts Myth. 688: „coccinella septempunctata u. ſ. w. gottes-
talb, Herrgottstalb u. |. w. Marienkälblein“; E. Meier, Kinderreime aus Schwaben
Nr 72: „Sonnewögele‘, Nı. 74: „Frauekühle“ KTobler 205 a); Notter Pf. 104:
junchener (Hattemer, Denkmäler 2, 880 5, Graff 4,878. 6, 240 f.). |
1 Bfalzgräflihe Urkunde “on 1287: Marquardo, dicto Letania (Schmid,
u. 3. 58); 1296, Abſchrift: din Latenij von Nippenburch (ebd. 202); 1297:
Fridericus de Nippenbure, dietus Letanıe (ebd. 108, vgl. ebd. 84.108). Für
litania ſchrieb man im Mittelalter aud) letania, altfranz. letanie, deutſch: der
pfalıne was Davies letanie (Schiller, glossarium 536; vgl. Maßmann, deutſche
Gedichte des 12ten Jahrh. 63).
2 Bfalzgräfliche Urkunden von 1285 und 1286: Agilwart, dicius diu Nixe,
mil, (Mone, Zeitſchrift 8, 448. 445. 448); non 1286: Aigelwardo, milite, dieto
Nize (Schmid, U. 8. 60); Urk. von 1328 mit Giegel, 1336 und 1337: berre
Johannes, [gemant] din Nire [ritter], von Schafehufen (Schmid, U. 8. 159 f.
155. Staatsardiv); 1838: Hans Nire (Staatsarchiv); 1346: her Johans din
Nire, ein ritter (Mone, Beitfehrift 6, 344); doch auch ſchon in einer Urkunde
von 1327: hern Johannes des Nigen, ich Sohanıes der Nire, im Siegel Joha.
dieti. Nix (ebd. 6, 191 f.), ſodann 1843: herre Johanns der Mire (Monu-
menta Zollerana 297, vgl. 296); noch mehr zum Geſchlechtsnamen verhärtet
1410: Renhart Rir, genannt Entberg (Monumenta Zollerana 526 f.), 1459 ff:
Rig von Hohened, genannt Enzenberg, Bifchof von Speier (Mone, Zeitſchrift 3,
444), 1461: der vefte Wilhelm Nix von Hohened, genannt Nutzberger (Befolo, doc.
red. 590), um 1512 fogar Frau Margreth Nirin, Abtiffin des Kloſters
Franenald (Mone, Zeitichrift 3, 489). Die Siegel an den Urkunden von 1327
und 1328 ergeben nichts für den Sinn bes Zunamens. Un eine feenhafte
Undine ift bier laum zu benlen. Abd. @loffen flellen nihhus zu crocodilus,
eine aud) zu fem. corcodrille (Graff 2, 1018 f., vgl. Gr. 2, 274. 1000. Myth.
456); dem ahd. Phyſiologus iſt daz nifhus, wieder das Krofobil, ein Bild des
Todes und der Hölle und es fließt ſich taran der Abſchnitt „von dem tieren,
tie da heizzent Sirenen, totfurgiu tier fint” (Karajan, deutſche Sprachbentmäler
des 12ten Jahrh. SO f.; vgl. Hoffmann, Fundgruben 1, 25. Dintifla 3, 25 f.
MS. 2, 252 a: wie fleze iſt Sirenen bön und ark bes cocatrillen zom, | oud
drachen vinrin kel u. |. w.), und wenn Konrad von Würzburg „der vertänen
wazzernixen“ mit der frommen Bitte gedenkt, „daz uns ir geböue iht ſchade“
(MES.2, 8116), fo treten diefe eben Hieburch als die Sirenen bezeichnete Weſen
auch ihm in eine Meihe firmbilblih auf die Gebeimniffe des Chriſtenthums
344
Helvdenfage bezüglichen zu begegnen. In biefelbe Zeit, zu welcher exfs
mals ein Märehelt urkundlich auftaucht, fällt die Jugend bes berühmten
Grafen Albreht von Hobenberg und Haigerlob, unter welchem bie
Reuſtadt Rotenburg erftand und der auch ſchon 1268 über Güter im
nahen Wurmlingen lehnsherrlich verfügte; von diefem in Sarg und
Schrift der Zeitgenofien bochgepriefenen Kriegshelden! wurbe gejagt,
er fei einer der zwölf Kämpen, was mit gutem [1, 312] Schein auf vie
zwölf fiegreihen Einzellämpfe Dietrichss von Bern und feiner Reden
im Rofengarten zu Worms bezogen wird 2. Verglich man einen tapfer
bezogener Thiere mit fabelhaften Eigenſchaften. Symboliſche Nifhusbilder ſtanden
aber am alten Bau von Schwärzieh, wie heute noch (©. 886), fo ſchon zu
der Zeit längft vor Jedermanns Augen, ala am Hofe zu Tübingen Herr Agil-
wart bin Nire Zeugſchaft ausfellte. oder im nahgelegenen Reuften Herr Johannes
din Nire an des Reiches Straße mit bem Grafen zu Gerichte ſaß. Die ſcherz⸗
bafte Bergleihung mit der Nifhes wird weniger befremden, wenn man bei
Walther Tieft, weiche Beichnung der „wunderliche“ Herr Gerhart Abe fi am
Thüringer Hofe gefallen laſſen mufte: im gent din ougen umbe als einem
affen, | er ift ala ein guggaldei geichaffen u. |. m. (Walther v. d. Vogelw. 82,
17 fi. vgl. 104, 7 ff.)
. 1 Aldertus Argent., Urfiifius 2, 106: Albertus vero priedictus multa bona
fecit tempore suo et Jaudabilia. Fuit bellicosus, animosus et probus et
cantatum fait a quodam magistro, qui dicebatur Kumier [?], quod idem
Albertus esset snstentacalum Romani imperii [et] totius Suevie. Ottadı
Cap. 71: ez wirt in Swaben lant | nimermer geporn, | da fo vil an werd ver
lorn, | als an im, der bo iſt tot. Konrad von Ammenhauſen (Kurz und Weißen
bad), Beträge, 52): von Hochenberg graf Albrecht, | der was an afle jchanbe
ſlecht | und zuo der welt gar ein heit. Über ihn v. d. Hagen, Minnel. 4, 8 fi.
Fr. Bfeiffer, Heingelein von Konſtanz VII fi.
2 Albertus Argent. 1 c.: De animoso et probo comite Alberto de Haiger-
loch et Hobenberg, qui dicebatur esse unus de XU pugilibus. 8. d. Hagen
a. a. O. 85 Im Rofengartenliebe wird vielfach der Zwölfe gedacht, 447
(8. Grimms Ausg): Noch häten fie niht alle die zwelfe üzerlorn; weiterhin
fagt Hildebrand 527 ff.: der beide Han wir elfe, die int der märe frö, | wolbefn
den zwelften daͤ beſtaͤn, vil lieber bruoder Ilſd u. |. w. | wär eg, daz uns ge
Iunge, ber näd über täfent jär | man von ums feit umt junge; daz fagen id
dir viir wär; and in Überfhriften, S. 58: Hie kempet den eilften [famp]) her
Dietrih und Sifrit von Niderlant. S. 6b: Hie fehtet Hiltebrant und küneg
Gibeche den zweiften kamp. Bgl. Ottad. Gap. 161 (Heldenf. 170): dech wigget
ficherliche, dag von Bern her Dieteriche | follich ellen nie wart jchin | gegen
Sifrit, dem hürnin, | ın dem rofengarten.
345
Fechtenden überhaupt gerne mit Dietrich von Bern, fo lag, wenn er
ſelbſt Dietridy hieß, der Gebanle an ben Berner doppelt nahe, wie dieß
der nieberrheinifche Dichter bewährt, welcher den fchwertichwingenven
Dietrich von Kirnsbetg in der Schlacht bei Göllheim dem andern
Dietrich gleichflellt, der von Berne genannt war !. Der Nitter von
Wurmlingen, der zuerfi als Dietrich der märe Held begrüßt und hie⸗
durch bon den andern Dietrichen bes dortigen Dienftabels ausgezeichnet
wurde, muß gleichfalls ein ftattlicher, ſtreitbarer Mann geivefen fein.
Ausgeiprochene Dietrihe von Bern find nun aud von 1120 bis
1373 in Urkunden aus Weftfalen und von der Mofel, aus Augsburg,
Dberbaiern und vom Oberrhein nachgewieſen?; ob zwar in jebem dieſer
1 Godefr. Hagen, Reimdronil der Stadt Cöln 4754: als Dederich van
Berne fi ſtreden, ebb. 5003 f.: Ähnliches bei Andern. Maßmann, Bruchſtücke
vom Riederrhein in ber Zeitfchrift für deutiches Alterihum 8, 24: van Kirens⸗
burg Deiderih, | deme andren Deiderich gefich, | die van Berne was ge
nant; | fin fwert dat geinc an finer hant, | dat got felve vrachde mere, | we der
ritter were; | die engele muſten lachen, | da hei is ſus kunde machen.
3 Die Belege find der Beitfolge nach diefe: 1) 1120, Urkunde aus Corvei
coram subscriptis testibus ... Thiedrico. Bern. Thietmaro. ministerialibus
... Thiedrico un. |. w. (Halle, tradit. Corb. ©. 214. Mone, Unterfuchungen 66.
J. Grimm, über eine Urkunde des 12ten Jahrh., ©. 19 f.); ich leſe Thiedrico
Bernensi und ändre Thietmaro nicht in Thietmari sc. filio, was den Beinamen
zu jehr dehnen würde, ‚die Heldennamen Dietrichs und ſeines Vaters Dietinar
binden fich in dem weſtfäliſchen Geſchlechte nicht mehr an dieſe genealogiſche Ord⸗
mung (vgl. ©. 837, Anm. 2: Dietrieus et Diemo, fratres), weiterhin zeugt noch
ein einfacher Thiedricus, von dem ſich der vorhergehende eben durch den Zu⸗
namen unterfcheidet (ogl. &. 887, Anın. 8: Dietericus, dietus Merrhelt ... Dietrici,
fratris mei). 2) 1162 ooram multis Augustensium civibus ... Cives ...
Dieterich vone Berne u. ſ. w. (Monumenta boica 83, 1, 42. Haupt, Zeitſchrift 4,
579). 8) 1175 Dietricas Veronenesis, Zeuge für das Kiofter Bollingen (Öfele,
rerum boicarum scriptores 3, 8306. Mone, Unzeiger 8, 434). 4) und
5) 1265 Urkunde von Kochem an. der Mofel, ald Zeugen Th. de Elenze. Th-
[Theodericus] de Berne, milites, dann in einer folden von 1297 als Aus«-
feller ego Sewardus, armiger, filius quondam Theoderieci, militis in Kocheme,
dietus de Berne (@finther, cod. dipl. rhenomosell. 2, 344. 519. Lerſch
a. a. D. 83, vorher ausführlich über Bonn-Berona J. Grimm a. a. D. 20);
auch Hier iſt nicht geboten, dicti zu feßen, der erblidh gewordene Zuname mufte
auch andre Bornamen bulden und wenn der verftorbene Bater in ber Kochemer
Urfaunde von 1265 als Dietrich von Berne, Ritter (neben dem vielleicht ver-
wanbten Dietrich von Elenze), bezeichnet war, fo konnte 1297 fein Erbe füglich
346
Fälle dem [1, 313] Bornamen Dietrich der Zuname von Bern, wie dort
„des märe belt“, aus ber Dietrichsſage felbft angewachſen, ob nicht ein
Bürger zu Augsburg oder ein Geſchlecht am bairifchen Gebirge nad
feiner Herkunft aus der Marl Verona, eines zu Kochem nad ber fei-
nigen aus Bonn⸗Verona, benannt worden fei, bleibt ungewis, aber
das ergeben die manigfachen Borlommnifle, dab der Mannöname
Dietrih und der Drtöname Bern fortwährend einander angezogen
haben, und der Grund biefer gegenleitigen Anziehung kann nur darin
gefunden werben, daß bie Helbenfage dem allgemeinen Bollsbemuft:
jein ftet3 gegenwärtig vorſchwebte 1.
Am oberen Nedar felbft, defien Anwohner die Märhelde waren,
läßt fih, ziemlich aus berfelben Zeit, eine ganze Sippfchaft ſchwäbi⸗
ſcher Dietrihe von Bern aufweiſen. Es find diejenigen, weldhe auf
der Burg zu „Berne“, außerhalb der Etabt Rotweil über dem Nedar
Seward, genannt von Berne, Sohn weiland Dietrichs, Ritters zu Kochen, heißen
(vgl. ©. 337, Anm. 3: ich Dietrich) der Märcbelt von Wurmelingen ... Bene
fälige der Märehelt, min bruoder). 6) 1828 „Dietrich Berner (wie oben Ber-
nensis, Veronensis) zu Gerberäweiler im Elſaß. Schwarz. Buch vom Beuggen
Fol. 237% (Mone, Anzeiger 5, 144). 7) „m Jahr 1878 kommt in emer
Urkunde von Sädingen als Zeuge vor: vnt Dietrich von Bern von NRinfeen
Schwarz. Buch von Beuggen Fol. 128” (Mone, Unterfuchungen 66). Nicht
mitgezählt ift aus dem Anzeiger 4, 414: „Signum Theoderici Bernensis" mit
Berufung auf eine Urkunde von S. Amand bei Balenciennes, unter dem Abt
Abſalon; nad einer durch Liebrechts Vermittlung aus dem Archiv zu Lille a-
baltenen Abſchrift der Nr 86 im 2ten Band des Cartulaire de Saint-Amand
lautet die fragliche Unterfchrift in diefer Urkunde von 1142, worin ber venera-
bilis abbas Absalon genannt if: 8. Theoderici comitis Flandrie; auch im
Berzeichnis des Gartulars ift fein Tb. Bernensis gefunden worden.
1 Die Heldennamen find, wie andre, altes Gemeingut, und tie Annahme
abſichtlichen Bezugs auf die Sage muß je durch nähere Anzeigen unterftügt fein.
Sigifrid, Chriemhilt, Brunhilt, Kundheri, Hagano u. ſ. w. in ©. Galler Ur
kunden einzeln vorlommend, beweifen noch nichts für alemanniſche Aneignung
der Nibelungenfage, dagegen kann es nicht für bloßen Zufall angejehen werden,
wenn berlei Namen, zugleich mit dem fränkiſchen Stamm- und Bollsnamen
Ribelung, in Urkunden, welde Worms, den Wormsgau und defien Rachbar-
gaue betrefien, befonders häufig find und manchmal ihrer mehrere beifamumen
ſtehen; ebenfo erlangen die Dietride von Wurmlingen erfi dur den hinzu⸗
tretenden „Märehelt“, andre erft durch den Beifab „von Berne“ ein Anrecht anf
den Helden der Amelungenfage.
347
gelegen, ihren Sit hatten und in einer Reihe von ihnen außgeftellter
oder auf fie bezüglicher Urkunden aus den Jahren 1289 bis 1861 mit
jenem vollen Namen zu Tage treten 1. [1, 314] Hiebei ergeben fich die
geſchichtlichen Umſtände: daß im Jahre 1289 Dietrich, ein Ritter, und
Ludwig, Gebrüder von Berne, mit ihren Bettern Kuonrat und Gerung,
auch Gebrübern von Berne, über die um ihre Burg zu Berne gelegenen
Güter, darunter das Bernerfeld ob der Burg, ſich gütlich vertragen 2,
dag im gleichen Jahre biefelben Gebrüber von Bern, Dietrich und
Ludwig, den Markgrafen Heinrich von Hachberg mit „vnſer herre“ und
dadurch fich als feine Lehens⸗ oder Dienftleute bezeichnen ?, daß 1330
Dietrih von Berne ald Bürger zu Notweil vor dem dortigen Gerichte
verhandelt, was 1336 und noch 1361 miberlehrt 4, daß 1334 „ber
erbar Ineht Dietrich von Berne, unfer lieber biener,” feine Burg Bern
mit Zugehörbe von dem Grafen Gotfrid von Fürftenberg zu Lehen hat,
daß 1355 die Grafen Heinrih und Hugo von Fürftenberg ihrem lieben
getreuen Diener Dietrichen von Bern um ber getreuen Dienfte millen,
bie er ihnen und ihren Vordern gethban, feine Burg Bern, die er und
feine Vordern von ihnen und den ihrigen biöher zu rechtem Lehen ge:
habt, zu eigen geben, daß, wie ſchon 1289 der Stamm veräftet er-
ſcheint, aus ber einen Burg zu Berne brei abgetheilte Burgfitie geworben
1 Die über diefes Gefchlecht zu meiner Kenntnis gelommenen Urkunden mit
dem Namen Dietrich von Berne flellen fi den Jahren nah fo (bei mehreren
vom gleichen Jahr ift ihre Zahl angemerkt): 1289 (2), 1380, 1884, 1886,
1854, 1355, 1356, 1357 (2), 1361. Sie befinden ſich im Staatsardive zu
Etuttsart, mir Ausnahme einer von 1289, die ich befonders angeben werde.
Ohne Jahrzahl zum 28 Aug. „D. Dietrih von Bern“ im Anniverfarienbudh des
Kloſters Maria⸗Hof hei Neidingen, berausg. von Fickler 2, 11 (vgl. ebd. 1,
34 f. 45. 2, 14, U. 2).
2 Urkunde vom 15 Juni („in brachade“) 1289 mit dem Siegel der Stadt
Notweil n. a. im Staatsardiv.
3 Bader in Mones Beitfährift 2, 380 f., vgl. Gerbert, histor. silve
nigre 2, 18.
4 Diefe drei Urkunden im Staatsardyiv, die von 1361 aud nad Band 5
der fogen. Armbruſterbücher zu Rotweil „offer dem Alperspocher Rotten Biechlin
gezogen“. Fol. 168, mir vom Herm Rector Rudgaber abfchriftlich mitgetheilt,
vgl. deffen Geſchichte von Rotweil, Band 1, Vorr. X.
5 Die Urkunde von 1334 „ze Ürfelingen“, die von 1355 „ze Haßlach“ aus»
geftellt, beide im Staatsarchiv.
348
find, die in drei beſondern Berläufen, von 1357 und 1365, aus dem
Befi der Ebelleute ablommen, zivei an bad Klofter Alpirsbach, der
dritte an einen Bürger von Rotweil und von diefem 1377 an bie
Stabt!, daB endblih 1417 die geiftlihen Herren von Alpirsbach
[1, 315] urkundlich verfprehen, die von Rotweil auf keine Weiſe darum
zu bebelligen, meil biefe vor Jahren die Veften zu Berne gebrochen
baben *. Trümmer biefer Burgfige jollen noch in neuerer Zeit ſicht⸗
bar geweſen fein ?, der Name bes ritterlihen Geſchlechts aber begegnet
1 Urkunde im Staatsarchiv, gegeben „aht tag nad) jant Benedicken tag 1357",
wonach vor dem Hofrichter, ber auf dem Taiferlichen Hofe zu Notweil zu Ge
richte jaß, „ber frome erber man Dyetrih von Berne“ und deffen Töchter Anna
und Hailwig, diefe mit Bewilligung ihrer Vögte, ben Halbtheil der Burg Berne
mit aller Zugehör zwiſchen dem vordern und dem Hintern Graben und mit dem
Bühel ob der Burg an Alpirsbach um 180 Pfund Heller verkauften; ebenbort
Urkunde vom gleihen Jahr 1357, „aht tag nad fant Joh.⸗tag ze Süngihten“,
über die Verhandlung vor Schultheiß und Gericht zu Rotweil, mittelft welcher
Hug von Tannegge, Bürger daſelbſt, und Abelbait von Berne, feine ehliche
‚Hausfrau (ebenfalls eine Tochter Dietriche), mit Willen ihres Vogts, auch ihren
Halbtheil der WBurg zu Berne mit ZIngehör „inrenthalp den graben, als ber
grabe get, vncz an ben Neler“ u. |. w. benfelben geiftichen Herrn zu Alpirt-
bad, ſelbſt ſchon Bürgern zu Rotweil, um 250 Pfund Heller zu Laufen gaben.
(Abfehriftlich ſtehen dieſe zwei Urkunden auch im Lagerbuch der KL. alpirsbach⸗
ſchen Pflege Rotweil, Staatsarchiv, unter: „Bern das Burgftall*.) Einer noch
übrigen „hinderen Burg ze Berne” entäußerten fi erfi 1365 Hermann und
Beter von Bern, Peters Söhne, an Berchtold Boller, Bürger von Rotweil,
dem fie 1377 die Stadt wieder ablaufte (v. Lagen, Beiträge zur Geſchichte
der Stadt Rotweil, daf. 1821, ©. 348 f.; über letztere Verkäufe liegen, nad
Rudgabers briefliher Bemerlung, eine Schufburkunde Bollers gegen Notweil
von 1865 und der Kaufbrief von 1877 im ſtädtiſchen Archiv).
2 Bergleichsurkunde zwifchen der Stadt Rottweil und dem Klofler Alpirs-
bach von 1417, abſchriftlich im vorgebachten Lagerbuch BL. 8: „Es if and mit
namen beredt vnnd gedinget von deswegen, alls wir eegenannten von Rottweyl
die vefinan [acc. pl. vgl. Schmeller, Mundarten 8.858. Ebd. Wörterb. 1,
576] au Berne vor ettwienil zeiten vnnd jaren gebrochen haben, das ba die
vorgenannten herrn zue Alperspach noch ice nachlhomenden vnms noch vnnßere
nacfhomenden von desſelben brechens wegen nun hinnenthin aud nit zu⸗
ſprechen, noch vnß khains wegs barumb nit befhlimbern noch beirendhen follendt
noch wellenbt* u. ſ. w. (vgl. Langen 849).
8 Langen 847. Das „Bernerfelb” in ber Urkunde von 1289, auch in einer
von 1458, als no gebräuchliche Benennung bei Audgaber 1, 88.
u
349
in der vordern Hälfte bes 15ten Jahrh. anderwärts unter den Vafallen
von Wirtemberg 1.
Wieviel es Dietriche waren, unter welche bie mit ihrem Namen
außgeftatteten, einen Zeitraum von 72 Jahren umfafienden Urkunden
fih vertheilen, ift nicht genauer zu entnehmen, doch muß ber 1289
bereit3 als Ritter urkundende ein anbrer fein, als „ver erbar kneht“
in bes Hanbfefte von 1334, der auch bier, wie in derjenigen bon 1355,
als fürftenbergifcher Diener bezeichnet ift; von beiben wird ber Bürger
in Rottweil zu unterjcheiden fein, der 1330 einen Gültenverlauf be:
tätigen läßt und einerlei fein Tann mit demjenigen, ber in gleicher
Eigenfchaft und vor demfelben Gerichte, laut Urkunde von 1357, in
Gemeinfchaft zweier Töchter, den Halbtheil der Burg zu Berne an
Alpirsbach verlauft und 1361 noch befonders „durch finer fele baile
und aller finer vorbern felan hailes willen“ dem genannten Kloſter
Ader und Halden, „alles daz, daz er ze Berne hatte“, vergabt, was
auf einen Mann von weitvorgerüdten Alter fchließen läßt ?.
In diefem Gefchlechte beruht der Beiname „von Bern“ auf einem
wirklichen Befigthum, einem örtlich ermittelten Stammgut. Damit
ftehen aber die Burgen am Nedar noch nicht außer dem Bereich ber
Sage. Die eine der beiden älteften Urkunden, von 1289, gibt bem
Drüderpanre Dieirich und Ludwig von Berne den Markgrafen Heinrid)
bon Hachberg zum Herrn, wohl zum Lehnsherrn, gleich den fpäter ein:
tretenden Grafen von Fürftenberg, und das angehängte Siegel Lud⸗
wigs von Berne zeigt den hachbergifchen Schrägballen mit etwas Ber:
zierung ®; da überdem ſchon um 1203 im [1, 316] Nobel von St. Beter,
eines Hausftiftung und Begräbnisftätte der Zäringer, ald Zeuge in
1 Als folder Wilhelm von Berne 1420, 1482 und 1485.
2 Im Eingang der lirfunde von 1830, 1386 und 1361 thun der Schult-
heiß, der Burgermeifter und bie Richter zu Rotweil fund, „das vor Uns ftuont
offenlich ze Rotwil vor gericht Dietrich von Berne, Unſer burger“ oder „der erber
man Dpetrih von Bern, linfer burger“ u. |. w. Das tft zwar herlömmliche
Formel, aber in die noch fagenlundige Berfammlung fpielte doch wohl auch
das Gedächtnis des Helden herein, von dem es im Liede heißt (Alphart 72,
vgl. 69): „da ging der vogt von Verne vor fin veden in den ſal“ u. f. w.
5 Auch das an Urkunden von 1380, 1886, 1864, 1856, 1357 und 1361
erhaltene Siegel des Notweiler Bürgers Dietrich von Bern hat dieſen Echräg-
ballen mit drei fogenannten Eifenhütchen.
350
Gegenwart des Herzogs Berthold und feines Sohnes Rudolf, ein
Burchardus de Berno vorkommt 1, fo iſt wahrſcheinlich gefunben
worden, „daß obige Gebrüber einem alten zäringiſch-hachbergiſchen
Dienſtmannsgeſchlechte angehörten, befieg Name mit ber Stadt Bern
und der Mark Berona zufammen hängen bürfte” 2. Gerade diejenige,
jüngere Linie des Haufes Zäringen, welche ven Titel Marlgrafen von
Verona führte, nahm auch als befondres Wappen ven rechten Schräg
balten an und ber in jener Urkunde von 1289 genannte Markgraf
Heinrih war Gründer der auf die Herrichaft Huchberg weiter abge
theilten zaͤringiſchen Nebenlinie der Markgrafen von Hachberg?. Daß
im Namen ber durch Berthold V von Zäringen 1191 gegründeten
Stadt Bern eine Erinnerung an die Marlgrafichaft Verona (bei den
Deutſchen Bern, Dietrichöbern) gelegen fei, die fein Ahn Berthold I
von 1061 bi8 1073 inne hatte, ift um fo glaublicher, als basfelte An-
denfen auch in dem beiagten Titel lange noch erhalten blieb *. Die
berniſche Ortsfage, wie fie vorn im 18ten Jahrh. aufgezeichnet ift, Täßt
zwar den Herzog Berthold feiner neuen Stadt Namen und Wappen
nad dem erften Thiere geben, dad man im bortigen Eichwalb fieng,
einem ſchwarzen Bären, es wird aber noch weiter gemelbet, daß beim
Holafällen gerufen und daraus ein gemein Sprichwort geworben fei:
„Holz, laß dich houmen gern, | wann bie ftabt fol heißen Bern!“ >,
was doch nur dann verftänblid ift, wenn an diefem Namen fchon ein
1 Leichtlen, die Zähringer, Freiburg 1881, ©. 64 f.: Rotul. San-Petrin.
1%03, 88 9. 10.
2 Bader in Mones Beitfchrift 2, 830 f.; da übrigens im Rotul. San-Petr.
$ 9 der Zeuge Yurfard von Bern ben liberis hominibus zugezählt wird, fo
iſt Schon hier eher Lehenz- als Dienſtmannſchaft anzunehmen.
3 Stälin 1, 561. 2, 302. 806 f.
4 Stälin 2, 296. W. Wadernagel, bie deutſche Heldenfage im Lande der
Zähringer und in Bafel, Zeitſchrift fiir dentſches Altertum 6, 157. Ebd.
Geſchichte der deutſchen Litteratur &. 110, 61). Baber a. a. D. Bei Meier
Boppe vor 1280, MS. 2, 383 a: „von Baden und oud von Berne den alten
and den jungen” (vgl. Stälin 2, 213, W. Wadernagel, Zeitſchrift für deutſches
Alterthum 8, 847 f.).
5 Gonr. Juſtingers Berner-Ehronif, herausg. von Gtierlin ımd Wyß.
Bern 1819, ©. 10f. Bgl. Stumpff 2, 248. Tſchudi 1, 94 f. Berthold IV,
Vater des Erbauers von Bern, hatte zuvor fchon im Üchtland eine zweite Stadt
Freiburg gegründet (Stälin 2, 296).
351
befondrer Glanz haftete, ein folcher, wie ihn die Markgrafenwürde
und mehr noch die gemeinktundige Helbenfage verleihen Tonntee Mah—⸗
nungen an bie Dietrichöfage, die den Zäringern in ihrer heimiſchen
Umgebung tor Augen flanden, find nachgewieſen aus den Nachrichten
von einer alten Malerei an ber jettt abgebrochenen Schloßlapelle zu
Burgdorf, beſonders aber in den Steinbilbern eines Säulenkapitells
vom Anfang des 12ten Jahrh. im Münfterhore zu Vaſel, beiden Orts
Darftellungen eines Ritterd, der einen andern aus dem Schlund eines
[1, 317] Drachen erldft und in Burgdorf als der auch in die nordiſche
Thiohrilsfaga eingetretene Held Sintram genannt war, in Bajel aber
durch den Schild mit dem Löwenbilde ſich als Dietrich ſelbſt kenntlich
madst 1. Geſchah es nun nach dem lehnherrlichen Beifpiel, daß ein
zäringiicher Vaſall feinen Sis am Redar die Burg zu Berne nennen
ließ, fo ift bier durch den nachhaltig mitbeſtehenden Namen Dietrich
die beivufte Anlehnung an die Heldenſage deutlich ausgeſprochen.
Übrigens fallen dieſe Erſcheinungen, welches auch ihr Zufammenhang
im Einzelnen fein mag, gemeinfaın einer größeren Bewegung anheim,
die feit geraumer Zeit in die oberbeutichen Gefchlechter hoben und niedern
Adels gekommen war. Um die Reichsgewalt in Italien zu behaupten,
muften bort Träftige und zuverläfiige Statthalter deutichen Gebläts
aufgeftellt werden. So war bie Bertvaltung der Mark Verona 1061
an den Zäringer Berthold I, damals auch Herzog in Kärnten, fiber:
tragen worden. Aus ber Drienau finmmte Konrad von Lüttzelhard,
den Kaifer Friedrich I zum Markgrafen von Ankona und Fürften von
Ravenna berief ?. Unter demſelben Kaifer ift, urkundlich feit 1183,
18. Wadernagei im angeführten Aufſatz, Zeitſchrift für deutiches Alter⸗
tum 6, 158 fi.
2 Chron. Ursperg. ed. 1609, ©. 225: Milites quoque teutonicos [Frid. 1]
in dignitetibus Italisee constituit, nam quendam Bidelulphum ducem Spo-
leti effecit. Marchiam quoque Ancone et principataum Ravenne Cunrado
de Luzelinhart contulit, quem Italici muscam in cerebro nominabant.
(Lüßelhard, zerfallene Burg bei Selba an der Schutter, gegenfiber von Hohen-
gerofbsed, Stälin 2, 109. 586 f.) Zu diefem neuen Vespasianus musca in
eerebro, muscancervello, vgl. Schmeller 2, 549, dann Lied bes Heſellohers
(Volkslieder Nr 249, Str. 2): „im hirn da het er grillen“, etwa auch Jahrzeiten⸗
buch von Wurmlingen in der Baar BI. 16: Berchtoldus, dietus spinnenhirn,
U. 20: dominus Syfridus spinnenhirn.
352
Konrad von Ürslingen Herzog von Spoleto, dann unter: Heinrich VI
auch Reichöverivejer in Sicilien, nad Heinrichs Tobe kehrt er in bie
deutſche Heimat zurüd, fpäterhin aber befinden fich feine Söhne Reinold
und Berthold, Herzoge von Spoleto, erfterer noch 1242 Statthalter
von Tuscien, gleich dem Vater, überall in Stalien, im Lager und in
der Verwaltung, den Hobenftaufen zur Seite; beim Sinken bieles
KRaiferhaufes aus Italien getrieben, Inüpften bie Urslinger ven Herzogs⸗
titel an ihre Heine Herrfchaft in Schwaben und an den Namen ihrer
Stammburg Ürslingen, deren Mauerrefte noch (beim Dorfe Irslingen,
Bezirks Rotweil) zu fehen find, und mit welcher fie zu den nächften
Nachbarn der Dietrihe von Bern gehörten !. Es begreift fih, daß
dieje ſchwäbiſche Statthalter in Welfchland ihre ſchwierige Stellung nicht
obne [1, 318] ein Gefolg heimatlicher Lehens⸗ und Dienftmänner, ver:
wandter oder nachbarlich vertrauter Landsleute, einnahmen, und fo
entipann fih ein Verkehr des Schwarzwalds mit dem Schauplak ber
Dietrichsfage in und bei den Städten und Burgen zu Bern (Verona),
Garten (Garda), Naben (Ravenna) u. f. f., wie dann auch in ben
Heldengedichten die Reden Dietrich und des römiſchen Kaiſers Ermen⸗
rich als Herzoge, Markgrafen, Grafen, mit den meiften ber bebeuten-
dern Städte und Landichaften Staliens, vornehmlich des obern, belehnt
find und in den blutigen Schlachten vor Bolonie (Bologna) und Raben
Fridung und Sigber von Zäringen, auf Ermenrichs Seite, mitlämpfen ?.
Solche Bermittlungen babnen den Weg vom berühmten Dietrichshauſe
1 Über die Herren von Ürslingen, Herzoge von Spoleto, Stälin 2, 586 fi.
und die dort angeführten Schriften. Desfelben Schlags, wie die Titelfürften
von Verona und Spoleto in Schwaben, gab es, feit Anfang des 15ten Jahrh.,
bairiſche Edelleute „von der Leiter, Herren von Bern und Bincenz“, vertriebene
Ablömmlinge des Hauſes bella Scala, das feit 1262 über Verona, nachmals
auch über Vicenza, Padua und andre oberitalifche Städte geberricht hatte umd
beffen Urfprung wieber in einem deutſchen Geſchlechte, dem gräflichen von Burg-
Baufen und Schallach, gefunden wird; der letzte jener Nachkommen in Baier,
um 1600, hieß Hanns Dietrid von Bern (v. Gumppenberg im oberbairifchen
Archiv 7,3 ff.).
3 Dietrichs Flucht 8611: Fridunc von Zeringen. Rab. 716: Sigher hiez
der hoͤchgemuot, er was von Zeringen. Dietrichs Flucht 2882 ff.: do reit er
[Ermrich] u. |. w. | zu Spolet in das herzogtum, | do tet er ſchaden ſtarke,
zu Anton uf der marke | do wuſt er Iute und Iant. 7818.
353
zu Bern an der Etſch nach den verfchollenen Burgftätten der Dietriche
von Redarbern !.
Ergänzend kommt hiezu die hachbergiſche Hausfage nach einer hand⸗
ſchriftlichen Chronik, die um 1500 verfaßt ift:
„tem des marggraven von Nidern Baden land ift ain guts klains
land mit wein und korn und andern notturften, als vifch, vogel,
wilbpret u. |. w. und bie ſag ift, die marggraven von Hachberg feien aus
Lamparden mit Karolo Magno, Röm. kaiſer und fünig zu Frankreich,
in teutfche land komen und feien des geſlechts herrn Dietrich von
Bern, der ba geweſen ift ain künig in Stalia, und der exit marggraff
bat gehaißen Hacho, ain ſtarker fraidicher herr; der hat das gſlos Hach⸗
berg, im Preiskei gelegen, erftlich erpatwt und das noch im Hachberg
genant, und in dem benannten gſlos fol ain prum ften, dor eın gehawt
dife gefchrift: Hacho haiß ich, | diffen prunen macht ih; | und er ift
ain wilder und varchtſamer herr geweſen und von im ift auf heutige
tag ain fprichwort gemadt, wann ainer rummorifch ift, fo Spricht man:
du biſt ain wilder Hach ?. Und das geflecht fol gewert haben biß auf
die regirung kaiſer Friebrich des erften, der von gepuerbt ain hertzog
von Swaben geweſen iſt. In des regirung find bie herrn von Hach⸗
berg abgeftorben und Faifer Fridreich obgenannt hat ainen aus den
fünen des marggraven von [1, 319] Diethrichsbern mit im als ainen
geifel ober pargen in teutiche land geflert und ben in die herichaft
Hachberg gelegt und in ain[en] bern zu Hachberg gemacht und im
namen und wappen ber vardern marggraven verlihen. Der felb tft
über ettliche jar in leiberben vergangen, da haben der adel und inn»
woner der marggrafichaft Hachberg nach dem eltern nefen ober vettern
1 Selbſt die Wurmlinger Märhelde wurden auf Stalıen zurüdgeführt.
Cruſins 3, 830 nerzeichnet das Adelsgefchlecht der Walde, die mit ben Herrn
von Bollern (vgl. Mone, Zeitfchrift 4, 118) aus Welſchland, wohin ihr Name
weiſt (Schmeller 4, 69), gelommen feien, umd fügt dann bei: Venerat etiam
alters familia cum Walchis quondam ex Italia, Morhildorum nomine,
que non amplius est; eine Andentung weiter, baß mit letzterem Namen an
Dietrich von Bern gedacht war.
2 Fiſcharts Bralt. 1623, 6 6b: Wildhachen Binder dem Ofen. Gargantua
Gay. 30: ein junger Hach, ein Waghertz. Lied bei Baul von over Aelft 1602,
&. 712 und 96: ein junger hach (der Reim verlangt hacht, meine Bollslieder
S. 113, vgl. Schmeller 2, 143. 148: Hacht, Habicht).
Rpland, Schriften. VII. 23
354
des geftorben niarggraven gen Diethrichäbern ‚gefanbt, das ber felb als
der negft naturlich erb bie herſchaft befiken fol, und prachten den mit
innen und feßten ben in bie marggraffchaft und ſchworen im ala im
naturlichen herrn. Aus den felben marggraven find die marggraben
von Baden enifproßen und Tomen“ 1.
Die Lehenherren ftammen von Dietrich und aus Dietrichsbern, die
Bafallen nennen ſich und ihre Burg nach beiben.
Bleiben Schritts mit dem Fortleben der Dietrichsfage in perjön-
lihen und Ortsnamen gieng die andauernde Pflege berfelben in ritter
liher Dichtung und im Volksgeſang. Mitten unter den böfifchen
Meiſtern der Abenteure, welche Rudolf von Ems in feinem Alexander
(zwifchen 1230 und 1241) und dann wieder im Wilhelm von Orleans
(vor 1241) aufzählt 2, werben beibemal zwei Dichter genannt, die nad
allen Anzeigen ven Segenftand ihrer Tarftellungen der vollamäßigen
Sugendgeichichte Dietrich von Bern entnommen baben. Diefe Dichter
find Albrecht von „Kemenate“ und Heinrih von „Linouwe“. Den
erftern rühmt zwar Rudolf nur allgemein, ohne Benennung eines
Werks, als einen weiſen Mann, der meifterlich dichten könne und an
den, fintt an ihn ſelbſt, Frau Abenteure fich hätte wenden follen 3,
ed kommt aber bier der Eingang des Brucftüds von Golbemar, einer
1 Ladislans Suntheims aus Ravensburg Chronik der Fürften und Länder
(Hochdeutſchlands), Handſchrift der öffentlichen Bibliothek in Stuttgart, BL 58
Gedruct ift diefe Stelle bei Öfele, rerum bolcarum scriptores 2, 587 b; bie
Kenntnis von derſelben und die abfchriftlihe Mittheilung aus der Stuttgarter
Handſchrift verdanfe ich Pfeiffers thätiger Beihülfe.
2 Die Zeitangaben nah W. Wackernagels Geſchichte der bentfchen Fitteratur
€, 171 und 185.
39 d. Hagen, MS. 4, 867, auf der Münchner Papier-Handichrift des
Alerander: von Kemenate ber Albrecht | der unft getet witer ſchowe (Haupt, Zeit
fchrift 6, 525 befiert: des kunſt gert witer ſchouwe). Wild. v. Orl. in Laßbergs
Pergament⸗Handſchrift S. 18, C. 2: ouch hetti iuch mit wishait | ber Albreht
bas denne ich gefait, | von Keminat der wife man, | der maiſterliche tihten fan |
an den foltin ir fin komen (vgl. Adelung, Radır. 1, 65. Docen, Miscellaneen
2, 154. Diutifla 2, 61. v. d. Hagen a. a. O. W. Wadernagel, altdentſches
Leſebuch 605 a). Das Beiwort „wiſe“ gibt Rudolf mehreren ferner erzählenden
Dichter; mit dem Präj. „lan“ bezeichnet er einen noch Lebenden. (Die von
Sommer, Flore XXAIII, berborgehobene Seile lautet in Laßbergs Pergament-
Handſchrift 13 6: da wis ich do bi den tagenn.f.w. vgl. Gr. 1 2te Ausg., 962.)
355
Zwerg⸗ und Riefenfage aus Dietrich früherer Beit, entgegen, worin
Albrecht von SKemenaten als Dichter diefer Märe namhaft gemacht
toird 1. Über den andern, den von Leinau, gibt Rudolf die nähere
Anslunft, daß [1, 820] derfelbe „Ekkennes manheit“ gebichtet habe, das
ſei „ver walläre” 2, Keines Eden Mannbeit ift nun irgend aus beutichen
Gedichten bekannt, als besjenigen, von welchem „Eggenliet” ben Namen
bat ® und auf den aud die Bezeichnung ala Waller, d. h. Fußwandler,
vollfommen zutrifft, denn, weil den jungen Rieſen kein Roſs trägt,
zieht er, „der küene man“, zu Fuß aus, um ſich mit dem Helden von
Bern zu meflen; vierzehn Nächte lann er geben, ohne dab ihm Hunger
oder Mübde die Kraft benimmt, er rennt über Berg und Thal von
Köln am Nheine nad dem Etfchland, wobei das Lied nicht abläßt, als
eigenthümlich hervorzuheben, daß ein ritterlich getvappneter Mann ohne
Roſs auf der Kampffahrt fich befindet, und es ift ein treffliches Bild,
wie ber rüftige Waller, um Streit flehend, neben dem reitenben Dietrich
einberfchreitet *. Entiprechend der Berufung des Goldemarsliedes auf
I Soldemar Str. 2, nad Schmellers Abfchrift (vgl. Haupt, Zeitſchrift 6,
520): Nu merkent, ir herren, daz ift reht, von Kemmenaten Albrebt, | der titet
viffe [Haupt verbeffert: tihte dige] märe, | wie das der Bernär vil guot | nie ge-
war gen frouwen hohen muot u. |. w. Die Stelle bei Königshoven (Helben-
fage 281): „wie er [Dietr.] mit Eden, dem rifen, ftreit und mit den querchen,“
laun fi) ebenfowohl auf Laurin, als auf Goldemar, beziehen.
2 Alegander (v. d. Hagen a. a. O. 867 5): ber Heinrich von Linomwe | hat ouch
vil fueffe arbeit | an den waller. geleit. Wilhelm von Orleans, Laßbergs Hand⸗
ſchrift 13 6: ouch wäre iumere getihte | komen in beffer fchoume | mir dem non
Zinowme, | der Eflennes manhait | hat getihtet und gefait | das ift der walläre
(ogl. die S. 854, Anm. 3 verzeichneten Drude, auch Zeitfehrift für deutſches
Alterthum 1, 213). Im Bücherſchatze der Erzberzogin Mechthiſd zu Roten⸗
burg a. R. befanden fill no um 1462 (Puterichs Ehrenbrief 99): „Leowen
weller“, d. i. „Leittauen waller“ (v. d. Hagen MS. 4, 886 a).
3 Schluß des Sigenot, Laßberg Str. 44: „fus hebt fi) Eggen fiet“. Über
ben Genitiv bes Eigennamens hei Rudolf hemerkt W. Wadernagel, Geſchichte
der deutlichen Litteratur ©. 185: „Zwar wäre Effens eine mögliche Genitipform
(vgl. Watens Rol. 266, 19. pfaͤns Ulr. v. Liechtenſt. 485, 25. ſmerzens Kol
Cod. 287), aber daß Rudolf ein Edenlied jo Hoch gejchägt hätte, darf bezweifelt
werben.“ Davon nachher. Im Pahrzeitenbudhe von Wurmlingen in der Baar
Bl. 9: „henij bur“, Gen. „henninis buren“,
4 Lapberg Str. 34 bis 36. 44. 69. 72. 74. 192: „er Inf gewaffent ſam
er ng.” Ein Seitenſtück if, in Ulriche von Türheim Fortſetzung von Wolf
356
Albrecht von Kemenaten, wird aud im Gdenliebe, wenn man einer
verborbenen Zeile desſelben die nothwendige Herftellung angebeihen Läßt,
Heinrich von Linouwe ald Gewährsmann des unheilvollen Zuſammen⸗
treffend der beiben Neden ausbrüdlich genannt. Rudolf ftellt durch
rams Willehalm, der riefenhafte Rennewart, der geharnifht und mit feiner un
geheuern Streitſtange (wonach er altfr. Rainoars an tinel heißt, Hist. litt. de
la France 22, 529 ff.) zu Fuß nah dem Klofter St. Julian wandert uub
zwei baherreitende Mönche in großen Schreden fett (Heidelb. Perg. Hdſ. 404,
Bl. 154 a): „do erichrad in fere der fin, | daz in die varwe wart vil bleich
unde in bie macht vil gar entweich, | do fie faben in fo fangen | mit finer grozzen
ftangen | unde er truoc day harnaſch an; | nu ſprach der wallent man“ u. |. w.
die Stange nennt er (ebd. BL. 150a, 155 a) feinen „Romeſtab“ und „wale
ftab”, auch die Stadtgemeinde wird durch feine Ankunft aufgefchredt (BL. 1546):
„fie Hiegen zuo fturme linten“, wie bei Edens Beſuche zu Bern das Volk auf
die Thlirme flieht (Str. 81).
1 Die vielbejprodene Str. 69 lautet nad Laßbergs Handjchrift 137 a:
„Erſt fait von Lune Helferih, | wie zwene fürften Iobelich | im walde zefamen
Tamen[t], | ber Egge und ouch her Dietherich | die riument baide ſament mich,
won fi den jchaden namen, | fo rehte vinfter was der tan, | da fi an ander
funden, j ber Dietherih und der fuene man, | won an ven jelben flunden | hir
Egge der kam zuo gegan, | er lie da haim vil roffe, | das was fer miſſetan.“
Ede hat im Wald einen todwunden Ritter gefunden, der auf Befragen fi
„Helfrich von Yun“ nennt, als den Urheber feiner furdhtbaren Wunden ben
Berner bezeichnet und vor der Begegnung mit demſelben warnt; gleichwohl
läßt Ede nachdem er den Mann verbunsen, fi von ihm den Steig angeben,
den Dietrich weiter ritt, und eilt fofort diefem nad, nun aber hebt Str. 69
an: „Erft [a. uns] ſait von Lune Helferich“ u. |. w., was durchaus feinen Sinn
gibt, da Helfrih, der noch eben, Str. 67, fagte: „des lig ich als ein toter
man, | zerhowen gen dem herzen“ n. |. w., unmöglich folgen kann, auch feiner
fortan gar nicht mehr gedacht wird. Bwar fol im Terte der Dresdner Hand
ihrift damit geholfen werden, daß ein Zwerglein alsbald Heilkräuter herbei-
Schafft (Str. 74 big 77, in v. d. Hagens Heldenbuch 2 Theil, Quartausgabe),
und im alten Drude hinkt, jelbft ohne diefe Hälfe, der Wunde hintennach, hört
Dietrich Geſpräch mit Eden und belaufcht ihren Kampf (Schabes Ausgabe
Str. 62. 90, 3. 6, hiezu Str. 130 His 136), allein an beiden Orten verräth
fih alles auf Helfrihs Nachkunft Bezügliche [don durch Sprade und Reim als
fpäteres Einjchiebfel, während feltjamer Weife der Anlaß dazu, das ſchon in
die Handichriften eingefchlichene „von Lune (Ron) Kelferih“, im a. Drade,
Str. 63, verſchwunden und durch ein dürres „Wir funden bye geſchriben flan”
erſetzt if, Ich Iefe nun, nad Rudolfs Weifung, unbedenklich: „Erft feit von
Linou Heinrih” (.Linon” für „Linoume* gehört zu den vielen Kürzungen in der
357
borgefeßtes „ber“ die [1, 321] zwei Dichter, Albrecht und Heinrich, zum
Ritterftand. Die von Linoume waren ein allgäuisches Adelsgeſchlecht,
das zu Leinau bei Kaufbeuren feinen Sit hatte und in dem ber Name
Heinrich ſchon aus ber zweiten Hälfte des 12ten Jahrh. aufweisbar
fi, Kemenat, Kemenaten, ein in vielen Gegenben [1, 322] vorlom»
Sprache diefes Tiebes, wie faum zuvor „von Lin“); erſt jetzt kommt die Haupt⸗
fadhe, die rechte Mannheit Edens, fein töbliher Zuſammenſtoß mit Dietrich,
und dafür wird Heinrich von Leinau als Gewährsmann namhaft gemacht, ber
Schreiber jedoch wiederholt ftatt deffen den eben erft gefchriebenen Heldennamen.
Ein nächſtverwandtes Beifpiel von NRamenverwirrung bietet der im Taßbergifchen
Eoder voranftehenvde, doch von andrer Hand als das Eckenlied herrlihrende
Wilhelm vorn Orleans 41a: „Smwer hat vernomen alder gelefen | von dem
walläre | bern Eflenes märe, | dem ift wol kunt, wie järlih | aliln turnay da
hebet fich | in der mitten ongeſt zit | und ain ſpärware burch flrit | alta nf ges
ſezzet wirt, | den richiu Loft niht verbirt“ u. |. w.; das ift unzweifelhaft die Ge⸗
ſchichte mit dem Sperber in Hartmanns Erek 186 ff. und e8 muß darum ſtatt
„walläre” und „Eklenes“ gelefen werden „Onwäre” und „Ereckes“; der Schreiber
hatte freilich weiter oben, in der Stelle von den Dichtern (5. 854, Anm. 8),
„Eltennes manhait“ und den „walläre“ eingetragen, fo glaubte er auch bier
feßen zu müffen, obne zu erwägen, baß dort 18a noch befonders gefchrieben
war: „oder der Dwäre, | der und Ereches getat | und von ben [dem] leun
ger[tjichtet hat.” Nach Pfeiffers Mittheilumg ſteht wirklich, beim Turnei, in
der alten Münchner Handfchrift, cod. germ. 63, Bl. 41a: „Eredes“, in ber
Hanger Bergament- Handfcrift „erkeynnes“, in der Haager Papier- Handfchrift
Bl. 181a wieder „ereckes“, in der Gafler und Stuttgarter „erdes”, in der
faßbergifchen Papier-Hanbichrift „erckings“. Anderjeits Hat flir Das zweimalige
„Her Egge” des Liebes, Laßberg Str. 69, eine Mituchner Handſchrift (Carmina
Burana 71) „Erelte” und „Erele“.
1 Kür Linouwe gibt Laßberg die Wahl zwifchen Laimnau bei Tettnang,
von wo in einer Urkunde von 1271 ein Hainricus de Laimowe unter Schiede⸗
Ienten vorlommt (Reugart 2, 282), und Leinau im Allgäu, unweit des Klofters
Irſee, mit gleihnamigen Evellenten; da jedoch erſteres überall mit m und ſchon
ım Bten und Iten Jahrh. mit ai ober el geſchrieben wird (Neugart 1, 47 in
einer Urkunde von 762 zwar zuerft: in Limauuis, dann aber: actum Laimau-
gawilare, nnd 1, 242 Urkunde von 839: ad Leimowo), fo verdient Leinau
entſchieden den Vorzug; für dieſes ſtimmt auch ein Fridericus de Linowe, ber
im Salbuche des Kloſters Weſſobrunn, unter dem Abte Adalbert (1065 bis
1111), als Beuge zweimal genannt ift, erfimals ausdrücklich unter testes nobilee.
Ebenjo if im Salbuche des benachbarten Stiftes Raitenbuch, bei Vergabungen
aus dem 12tem Jahrh., Friderich de Lina, Fridericus de Lino (£inou f. die
vorhergehende Anın.), wieder mit der Bezeichnung nobilis homo, als Geber und
358
mender Ortöname, gemahnt bier beſonders an bie nächſt Leinau liegende
Ortſchaft Ober: oder Schloß⸗Kemnath; die nach ihr benannten Edel
leute ftanben in der erften Hälfte des 18ten Jahrh. im Verbande ber
Dienftpflicht zu dem tiroliichen Grafen Ulrich von Ulten, an ben durch
Erbrecht feiner Mutter, ber Tochter des ſchwäbiſchen Markgrafen Hein
rich von Ronsberg, um 1212 ein Theil des ronsbergiſchen Gebiets mit
der Burg Kemenaten im Allgäu gelommen war; einer bon ihnen
trug fogar, laut Urkunde von 1231, im Etfchthale felbft ein bei Mais
gelegenes Gut von dem Grafen Ulrich und hierauf vom Biſchof von
Trient zu Lehen ?; in ber zweiten Hälfte des Jahrh. find fie Kam
merer des Herzogihums Schwaben und aus biefer fpäteren Zeit wird
Her Volkmar von Kemenaten, ein Betreuer Konradinz, auch er noch
mit Tirol in Verbindung ftehend, als freigebiger Beherberger der fah⸗
Zeuge mehrmals aufgeführt (Greinwald, origin. Raitenbuchzee 1, 200 j),
wohl derfelbe mit dem Zeugen für Weſſobrunn; in die Zeit des Dichters Heinrich
von Linouwe ſetzt ſich die Rolle der Raitenbucher Vergabungen nicht fort, der
gegen fteht in der Abjchrift eines alten Verzeichniſſes fiber den Lehenhof des
noch näher bei Leinau gelegenen Klofters Ottobeuren, ſchon von ber Zeit des
Abtes Ifingrin (1145 bis 1180), ein Heinrich von Linhöwe (Feyerabend, Jahr⸗
bücher von DOttobeuren 2, 184), d. i. Kinouwe, denn ein Ort Leinhofen findet
fh dortderum nicht ımd kaum zuvor ift and „de Sumerhowe“ gefchrieben für
„Sumerouwe”.
1 Die Kemnater des Allgäus hat, auch bezüglich anf den Dichter, Stäfn
2, 764. 771 hervorgehoben. Über dieſelben und ihr tiroliſches Verhäftuis
j. Hormayr, Werke 2, 100 bis 102. 113, auch Urkundenbud LXX f., Ei
Beiträge zur Geſchichte Zirols 1, 2, 336 f., Urkunde von 1241 (vgl, v. d. Hagen,
MS. 4, 649 f.): Ulricus, dei gratia comes de Ultimis ... concedimus, ut
quiequid‘ Volmarus de Chemensta, seu czeteri ministeriales nostri de
propriis ipsorum possessionibus, nec non vasalli nostri de prediis ad
capitaneum locum nostrum Rumesperg pertinentibus Wiltinensi ecelesie
».. contulerint, libere facere possint ... Acta sunt hc in castro Cheme-
nata u. |. w. Marlgraf Heinrich von Ronsberg (an ber Binz), den ber Graf
von Ulten beerbt Hatte, war Bogt von Ottobeuren und Stifter yon Irſee. In
ben Urkunden des Kloſters Steingaben, feittwärts zwiſchen Kaufbeuren und
Züßen, werben die Kemenater öfters genannt, Monumente boica 6, 516:
1325 Volcmarus de Kemenat. 6, 537: 1275 Volkmarus Chamerarius de
"Chemenat u. |. f.
3 Sormayr, Beitr. 1, 2, 862 f.: Isti sunt vasalli de allodio ipeius
comitis, quos ipse ... assignavit ... Folchemarium de Caminat, feudum
jacet apud Mays.
359
senden Sänger, bei Leben und nad feinem Tod, in Liedern geprieien 1.
Dem vorarlbergifchen Rubolf von Ems, der im Alexander die [1, 323] bei-
den Dichter unmittelbar zufammenreiht, waren Linouwe und Kemenaten
nicht abgelegen ?. Hier im oberſchwäbiſchen „Albegöu”, an ber - Pforte
des Gebirgs, durch das die Straße von Schwaben nah Tirol führt,
zunädft der Stelle, an meldher Schwaben, Baiern und Tirol ſich mit
dem Fuße berühren ®, konnten zwei bichterifch geftimmte Nachbarn,
teren einem das fagenreiche Etſchland noch eigens befreundet war, fich
im die jugendlichen Berg: und Walbabenteuer Dietrich! von Bern
theilen, welche „ze Tirol gen dem walde“ (Edenliev, Laßberg Str. 48)
ihren Berlauf zu nehmen pflegen. Das allein macht Bedenken, daß
unter den ſchwäbiſchen Kemnatern ein Albrecht noch nicht aufgefunden,
tagegen der hier vermifte Name eben jebt bei ben tirolifchen. „von
1 Meifter Kelin, MS.3, 24: „Wil ieman bin gegen Smäben... | Bol
märe von Kemenäten | dem fage er mine leit .... | der mich amd ınanigen
gernden da mit gäben wol beriet, | fit fang ich ime in zwein landen driu lobe-
fiet” u. ſ. w. NRümelant von Swaͤben, MS, 3, 69: „Swelich rider ift an eren
went, | der denfe an den von Nifenbere | unde an den edelen heit von Keme⸗
näten ... | Volxich was ganzer tugende vol, | in Yunde niht entwenten ! Bolc-
mär u. |. w. | ir lib if töt, ir lop kan niht erſterben.“ Wie bier im. Liebe
eben auch im einer Urkunde aus Meran von 1254, als Schiedsmänner über
die Erbfeharı des Grafen Albrecht von Zirol, neben einander Bollmar von
Kemenaten und der tirolifche Ulrich von Neifenberg (Hormayr, Beitr. 1, 1, 229.
232, vgl. v. d. Hagen, ME. 4, 649 f.). Boppe, MS. 2, 883 nennt zufam-
men: „die bi der Etſche und auch die ftolzen Smwähen.” Dieſer Meifter halb-
fogenhaften Namens, ein Basler, der im gleichen Liebe die beiden von Baden
und von Berne rühmt (S. 860, Anm. 4., weiß auch vom Herzog Meinhard von
Kärnten und Tirol zu melden (MS. 2, 384 5) und zählt zu den wunderfichen
Forderungen feiner Schönen: „mit drin belfanden fol ih da bi Zirol gamzen
hezzen“ (ebd. 386 a).
2 Beigt fih and in feinen Berzeichniffen kein burchgeführter Grundſatz
der Aufammenorbnung, fo ift doch nicht anzunehmen, daß ihn dabei überall
feine Gedankenverbindung befiimmt habe. Im Alegander fließt fih an den
Kemenater der von Leinau, der Mitdichter am der Dietrihsfage, zugleich als
Nachbar in Frage kommend, im Wilhelm ein andrer Oſtſchwabe, der „Tür⸗
heimäre“, ebd. „min frinnt ber Wolrich von Türheim“, jet Ober- und Unter-
thürheim an der Zufam (v. d. Hagen, MS. 4, 2705, vgl ©. 855, Anm. 2).
3 So deutete man bie drei zujammenreichenden Yüße im ältern Wappen
von Füßen, der ſchwäbiſchen Grenzſtadt gegen Tirol, deren brei Thore nad
eben jenen drei Landichaften milnden (Lerilon von Schwaben unter Füßen).
360
Chemenaten“, jekigem Kematen im Taufersthal, entbedt worden if,
und zwar, wie gemünzt auf den Dichter, in einer Urkunde von 12411.
Ein Zuſammenhang zwifchen biefen Dienftmannen des Herm von
„Tuvers“ und den vonäbergifchen des Grafen von Ulten läßt fich nicht
wahrnehmen. Müffen aber die beiden Dichter örtlich geſchieden werben,
fallt Albrecht ber tirolifchen Süpfeite, Heinrich der ſchwäbiſchen Nord⸗
balde des Gebirge anheim, fo treffen fie nur befto merkwürdiger auf
andre Weile zufammen: fie verkehren in demſelben Sagenftoffe, werden
gemeinfchaftlih als Kunftbichter belobt und dann auch, wovon weiter
zu handeln ift, in vollsmäßigern Liedern gleicher Versart der Eine wie
der Andre ald Gewährsmann angeführt. Dem ſchwäbiſch⸗oberbairiſchen
Grenzlande bleibt jevenfalls ber Berfafler des Wallerö und es wieder⸗
holt fi) in dieſen Gauen die Erjcheinung, daß Dietrich von Bern mit
feinem vollen Namen auch unter den Lebenven wandelt. In bortiger
Ammergegenb lagen die Klöfter Raitenbuch und Weflobrunn, beren Sal⸗
bücher den Adelsnamen von Leinau mehrfach aufweiſen (S. 357, Anm. 1),
fowie das Stift Pollingen, für deſſen Kirche 1175 ein fchon befannter
Dietrieus Veroneneis Zeugſchaft leiftet und mehrere Leute dieſer Kirche
vom Dorfe „Poule“ (Päl) zu Mitzeu[1l, 324]gen bat; vermuthen läßt
fich, daß ebenviefem Gefchledht aus dem Ammergrunde ſchon „Dieterich
done Berne”, Bürger zu Augsburg, in einer dortigen Stiftöurfunde von
1162, angehört ?, gleichwie viel ſpäter noch ein geiftlicher Träger des
1 Den verdienfllihen Nachweis gibt 3. ®. Bingerle: „Albrecht von Keme⸗
naten“ (Germania 1, ©. 295 f.).
2 ©. Seite 345, Anm. 2. Nach freundlicher Mittbeilung des Herrn Archivars
Serberger findet fi, außer der Urkunde von 1162, feine Spur eines damals in
Augsburg verbürgerten Geſchlechts von Verne und werben erſt 1330 Fridericus
Berner de Aychach, 1350 Betz Berner de Werlinswank, 1378 Sans Berner
v. Btingen, 1886 Berner, Kichherr ze Reumgen, als Bürger aufgenomnıen,
Stephan Berner allein if in einer Urkunde von 1406 als ingeſeſſener Bürger
anfgeflihrt; gleichwohl ſtimmt ber Drud des Namens in den Monumenta boica
33, 1, 42 mit der von Herrn Dr Rodinger gefällig verglicdenen Original-
urfunde von 1162 im Münchner Archive genau liberein. Dieſelbe iſt unter dem
Biſchof Konrad (1150 bis 1167) aufgeſetzt, der ſchon 1159 das zur bifchöflichen
Kammer gehörige Gut, die Kirche und den ganzen Zehnten zu „Boule* den
Brüdern feines Domftifts überlaffen hatte (Braun, Geſch. der Bid. von Augsb.
2, 104 f. 119 f. Scherbairiies Archiv 9, 226. 240), und eine folde Ber-
361
Namens, „Bruder Dietterih von Bern“, ber 19852 und 1353, bann
noch einmal 1361, als Deifter bes Spitals zu Memmingen im Allgäu
amtet 3.
Es ift bereitö angebeutet worben, daß bie Lieber von Eden Aus⸗
fahrt und von Goldemar nicht den darin genannten Dichtern, Heinrich
bon Leinau und Albrecht von Kemnaten, beizulegen feien; als Erzeug-
niſſe dieſer müften fie wenigſtens vor 1241 entftanden fein, twährend
doch Sprache und Stil fich keineswegs für die erfte Hälfte bes 13ten Jahrh.
und namentlich für die ritterlihe Dichtkunſt damaliger Zeit eignen; der
Abftand ift auch zu groß, um dadurch erklärt werben zu können, daß
überhaupt für Darftellungen aus ber heimifchen Helbenfage gegenüber
denen aus dem romaniſchen Rittertbum verjchiebene Formen üblich
waren; zubem reichen die Hanbichriften des Eckenlieds und der gleich
artigen Stüde faum in ven Schluß des 13ten Jahrh. hinauf? und
bindung mit Päl konnte der Anlaß fein, daß ein Adlicher aus fehterer Gegend
im Jahr 1162 zu Augsburg anfäßig erſcheint. In der Bollinger Urkunde von
1175 if} zwar der Schluß des Zeugenverzeichniffes et alii quam plures de
villa Poule nur auf die Zeugen de familie ecclesie ipsius, nicht auf die vor⸗
bergehenden, unter denen Dietricus Veronensis, zu beziehen, aber in gleicher
Reihe mit diefem fteht auch ein Otto de Pöle und ebenfo urkunden an andern
Stellen desfelben Salbuchs Dietpolt, Berhtolt u. ſ. w. de Poule; in dem des
benachbarten Klofters Weſſobrunn zeugt unter dem Abte Lantold, 1160 bis 1166,
neben Andern Dietericus de Poule, omnes homines ecclesie (Monumenta
boica 7, 352).
1 Leonhardt, Memmingen im Algow, daf. 1812, ©. 287 fi. Es ergibt
fi für diefen Br. Dietrich kein zu Memmingen einheimifches Geſchlecht, er
felbft wurde von dort ausgewiefen.
3 Laßberg jeibft beſtimmt feine Handichrift in Schwabs Bodenſee, 2te Ausg,
1840, ©. 244: „Cod. membr., sec. XIII exeuntis“. Bgl. über biefelbe
Fr. Bfeiffer in der Zeitſchrift für deutſches Altertfum 8, 156 und Maßmann
in den Wiener Jahrbüchern der Titteratur 64, 173. Die Schrift der „carmina
Burana“, unter denen die befannte Str. 69 bes Edenlievs einzeln ſteht (Ood.
Monac, perg. pietur. 73, Bl. 90 5), bezeihnet Echmeller (Borerinn. XI) als
„von brei und mehr verfchledenen Händen des 1Bten und 14ten Jahrh., größern-
theils aber von einer zierlichen des erſtern, herrührend“; zu ben älteren Schrift
Rüden eignen fi aber am wenigflen die deutſchen Einzelſtrophen, die in den
lateiniſchen Hauptbeftand auf leergebliebene Blattſtellen eingetragen find, ein
ſolcher Eintrag zwifchen Tateinifchen Gedichten if jene Str. 69 (mit der Schrei⸗
bung „chrafft“, was außerdem nicht reimt). Benedictbeuren, wo die Hdf. gefunden
wurde, liegt, wie Weflobrunn und Pollingen, am Trauf des bairifchen Gebirge.
362
endlich ift fchwer zu glauben, daß Rudolf von Ems, [1, 325] der zwar
noch anderwärts Dietrich Kämpfe nicht zu ben unwürdigen Gegen
flänben bed Vortrags vedhnet, fie vielmehr unmittelbar vor „Artüfes
bübfcheit“ nennt 1, aber doch zuoberft den kunſtvollen Gotfried von
Straßburg fi) zum Vorbilde genommen und ihm das eifrigfte, aus
führlichfte Lob gefpenbet hat, dabei auf bie Errungenſchaft bed reinen
Reims beſondern Werth legt ?, daß derſelbe Rudolf mitten unter den
Meiſtern der Kunſtdichtung und ihren umfangreichen Werken die Ber-
fafler jener kurzbemeſſenen, freigereimten, unböfifchen Lieder wiederholt
einer rühmenden Erwähnung gemwürbigt haben follte®. Selbſt bie
Tugenden der Lieber, ihr ungezierted Weſen, ihre Raſchheit und Friſche,
beſonders des Eckenlieds, zeugen wider die Verfaſſerſchaft Albrechts
und Heinrichs. Sollten daher die Lieberftellen: „von Kemenaͤten
Albreht, | der tihte ditze märe“ und, nad der geforberten Lesart: „erſt
ſeit von Linou Heinrich“, dasfelbe ausbrüden, mas ber unbeftrittene
Dichter bes Iwein, gleihfalls in britter Perſon redend, von ſich aus-
fagt: „er mas genant Hartman [| und was ein Dumäre, | der tibte
dis märe” 4, fo würden jene Lieder mit berühmten Dichternamen auf
ähnliche Weiſe ſpielen, wie wenn im Wolſdietrich Wolfram von Eſchen⸗
1 Auch im Alexander (Maßmann in ben Heidelberger. Jahrbüchern 1826,
©. 1209 f): „nuo ſcheident aber die liute fih, | ir fitte fint vil mislidh: |
einer höret gerne, | wie Dieterih von Verne | mit craft in frömden landen
fireit, | von Artüfes Bübfcheit | wil ouch einer hören fagen, | eimer von den
liehten tagen, | einer von minnen, | einer von twifen finnen, | von gote ouch
maniger hören wil, | den fitte hat ouch linte vil, | daz in’ ift alleg fagen
entibt, | der in von ribalden iht | feite, baz ift genmoger fitte u. ſ. w. Nur
das Letzte gilt dem Dichter für verwerflichh.
3 Wieder im Alexander (Maßmann a. a. O. 1127, vgl. MS. 4, 866 a}: „von
Beldich der wife man, | der rehter rime alrerſte began, | der Kinfteriche Heinrich”
u. |. w. und (Maßmann ebd. 1198): „ez hat ouch näc den alten fiten | Rumpf
Hd, niht wol befniten, | ein Lampreht getibtet.“
3 Bu diefer Frage vgl. Haupt, Zeitſchrift 6, 525; W. Wadernagel, Ge⸗
ſchichte der deutſchen Litteratur S. 212; K. Gödele, deutſche Dichtung im Mittel⸗
alter 524, Ebd. Gengenbach XXIV. 687 f.; v. d. Hagen, Heldenbuch 1855,
LIU. LXIU f.
4 wein 21 ff., vgl armer Hein. 1.ff. Gregorins 1 fi. Der Dichter
bes Eckenlieds fpricht fonft von fi in erſter Perfon, Laßberg Str. 126.
2337. 245.
363
bach und am Schlufle des Laurin Heinrih von DOfterbingen als Ber
faflee angegeben find !, jedoch mit dem Unterſchied, daß die Icht-
benannten Meifter fi) niemals nachweislich auf deutſche Heldenfage
eingelafien haben, dafı, 326]gegen Heinrich von Leinau als Dichter einer
Eckenmäre durch Rubolf bezeugt iſt und auch der gleichbelobte Albrecht
von Kemnat nicht von ber Dietrichöfage abgewiefen werben Iann. Ges
nau angejehen betreffen aber obige Stellen ihrem Wortlaute nach nicht
nothivendig die Abfaſſung der Lieber, fondern viel natürlicher die Ge
währjchaft der Märe, des Sageninhalts, durch deſſen frühere nambafte
Bearbeiter ?, Eden Ausfahrt nennt aber auch ausbrüdlih noch eine
zweite Duelle: gerabe fo, wie für das erfte nächtliche Zufammentreffen
Heinrich von Leinau zum: Zeugen beitelt wird, eröffnet ſich ber Kampf
des folgenden Morgens mit ber Berufung auf ältere Lieber, auf das
fortlebende Gedächtnis in Sang und Sage?. Gemeinfam ift den jet
vorhandenen Liedern von Edle und Golbemar eine breizgehnzeilige Strophe,
welche nachmals des Berners Weile bie 4, und mit Zug, denn fie
war die bevorrechtete für Dietrichs erfte Heldenthaten geworden und im
ihr iſt felbft das meitfchweifige Dichtwerl aus dem 14ten Jahrh. von
1 Wolſdietrich, Straßburger Handſchrift (v. d. Hagen, Orundriß 9):. „daz
ſage ich Wolferan, der werde, der meifter von Eichebadh, | waz von dem ebeln
riechen des dages beſchach.“ Heldenbuch, Hagenau 1504, BL. 866: „das ifl
mir gar wol tund | mir wolffaram bem werben | menfter von eſchenbach“ u. 1. w.
Laurin, Eitmüller 2932 f.: „Heinrich von Ofterdingen | dig märe getihtet hat”
n.|.w. Heldenbuch 1504, BL. 2076: „henrich von ofterdingen | dife abentelir
gefungen hat“ u. ſ. w. (vgl. ME. 2, 18, Str. 84).
2. Die Lesart „Uns feit“ (Carm.. Bur. 71) ſtellt vollends den Dichter des
Edenlieds dem Gewährsmann beftinnmt gegenüber. Albrecht von Kemenaten
dichtete (Golden. Str. 2) „die märe*, nicht „diſtu Tiet“ (vgl. Ulrich: von Richten»
Rein, Franend. 456, 22ff.: „ze hant ih tihten dd began... . | difin ritterlichen
liet⸗; ME. 3, 2846, 8: „daz ich noch eim ninwez liedel von in tihte“).
8 Edentied, Laßberg Str. 106: „Dar nach huob ſich ir alter has, | Do
wart als erft [vgl. Str. 69: Ef m.f.w. 107: ale exit] gefiritten Bas, | Das
wiffent von den lieben [1. lieden], | Sich bruoft ir baider herze lait, | Da von
noch (man?] finget unde fait [vgl. Golbem. Str. 2: „wan feit uns”, neben „von
Remmenäten Albreht“ u. |. w.], | € das fi fi da ſchileſden Die zwene beide
lobefam | Mit egeslichen wunden“ u. |. w. Str. 119: „jait und das liet.“ Warum
foliten das bloße Redensarten fein?
49. d. Hagen, Einleitung zu Herzog Ernft XVIII. Grunbriß 38.
364
Niefens und Drachenkämpfen Dietrichs und feiner Gefellen (S. 340,
Anm. 2) abgefaßt; diefer Bernerton ift aber eben auch eine, allerbings
beträchtliche Erweiterung der einfachern Vollsweiſe, bie aus dem 12tm
Jahrh. im Morolf herüberklingt 1, indeß andere Heldenmären, deren das
Edenlied gebentt, die von Dinit, Wolfvietrih, Diether und Wittich,
dem börmenen Siegfried ?, noch jetzt in weniger verwidelten Formen
erhalten find. Dem Sagenbeftande nach teilen Edle, Faſold, Sigenot,
Goldemar, ſchon als entſchieden mythiſche Geftalten, in fo fernes Alter
thum hinauf und namentlich die beiden erflern waren jo weithin Fund:
bar, baß man nicht annehmen Tann, die Bekanntſchaft mit ihnen babe
bei Abfaffung‘ der Lieder in bes Berners Weife einzig auf den Did
tungen Heinrichs und Albrecht3 beruht, wie man [1, 527] auch bei ander
wärtigen, frühern oder fpätern Sagenzeugnifien einen befonbern Bezug,
ſei e8 auf den Waller ober auf das Edenlied u. ſ. f., ohne beftimmtere
Merkmale nicht vorausfehen barf?. Die ganze Erörterung führt
darauf, daß gegen Ende bes 13ten Jahrh. zeitgemäß befunden ward,
ältere Eagen und Lieber von Dietrichs Jugendabenteuern auch für ben
Bollögefang, nach dem nun herrſchenden Geſchmack, aus dem alterthüm⸗
lich ſchlichten Vers in eine meifterfängeriich gedehnte Strophe umzu⸗
ſetzen, babei aber bie vorausgegangenen größeren Werke höfifcher Dichter
1 Der Zuwachs im Bernerton ift zwiſchen die zwei vorbern und die brei
hinteren Zeilen der Morolfsweife eingerahmt. Auch die abweichende Behandlung
ber zwei leyten Zeilen im Goldemar und den Drachenkämpfen von derjenigen
in Sigenot und Ede (Haupt, Zeitſchrift 6, 528 f.) if durch den freien Wechſel
im Moroif angebahnt. Über die Moroifftrophe |. W. Wadernagel, Litteratur⸗
geſchichte 182.
2 Omit und Wolfdietrih: Str. 21 bis 24, Diether und Wittih: Str.
198 f. Siegfried: Str. 209,
8 Nächſt Rudolf von Ems findet fi die frübefte deutihe Meldung von
Dietrichs Streit mit Eden -in Enentels Fürſtenbuch um 1260: „wir haben bide
vernomen, | wie der Berner wär komen, | da er bern Ellen vant, | und wie er
in finog ze hant“ (Helbenfage 160. Maßmann, Kaiferchronit 3, 108); der aus⸗
führlihen Erzählung in Thidr. S. Gap. 96 ff. würde nad) Ungers Urtheil über
Sprade und Stil viefer Saga (ort. IV) noch die erfte Hälfte des 18ten Jahrh.
anzuweiien fein. Über Goldemar gibt es, neben dem tiedesbruchftiid, kein
älteres Zeugnis, als das im Reinfrid, der nach 1291 gedichtet ift (Heldenjage
174. Gödeke, Reinfr. 67. 92. [Bgl. Bartſchs Ausgabe des Reinfrid, Tübingen
1871, ©. 735. 810. 8.])
365
nicht unbenüßt zu lafien ! und durch Berufung auf ihre gewichtige
Namen die neue Arbeit zu beglaubigen.
Jene Kunftvichtungen ber beiden Ritter find, glei anbern von
Rubolf verzeichneten, gänzlich verſchwunden, während zahlreiche Spuren
vollsmäßigen Gefangs von Dietrichs wunderbaren Kämpfen und ins:
befondre ber Verbreitung bes Edenliebs fi, wie nun gezeigt werben
fol, in fhwäbifchealemannifchem Bereiche von der Neige des 13ten Jahrh.
bis tief in das 16te binziehen. Der Marner, ein vielgewanderter
Schwabe der erftbemerkten Zeit, zählt unmutbig eine Reihe von Liedern
aus dem beutichen Sagenkreiſe ber, deren Vortrag bie Leute, Seber
en andres, vom Sänger verlangen, und nennt darunter: „wie Dietes
rih von Berne fchiet”, d. i. defien Abzug ins Hunnenreich, und weiter⸗
bin: „bern Eggen töt“?. Konrad von Würzburg, der zu Bafel
beimifch war und, geft. 1287, bort beftattet ift, fchließt den [1,328] Hohn:
ſpruch auf einen Kunftgenofien: „alfus fan ich liren, | fpracdh einer, der
von Eggen janc“ ®. Gerade daß die Meifter auf ſolche Sänge, als
gemeine und abgenüßte, berabjehen, beweiſt, wie lentkundig dieſe
waren. Dasfelbe wird vorausgeſetzt, wenn in Lügenſchwänken, Namens:
1 Auch der Gebrauch welcher Ausdrücke im Eckenlied ift von Haupt a. a. O.
nachgewieſen.
2 MS. 2, 2515. Der Marner ſelbſt bat eben fo wenig dieſe Lieder ge⸗
fungen, al3 was er in der übernächſten Str. 22 aufführt; er hatte wohl bie
hievor (S. 362, Anm. 1) mitgetheilte Stelle aus Rudolfs Alerander vor Augen, wie
dann weiter Hug von Trimberg, ein Verehrer bes Marners (Nenner 1224 ff.),
den Spruch desfelben nachgeahmt bat (ebd. 16154 ff. vgl. 10307 fi. 21539 ff.);
hieran reiht ſich noch ein Spruchgedicht, das unter foldden bes Teichners ſteht
(Wiener Jahrbücher der Litteratur 1, Anzeige - Blatt S. 27): „fo will einer
[[. emer, jener] nit fam der, | fo ſpricht einer: kumpt ber, | fagt uns non
hern Ekklen Hingen! | jo fpricht der ander: er fol fingen, | wir haben an leichter
predig genug; | fo fpricht der britt: es wer doch Hug, Jydas er ba redet vom
manigen fachen, | kunt er es nur ſwäbiſch machen | nach unſer lantſprach auf
und ab” u. f. w. de vertritt hier die ganze Gattung des Sagens aus dem
dentfchen Heldenkreis; feine Klinge ift das berühmte „ſahs“ (Edefabs), von dem
Edenlied (Str. 79 fi.) und Thidr. Saga (Gap. 98) umſtändlich handeln; das
Schwäbiſche als ihre Landesſprache verlangen wohl die mit den Habsburgern
nach Öftreich gekommenen Schwaben (vgl. Helbling 1, 455 ff.).
IMS, 2, 8346. DB. Wadernagel, Litteraturgefhichte 110 und in ber
Zeitfhrift Für deutſches Alterthun 8, 8348. Fiſcharts Pralt. 1628, Eiiij b:
„Schwäbiſche blinde Leyrer.“
366
ſprüchen, Spottreben nicht bloß häufig auf Dietrih, Eden, Yafoln ans
gefpielt ift, fondern auch jedem Ohr vertraute Verszeilen des Eckenlieds
anklingen. So bei Konrab von Ammenhaufen, Leutpriefter zu Stein
am Rhein, in feinem 1337 vollendeten Schachzabelbuch, wenn er Namen,
Stand und Wohnort in eine „räterfche” (Näthiel), dv. h. in die Anfangs
buchſtaben verworrener Reimzeilen verftedt und biefe anheben: „Do
Egge Dieterichen vant, Irmengart bie rief zuohant“ u. |. w.!, was
eben auch der Anfang eines Gefähes im Edenlied ift: „Als Egge
Dietberichen want, | do rief er fiber ſchiltes rant“ u. |. m. 2. Beliebter
noch war eine andre Formel der Helbenlieder; in dem von Golbemar
beginnt die Erzählung (Str. 3): „ber Dietherich von Berne rait” u. |. w.,
das von den Drachenkämpfen eröffnet einen Abfchnitt (Str. 14): „Es
reit us Berne, alfo man feit, | durch fines libes tegenbeit | ber Diethe-
tih von Berne” u. f. w. und auch die andern gebenfen gerne vieles
Ausreilins, Sigenot (Str. 1): „er rait dik aine von Berne | buch
mengen ungefügen tan” u. |. w., ebenbort Hilbebrand zu Dietrich
(Str. 27): „mar haft bu dine finne getan, | das du ritefl ainge von
Berne?” Eckenlied (Str. 48): „er reit, als man iu bie vergibt, | 3e
Tirol gen dem walde“ u. ſ. w.; fo beißt e8 nun aud in einem Hohn⸗
gevicht auf Kaifer Ludwig über fein Ausbleiben bei einem Angriff auf
Feldkirch: „Ez rait ug Bern her Dietrich, | Sivrit, der koen, was hürnin, |
nu raten, ma wir uber Rin | wöllen ziehen al“ u. |. w. 3 und in einem
- Rügenfprudh, aus der zweiten Hälfte des 14ten Jahrh., der durch ver
Ichiebene Bezugnahmen auf. den Oberrhein weiſt: „Ez rait uz Bern, als
man uns fait, | herr Dietrich von Berne, | da von könt ich gerne | harpfen
unbe rotten” u. |. w.“, was wieder auf bie von ben Fahrenden ab⸗
gefpielten Dietrichslieder zielt, deren fabelhafte Kampfmären um bier
1 Heidelb. Handſchrift 898, BL. 137, Sp.i. W. Wadernagel in deu Vei-
trägen von Kurz und Weißenbach 1, 48 fi.
2 Lohberg Str. 74. Bal. Krieg von Bartburg Str. 15 (ME. 2, 6b):
8 wäre dem Berner genuoc gewefen, do in herre Egge want“; ſchon bei
Enentel (ſ. ©. 364, Anm. 3): „wie der Berner wär komen, | da ex bern Ellen
vant“ u. f. w. |
9 Liederfaal 3, 122 f. Bgl. Edenlid Str. 9: Sifrit, der Himin.
4 Liederfaal 8, 563. Cod. germ. Monac. 117, Bl. 106. U. Keller, alt-
deutſche Gedichte 2, 6.
367
felbe Zeit ein ähnlicher Reimſpruch Suchenwirts verfpottet: „ein maus
ein leben fluog zu tot | zu Tirol in dem walde [oben ©. 859], | bo liefen
alfo balde | zwo neugeflagen leiven” 1. Am einfamen Ausritt bes
jugenblihen Helden nad [1, 329] dem finftern Tann, wo ungeheure
Kämpfe ihn erwarten, von denen alle Zukunft fingen unb jagen wird,
lag urfprünglich etwas Ahnungsvolles, Spannenbes 2, das aber, bänkel⸗
fängerifch verbraucht, auch fehr wohl dem Scherze dienen Tonnte, doch
bat daneben der alte Emft im Volle nachgebalten und noch 1516 fang
Hand Umperlin, ein armer Bauersmann mit zwölf lebendigen Kindern,
dem Zampfgerüfteten Herzog Ulrich von Wirtemberg nach: „Er ift bin
aus geritten ! ald Dieterih von Bern, | manhaft on alles aittren, | er
ift eins leibs ein Lern“ 3; die Bebeutfamleit des ausreitenden Dietrichs
1 8. Sudenwirts Werle von A. Primiſſer S. 148: „Ein reb von hübſcher
Iug”, 8.32 ff. Bgl. Yubinal, nouv. recueil de contes 2, 217 (Fatrasies):
et une viele | chantoit em fessele | dou donay Ogier. Ansführliher noch
der Spruch von den Wachteln (Maßmann, Denkmäler 1, 1136): „ber Dietreih
von Pern f&oz | durh ain alten newn wagen | ber Hildeprant durhn Fragen, |
ber EL durh den fchlgzelfreben, | Criemhilt verlos da ir leben, | daz pluot gen.
Mainz ran, | ber Bafolt faum entran, | des leibs er ſich verwal, | fibenzehen
wabteln in ſak.“ Diefe fiebzehnmalige Kehrzeile, mit ber ganzen Einrahmung
des Lilgenmärcdhens in den Wachtelfang, erklärt ſich vollſtändig durch des Teich-
ners Sprud „von valchneren“ (Wiener Jahrbücher 1, Anzeige-Blatt 85 f.): „Ich
wän, man lieg nindert fo vil, | ſam ba man fait von veberfpil, | von gejaid und
von paiz, | wa few in den finden Hais | fitent pei den trunchen fwär, | jo hör
ich vil gelogner mär“ u. ſ. w. | „fo vieng ainer ainen tach | wachteln ainen vollen
fach | und Hiet ir dannoch mer gevangen, | wär im ber tag niht abgegangen, |
do traib in diu naht dervan“ u. . w. | „find daz nicht gelogenew mär? | alfo
ſprach der Teichnär.“ Bgl. Tiederfaal 2, 887: „fiben wachteln zerftört | ein
hoptloſer hofwart.“ Fiſcharts Bargantua Gap. 25, im Verzeichnis der Spiele:
„Bier Wachtel im Sad“, auch: „Im Sad ein Rebhun“ u, f. w. und: „Wer
Ian fieben LuUgen?“ Bunamen: „Peter der wahtelfac” (aus Ottack., Haupt in
der Zeitſchrift 4, 578); „Luginnſachh“ (unter öſtreichiſchen Banernnamen des
15ten und 16ten Jahrh. in Schotttys Vorzeit 1, 270. Mone, Anzeiger 3, 85).
2 Liederanfänge mit dem Ausreiten waren überhaupt gebräudlich: „Ich
will zu land uß riten“ u. f. w. (Hilvebr.); „Algaft der wolte riten“ u. ſ. w.
(ME. 3, 408 0); „ES reit ein herre“ u. f. w. (W. Wadernagel, altdentiches
Lefebuch 829, 81); auch meine Vollslieder Ar 74. 94. 108. 113, 8. 114.
137. 139.
3 Meine Vollslieder Nr 180,
368
mag fich felbft auf den Vollsglauben erfiredt haben, wonach vieler
beutfche Held in fturmbrohender Zeit riefenbaft zu Roſſe gefeben ward !.
Befondrer Unterfuchung bebarf die Parodie des Eckenlieds und ber
Dietrichsfage überhaupt im „Ring“ von Heinrich Wittentveiler, einem
Dichtwerle, das nicht fpäter als 1453 verfaßt ift . Darin wirb eine
Bauernhochzeit zu Lappenbaufen gefchilbert, melches Dorf amt Nedar
legend gebacht ijt, denn als bei Tiſch im Wetteifer, bie aufgelragenen
Fiſche zu verfchlingen, dem fchnellen Barindwand bie Gräten eines
Haupiftüds den [1, 330] Hals abftogen, trägt man feinen Leichnam in
den genannten Yluß®. Ber gierig fortgefektem Wetteflen ſucht der
ſchlaue Uß einen Mitbewerber unfchäblich zu machen (36 d, 4 ff.) „und
ſprach: „ber Guggouch ift ein man, | der felber lieber tichten chan | ven
Dietreihen dem Berner, | den hörten mir vil gerner, | denn daz wir
alfo ſäſſin, | die totin filch da Aflin.” | Des daucht ſich Guggouch do
gemait, | er huob fein tädind an und fait: | „EB ſaſſen held in einem
fal, | die aflen wunder über al” | et cetera bis an ein end. | Die weil
bie Lofer warend bebend | und affen auf die viſche gar, | e fein ber finger
warb gewar.“ Die Worte Guggauc find eine leife Umwandlung ber:
jenigen am Eingang bes Edenlieds (Str. 2): „Es ſaſen held in ainem
fal, | fie rettont wunder ane zal | non userwelten reklen“ u. |. w. Diet:
rich von Bern wird aber auch in werkthätige Theilnahme gezogen, denn
als beim Tanze ſich blutiger Hader zwiſchen den Lappenhaufern und
ihren Nachbarn, den Nifiingern, entfponnen hat und es hierüber zur
förmlichen Kriegserklärung kommt, fchiden jene zuerft in alle Länder
und bedeutende Städte um Beiftand, als aber dieß meiſt vergeblich
it, wenden fie fi) an die umliegenden Dörfer und nad dem nahen
1 Godefr. Colon. ed ann. 1197 (Böhmer, font. rer. germ. 3, 474 f.).
Bgl. Otto Friſ. chronicon 5, B (Heldenfage 38) und 3. Grimm, fiber eime
Urkunde des 12ten Jahrh. 20: Dietrici ex inferno.
2 Herausgegeben in der Bibliothek des Titterarifchen Vereins in Stuttgart
XXI; das Gedicht ift reichhaltig und von großer Lebendigleit, aber auch mit
dem maßlofeften Wuſt des 15ten Jahrh. behaftet. Die Verſe 6b, 21 f. jagen
noch: „Conſtantinopel fei derfant | den Tindern dört ze Chriechenland“; im Jahr
1458 fiel dann aber die Haupiſtadt des griechiſchen Kaiferreidhs in die Gewalt
der Zürlen.
8 Ring 86 c, 36 ff.: „Alſo fuor de Barindwand | da Hin gen Schläuraffen-
lant | mit feiner fel, daz was ir fuog, | den leib man in den Neler truog.“
369
Heuberg, von wo ihnen auch bereitwillig die Heren, unter Führung
ber einen Wolf reitenden Yrau Hächel auf Geißen bahberfliegend, zu
Hülfe fommen, denen fofort die Riefen, fieben an ver Zahl, darunter
Sige (Sigenst) und Ede !, fowie die Schweizer mit ihren Helmbarten
fih anfchließen, wogegen bie Reden, melde gleich den Riefen unterm
Heuberg auf grünen Wielen figen?, nemlich der Berner und fein
Meifter Hildebrand, Dietleib und Wolfpietrich, nebft den Biwergen unter
Laurein, abgefagten Feinden ber Hexen, den Niflingern zuziehen, ein
wilder Mann aber, auf einem großen Hirſche ſitzend, als gänzlic Frei
williger, mit feinem Kolben nad) beiden Seiten um ſich ſchlägt?. Bon
ber ungebeuren Schlacht ift hier nur ſoviel [1, 331] zu jagen, daß Diet-
cih von Bern den Niefen Ede zum zmweitenmal in Stüde baut, daß
die Iebigen Thiere der abgeworfenen Hexen über den Heuberg binfliegen *
und daß der neuverebelichte Bertichi, ald er das große Blutbad an-
fieht, ſodann Lappenhauſen zerftört und feine junge Hausfrau tobt
findet, fih mitten in den Schwarzwald begibt, wo er aud in volltom-
mener Andacht fein Leben beichließt?. Das Ganze bewegt fih in
1 Ede it nachher (54, 28 im Reime) zu Egger verehrt, was in Laßbergs
Sigenot (Str. 84) als Abkürzung des Zwergnamens Eggerich dient.
2 Ring 47%, 16 ff.: gen Leusaw unterm Höberg, | da faffen herren [1 häzen]
und auch twerg, | vil nach da bei auf grunen wifen | fafien reden und and rifen.
3 Diefes feltjame Weſen, bald „ein wilder Mann“, auch in Mehrzahl, bald
„der wilde Mann“ (vgl. Myth. 454. 520. 881 f.), lebt noch in der Vollsfage,
namentlich der tirolifchen, gehört aber auch ſchon herlömmlich zu den Abenteuern
Dietrich im Walde von Zirol: Gigenot der Drespner Handſchrift Str. 81 fi.
und des alten Druds Str. 30 ff., Laurın, Ettmüller, 171 ff., Heldenbuch 1506,
HB, entihiedener als Thiermann (Herr der Waldihiere) in Dietrich und feine
Gefellen, Dresdner Handſchrift Str. 106 fl.; fonft in alten Zeugniſſen: Orendel,
3. H. 2. d. Hagen Ausg. 1271 ff., Meiſter Altfwert ©. 17 f., MS. 8, 2886, 5;
ſodaun der däniſche diurekarl, Grundwig, Danm. g. Folkevis. 1, Nr 18, und
der „waltman“ im Fwein 896 bis 599. 979 bis 988. 598. 622 (alıfr. bei
U. Keller, Romvart 523 ff. 638. 541, Gh. Gneſt, Mabinogion 1, 137 ff. 148
[vergi. mein Buch über Grefien von Troies S. 151 und meine Ausgabe bes
Chevalier au lyon ©. 15. H.). Ein weiteres Wunder ber Wildnis fchweift
im Eckenliede, Laßberg Str. 52 bis 54, das Halbroſs mit Speer und Schwert
(altn. fnngalkn, Fornald. 8. 3, 473. 746 b. GEgüsfon, Lex. podt. 220 a).
4 Ring 52d, 20 fj.: die häxen mägten II. naigten] fich zer erd, | ix phärde
nber[n] Höberg | flugend bin ze aller vart, | wan ix aines ledig wart.
5 Ring 579, 15 ff.: „Alfo fuor er bin fo bald | enmitten in den Swarcz-
Uflan», Schriften. VI. 24
370
freiefter Dichtung, die Dorfnamen find meilt erfonnene, wie Zappew
baufen, Torenhofen, Narrenhaim!; an dem Turnier bes Lappenhauſer
im vordern Theile der Erzählung betbeiligt ſich der alte, bairiſch⸗
Öftreichiiche Neibhart, der Neimgebraud zeigt oftfränkiſche Mundart des
Berfaffers an? und über fein Verhältnis zu ven Schwaben läßt ſich
nicht3 entnehmen ?, dennoch tft durch Nennung des Nedard, Heubergs,
Schwarzwalds vie ſchwäbiſche Ortlichleit ver Handlung deutlich abge
ftedt 4. Der Henberg galt den Uumohnern nicht bloß für den Tum⸗
melplat der Heren®, man fab auf ihm zumeilm auch geſpenſtiſche
wald, |.da nerbienet er vil gwär | in ganzer andacht an gevär | nach difem
leid das ewig leben”; wie nach ibm Simpliciffimns auf dem Schwarzwald als
Einfiebel lebt (Kellers Ausgabe des Simpliciſſimus 2, 817 f. 826 ff.).
1 Ring 2, 1f. 475, If. 14. Vgl. ME. 8, 2005, 7: Jochhuſen (Gond-
büfen?), Zumbenrein, Rarrental, Affenberc (ebd. 2136, 7: üz der affen tal).
Nicht anders zu nehmen ift auch bei Hans Sachs B. 2 (Nürnberg 1560)
Thl. 4, BL 89 das Dorf Pappenhaufen mitfammt vorgeſetztem: bey Rapperk-
weil im Schweytzerlandt.
2 Ring Mc, 1f.: waiß — gemäß; 290, 45 f.: Sebnttifait — Stät;
478,3 f.: Häm — Narrenhaim; 48c, 17 f.: haim == ungenäm. Schmeller,
Mundarten 149.
8 Auch nicht aus der Berwendung eines Sprichworts auf diefelben in eimer
Lehre, die dem jungen freier gegeben wird (306, 7 fi.): Hab geding und laß
es nicht, | ob dir ioch niemer guot geichiehtl | won oft em Swab ber nimpt
fein end | mit guotem troft, der fmergzeg went. Der Minne - altner Str. 73
(Binter Hadamars v. Kaber Jagd, herausgeg. von Schmeller ©. 185): Mit gutem
gedinge | und hertem leben nimmet der Swab fein ende. (Allgemeiner bei Freidanl
43, 12f., vgl. @ödele, Reinfr. 110, 1IL) Spruch aus dem 15ten Jahrh. (Eſchen⸗
burg, Denkmäler 417): In den landen findt man reid und arm, | Schwaben
häpft auf mit leerem darm. [Bgl. oben ©. 263 und Anmerkung 664 daſelbſt. H.)]
4 Zu Rotweil am Neckar heißt der Oftwind: der Heubergerlufi, der Nord⸗
wind: Kniebisluft, ein abgegangenes Thor hieß Waldthor, weil es dem Schwarz⸗
mald zugelehrt war, welcher ſchlechthin der Wald genannt wird (Lauchert, Mund»
art won Hotweil 11. 14).
5 In den Rotweiler Herenprocefien ift die Luftfahrt zum Tanz auf bem
Heuberg herkbumlich (Rudgaber in den Würtembergiihen Jahrbüchern 1888,
1, 21. 25 f. Langen, Beiträge 438. 442 f., ebd. 435 Witt nach dem Bogele-
berg anf einer Geiße); „Herenipiegel. Gin vberaus fchöne vnd wolgegrändte
Tragedi” u. |. w. Tübingen 1600, S. 40: Sicht nicht daß ich mich dapffer
jalb | an armen, vnd ja allenthalb. | Ey daß ich auf dem Hewberg wer u. |. w.
S. 44: Da wir nächt kamen heim gar fpat | vom Hemberg u. |. w.
371
Kriegsſchaaren, die ihn zum Aufenthalt ſagenhafter Reden eigneten!.
Zudem finden fich innerhalb jener hauptfäch[lı, 332]lihen Landmarken,
mitten unter den erbichteten Namen und fabelhaften Geftalten, nähere
Anhalte für örtlihen und geſchichtlichen Bezug in folgender "Stelle
(48c, 9 ff.) beifammen, mit welcher die Aufzählung der Hülfsvolker für
Lappenhaufen abfchließt: „doch fo warb in zuo gelant | von Indertrinn,
dem teuffen land, | ein alter man und darzuo gra, | nicht mer fo vand .
man ir auch da u.f. mw. | Des war fl. wär! auch chomen her Galvan, |
ein ritter werb von Montalban, | Zanzelott und her Triftan, | Stolff [7]
und ander herren gmain, | do muoften feu ir fchlofie retten | und andreu
güter vor den ftetten, | ber Rüggel [I. Püppel] doch von Elrbach,
den man nie berligen fach, | hiet ze ftreiten im berlorn, | da was er
dannacht ungeporn.” Statt „Indertrinn“ Steht vorher (47d, 11) richtig:
„das ander borff hieß in der Chrinn“?, was mit nachfolgentem „Leusam
unterm Höperg“ unvertennbar auf bie Ortslage am Heuberg weit,
nach welcher das heutige Dorf Weilen unter der Rinnen (Bezirks
Spaichingen), etwas misverftänblih, benannt if. Daß dic Herren
nicht kommen, meil fie ihre Schlöffer und andre Güter vor den Stäbien
retten müflen, paßt auf eben jene Gegend, in welcher die Stäbte 1423
das Schloß Hohenzollern, die Rotweiler insbeſondre fchon früher die
Beften Bern gebrochen hatten und nachher, 1449, die Burg Hohenberg
1 &rufius, Paraleip. (1596) 34: Non longe a Balinga maons ılle cele-
bratissimus abest, quem Henberg appellant; ibique a sagis exercıtia (dıa-
bolica fieri, vulgo persuasum est, Inde etiam est, quod vulgua spectra
et meteora, qus in hoc monte freyuentia. sunt, pro prestigiis magorum
et demonum habet. Aliis inde oriri videntar, quod circa Maximilieni 1
tempors interdum pugus ila in locis commisse sint, sicut, quando Eber-
hardus Barbatas cum Rotwilensibus bellum gessit, antegquam dux creatus
‚ esset. Quemadmodum Pausanias quogue scribit ... in campis Marathoniis,
in quibus Atheniensis dux Miltiades Persas vicerat ... multis etiam annis
post speetra noctu esse visa, militares clamores hinnitusgue equorum
auditos esse nec impane ferre, qui temere accedat (folgt die Stelle aus
PBanjanias 1, 82, 3).
3 Krinne £. bedeutet: Kerbe, Einfchnitt (lat. crena, fissura, |. Schmeller
2, 887 f. Benede 1, 882.0), hier alfo Thalſchlucht, noch befonders angezeigt
durch den Beifa „dem teuffen land“ (die Haudichrift ſetzt che vielfach für fr,
tenf für tief, ſeu für fie nom. pl. m.)
372
an der fteilen Wand des Heuberg zerftörten 1. Der kriegeriſche Herr
Püppli von Ellerbach, aus der ſchwäbiſchen Warkgrafihaft Burgau,
ft wohl mehr eine perfönliche Belanntfchaft des Dichters; er war noch
ungeboren, weil bie Begeb[1l, 333 ]nifle einer nebelhaften Borzeit angehören
iollen 2. Dagegen bekundet fich wieder die unmittelbare Gegenwart in
dem nachbarlichen Berlehr mit den Schweigern, die zur Lappenhauſer
Hochzeit geladen werden (33a, 32 ff. 335, 34 f.) und nachher, male
rifch geichilvert (48a, 43 ff.), den Nifiingern zu Hülfe ziehen; das
förmliche Bündnis Rotweils mit der Eidgenofienfchaft fällt zwar erft
in das Jahr 1463 und der „raue Schwarzwald“ ſchickt feine „unge:
ftalten” Bauern den Eidgenofien erft 1477 zum Erſatz von Ranch,
aber in beiven Fällen mwirb bie alte Freunbfchaft der Borbern aus:
1 Die Berflörung der Burg Hollern, auf Auftoß und mit Beihülfe der
Stadt Rotweil, war in Schwaben ein fo kundbares Ereignis, daß man danach
bie Jahre gezählt findet. Außer dem Reimſpruch des Meifters Konrad Silber⸗
drat. wahrſcheinlich eines Rotweilers, und den lateiniichen Verſen darüber von
Konrad Winzieher, Bürger zu Reutlingen, ift auch in der von Nicodemus
Friſchlin zufammengetragenen handſchriftlichen Hauschronit der Edlen von
Ehingen eines Liedes auf Grafen Fritz den Ötinger gedacht, dem eben bie
Stammburg gebrochen wurde. Diefer Graf Friedrich ven Zollern, gen. Ötinger
(f 1443), der Erbfeind Rotweils, überhaupt ein abenteurliher, ſtreitluſtiger,
mit dem eigenen Bruder verfehbeter Mann (Stälin 3, 421 ff.), führte in feinem
Siegel, wie es in mehrfacher Form vorliegt, den zottigen wilden Mann, mit
bebeimtem Haupte, dem Speer in der rechten und dem Schild au ber linken
Hand (Abzeihnungen in den Monumenta Zollerane 1, 530. 551. 576). Sollte
das nur zufällig mit dem Toben des vilden Mannes im Lappenhaufer Kriege
fich begegnen? (Vgl. Eutermann, Ravensburg 56: Sig. iudomiti viri.)
2 Im Geſchlechte von Ellerbach war ber Name Burkard herlömmlich (Mo-
numents boica 35, Index personarum 316 5); zwei diefer Burlarde aus dem
14ten Jahrh. werden non Sucenwirt gepriefen, der ihren Kriegsthaten drei
Neimreden widmet (Suchenwirts Werte S. 28 ff., vgl. 219 ff.) und von bem
jüngern ausdrüdiih fagt: „Sein nam ift unverdrumet: | ber Buppli von Eller-
wad, | dem trew und er nie gebradh. | Burkart ift fein rechter nam“, ferner: „ber
Buppeli von Ellermad); | in der tauff ward er genant | Burlart, fein nam mas
weit erlant“ (ebd. 30. 38); fir Wittenweilers Beit gedenkt eine Augeburger
Urkunde von 1447: „des firengen bern Buppelins von Ellerbach, Ritters, bes
eltern” (Monuments boica 34, 401 fj.), was noch einen jüngern besjelben
Namens annehmen läßt. Kürzungen von Burkhard find im Jahrzeitenbuch wen
Wurmlingen (Bl. 10. 16): Bürdi, Bürcki.
373
drũcklich bervorgehoben 1. Der ganzen Anlage nach hat Wittenweilers
Arbeit ihr einfacheres und harmloferes Vorbild in dem unbezweifelt
ſchwabiſchen Gerichte des 14ten Jahrh. von Bärſchis Hochzeit mit
Mepen ?. Diefes ift im Ring mit voller Freiheit umgeftaltet, greller
aufgemalt und ungemein erweitert. Dennoch find nicht bloß die Ramen
der Hauptperfonen, des Bräutigams und ber Braut, ſowie mander
Rebengänger, ftehen geblieben, fondern aud einzelne Darftellungen
und Redeſätze faft wörtlich dem älteren Stüd entnommen ®. Insbe⸗
fonbre nun war ber durchlaufende Name des erfien Helden, Bärfcht,
Beriſchi, d. h. Berchtold 4, ber auch für andre Mitjpielende fih mehr
fach wieberbolt, nad dem Zeugnis alter Jahrzeitenbücher, ein beim
Lanboolle der Berchtoldsbaar fo beliebter, daß er als [1, 334] förm⸗
liche Loſung bdortiger Landsmannſchaft angefehen werden kann. Der
1 Der Bundesbrief von 1463 bezeugt „die trüw liebe und friimdichaft, fo
unfer vorbern und wir lange zit mit einander gehabt hand“ (Mudgaber, Ge⸗
ſchichte won Rotweil Bd. 2, Abth. 2, ©. 220) Bon dem Hülfzug „gen Nanfee“
befagt ein Gedicht des 15ten Jahrh.: „und der rauhe Schwartwald | brachte
bauren ungeflaft, | die nit zu verachten findt, | dann fie halber Schweitzer
findt | in dem groben weien, | als ich hab gelefen: | die Schweiger und ir alt
vorden | humen auß einem orden“ (H. Schreiber, Taſchenbuch u. |. m. 1844,
S. 888).
3 Liederfaal 3, 899 ff. Graff, Diutiffa 2, 78 ff. Liederbud der Hätzlerin
259 fi. (Mörin, vom J. 1453, BI. 27: Do Meyer Bertfchen hochzeit was.)
9 Man vgl. Metzen Hochzeit im Liederſaal U. 42 biz 44 mit Ring 23, 19.
38, 7 68 9; Liederſaal 8. 822 bis 827 mit Ring 33, 21 bis 25; Lieberfaal
B. 418 is 424 mit Ring 346. 48 bie 45; Liederſaal B. 483 bis 437 mit
Ring 845, 8 bis 11; Diutiſta 2, 87 uud Häplerin B. 290 fi. (Liederfaal
B. 4% fi. adgeriffen) mit Ring 986, 44 ff. Liederſaal B. 578 ff. mit Ring
40, 55 fi. Triefnas Heißt im Liederfaal B. 102 nicht der Bräutigam, aber
ein Berwandter besfelben, Guggoch, Iſengrin u. a. erfcheinen bier wie dort.
4 &o wirb Bärtſchi im Wing bei der feierlihen Verlobung angerebet,
82c, 21: „nu dar, herr Bertolt, Hörft du das?“ 82d, 228: „jag an, Perh⸗
toft, yei beiner treuw!“ Beide Formen gebraucht auch das Wurmlinger Jahr⸗
zeitenbuch, BL. 2: berchtoldus nadler, Bi. 8: berticht nabler.
5 Bielfach begegnet er in mehrgebachten Wurmlinger Bude, öfters auch
in einem bortigen Rodel von 1480 und im Reibinger Anniverfarium; häufig
daneben am erflen Orte Met, Mätz (zugleih mit mecilt, Mechtbilt), einmal
in derfelben Stiftung, Blatt 25 5 nıet und bertſchi. Ein in ſchwäbiſcher Mund-
art verfaßtes, um 1630 gebrudtes Lied, Schilderung einer Bauernhochzeit, gibt
374 -
Hauptortöname Lappenhaufen, gleichartig mit Narrenhaim und Toren
hofen (S. 370), iſt im älteren Gedichte, das feinen Ort nennt I, bock
ſchon dadurch angellungen, daß es die am Tanze fpringenden Dörpel
als „lappen” Yennzeichnet . Lapp, twober bann läppifch, der Läppiſch
(das Läppilchthun), lappen, war in der Zeit und Gegend, welche ber
Ring angeht, das bezeichnende Wort für die närrifche Luſtigkeit ver
Bauern und den gleich brolligen Scherz, ber mit ihnen getrieben wird.
Cine Meile unterhalb Rotweil, auf eine nad dem Nedarthal aus
blidenden Höhe, fteht noch trümmerhaft bie Burg Herrenzimmem,
einftiger Stammfig Herrn Johanna von Zimmern, zugenannt der Lapp,
ber, um 1354 geboren und 1441 verftorben, ein jehr angejebener, ob⸗
gleich feltfamer Mann, durch feine Läppiiche Händel mit den Bauern
von Wittershaufen (im Bezirke Sulz) diefe jo fagenberühmt machte,
dak ihnen, in Gemeinfchaft mit denen von Gaienhofen am Zellerſee,
die im Ninge von den Nifiingen mit um Hülfe befchidt werden
(42c, 24), unter den Schmabenftreichen ein beſondrer Abfchnitt zu
mwibmen ift3. So war auf diefem Boden für die Bauernſchwänke bes
dem Brautpaare ſchon die firhlichen Namen Hänßle und Graetta, bezeugt
übrigens, wie andauernd diefer poetiſche Stoff in Schwaben beliebt war, |Bgl.
G. 8. Frommann, Die deutihen Mundarten 4, Nürnberg 1867. ©. 86 fi. 6.)
1 Nur die Vauernnamen B. 28: Göswin, der Bäftnger, und B. 112:
Wächringer lauten örtlich, jtir erſtern bieten fih etwa Böſingen (Bezirks Rote
weil, eın andres Bezirks Nagold) und Baifingen (Bezirks Horb).
2 3.464 f.: Dietorpel, nuo die lappen, | fprungent aljo vaft, | das im
das ſtro taft | vz den ſchnochen uff den plan, j wann in die folan bafz [L. bos
man. Dieſem wän (für wären, vgl. A. Kellers Megifler zu Martina ©. 763 0)
im Heim auf plän, wie vorher 3. 315 f. mit gän, entfpricht noch die heutige
Notweiler Mundart, in weldher r vor u ausfällt (Lauchert a. a. DO. 14, vgl
Schmeller, Mundarten 682, allgemein ſchwäbiſch find ſolche Auslaffungen nice).
Stammbaum der Dorflappen Faſinachtſpiele 525, 12 ff. vgl. 344, 17.
3 Über diefen Johann von Zimmern |. Rudgabers Weichichte der Grafen
von Zimmern, Rottweil 18W. S. 65 fi. Zum Worte Lapp vgl. Benede 1,
989. Schmeller 2, 485 1. Die im Froſchmeuſeler zweimal genannten Lappen⸗
bäufer (9. Keller, Berxede zum Wing VIII) haben Bezug auf die aus bunten
Lappen zujammengeflidte Banernkleidung. Das Lappenweſen ift um Laufe des
1dten Jahrh., wie früher ſchon die Neidhartsdichtung, zur höfiſchen Mode ge
werden. Davon zeugen reichli die bairiſchen Schwänte Hans SHefellabers
($ 1470 als Pfleger zu Päl) und auch ein ſcherzhaftes Lieb feines Her, des
Herzogs Ludwig von Baiern, in Münchner Handichriften des befagıen Jahrh.
375
Rings überhaupt ſchon mehrfältige Bereitihaft vorhanden. Auch das
findet fich fchon im älteren Stüde, daß bei Metzen Hochzeit gefungen
und gejagt wird, doch ohne daß ein Inhalt dieſer Vorträge angegeben
wäre Der Dichter des Rings ſetzt nun den gangbaren Spruch,
[1, 335] daß die Bauern fo viel von Dietrich dem Berner fingen und
fagen, in lebendige Handlung. Überall zeigt er genaue Kemmtnis ber
Sitten und Gebräuche des Landvolls, felbft wenn er fie im Zerrbilde
lächerlich macht, aber eben vie Berfpottung und poffenhafte Übertreibung
wäre zum voraus unverfiändlich geiveien, wenn fie nicht einen Gegen»
fand in der Wirklichkeit gehabt hätte. Wenn er fonft Schwaben ins
Auge aefaht hat, jo war ja gerade in biefem Lande das Edienlieb, das
er ſcherzhaft verlehrt, entſtanden und vor allen andern vollemäßig ge
worden; warum follten auch die ſchwäbiſchen Bauern nicht vom Dietrich
gefungen haben, über den, nad einem Zeugnis aus Tübingen vom
Sabre 1500, fogar geprebigt wurbe 2?
Der Bang der Unterfuhung hat dicht an die Stätte zurückgeführt,
wo- einft die Eheleute von Bern ſich und ihre Burgen nach dem Helen
1 &eberjaal B. 808 ff.: „Ainer grogiert, der ander fang, | ber trit fait, ber
fiexd fprang, | bilz da di brut geziert wart“ n. |. w., im Ringe wird beim Ge⸗
lag «ch von Berner gefungen und dann durcheinander (37 d, 17 ff.): „alfo Yaob
do ieder man | ze fingen und ze fagen an, | und was ber herr hiet an ge
haben, | e3 wär von fingen oder fagen, | daz chond der chnecht mit zlichten
Rören, | niemant wolt den audern hören” u. |. w. Das Lied in ſchwähiſcher Mund⸗
art (&. 873, Anm. 5) läßt den Geſang vor der Brautlammer anfimmen, Str. 68:
„As fingt an jedas wat as fan, | da blauha Stoarda [Gargantua Kap. 1: das
biaw Gtordenlid; ME. 8, 8035, 15: der ander fang vom ſtörchen und von
lerchen; meine Bollslieder Ar 10], dan Hanfelman, | das Scheafanappele, ba
Granfa von Rom [Bollsliever Ar 299], | da Geredom, da Kemmatfeagar.“
(Bl. Schiltbürger Gap. BL: den Bentzenawer vor der Thliren gefungen, Volla⸗
Nieder Ar 174. Helmbrecht 1588. Ruddlieb XIV, 88 f.)
‘2 Henr. Bebelii Commentaria n. |. w. Phorce 1510 (die Zueignung an
Herzog Ulrich aus Tübingen 1500), Blatt 180: Et ego novi unum, qui sum
concioni testimonium adhibuit ex gestis Theodorici, quem nostri dusem
Veronensem vocitent, cum merum sit commentum, sicut omnes alle can-
ones vernacule de gigantibus, de Fasoldo, Hildebrando, de duce Ernesto
et de aliis w. |. w., nec pro veritate reciiantur a pradentibus, verum ger-
manica est potsis, que prineipes ad reg fortiter gerendas illorum exemplis
cokortetur u. |. w. (Bgl. Cruſius, annal. 3, 558. „Der jelen oil“ in
Fr. Pfeiffer Auszug S. 7.)
376
—
der Sage benannt hatten. Dem benachbarten und verwandten Ge
Schlechte von Zimmern ! war es für fpäte Zeit noch vorbehalten, an
der Dietrichömäre felbft fortzubichten. Ein Nachlomme Johanns mit
dem Beinamen Lapp, der Graf Gotfried Wernber von Zimmern, nahm
während der Unruhen bed Fürftenfriegs im Jahr 1552 feinen Mohnfig
auf der im maleriſchen Donauthal beim SKiofter Beuron gelegenen
Burg Wildenftein, einer Erwerbung feines wohlgelaunten Ahnherru.
Ihn beftimmte dazu die überaus fefte Lage ber noch jetzt beſtehenden
Burg auf einer fchroffabgerifienen Felszacke. Aus den Tagen viefes
Aufenthalis erzählt fein Bruder Wilhelm Wernber, ber Geſchicht⸗
Schreiber des Haufed, Folgendes (Zimmrifche Chronil S. 1038 [Ausgabe
von Barad 4, ©. 161. H.):
„Sonft begaben ſich zu Wildenftain vil ſelzamer hendel. Der alt
herr war mit fo großer forg in ein foliche unorbnung mit een, trinken
und [1, 336] ſchlafen kommen, daß auch menigllich hernach deſſen höch⸗
lichen an der geſundhait entgelten müeßen. Es konte des morgens
blößig ſiben uf der uren ober uf das ſpeteſt achte ſchlahen, er wolte
den imbiß eßen, fo war noch niemands Iuftig, nochdann ime zugefallen
mueßt man eßen; nach eßens berueft er ber fchreiber ein, mit bem
zecht er und under ber zech macht er reimen bon bem Berner und ben
sifen, wie dann folih buech, damit er vil müche und arbait gehapt,
noch zu Wildenftain vorhanden” u. f. m. 2
Nah Proben andrer Art, bie von der dichteriſchen Begabung
Wernhers zeugen Fünnen 3, ift dieſe nicht hoch anzufchlagen und würde
1 Jakob von Bern vermählt fi) 1464 mit Anna, geb. Yreiin von Zimbern,
Witwe Diepolts von Geroldsed, Zimmriſche Chronit &. 190 [Nusgabe von
Barack 1, ©, 852. 353. H.], vgl. Rudgaber a, a. DO. 81.
2 Die Chronik fährt fort: „Nach den zwai uren nach mitemtag fieng er an
das nachtmal, das weret biß umb die Bier uren ungefarlidden, do war aber
niemonds luſtig; nachts umb die neun und hernach do bet ieberman erſt gern
gefien. Alſo zu der zeit, do man fchlafen und an die rue folt geen, do fieng
man erſt an zu dempfen, das weret etlich fund in die nacht. Mit ſolicher um
ordnung warb ber fommer und auch darnach ber volgend herpk mertails vol⸗
pracht. Iſt damit dahin fomen, daß iren kains kain rechte bebarliche gefunthait
nie gebapt. Und wiewol bie feind, wie obgehört, ufferm land, iedoch wolt ber
alt herr dem wetter nit gleich trauen ober fo bald ven Wildenflain weichen.”
Laßberg hat zuerſt auf die enge Stelle aufmerffam gemacht.
I Bei Audgaber a. a. D. 257 fi
377
fein mühfames Reimwerk, nad Geift und Stil, nicht einmal mit bem
inhaltverwandten von Dietrich und feinen Gefellen, gefchweige der ge
priefenen Kunft Heinrich? von Leinau oder der Lebenbigleit des Eden:
lieds, fich vergleichen dürfen. Dennoch ift der Verluft des Wilden⸗
feiner Buches fehr zu beflagen, da dem alten Zecher auf dem Felſen⸗
ſchloß jedenfalld die in feiner Zeit und Umgebung noch gangbaren
Kunden aus diefen Sagenkreife zu Gebote flanden.
Dieb ift, wenn aud nur in Brucdftüden, die Rechenſchaft über
den befondern Beitrag Schwabene zu der gemeinfamen Anerlennung
bes edelſten und volfsthümlichiten Helden im deutfchen Sagenrreiſe.
Hiezu kommt, daß in Schtwaben die gothiſche Dietrichäfage ſoviel reich:
licher vertreten war, ala die fränkische Siegfrieds- und Nibelungenfage;
der fanctgalliihe Waltharius ift uriprünglih burgundiih und wenn
auch die älteften Handichriften des Nibelungenliedes von der Nähe des
Bodenfees kommen, fo bat doch das Lieb, wie es in dieſen ausgeftaltet
iſt, den Abſchluß des großen Kampfes bereits in Dietrichs Hand ge
legt. Die ſchwäbiſchen Zeugnifie reichen, foweit fie äußerlich beurfundet
find, das Bildwert zu Bafel und einzelne Namenfpuren ausgenommen,
nicht über das 13te Jahrh., die noch vorliegenden Lieber nicht über
defien Neige hinauf, gehören fomit einer Zeit an, in welder bie
Dietrihsfage längft durch mancherlei Wandlungen und Milchungen ges
gangen, ihrem inneren Weſen nad nur noch balbverftanden und ihre
lebendige Trieblraft am Erlöfchen war. Daraus folgt aber keineswegs,
daß fie diefer Gegend nur erft in der Form ritterlich: märchenhafter
[1, 337] Abenteuren zugelommen fei, im Gegentbeil macht ſich eine ältere
und tiefere Begründung berjelben gerade bier fühlbar, fie iſt in alle
Schichten des ſchwäbiſchen Volkes eingebrungen und Feines andern
Helden Name hat fich jo nachhaltig in ben Gefchlechtern fortvererbt.
Wirklich erfchließt ſich auch über die bemerkten Zeitgrenzen hinaus ein
Zernblid nad) beiden Seiten der Sage von Dietrich, der geichichtlichen
unb ber mythiſchen. Geſchichtlich oöortliche Beziehungen Schwabens zum
Schauplatz der befungenen Kämpfe in Oberitalien und Tirol find aus
dem 12ten und 13ten Jahrh. angebeutet worden. Ein viel engerer
Berband war aber fchon volle ſechs Jahrhunderte früher angelnüpft.
Dietrich von Bern, der ftehende Name in Lieb und Sage, weiſt zw
gleich entſchieden in die Gefchichte, auf den oſtgothiſchen Theoderi zu
378
Verona, diefen meint ſchon das ältefte Sagenliev, das von Hilbebrand
und Habebrand, wenn es ihn gleich in geichichtiwinrigen Zuſammenhang
bringt, und ihn bezeichnen auch, obfchon zum Theile ven Widerſpruch
rügend, die Zeitbücher, melde der Sage gevenlen. Diefer Amalung
Theoverich, der Sohn Theodemirs (Dietmard), war, auf ber Höbe
feines Ruhmes, ein bülfreicher Freund der Alamannen. Als die Madıt
derjelben durch den Sieg Chlodwigs vom Jahre 496 gebrochen und der
nörbliche Theil ihres Gebiets der fränliihen Botmäßigleit unterworfen
war, nahm Theoderich, deſſen Herrichaft zuvor ſchon über Nätien fid
erſtreckte, das ſüdliche Alamannien in feinen Schub und räumte zw
gleich einer zahlreichen alamanniſchen Bevölkerung Wohnfige und Bau
land innerhalb ber Grenzen Staliens ein. Mitten inne zwiſchen ben
eiferfüchtigen Gewalten Chlodwigs und Theoderichs hatten dieſe Al
mannen fich leßterer zugewandt und felbft dann noch, als nach Theode⸗
richs Tode das ganze Alamannenland unter fränkiſche Dberberrlichleit
geflommen war und das Reich, das er begründet hatte, bem Falle raſch
entgegengieng, waren es zivei alamannifche Herzoge, bie Brüder Lew
tharis und Butilin, die, mit Wiberftreben bes jungen Franfenlönigs
Theubebald, den Oſtgothen in ihrem lehten Kampfe gegen Narfes ein
große Heer von Alamannen und Franken nah Stalien zuführten.
Leutharis und ein bebeutender Theil feiner Kriegsſchaar wurden, auf
dem Rückzug mit der gemachten Beute, von einer Seuche hinweggerafft;
Butilin, dem die Gothen ihre Königswürbe in Ausficht ftellten, ſtritt
553 die biutige Schlacht bei Capua, die ihm den Tob und feinem
Heere Vernichtung brachte, womit aber auch die Auflöjung des Gothen-
reichs entichieben war 2, Die [1, 338] Verbindung der Sübalamannen
mit biefem Reiche hatte zwar unter Theoderich jelbft nur dreißig Jahre
I Sein Yürfchreiben an Chlodwig bei Caffiodor, var. 2, 41; die Bande
rung durch Noricum betreffend: ebd. 3,50 (vgl. Huſchberg, Geſchichte der
Alemammen und Franlen 648). Ennodius, panegyr. 15, vgl. 17 (Zeuß 688 fi.)
Agathias, hist, 1, 6. Theoderichs Herzog ber Rätien: Gafliovor, var. 1, 11.
7, 4. Frilhere alamannifde Anfiedlungen am Bo und in den rätifchen Mipen:
Ammianus Marcellinus 28, 5. Jornandes 55,
2 Agatbias 1, 6f. 2,1618 10. Bgl. Gregorius Turonenſis, hist. France.
4, 9. Panlus Diaconns, de gest. Langob. 2, 2. Rod einige Jahrzeheube
fpäter Tieß der oftrömifche Kalfer Mamitius an die Spite feiner pompbaften
Siegestitel nebeneinander feßen: Alemannicus, Gothicus.
310
und nad) deſſen Tode jehr kurze Zeit noch gebauert 1, aber die Volls⸗
geſchicke, unter denen fie zu Stande gelommen, waren ernſt genug, um
bei den Alamannen tiefe Eindrüde zurüdzulafien und, wenn aud bie
geſchichtlichen Erinnerungen als folche fich verbunlelten, dem Namen
und Bilde des Netter und Beichirmers ein bleibende Gebächtnid zu
fidern *. Theoderichs mächtiges Wirken in alien war von ziveis
facher Beichaffenheit, erft ein Triegerifches, wie er in ben Kämpfen mit
Dvoaler vor Berona, Ravenna, Mailand, ſich ein Reich eroberte, unb
von diefen Kämpfen erhielten ſich Nachllänge im alten Hilbebrandss
liede, bier felbit mit Doakers Namen, tann im Gebichte von ber
Schlacht vor Raben und andern (vgl. ©. 352), fo jedoch, daß durch
Beiziehung des früheren Ermanarichs and des hunniſchen Attila ſich
Zeit und Berfonenftellung vielfach verwirrte ?; ſchon die proſaiſchen
1 Agathias 1, 6. Bgl. Stälin 1, 151 f. 170. Eine Folge diefes einft-
maligen Zuſammenhangs mit dem Gothenreiche mag es fein, daß ber Name
Amelung, urfprünglich oftgorhiiher Stammname, jo häufig in alamannifähen
Urfunden vom Ende des ten bis zu dem des 10ten Jahrh., beſonders auch
bei Bögten des Klofters St. Gallen, alfo Männern von Anfehen, vorkommt
(Reugart, ind. onomast. 93 0). Noch in der Urkunde von 1301, welde
Dietericus, dietus Märehelt de Wurmelingen, an lebterem Orte ausſtellt
(S. 337, Aum. 3), zeugt mit Dietericas de Stainhülwe auch ein Amelungus.
In einer Urkunde aus Odenheim, unweit Bruchſal, von 1109 find Zeugen Ame-
lungus, Diethericugs Franci (Wirtembergifches Urkunden» Buch 1, 338), es ifl,
als hätten Amelunge fi durch den Zunamen Heimatredht auf fränkifchen Boden
erworben. Die Bedeutung jener ſangalliſchen Amelunge hebt ſich noch dadurch,
daß im ganzen Urkundenfchake der weitum begüterten Abtei neben den Einzel⸗
namen Sigifrid, Hagano u. |. w. (S. 346, Anm. 1) doch. nirgenda em ſtamm⸗
namiger Nibeling bervortritt. Im Waltharius wird diefer Stammname ſichtlich
als ein fränfifcher bezeichnet (®. 655: Eranct Nebuilones).
2 Rieger, in Wolfs Zeijchrift filr dentfche Mythologie t, 281 f., nimmt
an, daß die Aamannen in Rätien und Noricum Erben der gothiſchen Helden⸗
fage feien.
3 Die Quedlinburger Jahrbücher (S. 340, Anm. 1) nehmen feinen Anfland,
den Amalıng Theoderich als Zeitgenoffen Artilas und deſſen Schükling wiber
Ermanari und DOdoaler gelten zu laſſen fleilen jedoch den für geſchichtlich
eradhteten Thatſachen mit den Worten: et isie fuit Thideric de Berne, de
quo cantabent rustici olim, der früßeften Erwähnung dieſes Baueruſingens,
Dietrihsmären gegenüber, die fie für fabelhaft gehalten zu haben fcheinen, wohl
eben die noch Tangehin beim Vollke beliebten Wafvabenteuer.
380
Gesta Theoderiei aus dem Tien Jahrh., denen dieſe Beimiſchungen
noch fremb find, lauten gleichwohl nicht mehr reingeſchichtlich und haben
epilche Keime angejegt, die fortan in Lieb und Sage fi) weiter ent
falteten 1. Auf die Begründung der ita[ı, 339]lifhen Gothenherrſchaft
aber folgte die andre, frieblihe Wirkſamkeit Theoderichs, wie er int
beſondre den Feldbau durch Urbarmahung verfumpfter Landftreden
förderte und eben auch den Alamannen beftellbaren Boden anwies 2.
Wenn nun aus diefer breißigjährigen Friedenszeit nicht bloß der Über:
1 Gesta Theod. regis (Mones Anzeiger 4, 14f. 7, 855 fi. Canis. lect,
anti. ed. Basen. 2, 188 fi. Aimsin. 1, 10. J. Grimm, Neinbart Fucht
XLIX), woraus namentlich Folgendes: Theoderich flüchtet fih aus einer Schlacht
mit Odoaker und den Herulern nad Ravenna, wo ihm feine Mutter vermweifend
entgegentritt: er könne nirgenphin fliehen, ala wenn er in ihren Schooß zu-
rüdtehre, tief beſchämt, will er lieber flerben als leben, wirft ſich mit fleiner
Schaar auf die Feinde und vertilgt fie, geradwie Dietri in ben Lichern
(Rofengarien, Edenlied, Nibel. m. a.), von Anfang kampfſcheu und zögernd,
erft heftig aufgereizt werden muß, dann aber in feiner Zornflamme unwider⸗
ftehlich losſchlägt; auch die Erzählung der Gesta von Theoderichs Zweilampfe
mit dem avarifchen Reiter läßt ihn zulekt, aber allein fieghaft, zum Gtreite
gehen und ift zugleich ein treffliches Vorbild ähnlicher Kämpfe, durch die er ſich
tapfre Genoffen erwirbt und mittelft welcher die manigfachen Heldengefchichten
der nordifhen Saga in feiner Perſon verbunden find; dem jungen Theoderich
zur Seite fleht ein Muger Berather und bis zum Tode getreuer Freund (cum
Theoderico amieitias iniens, quas usgue in diem obitus custodivit), Ptole
mäns, und es ift unter dieſem Ramen ein deutfcher Wigand, Wighere, Wighart
vermuthet worden (J. Grimm, a. a. O. Maßmann, Kaiferdronit 8, 808);
näher und gleich wortgerecht gäbe fi Hildebrand, ber weile und treue Meifter
Dietrich, if doch, nad andrem Bericht, auch Theoderichs gothiſche Matter
Erelieva in der Taufe zur griehifhen Eufebta umgenannt worden (Anonym.
Vales. &, 719, vgl. Jornandes G. 52).
2 Ennoding 1. c. 15. Manfo, Beichichte des oſtgothiſchen Reiches in Italien
126 fi. Caſſiodors redneriſche Amisſprache im Namen des Könige Theoderich
: fiber die abzumehrenden Greuel der Berfumpfungen rührt nahezu an das vnolls-
mäßige Bild des Lindwurmlampfes, ver. 2, 21: ubi aquarum vasta profun-
ditas terrenam gratiam ... absorbuerat; ... celatamque longa voracitate
tellurem u. f. wm. 2, 32: paludem Decennonii in hostis modum vieine
vastantem u, f. w. Hunc ergo audacem laborem aggressurum se... ut
pereunte damnoso gurgite, que fuerant amisss, ulterius non perirent ....
opus ezimium, quod erit cunctis viantibus profuturum. Bgl. ©. 886 und
S. 40, Anm. 2. [Bergl. auch oben S. 278. 9]
381
fluß an Weizen und Wein, ſowie die allgemeine Sicherheit des Ber:
kehrs angerühmt, ſondern letztere noch eigend damit beranfchaulicht
wird, daß Theoderich nirgendwo Stadtthore machen ließ, daß aud
innerhalb der Stadt die Thüren nicht geichlofien wurden und man
ebenfo gefahrlos, ala im Umfang der Stabtmauern, Silber und Gold
auf dem Felde laflen Tonnte, daher auch benachbarte Völker fih ihm
in Bündnis untergaben und ihn zum Könige wünfchten !, fo find das
tollfommen fagenhafte Züge, bie fi) ebenfo altnordiſch in Frodis Frieden
vorfinden 2. An dasfelbe [1, 340] Heldenthum ber twaltenden Friedens
band lehnt ſich dann auch die mytbifche Seite der Dietrichsiage mit
ben vorzugsweiſe vollsthümlichen Liedern und fonftigen Überlieferungen,
in welchen Dietrich als Bezwwinger der Wurme und Rieſen, bes Wald:
1 Anonynı. Vales. (hinter Ammisnus Marcellinus cum not. Gronor.)
&. 719: Cujus [Theodorici] temporibus felicitas est secuta Italiam per
annos XXX ita, ut eliam pex pergentibus esset u. |. w. ©. 721: Bed etiam
per elias civitotes multa benefßicia preastitit. Sic enim oblentavit vieinas
gentes, ut se illi sub ſœdus darent, sibi eum regem sperantes. Negotiantes
vero de Jiversia provinciis ad ipsum concurrebant, Tantæ enim djscıplıne
fuit, ut, si quis voluit in agro suo argentum vel aurum dimittere, ac si
intra muros civitatis esset, ita existimareiur. Et hoc per iotam Italiam
augurium habebat, ut nulli eiviteti portas faceret, nec in civitate porte
elaudebantur; quis, quod opus habebat, faciebat qua hora vellet, ac si
in die. Sexaginta modios tritici in solidum ipsius tempore fuerunt et
vinun triginta amplıoras in solidum. gl. Gaffiodor, var. 9, 10 (Atha⸗-
larich von der Zeit feines königlichen Ahns): longa quies et culluram agris
prsstitit et populos ampliavit. |
? Sn. Edda, Arnam. 1, 874 f.: Syrir bri at Frödi var allra konunga
rikastr & nordriöudum, b& var honum kenndr fridrinn um alla danska
tangu, ok kalla Nordmenn bat Fröda-frid u. |.w. P& var ok engi biofr
eds ränsmadr, svä at gullbringr einn l& 4 Jalangrsheidi lengi. Saro 5,
92: Victor Frotho, pacem per Omnes gentes reficere cupiena, ut uniuscu-
jusque rem familiarem a furum incursu tutam prestaret otiumque regnis
post arma assereret. ermillam unam in rupe, quam Frothonis petram
nominent, alteram apul Wig provinciam, babita cum Norvagiensibus
coneione, defixit, edicte a se innocentiee experimentum daturas u. f. w.
aurum absque custolia, mediis affixum triviis u. f. w. Jussit etiam, ne
quis wdem vel arcam seris obfirmatam haberet, ant rem claustrorum ceu-
stodis contineret, triplicem amissorum restitutionem promittens (vgl. ebd.
5, 35 [vergl. Schriften 7, &. 118. H.).
382
manns, der Zwerge, allzumal leibbafter Geftaltungen wilder und
widerfpenftiger Naturfräfte, dargeftellt ift; altgothiſchen Vorgang er
geben biefür Dtnus und Wolfdietrihe Kämpfe mit den Lindwürmen,
vor denen die Bauleute weder ihre Ader anzufäen, noch ihre Wieſen
am Walde zu mähen wagen 1, überhaupt hat fich bier der gefchichtlice
Sagenbeftand mis der Sinnbilbipracdhe des germaniſchen Glaubens von
den rettenben Thaten volfliebender Götter und halbgöttlicher Helden
verbunden. Nach Bertilgung der Rieſenbrüder Ede und Faſold, welch
lesterer anderwärts als Wettergeift bezeugt ift?, kommt der Berner
zu einem Bauern, ber auf feinem Gereut im Walde mohnt und ale er
feinen liebften Herm, deſſen Verluſt ihm und feinen Kindern berber
als der Tod geweſen wäre, wohlbehalten fiebt, ihn vor Freuden küßt
und fi) ibm zu Füßen wirft dann ihn mit Braten, Huhn, Käie,
Brot, Eiern. und gutem Weine bewirthet, wofür Dietrich dem getreuen
Baumann den Hof für eigen bingibt 3; nicht minder bauernfreundlich
erweift er fih im Rofengartenlieve, denn als er an Heeresfpige nad
bem Rheine zieht, um mit den riefenbaften Hütern des Gartens zu
1 Omit, Mones Ausgabe, Str. 567: „Do getorften die bulut [büfinte] ir
eder nit gefeyen | und ouch nor bem walde der wijen nit gemeyen“; Ambraſer
Handfchrift (na Bergmanns Abſchrift) Str. 521: „ſy torſten auf dem velde ir
agler vor in nicht gefäen, | noch getorften vor den. walden ir wifen nicht ge
mäen.” Str. 522: „jagern und gepauren namen ſy dag leben, | die warm wolten
nyeman fairten fride geben“ (vgl. Ettmüllers Ausgabe VL 88 f. v. d. Hagen
Heldenbuch 1855, 1, 60).
2 Mythologie, Ite Ausgabe, Anhang OXXXII.
3 Die laßbergiſche Handſchriſt des Edenlieds geht nicht ſo weit, aber die
St. 267 fi des alten Druds find im Grundbeſtand echt; hieher beſonders
Sir. 268: der tobt möcht. mir weger fein | mir ond den meinen finden | hab
id) den herren mein verlor | das Mag ich heüt und ymmier | das ich ye ward
geborn. Str. 269: er hieß mit nammen Dieterih | und waß der vogt von
Berne | er was kuen an der flerde fein | edel reich und milde z. |. w. Str. 270:
Bnd do der Berner das erſach er wandt dem bauten fein vugemach | bannen
band ec vom baubet | den ſchilt und auch das haubet tach ſ als jn der meyer
bloſſe fach | aller erft der baur glaubet das er fein rechter herre was | er ſchluog
fi) zuo der brufte | vor großer frönden thet er das | fern herren er da Kalte |
fiel oft auf die fueße fein | o wol mir heut und Yyminer | vil liebſter herre mem.
Str. 374: der hoff fol gar dein eygen fein | da du bift auff gefeffen | ber
banwmann regt die hende fein | do leyh er jm für eygen | huob auff jem ge
gereyte [l. gülte] gar.
383
fireiten, dba feben die Reitenden manchen Bauern neben ſich zu Ader
gehn, feinem arınen Manne nehmen fie etwas von dem [1, 341] Seinen 1.
Nirgends in einem deutſchen Heldenlied, außer in diefen von Dietrich
und dem verwandten von Dinit, ift eine® Bauern gedacht, um fo
weniger kann es zuföllig fein, daß in erftern bie Riefenbelämpfung mit
dem Wohlwollen gegen den Lanbmann zufammengeht. Auch das ſtimmt
nicht von ungefähr, daß in der nordiſchen Götterfabel Thor, der Bew
malmer ber Sturm: und Bergriefen, der Belämpfer des Midgards⸗
wurmd, damit auch Freund ber Bölfer, der dem Menfchengejchlechte
hilft, der den bei Vornehmen angejebenften Mann dem Volle verhaßt
machen Tann. zu dem bie Thräle nach ihrem Tode kommen, daß biefer
ebenfo fchlagfertige als leurſelige Gott auf feiner Ausfahrt nach Jötun⸗
beim bei einem Bauern Nachtherberge nimmt unb- fortan deſſen beibe
Kinder zum beftännigen Geleite hat?. Diefer Bezug auf den Donner:
gott ift bier nicht weiter zu verfolgen, aber mit Kunden, mie die vom
Baumann des Edenlieds, hänzt es gewis zujammen, daß die Bauern,
zumal die fchmwäbifchen, vom Dietrih von Bern fo viel fangen und
jagten.
1 Nofengarten, W. Grimms Ausgabe, 799 ff.: Do riten gein dem Nine
wol ſehzec täjent man, | fie ſahen manegen büren neben in ze ader gan. |
dirre herren file was guot unt wol geribt, | kämen arme II. feinem armen] manne
nämen fie des finen nibt.
⁊ Hymiskv. 11: vinr verlyda. 17: briotr bergdana. 19: Purs-rädbeni.
22: s& er öldum bergr | orms einbani (vgl. Harbarılsl. 23). Fornald. S. 3.
33: Odion melti: bat skapa ek honum, at hann [SAirkadr] skal Pikja
haedstr enım göfgussum mönnum ok hinum beztum. Pörr meet: leidr
skal haun alpydu allri. Harbardsl. 24: Ydinn 4 iarla | hä er i val falla, |
en börr & brela kyn. Sn. Eva, Arnam. 1, 142: Öku-börr för meil hafra
sina ok reid u. |. w. koma peir at kveidi til eins bülanda uk f& bar nätı-
stad u. |. w. börr baud til matar mei ser boandanum ok konu hans ok
börnum peirra u. f. w.
384
[4, 35] 3. Bodman.
In der norbmweftlihen Bucht des Überlinger See fpiegelt ſich,
am linken Ufer bingeftredt, der Marktfleden Bodman mit dem hinter
ihm anfteigenden Waldgebirg, auf deſſen Borfprüngen das von alten
Linden umgebene Rapellenhaus des Frauenbergs und bie fchroffen, jetzt
Altbodman genannten Burgtrümmer fih erheben. Bon dieſem Geftab
aus wird nicht mehr weithin über ben Bobenfee und über alemanniſche
Gaue geiwaltet, aber den Erforfcher vaterlänvifchen Alterthums zieht
gerade das an, einen vom Heerivege der Gegenwart abgelegmern, ver:
ſchatteten Ort in feiner einftigen Bedeutung für Geſchichte und Sagen
funde wieder aufleuchten zu laffen.
Die Geichichte von Bodman fol bier eben nur foweit erörtert
werben, als es zum Verſtändnis der fagenhaften Überlieferungen, bie
ih an ihr aufgerankt haben, erforberlich ift und die vorerft verfügbaren
Hülfsmittel ausreichen 1. Sie theilt ſich in zwei noch wenig vermittelte
Zeiträume, den älteren, der die Königspfalz und ihre gräflichen Inhaber
betrifft, und einen fpäteren, welchem daß feit ver Mitte des 12ten Jahrh.
bis auf diefe Tage dort anfäßige Adelsgeſchlecht zufällt.
Bodman ericheint zuerft in der zweiten Hälfte bes Bten Jahrh.
ala Sig königlicher Statthalter in Alemannien, dann in Urkunden des
Hten u. 10ten Jahrh., ſowie in andern diefe Zeit angehenden Geſchicht⸗
- quellen, al Hof (ourtis, o. regis publica, regia), Weiler (villa, v. regia
[auch als Burg (in castro), vgl. S. 396, Anmerl. 1. Pf.]), [4, 36] mit
darin oder dabei befindlicher Königspfalz (Potamico palatio, pal. regio).
Daß letztere nicht auf dem ſchmalen Grate des Frauenbergs oder bem
etwas geräumigern Burgftall von Altbopman, überhaupt nicht auf ben
1 Schätzbare Mittheilungen aus dortigem Familienarchiv, auf die ich mid
im Kolgenden näher beziehen werde, verbanfe ich ver @üte des Freiherrn Joh
Sigmund von Bodmann; hierunter auch eine handfchriftlihe Zufammenftellung
der älteren Hausgefhichte von Herrn Dr Müller, fowie die Aufzeichnungen und
Urkundenauszüge des Herrn Oberamtmanns Mattes zu Überlingen, der zugleich
perfönlih mir förderfamft an Hand gieng. Freundliche Nachweije gab mir
außerdem Herr Pfarrer O. F. H. Schönhuth, in deſſen „Nitterburgen des Höh⸗
gaus“, Heft 4, Konftanz 1834, Bobman eigens gejchichtlicy behandelt iſt. Der
feltene Codex traditionum monasterii 8. Galli ftand mir nicht zu Gebot.
Berggipfeln ftand, ergibt die Bergleihung andrer Pfalgen aus faro:
Iingifcher und fpäterer Beit, die gewöhnlich, wie es einem wielbefuchten
Konigshofe zulam, an bequemer und zugänglicher Stelle aufgebaut
waren. Zu Bobman eignet fih dafür befonberö der unweit ber Kirche
an den See ftoßende, altaufgemauerte Hofraum mit feiner flattlichen
Linde. Bon der Lage im Thalgrund iſt wohl aud dem Ort und von
diefem in der Folge dem ganzen See der Name geivorben (Beilage 1).
Zwar bebesricht Bodman nicht die glänzende Breite des Schwabenmeer®,
aber die von den Königen häufig befuchte und ihren Stattbaltern zum
Sige der Verwaltung bienende Reichspfalz machte den Ort einft namen:
kundig und feine Belegenheit war im Knoten der Gebiete jener bedeu⸗
tendften alemannifchen Geichlechter, welche der fränlifche Machthaber,
nach dem Sturze des Volksherzogthums, zu verföhnen oder im Zaume
zu halten bedacht fein mufte. Im jenfeitigen Überlingen, „Iburninge“,
faß fchon 613 ein Alemannenherzog Cunzo, Gönner bed b. Gallus;
von der Berchtoldsbaar bis füböftlih im Linz: und Argengau begütert
und mit Graffchaftsrechten verfeben war der altherzogliche Stamm,
deflen Ablömmling Gerold, Karla des Großen Schwager, Bannerträger
und Heerführer, fagenberühmt als Erwerber des Vorftreitrechtes ber
Schwaben, gefallen im Kampfe wider die Avaren, in der Reichenau
beftattet worben iſt!; das oberſchwäbiſche Altdorf war Heimathaus
der Welfe, die, gleich den Linzgauern, nad Bodman mehrfach herüber⸗
greifen; ſüdlich aus Rätien ftammten bie Burkharde, die den ſchwäbi⸗
ſchen Herzogsſtuhl neu aufrichteten. So kam es denn auch, baß die
wichtigften Thatfachen der Gejchichte Alemanniens von der Mitte bes
sten bis in das erfte Viertel des 10ten Jahrh. an die Pfalz Bodman
und ihre nädjfte Umgebung fi) Tnüpfen 2.
1 Hermanni Aug. chron. (Monumenta Germanie 7, 101. vgl. 2, MO):
799 Geroldus u. |. w. signifer et coonsiliarius Karoli pius et religiosus,
contra Hunos pugnans, occubuit, Augiegque, quam multis auxerat douis
et prwdiis, sepultus est.
2 Selbſt noch auf merowingiſche Zeit ſchien es zu weilen, daß an einem
eis des Frauenbergs ein Monbbild entdedt wurde, demjenigen entiprechend,
das einft König Dagobert als Grenzzeichen auf dem Felsgipfel bei Mondflein
im Rheinthal einbauen laſſen (vg. Schwabs Bodenſee, Yıe Ausg. 2, 84);
Urkunde Kaifer Friedrichs I vom 2’ten Nov. 1155 (Dümge, Reg. bad. ©. 189:
ubi in verlice rupis similitudo lun® jussu Dageberti Regis ipso presente
upland, Säriften,. VI. 25
386
[4, 37] Unter König Pipin, Karls Vater, führten Warin und Rud
hard, Gaugrafen der Seegegend, beide mwahricheinlih von welfiſchen
Stamme, die Verwaltung des ganzen Alemanniene 1. Eie waren mit
dem Klofter St. Gallen über Güterbefiy in Streit geratben und als ber
Abt Dimar fie zum zmeitenmal am Hofe bed Königs verflagen mollte,
ſchickten fie ihm Kriegsleute nad, die ihn gebunden zurüdführten, und
ftellten ihn felbft, eines fträflichen Umgangs angeichuldigt, vor Gericht.
Er rief Gott zum Zeugen feiner Unſchuld an, meigerte fich aber,
menfchlichen Richtern Rebe zu ftehen, und warb hierauf, wie es fcheint
nach richterlichem Beſchluß, in die Pfalz bei Bodman eingeterfert und
fogar einige Tage lang ohne Nahrung gelafien?. Nachher wirkte
Gozbert, ein angefebener Mann, von den Grafen aus, daß fie ihm
den Gefangenen übergaben, und Bielt ihn auf der Nheininfel Stein
unter Obhut. Dort ſtarb Otmar bald hernach, zu Ende des Jahrs
759, und fein Leihnam murbe daſelbſt beigefeßt, zeben Jahre ſpaier
jedoch nad St. Gallen‘ abgeholt. Otmars dur viele Wunder und
durch die Heiligfprechung beftätigtes Märtertbum wurde dem Stlofter
zur Quelle reicher Begabungen und zur Waffe gegen feine mächtigſten
Widerſacher. |
Eines diefer Wunder, ein Eeebild, mag hier feine Stelle finden:
Zehen Jahre nah Otmars Tobe murben bie Brüber von St. Gallen
durch ein Gefiht vom Herrn ermahnt, den Leichnam in ihr Klofter
beimzuführen. Eilfe von ihnen famen nachts auf die Rheininfel, öffneten
seulpia cernitur, ad discernendos ierminos Burgundie et curiensis Rheiie
(vgl. Urkunde von 890, Neugart Nr 596: usque ad Manen, v. Arr, Geſchichte
des Kantons St. Gallen 1, 11. 87).
1 Walafrid Strabo, vita S. Galli 3, 15 (bei Goldaft 1, 168): Comites
vero quidam Warinus et Ruodhartus, qui totius tune Alamannie curam
administrabant u. |. w. ®gl. Ej. vita S. Otmari & 4 (Monumente Ger-
manie 72, 43). Stälin 1, 241 f.
2 Walafrid, vita S. Otmari ©. 4 (l. c.): Virum etiam Dei Otmarum,
cum pro hac re iterum prineipem adire vellet, missis clanculum post
eum militibus, vinculis injectum per vim reduci fecerunt n. f. w. 6. 6:
Coneilio sutem inique inchoato, iniquius terminato, vir Dei Otmarus apad
villam Potamum palatio inolusns est. Quo cum nnllus intrare vel collogui
cum ea permitteretur, aliquot ‚dies absque corporslis sustentaculo vicias
transegit u. |. m,
387
das Grab und fanden denſelben gänzlich unverdorben, nur daß ber
äußerfie Theil des einen, nom Wafler beipülten Fußes misfärbig
und geſchwunden erſchien. Sie legten die Leiche auf das Schiff, zün⸗
deten Wachskerzen an und ftellten eine zum Haupte, die andere zu ben
Füßen. Cifrigft ruderten fie dahin, ald Regen und Winde mit ſolcher
Gewalt hervorbrachen, daß die Schiffenden [4, 38] kaum Rettung zu finden
bofften. Aber durch göttliche Fügung biengen die aufgeftürmten Wogen
ringsum über ihnen, ohne den Lauf des Schiffleins zu hemmen; wohin
es kam, wurden die ſchwellenden Fluten von ihm nievergebrüdt, die
Waſſermaſſen, Regengüffe, Windeswirbel umgürteten das Fahrzeug
auf nicht geringe Entfernung wie ein. Zaun, fo daß nicht ein Regen:
teopfe in dasfelbe fiel. Selbft die zu Haupt und Füßen des heiligen
Abtes aufgeftellten Kerzen leuchteten beftändig fort. Als die Brüder
dann, vom angefttengten Rudern ermübet, zur Imbißſtunde ſich nieder:
gefet hatten und der Speife nun auch der erquidende Trank fich mifchen
follte, gab der Diener zu verftehen, daß nur der Inhalt eıner Heinen
Flaſche (quod in flascone parvo servabatur) übrig jei, wovon kaum
jedem etwas, mehr zu koſten, als zu trinten gereicht werben könne.
Sie ließen das Wenige unter Alle friedlich vertheilen und wunderbar
begann in dem Heinen Gefäße der Vorrath fo zu wachſen, daß er
durch anhaltendes Ausftrömen fih um nichts zu mindern ſchien, bis
bie Trinkenden ſelbſt des Becherfüllens genug hatten (quoadusque bi-
beutes poculorum copia vincerentur) und dem Spender alles Guten
dankbar lobjangen (S. Otmari vita auct. Walafr. 6.7 bis 9, Mouu-
menta Germanie 2, 44). Die geiftlicyen. Berichterftatter, der berühmte
Reihenauer Abt Walafrid und der fanetgalliihe Schüler Eckehard IV
in leoninifchen Berjen auf den h. Otmar, fchildern gleich lebhaft und
feierlich den gewaltigen Seefturm und die ftillbrennenden Kerzen vor
dem Tobten, ber nur zu ſchlummern fcheint, die rüftige Ruberarbeit
der Klofterbrüber und die wunderbare Tranffpende 1. Später gab man
diefem letztern, an den Olkrug ber Witwe gemahnenden Wunder die
lehrſame Wendung: jo lange die Brüder zu St. Gallen unter Otmars
I Ekkehardi 1V Rhythmi de S. Otmaro, Monumenta Germanie 2, 55:
Vins eoronantur, epotaque non minuuntur, | miscet pincerna pleno magis
utre phalerna. Bgl. Ebd. Bened. ad mens. 233.
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Verwaltung mäßig gelebt, fei dem Fäßchen niemals ber Wein ausge
gangen, obgleich fie ſich häufig daran erheitert, aber nah Bedürfnis
und zu ebrbarer Labung, nidh zu frafbarer Üppigkeit; hievon fei auch
wohl, zur Bezeichnung einer unverfieglichen Fülle, das Sprichivort von
St. Dimars Lägel entftanden (Crufius 1, 310: proverbium de sancti
Othmari lageene). Abgebildet wird der Heilige mit dem Buch in ber
einen und dem Fäßchen in der andern Hand 1.
[4, 39] Unmittelbar auf Bodman zu Pipins Zeit bezieht fe eine
Blodenfage, aus der um Mitte des Hten Jahrh. verfaßten Xebensbeichrei:
bung Hariolfs, des Stiftere der Abtei Elmangen: Auf dem Hofe des
Königs Pipin am Bodenſee (apud curiam Pippini regis juxta mare,
quod Podomus dicitur) befand fi ein Mann Namens Grimold. Er
war in einer Nacht außen, um mit andern Wächtern die Pferde zu hüten,
und ala er, nad Ablauf feiner Hütezeit, eingefchlafen war, vernahm
er Glockenklang; ſich umſchauend erblidt er einen lichtgelleiveten Jüng⸗
ling, den er anrebet: „Mo ift, Herr, vieles fo füße Geläute von Gloden,
das ich Böre (iste tinnitus tam dulcis campanarum, quem audio)?“
Jener ſpricht: „Zu Elmangen.“ Grimold erwacht und denkt ängftlic
nad, mo diejer Drt fein möge. Nun ift auf demfelben Hof ein Bruber
Hariolfs, Franco, der bemerkt, wie Grimold fih von Tag zu Tage
mehr umgewandelt bat, und ibn befragt, ob er mohl Mönd werben
wolle. Auf Grimolds Erwiderung: wenn er nur ben geeigneten Ort
wüſte! bezeichnet ihm Franco den neuerlih von Hariolf angebauten
Drt Elwangen; ſehnſüchtig begibt Grimold fi auf den Weg babin
und wird zum Mönche geweiht (Monumenta Germanie 12, 13). Dieſem
frommen Idyll, einem Gegenftüde zu der Schifffahrt im Sturme, fpürt
man den Eindrud an, den, bei leifer Bewegung der Luft und des
Sees, aus unbelannter Ferne herüberkommender Glodenllang in ber
ahnungsvollen Seele wirken fann und den man ſich beſonders mächtig
in jener Beit zu denken bat, als die Begeifterung für das Kllofterleben
1 &o in einem fohönen Holzſchnitzbilde der Sammlung in der Gt. Loreny
fapelle zu Rotweil (Verzeichnis derſelben 1857, ©. 18), aus der alten Pfarr
fire zu Wurmlingen in der Baar, wo St. Gallen fhon am Ende des Sten
Jahrh. begütert war (Bergabung Warins von 797, bei Neugart Nr 126)
und auch fpäter noch den Kirchenſatz hatte (0. Arx, Geſchichte des Kantens
St. Gallen 1, 464).
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in ihrem Aufſchwung begriffen und der Wohllaut der Glodenjtimme
noch ein neuer, nicht überall verbreiteter war. Pipin, in deſſen Dienfte
Grimold zu Bodman ftand, hatte auf Bitten des Abtes Otmar zum
Schmude des Stiftes St. Gallm eine Glode, vermuthlich bie erſte
dajelbft, geipenbet 1.
Daß Karl der Große jemals in der Pfalz Bodman vermweilt, oder
doch derſelben in einer Urkunde namentlich) gedacht habe, läßt fich nicht
nachweifen. Bon ihm und Sfambarb, dem aller Leben beraubten Sobne
des Dimarfeindes Warin, gab es zwar im Hten Jahrh. [4, 40] eine mun⸗
tere Jagdmäre, aber diefe Wiſendjagd ergieng nicht am See, ſondern
im Walde bei Achen?. Romanbaft ift die belannte Leidensgeſchichte ber
Kaiſerin Hildegard, Karla alemannifcher Gemahlin, ver, als treue Be-
gleiterin im Elend, ein Fräulein von Bodmen beigegeben wird ®,
Vielfach genannt ift dagegen bie Pfalz, ver Hof Bodman als Aufenthalt
oder auch fonft in Urkunden der nachfolgenden Tarolingiichen Könige:
Ludwigs des Frommen, Ludwigs des Deutichen, Karls bes Diden,
Arnulfs, Ludwigs des Kindes, Kunrads I. Doc werben erſt unter
Arnulf die Ereignifie hieber wieder belangreich.
Damals war Bodman Amtsflätte der Rammerboten, db. h. Ber:
walter des Kronguts in Schwaben, einmal auch Richter genannt, ber
Brüder Exchanger "und Berchtold, deren Abſtammung nicht gemeldet
wird. Die Könige felbft aber vergabten Zubehöre von Bodman an
i Vita 8. Galli, lib. ?, cap. 11 (Monumenta Germanie 2, 23): Inter
c»tera quoque sus: munificentie donaria rogante abbate unum campa-
num ad sencti loci dedit ornatum, quod ad usque nostre setalis tempora
in coenobio eodem pro memoria beneficiorum ejus permansit. Pipin kam
auch felbft nach St. Gallen, ebd.: ipse qui aderat u. |. w.
2 Monachi Sangall. gesta Karoli lib. 2, cap. 8 (Monumenta Germenise
2, 751 f. vgl. 2, 618. 615. 806. 1, 444); bei Neugart laſſen ih Warin und
Ylanbard, als Thurgaugrafen, mit gleichnamigen Nachwuchs, durch eine Reihe
von Urkunden verfolgen.
8 Bruschii Monast. Germ. centur. prima, Ingolſtadt 1651, Blatt 266 f.
(mit Berufung auf alte Kloſterannalen zu Kempten): Hildegardis adjanxit
sibi vie et fortunarum suarum fidam sociam virginem quandam Rosinam
de Bodmen, cum qua exul Romam adiit u, f. w. cum socia sua Bod-
mana u. |. w. (Ju Friſchlins „Hildegardis magna‘: Rosina Podmies.)
Bol. Srufius 1, 317. Maßmann, Kaiſerchronil 8, 909 ff.
4 Ekkehardi IV cas. 8, Galli, Monumenta Germanie 2, 83: Nandum
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den Konſtanzer Bischof Salomon, worüber die Kammerboten ihm auf:
fäßig wurden, wie, nach der Bemerkung des Erzählers, Warin und
Rudhard einft dem Abte Dimarı. Ealomon mufte fi) vor ihnen in
einem Walblirchlein des Turbenthals verbergen und fandte von ba
Boten an den Hof des Königs Arnulf, der fofort den Biſchof und die
Kammerboten nad Mainz beſchied. Xebtere murben bis zur Aburthei⸗
lung in Ingelheim eingelerlert, jedoch auf Fürbitte des Klägers jelbft
wieder freigelaffen und, nach beſchworenem Frieden, in ihre vorige Amte⸗
gewalt eingefeßt. Sunrab I, der, nad Abgang [4, 41] der Karolinge
vom Mannsftamm, 911 zum Reich&oberhaupte gewählt worden, befand
fid an Weihnachten besfelben Jahrs zu Konflanz und St. Gallen,
auch wurde von ihm den 11ten Jan. 912 zu Bobman im Königshof eine
Urkunde ausgeftellt, morin er, unter Vermittlung des Biſchofs Salo⸗
mon und mehrerer Grafen, zuvorderſt Erchangers, die Bergabung
eined Befltes im Kleckgau an das Klofter St. Gallen vollzieht ?. Dieler
königliche Beſuch am Bodenfee diente gleichwohl nicht zum Frieden.
Früher ſchon hatte der Bilchof gegen die Kammerboten den Reichthum
und Glanz St. Gallens, deſſen Abt er zugleich war, hoch geprielen,
dort babe er Hirten, vor denen fie die Hüte ziehen und die Häupter
neigen würden; bei der überaus fröhlichen Ehriftfeier im Klofter ward
dem Biſchof nunmehr das Vergnügen, dieſe Täufchung der gräflichen
Brüder ind Werk zu ſetzen. Zwar fuchte König Kunrad fie zu be
ſchwichtigen, aber ex felbft verlekte fie noch empfindlicher. In ber
adhue illo tempore Suevia in ducatam erat redacta, sed fisco regio pecu-
liariter parebat, sicut' hodie et Francia; procurabant ambas camerze, quos
sic vocabaut, nuntii u. f. w. Suerlam sutem Pertolt et Erchinger, fratres.
2, 83 (8. Kunrad ſpricht): judiees meı.
1 Eftebard 1. e.: Huie [8elomoni] u. f. w. cam elique Potamum,
camerse nuutiorum juris oppidum, pertinentie a regibus darentur, sieut
Werinhere et Ruodhnrt domnum Otmarum, sic ipei insegui conati samt
et ipeum. Auf der ansführliden Erzählung Eflehards (Monuments 2, 83
bis 88) beruht auch, was non der Geſchichte diefer Kammerboten hier nachfelgt,
foweit nicht auf andermwärtige Quellen befonders verwiefen wird.
2 Neugart Rr 680: interventu et admonitione fidelissimi Salomonie
episcopi, comitum quoque Erehangarii et Chuonradi, Uodalriei, He-
gonis u. |. w. Actum Potamis carte regia u. |. w. Rgl. Stätin 1, 268,
Anm. 1.
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Kapelle und vor dem Altare des heilig gefprochenen Dimars belanhte
der König fh, ald Stammverwandten der Bedränger desſelben, ber
Mitfchuld verfallen und fpendete zur Sühne dafür nicht bloß Tücher,
Gold und Eilber, fondern übergab auch auf den Altar des Heiligen
und in die Hand des Kloſtervogts mittelft befiegelter Urkunde ſämmt⸗
liche um den ſchon buch Karl (den Diden) dem h. Otmar vergabten:
Ort Stammheim! gelegene Befigungen, welche bisher noch der könig⸗
lihen Kammer angehört hatten. Als die Brüder doch wenigſtens bie
längft von ihnen über Stammheim erbaute Burg, ihr erivorbenes Eigen:
tum, in Anſpruch nahmen, ſprach der König, die Burg werden fie
nicht ohne Schaden der Einmwohnerfchaft behalten können und wenn fie
diefer Unbill zufügen, würden fie feiner Gnade verluftig fein. Nach
Kunrads Abreife fchreitet der Biſchof mit dem Vogt, alemannifchem
Rechte gemäß, zu breitägiger Beſitzergreifung und vereibet bie Dienft-
leute des Krongut3 dem h. Dimar?. Die Burgwache jedoch [4, 42]
bedroht diefelben, wenn fie nicht im Gehorſam bleiben, und beidast fie
gewaltiam, wogegen die Grafen keine Abhülfe fchaffen. in heftiger
Ausbruch der Feindſchaft ift angezeigt, doch ruft das nächſte Jahr, ale
ſchon aud der Zwiſt mit dem Könige begonnen hat, die alemannifche
Wehrkraft auf ein andres Feb. Mit wenigen Morten berichten die
Jahrbücher eine ruhmvolle Kriegstbat: 913 fielen, mie jchon in früheren
Jahren, die Ungern in Alemannien ein, auf ihrer Rückkehr durch Baiern
wurben fie von den Brüdern Erchanger und Berchtold und dem Grafen
(des Argengaus) Ulrich, mit Hülfe des Neffen ver erftern, des Baiern-
herzogs Arnolf, am Innſtrom angegriffen und vertilgt, formelbaft:
bis auf dreißig Mann; in demfelben Sabre warb Erchanger mit dem
König ausgeföhnt, welcher deſſen Schweiter, die Witwe Liupolbs (des
3 Urkunde 8. Karls vom 28ten Mov. 880, bei Neugart Wr 570. Rat-
perti cas. S. Galli, Monumenta Germanie 2, 78.
2 Monumenia Germanie 2, 86: Invadit loca lege alamannica cum
advocato episcopus, tribus diebus, uti jus erat, homines fisci juramentis
saneto Otmaro vendicantes. Die geſchriebene lex Alamannorum gebenlt
feines ſolchen Berfahrens. Ausdrüde wie: secundum legem alamannicam u. dgl.
bedeuten überhaupt ſchwäbiſches Gewohnheitsrecht, den Landbrauch StälinZ, 672);
jo gilt aud für den ſchwäbiſchen Borftreit lex ulemannica (Bertholdi annal.
a. 1075, Monumente Ger naniæ 7, 278). Zur breitägigen VBefignabme
vgl. Redhtsalteribiimer 190, 6. 567, 6.
5
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bairifchen Markgrafen) und Mutter Arnolfs, als Friedenspfand, zur
Ehe nahm !. Dennoch kam es fchon 914, bei einer Begegnung der
KRammerboten mit dem Biſchof Salomon, zum bittern Wortwechſel;
Liutfrid, ein junger Schwefterfohn der Grafen, 309 fchlagfertig das
Schwert und die Oheime brängten ihn zwar vom Bifchof zurück, führten
aber diefen, ſchmählich behandelt, ala Gefangenen auf Diepoldsburg,
wo Erchangers Gemahlin Berchta haushielt. Umftänblich wird erzäplt,
wie die unheilahnenvde Frau den Sirchenfürften ehrerbietigft empfängt
und beherbergt, aud bald barauf feine Befreiung und feftliche Ein-
bolung (mit dem Gefangrufe: „Heil, berro, heil, liebo!“ vgl. Mon. Germ.
2, 87, Nr 91) erfolgt. König Kunrad kam felbft nach Alemannien,
nahm feinen Schwager Erchanger gefangen und verwies ihn des Landes.
As bald darauf Burkhard, aus dem rätifchen Grafengefchlechte, das
in Folge feines Streben nad ber Herzogswürde vertrieben war, ſich
feindlih erhob, belagerte der König 915 die Burg Twiel, kehrte je
doch, weil der Sachſenherzog Heinrih in Franken eingefallen war, da-
bin zurüd. Sofort erfchien auch der verbannte Erchanger wieder [4, 43]
in der Heimat, befämpfte in Gemeinfchaft mit Burkhard und Berchtold
feine andersgefinnten Landsleute, beftegte fie bei Walawis (nächſt Bob:
man) und warb ihr Herzog 2. Der König berief wegen diefer Vorgänge
zuerft eine Fürfteniprache nad) Mainz, ſodann, 20ten Sept. 916, eine
Berfammlung der Bifchöfe nach Hohenaltheim im Rieß, woſelbſt Erchanger
und feine Genofien zur Riederlegung der Waffen und lebenslänglicer
Klofterbuße verurtbeilt wurben; die Vollziehung gieng jedoch weiter
und am 2iten Jan. 917 wurden Erchanger, Berchtold und Liutfrid,
i Ann. Sangall. major. ad a. 913, Monumente Germanie 1, 77°
Agareni Alamenniam intreverunt. Erchanger et Perchtolt, frater ejus, et
Udalrieus comes, auziliante illis nepote eorum Arnolfo, optimo duce Baio-
ariorum, totum exercitum eorum juxia Ine fluvium penitus oceiderunt
nisi 30 viros. Ann. alam. ad a. 913, Monumente Germanie 1, 56: Dis
cordia copta est inter regem et Erchangeram. Ungri in Alamanniam;
quibus per Baioariam redeuntibus Arnolfus, Alius LiupolJi, et Erchangerus
cam Perchtoldo et Uadalrico cum eis pngnaverunt et eos superarunt. Ipeo
anno Erehanger cum rege pacificatus est, cujus sororem, Liupoldi reliclem,
rex tamquam pacis obsidem in matrimoniam accepit.
2 Über diefe Kämpfe: Ann. alam. a. 914. 915, Monumenta Germa-
nie 1, 56.
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auf Föniglichen Befehl, zu Aldingen (wohl demjenigen der Berchtoldé⸗
baar) entbauptet. Burkhard hingegen warb nunmehr von den ſchwä⸗
biſchen Großen, ohne Wiberfprud des Königs, zum Herzog der Ale
mannen beftellt, der erſte einer neuen, durch Jahrhunderte fortgehenden
Herzogsreibe !. jene dem Altar bes h. Dimars gehäflige Burg zu
Stammheim ließ der König, fo großen Unheild wegen, zerflören und
fandte jährlich feinen Kopfzins in Wachs, als Nachkomme der Peiniger
bes Heiligen, zum Grabe besfelben; Kunrad farb ſchon 918, nachdem
er, wie es hieß, aus dem Rampfe mit Arnolf, dem unverfühnten Neffen
und vormaligen Mitftreiter der Rammerboten, eine Wunde heimgebracht
hatte 2, Biſchof Salomon aber begab ſich auf eine Pilgerfahrt nad
Rom, um den päbftlihen Sünbenerlak dafür zu erflehen, daß um
fernetwwillen jene Drei hingerichtet worden. Die Pfalz Bobman wird
als Aufenthalt ver Könige fortan nicht mehr genannt.
Das mächtige Kirchentbum der Seegegend, mit dem Bilchofsfike
Konftanz und den großen Abteien Reichenau und St. Gallen, äußerte
feinen Einfluß auch darin, daß die ohnedies ausfchließlich in den Händen
der Klofterleute haftende Gefchichtfchreibung vorherrſchend ein geiſtliches
und fo auch die ſich ihr anſetzende Sage meift ein legendenhaftes Ge⸗
präge trägt. So verſtand es fi, daß, obgleih in einem Streit um
zeitliche Güter, auf ben h. Otmar das lautere Licht, auf feine Gegner
der tieffte Schatten fiel. Was ſodann die Gejchichte der Kammerboten
betrifft, fo find bie Hauptquellen für biefelbe zweifacher Art, eines⸗
theils kurze Aufzeichnungen der älteren Jahrbücher, die mit wenigen,
aber fichern Strichen den Ungernkampf der alemannifchen Grafen, ihre
Auflehnung und ihren [4, 44] Untergang anmerken ®; anderntheils der
umftänbliche, hundert Jahre nach ben Ereignifien gefchriebene Bericht
des janctgalliichen Eckehards IV. Sein Werk tft meientlih und aus:
geſprochen Kloftergefchithte, das Heldenthum der Kammerboten bleibt
unbeachtet und bie Darftellung ihres Endes ift unerträglich mit ben
1 Die Belegſtellen zur Verurtkeilung und Hinrichtung bei Stälin 1, 271 f.
Über Burkhard und fein Geſchlecht ebd. 1, 267. 272. 415. 498.
2 Widukind 1, 25 (Monumenta Germanie 5, 428). Bgl. Hahn, Reichs⸗
biforie 2, 9.
3 Annal. alam. jagen zum Jahre 916 (Monumenta Germanis 1, 56)
und heraus: Erchanger, Perchtolt et Liutfrid occiduntur dolose.
394
— — —
gleichzeitigen Zeugniſſen (Stälin 1, 269. 272. 422). Der Marterer
und Schugheilige Otmar ift zur einheitlichen, unfichtbaren Macht ge
worden, die über ben Gefchiden feines Klofters und der Bebränger
beöfelben waltet; der Frevel Warins und Rudhards wird von ben in
ihre Fußftapfen tretenden Erchanger und Berchtold mitgebüßt, durch
König Kunrad aber, den Stammperwandten jener älteren Statthalter,
gefühnt und noch ein jugenpliher Welfenfohn aus Eckehards eigener
Zeit, Heinrich, wird für die Verweigerung eines von feinem Bater
Rudolf zu gleicher Sühne dem Heiligen geftifteten Bergwerkzinſes da⸗
durch beitraft, daß er am St. Otmarsabend auf ber Gemfenjagd in
Tirol durch einen Felsſturz umlommt (Mon. Germ. 2, 87 f.). Bei allem
dem erweift ſich Eckehard wieder billig und einfichtig; er verhehlt nicht,
fo hoch ex. den Biſchof Salomon ftellt, Daß die Könige an denfelben
Güter hingaben, die zu Bobman und bamit zum Rechtögebiete ber
Kammerboten gehörten, daß der Biſchof fih an ihrer Beichämung
durch feinen unzeitigen Scherz weidete (secum gaudebat) und daß fie
eben damals dur eine neue Vergabung Kunrads zum Schaden bes
königlichen Kammer tief gekränkt wurden ?, enblid daß Salomon fid
felbft anklagte, die Urſache ihres geiwaltfamen Todes geweſen zu feim.
Überdem weiß Eckehard, wos von beiden Seiten verfchuldet ward,
unter einen allgemeinern gejchichtlichen Geſichtspunkt zu faſſen: Franken
und Schwaben freien dazumal gleihmäßig nicht unter Herzoge, ſondern
unter die Töniglihe Kammer geftellt geweien und von jogenannten
Rammerboten verwaltet worden, dent Amtöbereihe der lekteren habe
jeboch beiden Orts die königliche Freigebigleit gegen die Bilchöfe Vieles
ent[4, 4ö]jogen, wodurch gegenfeitige Misgunſt und Feindſchaft erwachſen
fei. Diefe Biſchöfe find Hatto zu Mainz (früher Abt von Reichenau)
und Salomon zu Sonflanz, zwei einflußreiche, unter fih eng be
1 Monumenta Germanie 2, 85: carpuntur iterum cordibus fratres
illi ssepe dieti pro damno regii fisci; vgl. ebd. 2, 86: homines fisch. FR
einigen Kaiferurtunden wird auch ausdrücklich das Kammergut von Vodwman
genannt; Urkunde Ludwigs des Frommen von 889 bei Dümge, Reg. Bad. Anh.
Rt 8): sub jure fisci nostri vocabulo potimiacus u. |. w. Actum bodomä
pulatio regio. Beſtätigungsurkunde Karls des Diden von 886 (ebd. Rr 18):
sub jure fisci vocabulo potamicus u. |. w. Actum potama pelatio. lrlunke
Ditos I von 947 (ebd. Nr 24): fieci vocabulo potamieus.
395
— —
freundete Männer, deren Macht und Beſitz die Könige mehrten, auf
Koften und zur Hemmung der Kronbeamten, die, zumal wenn fie
in ideen Bezirken heimiſch und begütert waren, die Herftellung ber
eingegangenen Herzogtbümer befürchten ließen. Bezüglih auf Hatto
bemerkt der Geſchichtſchreiber no, dab die Kammerboten in Franken,
Adalbert und Wernber, neben ven gegen bie Könige felbft angegettelten
Freveln, oftmals ben Ergbifchof zu verberben getrachtet haben; wie
aber Adalbert durch Urglift aus der Stabt Bamberg gelodt und fofort
enthauptet worden jet, konne ungefchrieben bleiben, meil es allgemein
gefagt und gefungen werde (quoniam vulgo ooncinnatur et canitur).
Sin der hierauf folgenden Erzählung von Salomon und den ſchwäbiſchen
Stafen find die Handelnden und die Hergänge mit fo ausgeprägten
Zügen ernfter und fcherzhafter, milder und firenger, felbft roher Art
geſchildert, in fo anſchauliche Gruppen und lebendigen Redewechſel ge:
bracht, daß fie fhon nahezu fertig einer epiſchen Wiedergabe fich dar:
bieten und ebenfo einer Reihe Träftiger Handzeichnungen gerecht wären.
Gleichwohl ift nicht anzunehmen, dab Edeharb, mie er der fränkiſchen
Bollsliever von Adalbert gedenkt, fo nun auch fchmäbifche von den
bodmaniſchen Kammerboten gefannt und benützt babe, ohne doch ſolcher
zu erwähnen. Ex, der Überarbeiter des Waltharius, ift kein Berächter
des Volksgeſangs, er wundert ſich, daß gewifie Lebensbeſchreiber des
b. Ulrichs Manches verfchwiegen haben, was von demjelben im Bolle
gejagt und gefungen werde 1, und er verwirft auch nicht bad Zeugnis
jener Lieber von Adalbert, obgleich fie gewis nicht biſchöflich lauteten.
Seine Gewährſchaft bezeichnet er im Borwort und noch an andern
Stellen: er habe aufgefchrieben, was er von den Bätern, d. b. von
ältern Kloftergeiftlichen, gehört 2; ex berichtet zwar aus münblicher über
lieferung, aber aus ſolcher, wie fie im Klofter jelbft fortgepflanzt war.
Klöfterlich ift die [4, 46] offenbare Hintanfegung des weltlichen Beitand-
1 Monumenta Germanie 2, 109: Sed plara eos, que de vo cOncin-
nentur vulgo et canuniur tacuisse, quum jufima quædam ejuns magna
feceriut, etiam miramur.
2 Ebd. 2, 77: temptantes quidem et nos, ea que a patribus andi-
vimus u. f. w. edisserere. 2, 107: De sancto Uodalrico autem, qualiter
nobiscum egerit, dicta patrum quedam audivimus, qu=s quidem in vita
ejus, vel tercio jam scripta, non invenimas n. |. m. ut ipse patribus
narrabat u. |. w. patribus ille dixerat,
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theild und die Erhebung des Biſchofs Salomon zum Helden der Begeb
niſſe; der Münblichleit ift es beizumeſſen, daß die reichgeftaltete Dar
ftellung fi auf den Grenzen der Gefchichte und der Sage bewegt.
Mit Bezug auf eine Urkunde des Königs Arnulf von 896 wird
eines Grafen Ulrich gedacht, der auf der Pfalz zu Bodman gejeflen !.
Der Rame Uleih war im Gefchlechte ber Grafen vom Argen: und
Zinzgau, befonderd dem Afte von Buchhorn, langehin erblich und ber
ältefte diefer Ulriche fol, nach einer fagenhaften Erzählung der im
12ten Jahrh. verfaßten Chronik von Peteröhaufen, mit Bobman und
Bregenz, Überlingen und Buchhorn zugleich ausgeftattet geivefen ſein?
Wieder in der ſchon bemeriten, von Kunrad am Ilten Jan. 912 im
Königshofe Bobman ausgeftellten Schenkungsurkunde (S. 5) wird neben
dem Grafen Erchanger ein Graf Udalrich genannt, fei es eben ber,
welchen die Handfelte von 896 meint, oder ein jüngerer Namensgenofle.
Rabe gibt es ſich aber, den 912 mit Erchanger in der Urkunde zu
ammenftebenden Grafen Udalrich für denfelben anzufeben, ber im
folgenden Jahre 913 mit Erchanger und Berchtold die Ungern be
lämpft 3, ſowie für den gleichen, von dem Eckehard Folgendes erzählt
(Monumenta Germanie 2, 119 f.):
1 Gallus Obem, der gegen Ende bes Idten Jahrh. eine Chronik von
Neihenau fchrieb, gibt darin einen deutſchen Wuszug ber Urkunde vom 2Tten
April 896 und jagt zur Einleitung desfelben u. U.: „von Graufe Ulrichen, der
zu Bodmen uff des Kaifers Schloß ficzende,“ ohne daß beſtimmt zu erſehen if,
ob auch bieß in dem nicht mehr bekannten lateiniſchen Terte ausgeſprochen war.
(Rad gefäliger Mittheilung Stälins aus der in der königlichen Handbibliothel
zu Stuttgart befindlihen Hd. S. 135 [Barads Ausg. ©. 69. H. Nun ik
diefe Urkunde aus dem Original, wo aber das Datum vom Iten Mai 896 lautet,
abgebrudt in Ficklers Quellen und Forſchungen zur Geſchichte Schwabens und
der Oſtſchweiz. Mannheim 1859. ©. 8: com. Odalric. qui Potamis in nostro
castro residet. Pf.]).
2 Mone, Quellenſammlung 1, 119: Dedit quippe [imp.) eis Potamum
et Brigantiam, Ubirlingin et Buochorn n. |. mw. Über bie Argen⸗ und Linz
gauer Ulriche |. Stälin 1, 243. 828 f. 659.
I ©. 892, Anm. 1. Auch auf einer von König Kunrad 912 ji Um gehaltenen
Rathsverſammlung waren die Grafen Erchanger, Udalrich, Perchtold (ebemio
Liutfrid) anweſend, vollſtändig die Namen der drei alemannifchen Ungernlämpfer
des nächftfolgenden Jahrs (Urkunde vom dten März 912 „ad Feldun“, in
Büttner? Franconia 2, 59 ff., vgl. Stälin 1, 268).
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Graf Udalrich, vom Stamme Karls, erhält an feinem Wohnfike
Buchhorn Botfchaft, daß die Ungern in Baiern, mo er begütert ift,
einfallen, er greift fie mit feinen Rampfgenofien an, mwirb aber befiegt
und nad Ungerland als Gefangener abgeführt. Um feine Gemablın
Wendilgard, Enteltochter Königs Heinrich I, wird, ala das Gerücht
den Grafen tobt fagt, vergeblich geworben; fie zieht fich [4, 47] nad
St Gallen zurüd, wo fie neben der Klausnerin Wiborad fi ein
Wohngemad erbaut und um ber Seele ihres todtgeylaubten Mannes
willen den Klofterbrübern und den Armen viele Wohlthaten erweiſt,
nachher aud vom Bifchof Salomon, mit Gutheißen der Kirchenver⸗
fammlung, den Schleier nimmt und fi in ſtrengen Berfchluß begibt.
Zum vierten SJabrtag ihres Gatten kommt fie nad Buchhorm und
tbeilt, mie gewöhnlih, Almojen aus. Udalrich, der Gefangenſchaft
entronnen, befindet fi) unfenntlich unter den andern Zerlumpten und
ruft die Gräfin um ein Gewand an; fie verweift ihm fein freches
Betteln, gibt ihm aber, mit Zeichen des Unwillens, ein Kleid. Da
faßt er zugleich mit diefem ihre Hand, zieht die Geberin an fich und
küßt fie. Seine langen Haare auf den Naden zurückwerfend, ruft er
den Leuten, bie ihn mit Badenftreichen bedrohen, zu: „Halter ein mit
Schlägen, deren ich viele gelitten, und erkennet euern Udalrich!“ Er:
ftaunt bören die Krieggmänner ihres Herm Stimme, erlennen unter
den Loden fein Angefiht und begrüßen ihn laut, wozu bad Gefolge
glüdwünfchend einftimmt. Wendilgard bat fi, als ob fie eine Schmach
erfahren, in der Beſtürzung nievergefeßt: „Seht erft fühl’ ich meinen
Udalrich tobt, da ih von Jemand ſolche Gewalt erbulden muſte.“
Als aber Udalrih ihr, um fie aufzurichten, feine mit einer vormals
mwobhlbelannten Wunde gezeichnete Hand barreicht, da ſpricht fie, wie
vom Schlaf erwachend: „Mein Herr ifts, von allen Menſchen der liebfte.
Heil dir, Herr, für immer Heil, Holbefter!” Küſſe folgen und Um⸗
armung. Nachdem er gelleivet ift, geben fie zur Kirche, wo die Geift-
lichen, die auf diefen Tag zahlreich ſich verfammelt, den Lobgefang
anftimmen und das Volt einfällt, auch Mefien für den Lebenden, nicht
für den Tobten, freudig gefeiert werben. Auf dem Gang zur Kirche
bat Udalrich gefragt und erfahren, wer der Gräfin den Schleier auf
das Haupt geſetzt babe. Bei einberufener Kirchenverfammlung forbert
er feine Gattin zurüd, der Biſchof nimmt ihr den Echleier ab und
398
dieſer wird in die Schreine der Kirche niedergelegt, damit ſie denſelben,
wenn der Mann vor ihr ſterbe, als Witwe wieder anlege. Sie werden
neu vermäblt und aus dieſer frühe wieder getrennten Ehe ſtammt ein
Sohn, der aus dem Echoße der todten Mutter gefchnitten und davon
der Ungeborne zugenannt wird !. Er war [4, 48] voraus fchon von den
Eltern dem h. Gallus gelobt und nun legt ihn der trauetnde Bater
auf den Altar des Heiligen, unter Mitgabe von Ländereien und Zehnten.
Im Klofter aufgewachſen, wird Burkhard der Ungeborne frühzeitig ein
angejehener Abt desſelben.
Es find eben die Höfterlichen Beziehungen, wodurch dieſe Kunde
fih in Eckehards Buch eignete. Über den Kampf, in welchem ver Graf
gefangen ward, ift nichts Beſtimmteres gefagt. Der Zeit nad würde
der Ungerneinfall von 915, auch noch ber von 917 (Mon. Germ. 1,
68. 614 f.), zutreffen, nicht mehr der ſechs Jahre nach Salomons Tod
ergangene von 926. Wichtig ift jedoch gerade diefer dem Geſchicht⸗
fchreiber Et. Gallens, denn damals brachen die Ungern in das Ktlofter
jelbit ein, der Abt Engilbert hatte, ein Riefe des Heren (Mon. Germ. 2,
104: velut Domini gigas), mit den Fräftigften Brüdern, ben Harniſch
angetban und die Klausnerin Wiborad erlitt den Märterertod; vie
Sabrbücher fagen, dazumal haben die Schugheiligen Gallus und Otmar
wit felbftthätiger Kraft ihr Eigengut ſiegreich geſchirmt ?. Won welt:
licher Seite rühmt Edeharb aus diefer Zeit hauptlächli einen Helben
des Yridgaus, Hirminger, der mit feinen ſechs Söhnen, ein Bater der
Maccabäer, den Ungern am Rheine bei Sedingen einen fühnen Schlag
beibrachte und die errungene Siegeöbeute feftlih in die Hauptlirce
daſelbſt einführted. Sagenhaft ift die Erzählung von Udalrich und
Wendilgard in gleihem Sinn und Mabe, wie diejenige von ben Kam:
i Monumenta Germaniz 2, 1%0: Solebant autem fratres eum cogno-
minare ingenitum. Über Ungeborne vgl. Myth. 361 f. Stälin 3, 47.
2 Ann, slam. a. 926 (Monuments Germanise 1, 56): Ungari mons-
sterium sancti Galli omni humano solatio destitutum invadunt. lpeis
autem patronis nostris, beatissimo videlicet Gallo et Othmaro, per se ip608
[Bar. solos] predium suum victoriosissime tnentibus, haud grandi et nen
intolerabili Jesione loci rerumque recessere.
3 Monumenta Germani&, 2, 110. Die Gleichheit der Kriegsiift Irmin
gers mit derjenigen Gideons, Buch der Richter 7, 16 ff., bemerft Rochhoiz,
Schweizerfagen 2, 253.
399
merboten; auf dem Grunde wirklicher Ereigniffe bat fie, ein Jahr⸗
hundert hindurch mündlich fortbetrieben, fi) gebichtartig ausgeftaltet.
Unter den Heimfehrfagen, welche feit Odyſſeus, der auch, ald Bettler,
zu Benelope wiederkam und an der Narbe erfannt ward, überall einen
gleihförmigen Zufchnitt zeigen, ift auf ſchwäbiſchem Boden diefe von
Walrich die ältefte, ihr nachfolgende werben weiterhin zur Sprache
lommen.
Wenn Grafen alemanniiher Gaue, in Anweſenheit bes Königs
oder aufßerbem, bei Ausftellung von Urkunden, zu Bodman gegenwärtig
und ihätig find, jo haben fie tarum nicht auch dort ihren [4, 49]
Wohnſitz. Selbft Erchanger hat, wenigften® zeitweile, häuslichen Herb auf
der noch unermittelten Diepoldsburg (©. 392). Daß aber die Amts:
getvalt der Rammerboten, wie zuvor der Statthalter Warin und Rud⸗
hard, von Bodman ausgieng, dafür zeugt nicht nur die Eigenſchaft
diefes Hofes als königlicher Pfalz, ſondern auch der ganze Streit mit
St. Gallen, der fih um bodmaniſche Kammergüter drebte. Nach dem
Sturze jener Kronbeamten erhellt mehr als hundert Jahre lang nichts
über den Befiß des Ortes und erft wieder zur Mitte des I1ten Jahrh.
meldet die Peteröhaufer Chronik, in jener Zeit haben viele Große fidh
diefem Klofter befreundet und bort ihre Begräbnisftätte gefucht, unter
ihnen Eberhard, Graf von Bodman (comes de Potamo, Mone, Quellen:
fammlung 1, 1345), der das Gut „Hedewanc“ dahin gegeben und in
ber Kirche vor dem Kreuze des Herm ruhe; um dieſelbe Zeit, 1055,
farb auf dem Schloſſe Bodman Herzog Welf, der letzte des älteren
Welfenftamms !. Dann aber vergeht wieder ein Jahrhundert, bis der
erfte Rame des nach dem Drte gebeißenen und jeitbem dort jeßhaften
Adelögeichlechtes auftaucht und den zweiten Zeitraum diefer ſagengeſchicht⸗
lichen Forſchung eröffnet.
Als im Merz 1152 Friedrich I zum König gewählt ift, forbert
ihn ein deutſcher Geiftlicher in Rom, Bruder Wetel, ein Anhänger
Arnolds von Breſcia, brieflihd auf, zur Unterhanvlung wegen ber
Kaiſerwürde fchleunig Boten nach Rom zu ſenden, und hiefür bezeichnet
er die Grafen von Ramsberg und von Lenzburg nebit Eberhard von
I Anon. Weingart. bei Heß, Mon. Guelf. 15: aub juvenili etate... in
eastro Botamo morbo correptus. Stäun 1, 556. 568.
400
Bobemen. Arnold, der früher bei dem Bilhof Hermann von. Kon
ftanz Zuflucht gefunden hatte, mag bort ben von Bodmen ald einen
Mann von Geltung kennen gelernt haben !. Erſt aber feit ben fieben:
ziger Jahren desfelben Jahrhunderts wird die Namenreihe der Stamm-
genofien von Bodman dichter, e8 ergibt fih ein anſehnlicher Grund⸗
beſitz berfelben auf beiven Seiten des Sees, häufig beißen fie Ritter
(milites) und mehrmals ift ihr Verhältnis ala Minifteriale des Bifchofs
von Konſtanz ausgefprochen ober durch nöthig befundene Einwilligung
des Dienftheren zu ihren Berläufen ange[s, 50]jeigt . Da jedoch bie
Beſitzungen des Bisthums, wie fie in der berühmten Urkunde Friedrichs I
vom Irten Nov. 1155 verzeichnet find und zu denen namentlich ein
Hof in Bodman mit der Kirche gezählt ift, befonbers auch von Ber
gabungen der Könige herrührten 3, fo führt dies auf die Vermuthung,
1 Martene und Durand, vet. script. ampliss. collect. ?, 654 f., Wetzel
ad Fridericum imperatorem: Comitem Rodulfam de Ramesberch et comi-
tem Udalricum de Lencenburch et alios idomeos, scilicet Eberbardum de
Bodemen, ... Romam quantotius poteritis mittere non dubitetis u. |. w. Bl.
Frande, Arneld von Brefcia, Züri 1825, ©. 125. 185. 182 fi. Schwab,
Bodenfee 1, 164.
2 So gibt 1259 Rudulfus, nobilis de Bodemen, @üter im Thurgan. an
den Abt von Kreuzlingen cum consensu episcopi const. (Reg. des Stiftes
Kreuzlingen Nr 63); 1263 verwerthet Uli von Bodman, Domherr zu Kon
fanz, an den Biſchof Eberhard daſelbſt Hoheubodman (Iandeinwärts von Über-
lingen) nebft Zugehörung und werden die Samilienglieder in der Urkunde Mi⸗
nifteriale des Stiftes Konftanz genaunt (Aufzeichnung des Herrn Mattes); 1270
übergibt Rudolfus, miles de Bodemen, in Gemeinſchaft mit Frau und Söhnen,
Güter in Pfaffenhofen und Owingen käufli an das Kloſter Salem de con-
sensu et voluntate, imo per manus Eberhardi constantiensis episcopi,
cujus ministerialis est (Mones Zeitichrift 8, &8); 1273: eine Beftätigungs-
urlunde, befiegelt vom Bischof zu Konftanz, als deſſen ministersales die bod-
maniſchen Berläufer jeinen Gonjens eingeholt, sine quo proprietatem posses-
sionum suarum alienare non poterant (ebd. 3, 87; vgl. 1, 328: Urkunde
jhon von 1191, und 1, 829).
3 Diimge, Reg. bad. 189 f.: omnia, que a sanctissimis et gloriosissi-
mis antecessoribus nostris dire memorie regibus et imperstoribus ab
omnibus retro temporibus usque ad nos in possessionibus u. |. w. eidem
ecclesie [constanı.] vollata sunt, nos preesentis scripti privilegio commu-
nivimus u. f. w. darunter: curtis in Podoma cum ecclesia. Hiemit faun
nicht wohl der Königshof gemeint fein; curtis cum ecclesia heißt es in biefem
Beihrieb von vielen Kirchftätten und es wird fich zeigen, daß die caria
401
dab die zu Bobman unvorbentlich eingefellenen Evelleute vor bein
Übergang an Konftanz zu der alten Reichspfalz pflichtig geweſen feien
(ogl. S. 391, Anm. 2. ©. 394, Anm. 1). Anders lauten freilich bie
gemealogifchen Annahmen fpäterer Zeit. Glänzende, zu ben älteften
Könige: und Fürftenhäufern auffteigende Etammtafeln des bobmanifchen
Geſchlechts bat vornehmlich der gelehrte Gabriel Bucelinus im 17ten
Jahrh. entiworfen!. Mit dem Ruhme ſolcher Altvordern mufte basfelbe
zugleich den Unfegen ihrer Verſchuldungen hinnehmen. Auch die zim-
meriſche Chronik von 1566 kennt derlei Vorgeichichten, aber fie iſt in
ihren ausgibigen Berichten über Bobman, wie überall, vom frifchen
Hauche vollämäßiger Überlieferung berührt und foll darum hier fortan
Führerin im Gebiet der Sage fein. Diefelbe berichtet (S. 1324 f.
[Ausgabe von Barad 1, ©. 50 ff. H.):
[4, 51] „Das gejchlecht der Herren von Bobman iſt zu der zeit und
auch davor umb die zegierung Caroli Magni in großer achtung und ver:
megen zeitlicher güeter geiwefen und follen iren urfprung anfenglichs
von den grafen von Montfort ber haben, unangefehen daß in wappen
underſchid und fie bie feebletter füeren. Man jagt, nachdem gar vor
alten zeiten die drei grafengeichlecdhter, als Bregenz, Montfort und
Heiligenberg, gar nahe den ganzen Bodenfee ingehabt, dishalb fo hat
fih Montfort derzeit weit außgetailt, wie das ire alte güeter, die fie
vor jaren bejeßen, mol bezeugen, und als iren ainer feinen negften
pluetsfründ und verwandten in ainem zorn umgebracht, foll er von
gemainer fründſchaft von feinem namen und angebornen wappen binb:
angewijen und im das alt jchloß Bobman fampt feinen zuegehörden
ingeben jein worben, auch daß er und feine nachlommen binfüro die
drei fjeebletter füeren und ſich herren von Bodman gefchriben megen.
-.. Aber die herren von Bodman fein vor alten zeiten gar vernampte
beisen, auch vor andern geſchlechtern weit beriiempt geweſen. So
imperialis in Bodenıen sita noch 1277 Reichſsgut war; vgl. Lex Alam. Hiothar.
Metel ©. 49): in curte presbiteri (parochieni) und (©. 41, 4): iu
curte 'regis. |
1 Im 2ten Theil feiner Germania sacra et profana, Ulm 1662, fodanı
in feiner Constantia rhenana, Frankfurt 1667, Th. 3,. ©. 24, zuletzt in der von
ihm 'verfaßten Deductio genealogica von 1650, die in einem Anhang zu Reati
Rhenani institut. rer, german. illustr. a Jac. Otione, Um 1693, &. 488 ff.,
abgedrudt ift und auf welche fid die Anflihrungen im Folgenden bezichen.
Uhland, Schriften. VIII. 26
a8
befinbt fih auch ußer wahrhaftigen biftorien, daß aine bes gefchlechts
von Bobman bei der Taiferin Hilgarten, des großen kaiſers Garoli ger
mahl, im frawenzimmer geweſt und bemelter Taiferin ganz gehatm und
vertraut geweſen [S. 389]. Es haben auch die römifchen kaiſer der zeit
vil wandels und wonung bei den herren von Bobma zu Bobman ger
bapt, vermög ber freihaiten, jo allda ußgangen und deren datum uß⸗
weiſt: in palatio nostro imperiali; gleihmwol man vermaint, fol
palatium fei nit uf dem fchloß, fo iezmals unjer frawen berg genannt
wurt, geftanden, fonder e8 hab noch ain ſchloß oder Taiferliche wonung
ſchon hieunden im fleden Bodman gehapt, darin die kaiſer bern enden
gewonet, welches aber iezund alles vergangen, und wol zu achten, bas
und anders fei von den unglaubigen Hunnis und andern barbarifchen
völkern in grund zerftört und vergengt [Schmeller 2, 55] worden ober
die von Bodman ſelbs habens ußer urſachen und mit millen abgeen
Iaßen 1. Man bat noch heutigs tags für gewiß, St. Othmar jei [4, 52]
zu alten Bodmen in der gefangnuß gelegen und nachdem er denen
beten von Bodman von etlihen ſchwebiſchen fürften fenglichen über:
antwurt, ſei er etliche zeit ganz bertiglih und one alle erbermbe von
inen gehalten worden. Uf unfer frawen perg, da aineft das recht alt
Bodman geitanden und darvon auch die herren iren namen gebapt,
do zaigt man noch ain finftre® ungeheures gewelb oder kemmerlin, barin
der hailig man ift gepeiniget worben, daher von altem ain fag uf
unfer zeit kommen, es haben ſich tie von Podman derzeit an St. Othmarn
Nachträglich befagt die Chronif, ©. 1408 [Ausgabe von Barad 1, S. 51.
52. H.]: „Man findt, daß faifer Conradt der erfi (if ain berzog von Franken ge
weſen) das kaiferlich palatium zu Bodman hat Taßen abbrechen von wegen der tal
und gemwaltfame, jo Herzog Berchtoldt und berzog Erdinger von Schwaben wiber
bifhof Saloman von Conftauz genebt haben. Allen anzaigungen nad) fo iſt das
palatium nit weit vom Bodenſee und ter kirchen dafelbft im fleden geftanden
und in der nidere gelegen. Möglich, jo man ſnechen [mwolte], man wurde noch
die fundamenta desjelbigen finden.” Bgl. oben ©. 884 f. Übrigens ift das auf
König Kunrads Befehl zerftärte Schloß nicht, mie mehrfältig angenommen wird,
die Pfalz Bobman, fondern die Burg Stammheim, um weldye der heftige Streit
zwifchen den Kammerboten und dem h. Otmar, d. b. dem Stifte St. Gallen,
fih erhoben hatte (oben ©. 898. Monumente Germanie 2, 85: castellum
quoddam super Stamhem. 2, 87: Rex vero castellanı illud odiosnm sancto
Otmaro cauea mali tenti tradidit dirnendum).
403
alſo verſchuldt und verfündigt, daß ein fluech uf fie und ire nachkommen
erwachſen, dann der merertail alle im geſchlecht ſchadhafte ſchenlel und
füeß haben, welcher gebreften fich gleichwol bei unſern zeiten bei etlichen
bes geichlehts war fein befunten. Ob es aber der urſach balb, mie
iez gemelt, beichehe, das mag fein uber nit, ber waiſts am beften,
bem nichts verborgen oder unbewiſt.“
Schon Lirerd von Rankweil Fabelwerk: „alte ſchwäbiſche Ger
ſchichten“, zuerft gebrudt 1486, meldet, jedoch mit anbern Umftänben,
die Ablunft des bobmanifchen Geſchlechts von den Montfortern, und
jwar durch Hugo, Herrn zu Lindau, ben Entführer Einer von Ems,
von welchem bie Lindauer ihre Freiheit um 42 Marl halb Gold und
halb Silber erlauften !, womit er bie Veſte Bodam erbaute (Wegelins
Ausgabe E 1). Eine dritte Auffafjung findet fih in Mangolds Chronik
des Bodenſees von 1548:
„Hernach im 917 jar, als die herzogen in Schwaben Berchtold
und Erchinger den biſchof Salomon gefangen battend, da zerftort inen
fung Conrad das ſchloß Bodman als urfach des übel Wie lang
aber das zerftort fchloß in der eſchen unerbumt glegen ſei, Tan ich nicht
finden, find aber, daß es erbumet worden fei von eim von Emps,
welcher, wiewol er nun [mbd. niuwan, nur] vom [niedern] adel mas,
fo bat er doch nach einer gräfin von Montfort vom roten fan geworben
und biefelbigen auch erivorben. Als fi [4, 53] aber iren abel gefchwecht
bat, do kam fi in ungnab irer brüber, iedoch warb entlich fo vil ge
banblet, daß fi fi mit 42 mark halb filber und halb gold ußfauften,
dergſtalt, daß [fi] ſich hinfür irs namens und wapens verziben fölte,
ſonder ſolte hinfür für den roten fan füren drü grüner lindenbletter
in wißem veld. Uff ſolchs erlangt er keiſerliche bewiligung, das zerſtört
ſchloß wider ze buwen; alſo hub er an, das ze buwen und brachts wider
in weien“ ?.
Grafen von Montfort find erft feit Beginn des 18ten Jahrhunderts,
nach Abgang der von Bregenz benannten, urkundlich bezeugt 3. Doch
1 Bgl. Lex Alam., herausgegeben von Merfel, 48, VIII A: medietatem
in auro valentem, medietatem cum quale pecuniam habet solvat.
2 Extractus ex Chronica lacus Bodamiei de ao. 1548, auet. Gregorio
Mangold, eiv. Constaniiens. Im Archiv zu Bobman.
ↄ Stälin 2, 426: 488 f. 442 fi. 3, 688.
404
mögen ältere Beziehungen der Pfalz Bobman zu den Grafen vom Lin;
und Argengau (ob. S. 396), welch letzterem Bregenz und Lindau an:
gehörten, der jettt veriworrenen Sage ben Urfprung gegeben haben.
Den vermeintlichen Übertritt der bodmaniſchen Stammeltern auf eine
minder hohe Adeläftufe ſuchte man auf verſchiedene Weife zu erflären
und verband damit die Entftehung eines neuen Namens unb beſondern
Wappend. Nach Mangold hat dieſes, wie noch heute, drei grüne
Lindenblätter in weißem Felde 1. Die zimmriſche Chronik fieht in dem
felben drei Seeblätter (Graff 3, 8715: feblat, nymphee), denen zwar
jet tie beralbifche Geltung fehlt, wohl aber ein örtliches Anrecht zur
Seite ſteht. Sie find Wahrzeichen des Seegebietö, wie wenn im Gudrun⸗
liede der Held Herwig das Banner feiner Seelande wehen läßt (Bollmer
Etr. 1373):
[4, 54] Noch fihe ich hie bi weiben einen vanen breit
von wollenbläwen fiden. daz ji in gefeit!
ben bringet uns ber Herwic dä her von Selanden.
jebleter jwebent dar inne. er wil bie vafte rächen finen anden;
oder wenn die Frieſen fieben Seeblätter in ihrem Echilde hatten und
unter biefem Zeichen zu fiegen glaubten (Myth. 620. 1147. 1221). Es
war Kriegsbrauch, heimatlichen Laubfhmud als Feldzeichen aufzufteden?;
1 Herr Mattes verzeichnet eine Urkunde von 1360, worin Kaifer Karl IV
„den edlen Hans von Bodemen“ mit Hartman Meiers von Windeck Wappen,
Schild und Helm, belehnt; von diefer Zeit an komme ın den Sigillen ber
Steinbod nebſt Helm vor, früher fein es bloß drei Lindenblätter geweſen,
wobei anf Siegel von 1295 und 1347 verwiefen wird. Die Form bes Linden⸗
laubs ift unverfennbar in dem Wappen „von alten Bobmen“ bei Stumpff 2, 63 b;
den Steindod hat ebendort das „von neüwen Bodmen“, entiprechend demjenigen
der Meier von Windel (daf. 2. 134). Der Steinbod ift überhaupt ein rätifches
Schildzeichen: der Grafen von Churrätien, der Stadt Chur und des dortigen
Bisthums. Ihn führt auch, in zwei verfchiedenen Formen, das Geſchlecht von
Ems, weldhes Mangold und Lirer in die bodmaniſche Borgefchichte hereinziehen.
Guler (Rätia 136) gibt diefe Wappen von Ems, das alte und das meue, forte
nachher die von alten und neuen Bobmen (ebd. 143 b, gleich denen bei Stumpfl),
mit dem Beifügen, daß 1268 die Herren von Bobmen ihren Theil der Kirche
Feldkirch (montfortiich) dem Kapitel des Hochſtifts Chur übergeben haben.
2 In der- Schlacht bei Sedenheim 1462 trugen die Pfälzer Nußbaumlaub,
wie es die Bergſtraße fpendet, die Feinde Haberrohr. Mid. Beheims Reim
chronik, Quellen zur bairiihen Geſchichte 3, 126: „Do nun alle ortnumg fur
405
dazu boten fich die Seeblätter dort am Rorbmeere, hier am Bobenfee,
„der in der Swabe lande ſwebt.“!
Die Chronik von Zimmern fährt nach der auögehobenen Stelle fort:
„Bemelte herzen von Bobman haben umb diſe zeit und Zurzlich
nad ©. Otmars tob ain große cer am Bobenfee erlangt, dergleichen
im land zu Schwaben, dem fie in ungerifchen kriegen, als diejelbigen
ſampt anderen ungleubigen völlern gar nahe ganz beutfche nation über:
jogen und burdjitraift, die ftabt Coſtanz und ain großen tail bes
Bodenjee vor überfall und verberpnuß verhliet haben. Welchergeftalt
aber ſollichs beſchehen, das ift von unfern unfleißigen, lieberlichen vor
farn nit verzaichnet worden, aber wol zu gebenten, fie haben vie feind
zu waßer und zu land angriffen, inen allen abbruch geton und bamit
ain ſolche herrliche victoriam erlangt, daher dann von felbiger zeit an
der geprauch und ain fonberliche freihnit bei denen von Bobmen, daß
fie järlich zu ainer befondern zeit im jar, fo der gangfifchfach am beiten,
in ainem jagfchiff von Bodmen aubents außfaren, den fee biß gen Coſtanz
nad) irem gefallen burchftraifen, mit großem jubel und [4, 55] gefchrai:
„Huno! huno!“ zu ewiger gebechinuß des ſigs. Alsdann fo flüchen
alle fifcher vom fee und laſt fich niemand fehen over von inen ergreifen,
denn fo das befchech, mere inen berfelbig mit leib und guet verfallen,
oder e3 mochten in bie von Bodmen nad irem gefallen ftrafen. Was
fiich fie underivegen ankommen in laitichiffen oder anderm, das megen
fie alla mit inen hinweg nemen. Sie faren mit aim follichen triumpf
vol | zu dem ſchlahen und ſtrit vaſt mol | durchordnet vnd gemachet waz, | ward
des pfaltzgrauen vold furbag | mit nußloub vB geredet, | gezeichent und beftedet.“
Das gleichzeitige Lieb in ber Heidelb. Hof. 387 (vgl. Fichard, Frankfurter
Archiv 2, 61) redet den „leuwen,“ Pfalzgr. Friedrih, an: „mit noßbaümen
laup merftu wol gefleyt, | die bumwern funden das eben gemerden.“ Mone,
Quellenſammlung 1, 224 (zur Erklärung eines lateiniſchen Verſes): „Ceres
hie accipitur pro avena, cum qua signati erant hostes, nux hic accipitur
pro ranıis nucum, quibus Fridericas adjutoresque ejus signati erant.*
Im gleihen Sommer 1462 ſchlugen fi) Baiern uud Brandenburger bei Giengen,
wovon Hans Magensreiter, ein bairiſcher Mitlämpfer, meldet (Öfele, rerum
boicarum scriptores 1, 398): „wir waren mit aichenlanb bezaichnet und bie
feind mit pirdenlaub.“ Bgl. Stälin 8, 537. 540.
1 Rudoris Weltchronik in einigen Handfchriften, ſ. Schwab Bodenfte
1, 154. Flora des Vodenfees, bei Schwab 2, 55: Nymphea alba v. lutea %.
406
biß gen Coftanz zu der Reinbruden, ba hat es dann andere ceremonien
und gebreuch, wie bie bernacd in bifer hiftoria an gepurlich ort mit
allem bericht grundlichen vermeldet werben und diſe freihait inen von
allen römifchen Taifern zu lehen verlihen, und ift ain große herrligkait,
dergleichen in unfrem bezirt nit leichtlichen befunden mwurt. Zu was
zeiten aber hernacdy die von Bobmen den berrenftanb verlaßen und ſich
unter den gemainen abel gemifcht, wie auch von den bern von Empe
und andern mer beicheben, das mag man aigentlich nit anzatgen.”
Die verfprochene Fortführung des feltiamen Yilcherzugs zu den
Gebräuchen an der Konſtanzer Brüde fcheint unterblieben zu fein, doch
beifen andre Befchreiber ergänzend aus. Eo wieder Greg. Mangel,
Bürger zu Konftanz (a. a. D.):
„Im jahr 1542 gebruchtent ſich die von Bobman irer alten frei
heit uf dem Underfee, welches dann mer dann in 30 jaren vorhin nie
bejchehen was. Bon dem herkommen aber berjelbigen freiheit hab ih
von den alten alje vernommen, daß die Huni dife landſchaften über:
zogen, verbrent und verberpt haben, welches dann im jar 915, bor oder
nach ongefar [beicheben], dann fi in 30 jaren diß land oft überzogen
und beichediget haben; bo haben fi) die von Bobman und Fridingen
uf fant Andres abent mit jonderlichen thaten erzeigt und inen großen
haben zugfügt, daher dann inen diſe getwonheit und freiheit erwachſen
ift, daß ft järlich uf fant Andres abent, fo der fiihfang am beften iſt,
gwalt und herfchaft haben über die filchegen zwiſchet dem Paradis und
Gotlieben. Und fo fich die des gebrauchen wöllent, fo nement fi es alfo
zu handen. Erſtlich farents zu Bodman uß zu fchiff und fürent mit
inen ein halbfüdrig faß mit win, item etliche brot, deren iedes 18 pfund
ſchwer und fo breit, daß [e8], fo mans ufricht, fo hoch fei, daß man
ab [I. ob] dem Inüm ſovil darab fehneiden mög, daß ein jeger und
jaghund ein ganzen tag daran zu eßen haben [vgl. Rechtzalterthümer
102 f. Weisthümer 1, 101.168. 240]. Er muß auch mitfüren [4, 56]
ein frifchling. Wenn fi nun beruf kumment an das Eichhorn ob Coſtanz
fo Iendents und bindent die ſuw an ein jung haſelſchoß und hawen
darnach ein fuber holz. So dann die ſuw biewil nit abrißet, fo iſt fi
des ſtatammans zu Coftanz, rißt fi aber ab, fo ift fi des banwaris.
Dißen win, brot und ſuw wirt inen barzu geben von tren lehenlüten,
bie das uß kraft der lehenſchaft ze geben ſchuldig find, und gat nit uß
407
dem iren. Nachdem fi nun das fuer Holz gehamen haben, fo ſarents
der ftat zu, ſchreien an brü beftimpten orten: „Huno! huno!” und das
sichicht zu marnung, damit, fo etwar uf dem fee wer, wichen möchte,
tann fi gwalt haben, als fi jagen, ze fahen und zertrenken was fi finden.
Denn fi dann fumment zum PBaradis und Gotlieben, fo vechtferlent ſis
[Schmeller 3, 25], und müßent bekennen, daß fi vis nacht über bie
fiſchetz herrn fein Darnach fo farent die fifcher mit in uf ben fee,
und fo vil ieber fifcher beren geieht bat, fo vil maß mind müßents im
geben. Nachdem fi nun ab dem fee kumment, To feßent fi fih zuſamen
und zechent. Darnach ziehents den fee uf wiber dem beimet zu mit
den filchen. Bil andere ceremonten bruchents, welche ih nit alle er:
faren hab.“
Manches, was auch dem Konftanzer entgangen ift, verzeichnet noch
1592 einer der Berechtigten, Hand Georg von Bobma, der jelbft den
Zug ausgeführt hat:
„EB haben von unvervenflichen jaren bero die von Bobma bie
gerechtigleit, daß fie iedes jar auf Sanct Andres abent dörfen auf:
faren, die zu Mekhingen und zu Bodma, und wenn fie auf dem Bein
und fie zu felbiger irer außfart zu Goftanz am Rein ankhomment, rufen
fie auß ixen fcheffen laut: „Hunno! hunno!“ und faren alddann auf dem
jee fott, und wen fie finden, deſſen leib und guet ift inen, den von
Bodma, verfallen; wann aber einem gnad befchicht,, werfen fie in, außen
ein in Rein entzwerents geftellies fcheff, in ben fließenden Rein under
das ſcheff; khumt er under dem fcheff herdurch und mag fich felbft oder
durch hilf derjenigen, fo im fcheff feien, widerumb in das fcheff [heben],
jo bat er gebfießet. Wann fie denn an ben Aichorn anthomment,
haben fie macht, auß einem dafelbften vem comenthur auß der Mainaw
zuegehörigen holz, fo vil fie bie nacht zu kochen und fonften brauchent,
zu nemen. Betretten fie barunder den banwarten, binden fie im baibe
händ zuefamen, Inipfen in an einen bom und einen proffel in das
maul, ftedhen im under den einen arm 3 [4, 57] laiblen brot, under:
den andern einen Tantten vollen wein, welcher ime, wann er bon ben
feinigen geledigt wirbt, zum beften verbleibet, und ol bafelbften an
einer ftauden, fo zweijärig, gebunden fein ein ſchwein, jo wenig nit bann
vier gulden wert; reiße das ſchwein ab und wirdet Iebig, ehe bie von
VBodma hinwegfaren, jo ift ſolliches des banwarten, reißet eö aber nit
408
ab, follen fie, die von Bodma, die [fuw] wider mit fich füeren und
dem ftattuogt zu Coſtanz vereren; dargegen foll er ftattuogt und bie
von Coftanz inen, denen von Bodma, vereren belanntlichen ein halb
fiederlein wein, des beften, fo fie in ber ftatt haben und bi gaiſtlichen
oder weltlihen befhommen mögen [vgl. Weisſsthümer 1, 141. 246], umb
ſoll ter ftattwogt bi feinem aid anzaigen und beteiren, daß er khein
beßeren in der ftatt nit wiße noch beibommen möge; ebenmäßig foll man
inen auch vereren ein halb fierendeil wein, des geringften und ſchlechtſſtſen
weins, fo in der ftatt befunden werben mag, wie auch, daß Ihein ge
tinger befunden werden mögen, vermelter ftattuogt bei feinem aid be
zaigen ſoll [vgl. Rechtsalt. 256]. Sodann gehören alle fiſch, fo felbigen
abent in den beren und in den feginen gefangen werben, ınen, denn
von Bodma, zue, doch jollen fie denen, fo die beren gejegt und wellichen
fie zuegebören, geben drei laiblin brot und ein maß mein, wellichen
fie auß einem faß, fo vier aimer tuet und bei fich habent, laßen follen,
doc) wan man unden facht herauf laßen, follen oben durch ein reittern,
meil heraußen gelaßen würbt, . . . welcher aber eine fegin füert, dem
joll geben werben ain laib brot, welcher fo groß fein fol, daß er einen
[einem] gewachſnen mann auf dem reichen ftehen und jo meit über das
knie gebabt [?], daß er ob dem knie darab unfchaben fchneiven mag.” !
1 „Retulirt Hang Geörg von Bodma Selbdſten den 16ten Oltober —82.
zue Mörßpurg, wie Er ſelbſten auf folligen Zug verrichtet habe.” Aus den
Lehenhofsarchiv zu Karlsruhe dur Herin Baron M. von Bodmaun abſchrift⸗
lich mitgetheilt. Cine Wufzeihnung, wohl and dem 17ten Jahrh., im Han
archive zu Bodman, befagt no‘: „So dan hat ein herr v Bodma [am Rande.
Safpar gt: zue zeithen könig Henrici deß Erſten] in dem bluetigen krieg der
Hunniten, wider die Ghriftenheit, alß Sie dz ganze röm: Weich tiberzogen,
aine große Bictorj nehſt ahm Boden See erhalten, allwo Er als dan von
denen röm: Tay: vndt königen mit fonderer gnadt vndt Prinilegio feines wol
verbaltens halb allergnädigft angefehen worden. Bndt haben höhſt gedacht Eeine
fan: vndt königl: Mayenftätt Ihme bern von Bodma dz fiſchendtz die Humo
genannt auf dem ganzen Boden See volgender geftalten gegeben, dz Er vndt
feine Nahkümling in Ewigfheit dz Zus haben, alljährlich in Vigilia S: Anudreẽ
nad mitag von Bodma auß zue fahren, alle Schiff, fo man antreffen wurde,
dinweg zue rauben, vndt zuer rantion ahnzuehalten, auch alle fiicher facht von
Bodma auf bi hin gehn Ermatingen vnderhalb der Rheinbruggen zue Coſtanz
gelegen, zue heben, vndt alle fiſch hinweg zue neitten, vndt fo gedachte herren
von Bodma in der nacht vacher Coſtanz zue der Rhein bruggen komen, So
409
[4, 58] Bucelin (Deduct. geneal, 454 ff.) führt aus, Gaſpar von
Vodman, der, wie es fcheine, zuerft Statt des agilolfingiichen Löwen feiner
böhergeftellten Ahnen ven rätifchen Steinbod und zugleich die brei
Lindenblätter von Lindau zum Wappen genommen 1, habe von der an-
exerbten Befte Bobman aus ruhmreiche Thaten wiber bie Ungern volls
bracht und fei deshalb von Heinrich I mit großen Borrechten ausge
zeichnet worben, insbeſondre mit dem, daß er, zum ewigen Gebächtnis,
in gewiſſen Zeiten des Jahrs Alles, was er von Schiffen oder Waaren
auf dem See treffe, wegnehmen ober deſſen Loskauf erzwingen dürfe;
überdies habe der König ihm und feinen Erben das Recht des Fiſch⸗
fange, „die Kuno“ genannt, im Rhein unterhalb ber Konftanzer Brüde
zu ewigem Leben übertragen, mit ber Befugnis, daß der Älteſte dieſes
Geſchlechts von Bodman vorbefagtes Recht gewiſſen am Rheine woh⸗
nenden Fiſchern meiter verleihen könne, welche Lehensleute noch auf
den heutigen Tag ala jährlihen Zins beftimmte Hunderte von Gang:
fiiden dem zu Bopman meilenden Herrn zu entrichten fchulbig feien.
Derjelbe Gafpar babe ſich in dem von Heinrich I zu Magdeburg ver:
anftalteten erften Turniere glänzend hervorgetban, zu befien Zeitung er
vom Könige mitbeftellt geweſen, und in Folge jenes ihm über den See
verliebenen Rechtes fei leßterer nach dem Befieger fo gewaltiger Feinde
feitvem Bodenſee benannt worden. Bis zu dem verheerenden Einfalle
der Schweden in die Seegegend jeien die Turmierwaffen der bobmanifchen
Ahnen forgfältig bewahrt geblieben, damals aber im euer aufgegangen.
Rah Ausfage der glaubwürdigſten Augenzeugen haben babei einige
Lanzen von folder Wucht ſich befunden, daß faum zwei Männer eine
vom Boden zu heben vermochten, ferner [4, 59] eiſerne Beinfchienen,
welche unterhalb des Kniegelenks bis zur Ferſe jo lang waren, daß
ber Kloftergeiftliche Hans Simon von Bodman, des Berichterftatters
werden Ihnen die Selbige küttenen under ber Bruggen im Mhein geöffnet, auf
dz Sie auch die öberige refler dei Sees gegen Ermatingen binab befuechen
könden, Bolgendt in der rukhkher naher Eoftanz, würdt Ihnen dz thor bey
der Iufhen geöffnet, allwo Sie mit Ihrem raub, den Eie befhomen haben, in
die Statt fi) begeben, vndt den Tag darauf den ganzen Magiftrat der Statt
Coſtanz gaftieren.“
1 Bgl. ©. 403 f. Wernherus Zimbrensis und Thomas Lyrerus find
von Bucelin (a. a. D. 442) zu feinen Gemährsmännern gezählt. Das Wappen
von Lindau zeigt jedoch nicht drei Blätter, fondern einen Lindenbaum.
410
Freund, ein Mann, der fait fieben Werkſchuhe maß, bei wiederholten
Proben, wenn er den Fuß in diefe Schienen ftedite, bis um die Schentel
einſank und doch nicht mit ben Zegenfpiten ben Grund erreichte. Auch
Hirminger, muthmaßlich ein Sohn Gaſpars, babe Heinrih I feinen
Heldenadel bewährt, nicht bloß in dem erfolgreichen Kriege dieſes Königs
wider die Ungern, fondern noch durch befonvere Siege, die er an und
auf dem Bodenſee, zum Schutze ber umliegenden Länder, über bie
Barbaren erfochten, wofür ex durch erweiterte Vorrechte, namentlich
damit belohnt worven fei, bag ihm und feinen Nachkommen am Jahres
tag und zur eier feines fieghaften Kampfes geftattet fein folle, mit
ſcheinbar bewaffneter Flotte den ganzen See zu befahren, alle dort
Sciffende feindlich anzugreifen und zur Auslöfung zu nötbigen, was
die Umwohnenden, in danfbarem Andenken an bie Rettung ihrer Väter
durch Hirmingers Tapferkeit, fich von biefen erbichteten Feinden freitwillig
gefallen laſſen. |
Das baltlofe Gewebe Bucelins geht fichtlih von Rüxners Turnier:
bud aus, welches (Ausgabe von 1566, Bl. 230) gleich beim erften
Zumier, 938 zu Magdeburg gebalten, unter ben zur Wappenichau
berufenen vier alten und vier jungen Nittern aus Schwaben „Herm
Caſparn von Bobman, für einen alten” erwählt fein läßt. Heinrie I,
bermeintlicher Stifter der Turniere, glänzt als fiegreicher Belämpfer
der Ungern, die bei Rügner, wie vielfach anderwärts, als Hunnen
bezeichnet werden, und fo empfahl es fich, dieſen König dem ſchwäbiſchen
MWappenichauer Cafpar von Bodman zum Danke für feine Kriegkdienſte
wider das Hunnenvolf jenes Yilchereivecht, das bei Bucelin „bie Kuno“
beißt, ertheilen zu laſſen. Dasjelbe beitätigt und verſtärkt Heinrich
dem angeblihen Sohne Gaſpars, Hirminger, welchem offenbar ber
Held des Fridgaus von 836 (©. 398) Namen und Ruhm leihen wmufte.
Weniger läßt fich einfehen, wie bie Herren von Bobman Giege ihrer
Ahnen über die Ungern und bie hiedurch bewirkte Rettung des See
gebiet® damit gefeiert haben follten, daß fie, das feindliche Heer vor
ftellend, an ihre Landsgenofien gewaltſame Hand legten. Beachten
werib ift Dagegen die Meldung, wonach zu Bobman bis in die Zeit
des breißigjährigen Kriege Waffenftüde von riefenhaftem Maß und
Gewicht aufbehalten waren, An folderlei Erbftüde mochten alte Sagen
des Haufes ſich gelnüpft, [4, 60] jeboch, unter dem Einfluß getftlicher
411
Freunde desfelben, einen balbgelehrten Zufchnitt erfahren haben, von
dem ſelbſt di: vollsmäßigern Chroniken nicht frei geblieben find. Nur
in lateinifcher Schriftiprache fand ſich für den Hunnoruf die entfprechende
Form des Volksnamens: Hunnus; ſchwäbiſch, in münblicher Überlieferung,
hätte diefer Name gelautet: ahd. Kür, mhd. Hiune (Heune). Den Schiff⸗
ruf „bunno” verzeichnet, gleich den Andern, der bodmaniſche Bericht:
erftatter von 1592, aber er, der felbft noch den feierlichen Zug ausgerichtet
hatte, fagt einfach, ohne allen Bezug auf den Ungerntrieg, die von Bob»
man haben von unvordenklichen Jahren diefe Gerechtigkeit (S. 407).
Dennoch fehlt e8 auch nicht an urkundlichen Nachweiſen des Erwerb»
titeld. Mittelft einer 12377 zu Wien auegeftellten Urkunde vollzieht
König Rudolf die Pfandverleihung des in Bodmen gelegenen kaiſerlichen
Hofes (curie imperialis in Bodemen site) für 70 Pfund Heller an
den lieben getreuen Johann von Bobmen; an Letztern, feinen Better,
verlauft ſodann 1295 Ulrich von Bobman. Domberr zu Konftanz, um
217 Marl Silbers „die newe Burg“ zu Bodman, bier wohl die auf dem
nachmaligen Frauenberg geftandene, und dieſer Gegenfah fpricht weiter für
die Lage der alten Reichöpfalz unten am See (S. 384 f. 402, Anm. 1).
Beftätigt und namentlich auf das Freigericht ausgedehnt wird die bes
ſtellte Pfandſchaft durch Hanpfeften ber Könige Adolf 1294, Albrecht
1298, Heinrich VII 1309, Ludwig 1332, Karl IV 1361, Wenzel 1378,
Auprecht 14061. Bald nachher treten Urkunden hervor, in welchen
nicht mehr von Pfandſchaft, fondern von eigentlichen Reichslehen die
Rebe ift, des Königshofs zwar nicht mehr gebacht, aber mit dem Frei⸗
gerichte zu Vodman belehnt und unter ven verliehenen Rechten zuerſt
auch das Hunnfifchen genannt wird, doch mag dies fchon in einem
bodmaniſchen Theilungägettel von 1889 geichehen fein, wonach der Bes
ſitzer de forfterifchen Lebens zu Walwies das zweijährige Schwein zur
Ausfahrt liefern mujte 2. Eine deutſche Pergamenturfunde, vom [4, 61]
1 Borfichendes nad, jummarifcher Berzeichnung bes Herrn Mattes. Genauere
Belanntihaft mit dem Anhalt diefer Urkunden wird aud den Bufammenhang
der Rechtaverhältniſſe beſſer aufbeilen.
2 Angemerkt von Herrn Mattes. Mangolds Chronit zum Jahr 1542
(oben ©. 406 f.) bejagt allgemeiner: „wein, brot und ſuw wirt inen [denen von
Bodman] darzu geben von iren Iehenlüten, die das uß kraft der Ichenfchaft ze
geben ſchuldig find, und gat nit uß dem irn.“
412
römischen König Sigmund am 17ten Jan. 1418 zu Konſtanz ausgeſtellt
und befiegelt, enthält nun, daß vor ihn, den König, Tommen jeien
die ftrengen Yrifhhand und Hanskonrad von Bobmen, Nitter, feine
Räthe und lieben Getreuen, und ihn demüthiglich gebeten haben, ihnen
nachgeichriebene Leben, die von ihm und dem Reiche zu Lehen rühren,
gnädiglich zu verleihen, mit Namen das Freigericht zu Bodmen, item
das Moos, gelegen zwilchen Bobmen und Walwis, item ven Baun,
über das Blut zu richten, und Stock und Galgen zu Bobmen, item
die Fiſchenz zu Coſtanz in dem Rhein auf fant Andres Abend, „pie
man nennet die Hunn“; ex habe deshalb, angejehen ber jegigen Friſch⸗
banfen und Hanskonrads bemüthige und rebliche Bitte und auch ihre
willige und getreue Dienfte, die fie ihm und dem Reiche oft und bid
williglich und unverdroſſenlich getban haben, täglih thun und fürbaß
zu thun allzeit willig und bereit zu fein meinen, ihnen bie vorgenannten
Lehen mitfammt ihren Rechten und Zugehörungen gnäbiglic verliehen,
was er ihnen daran von Hecht? wegen verleihen follte, biefelben für:
baßmehr von ihm und dem Reiche zu rechtem Mannlehen zu baben, zu
balten und zu nießen, auch haben die vorgenannten Friihhans und
Hanskonrad gewohnlich Gelübd und Eide darauf gethan, ihm und bem
Reiche getreu, geborfam und gemwärtig zu fein und zu thun und zu
dienen, als dann Mann ihren Lehenherren von foldden Leben pflichtig
zu thun fein. Gleichartig ift ein zweiter Lehenbrief König Sigmunbs
aus Dfen 1424 für den ftrengen Hans von Bobman, der vor ihn ge
fommen, und deſſen Brüber, abermals über das Freigericht und ben
Blutbann zu Bobman, das Moos zwilchen dort und Walwis, ſowie
die Fiſchenz zu Konftanz im Rhein auf St. Andreas Abend, „die man
nennet die Huny“ 2. Auch Kaiſer Ferbinand I (1558 bis 1564) beftätigte
viefelben „regalia umb das freigericht, das Mos, bann übers biluet,
viſchenz zu Coftanz im Rhein, die Hund genannt“ 3. An ber Spite
der bier aufgezählten Pfand: und Lebenbriefe ſteht die Urkunde von
1277, welche ven in Bodmen gelegenen Königshof felbft betrifft, und
wirklich find die in anhaltender Folge von den Königen ertheilten und
1 Nach der Originalurlunde im Ardiv zu Bobman.
2 Auszug der Urkunde bei Herrn Mattes.
3 Regiſtratur u. ſ. w. 1589, Papier-Handfchrift im Archiv zu Bobman,
Dlatt 25 6.
413
beftätigten Rechte, auch ihrer innern Beichaffenheit nad, ſolche, bie
von der Reichögewalt ausgeben muften und darum einft der konig⸗
lichen Pfalz anbafteten: Freigericht, Blutbann, [4, 62] Filchregal. Im
alte Zeiten weiſt beſonders noch die mitten unter dieſen Hoheitsrechten
gehende Verleihung des Mooſes zwifhen Bobman und Walwies Das
Moos if die vom erftern aufwärts zum letztern Ort eine Stunde meit
fich erſtreckende Thalmulde, Moorgrund des zurückgewichenen Überlinger:
fees; die Trümmer von Altbodman und Homburg, auch die entfernteren
der Rellenburg, überichauen dieſes Geländ, an deſſen weftlihem Ende,
auf einem fteilen Hügel, das Dorf Walwies ſich erhebt, ohne Zweifel
nad) dem untenliegenden Wiefenfelde benannt. In der Königepfalz
Bodman (Bodoma palatio regio) ftellte Ludwig ber Fromme 839 dem
Klofter Reichenau (Sindleozesauua) eine Urkunde aus, worin Walmwies
(uualahuis) zu den Orten gerechnet ift, an welchen Eigenthumsrechte der
Löniglichen Kammer von Bodman (fisci nostri vocabulo potimiacus) be
ftanden (S. 394, Anm. 1). Bei Walawis erftritt Erchanger 915 den Sieg,
der ihn für den Augenblid zum Herzog ſchuf!. Dorthin berief nad;
mals die Herzogin Habetvig eine Öffentliche Verhandlung obſchwebender
Streitfachen und Staatögeihäfte . Indem mun noch die Lehenbriefe
des 18ten und 16ten Jahrh. gerade zwiſchen Freigericht und Blutbann
das Moos gegen Walwies nennen, fo ift auch für dieſes zur größeren
Dingfätte wohlgeeignete Feld die vormals gerichtliche Bedeutung nahe:
gelegt. Selbft daß Erchanger und fein Anhang eben bier, im Gefechte
mit den eigenen Zandbögenofien (cum ceteris patriotis suis), den innern,
alemannifchen Zwift über das Herzogthum zur Entſcheidung bringen,
ift einem Rampfgerichte nicht unähnlich 3. [4, 63) Im Anſchluß an bie
1 Annal. alamann. a. 915 (Monumenta Germanie 1, 56): Erchanger,
de exilio reversus, cum Burchardo et Perahtoldo cum veteris patriotis
suis pugnavit ei eos apud Wallawis [®. walawis] vieit et dux éeorum
efflectus est.
2 Eftehard IV, cas. 8. Galli 6. 10 (Monumenta Germanie 2, 125):
Colloguium tamen publicum postea [Hadew] pro his et pro aliis regi-
minis causis Walewis villa edizit, illuo quoque episcopum et abbates
venire jusserat,
3 Der Schreibung unalahuis, einzig in der Urkunde von 889, gegenüber
Rebt in den folgenten von 886 bis 1247: Walawie, Walewis. Walwiſa.
Abd. walawiſa wilrde wörtlid ein Schlachtfeld, eine Wahlftatt, pratum caedis,
414
Rechte höherer Gerichtsbarleit wird auch die von Bodman ausgehende
„Fiſchenz“ von den Königen unmittelbar zu Lehen gegeben; der File:
fang, für größere Gewäſſer frühzeitig zum Regal geworden (Rechts:
altertbümer 247 f. Walter, Rechtögefchichte, Zte Ausgabe, $ 554), be
währt fich hier ale ſolches noch eigens durch die weite Erftredung und
die prunkhafte, gebieterifche Weife ver Hunnfahrt. Ein Seitenftüd zu
diefer „ſonderlichen Freiheit“ und „großen Herrlichkeit“ (S. 405 f.)
bietet der Wildbann in Reichöforften ver Maingegend und Wetterau,
nach dortigen Weisthümern aus bem 14ten Jahrh.; derfelbe rührt gleich
falls vom Reiche zu Leben, ftebt auch namentlich in Bezug mit ber
Reichsburg zu Gelnbaufen, wie das Hunnfifchen mit Bobman und iſt
ebenmäßig durch ftattliche Aufzüge, noch mehr durch ſtrenge Pfändungen
und Bußen vorzeitlihen Geprägs, ala Ausflug einer höheren Gewalt
gelennzeichnet (Weisthümer 1, 498 ff. 3, 426 ff. vgl. 1, 463 ff..
Allem dem entfpricht jchließlih der Name des bodmanifchen Fiſcherei⸗
stragis, bedeuten (vgl. Graff 1, 801. ®r. 2, 479 f. 1008). Auf bloße pugne
duorum des alamann. Geſetzes erfcheint das ahd. Sammelmort wal („Snbe
griff der Erſchlagenen“, Mythologie 889; angelf. väl aud von der einzelnen
Leiche) nicht anwendbar. Aber auch der größere Kampf von 915 kann nicht
den Ortsnamen veranlaßt haben, der ja fchon 833 beftand. Dagegen erinnert
diefer an die im altnorbifchen Liedern und Sagen gangbare Sitte, nicht bloß
das Gottesurtbeil des Einzellampfes (Holmgangs) an der mit Hafelläben um-
ſteckten Gerichtsftätte abzuhalten, fondern auch in gleicher Weiſe den Heerſtreit
auf gewiffe Zeit und abgeftedtes Feld anzuberaumen. (Bu hasla völl |. Redits-
altertbitmer 809 f., ebd. 798: kampfraſen; Fornald. 8. 3, 7505, Egilsſon,
Lex. poöt. 802 f.; Gisela Sög. ved K. Gislas. 6; mythiſche und fagenberähmte
Schlachtfelder, vorausbeftimmte und abgemefiene vellir, beifpielsweife: Säm.
23, 18: Vigridr heitir völlr | er finnask vigi at | Surtr ok in eväsu god: |
hundrad rasta | hann er & hverjan veg, | s& er beim völlr vitadr.
€äm. 815: Helgi hafdi völl hasladan & Bigarsvelli & priggja nätta fresti,
vgl. ebd. 81, 35. Fornald. S. 1, 378: & Brävelli u. ſ. w. l&ta hasla konum
völl ok taka beim orrostustad; aus gejchichtlicher Zeit in Heimsfringla, 8. af
Ol. Tıyggv. C. 18: iarl u. |. w. hasladi völl Ragnfredi konungi ok tök
orrustosted u. |. w. Par vard allmikil orrosta u. |. w. betta var & Pin-
ganesi; nad Zacitus, Annales 2, 16 zogen die Germanen unter Arminius:
prolium poscentes in campunı, eui Idistaviso nomen (Mythologie 872:
„Idisia vieo, nympharum pratum“) In Erwägung kommt noch jenes den
Alemannen verderbliche placitum in loco, qui dicitur Condistat, vom Jahre
746 (Monumenta Germanie 1, 329. Stälin 1, 183 f.)
415
rechts. Im Lebenbriefe von 1418: „die Hunn“; in dem von 1424,
wie gelefen wird (S. 4123): „die Huny“; in Aufzeichnungen aus dem
16ten und 17ten Jahrh.: auf „ber Hunnen“, die „Huno“ ober „Hunno“,
„Hunnofiüche” 1. Run ſteht ahd. mafe. hunno, [4, 64] namentlich in
ſanctgalliſchen und reihenauifhen @loflen, für latein. centurio, tribu-
nieius (Graff 4, 976), und man darf jenes ahd. Wort vorausſetzen,
wenn in Urkunden des Sten und 9ten Jahrh., melde dad Thurgau,
Argengau, die Berchtoldsbaar und anbre alemannifche Gaue betreffen,
ber auf den Grafen zunächſt folgende centurio, centenarius, judex,
verzeichnet ift (vgl. Neugart 2, index ©. 69, unter XI und XIII). Im
18ten Jahrh. begegnet „Hunno“ mehrmals urkundlich als Gejchlechts«
name und beſonders in einer Einfiebler Urkunde von 1217 ftehen unter
ben Zeugen aus Schwiz: „Sunrabus Hunno“ und „Wernherus Weibel“,
Richter und Gerichtäbote, bereits ala vererbliche Beinamen ?., War
auch die Stellung und Zuftändigkeit des Hunno (in ſpäterer Yorm:
hunne, honne) nach Zeit und Ort verichieben, früher wohl gemwichtiger,
I Regiftratur 914: „Ain zebdei darin begriffen u. f. w. was auff ber
hunnen des 89 jar fo man ſey [fe] gefaren verzertt” (Fahrten von 1542 und
1592 ©. 406 f.). Auf der Rüdfeite des perg. Lehenbriefs 1418 von fpäterer
Hand: „des fry gericht, moß boffs. flod u. |. w. vnd hünnen u. ſ. w. Re
giftratur 256: „ain Bidimus von kayſer Ferbinanden gebner Freyhait vnnd
Gonfirmation: Darinnen aud die Regalia vmb das freygericht das Moß bann
obers binuet, viſchentz zu Coſtantz im Rhein bie Huno genannt.” 9Ba: „tem
ain alter zedl feet oben im tittel hunno viſch zue Goflang. Darinn fleet wem
bie wachten und Reiß verliden. Item das jerlich 2000 viſch verfallen, die feyen
mit den von Fridingen tailt laut ains tail brief.“ 935: „Die Freyhaiten
unnd Lehen brief der Hunno vnnd viſchentz zu Goftannk ligen zu Bodman.“
Auch bei Bucelin, Deduct. geneal. 454: Jus Piscationise d. die Huno in
Rheno infra pontem Constenciensem. |
2 Urkunde aus Einfiebein von 1217 (Hartmann, Annal. Heremi ©. 285 f.
dgl. Tichudi 1, 114. Morel, Regeften der Benebictiner Abtei Einfiedein Nr 49):
„de Suitz Gunradus Hunno, Blricus Kefjeler, Bvernberus VBveibel” u. ſ. w.
(Kunrad Hunno auch ſchon in einer Urkunde von 1210, vgl. Kopp, Gedichte
der eidgenöffifchen Bünde 2, 1, ©. 811. 821.) Urkunde aus Schwiz von 1282
(Tſchudi 1, 189): „Cunrat dem Hunnen.“ Urkunde aus Züri von 1291
(Kopp, Urkunden 1, 87 f.): „von Swiz u. |. w. bern Chvonraten Hunnen.“
(Mertel, Lex. Alam. 76 n. 53.) Bei Goldaſt, Scriptores rerum alamanni-
carum 2, 102, tm Verzeichnis alamannifher Eigennamen „ex vetustissimo
Codice Monasterii 8, Galli“: Hunno (Förſtemann, Namenbud 1, 7567)
416
als in der Folge, ftetd doch war es ein obrigfeitlicher Beruf !. Wie
fi) nun ein ahd. Adj. hunnilih, tribunalis (Graff 4, 976), gebildet
batte, jo bebeutet, in dem bargelegten Zuſammenhang, das fpäter vor
fommende Subft. fem. hunni, bunne, bunn, bie feierliche Handhabung
der zur Reichspfalz gehörenden Filchgerechtiame dur den Hunnen,
deflen Ausfahrt („auff der hunnen, fo man fie gefabren”, S. 415, Anm. 1)
der warnende Ruf „hunno!“ verkündete ?. Diefer herkömmliche Schiffruf
und ber Name bes Rechts verblieben, auch als letteres längft nit
mehr unter Führung [4, 65] des Gentenars, fondern durch die vom Reiche
damit belehnten Ritter von Bodman geübt wurde. Fällt nach allem
dem die Beziehung der Hunnfahrt auf das Heldenthum der Ungern⸗
Iriege hinweg, fo ergibt fich dagegen ein beachtenstvertber Beitrag zu ben
deutfchen Rechtsaltertbümern und ihrer lebendigen Symbolik, die aud
anderwärts in ſchwäbiſchen Rechtsgebräuchen zu Tage tritt (Beilage 2).
Die Bindung des Bannwarts auf der Landipige Eichhorn, das Recht
über Leib und Gut aller auf dem See Betroffenen, das Auswerfen
aus dem Schiff und die Nöthigung zum Durchſchwimmen unter dem
felben, all dieſe gewaltherrliche Androhungen, denen fich boch wieder
mancherlei Scherz beigejellt bat, find faum anders, denn formelbaft, zu
verftehen und grenzen an die niemals vollftredten „muthifchen” Strafen
und Bußen ältefter „Rechtsfage” (Nechtsaltertbümer 520. 682. 695).
‚ Nob am Ende des I4ten Jahrh. bat ein Nitter von Bobman,
vielleiht im Glauben an altererbte Berufung zum Kampfe mit ben
ungläubigen Feinden bes beutichen Landes, das Banner wider fie er
boben. Bon ihm fehreibt abermals die zimmriſche Chronik (1340 ff.
[Ausgabe von Barad 1, S. 217. 223. $.)):
„Kaifer Sigmund hat anno domini (1392) ain ftattlicden Türkenzug
1 Hierüber: Redhtsalterthlimer 756 f. Waitz, Berfaſſungsgeſchichte 1, Bf.
2, 312 ff. 458. Walter, deutiche Rechtsgeichichte, Zte Ausgabe, 100. 292. 298.
Im Richteramte, dem vorherrſchenden Geichäfte des Hunno, lag es nicht, fi
califihe Rupungen im Namen des Königs einzuziehen (Waig 2, 316 f.); cher
gemahnt der wehrhafte Schiffzug an die alterthlimliche Verbindung der richter-
lichen &ewalt mit dem Befehl Über die gewaffnete Macht (ebd. 1, 36).
2 Gleich mhd. „wäfendl” (Benede, Wörterbuh 3, ©. 456, 47 f.) fpäterem
„feindiv, diebio, mordio, hilfio!“ u. |. w. (Schmeller 1, 8. Rechtsalterthümer
876. Grammatik 3, 214. 247), Formwidrig erjcheint Subf. fem.: „die hunno,“
etwa Kürzung eines mit dem Ausruf zufammengefegten Wortes (vgl. hunns ⸗ſiſche)
417
geton, in dem doch nit oil außgericht, ja auch der kaiſer ſelbs fchier wer
gefangen worden. Allerlai unordnungen haben fich in difer erpebition
begeben, fonderlih ©. Yörgen fanen halb, do iſt ain großer zank umb
geweien, welcher den füeren jolle. Aber herr Hanna von Bodman, ritter,
bat den in Ungern ald aim Deutfcher erhalten und geftert, gleichwol
nichts fruchtbarlich8 ußgericht worden. Es haben aud die Deutfchen,
fo zugegen geweft, bezeugt, daß, fo das reich wider die ungleubigen
und haiden zu veld ziehe, fo folle ain Deutſcher Sant Jörgen panner
zu der band haben und füeren, darauf fie zogen für den Taifer Sig⸗
mund, auch die hurfürften. Aber eilich anfehenlich Behem haben herr
Hannfen von Bodman feines fürgeben® gefolten, uf mainung, als ob
er die unwarhait anzaigt, darauf herr Hanns von Bobman im jar 1392
gemaine grafen, herren und von der ritterfchaft des lands zu Schwaben
zujamen beichriben und erbeten. Die fein zu rettung der der ires batter-
lands guetiwilliglicden erfchienen und haben herr Hannfen von Bebman
feind fürgebens in Ungern, wie oblaut, zeugnu® geben, daß fie von
iren voreltven auch nie anders vernommen und daß ſolchs aljo her:
Iommen, barbei fie auch bleiben wellen. Darumb fein auch brief ufge:
richt, die auch one zweifel den figlichen Behem ainstails fein zulommen
und überantwurt [4,66] worden. Bei diſer Handlung fein geweſen u. |. w.
[folgt die große Ramenzahl meift ſchwäbiſchen Adels]. Geſchehen uf
den hailigen weihennachtabend im jar 1392” I.
Wenige Sabre fpäter, 1396, fiel die blutige, für das chriftlidhe
Heer verderbenvolle Türkenfchlacht bei Nilopolis in Bulgarien vor, aus
welcher König Sigmund kaum entrann und von der Froiſſard in Bezug
auf die dabei betheiligten Franzoſen fagt, daß feine Landsleute feit der
Schlacht von Roncevaug, wo die zwolf Pärs von Frankreich umlamen,
feinen fo großen Berluft erlitten haben ?. Er mißt die Schuld ber
Niederlage dem voreiligen Losfchlagen der franzöfifchen Ritterſchaft bei,
1 Diefe Kundgebung fteht vollſtändig bei Datt, de paoe publica 252 fi.
und bei Burgermeifter, codex diplomaticus equestris 1, 1 bis 5.
2 Les chroniques de Jean Froissart l. 4, ch. 52 (Duchon, collection
des chroniques nationales frangaises Band 18, Paris 1825, ©. 398): par eux
et leur orgueil fut toute la perte et le dommage qu’ils regurent si grand
que depuis la bataille de Raineevanx oü les douse pairs de France farent
morte ei deconfits ne regurent si grand dommage.
Ubland, Schriften. VII. 27
418
an deren Seite auch die Deutichen fich tapfer gefchlagen. Davon weiß
er nichts, was eine bandichriftliche Straßburger Chronik anführt, daß
bei Nikopolis die Schwaben, als ihr beftehendes Recht, den Vorſtreit
verlangt haben, worin ihnen aber die Franzoſen zuvorgekonmen !,
Sollte das auch auf einer Verwechslung mit dem Borgange von 1398
beruben, ſo erzählt doc, ein Augenzeuge, Schilvberger aus der Stabt
Münden, daß Hans von Bobman einer der 24 Ritter geweſen fe;
welche ber in Kriegegefangenfihaft gerathene Sohn bed Herzogs ben
Burgund, Johann von Neverd, nad befondrer Bergünftigung des
Eultans Bajazeih, ausgewählt habe, damit fie von der allgemeinen
Niedermetzlung der mitgefangenen Chriften verfchont blieben ?; fehr.
glaublich derſelbe [4, 67] Ritter Hans von Bodman, der 1392 die Fahne
geführt hatte. Sigmund, der während dieſer Heerzüge noch erft König
von Ungarn war, kann folder Ritterdienſte nicht uneingedenk geweſen
ſein, als er, ſeit 1410 auch deutſcher König, die von Bodman durch
Reichslehen, darunter die, Hunn mitbegriffen, auszeichnete. Selbſi
Erinnerungen und Herkommen aus viel älterer Zeit, ba noch ber ale
mannifche Heerbann mit der Pfalz zufammenbieng, machen fich fühlber,
wenn ein Stammgenofie Johanna von Bobmen, ber 1277 den kaiſer⸗
Iihen Hof daſelbſt zu Pfandlehen erhalten hatte (S. 411), 1892 das
Banner des h. Georgs vorträgt und als Wortführer dieſes beutfchen,
mittelbar ſchwäbiſchen Vorrechts auftritt, wenn er hierüber ein feier
liches Zeugnis von 237 Grafen und 430 Freiherren, Edelknechten und
1 m der bei Datt 251 ausgehobenen Stelle befagt diefe Straßburger
Shronit, der König habe gebeten, „daß fi ihm mit finem voll, den Ungarn,
den vorftrit folten laßen, wann er fort, werend fi nit vormen am firit, daß
ſi nit blibend und flühend. Dawider ſprachen die Schwaben, es were ir edit,
wann ınan firiten wolt, daß fie allweg den vorſtrit hettend, alſo wolten fie aud)
iegunt den vorſtrit han. Under ben bingen wurden die Franzoſen fidhtig uud
Iprechend, fie werend von verren landen darlommen, fie wolten ben vorfrit
ban, und ranten die haiden an ungefordert und ungemaiftert.“
2 Schildtberger ı. |, w. Nürmberg durch ob. vom Berg, vnd Birid
Newber o. J., Bl. C 36: „Alß nun der Herkog von Burgunbi, feinen [beö
Königs Weyafit] ernft und zoru vermerdet, bat ex jn, das er jhm etliche auf
men ledig ließ, Die er haben wolt, das gemert jn der König, Da nam er auf
jmeu, zwölff Herren auf feiner Iandtichafft. Item den Herr Stephan Syniher,
vnd ben Herrn Harfen von Bodem.“ Bol Aſchbach, Geſchichte Kaiſer Sig
munds 1, 108 fi.
419
Nittern des Landes zu Schwaben, hauptſächlich vom Bodenſee und aus
dem Hegau, hervorruft und wenn fofort in derfelben Gegend, unter
König Sigmunds befondrer Gunſt, die nachmals zum fhwäbiichen Bund
erweiterte Geſellſchaft St. Jörgen Banners oder Schilds erfteht '.
Die Chronik von Zimmern weiß noch Andres über Bobman und
feine Burgberren zu berichten und eben ihr, die bad Walbmärdien vom
Tübinger Pfalggrafen (oben ©. 813 ff.) erhalten hat, verbanlt man
auch ein Märchen vom See, das mit dem verhängnisvolliten Ereignis
der Hausgefchichte von Bodman in Verbindung gebracht ift. Nach Er
zäblung der wunderbaren Reifeabenteuer eines Grafen von Bollern
(Beilage 3a) fährt der Chronikfchreiber fort [Ausgabe von Barad 1,
©. 281 bis 286. $.]:
„Roh haben mir ain trümen Schwaben, der auch ain follicher
landfarer geweſt, nemlich ainer von Bobman, ain ritter, bat ungefar-
lich zu zeiten des obgemelten graf von Zollern gelept, von deſſen taten
an ſonders capitel wär zu beſchreiben. Demſelbigen ritter ftarb fein
weib, und war aine von... hieß... . die bet im geporen brei
böchtern, waren verheirat, auch ziveen füne, ber ain, Conrad gehaiken,
war unverheirat, der ander Hanns, berfelbig war über ain viertel jars
nit alt, wie bie guet fraw ſtarb. Darab name ime ber ritter ain
folchen unmuet und belummernuß, baß er: im fürfagte, hinweg zu raifen
und in etlichen jaren nit wiberumb haimzukommen, befalch derhalben
feine baid füne, auch haus und hofe, dem allmedhtigen got und feiner
lieben mueter. Damit zoch er darvon in frembde land, in die haiden⸗
Schaft, jar und tag, in welcher [4, 68] zeit er wunderbarliche jachen er-
fuere, auch vil ritterlicher tat begieng. Er ift nach langem uf folcher
rais in ain große wildnuß fommen meit von aller mentichlichen wonung
(u achten in denen lendern gegen miternadt, dann bie alten das ußer
unfleiß nit verzaichnet). Als er fih nun feines leibs und lebens ver-
wegen, ift er doch letztlich ſeins erachtens [an] ain groß waßer oder
aim mer kommen, da er kain land mer gefehen. Da hat er feins ver⸗
mainens ain mentichen gefunden, ain Heines menble, bad hat ine an-
geſprochen, mit fich in ain behaufung, mit lauter laub und gras über
wachſen, gefüert und mit eßen und drinken wolgehalten. Mancherlai
ı Datt 282 ff. Grätin 3, 384. 447 f. 619.
420
wein bat ch im fürgefeht, under anderm aber ain wein, welcher, ba
in der Hanns von Vodman verſuecht, er geſprochen, jo er dahaim zu
Bodman, fo welt er fprecden, es were wein von feinen reben ober
feinem gewechs, darauf das menble gejagt, ja, es feie beö weins und
gewechs von Bobman. Defien hat fich herr Hanns höchlichen verwundert
und gefragt, wie das müglich, daß er feins weins, der doch nit bei
beten, in fo verre und frembbe land Fond zuwegen bringen? Da bat
er im frei befennt, es felbs fei kain natürlicher mentſch, ſonder ber
Nebel, darumb könnde er der mertails Iendern den wein befommen, und
was ober wievil weins von dem nebel bin und wider in ben wein
lendern verberpt, das gang im zu nutz. Dameben bat er ine gelernt,
jo ex zu ewigen zeiten feine weinreben zue Bodman vor dem nebel und
haben wolle bebüeten, fo fol er im fleden Podma nimmer wider ben
nebel leuten laßen (wie dann fonft gemainlichen beichicht, daß man
morgen® wider den nebel zu leuten pfligt, den zu vertreiben), fo fol
er vertröft fein, baß feinen reben zu Bobma kain nebel kain fchaben
niemer ton werde. Das bat im der von Bodma verhaißen, barauf
fein fie wider von ainandern gefchaiden. Im abſchid hat im das menble
gejagt, es fei zeit, daß er wider ber haimat zu nehere. Derbalben im
berr Hanne veriprochen zu folgen und ſich uf die fart zu machen, als
er au geton. Mitler geit aber und er fich von haus geton und fein
junge füne dahaimgelaßen, do ift Lorenz Teller geweſt, wie dann be
ſchicht, wa die katzen ußerm haus, fo raihen die meus. Alfo ba ber
guet alt here von land, fo kamen die dochtermenner und ſchweger ſampt
iren mweibern mermald gen Bobma und war alles trauren umb ire
liebe guete muetter und ſchwiger fchon hind [Schmeller 2, 217: hint
fein] und vergepen. Inſonderhait fo [4, 69] kamen dahin uf fant Jo
hanns ſonnenwendi abend, welchs nin jampstage war, herr Hanns von
Schellenberg, ritter, mit feiner hausfrawen Anna, geborn von Bodma,
Hainrich von Bluemeneck mit feiner hausfrawen Abelbait, geborn von
Bodma, und Gottfriden von Krehen ſampt jeinem weib, Caibrinen, von
Bodma. Dife alle drei waren ſchweſtern und des alten herren Hannſen
von Bodmans döchtern, Dife warden von item brueber und ſchwager,
Conraden yon Vodman, erlichen und wol empfangen und gehalten. Sie
waren danfelbigen abent ganz frölih, wenig bedrachtend ben großen
unfal, auch ven ellenden erhärmlichen tod, der inen fo nahe under augen
431
gieng. Rad) dem nachteßen fiengen fie an zu danzen unb alle kurzweil
zu haben. Indes facht an ain groß wetter über das fchloß zu kommen
mit bondern, bligen ganz greufenflid, des ſich doch die obgehörten
nichts annamen, fondern fortfueren. Alſo erzaigt fich gegen dem abent
ſpat ain groß wunderzaichen alda, dann es ließen fich ganze feurige
fuglen und fträl ob dem ſchloß ſichtbarlichen fehen, daß ſolchs bie .
wachter nit verhalten, fonder den evelleuten anzaigen müeßen, und fie
waren, die fih nicht® daran ferten, ſonder danzten und ließen fich hieran
nichts irren. Alfo zu angeender nacht do ließen fich bie feurinen kuglen
berab und fchlueg der donder mit obgehörten firälen bermaßen in das
haus, daß gleich das ober ſchloß und geheus aller voller feur, und als
die alten ſchloͤßer aineft mertaild in bie höche gebawen, nur mit hilzin
ftegen one alle andere verborgne oder haimliche abgeng verjeben, da
ware aindmals jammer und große not vorhanden. Es war nit weil, ba
lange beratfchlagung zu pflegen, dann ba war kain hoffnung ainigs
bails, dann fo etiwer zu aller höche hinauß bet wellen fpringen, das
aber ain unmügliche fach alle bedaucht. Derbalben als fie den gewalt
und ſtraf gotte® augenfcheinlichen ſahen, baten fie gott umb gnad und
verzeihung und ergaben fich gebultiglichen in den tob, der bald daruf
volget. Dann die obgenannten vom adel und ire weiber verbronnen
zu eichen fampt dem fchloß, dergleichen noch drei frawen; die ain bie
Abelhait, war des jungen von Podmans, der noch in ber wiegen lag,
faugamma; die ander zwo, die ain hieß Lucia, die ander Anna, diſe
alle verbronnen fampt dem fchloß. In allem jammer aber und mord⸗
lichen geſchrai, wie wol zu gedenken, do bat die ſaugamma Adelhait ben
jungen Hannſen von Bobma in wil mwinblen und lumpen eingewidlet
und in ain [4, 70] großen erinen bafen, ber ungeferd damals obın im
Ihloß an der band geiwefen, geftedt und als ir das feur ganz nahend
fommen, bat fie den gueten jungen im hafen in gottes bes allmechtigen
und unfer lieben frawen namen zum laden hinauß geworfen, unb
wiewol es ain große höche, nochdann ift ber jung im hafen wunderbar:
lichen faloirt worden und darvon kommen. Dann er ift gleich von ben
nachpurn und feinen verwandten erzogen worden, da man ime ußer er«
bermde alle treive bewiſen, und ift damals aller ſtamm beren von Bobma
uf bifem jungen geftanden, dann von dem alten niemands gemwift, ob
er lebendig feie ober tobt. Dife gefchicht ift befcheben an ainem ſamps⸗
422
tag S. Johanns des teuferd abent fpat gegen der nacht im jar, alö
man zalt 1307. Unlangs hernach diſer erbermlichen gefchicht bo iſt der
alt herz Hanns von Bobman wider zu land kommen, iebod am erften
gen Salmensweiler ind clofter, dieweil ex und feine vorfarn ire be
grebtnuß allda gehabt, zudem ime ber apt auch fonberlichen wol bekannt
war. Es bebielt in der apt ain tag etliche bei im, daß er in nit haim
lagen wollt. Wie er aber Ienger nit pleiben [wollt], do nam er ine
uf ain ort, fagt ime alle ergangne gefchicht mit beßten glimpfen, bat
in darbei, daß er folches alles gott befelden und dem allmechtigen
danken [folle], daß er feinem jungen fone jo munberbarlichen mit bem
leben darvon het geholfen, mit teiteren worten herzu dienſtlich. Der
alt herr Hanns vernam diſe geſchicht mit großem unmuet, verfuegt fi
darauf haim und als er alles nad) notturft erfunbiget, do name er
fein jungen fon zu fi, ven erzog er fürter mil allen tremen und von
demfelbigen Hannſen von Bodman fein alle von Bobman, fo no in
leben, ablommen. Man zaigt noch heutigs tags uf Bobman ben erin
bafen, darin der jung zum fchloß iſt hinaußgeworfen worden, ber wurt
zu eiviger gedechtnuß allva behalten. Der alt herr Hanns von Bodma
bat das verbronnen ſchloß nit mer pawen wellen, fonder hat ben berg
mit etlichen venten und gülten unfer lieben frawen geſchenkt und ge
aignet, auch das alles dem abt von Salmensweiler und dem clofter
übergeben, damit etlich fratres daſelbſt ewiglich erhalten werben, bie
den gotsdienſt ieben follen. Das hat der abt angenommen, ain Firchen
in ber er unfer lieben frawen fampt ainer behaufung darzu erbatven
und fein ſtetigs zwen conventual alba, wurt unfer lieben framwen bexg
genennt. Nach foldem hat herr Hanns von Bodman das ſchloß, fo
iezo auch Bodma wurt genennt, [4, 71] erbawen uf den perg, da ed iezo
fteet, und darin ain ganze übergülte ftuben gemadt, aller brauncirt
und von der zeit an bo bat man dem nebel nimmermer zu Bodma
geleut, wurt auch noch alfo gehalten. Man waift auch dargegen, baß
der nebel von unverbenklidhen jaren dem wein oder den reben allda Fain
ſchaden nie geton hat. Man fagt auch, es hab fich der alt herr Hanna mit
feinem fone, ala der erwachfen, verglichen. daß binfüro alle des ftammens
von Bobman mansperfonen follen Hanns genempt werten, wie das bei
unfern zeiten noch gehalten wurt. ... Ich hab von glaubhaftigen leuten
mermals gehört, Daß noch zu unfern zeiten, da ain groß metter zu
423
Bobman fich erzaig, feurine liechtle und kuglen uf ben zinnen, turnen
und bechren fich ſehen laßen, und fo das beichicht, haben fie ußer ber
deglichen und vilfeltigen erfarnuß barfür, das wetter thue kain ſchaden und
bab nur [nun?] fain not mer; zu achten, folche Tiechtle feien inen zu ainer
gedechtnuß und zu ainer ficherhait künftigs brands gegeben, wie dann ber
regenbog gemainem mentſchlichen geſchlecht ain zaichen ift des bunbs und:
daß die welt mit Fainer fünbfluet mer fol geftraft werben ober zergeen 1.“
Auf fehr abweichende Weife bringt das fchweizeriihe Heldenbuch von
1624 den Schlokbrand von Bobman mit der Nebelfage jufammen : |
„Umb das Jahr Shrifti ein taufent drei hundert und achte lebte
Johann von Pobmen, des uralten adelichen Geſchlechts am Bodenſee,
welcher in feiner Jugend ganz wunderlich bei bem Leben erhalten worden,
fo fich alfo zugetragen. Es kame ein Schwarzlünftler und fahrender
Schüler an diefes Ort, welcher dem Herren zugefagt und verſprochen,
ex wölle durch fein Kunft zumegen bringen, daß forthin in derfeiben
Gegne, umb den Bodenſee herumb, kein Näbel ober Rif den Wein:
seben mehr Schaden bringen folle, welches man ime dann aus vorgeben.
den Thaten geglaubt und große Frewd gehalten. Als nun das ganze
Hausgeſind mit [4, 72] fampt den Junkperen frölich getanzet, fchluge
unverfehen ein fewriger Etraal in das Schloß, alfo daß es an allen
Drten anfieng zu brennen. Dafelbften feind fiben Edelmänner mit fampt
dem Hausgefind, Knechten und Mägden, jämmerlich zu grund gangen.
Zu diefer Stund erbarmet fi die Seugamm gar fehr ihres jungen
Kind, und weil fie befierö nicht mögen, erwütſchet fie ein eherinen
Hafen, feht das Kind darein, mache viel Tücher zu ring umb es, das
mit es mol beveftiget wurde, und warffe es von einem hoben Thurn
über das Schloß hinaus, da es dann auch bei dem Leben erhalten und
von dem zulauffenden Voll erlennet und hin getragen worden. Der⸗
1 Nachträglich (S. 1516) bemerkt die Chronik: „Alſo befindt fidh in ber
erfarnug, daß fouft ſolche liechtlin, fo man bie zue zeitem ficht, uff dem techern
und tumen, was glücklichs und guets bedeuten.“ Es folgen Beifpiele ſolcher
bedeutſamen Erfcheinungen auf dem Munſterthurme zu Konftang 154... und 1668,
dann zu Marburg 1566. Bgl. Mythologie 868 f. und 1089 f. (Et. Elms-
feuer); Fälle ſchlimmer Vocbedeutung bei Br. Grimm, dentfche Sagen 1, 868.
(Ban vergleiche andy. Gedichte von Guſtav Schwab, vierte Auflage, Stuttgart
und Tübingen 1851, ©. 421 bis 424. 5]
424
geftalten war Johannes allein von biefem Geſchlecht damahlen übe:
blieben, aud in allen Tugenden tool aufferzogen. So balb er aud
erwachſen, ift er dem Zeiferlichen Feldläger nachgezogen und [bat] ſich
dermaßen wol gehalten, daß er zu Ritter geſchlagen worden. Nach dieſem
kame er wider beimb, erneweret feiner Vorfahren Wohnung und bielte
ſich vergeftalten loblich, daß ihne menniglich fehr geliebet. Es ſeind
feine Nachlommen alle von ihme bar Johannes geheißen und ın dem
Slofier Salmansweiler ebrlih zu der Erben beftattet worden, ba dann
dieſe Hiftorien an einer Tafel gemalet 1.“
Andre Darftelungen halten das Nebelmärden unvermengt mit der
Geſchichte des Brandes. So zuvörderſt eine handſchriftliche Aufzeichnung
aus dem 17ten Jahrh. im Hausarchiv zu Bodman 2. Erſt wird hier bas
Unheil von 1307 und die Stiftung auf dem Syrauenberge mit einigen
nähern Umftänden gemelbet; als Umgelommene find befonberö genannt
bie Herten von Schellenberg, Blumened und Hohenkrähen (Eidame bei
Ritters von Bobman); die Kindsfrau legt den Knaben „in St. Joannis
nammen” in das eberne Gefäß, daher au Alle dieſes Stammes den
Namen Johannes fortan behalten haben; die Kapelle des Frauenbergs, zu
welchem die zwei umliegenden Thäler fammt vielen Zebenten und an
den Mitteln für Unterhaltung eines Geiftlihen aus Salmansweiler
geſchenkt wurden, ift durch tägliche Wunder verberrlicht: [4, 73] „darbei
noch die alte und wahrhafte gefäntnus ©. Othmari, erften abts zue
Et. Gallen, unter anderen zue erfechen, welche alleinig in der brunſt
übrig gebliben 9.” Für fich beſtehend folgt hierauf die Nebelfage:
„Zue difem hat man auß uralten geſchichten, daß ber herr Hanns
von Bodma, fonften der Landfarer genant *, fo anno . . . geftorben,
fich von feiner fraw gemablin in entfernte länder begeben, in meinung,
1 Schweitzeriſch Helbenbäch nm. f. w. Baſel, 1694 ©. 45 f. Darans ſchon
mitgerheilt in DO. 3. H. Schönhuth® Neuem Führer um den Bodenſee u. |. w.
tindau 1861, ©. 284 f.
3 Defignation Waß ih dendwärdiges von denen Herten von Bodma ber-
mahlen in actis findet. Papier, Solo, 2 Bogen.
8 Bgl. oben ©. 402. Schönhuth a. a. O., S. 288, bemerkt die im Gteim
gehawene Aufichrift des Heinen Gewölbs: Vestigium carceris St. Othmari.
4 Hiezu Randbemerlung von andrer Hand: „mit welchem zue Raummen bau
Er all jährlich auf vnſer lichen frawen berg zu Bodma aus dem noch verhande-
nen alten jahrzeit bitechlin alß beuefactor werlejen wärdt.”
425
die ganze welt durchzueraifen. Sn der abrais aber bat er feinen gul⸗
denen rüng von der hand genommen, ſolchen entzwai gebrochen und bas
aine ſtuck gedacht feiner fraw gemahl zue dem ende, daß, wan er nad
langen jaren widerumben nacher haus kommen möchte, es ain Tenzaichen
feiner perſon fein folle, gegeben; den andern halben tail aber bat er
bei ime behalten. Als er nun lange jar ausgebliben und auf dem
wilden mör von benen wellen in aine infel geworfen worden, alfo daß
ex nicht mer fort kommen Fönnen, ſondern feines lebend verzweiflet hette,
iſt ein wildes mänble zue ime kommen, ine feiner traurigfait befraget,
fo er ime allen verlauf erzoͤlet bat; worauf diefes mäntle ime gefagt,
es bette feine fraw fi} wiberumben mit ainem andern verheiratet und
morgigen tags werde fie hochzeit halten; wan er ime weriprechen wolle,
daß er in feiner berrichaft etwiglichen nicht mer wider die nebel leuten
laßen wolte (urfachen, weilen er fein befte narung aus dem meinberg,
wie Herrenftain genant, diſer herrſchaft babe), fo wolle er ine one allen
feinen ſchaden und nadtail auß bifer gefar erheben und füeren, daß
er morgen nach der malgeit feiner fraw gemabl beiwonen könde. Nach⸗
deme diſer herr won Bodma ein foliches zuegefagt und verfprochen, und
es noch auf heütigen tag alſo gehalten würdet, als ift diſes mändle
mit ime zue Bodma den andern tag, ald man bei dem hochzeitmal fich
luſtig eingefunden, anlommen. Herr von Bodma aber ftellete fih als
em armer und.begerte, ime ainen trunk zue raichen. Als er jolichen
erhalten, bat er ainen trunk aus bifem gefchürr geton, in ben überigen
wein aber mwurfe er den halben tail des guldenen [4, 74] rings, fo er
mit fih zue ainem kenzaichen genommen, batte, difen trunk ſambt in-
ligenven halben tail des guldenen rüngs der fraw hodhzeiterin zue prä
jentieren. Als nun fie diſes gefechen, war fie alfobalden erfchroden,
befalche gleich, iso den halben gulvenen rüng, fo in irem ſchreibtiſch
Inge, beizuebringen, fo nun alfobalven mit mänigliches vermunberung,
was es bebeiten folle, geichehen. Da fie nun baide ſtuck zuefammen
füegte, [bat fie] iro difen armen zue der malgeit zue füeren befolchen,
allwo fie ainanvern als liebe ebegemahl begrießet und diſe wunderbar:
liche gefchicht fonverliche freüden erwecket bat 1.“
1 Späterer Beiſatz: „Dißes iſt das einzige Piece, fo von dem Nebel-Lerthen
handlet, außer deme leine Spur in Actis verhanden.“
426
Damit ftimmen zwei nach neuerlich aus dem Volksmund verbffent:
lichte Fafſungen der Sage in den Hauptzugen überein, wenn auch ein
zelnes Eigenthümliche beifügend, Nach der einen (bei E. Meier, Boll
märchen aus Schwaben, Stuttgart 1852, Rr 61: Das Nebelmännle,
mundlich aus Engen) kommt der Edelherr vom Überlingerfee, auf feiner
fiebenjährigen Reife bis ans Ende der Welt, durch weite Wüſte zu
einer hohen Bauer, die er, um zu erfahren, was dahinter fei, feinen
zwei Dienern nacheinander erfleigen hilft, fie fpringen aber auf ber
andern Seite hinab und lehren nicht wieder, denn es ift ber Paradies⸗
garten; allein kann er nicht binaufllettern und gelangt hernach zum
Haufe eineß Leinen Menfchenfreflers, des Nebelmännleins:
„Nachdem nun das Nebelmännle von dem Here von Bodmann
erfahren hatte, wie er baber gelommen, fo fprady es zu ihm: „Sch will
bir nichts zu Leide thun und will dich fogar nod in diefer Nacht zu
deinem Schlofle führen (denn fonft hält beine Frau morgen mit einem
Andern Hochzeit), wenn bu mir veriprihft, daß bu künftig das Läuten
mit ber Nebelglode unterlafien mwillft.” Das veriprach ihm ber Herr
von Bobmann herzlich gern und darauf nahm ihn das Nebelmännle
auf feine Schultern und flog mit ihm, fchneller als der Wind, durch
die Luft und fehte ihn am Morgen richtig vor feinem Schloſſe nieder.
Wie der Herr von Bomann feine Burg betrat, erlannte ihn Niemand,
ſelbſt feine Frau nicht. Dieſe reichte ibm Wafchwafler, und nachdem
es ſich getwafchen, zog er feinen Trauring vom Finger und lieh ihn
bineinfallen u. |. m. Das Läuten mit der Nehelglode, welches den Nebel
verfcheuchen follte, ift ſeitdem eingeftellt worden.“
[4, 76] Nach der andern mündlichen Überlieferung (bei L. Reich, bie
Inſel Deinau u. |. w. Karlsruhe 1856, ©. 228 ff.) Ipringen die Diener
bed wandernden Nitterd von Bobman nicht in ben Parabiedgarten
binab, fonbern ehren aus dem Heinen Haufe des Nebelmännleins,
eines graufamen Feindes ber Menfchenlinder, nicht wieder; der Herr
felbft, der ihnen dahin nachgefolgt, wirb vom Weiblein des Menichen
frefierd verborgen, jedoch von Lehterem getvittert und muß aus bem
Kellerloche hervortreten:
„Aber wie erftaunte ex, als ihn der Alte nicht unfreundlich mit
Namen begrüßtel „Woher wißt Ihr, wie ich heiße?” fragte verwundert
der Ritter. „Ich weiß noch mehr,” fagte der Nebelmann, „morgen
427
früh wird Eure Bemahlim getraut in der Schloßlapelle zu Bobman;
die 7 Jahr, die Ihr bedungen habt, find längft verflofien u. |. w. Ich will
einen Bertrag mit Euch abfchließen;, wit ich bin der Nebelmann vom
Bodenfee, und die Nebelglode, die jeden Abend in Bobman geläutet
wirb, fchlägt mich jebesmal bummelnd um den Kopf; wenn Ihr mir
verfprecht, das leidige Ding für ewige Zeiten in den Bobenfee zu ver.
fenten, fo will ich Euch noch vor Tagesanbruch in die Heimat ſchaffen.“
Der Ritter willigte ein, worauf das Nebelmännlein einen feiner dienſt⸗
baren Geifter berief und ihn fragte: „Wie ſchnell bift du?” „Wie der
Pfeil vom Bogen,“ Iautete die Antwort. „Du bift zu langfam,“ ver«
feßte der Nebelmann und citierte einen zweiten: „Wie fchnell biſt du?“
„So fchnell wie der Wind,“ erhielt er zur Antwort. „Zu langfam, “
hieß es und ein britter wurde gerufen, ber auf die Frage, wie Ichnell
er fei, zur Antwort gab: „So fchnell mie des Menſchen Gedanken.”
„But,“ verjebte das Nebelmännlein, „vu bift der Nechte, auf mit ihm
und davon!“ 1, Der Ritter wuſte nicht, mie ihm geſchah. Als er er
wachte, lag er auf dem Gänsriederſteg bei Bodman. Liebli von der
Morgenfonne befchienen, glänzte der See und die hohe heimatliche
Burg; die Glocken riefen zur Kirche. Bei dem Feſtmahle, das der
Trauung folgte, wird dem fremden, im Schloßhofe ſtehenden PBilgrim
bereingerufen und ihm ein Ghrenplab angewieſen; die Braut ſelbſt
fredenzt ihm den üblichen Trunk. Der Ritter läßt feinen Ebring in
ben Wein fallen und die gute Frau, als fie Befcheib thun will, fieht
dad Beichen auf des Becher Grunde liegen; fie wird aufmerkſam und
ertennt in [4, 76] dem Gafte den tobigeglaubten Gemahl, und Alles
endet in Freude, ber Ritter aber Löft getreulich fein Veriprechen wegen
bed Nebelglöckleins. Gewöhnlich wird ber Geſchichte im Volksmunde
durch Berfnüpfung ber fpätern Sage ein tragifches Ende gegeben. Die
“Frau will den durch lange Jahre und Mühjeligkeiten gealterten Gemahl
nicht mehr erkennen, worauf biejer des Himmels Strafe und Verderben
über die Ungetzeue und ihr ganzes Haus heraufbeſchwört. Sogleich
erfüllt fi) tie Verwünſchung. Ein Wetter zieht am Himmel auf und
der Strahl entzündet die Burg, in welcher Alle in den Ylammen den
Zod finden, mit Ausnahme des jüngften Sprößlings eines anweſenden
1 Bgl. Sn. Edda, Arnam. 1, 154. 162 f.
428
Ritters von Bobman, ber durch bie Geifteßgegeniwart der Amme ge
rettet wird. Noch fol zumeilen bei nieberem Waſſerſtand bie ver
ſenkte Nebelglode gejehen werben. Das Nebelmännlein aber bat feinen
Sig im „Löchle“, einer angeblich unergründlichen Tiefe des Sees bei
Bobman, welcher Fleck bei gröfter Kälte niemals zugefriert. In fiillen
Nächten fteigt der filberbärtige Alte auf, beirrend bie Schiffleute und
beſchadigend mit Faltem Reife bie Neben.”
Auch auf den kleinern, nadbarlichen Federſee ift bie Rebelmäre
übertragen. Ein Graf von Stadion, der ſchon feit fieben Jahren reift,
um das irdifche Paradies zu fuchen, bat fih in einem großen Hole
verirrt und fommt zu der mächtig hohen Mauer, von ber feine beiden
Knechte hinabipringen, dann zu dem alten Walbweiblein, da? ihn vor
ihrem Mann, einem Benichenfrefler, verftedt; der Waldmenſch aber
ftobert ihn auf, redet ihn als Grafen von Stabion an, gibt fi jelbft
als das Kebelmännlein zu erlennen, will ihn übrigens verfchonen und
rechtzeitig nach Stabion bringen, wo bie Gräfin am nächſten Morgen
mit einem Andern Hochzeit halten werde, wenn er veripredhe, fein
„verbeintes“ (Schmeller 1, 178) Glödlein, das ben Nebelmann nidt
leiden könne und, fo oft derſelbe dort Übel anrichten wolle, an den
Kopf ſchlage, in ven See zu werfen; der Graf gibt fein Wort und bes
Morgens frühe fahren fie im Ru auf einer Nebelwolle nad Stadion,
wo jener fih durch feinen Stahlring ausweilt, das Nebelglödlein aber
läßt er in den Federſee verjenten !.
Es ift dreierlei Inhalt, den die vorftehenben Erzählungen manig-
fach verbinden ober ſcheiden: die Geſchichte des über Burg und [4, 77]
Gefchleht von Bodman 1307 ergangenen Unheil und der Rettung des
jüngften Sprößlings; bie Heimlehrjage; das Nebelmärden. Zum erften
Gegenſtand, dem Burgbrande, befagt ver, laut Titele, auf Urlunben ges
grünbete „Salmansweilifche Bienenftod“ (Apiarium Salemitanum, Prag,
1708. ©. 148 f.), im Jahre 1309 jei durch die Biſchöfe von Eichſtädt
und Konſtanz die Kapelle auf Unſer⸗Frauen⸗Berg beim Schlofie Bodman
geiveiht worden, welche furz zuvor der Ritter Sohannes von Bodman
. zur Ehre Gottes und ber Jungfrau Maria, fowie zum Gebächints aller
1 Bon Herrn Dr Anton Birlinger nad) der Erzählung eines herungiehenden
Korbflechters aus Wendelsheim anfgeichrieben.
429
deren, die bafelbft auf der älteren Burg durch Blitzſtrahl und Feuers:
brunft umgelommen, erbaut und mit der Beltimmung dem Klofter
Salem geichentt babe, daß priefterliche Mönche desſelben dort wohnen
und Mefle leſen; dieſer erften Schentung haben ſich allmählich andre
zum befiern Unterhalt foldher Geiftlichen angereibt. Ein fpäterer Ab-
ſchnitt desjelben Buchs (©. 204 |.) erzählt umſtändlicher den Gewitter:
brand am Abend vor St. Lamberti 1307, die Rettung des Kindes
burch die Amme, von der es, beim Hinabwerfen im ehernen Keſſel,
ber heiligen Dreifaltigleit und dem Täufer Sobannes, deſſen Namen
ed geführt, empfohlen worden, woher dann aucd alle Nachkommen
dieſes Stammhalters fortan mit dem erften ober zweiten Namen Johannes
gebeißen, ferner die Erbauung ber Muttergotteslicche auf der Stelle
des abgebrannten Schlofles durch ven heimgelommenen Vater und befien
1832 (9) unter dem Abt Ulrich vollgogene Schenkung an Salmans:
weiler, wofelbft in ver großen Stiftskirche, gegen ven Chor bin, fortan
die von Bodman, als beſondre Wohlthäter des Nlofterd, ihre Begräb:
nisflätte gehabt. Üffenbar liegt der Nachricht von obiger Bergabung
ein lateinifcher Schenkungsbrief zu Grunde, der einem zu Salem im
vorigen Jahrhundert gefertigten Urkundenbuch abſchriftlich einverleibt,
jedoch mit Feiner Jahrzahl verſehen ift; darin urkundet Johann von
Bodmen, daß er den Grund, auf welchem jein altes Schloß erbaut
sat (fundum, in quo eastrum meum antiquum in villa Bodmen
situm extitit et construotum), mit aller Zugehör an Wieſen, Bein:
gästen, Weiden, Baumgütern, Wäldern und dem. Weiher, deren genaue
Grenzbeſchreibung ſofort angefügt wird, melches Alles fih in feinem
freien Eigentbum befunden, dem Dienfte Gottes widme und zu biefem
Bebuf dem Abt und ber Bemeinichaft des Klofters Salem übergebe,
mit Beiftimmung bes Biſchofs Gerhard von Konftanz, deſſen Dienft:
mann er fei (cujus fore dignoscor ministerialis, vgl. ©. 400, Anm. 2),
daß zwei Briefter aus diefem Klofter neben [4, 78] der auf dem Grunde
befagten Schlofies erbauten Kapelle (in fundo dieti castri juxta ecele-
siam seu capellam ibidem constructam) beftändig wohnen und auf
den Altären derſelben tägliche Meflen leſen follen zum ewigen Gedächtnis
Gottes und feiner glorreichen Mutter, des h. Otmars, der Märterer,
Beihtiger und Jungfrauen, auch aller Heiligen Gottes, ſodann bes
Stifters, feiner Eltern und vorzüglich feiner drei Töchter und ihrer
430
Gemahle, fowie feine Sohnes Kunrad, die im dortigen Schloffe durch
das unvermuthet und zufällig ausgebrochene Teuer Häglid umgelommen
(mei, parentum meorum et precipue filiarum mearum trium et
meritorum earumdem a0 Cuonradi, quondam filii mei, qui in eastro
ejusdem fundi ignis voragine, orti casu inopinato et fortuito, lamen-
tebiliter perierunt), auch daß fein gleichnamiger Sohn Johannes zu
Einhaltung und Gutheißung alles Vorſtehenden ſich durch einen leib
lihen Eid verpflichtet habe; Gerhard, Biſchof von Konftanz. Ulrich,
Abt von Salem, und Rudolf, Decan der Konflanzer Kirche und Kecter
der Kirche zu Bobmen, beftätigen all dies unter Anbängung ihrer
Siegel !. Für die bier fehlende Jahrzahl kann in keinem Falle 1332
angenommen werden, da Gerhard von Benar nur von 1306 bie 1318
als Bifchof zu Konſtanz bezeugt iſt (Stälin 3, IX. 115. 158). Sm
legtern Jahre war freilich der 1307 als Säugling gereitete Johannes,
welcher die Stiftung beſchworen haben fol, erſt eilfjährig und feiner
mwunderfamen Erhaltung ift bier nicht erwähnt, wenn nicht eben bie
feierliche Beiziehung desjelben darauf Bezug bat. Die Echtheit dieſes
Schriftftüds überhaupt wird befler geprüft werben können, wenn bie
Mittheilungen aus dem bis zur Müte des 14ten Jahrh. gehenden, per
gamentenen Chartular von Salem, deffen Urkunvenabfchriften vom
Anfang des 13ten Jahrh. an immer gleichzeitige find (Mone, Zeit
ſchrift 1, 315), auf den bier in Betracht kommenden Zeitraum erftredt
fein werben. In gänzlich unverbächtigen Urkunden begegnet der bod-
maniſche Name Johannes zuerft 1281, dann 1288, 1293, 1298 und
1817 (Mone, Zeitſchrift 3, 227 f. 235. 243. 250. 2, 490); mittelft
letztbemerkter überlaflen ziwei Brüder von Hohenvels ein Beſitzthum zu
Unterfiggingen dem Stifte Salem auf Bitte des geftrengen Ritters
Sobannes von Bodmen (ad peticionem strenui viri Johannis de
Bodmen) und alle zujammen Fönnen den Vergaber bes Frauenbergs
an basfelbe Klofter betroffen haben. Wenn aber auch der fraglice
Brief über [4, 79) diefe Schenkung nicht formgültig befteben kann, fo ft
gleichwohl fein Anhalt ein weiteres Zeugnis dafür, daß die, bei aller
Verſchiedenheit in Einzelnem, doch im Ganzen einhellige Überlieferung
! Tom. III Litterarum Archivii Salemitani, ©. 580 fi. (Bibliothel zu
Überlingen, vgl. Schwab 2, 181.)
431
des Ereigniſſes von 1807 allgemein belannt und geglaubt war. Alte
Gebertzeihen kommen hinzu: ein auf Silbergrund gemaltes Bild, das,
noch zu Salmansweiler befindlih, die Verunglädten, Inieend und
betenb, varftellt und welchem fpätere Malereien in der Kapelle bes
Srauenbergs !, zu Bobman und Mödingen entfprechen fobann ber
eberne Kefiel, der noch im Herrichafthaufe zu Bodman bewahrt ift,
früher auch in der Schloßlapelle zu Eöpafingen neben dem Altar auf
gefiellt war 2. Als er einft in frembe Hände geratben, follen ihn die
Herren von Bodman um einen’ Bauernhof zurüderlauft haben (Schön:
huth, Führer u. |. w. ©. 287).
Die bodmanifche Heimkehrſage ſteht in den meiften ver aufgeführten
Berichte außer Zufammenbang mit dem Schloßbrand und zeigt in ben:
felben das vollftändige Gepräge der Gattung, der fie angehört: durch
übermenfchlichen Beiftand, der mütelft geleifteten Dienftes oder Gelbb⸗
nifies erlangt fein muß, trifft aus meitefter Ferne der Tobtgeglaubte
und nur an befondern Merkzeichen Erkannte plöglih in ber Heimat
ein, um feine bereitö einem andern Freier beftimmte Frau im Außerften
Augenblide zurüdzuforbern 8. Her[4, 80 porgerufen durch die Aufgabe,
1 Apiarium Salemitanam 206: „Es Reben die befagter Maßen verbronnuene
Perfonen auff einer langen Tafel über alldaſiger Sacriftei-Pforten verzeichnet.”
Bgl. ob. ©. 424.
2 Tefignation (&. 424, Anm. 2): „und ift difer uralte hafen in dem marl-
fleden Bodma [übergefchrieben und wieber ausgefriden: „den ſchloß zue Eipe-
fingen“) in der Bodman. behaufung, mit der jabrzahl (1807) daranf gefchriben,
anf heütigen tag zue ſechen.“ Bucelin, Deduct. &. 464: lebeti seneo, qui in
bodiernam usque diem in Potama videndus asservatur (jam v. in secello
Bepingensis castelli, juxta altare vieitur) n. f. w. In der Quellenangabe
desjelben Schriftſtellers, der mit Simon: von Bodman befreundet war, finb auch
genannt (S. 442): monimenta et picture diverse nnper arcis Bodmennice
nunc exuste. Ebendort mochten auch die alten Turnierwaffen anfgeellt fein,
deren barbarifche Zerſtörung durch die Flammen Bucelin beffagt tob. S. 409),
Unter arz Bodmannica ift ohne Zweifel die Burg Altbodman verflanden und
ihre Verbrennung in die Beit der ſchwediſchen Kriegsfühnng am Überlingerfee
(1684) gejegt. Die villa Bodmen war um 1385 in einer Fehde des Herrn
von Klingenberg mit dem Yon Bodmen durch die Leute des erfiern abgebrammt,
da8 castrum aber damals nicht mitbetreffen worden (Johannes Bitoduranns 113).
3 Derartige Sagen find reichlich aufammengeftellt: Mythologie 980; Wolf,
Beiträge 1, 4 Fi. und Beitihrift 1, 6B fi.; Simrod, Mythologie 219 fi.;
433
der überraichenden, munbergleichen Wieberlunft den lebendigſten Aus:
druck zu geben, bat fi diefe Sagenform verſchiedenen Zeiten und
Drten angebilvet. Am Bodenſee bewegt ſich in ihr ſchon Die Erzählung
von Udalrich aus dem erften Viertel des 10ten Jahrh. (E. 396 f.);
fonft ift von ſchwäbiſchen Beilpielen vorzüglich der edle Möringer, der,
abermals wie Odyſſeus, ſchlafend auf den Heimatboden verjegt wir,
durch ein Lieb bes 15ten Jahrh. kundbar geworben (Beilage 3b). Die
Abweſenheit des Burgheren bei der Verbrennung von Bobman ließ ſich
damit erflären, daß man eine dort gangbare Wanderfage, wie es in
der zimmrifchen Chronik gefchieht, auf ihn antvandte. Indem er freilich
erft nach dem Tode feiner Frau und aus Betrübnis darüber auf bie
Reife gebt, ift bier der altüblide Abſchluß Binweggefallen. Rur bie
neueren Aufzeichnungen aus ber Volksſage führen den Wanderer bis
zur Grenze des Parabiefes, doch ift aud das eine berlömmliche Bezeich⸗
nung ungemefiener Weltfahrt 1. Wirklich durfte die eigene Heifefabel
einem Haufe nicht fehlen, das von Alters ber mweitfahrende Männer
ausgefandt hat. Im Sabre 1217 gieng Albero von Bobmen über
Meer, wo er auch geftorben iſt?. Nachmals, 1346, fuhren zwei Rad:
bar, ein Herr von Bobmen und einer von Hohenvels, ber gegenüber
liegenben Sängerburg, mit vielen andern Chriften aus, um bad heilige
Land und fonft überfeeifche Gegenden zu beiuden; in der Faſtenzeit
selten fie ab und vor Weihnachten famen fie freudig zurüd, nachbem
fie viele Länder durchwandert und das Grab des Heilands fleißig be
ſchaut hatien, wozu fie den Eingang von den Saracenen erkaufen
muften; doch waren fie auch von einem beibnifchen König achtungsvoll
behandelt und mit anfehnlichen Geſchenken bedacht worden 9. Diefer
Schambach und Müller, Niederſächſiſche Sagen 889 fi. Menzel, Odin M fi.
NReöchholz, Schweizerſagen 2, 114 fi.; woramf, abgejehen von den mythologiichen
Grllärungen, bier verwiefen werben Tann.
1 So für Aleganders inbifhen Bug und für die Fahrten Grels des Weir
gereijten (vidförla, Fornald. 8. 3, 666); Mythologie 788, vgl, Brüder Grimm,
Märkten 8, 6. 45 fi.
2 Shartular von Salem, in Mones Beitichrift 2, 75: „Iu Ubirlingen
Albero de Bodemin, filius quondam Alberonis, cum iret. ultra mare, abi
et mortuus est, dedit nobis a, |. w. anno 1217.
5 Johannes Bitodurauus a. 1346 (Ausgabe von Wyß ©. 240): In hiis
etiam temporibus unus dominus de Podmeg et unus dominus de Hohenvels,
433
bobmanifche Pilger von 1346 lönnte ben Jahren [4, 81] nad der 1307
ala Efugling wunderbar gerettete Johannes fein. Mit dem Zunamen
„ber Zandfarer” warb au ein Hans von Bobma, vermeintlich eben
der fabelhafte Weltburchreifer, alljährlich auf dem Frauenberg aus dem
alten Sahrzeitbüchlein ala MWohlthäter verlefen (S. 424, Anm. 4). Sonft
aber gebt unter dem Namen „LZanbftörzer“ (ogl. Schmeller 3, 659 f.)
derjenige Hans von Bobmen, der, als Streiter wider die Türken in ben
Jahren 1392 und 1396, zuvor beſprochen worden und über deſſen
weite Wanderungen, nach Bucelin, vormals ein ganzer Band auöge-
gangen war, der viel Merfwürbiges auf die Nachwelt bringen follte,
doch leider nun für Geſchichte und Sagenkunde verloren zu fein fcheint '.
Auch aus der Zeit dieſer Türkenkriege wird von wunderbarer Heimfunft
cum multis aliis Christicolis tranefretantes ad visitandam terram sanctam
et alias transımarinas, a quodam rege pagano reverenter tractati sunt
et muneribus insignibus honorati sunt. Hii in quadragesima de domi-
bus et de patria sus abeuntes ante natales Christi domum reversi sunt
ovantes, multis terris peragratie Christique sepulcro diligenter perspecto,
prins tamen pluribus florenis persolutie Sarracenis, qui eos ab ipeis
extorserunt, antequam eis indulgerent introitum ad ipsum. Ich nehme
dominas de Podmeg für gleichbedeutend mit vorhergehenden (zum J. 13835,
Wyyß 113) dominus de Bodmen. Wollte man an Bobnegg (Weiler bei Ra⸗
vensburg, vgl Mone, Beitfchrift 8, 318 fi.) denken, fo würde das auch nicht
genau flimmen und von Bodnegg ift Fein Adelsgeſchlecht nachgewielen. Da
gegen werben die ritterlichen Nachbarn von Bodman und von Hohenvels m
Urkunden von 1226 bis 1317 gäng und gäbe zufammen genannt (Mone, Zeit
ſchrift 2, 487 f. 490, vgl. ob. ©. 430; 4, 246 f.). Auch in andern Fällen
MR bei Johannes VBitoduranıs die Namenfchreibung nicht gleihmäßig und
fehlerfrei, 3. B. Lindaudie, Lindaugia; lacus Bodanicus, Botannicas, Po
tamicus, Potanicus, Potannicus, Bodmensis, Podmensis.
1 Bucelin I. c. ©. 460: Johannes, dominus de Podman, Alten ei
Hohen Bodman, tota Europa longe spectatissimus, eum circumquaque,
quants quanta est, multoties perlustrevit, diversissimorum regum ac
principum aulas frequentavit, ubique aceeptissimus, heroici ingenii speci-
mina dedit et Teutonicis familiis magnam suctoritatem conciliavit, Viatoris
etiam vulgo cognomine appellatus, ab aliis „der l.andtstärtzer“ dictus, de
eujus peregrinationibus olim passim totam volumen prodiit multaque
curiosa posteritati commendavit. Is denique aulam cmsaris consectatus,
in ea se quoque probavit, a nemine non honoratus, haud sine maximo
et aulicoram et sus familie luctu Vienne morte abreptas atque ibidem
tumulatus est.
uUplaud, Schriften. VII. 28
434
—
gefagt: einer der frangöftichen Ritter, die, gleich dem von Bobman, bei
Nikopolis in Gefangenfchaft fielen, der Herr von Bacqueville in ber
Normandie, war, nad) fiebenjähriger Knechtſchaft und fchon zur Töbtung
beftimmt, unter Obhut des h. Yulians, dem er eine Kapelle zu fliften
gelobt hatte, über Nacht fchlafend in den Walb bei feinem Schloſſe
niedergelegt worben und konnte fi) gerade noch feiner Gattin, deren
MWiedervermählung am Morgen bevorſtand, mittelft des halben Gold⸗
rings zu erlennen geben, Alles bezeugt durch zwei Gemälbe in ber
Kirche zu Bacqueville; wie Hans von Bodman die St.» Georgenfahne,
trug der normannifche Ritter, feit 1414, das Banner von Frank⸗
[4, 82]veih, die Oriflanıme, vor und fiel unter ihr in der Schlacht
von Azincourt!.
Eigenthümlich der Heimkchrfage von Bodman ift das märchenhafte
Nebelmännlein. Am Bodenſee kannte man von jeher geifterhafte Weſen,
die in Luft und Waſſer malteten. Unter den Trümmern ver ratiſchen
Römerſtadt Brigantium hatten die irifchen Mönche Columba und ſein
Schüler Gallus die Kirche der h. Aurelia, nach Auswerfung der in ihr
verehrten drei ehernen Götzenbilder, neu eingeweiht und fich mit ihrer
Brüderfchaft dort angefiebelt. Als nun Gallus einmal in ftiller Nacht
feine Fiſchnetze in den See legte, vernahm er das laute Geſpräch eines
Geiftes von ber Bergfpige mit feinem Genofien (pari suo) in der See
tiefe.” Jener, der Berggeift (deemon montanus), den bie Fremden
aus dem Tempel getvorfen, ruft ven andern um Beiftand an zur Ber
treibung derjelben, der Meergeift (deemon marinus) beilagt fi, daß
er den Garnen der Fiſchenden nicht zu ſchaden nermöge. Beiden ge
bietet Gallus, ſich überall bekreuzend, von diefem Orte zu meichen,
meldet eilig, was er gehört, dem Abte und diefer verfammelt, dur
Anſchlagen dee gewohnten Zeichens (solitum signum tangens) die
Brüder in der Kirche. Ebenfo, als Gallus nachher von Arbon aus
in bie Wildnis an der Steinach fein Netz trägt, muß er mit feinem
Gefährten zwei meibliche Geifter, die an einem Strubel des Fluſſes
zum Bade bereit fcheinen, ind Gebirg vermeifen, von wo ihre Stimmen,
wie bie zweier Klageweiber, erfchallen, namentlid hört man Rufe vom
1 Amelie Bosguet, Ja Normandie romanesque u. |. w. Paris 1846,
©. 465 bis 470.
435
Himmelberg (de monte, qui dieitur Himilinbere) !. Es geſchah im
Namen des Heilands, daß der Glaubensbote den ungeftümen Geiftern
bes Gebirgs und des Sees abzuziehen befahl, alfo im Namen befien,
der ſelbſt, nach den Evangelien, den Wind und das Meer bebräut,
dem Wind und der Woge des Waſſers Stille geboten hatte. Dem kirch⸗
lichen Mittelalter gehören bie Götterweſen des verbrängten Heidenthums
inögemein zum Reiche des Teufels und feiner Sippfchaft, gleichwohl
verläugnen bie vom b. Gallus beichworenen Dämone keineswegs ihre
Heimat; die nächtliche Zwieſprache des Berggeiſts ınit dem Meergeift ift
eben dort an der Stelle, wo in der Seebucht von Bregenz ein Halbkreis
hoher Waldberge ſich abichatte. Sonft [4, 88) gibt es auch Wetter
fegen, in denen noch beutiche Namen der Hagel» und Sturmgeifter,
Mermeut und Faſolt, verlauten (Mythologie, Ite Ausgabe, Anhang
CXXXI f.). Mermeut, obſchon mit feinen Gefellen ald Herr bes
Wetter (qui poeitus es super tempestatem) zur Abiwendung von
Hagel und Schlagregen beichworen, fcheint doch dem Namen nad zur
‚gleich im Waffer zu grollen (Mythologie 603), aus dem ja bie Wetter
wolke auffteigt (vgl. Mythologie 564. 1041 f.) und das hinwider vom
Sturme beivegt wird; die Beſchwörungsformel fteht in ciner Handſchrift
des 11tem Jahrh. aus St. Pirmins Klofter am Tegernjee. Selbft im
f. 9. Börterbude des h. Gallus ift ein perfönliher Name des Wollen»
geifts entbedt worden, Ecrämunc, Einer vom Gefchlechte des Regens
und Hagels2 Solchen Unholden gegenüber bewahrt ein Heiliger vom
Bregenzer See und Walde, aus dem exften Viertel des 12ten Jahrh.,
PMerbot, pas Haferfeld einer Witwe durch fein Einfchreiten vor Hagel
Ihlag ®. In der frommen Anftevlung Columbas und des h. Gallus
1 Vita 8. Galli, Monumente Germanis 2, 7 ff. Bgl. die Über
arbeitung dur Walafrid Strabo, Gap. 7. 12, bei Goldaſt 1, 150 f. 153. My
thologie 466 f. Neugart Nr 866, a. 1155: ad flumen Stainaha ... ad
montem Himelbereh (mons calius, Mönzeln).
28. Badernagel, Wörterbuch zum Leſebuch S. CCCOLXVI und in der
Beitfchrift für dentſches Alterthum 6, 290 f. (vgl. Ebd. Geſchichte der beutichen
Litteratur 36). Die hauptjächlichen Belege, welche bier geltend gemacht werben,
fiud: Vocabular. S. Galli (Xejebuch 80, 82. SHattemer 1, 14 b): nubus
seronunc; Wigamur 1289, nach Wadernagels Berichtigung: [day ung] fein
regen verſchraͤte; Schmeller 8, 502: „ſchräen, hageln“.
8 Acta 55. Bolland. Eept. 8, 890a: Cuidam vidum sus avena per
436
biltete Gebetruf und Lobgefang ben Gegenfat zu dem mwilben Gebenl
der über die Berggipfel abziehenden Dämone, das Glockenzeichen biente
nur erſt, die Brüberfchaft in ber Kicche zu verfammeln. Epäter wurde,
neben der Beſchwörung mit Evangelium und Eacräment, das Wetter:
läuten ein übliches Mittel, den mit Donner und Hagelwolken in ver
Luft fahrenden Teufel abzutreiben 1. In Überlingen war das Einftellen
aller Tänze, bei Tag und Nacht, ftreng geboten, wann man „dem Better
läute“?. So [4, 84] erjcheint nun auch das Nebelläuten im benadı
barten Bodman als eine firchliche Bannung und Beſegnung; die Klänge
der getauften Glode ſollen dem böfen Feinde mehren, daß er nicht mitielft
der aus dem See aufgetriebenen Froſtnebel die Reben ſchädige?. Nach
dem ſchweizeriſchen Heldenbuch follte das Gleiche durch die ſchwarze Kunſt
eines fahrenden Schülers bewirkt werben, aber dieſer frevelbafte Zauber
rief den rächenden Wetterſtrahl herab (S. 423). Denn wie man von
beibnifcher Zeit her an ein berenhaftes Wettermachen glaubte ®, fo gab
intercessionem $. Merbodi a grandine preservatur, Über viefen Heiligen
gl. Bergmann in den Wiener Jahrbüchern der Litteratur Band 118, Anzeige
Blatt ©. 4 f. 34.
1 Bgl. Aug. Stöber, zur Geſchichte des Bolksaberglaubens aus Dr Joh.
Geilers von Kaifersberg Emeis. Bafel 1866, S. 66 f. Über den Glockenhaß
dämonifcher Weien: Brüder Grimm, Srifche Eifenmärden XCIV. Mythologie
1039 f. Zn einer Handſchrift des 15ten Jahrh. ans Salmankiweiler ſpricht
die Blode: est mea cunctorum terror vox demoniorum (Ünzeiger 2, 192)
2 Zac. Reutlingers biftorifche Collectaneen von Überlingen, handſchriftlich
anf dortiger Bibliothek, Band 11 (1580), Blatt 785 (unter den Räbdtrfchen
Ordnungen): „Wann man aber dem wetter Ifitet, das fei tag ober macht, als-
dann füllen alle tänz, die jeien erloupt oder hodhzeittänz, vermitten bleiben
and mit mer getanzet ober zu tün geftattet werden, ouc bi bäß j lib. dn.“
Dieb erinnert an das vermeflene Tanzen im Gewitter auf dem älteren Schloſſe
ven Bodman.
3 Rach beiberlei Seiten wirfjam war eine Glode zu Nüdlingen (Bechſtein,
Sagenſchatz des Frankenlandes 1, 247): „fo weit in der Umgegend ihr Schall
hörbar war, gab e8 weder Fröfte im Winter noch Gewitter im Sommer.”
4 Mythologie 1040 fi. Altnordiſcher Nebelzanber: die Nebellievder (boku-
visur) Xhorleifs Jarlaſtalds, bei deren Vortrag die Halle fidh verfinferte
(b& var myrkt 1 höllinni u. f. w. minkadi myrkrit, Fornm. 8. 8, 97 f.);
dann der heitnifchgefinnte Eyvind Kelda, der fih und fein Zaubervolf in Nebel
büllen wollte (giördi Eyvindr heim hulidshielm, vgl. Mythologie 432.
Ev. Egilsjon 412, ok bokumyrkr sv& mikit, at konungr ok lid hans
437
es, neben ber Beſchwörung durch die Kirche, auch undriftlihe und
trügeriiche Segenſprüche gegen das Wetter 1.
Jener kirchliche Brauch des Nebelläutens wurde zum Anlaß einer
heiteven Märchendichtung. Der Nebel unterhandelt leibhaftig mit dem
Herrn von Bodman über Glodenflang und Weinreben. Auch anders
wärts ift diefelbe Lufterfcheinung in freiem Spiele der Einbildungskraft
perfönlich geftaltet worden, mehr ober minder mit geſpenſtiſchem Hinter:
grund. Das altnorbiiche Räthjellied, in der Saga von Herbör und
Heidrek, fragt: „Wer ift der Yinftre, der über die Erbe fährt? Waller
und Wald verichlingt er, fürchtet vor dem Winde fi, vor Männern
nicht, und liegt mit der Sonn’ im Streite;“ worauf bie Antwort: „Der
finftre Nebel fteigt auf aus GHmis [ded Meergotts] Sigen und ver-
fchließt bes Himmels Anblick, ex bämpft den Glanz der Gefpielin Dvalins
[der Sonne], flieht allein vor Forniots Sohne“ [Käri, Beherrſcher der
Winde, der Wind felbft] ?. [4, 85] Obgleich in dieſer Antwort dichterifche
Bezeichnungen aus der Götterlehre gebraucht werben, liegt boch hier
fein Mythus vom Nebel vor und mit der ausgejprochenen Löſung bes
Räthſels, eines der beften in der Reihe, ſchwindet die ſcheinbare Ber:
fönlichfeit des finftern Ungenannten 3. Nebelbilver laſſen ſich aud in
den Fahrten eines geifterhaften Reiters erkennen, der, ſchwäbiſche Wal:
und Wielenthäler entlang, dem Laufe des Waflers folgend und durch
biefed hinrauſchend, gewöhnlich Abends, bie Begegnenven verwirrend
und in die Irre treibend, in den Mantel gebüllt, auf feinem großen,
skyldi eigi mega sid hä u. |. w. bokumyrkvi sd, er hann hafdi giört
med Gölkyngi u. |. wm. Fornm. $. 2, 141. Bgl. Fornald. 8. 1,5. Gull-
Pöris S. Gap. 17),
1 Bom Wetterfegen auch eines fahrenden Schülers aus dem 14tem Jahrh.
handelt Beilage 4. Joh. Bitoduranus berichtet zum Jahr 1347 (Wyß 241)
von einem Schwarztünftler (nigromanticus) zu Dornbüren, zwiſchen Bregenz
und Hohenems, der, unter andrem Blendwert, das Haus, worin er ſich ver.
borgen hielt, als ein goldenes erjcheinen ließ.
2 Fornaid. S. 1, 474 f. vgl. 533. Peterſens Ausgabe der Hervar. Saga 87.
[Schriften 7, S. 134 f. H.)
3 Doch beachtet der Errathende jogar noch das perjünlide adj. masc. sd
enn mörkvi der Aufgabe, indem er nicht mit dem eigentlichiien Worte, subet
fem. boka (nebula), fondern mit dem finnverwanbten subst. masc. mörkvinn
(ohne Art. mörkvi, caligo) antwortet (vgl. S. 436 f., Anın. 4: Pokumyrkr n.,
bokumyrkvi ın.).
438
weisen Roffe ab und auf jagt, als ob er flöge (Barhreiter, Schimmel-
reiter, E. Meiers deutſche Sagen aus Schwaben Nr 114. 118); er
bat basfelbe fih aus dem Meere geholt, vor Sonnenaufgang ftieg der
berrlihe Schimmel daraus bervor, Tieß fi) vom Reiter an ben Ohren
faflen und ihn auffigen, trug ihn, ohne Eattel und Baum, wohin er
wollte, mit bieſem vortreffliden Pferbe lann er in ver Luft, wie auf
der Erde und dem Waſſer reiten . Das berührt ſich mit ber alt
nordiigen Räthſeldichtung vom Nebel, der über die Erde fährt, den
Sitzen des Meergotts entfliegen. Als elbifches Weſen ſpukt das alte,
ungeftalte Nebelmännlein, unter dieſem Namen, auch auf ber Stutzalp
in Graubünden; wann regenfchauernde, froftig graue Wollen nieder⸗
bangen, gleitet es leifen Schritt auf der Alpe umber, mitten am Tage
bei den Herden, im fpäten Abenddunkel und in fehneeiger Nacht bei
den Hütten, in altertbümlich ſeltſamer Landestracht, breitrandigem
Hute, Holzſchuhen und weiter, nebelweißer Jade?. Zwar gilt es jegt
für den rubelofen Geiſt eines [4, 86] ungerechten Hirten, der den Kühen
das Salz nicht gleich zugewogen hat und nun vergeblich ihnen die Hände
zum Leden binftredt, um dadurch erlöjt zu merden, aber dieſe lehr⸗
bafte Wendung jet doch den ſchon beſtehenden Bollöglauben an un:
heimliche Nebelgeipenfter voraus, zu deren einem der böje Hirte ver⸗
1 Meier, Nr 124, 8. Die Bollsfage nennt zwar hier den „Ranzen-
puffer“, einen nedifchen Waldkobold des Schönbuchs, aber die Erſcheinung iſt
unvertennbar die des Schimmelreiters (fo auch jhon Nr 124, 3 an der Blau-
lach, wie im Fortgange von Nr 124, 8). Überhaupt vermengen ſich die ver-
jchiedenartigen Gefichte und jo muß auch der Nebelreiter den Kopf unterm Arme
tragen, durch Verwechslung mit den reitenden Kampftubten, namentlid im
Wnotesheere. Nächtlihe Epufgeftatten mander Art und Bebentung haben
weiße Yarbe, bie auch im Finſtern ſchimmert. Mad Monnier, Traditions
populaires. Paris 1854, ©. 94 f., weidet um die Quellen der Geine, im
Sara, zur Etunde ter Morgendämmerung ei weißes Roſs und ſchwebt won ba
in rafhem Fluge zum Gipfel des Berges auf (le cheval blane de Foncine,
le cheval volant).
3 Flugi, Bollsfagen aus Graubünden, Chur und Leipzig 1848, ©. 86 fi.
Bernaleten, Alpenfagen S. 78. Nebelmann nennt ſich and eine nächtliche
Erſcheinung bei B. Baader, Bollefagen aus dem Lande Baden, Karlarnde
1851, Nr 71. Nievelmännden an der Maas, die bei Tag fchlafen und bei
Nacht wachen, in J. W. Wolfs deutfhen Märchen un? Eagen, Leipzig 1845,
Mr 72.
439
wünfcht werben konnte 1. Der Name, der Zufammenbang mit Wetter
und Wolle, die nebelbaft verhüllende Tracht, laſſen keinen Zweifel über
bie eigentliche Bebeutung bed dämmrigen Alpengängers; breitlrämpiger
Hut, wie ihn Bauern und Wanderer tragen, weite, übergeiworfene
Autte, find in Geſchichten und Sagen berfömmliches Mittel, fih un
kenntlich und unfichtig zu machen, darum auch bier zu finnbilblicher
Ausftattung des Nebelalbs geeignet. Selbſtbewuſt und mit bürren
Borten erllärt dad Männlein der Bobmanfage, „es fei kein natür
licher Menſch, fondern der Nebel;“ während aber das graubünbifche
auf den Bergen fchmweift, bat jenes fein Weſen an ven Waflern. Nach
ben älteren Aufzeichnungen begegnet dasſelbe dem Reiſenden, als er
„auf dem wilden Meer von denen Wellen in eine Inſel geworfen
worden” (6. 425), oder nachdem er „an ein groß Wafler oder Meer
fommen, da er Fein Land mehr geſehen“ (S. 419), und der Chronik;
fchreiber denkt fi) dabei, ganz angemeflen, die Länder „gegen Mitter
nacht“ 8. Zu beachten iſt gleihwohl, daß die [4, 87] noch gangbare
1 Gaͤnzlich ohne Bezug auf das Nebelmännden muß ein ungeirener Hirte
geiftweiß umgehen bei Rochholz, Schweizerfagen 1, 117.
2 Johannes PBitoduranus (Wyß 119) erzählt zum Jahr 1336 die Ber-
mummungen, woburd ein Kriegämann und Feind der NRotweiler, Seduloch,
auf defien Beifahung fie einen Preis geſetzt hatten, fie zu täuſchen wufte (&hn-
- dh den Streichen bes Mönchs Eufladh), namentlich wie er in Bauernfleidung,
mit weitoorgebenhem Hute, umerlannt ihnen entlam: veste insuper coloni
sibi obviantis indutus, scilicet pileo longe pretenso rusticali, ut minus
agnoscerelur, et amicabiliter salutatus, illesus effugit. Altnordiſch begegnet
vielfach der breite, daß Geſicht verbedende Hut; ſich unkenntlich halten heißt in
ſtaldiſchem Ausprud: den Hut der Verhüllung umthun (felda huldar hetti,
Sy. Egilsfon 412 a. 152a, vgl. &. 486, Anm. 4: hulidshialm ok Pokumyrkr).
Vie es nun die mythiſche Perſonenbildung mit fi ‚bringt, daß die Formen
menfchlichen Lebens und Treibens auch auf die Götter angewandt werben, er-
fein: Odin feibft, wo er nicht erlannt fein will, im Mantel (hekla) und
ut dem breiten Hute (med stdum hetti), daher feiner vielen Namen einer
„Breithut” Iautet (Stdhötir, Mythologie 133),
8 Auch das Stammlanb der Ribelunge, Ablömmlinge bes Nebels, wird
in den hohen Norden, die Mark von Rorwege, verlegt (Wibelungen 682, nad
und B) und von dort fommt auch der unſichtbarmachende Mantel, die „tarıt«
Tappe*, gleichartig der „nebellappe* Mabelgers, des Sohnes einer Meerminne
(Morolt 8920 fj., vgl. Wolfdietrich, Handſchrift der Piariften Str. 691. 64,
im gedbrudten Helbenbuch von 1509, Blatt I 5b; Hürnen Geifrid Str. 89).
AAO
Volksſage dem Nebelmännlein feine Wohnung in einer unergrüänblichen,
niemals zufrierenden Seeftelle bei Bodman anweiſt (6. 428). Hiernach
fonnte mit ihm ber Herr von Bodman auch am heimiſchen See den
Vertrag abfchließen, vermöge deſſen einerjeits die Nebelglode nicht mehr
geläutet, anderfeits das Rebland nicht mehr befchäbigt werben jollte.
Noch Weiteres deutet darauf, daß diefes Nebelmännlein nicht urfprüng:
ih zur Heimlehrjage gehört habe; nicht bloß bringt es in diefelbe einen
fremdartigen Beiſatz ſcherzhafter Laune, fondern es ftört auch die Ein:
beit der Handlung, indem es die Aufmerkfamleit vorwiegend auf ſich
lenkt und die Sorge bes Ritters zwilchen feiner zurüdgelafienen &e
mablin und feinen Weinreben theilt. Dennoch ift es nicht ohne ge:
eigneten Anlaß ins Mittel gezogen. Snimer muß e3 ein Gott oder ein
Dämon, ein Heiliger oder ein Schwarzlünftler fein, der die wunderbare
Heimfahrt bemwerfftelligt; dieſes Geſchäft ift bier dem Nebelmännlein
aufgegeben und wirtlich findet vie überrafchende Wiederkunft des ferne
Berfchollenen darin einen dichterifchen Ausdruck, daß derſelbe, vom
flüchtigen Nebelzuge weither über Land und Meer getragen, plötzlich
aus der umhüllenden Wolle hervortritt 1.
Es find Kunden manigfacher Art und verfchiedener Zeit, die in
Bodman ihren Anhalt haben und der Reihe nach vorübergeführt wurben,
fie betreffen Gefchichte, Rechtsaltertbümer, geiftliche und weltliche Sage,
Märchenwelt. Einzelne Fäben laufen wohl von der einen zur andern,
Gefchichtichreiber und Genealogen haben fih an größeren Zufammen:
hängen verfucht und auch die volksmäßige Überlieferung bat ſich hierin
gefallen, aber bei eingehender Unterſuchung muſte mehr wieder getrennt
werben, als daß fich ein durchgreifender, innerer Sagenverband hätte
berftellen laſſen. Zu ſchließlichem Überblide wird daher das Beiprochene
am beften örtlih, im Landſchaftsbilde, zufammengefaßt werden. Den
Standpunkt hiezu bieten die hochragenden Überrefte der Burg Altbobman.
Am untenliegenden Geftab ift zwar die farolingifche Königäpfalz längft
und gänzlich verſchwunden, dagegen zeigt fich dort der freundliche Wohn:
fig des noch blühenden Geſchlechts, von deſſen Borfahren jo Bieles zu
berichten war. Süpöftlih, nur durch eine Waldſchlucht [4, 88] von Alt-
I Bgl. Schmeller 2, 670: „In der Nebellappen daherkommen, d. h. plöt⸗
Ih, ohne im Kommen bemerft worden zu fein.”
441
bodman geſchieden, ſpringt der klöſterliche Frauenberg hervor, wo einſt
das thurmartige Stammhaus ſich erhob, auf das der verzehrende Blitz⸗
ſtrahl niederſchoß, und wo dann zum frommen Gedächtnis der im
Feuer Umgekommenen, wie auch des h. Dtmars, die ſeitdem neugebaute
Kapelle geſtiftet wurde. Weſtwärts, in das Hegau, erſtreckt ſich das
Moos von Walwies, die alte Gerichtsſtätte und das Feld des Kampfes
um Erneuerung des alemanniſchen Herzogthums. Vor allem aber haftet
das Auge an dem weitgedehnten See, rauſcht er doch, lauter oder
leiſer, in die meiſten Sagen herein! An ſeinem Ufer hatte der träu⸗
mende Hirte Pipins das wonnevolle Geläut aus unbelannter Ferne
bernommen; mitten unter feinen aufgeftürmten Wogen ruberten die
Klofterbrüder mit dem Leichnam ihres Heiligen winbftill dahin; ihn
durchſtreifte das ftattliche Jagfchiff, mit dem fchallenden Hunnorufe der
Bemannung; in feine bebrohlichen Froſtnebel hinaus erklang abwehrend
die Slode von Bobman, zum Berbruffe des Nebelmännleind, das nun-
mehr unſchädlich in der grundlofen Tiefe hauft. Die Burgtrümmer
felbft, auf denen ber Ausichauende fteht, umfchlofien einft die „ver:
güldete Stube“ (5. 4223), in welcher wohl auch, angeficht8 der erftaun-
lihen Waffenftüde jtreitbarer Ahnen, manches Denkwürdige von Ungern-
und Türlentriegen, von Sanct Yörgen Fahne, von den Lanbfahrern
und ihren mwunderfamen Begegniflen abenblid erzählt wurde und zu:
legt noch, beim Ausftichweine des Königsgartens oder von ben Herzen:
fteinen, das Nebelmärchen feine Iuftigen Gebilde fpielen ließ.
Beilagen.
Beilage 1 (zu Geite 885).
Bebman. Bobdeniee.
Den Ortsnamen geben die älteren, Iateinifch verfaßten Urkunden und &e-
ſchichtbücher in verfchiedener Schreibung und mit römiſchen Biegungen zweierlei
Geſchlechts: masc. in loeo, qui dicitar Potamus, in palatio regio (Urfunde
von 879, Reugart Nr 516), ad Potamum, palatio imperiali (Urfunde von
881, Böhmer, reg. Karol. Rr 981), Otmarus apud villam Potamum palstio
inelusus est (8. Otm. vita anct, Walafr. 6. 6, Monumenta Germaniz
2, 43 f.), Potamum ... oppidum (Ekkeh, IV cas. S. Galli, Monumenta
442
Germenie 2, 83), in Potamo curte regis publica (Urfunde von 849, Nen-
gart Nr 329), iu villa Potamo (drei Urkunden von 857, Neugart Mr 366,
867 und Böhmer Ar 788), in Potamo (Urfunde von 901, Neugart Nr 688),
in castro Botamo (Anon. Weingart. bei Heß, mon. Guelf, 15), Burcardus,
miles de Pothamo (Urkunde von 1225, in Mones Zeitſchrift 2, 71), Cuonrado
de Potamo (ebd. 2, 76); fem. ad. villam regiam, que Bodoma dieitur
(Prudent. Trec, sunal. a. 839, Monumenta Germanie 1, [4, 89] 433), curtem
Podomam (Ann, Fuld. a. 887, Monumenta Germanie 1, 404), usque
Bodomiam (Vita Hludow. imp. €. 61, a. 839, Monumenta Germanie
2, 645), actum Bodoma, regio palatio (Urkunde von 839, Neugart Rr 292,
vgl. Dümge, reg. bad. S. 63 f., Böhmer Nr 494), in Potoma (Urkunde
von 885, Neugart 558), curtis in Podoma (Urkunde von 1155, Nengart
Rr 868), Uolricus de Bodoma (zum J. 1191, Mones Zeitſchrift 1, 328)
Alles zufammen weiſt auf ahd. podam (Pl. podamä) m. Grund, Boden; im
lat. Potamus ift das Geſchlecht des deutſchen Woris erhalten, zur Feminin⸗
bifdvung Potama, Bodoma, mögen bie beigefegten oder hinzugedachten fem.
curtis, villa, gewirkt haben, doch wird andremal felbft neben diefen das masc.
Potamus gebraucht. Das zu Grund liegende ahd. Wort befand fi vermuth⸗
lich, nad gewohnter Weiſe bei Ortenamen, im Dativ: (zua demu, zi) Pe
dama, (ge) Podamo (Graff 3, 86); damit flimmt in einer Hrfunde von 1262
ber mhd. Dativ: actum in Bodeme (%. Bader, Markgraf Hermann V, ©. 98),
und mehrfach aus dem 12ten und 18ten Jahrh. Im Gefchlehtenamen: de Bodeme.
Frühzeitig ftellt fi) aber auch eine Pluralform hervor: [qui Potamis in nostro
castro residet, Urkunde vom Iten Mai 896, ſ. S. 396, Anm. 1. ®f.]. actum
Potamis, curte regia (Urfunde von 912, Neugart Nr 680), vorausſetzend bem
ahd. Dat. Plur.: (zua dem, zen) Podamum, Bobemon; im 12ten und 18ten
Jahrh. geläufig: de Bodemen (Urkunde von 1179: de Bodeman, bei Pupi-
kofer, Regeften des Stiftes Kreuzlingen Nr 16, fonft and de Bodimin, Bo-
demin), nachher abgekürzt Bodı-en (3. B. Urkunden von 1297, 1298, 1317,
Mones Zeitſchrift 3, 249 f. 2, 490). In deutichen Schriften aus dem 16ten
Jahrh. ift noch üblich: von, zue Bodma, abwecjelnd mit Bodman (wie zuvor
de Bodoma und de Bodeman), jet unrichtig Vodmann. Es war ganz ange
meſſen, das Uferlond am Fuße des Gebirge, gegenjählich zu letzterem, durch
ahd. podam, BI. pobamä, zu bezeichnen uud dann auch die dortigen Anfieb-
Nangen, von ben ländlichen ‚bis zur Königspfalz (Potamico palatio), nad)
folder Belegenheit im Grund, in den Gründen, zu benennen. (Stalder,
ſchweizeriſches Idiotikon 1, 196, gibt unter den ortbezeichnenden Verwendungen
des Wortes Boden hauptſächlich auch diefe: „rund, d. i. ein Thal, eine niebrige
Gegend im Gegenfate einer höhere, Bödeler, Bödler, einer, ver im Thale
wohnt, im Gegenſatze eines Bergers, d. i. eines andern, ber anf bem Berge
wohnt.” Schmeizerifche Gelände, Ortfchaften und Anweſen foldhen Namens
And: der Urnerboden, das Bödeli zwiſchen Thuner- und Briengerfee, das Bi
demli im Frickthale, |. Rochholz, Schweizerſagen 1, 148; dann befonders zahl-
443
eich innerhalb der Grenzen Eines Kantons bei H. Meyer, die Ortsnamen bes
Kantons Zürich, Mittheilungen der antiquariſchen Geſellſchaft 6, 82: „im Boden
12mal, im bodmen, im bödmen, in böden, im bödeli“.) Die Ortslage von Bodman
ſchildert Zohannes von Winterthur zum Jahre 1335 kurz und anfhaufid: ville
longe, dicta Bodmen, sita inter lacum Bodmensem ex una parte et excel-
sum montem ex #lis parte (Joh. Vitodur. chron., Ausgabe von Wyß 113).
Die nun die an jenem Orte (in loco, qui dicitur Potamns, ad Po-
tamum, apud villam Potamum) gelegene Pfalz im Latein der Urkunden und
Zeitbücher ableitungsweife Potamicum palatium genannt wird (Urkunden von
905, 909, 912, Neugart Ar 653, 668, Böhmer Wr 1241; Annal. alam. a.
911, Monumenta Germanie 1, 55), ebenfo der denfelben Ort befpülende See
lacus Podamicus, Potamicus (Ürtunden von 890, 902, 906, Neugart
Nr 596, 637 und wieder 653; Walafrid Strabo, vita b. Galli, prolog., bei
Goldaſt 1, 147; Monumenta Germanie 2, 159). Yindet man auch in einer
um 850 gefjchriebenen Aloftergefchichte unabgeleitet: mare, quod Podomus dicitar
(Vita Hariolfi, Monumenta Germanie 12, 13), fo lann dies als Aufldiung
eines zufanı[4, 90)]mengeſetzten ahd. Podamſeo erflärt werden; und werm in fanct-
galliſchen Diſtichen aus demfelben Jahrh. gefagt if: Rheni vel Potami litus
(Dümmier, Yormelbuch des Biſchofs Salomo IIl, ©. 80), fo mochte der Klofter-
ſchule jeder Zufat (lacus, mare) geradezu entbehrlich fcheinen, weil bei podam
an oranog gedacht wurde, nach ausdrüdliher Bemerkung Walafribs (bei
Goldaſt 1, 147): Jacui ... qui ... juxta grescam etymologiam Potamicus
appellatur. In den Urkunden wird niemals der See, ſondern überall nur der
Ort (locus, curtis, villa) durch Potamus bezeichnet und auch die Vollsſprache
bat für den See kein einfaches Bodem. Der noch befiebende deutſche Name
desfelben exjheint, meines Wiffens, zuerf in einer Urkunde von 1087 (Mohr,
cod. diplom. 1, 189): „nsgue ad lacum Bodinst;“ weiterhin „Bodamsß,
Podemst.* Die lateiniſchen Zubildungen des ahd. podam für die Benennung
bes Sees reihen zwar weit in das Hte Zahıl. hinauf, zum Jahr 839 ift aber
auch fchon des Ortsname „Bodoma“, zugleih mit regio palatio, urkundlich
nachgewiefen worden und ſchon in das Fahr 759 fällt die Gefangenſchaft des
Abtes Otmar, die nad Walafrid in der Pfalz apud villam Potamum flatt-
gefunden hat. Nah dem rätiſchen Brigantium hieß der Eee voreinft der bri-
gantifche (Blinius, hist, nat. 9, 29: lacus Retiae Brigantinus; Ammianus
15, 4: lacum ... rotundum et vastum, quem Brigantiam accola Retus
appellat; Walafrid bei Golaft 1, 147: Brigantium opidum ... lacui nomen
dedit; Monumenta Germani® 1, 361: juxta lecum Briganticum, ebd. 364,
873 [vergl. A. Bacmeifter, Alemannifhe Wanterungen 1, ©. 52. 53. 9.)),
nach der Inſel Reichenan hieß ein dortiger Geetheil lacus Augiensis (Ür-
funde von 1155, Neugart Nr 866); nad dem Orte „Podama“ konnte zu-
nähft der angrenzende Seearm „PBobamflo” geheißen fein, in der Folge galt
diefer Name für die ganze Strede bis zur Einmündung tes Rheins; in latei-
niihen Schriften trat Podamicus völlig an die Stelle von Brigantinus (Er-
444
menrici vita S. Galli metr., 9te8 Jahrh, Monumenta Germanie 2, 32:
Brigantinum mare ... pontus, qui modo Potamicus vocitatur; Urkunde
von 8, Neugart Nr 596: ubi Rhenas lacum influit Podamicum; vgl
noch Johannes Bitoduranus, Wyß 94, 286). Hiebei ift zu erwägen, daß von
der Pfalz zu Vodman aus dur Pipins Statthalter und nachher durch bie
Fammerboten die Heichsverwaltung über das alemannifche Land im Namen
der nicht jelten auch perfönlich anmelenden Könige geführt wurde (©. 386,
Anm. 1. ©, 389, Anm. 4). In folder Auffaffung if der Rame „Bodenfee”
ein gefchichtliches Denkzeichen aus dem Zeitalter der Karolinge.
(Zu der ſchwebenden Frage, ob der See nad dem Ort, oder ob dieſer
nach jenem benanut jei, vgl. Förftemanns altdeutſches Raınenbud 2, 265 f.
Zweite Bearbeitung, Rorbhaufen 1872, Sp. 295. 296. H.] und, flir letztere
Anficht, das beutfche Wörterbuch von J. und W. Grimm 2, 209 f. 217. Ein
voller Beweis wird nach feiner von beiden Seiten möglich fein, auch das deutfche
Wörterbuch fpricht nicht entfcheibend.)
Beilage 2 (zu Seite 416).
Rechtsgebrauche.
Epfendorf.
Gimmriſche Chronik 14180 f. Musgabe von Barad 8, S. 30 bis 41. H.)
„Diſes dorf iſt aineſt der graven von Sulz geweſt und bat zu Nederburg
gehört, ift hernach den ebelleuten von Stain zu lehen verlihen worden. Es hat
alda drei meierhöf gebapt, die Freihöfe gehaißen, haben dem gotshaus Petters-
haufen zugehört. Und wiewol die grafen und dann bie ebeilent vom Stain,
als inen das dorf zu leben verlihen, ires gefallen® haben gericht [4, 91] megen
halten, fo hat doch der abt von Pettershauſen felbs oder fein anwalt brei tag
im jar, nemlich am liechtmejsabent, am Maiabent und an ©.» Martins -abent,
das gericht megen erfordern und bejeßen, dazu bat er den grafen von Enlz
oder den inhaber des dorfs auch laden follen. Wann dann derjelb fommen und
oin federſpil gehapt, het mau von den böfen dem hapidy ober ſperber ain
ſchwarzen hennen geben und ben bunden ain laib brot. Es bet von langen
jaren Hedwigis, ain Herzogin von Schwaben, das almenb zu Epfendorf der
gemaind dafelb umb gots willen gejchentt, desgleichen das wafler den Reder.
Derſelb ift fo frei gewefen, daß auch die frembben und fonderlich welche die
vier ſchloß, Utslingen, Herrenzimbern, Harthauſen und Schentenberg, bejeßen,
weil dife heufer noch in bie pfarr gen Epfendorf gehörend, daſelb ires gefallens
vifchen mügen, doch die viſch nit hintragen, fonder zu Epfendorf in difer Frei⸗
böf ainem eßen jollen. Wann num die, fo alfo geftfchet, in das dorf kommen
und die vifch ſüeden wellen, bat der mair uf dem ainen hof das falz geben
miüeßen, der mair in dem andern hof die pfannen oder keßel leihen müeßen, der
drit mair aber, in dem man die vifch eßen wellen, bat das holz und fur [fewr],
nemlich guet dürr Holz, geben mileßen. Wa er fich aber des geipert oder fains
gebapt, habend die gef guet fueg und macht gehapt, ain Iparren von bem haus
zu nemen und die viſch mit füeden. Dife höf feind auch fo frei geweien, was
ain teter begangen und in deren höf ainen kommen, ift ex gleich fo ſicher ge⸗
weien, als ob er in die Kirchen lommen wer; und ob der, dem ber teter etwas
zugefliegt, denſelben in difer höf ainem, darein er fluchtsweis kommen, mit gewalt
hinaußziehen oder fonft gewaltige hand an in legen welte, fo ift der mair, der
den hof befiket, in zu befchürmen ſchuldig. Wa aber der erft nit nachlaßen
wii, fo mag er im den Topf auf jeiner hausfchwellen abbawen und foll im
drei Heller uf das herz legen, hiemit hat er im gebliehet und [if] weiter darumb
niemand nichts ſchuldig.“
Dem Herrichaftsreihte von Bodman flellt fidh die freie Fifcherei im Nedar
gegenfiber. Die Herzogin von Schwaben, welcher bie Ertheilung diefer Freiheit
zugeichrieben wird, ift diefelbe, die einft zu Walwies tagte (S. 413, Anm. 2). In
der Chronik von Petershaufen ſteht eine Urkunde Königs Dtto vom Jahre 994,
wodurch er die Schenkung beflätigt und erneuert, welche von der Herzogin
Hadewig (per traditionem bone memorie domnæe Hadewigis dueis) be-
ſagtem Kloſter mit dem Gute Epfendorf (preedium Epfindorf) und deſſen
ganzer Zubehör gemacht worden fei (Mones Ouellenfammiung 1, 128 f.
vgl. 131); zum Inbegriff der an das Kloſter vergabten Rechte werben freilich,
auch Wafler und Fiſchereien gezählt (cum aquis aguarumve decursibus, pis-
eationibus), jedenfall® aber hat die Rechtsſage der volksfreundlichen Gefinnung
jener merkwürdigen Frau ein dankbares Gedächtnis bemahrt.
Zum Schirmrecht der Freihöfe, das bier in beſonders ſtarken Zügen aus-
gedrückt iſt, vgl. Rechtsalterthümer 886 ff.
Beffendorf.
Gimmriſche Chronik 868 |. Ausſsgabe von Barad 8, ©. 471 f. H.)
„Bald hernach [nach 1548] hat der abt von Gengenbach etliche höf und
güeter ſampt ainer gerechtiglait im dorf Beffendorf, zu der pfandſchaft Oberndorf
gehörig, dem Epitl zu Rotweil verfauft umb ein fpat [fpot] und [4, 92) tobten
pfennig, wie man jagt. ... Die alt geredhtiglait aber hat eine folliche geftalt
gebapt. Der merertail höf und güeter und auch die järliche zins darvon zu
Beffendorf haben dem Mofter zu Gengenbach zugehört, wiewol bie hochen gericht
daſelbs der hersichaft Zimber zufteefn]t. Nun hat aber das gemelt gotshaus bie
gewonhait oder gerechtiglait gehapt, daß der fchaffner oter amptmann von des
abts wegen drei tag iedes jars das gericht zu Beffendorf erfordern bat megen
und das befiten auch die mair oder inmoner daſelbs, welcher etwas fträflichs,
doch nur burgerlihs, begangen het, zu beflagen; und was uf dife tag geruegt,
bo iſt der fretel namlich die zwen tail des abts, der drit tail darvon der obrig-
fait. Und feind namlich das die drei tag: an dem liechtinefsabent, am Maien⸗
abent, an Eant-Martins-abent, und ſonſt fain anderer tag. Dann was fonfl
446
durchs jar geruegt wurt am jargericht, welches doch aim herr haben mag, Wann
e will, da hat das gotöhaus nichts an. Aber uf die beftimbten tag, warn ber
abt oder fein anmwalt das gericht erfordert, fo ift er auch fehuldig, dem welt
lien oberherren des dorfs darzu zu verfunden und laden laßen. Wa derfelb
dann kumen will, fol er mit dritthalben pferden [vgl. Redhtsalterthümer 255 ff.)
von Oberndorf hinuf reiten und nit mer, iedoch begegnet im ain varender
ihueler oder ain guete meß, die mag er wol laden, mit im zu ziehen, doch
foll er demſelben ſchueler oder der metzen fain geren uß dem rod zerren. Bann
er nun binuf kombt, foll er ain ſchwarzen lindſchen (Schmeller 2, 480] mantel
umb haben und fol man fein vritihalben pferben das fueter geben, das mag
der herr m ben mantel empfahen, doch joll der habern fo lauter und rain feim,
daß im kain helmle an dem mantel behang, dann wann ſolichs geſchech, fo gibt
man im anderen babern, biß er fo fauber if, daß im nichts am mantel be
hangt. Doch jo bleibt im der erft habern aller, wieviel fein wurt, biß ex fo
fauber wurt, wie gehört [WBeisthlimer 1, 254. 2, 22 f. 129). Bann man dam
eßen will, fol man e8 fo wol bieten, als man imer befommen mag, außgenomen
flüegends und fließends [Rechtsalterthümer 256]. Ob dann aln paur umb ain
frevel gefiraft wird und wolt fi) den zu geben fperren, mag des abts anmalt
demfelben pauren ain jeidin faden umb fein waichi fpannen, den foll er nit
brechen, auch weder under ober über ben faben herauß geen, biß er bezalt.
Ba er ſollichs aber verachtet, darliber oder darunder herauß ging, ober ben
laden brech, jo if dem gotshaus fein Hof aigentlichen haimgefallen. Hiebei iR
zu merlen, feither dife gerechtiglait bem fpital zu Rotweil zugefianden, fo hat
die alt gewohnhait ain ende und laßens die karſchhanſen hingeen, die ſolche
ſachen nit hoch achten.”
Das Recht, unterwegs VBegegniende zur Mahlzeit mitzubringen, wirb ander-
wärts ausdrücklich auf anftändige Gäſte beſchränkt (Weisihlimer 1, 124: „ein
gut gefell“, vgl. 2, 83; 1, 139: „ainer oder zwen erber mann“; 1, 510 f.:
„eyn gut man und eyn knecht, daz fal fon ein edelmann und fon knecht, oder
eyn priefter und fon Inecht“; Archiv. Wurml. ©. 125, a. 1468: „ain biber-
man"; ebd. ©. 179, a. 1580: „eine erlidhe perfon, eine oder mer“), Di
Sapung von Beffendorf wendet das läflige Mitbringen ab, indem fie gerade
nur folche Leute zuläßt, denen der anreitende Gerichtsherr auch unabgemahnt
den Rod nicht zerreißen wird. Zum Seidenfaden vgl. Rechtsalterthlimer 188 f.
Weisthümer 1, 81 f. 2, 220 und W. Wadernagel, Dienfimaunenrecht von
”Bafel 19. 83 f.
[4, 93) Schliengen.
(Zinmrifhe Chronik 1414. [Musgabe von Barad 3, ©, 41. GJ)
„Alſo hat es auch ain abenteuerlichen geprauh in ainem borf uf bem
Schwarzwald gelegen, haiſt Schliengen, ift dem apt von ©. Bilafli gehörig.
Daſelhs, mann das jargericht umb Martini gehalten, fo mueß diejelbig weil ain
paur biünderm ofen fiten, im buet und lappen und wol angton, und haizt mau
447
darzwifchen nad) vortail ein. Das beichicht jerlichs ufs jargericht. Waher aber
der gebrauch alfo erwachien ober was es foll bedeuten, das ift lenge halb ber
zeit vergeßen und Münden bie einmoner deſſen kain urſach anzaigen.”
Beilage 8 (zu Eeite 419 und 432).
Wanderfagen.
U. Friedrich von Bollern.
(Zimmrilhe Ehronit 1508 ſſ. IAIusgabe von Barad 1, S. 278 bis 281. BD.)
„88 heit vor vil jaren ain graf von Zollern gelept, genannt graf Yriderich,
fein weib hat gehaißen Uedalhilt, ain gotsfürchtige fraw, bie nad) irem abfterben
von dil leuten für Hailig iR geachtet worden. Wer fie vom gefchlecht geweſt,
it lenge der zeit vergeßen. Diſer grafe, nachdem er etliche finder von feinem
gemabl befommen, die er mertail® bin und wider am der filrften höf und ainstaile
zu feinen nechſten freunden und verwandten zu erziehen verjchidt, bo name er
me für, im die haidenſchaft zu raifen und weitgelegne Iender zu erfunbigen.
Derhalben empfalch er feinem gemahl die grafichaft und was er het, ſchied ab
von ir umd feinen undertanen mit wenig diener, kam über mer, ba if er
etliche nit wenig jar in der haidenfchaft umbher gezogen, biß im zu letztem
feine diener und pferd abgangen und alſo unerkaunt in großer armuet und
mangel leben müeßen. Wie er nun in feinen größten nöten geweft, andh nit
wohinanß und wohinan gewiſt, bo if ain gefpenft zu im kommen, das hat ine
m mancherlai weis verfuecht, wie dann der Tauſendliſtig nit ruewen oder feiren
tor, fonder von feiner boshaftigen art und aigenfchaft, wo er angft und laid
oder unmmet waift, fi) einmilcht und zuſchlecht. Noch gab der allmedhtig dem
großmiletigen grafen jovil verftands und guab, daß er dem feind in feinen an-
fehtungen, darin er in von gott abzuflieren ſich underſtand, widerſteen Hınt.
Letztlich bracht im ter 668 feind ain rof8 mit dem bericht, daß in foldhes an
ale ort umd ende, dahin tm geluftet, one alle gefar feiner feel und des leibs
in ainer geſchwinde tragen wiirde (mocht fich jchier des Pacolets rofs vergleichen),
iedoch wenn er aubents ober fonft unbertags abftliende, folt er daB gegen nider-
gang der fonnen abzenmen und abfatlen, jo würde er das fir und für fein
lebenlang haben, ja auch die ganz welt darmit durdraifen linden; wo er aber
jofhe® ainmal überfehen, wilrde er fein roſs emiglichen verloren haben, damit
molte er ine gemarnet haben. Was nun der graf bargegen hat müeßen bem
geſpenſt verhaißen oder laiften, wie ainef in follichen fellen gepreuchlich, das
iR unbewißt und lenge halben ber zeit in vergeß komen. Hiemit if aber der
bös gaift von im abgefhaiden und bat im verlaßen. Alſo if ber grafe noch
etliche jar ain weiten weg [4, 94] mit diſem roſs geraift, iedoch Hat ine letztlich
angefochten, demnach er vil jar anfgeweien, widernmb ſich zu feinen weib und
lindern gu verfüegen. Hiezwiſchen aber bat man ine feines fangen außpleibene
und daß man weder Raub noch flug von ime vernomen, gar verſchetzet gebapt.
448
Sein gemahl, die grefin, hat die landſchaft weislich und wol regiert, fo fein auch
mitlerzeit die jungen berren und frölin erwachfen, die fein ainstails außgeflewrt
worben, und Hat ſich fein niemands mer verfehen gehapt. Indes hat das
wunberbarlid) roſs den grafen ain weiten weg getragen, daß er mit großem
verlangen fein grafſchaft erraicht; do hat er, daß fein weib und finder noch im
leben nnd alle fachen wol ſtanden, haimlichen, feitmals er bei meniklichen un-
erlannt, erfaren, darauf ain potjchaft feiner hansfrawen uf Hollern geton. Wie
derfelbigen alfo das potenbrot zufommen, ift die guet fraw eilends irem herrem,
den fie in vil jaren nie gefehen, ſampt etlichen irer haider fünen und böchtern,
für das ſchloß am berg herab emigegen gangen und haben ine mit großen
fremden empfangen. Der grafe if auch von feinem roſs abgekanden umd hat
ſein weib und finder berzlichen angeſprochen, ift mit inen hinauf ins fchloß
gangen. In dien frewben aber hat ber graf feines roſs Weiters nit warge-
nomen oder auch befolhen, wie man bas abzeumen und abfatlen falle, ſonder
die diener habents binaufgefliert ins fchloß, fie fein aber nit recht mit ime nub⸗
gangen; derbalben jo ift das roſs angeſichts der diener verſchwunden, baß fie
nit gewift, wohin es kommen, derhalben fie eilends zum grafen, irem herren,
gangen und im zu wunder angezaigt, was inen mit dem roſs begegnet. Gleich
bat er vermerkt, daß er ſelbs hieran ſchuldig und Daß die Diener ußer unmwißen-
hait das roſs verwarlofet, und wiewol im das in feinem herzen ain große be
ſchwerd, ieboch, ſeitmals im der allmedhtig alſo mit allen gnaden haimgeholfen
-und der verluft des abentemrlichen ro nit mocht wiberbracht werben, ſchlueg
ers ußerm finn ſovil müglich und ſprach zu den bienern: „Wolan, wie id) im tom,
es ift beichechen und jeie damit got ergeben |" Darbei ift e8 aljo bliben, daß
die Diener von im wider abgefchaiden und er lain bös wort dazu gerebt. Ju
wenig ftunden hernach, noch desfelbigen tag, do fein drei fchöner jungframwe,
in weißem angeton, an das tor uf Zollern fommen, und als fie von denen
wachtern, was iren begern und zu wen fie wellen, geredhtfertiget, haben fie
für den grafen perfonlihen begert. Wie das dem grafen fürbradht, hat er be-
voldden, fie unverzogenlichen ein» und fürzulafien. Als das beichechen, haben fie
vor ime ſich gemaigt und hat die ain under inen befannt, fie feten gaifler, bie
feien verfluecht und im gewalt bes böfen feinds gewejen und durch die würkung
desfelbigen haben fie drei ine ben grafen vil zeit und ain weiten weg im ber
geſtalt des roſs getragen, und bieweil er aber umb den verluft des roſs mit um
gebultig geweſt, fonder alles gott ergeben, fo feien fie iezmals ußer dem beu-
ſeliſchen gewalt erlediget und all iv marter und pein abgefellt, auch fie ſtetig
und ewiglichen behalten, da fie fonft biß an den jüngften tag heiten müchen
von den hellifchen gaiftern geplagt fein; derhalben fie im fleißig gedamit, mit
vermeiden, daß fie deu allmechtigen ewillidhen für ine und die jeiuen getrew⸗
lichen bitten wellen, und damit jein fie verſchwunden. Diſer grafe Friderich iR
uf ain groß alter kommen und nach feiner rais dahaim pliben, hat noch ettliche jar
in guetem [4, 95] friden gelebt. Er fol zu Stetten im Hofter begraben fein. Gem
gemahl hat im fiberlept, die leit auch zu Stetten begraben. Solch frawenkloſter
449
haben difer grafe und fein gemahl bie grefin bei wenig jaren darvor geftift,
namlich ao. domini 1259, foll vorhin aiıı Johanniterhaus geweſen fein, welches
aber in den verloffnen kriegen zerfiört und in abgang kommen.” -
Bol. Negeften der Grafen von Bollern bei Stälin 2, 527: „1627. Yan. 9.
Notweil. Fridericus, comes de Zollern, ob perpetuam sui et dilecte sibi
conjagis Udelhildis nec non carissimorum liberorum suorum memoriam
in ville Stetten sub castro Zollern coonobium dominarum ordinis s. Augu-
stini instituit.*“ Kurz erwähnt wird der Ehronikfage bei Stillfriev und Märder,
Hohenzollerifche Forſchungen 1, 1830.
B. Möringer.
Sn der zimmrifchen Chronik folgt unmittelbar nad) der Sage von Bobman
die vom edlen Möringer, in Proſa, doch fichtlih auf Grundlage des Liebes
(meine Bollslieber Nr 2%8 und ©. 1032 f. [Schriften 4, ©. 286 ff. H.))-.
Hieher nur Einiges, was der Chronilſchreiber eigenthümlich beigibt [Ausgabe
von Barad 1, ©. 286 f. 291. H.]:
„aber den eiteften landfarer, den wir in unjern hochen beutfchen landen
gehapt, darvon wir noch wißen, das ift der evel Moringer geweien. Denfelben
weiten etlih, er feie ain Meichfner oder ain Sar gewejen, gleihmwol auch ainer
por jaren mag gelept [haben], fo der Moringer gehaißen, foll zu Leiptzig ge
jeßen und in großem tuen [Schmeller 1, 422] geweſen fein, wie man fürgibt,
aber difer Woringer ift ain Schwab geweſen und ain mechtiger landsherr. Er
hat jein haimweſen zu Munderkingen an der Thonam, auch uf und umb den
Buſſen gehapt. Gleichwol man fein geſchlecht aigentlihen nit waißt, aber ver-
muetlichen ift er ain graf de berfommens von Habspurg, oder hat doch vaſt aim
gleichfermigs wappen gehapt. So hat er audy fonft ain andern namen, dann
der nam Moringer ift fein zuenam geweit, wie die alten im prauch gehapt.
Man jagt, er hab den namen vom ftetlin Dieringen an der Thonuw befommen,
aldo jei er geporen worden, welches vor alter nit Möringen gebaißen, ſonder
Moringen; das bezeucht des fletlind wappen und figel, das fie von unverbedht-
lien jaren bergebradht, mit dem morenkopf. Nun difer Moringer, er habe
gleich gehaißen oder jei ains gejchlecht# geweſt, wie er welle, fo ift er doch im
eren und zeitlichen glietern der vile gejeßen und dem es in allweg, nad) ber
weit lauf zu rechnen, glüdlihen und wol ergangen, hat ain weib gehabt aines
fürnemen gejchlechts und von deren ſchöne und fromblait vil wurt in liedern ge
jungen u. |. w. Wie lang aber bemelter Moringer nach difer gefchicht noch gelept
und wann er geftorben, das ift lenge Halb der zeit, auch ußer unfleiß unjerer eltern
in vergeß kommen, aber bei wenig jaren ift fein, des Moringers, rennfan, den er in
triegshandlungen gewon was zu flieren, noch vorhanden geweit; den Bat ain alte
edle fraw, genannt Veronica Spettin, zu Freiburg im Preisgow bei handen gehapt,
mit dem wappen, wiewol die farben verplichen und fchier gar abgangen geweſen.“
Was bier von des Möringers rau, ihrer vornehmen Herkunft, ihrer in
Npland, Schriften. VI. 29
A50
Liedern vielbefungenen Schönheit und Trefflichleit, geſagt ift, ſtimmt zu eimer
andern Meldung derfelben Chronik (bei v. d. Hagen, Minnefinger 4, 7608.
883 a, vgl. 3, 408), wonach der Berjaffer ein altes handſchriftliches Liederbuch
kannte, das namentlich auch Gedichte des Ritters Heimrich von Morungen ent-
hielt. Die vorhandenen Lieder dieſes norbdeutfhen Minnefängerd find glei
pornberein voll Lobes einer hohen Fran, welches nun ber ſchwäbiſche Erzähler
anf die Gemahlin feines Moringer zu beziehen fcheint. Über Heimat und
Wappen vesfelben ift er im Schwanken. Schild und Helm des Dichters hat in
der MWeingartner Handſchrift (Ausgabe von Pfeiffer und Fellner S. 89, nicht
in in der Pariſer Handfchrift) den Mohrenkopf, gleich dem vorerwähnten Siegel
des Städtleins Möringen an der Donau, beiden Orts als „redendes“ Wappen.
Beilage 4 (zu Seite 436. 437).
Gimmriſche Chronik 1101. (Kusgabe von Barad 1, &. 378 f. H.)
„Diſer herzog [von Ted] hat mertails uf Wasneck gemwonet, fein gemabel
ift geweien din grefin von Froburg ußer der aidgnoßſchaft. Derjelbigen iR
von jugent uf geweißagt worden, fie müeß von dem wetter erfchlagen werben,
darvor fie nit werd fein künden. Nun Bat fie vil rats darliber gehapt, wie fie
im tuen fülle, doch letstlich bat fie ain farender fehueler ain gewiſſen fegen
darfür gelernt, mit der gewiſſen vertröftung, wafern fie zu anfangs ains ieben
wetter oder daß fi das gewülk zu aim wetter zufamen ziehe, foldyen fegen
fpreche, werde fie fiher fein. Sie bat dem varenden fchueler gevolget und all-
wegen, jo fih das gewult zufamen hat gezogen oder anfahen brummen im luft,
fo Hat fie den fegen geiprochen und damit hat fie ir fatum, wie glanblich, etlich
jar ufgezogen. Es fein auch ire junfframen und bienernen aljo abgericht ge»
weit, fo bafd fie was am hiniel oder dem luft ungewonlichs gefehen, haben fie
ir das umverzug eröffnet. Uf ain zeit if ain junffraw umb mitentag zu ix
fommen, die hat ir von aim Heinen welffin, das am himel feie, anzaig getom,
darauf fie den nechſten ans fenfter gangen, aber fie bat das Hein wellie ver
acht und den fegen nit geiprocdhen. Unverſehenlich hat das wetter zugemomen,
zu ir ins ſchloß geichlagen, daß fie noch am fenfter von dem dunfl ift erfidt.
. Sie und der herzog, ir gemahl, ligen baide im Hofter zu Oberndorf in ainem
ſchönen erhepten jarch begraben. Er fol der letst herzog diſes gefchlechts ge-
weit fein. Es war aineft ain alter baursman in der herrſchaft Oberndorf, der
ſprach, diſer herzog were alfo edel geweit, daß man ine nad) feinem abfterben
von Wasned herab het müeßen zur begrepmus tragen. Das font ime menig
lichen wol glauben.“
Der Nante bes Herzogs von Ted, für den die Ehronif feeren Raum läßt,
kann andersher eingetragen werden. Eliſabeth, Gräfin von Froburg, Herzog
Lutzmanns von Ted (der auch ſchon in Urkunden von 1801 und 1314 genannt
if) eheliche Wirthin, beftunmt 1336, daß fie und ihr Gemahl nach des Einen
Zod eine Schentung an das Klofler zu Oberndorf zahlen werben. Lutzmann
451
war Abrigens nicht der Leute feines herabgelommenen Geſchlechts und Obern-
dorf, in defin Nähe die jet zerftörte Burg Waſſeneck lag, Hat erft 1374
Herzog Friedrich, ein Brudersſohn Lutzmanns, an Hohenberg veräußert (Stälin
3, 695 ff.).
(8, 66] 4. Die Todten von Lufnen.
1.
Ritterlihe Dienftmannen der Tübinger Pfahgrafen (oben ©. 311 ff.)
faßen im nahen Luftnau, gleichen Stammes mit Denen von Wildenau,
einem abgegangenen Weiler bei Rübgarten im Schönbuch!. Beide
werden in Urkunden häufig zufammen genannt und hatten ein ge
meinſames Wappen, ben weißen Hirfehlopf?, Sinnbild der alten
Waldheimat, bevor ein Theil des Geſchlechts von der wilden in bie
luſtſame Aue am Nedar herabgezogen war 3. Dort oben betrieb man
1 Pfalzgräfliche Urkunde von 1191 (Erufius Th. 2, B. 12, ©. 509,
vgl. Beſold 359): De ministerialibus u, ſ. w. Waltherus de Lustnowe et
lii ejus, Heinricus et Hugo. Urkunde der Grafen von Zübingen um 1286
(Mone, Zeitſchrift 3, 116): Eberardus, miles de Lustenowe, ministerialis.
1289 (ebd. 4, 123): Burcardi de Lustenowe, milit. u. |. w. et Cunradi de
Wildenowe, nostrorum fdelium. 1289 (ebd.): Burcardum de Lustenowe,
milit., Cuonradum de Wildenowe. Biſchöfl. Konflanz. Urkunde von 1288
(ebd. 3, 432): dominorum de Lustenowe. Urkunde Alberts von GStöffeln,
Reutlingen 1284 (ebd. 437 f.): Cuonradus de Wildenowe. Pfalzgräffiche
Urkunde, Tübingen 1291 (Schmid, Url. 8. 72 f.): Nomine testium u. ſ. w.
Burcardus de Lustenowe, Cunradus de Wildesowe, -milites, Waltherus de
ILnstenowe u. |, w. Andre von 1296 (ebd. 57): Conrades, des ritters von
wildenowe, vnſers dienfimannes, mulftat ze Tallins furt.
2 As Wappen, womit 1347 Cunrat, der Bol, von Wildenowe flegelt,
Schmid, Url. 8.175; gemalt bei Lug von Lutenhard im Sten Buch, ats folches
der Oflertage von Luſinow. Cruſius, Paraleip. ©. 48: Sıgnarit litteras quas-
dam 1445 Ostertagus de Lustnow. Gestavit dcutum glaucum, in quo
albam cervi caput, albis cum cornibas. Super galea alba item cornua
eervina. Galew tegmen glaucum et album.
5 Ahd. findet man noch Flerionen eines Adjectivs luſte (Graff 2, 287);
das urkundliche Luftenowe ergibt fi damit als Dativform: zer fInflen ouwe
(ahd. luſtüun oumd), wie Wildenome: zer wilden ouwe. Im I6ten Jahrh.
fagte man: Iuftige ame, Deutiches Wörterbuch 1, 612.
452
die Hirſchjagd, bier unten, an den Altwaflern bes Fluffes, war Spiel:
saum für die Reiherbeize; daß die Nitter von Luſtnau fi darauf ver
ftanden, zeigt die Abgabe von zwei Habichten, die fie von Alters ber
ihren jagbfreudigen Herrn zu entrichten hatten 1.
[8, 67] Auch diefer Dienftavel fällt in den Bereich der Sagenkunde,
und zwar mittelit eines Beinamend. Nach Grufius warb ein Edler
von Luftnau für tobt hinausgetragen und beigefebt, kam aber in ber
Nacht lebendig zurüd, mit umgefchlagenem Leichentuch; feine Frau zögerte,
ihn aufzunehmen, fie zeugten aber nachher noch fünf Kinder und biefe
nannte man „die Tobten von Luſtnow“2. Anders unb viel wunder:
barer lautet eine ältere Meldung in Luthers Tifchreven:
„Doctor M. Luther fagte, daß er felbft von H. Johans Friderich,
Ghurfürften zu Sachſen, ein Hiftorien gehört bett, daß ein Geſchlecht
1 Steinhofer, Mirtenbergifcge Chronik, Ster Theil, Stuttgart 1752, ©. 134:
„In diſem Jahr (1466) ſchickte der Abbt des Cloſters Vittenbeliren (Öttenbeuren),
Wilhelm von Luſtnow, eines guten und alten adelichen Geſchlechts aus dem
Land Wirtenberg, deſſen Vater Oſtertag von Luſtnow vor Jahren Pfeffingen
an der Ammer ob Tübingen beſeſſen, Graf Ulrihen von Wirtenberg zween
Habicht zu und meldete in ſeinem Schreiben, daß ſeine Voreltern ter Herr-
haft Wirtenderg uß irem Forft und Wildbann folhes zu thun bißher ſchuldig
geweſen.“ Die Grafen von Wirteniberg waren an die Stelle der alten Dienf-
herren, der Pfalzgrafen von Tübingen, getreten. Ein Beftellungsbrief des Adte
Wilhelm vom Jahr 1474 flir den Trorftmeifter über die Ottenbeurer Stifte
waldungen legt diefem bejonders anf, das Feberfpiel wohl zu beforgen (Feyer⸗
abend, Jahrbücher des Reichsſt. Dttenbeuren, 2ter Band, Ditenbeuren 1814,
S. 708 f.).
2 Cruſius, Paraleip., Sranffurt 1596, ©. 48: Eorum quidam nuncu-
pati fuere Mortui de Lustnovia. Nobilis enim gquidam Luschnovius, quon-
dam pro mortuo elatus et depositus, noctu rediit vivus, linteo, quo
exportstus fuerst, amictus. Qui vix ab uxore receptus, postea liberos
sdhuc quinque genuit, qui appellati sunt die Todten von Luſtnow. (LXufle
nauer und Wildenauer waren im nahen Kofler Bebenhaufen beftattet, Eruftus,
Annal. Th. 3, 8.6, S. 360. Klunzinger, Bebenhaufen 18, 23). [Es mag
bier auch an die folgenden Zeilen von Uhland erinnert werben:
Einft war ein Herr von Luſtnau vom Scheintod aufermadt;
Er kehrt’ im Leihentuche zu jeiner Frau bei Nacht,
Davon mun fein Gefchlechte die Todten hieß zum Scherz.
Man vergleiche Gedichte von Ludwig Uhland. Gechsundfünfzigfte Auflage.
Stuttgart 1872. 8. S. 364. 9.)
453
vom Adel im Tentichland geweſen, hiefelbigen meren geboren von einem
Suceubo, denn jo nennt. mans, tie denn die Melufina zu Lügelburg
auch ein folder Succubus oder Teuffel geweſen. Es were aber alfo
zugangen. Ein Edelmann: hat ein ſchön jung Weib gehabt, die war
ibm geftorben und auch begraben worden. Nicht lang darnach, ba ligt
der Herr und Knecht in einer Kammer bei einander, da kompt des
nachts die erftorbene Yraum und lehnet fich uber bes Herrn "Bette,
gleich als redete fie mit ibm. Da nun der Knecht fahe, daß folches
zwier nad einander geſchahe, fragt er ven Junkern, was es doch fei
und ob ers auch wiſſe, daß alle nacht ein Weibsbild in weißen Kleidern
für jeın Bett komme. Da fagt er nein, er fchlafe die ganze Nacht aus
und ſehe nichts. Als es nun wider Nacht ward, gibt der unter auch
act drauf und wachet im Bette, da kompt bie Frauw wider für das
Bett. Der Junker fraget, wer fie ſei und was fie wölle. Sie antwort,
fie jei jeine Hausfraw. Er fpricht: Biftu doch geftorben und begraben !
Da antwortet fie, ja, fie hab feines Fluchens halben und umb feiner
Sünde willen fterben müſſen, mwöll er fie aber wider zu ſich haben, fo
wolt fie wider fein Hausfraum werden. Er fpridt: Ya, wenns nur
fein künt. Aber fie bevinget aus und vermanet ihn, er müſte nicht
fluchen, wie er denn einen fonberliden Fluch an ihm gehabt hatte,
denn fonft würde fie bald wider [8,68] fterben. Diefes fagte ir ver Mann
zu, da blieb die verftorbene Fraum bei ihm, regirete im Haufe, fchlief
Bei ihm, iſſet und trinket mit ihm und zeuget Kinder. Nun begibt ſichs,
daß einmal der Edelmann Geſte frieget und nad gehaltner Mahlzeit,
auf den Abend, das Weib einen Pfehferfuchen, zum Obft, aus einem
Raften holen folte, und bleibt lang außen, da wird der Mann Ichellig
und fluchet ven gewönlichen Fluch, da verſchwindet die Frauw von
ftundan und war mit ir aus. Da fie nun nicht wider fam, geben fie
hinauf in die Kammer, zu ſehen, wo die Frauw bleibe. Da ligt ir
Rod, den fie angebabt, halb mit den Ermeln im Kaften, das ander
Theil aber beraußen, wie ſich das Weib bat in Kaften gebüdt, und
war das Weib verfchiwunden und fidder der Zeit nicht gejehen worden“!.
1 Colloquia oder Tifhreden Doctor Martini Lutberi u. f. w. Durch
Johannem Aurifaben. Frankfurt a. M. 1574, Bl. 213 (vgl. Brüder Grimm,
Deutfde Sagen 1, 1583 f.).
454
Am Rande der alten Drucke ſteht: „Die Todten von Loſchenaw“
Es ift fen Grund, zu bezweifeln, daB, wie Crufius fi ausbrüdt,
Einige. (S. 452, Anm. 2: eorum quidam), alfo wohl eine Linie bes
Zuftnauer Adels, die Tobten genannt wurden, wenn auch dieſe Nachricht
nur auf münblicher Überlieferung beruht, nicht auf Urkunden, die fonft
unfehlbar angegeben wären. Ein zahlseiche® Geſchlecht theilte fich erſt in
die von Wildenau und von Luftenau, diefe aber waren wieder durch
Beinamen unter ſich oder au von andern in Luftnau anjähigen Ge
fchlechtern unterfchieven: foldde den Taufnamen angehängte Beinamen
find urkundlich ſchon bald nach der Mitte des 13ten Jahrh. Specht und
Eljenbaum, beide nod an den Schönbuch mahnend ?, Den Anlaß des
bebeutfamern „bie Todten“ fucht die Sage zu erflären, denn für, ſolche
muß auch ber anfcheinend thatfächliche Hergang bei Srufius im Zuſam⸗
menhange mit dem Wunder der Tifchreven gelten.
[8, 69] Der Sagenzug gebt aber noch in fernere Gegenden unb
frübere Zeiten. Aus den Tagen Rubolfs von Habsburg berichtet ver
Abt Johannes von Victring, damals fei am Hofe des Königs ein Ritter
aus dem Gebiete von Chur berühmt gemwefen, der Sohn eines tapfern
Ritters, welch letzterer „der Tobte” geheißen war; nachdem nemlich
deſſen Mutter im Wochenbette geſtorben und begraben worden, habe
man ſie, vor dem dreißigſten Tage ſeit ihrem Hinſcheiden, häufig ein⸗
1 Dieſe Randbemerkung iſt bei Kirchoff, der die Erzählung wiederholt
(Wend Bumuth, Das Funffte Buch u. ſ. w. Durch Hank Wilhelm Kirchoff u. ſ. w.
Frankfurt a. M. 1602. Nr 256, &. 811 [Ausgabe von H. Oſterley 3, ©. 515.
516. Man vergleiche dazu 5, ©. 138. H.]), fo in den Text aufgenommen: daß
ein Geſchlecht vom Adel im Teutfchland, die Toden von Loflenam (if mir recht)
genennet geweſen u. f. w. Abgekürzt ſteht bie Geiftergejchjichte in Francisci.
Schaubühne S. 975 f., doch mit dem Eingang: Bon einem Bayerifchen (Ebel
mann findt man in unterjchieblichen Buechern u. ſ. w.
2 Bebenhäufer Urfunde von 1261 (Mone, Zeitichrift 8, 201): Testen n. |. w.
Waltherus Speht, Ber. dictus Eisinboun, et C, frater ejus, milites de Luste-
noweu. ſ. w. 1262 (ebd. 202): Waltherus Sp&ht de Lustenowe, mil 1270
(ebd. 218): Burcardus Spônt. 1283 (ebd. 435): Hainricum, dietum Speise.
Auch bei den Wildenauern findet fi ein Zuname: ser Bel (pullus), Urkunde
von 1305 (Schmid, Url. 8. 243): Herre Cünrat von Wildenowe. 1339 (ebd.
218): Cimraten, dien voln, von Wildenowe. 1347 (ebt 168): Conrat, der
Bol, von Wildenome. 1440 (Reyſcher, Stat.- Rechte 192): Ich wilduow, vol,
von Wildnow u. ſ. w.
455
treten und dem Kinde die Bruft reichen geſehen; dies habe vie Amme
dem trauemben Herrn binterbradht, worauf berfelbe die Erſcheinende
geraubt und feflgehalten, dann während zweijährigen Zufammenfeins
zwei Söhne mit ihr gezeugt babe, deren Einer, ver Borgenannte, Bielen
zum Erftaunen, dazumal am Beben geweſen jet 1.
Gegen die Neige des 12ten Jahrh. beipricht Walter Map in dem:
felben Buche, das zum Jagdmärchen des Pfalggrafen von Tübingen
ein Seitenftüd geboten hat (oben ©. 317 f.), zweimal einen Ritter
aus bes Bretagne, der fih ben Todten von Luſtnau angleicht. Jener
Ritter hatte feine werftorbene, begrabene und langbeweinte Frau zur
Racıtzeit in einfamem Thal, im Reigen einer großen Yrauenicar.
wieberlebend (redivivam) gefunden; er raubte fie aus diefem Kreis und
lebte mit ihr noch viele Jahre, es erwuchſen aus diefer Ehe zahlreiche
Eöhne und Enkel, die hiernach alle, nocd in der Zeit bes Erzählers,
Söhne der Tobten (filii mortue) genannt wurden ?. Zuvor ſchon gibt
1 Joh. Victorienfis 2, 8 (bei Böhmer, Fontes reram germenic. 1, 323):
Hoc tempore [1287] inter multos, qui in curia regis inclitabant, fuit miles
quidam ex territorio Ouriensi, strenai mülitis ülius, qui miles „mortuns“
dicebatur, quem Heinricus, dux Karinthie, Meinhardi ducis Alius &t vir
magne prudentie, et Chunradus de Ouvenstain asseruerunt sepissime se
vidisse el secam colloquia miscnisse. Cujus mater dum quandoque pepe-
risset, anxietate partus perterrita moritur ei sepelitur, frequenterque visa
est infra tricenarium diem sui obitus introire et genite proli ubera sua
dare. Quod nutrix ad dominum detulit de morte conjugis valde mestum,
qui, Oobservato ejus ingressu, eam rapuit et abscedere non permieit
ejusque amplexibus amplius quam per biennium secum cohabitando va-
cavit duosque filios progenuit, quorum unus iste extitit multis in mira-
culum et stuporem. Quod ponitur non ut credatur, per naturam hoc posse
fieri, sed ut multiplex versntia diabolice fraudis et prestigiorum illusio-
numque demonialium illaqueatio cognoscatur.
2 Gualteri Mepes de nugis curialium distinet. quingue. Ed. by
Th. Wrigbt. 2ondon 1850. 40. ©. 82: [superius) dicitur miles quidam
uxorem suam sepelisse revera mortuam et a:chorea retribuisse [?] rap-
tam, et postmodum ex ea filios et nepotes suscepisse, et perdurare aubo-
lem in diem istum, ei eos, qui (raxerunt inde originem, in multitudinem
factos, qui omnes inde filii mortue dicuntur. Ebd. &. 168: miles quidaın
Briteannie minoris uxorem suaın amissam diuque ploralam a morte sus,
in magno feminarum catu de nocte reperit in convalle solitudinis anı-
plissime. Miratur et metuit, et cum redivivam videat, quam sepelierat,
456
das Buch [8, 70] ausführliche Kunde, wie, unter Wilhelm Baftarb (dem
Eroberer), Edrie Wilde, Herr von Nord-Ledbury (bei Hereford), auf
nächtlicher Rückkehr von der Jagd, irre gieng, am Waldrand zu einem
großen Gaſthauſe (ghildhus) fam und bort einen ſehr großen Reigen:
tanz fchöner Edelfrauen ſah, nur in Leinwand gefleivet, aber ſchmuck
und von höherem Wuchs, als gewöhnliche Frauen. Die ausgezeichnetfte
unter ihnen raubte der heftig Entbrannte mit Hilfe feines Knappen
(ipsam rapit, a qua rapitur) im Kampfe mit ben fie tapfer vertbei-
digenden Geipielen. Sie ergab ſich ihm ſchweigend und erft am vierten
Tage Sprach fie, er werbe glüdlich fein, fo lang er nit ihr bie
Schweſtern voriwerfe, denen fie weggeraubt morben (donec impropera-
veris mihi aut sorores, a quibus rapta sum), ober Haus noch Walo,
von mo e3 geichehen (aut locum aut lucum unde), Ebric verficherte
fie feiner unwanbelbasen Treue, berief Ebelleute von nah und ferne
und jchloß vor verfammelter Menge den feierlichen Ehebund. Der neue
König von England, Wilhelm, vernahm dieſes Wunder unb wollte
deſſen Wahrheit öffentlich erproben. Er rief die beiden Eheleute nad
London und es kamen mit ihnen viele Zeugen, auch die Seugnifie
Vicler, die nicht erfcheinen konnten. Der ftärkite Beweis war aber die
früber nie geſehene und unerbörte Geftalt ver Frau. Unter allgemeinem
Erftaunen wurden fie nach Haus entlaflen. Nach Ablauf vieler Jahre
fand Ebric, bei der Heimkehr von der Jagd, um die dritte Nachtftunbe,
feine Gattin nicht vor, rief nach ihr und ließ rufen, als fie aber langfam
berbeilam, ſprach er zornig blidend: „Bit du von deinen Schweſtern
fo lange feftgebalten worden?“ Noch andre Zankreden that er in die
Luft, denn fobald jene von ihren Schweftern gehört, verſchwand fie.
Bergeblich gieng er an den Drt, wo er einft den Raub getban (unde
raptum fecerat), und rief nach ihr klagevoll Tag und Nacht, bis der
unabläflige Schmerz dort fein Leben aufzehrte. Sie hinterliegen einen
non credit oculis, dubius, quid a fatis agatur. Certo proponit animo re-
pere, ut de rapta vere gaudest, si vere videt, vel a fontasmate fallatur,
ne possit & desistendo timiditatis argui. Fapit eam igitur et gavisus est
ejus per multos annos conjugio. ſam jocunde, tam celebriter, ut prioribus,
et ex ipsa suscepit liberos, quorum hodie progenies magna est, et hilii
mortuse dieuntur. Incredibilis quidem et prodigialis injurie natıre, si
non extarent certa vestigiu veritstis.
457
Sohn, den frommen und meifen Alnod, der nachmals, zum Dante für
die Heilung von ſchwerem Körperleiden, fein ganzes Erbgut der Kirche
bes heiligen Ethelbert zu Hereford ſchenkte. Erft in einer nachfolgenven
Stelle, welche kürzer von dieſen Begebniffen handelt, wird ausdrücklich
gefagt, die Mutter Alnods fei darum in die Lüfte verichwunden, weil
fie unwillig den Vorwurf ihres Mannes aufgenommen, daß er ſie von
den Todten geraubt habe '.
[8, 71] Langobarbifche Nechtsquellen aus dem 7ten und 8ten Jahrh.,
Gefehftellen und Urkunden, bieten einen hieher einfchlagenben bilvlichen
Ausdruck, der gewis ſchon viel Älterer Anwendung entnommen ift: wenn
Jemand feine Leibeigene ehlichen wolle, fei ihm das geftattet, aber er
ſolle fie frei, daS fei wiedergeboren, und echt machen, entweder durch
förmliche Ertheilung der Freiheit oder durch Morgengabe, dann foll fie
für eine Freie und für eine echte Ehefrau angefehen und die von ihr
gebornen Söhne follen zu echten Erben werben; gleicheriveife wer eine
frembe ober feine Aldia (Halbfreie) zur Ehe nehmen molle, fol aud
fie zur Wiebergebornen machen ?. Diefe Wiedergebornen entfprechen,
1 De nugis.curialium S. 170: viri, cujus mater in auras evanuit, mani-
festa visione multorum indignanter improperium viri smi ferens, quod eam
a mortuis rapuisset. Aus beiden Darftelungen mag bier noch wörtlich ftehen,
mas fich auf die öffentlichen Verhandlungen rechtsgeſchichtlicher Art bezieht,
S. 80 f.: Convocat ergo [Edricus] vicinos et remotos nobiles et multitu-
Jdine congregala solenni eam sibi matrimonio junxit. Regnabat in illa
iempestate Willelmus Bastardus, tunc novus Angli® rex, qui portentum
hoc audiens, probare cupiens et scire palanı, an verum esset, utrumque
vocavit, ut simul venirent Londonias, veneruntque multi cum eis testes
et multorum testimdnia, qui adesse non poterant, et maximum erat fata-
litatis argumentum invisa prius et inaudita species mulieris, et cum stu-
pore omnium remissi sunt ad propria. ©. 110: Scimus, quod tempore
Willelmi Bastardi preclare vir indolis, cujus possessio fuit Ledebiria
borealis, de cotu nocturno fœminarum choreantium pulcherrimam rapuit,
de qua contractis sponsalibus fllium suscepit, cujus tam form quam
rapine audito prodigio miratur rex et eam in concilio Londoniensi deduci
feeit in medium confessamgue remisit.
2 Edictum Rotharis 223 (Walter, Corp. jur. germ. 1, 722): Si quis
ancillam suam proprism matrimoniare voluerit sibi ad uxorem, sit ei
licentia; tamen debeat eam liberam thingare, sic Iıberam, quod est wider-
boram, et legitimam facere per garathinx (id est per libertatis donatio-
nem, vel per gratnitam donationem, id est morgengab); tunc intelligatur,
458
in frühefter Bezeichnung, den bisher aufgezäblten Todten, Geftorbenen
(nad) dem urſprünglich participialen Gebrauche des Wortes, Schmeller 1,
462 f.), und, im Geſetze jelbft erflärt, geben fie ven Schlüffel auch zum
Verltändnid des nachher üblichen Todtennamens. Es ift eine rechtliche
Sinnbildſprache, melde, fpäterhin nicht mehr verftanden, fih in Sagen
und Märchen ausgerantt hat !.
Miedergeburt in das irdiſche Dafein ift eine alterthümliche Form,
unter der ſich germanifche Völfer die Erneuung des menfchlichen [8, 72]
Lebens dachten ?. So war e3 denn aud eine fchöne, einfach und deut:
lich redende Rechtsſymbolik, wenn man die Unfreibeit für einen Tod
anfab, die gewonnene volle Freiheit, bei den Langobarden, als eine
Miebergeburt bezeichnete. Jahrhunderte fpäter folgen, bei Walter Map,
die Beiſpiele aus Groß: und Kleinbritannien von Söhnen und Enteln
den Tobten entrifjener, wiederlebender Frauen. Gleichwohl hat das
ältere derſelben noch entſchieden rechtsgeſchichtliches Gepräge. Edric
beruft nah: und fernwohnenden Adel, um ſich vor verſammelter Menge
mit ber aus dem Tobtentreife geraubten Frau feierlich zu verehlichen,
und begibt fih dann mit ihr und zahlreichen Zeugen, auch mit ben
Zeugniffen Vieler, die nicht ſelbſt anweſend fein konnten, an den Hof
esse libera, et legitima uxor, et filii, qui ex ea nati fuerint, legitimi
heredes patris efficiantur. Liutprandi leg. 106 (Walter 1, 801): Si quis
aldiam alienam aut suam ad uxorem tollere voluerit. faciat eam wider-
boram, sicut edietum continet de ancilla. Nam qui sine ipsa ordinatione
eam quasi uxorem habuerit, filii, qui ex ipsa nati fuerint, non sint legi-
timi, sed naturales. (Auch die beigefligte Formel.)
1 Übergänge in das Gebiet der Wafferfrauen und Draden: Nugee curia-
lium S. 77 bis 79 (Waſtinus); ©. 168 bis 170 (Henno). Bgl. Liebredit,
Germania 5, 51. 60.
2 Appianus, Rom. hist. lib, IV de reb. Gall. 1, $ 3, &. 74 Schweigh.
Säm. 82b: Helgi ok Sväva er sagt at veeri endrborin. Wa: hon [Sigrün]
var Sväva endrborin. 965: Helgi ok Sigrün er kallat at verri endrborin
u. ſ. w. 121, 44: letia madr hana [Brynh.] | langrar göngu, | Pars hon
aptrborin | aldri verdi! (gl. noch 129, 14.) Fornall. 8. 3, 36: berserkir
kölludu hann [Starkad] endrborinn iötun. Nofengarten 1971: „ir [Dietrich]
haͤnt wol gefiget, fd bin ich [Hiftebrant] wider geborn.” (VBgl. Eckenlied, Laßberg
197 f. Säm. 81 oben.) Ein ſchwäbiſcher Minneſinger, Meinlo von Sevelingen
(Söflingen), verfichert: „ſtürbe ich naͤch ir minne unt wiirde ich danne lebende,
fö würbe id aber umbe daz wip“ (ME. 1. 220, 9).
459
des Königs Wilhelm, der fie fofort der Reichsverſammlung zu London
vorführen läßt (eam in.concilio Londoniensi deduci feeit in medium,
oben S. 457, Anm. 1); da jedoch die Zeit viefes Königs hundert Jahre vor
derjenigen des Erzählers Tiegt, fo hat fich bei letzterem die finnbilbiiche
Zugehbr ſchon zu reicherer Fabel ausgeftaltet. In beiden Fällen, mo:
von Map berichtet, wird die Grau aus einem großen Reigen, ben fie
mit anbern 'verftorbenen Frauen hält, nächtlich hinweggeraubt. An
diefem älteften Todtentange betheiligen fich nur Frauen, mährend, bei
demfelben Schriftfteller. die geipenftiichen Männer ala wildes Heer
triegeriich oder jagbmäßig umfahren (Nuge curialium ©. 17. 180.
oben ©. 817 f.). Der aus dem Kreife todter Gefpielen ins Leben
Gchelten darf nicht jene frühere Genoſſenſchaft vorgeworfen werden.
Einen andern Überreft alten Volksglaubens bat ber rechtsſymboliſche
Zuname in die Überlieferung aus dem Hofhalt Rudolfs von Habsburg
herbeigezogen. Nach diefem in Sagen und Xiebern manigfach ausge:
prägten Glauben fteigt die Mutter aus dem Grabe, um ihre weinenden,
von der Stiefmutter verabfäumten Kinder zu pflegen, ober um ben
verlafienen Säugling zu ftillen 1; wenn daher im Albthal des obern
Schwarzwalds eine [8, 73] Wöchnerin ftirbt, fo werben ihr gutgefohlte
Schuhe angelegt, damit fie ſechs Wochen lang bei nächtlicher Wieder:
kehr, um ihr vertvaiftes Kind zu fäugen, fich derfelben bedienen könne,
ein Gebrauch, der fih auch in das Elfaß erftredt?. Ahnfrauen anfehn:
licher Gefchlechter erfcheinen mit derſelben Mutterpflege an der Wiege
von Kindern und Enten? Wenn nun gleich mit ſolchen Vorftellungen
1 J. W. Wolf, Hefliiche Sagen S. 103, Nr 158. Ebd. Niederländiſche
Sagen S. 273 f., Nr 175. ©. 408 f., Nr 8286. Brliver Grimm, Kmber-
märchen (Tte Auflage) 1, 62 ff. 75. Die nordifchen und andre hieher einſchiagende
Lieber verzeichnet Grundtvig, Danmarks gamie Volker. 2, 470 ff. [Bergı. oben
©. 200. Schriften 7, ©. 419 bi 421. 9]
2 9. Schreiber, Taſchenbuch für Beichichte und Alterthum in Sitobeutichland.
Freiburg 1889, ©. 326. X. Stöber, Sagen des Elfaßes. St. Ballen 1852,
8.99. [W. Herb, Deutiche Sage im Elſaß. Stuttgart 1872. ©. 28. 194. 9]
3 Melufine: Melusine, po&me (14 siöcle) m. |. w. publ. par Fr. Michel,
Niort, 1854, ©. 199. 200. Me&lusine par Jehan d’Arras, nouv. 6dition,
conforme & celle de 1478 un. |. w. par M. Ch. Brunet, Paris 1861, ©. 361.
Simrod, deutſche Vollsbücher 6, 80. Berta (weiße Yrau): Francisci, Schau-
bühne 82 f. Deutihe Sagen 1, 357 f. Mythologie 267.
460
von fortwährenden Verkehr zwiſchen Hingefhiebenen und Lebendigen
ein frembartiger Beftandtheil in die Sage vom rätijchen Ritter einge
treten ift und ben rechtsſymboliſchen Sinn berjelben getrübt hat, jo
läßt doch diefer, mittelft der älteren Beifpiele, ſich uoch hinreichend er
kennen. Der Ritter felbft wird zwar bier „der Todte“ genannt, aber
nicht er, fondern bie Mutter, war geftorben und begraben, jo daß die
frühere Bezeichnung „Sohn der Todten“ die richtige bleibt; auf bie
geftorbene Mutter bezüglich wiederholt ſich der alte Ausprud, daß ber
trauernde Gemahl fie „geraubt” habe (eam rapuit), und es ıft doch
wohl nur durch die Bermengung von zweierlei Sagen herbeigeführt, daß
die Mutter des todten Ritter an der Geburt eined Kindes ftirbt und
dann erſt während zweijährigen Wiederlebens zwei Söhne gebiert, deren
einer eben der tobte Ritter heißt. Auch im Geſchlechte von Luſtnau, das
zwar zu ben pfalzgräflichen Dienftleuten, aber zugleich zum Ritterfland
(S. 451, Anm. 1) und deshalb nicht mehr zu den gemeinen Unfreien
zählte (Walter, deutſche Rechtsgefchichte 1, 255), find die Todtenſöhne
zu Tobten geworden, obgleich es doch nach der ältern Yaflung, in den
Tiſchreden, die Mutter ift, die vom Tode wiberlehrt; der Fluch aber,
den fie vom Manne nicht ertragen Tann, vertritt bier fichtlich den ver:
botenen Vorwurf der Herkunft in der Sage von Edric (vgl. Rechts⸗
altertbümer 643, c. Graff 5, 88: biu. 6, 483: fchalhin). Die letzte
Namendeutung, bei Erufius, welche, rein verftändig, den Edeln von
Luftnau felbft vom Scheintod erftehen läßt, würde ſich, ſagenmäßiger
angejeben, dem meitreichenden Kreiſe der Helgilieber zuneigen (Säm.
945 bis 965, vgl. Grundtvig 2, 492 ff. [oben ©. 123 ff. Schriften 7,
S. 290 fi. H.), allein fänmtliche vorhergehende Überlieferungen, vie
ältere aus Luftnau mütbegriffen, willen nur vom Wieberaufleben der
Frau. Wenn es aber nicht völlig übereinftimmt, daß biefe nicht an ihr
einftige® Verweilen im Todtenreihe gemahnt werben fol und doch fie
oder ihre Kinder [8, 74] als Todtgeweſene zugenannt werden, jo be
reinigt fi) auch das in der älteften Quelle, dem Iangobarbifchen Rechte,
wo fie ald MWiedergeborne begrüßt wird.
2.
Nun gibt e8 auch Sagen, in melden die Frau nicht von ben
Tobten wiederkehrt, ſondern aus einem tiefen, zauberhaften Schlafe
461
geweckt wird. Am früheften erjcheint dieſe Fabel in den 1528 bis 1532
erftmals gedruckten franzöfifchen Ritterroman Berceforeft mweitichichtig ver⸗
woben und daraus follen hier die Züge hervorgehoben werben, welche,
mitten unter frembartigen Anfchauungen und Zufägen, namentlich aus
Haffifcher Mythologie, auf älteren und echteren Beſtand hinweilen !:
Als die Tochter des Fürften von Seeland 2 zur Welt fam, hatten
fich die drei Göttinnen eingefunden, welche bei Geburten gegenwärtig
zu fein pflegten (Zucina, Themis und Benus). Die erfte (die Geburts-
göttin) verlieh dem Antömmlinge gefunde Glieder und geveihliches
Wachsthum, die zweite (Schidfalsgöttin), der man beim Mable fein
Mefier aufgelegt, beſchied dem Kinde, daß ihm von bem erften Lein⸗
faben, den es aus feinem Spinnroden ziehe, eine Agen in den Finger
gehen jolle, wovon es fogleich einſchlafe und nicht wieder aufwache, bis
fie berausgefogen jet, mas fofort die britte (die Liebesgättin) zu bes
wirken verheißt d. Nachdem die Fürftentochter in gröfter Schönheit
aufgeblüht, ſaß fie einmal mit zwei jungen Muhmen zufammen, aus
ben Händen ber einen nahm fie einen Flachsrocken und fieng an zu
jpinnen; noch hatte fie aber nicht den erſten Faden fertig gebracht, als
fie in ſolchen Schlaf verfant, daß fie nicht zu erwecken war, nicht tranf
noch aß und doch nicht von Fülle [8, 75] und Farbe kam“. Der Vater
1 Das Folgende mittelft eines Auszugs der hieher bezüglichen Kapitel 46
und 55, den mir Karl Bartſch nad dem alten Drude des Berceforeft, Band 3,
Baris 1532, gefälligſt zugehen ließ. |
2 Er jelbft heißt, wie auch fein Sohn, Zellandin, doch gewöhnlicher Zelland,
die Tochter Zellandine.
8 Blatt 155: quant elles eurent mange adonc dist Lucina: Dames nous
auons oy bien este receues et pour ce ay ie faict naistre cest enfant a
tous ses membres sains et entiers et en point de croistre sil est bien garde.
Or tient a vous dame Themis qui estes deesse des destinees. Certes dame
dist Themis cest raison mais comme celle qui nay point de eoutel ie luy
donne telle destinee que du premier fillet de lin quelle traira de sa que-
noille il Juy entrera vne areste au doy en telle maniere quelle sendormira
a eoup et ne sesueillera iusques atant quelle sera succee horse. Quant la
deesse Venus ouyt ee que 88 compaigne auoit destine a sa creaiure alle
dist: Dame vous estes troub.ec ce poise moy mais par mon art ie feray
tant que lareste sera succee dehors et amenderay tout.
4 Blatt 126c.d: la ou elle seoit entre les pucelles elle se endormit
tellement que Oneques puis ne sesueilla si ne menges ne beut puis et
462
läßt fie auf eines von zwei nachbarlichen Schlöffern, das Zwillingſchloß
(castel jumel), bringen, in deſſen Thurm ihr ein reichgefchmädtes
Lager bereitet ifl. Der hohe Thurm bat nur Ein Fenfter, nad Often;
alle andern Zugänge, außer einem unterirbifchen, find bermauert !.
Troilus, ein Ritter, der diefer Schönen feine Liebe zugewandt, erhält
jenfeit8 des Meeres Kunde von ihrem Geſchick. Unter manigfachen
Abenteuern gelangt er vor das Schloß, deſſen Zugbrüde aufgehoben
ft. Da kommt ein großer Vogel (Zephyr, Bote der Göttin Venus)
und trägt ibn an das Fenſter. Die umftändliche Schilderung dieſes
Beſuchs bei der Schlafenden eignet fi) wenig in eın Buch, das ein
Spiegel ebler Ritterfitte fein fol. Zum Abſchiede ſteckt Troilus an den
Finger der Freundin einen Ring, den er früher von ihr erhalten hat?,
Sie fchläft weiter wie bisher und nad) neun Monaten geneft fie eines
Schönen Knaben. Das Kind zeigt Fein Verlangen nad) der Mutterbruft,
Sondern ergreift ihren Heinen Finger und faugt daran, bis es huſtet.
Die Agen ift berausgefogen und nun erwacht die Mutter. Durch das
Senfter herein fliegt ein Vogel von munderbarer Geftalt, von ber
Bruft aufwärts ein Weib, nimmt das Kind in die Arme, Tchlägt
die Flügel und fliegt aus dem Fenfter mit ven Worten: „Seid unbeforgt
um dieſes Kind!” Ihr Vater veranftaltet ein achttägiges Yelt ?.
nempire point de couleur. Blatt 127c: elle demoura en sa chambre
auecques deux pucelles ses cousines. Bi aduint ce mesme jour que elle
osta des mains de Inne des damoiselles vne quenoille garnye de lin et se
print a filler. Mais elle neut point parfaict le premier fil quant par des
tresse de sommeil elle se coucha en telle maniere que uncques puis ne se
esueilla, ne beut nd manges et si nempire point de chair ne de couleur
dont chascun sesmerueille comment elle peust viure en telle maniere.
Mais on dit que la deesse Venus quelle a seruy tous les iours la sonstient
en bonne sanie.
1 Blatt 4831: et pour ce quil a intention que les dieux la viendront
garir la il si haut couchee et y a faict la fenestre deuers orient car il a
tres grant fiance au dieu du soleil. (Bgl. 127%.)
2 Blatt 133 a: Alors il luy trouua ung annel au doy que la damol-
selle Iuy auoit autres fois donne au commencement de leurs amours et le
mist au doy dont il auoit oste lautre et combien quelle ne disoit mot il
luy diet ma chere dame et parfaicte .amye ie prens conge de vous car
aller men conuient.,
3 Damit fchließt der mir zugelommene Auszug.
463
Hundert Jahre nach dem Perceforeft taucht das Märchen, rein
vom gelehrt mythologiſchen Prunke, wieder auf im Pentamerone de?
Baſile, einer Märchenſammlung von 1637 in neapolitanischer Mundart.
[8, 76] Dasfelbe hat hier die Überschrift: „Sonne, Mond und Talia“,
der Inhalt ift in der Hauptſache folgenver 1:
Der Tochter eines hohen Herrn war bei der Geburt geweisſagt,
daß ihr durch eine Flachsfajer große Gefahr drohe, weshalb ihr Vater
ein ftrenges Gebot erließ, daß meber Flachs noch Hanf jemals in fein
Schloß gebracht werben follte. Als jedoch Talta herangewachſen war
und eines Tage am Fenfter ftand, fah fie eine alte Frau vorüber:
geben, melde fpann, ließ neugierig diejelbe berauffommen, nahm den
Hoden in die Hand und fieng an den Faden zu drehen, ftach ſich aber
dabei eine Hanffafer unter den Nagel eines Fingers und fiel ſogleich
leblos zur Erbe. Der trauernde Vater ließ die todtvermeinte Tochter
in dem Sclofle, wo fie auf einen koſtbaren Seſſel geſetzt war, ſchloß
alle Thüren zu und verließ den Ort bes Unglüds für immer. Als
nun einftmals ein König auf die Jagd gieng und fein Falle, der ihm
yon ber Fauft entkam, in ein Fenſter jenes Schlofies flog, hieß er,.
nach vergeblichem Klopfen am Thor, eine Winzerleiter berbeiholen, um
jelbft Hineinzufteigen und fi) umzufehben. Nachdem er das Schloß ganz
durchwandert hatte, ohne eine lebende Seele zu finden, gelangte er
endlich zu der bezauberten Jungfrau und rief fie an, indem er glaubte,
dab ſie fchlafe; als fie nicht zu erwecken War, trug er, von ihrer
Schönheit entzündet, fie in feinen Armen auf ein Lager. Hernach
kehrte er in fein Königreich zurüd, mofelbft er lange Zeit nicht mehr
an den Vorfall dachte. Talia aber gebar nach neun Monaten ein
Zwillingspaar, einen Knaben und ein Mädchen, die von zwei Feen an
die Bruft der Mutter gelegt und jonft auch jorgfältig gepflegt murben.
As nun einmal die Säuglinge ſich verirrten und einen Finger ber
Mutter erfaßten, fogen fie daran fo lange, bis die Agen herausgezogen
war, worauf Talia wie aus tiefem Schlaf erwachte. Endlich kam auch
der König, ſich erinnernd, wieder in das Schloß und war hocherfreut,
Talia erwacht und mit zwei munberfchönen Kindern zu finden, denen
1 Benüßt wurde hiezu die. Ausgabe des Bentamerone, Napoli 1674,
©. 688 bis 590. (Liebrechts Übertragung 2, 195 fi. Brüder Grimm, Haus-
märden, 2te Auflage, 8, 862 ff., Ite Auflage, 8, 290.)
464
er die Namen Sonne und Mond gab. Er ſagte ihr, wer er ſei, nahm
Abſchied mit dem Verſprechen, ſie abzuholen, und gedachte daheim
allezeit nur an fie und die Kinder. Darüber faßte feine Gemahlin
Verdacht, ließ das Geheimnis eripähen, fanbte im Namen des Königs
nach den Kindern und befahl dem Koch, fie zu Ichlachten und baraus
Gerichte zu bereiten, bie fie dem Könige vorſetzen wollte. Der Koch
aber hatte Mitleid und richtete zwei Zicklein zu, die der König fehr
[8, 77] woblichmedend fand. Dann ließ fie auch Talia herbeiholen und
im Hof ein großes Feuer anzünden, in das biefelbe geworfen werben
iollte. Talia bat um foviel Aufichub, bis fie ihre Kleider abgelögt
bätte, und bei jedem Stüde, das fie ablegte, ftieß fie einen lauten
Schrei aus, beim letzten aber eilte der König herzu, erfuhr, was vor:
gieng, unb befahl fofort, die Königin jelbjt in das Feuer zu merfen.
Auch Sonne und Mond murben herbeigebracht, ber König beirateie
Talia und diefe führte nun mit ihrem Gemahl und ihren Kindern ein
glüdliches Leben.
Belannt find noch die franzöfifche Faflung des Märchens bei
Perrault um 1697 (la belle au bois dormant, Hausmärden, 3te Auf:
lage, 3, 301) und die deutiche im „Dornröschen“ (Hausmärdhen, Tte Auf
lage, 1, 251 ff., biezu das Bruchftüd Ste Auflage 5, 269. Deutſches
Wörterbuh 2, 1299). |
Als mythiſcher Grund der märchenhaften Erzählungen wird bie in
altnorvischen Liedern und Sagen überlieferte Kunde von dem durch
Sigurd gebrochenen Bauberfchlafe der Walküre Brünhild angennmmen
und neben ber Ähnlichkeit in der Anlage wird hiebei diejenige in Einzel-
zügen geltend gemadt!. Gleichwohl läßt fich nicht mistennen, [8, 78]
1 Hausmärchen, Ite Auflage, 3, 85 (2te Auflage, 3, 87): „Die Jungfrau,
die in dem von einem Dornenwall umgebenen Schioß ſchläft, big fie ber rechte
Königsjohn erlöft, vor dem die Dornen weichen, ift die fehlafende Brunhild
nad der altnordiſchen Sage, die ein Flammenmwall umgibt, den and mur
Sigurd allein durchdringen kaun, der fie anfwedt. Die Spindel, woran fie fi
führt und wovon fie entfchläft, ift der Schlafvorn, womit Othin die Brunhild
fit; vgl. Erda Sämundar 2, 186. Im Pentamerone (5, 5) iſt e8 em
Flachsagen.“ Helbenfage 834. Mythologie 890: „Dornröschen flach fi) ben
finger an ber ſpindel und fiel im todesjchlaf, wie Brunhild vom wunſchdorn;
die Spindel ift weſentliches Lennzeichen aller weifen frauen des alterthums bei
Deutfchen, Celten und Griechen.” J. Grimms Borrede zu Liebrechts Pentamerone
465
daß, wenn die fchlafende Jungfrau der Märchen urfprünglich eins ift
mit Brünhild, die alte Sage von diefer ihren Sinn völlig eingebüßt
hat, da in den Märchen von dem Friegerifchen Weſen der Walküre und
von dem Heldentbum ihres Erweckers, als ſolchen, feine Spur übrig
geblieben if. Der bilvlihe Gebrauch des Schlafens, Wachens und
Weckens war in älterer Sprache und Dichtung ein ſehr manigfacher.
Himmel und Erde dufen, wenn überall Stille herrſcht!; der Wald auf
dem Altlönig jchläft am erſten Tage bes Jahrs und ein Holzhauer,
ber ihn wecken wollte, fand den Tod ?; „wir wollen hinter die Heden
und wollen den Sommer wecken“, fagt ber alte Kinverreim 3; die
Roſen, die am Zweig erblüben, find gemerkt *;- Felbfrüchte wert man
1, ZU: „Wir wollen die deutfche erzählung zum grund legen, weil ber
name Dornrofe (ſchlafroſe, fchlaflung) zunähft unmittelbar auf den fchlafborn
leitet, mit welchem Odin die valkyrie Brynhild geflohen und in tiefen fchlaf
verſenkt Hatte (vgl. deutiche myth. ©. 890. 1155); in panzer und beim ge-
ichloffen fehläft fie auf einem flammenumgebenen unnahbaren faal des Hindar-
fiall (bergs ter hindin, wie e8 noch in Weftphalen eine Hinnenbing, Hindin-
burg giebt). Dem Sigurd war es vorbehalten, ihre bande zu fprengen, d. h. ben
fchlafborn auszuziehen, worauf er ſich mit ihr verlobt und vermählt (Sämundar
Edda 191. 192. 198). Wenn fie hörgefn, lini datrix, beißt, fo fünnte das
bier vielleicht für fpinnerin genommen werden, ba alle valfyrien und nornen
fpinnen.“ XV f.: „Luna und Sole ſtimmen deutlich zu Aurore und Jour,
Talia aber ift Italia. Das merkwurdigſte jedoch fcheint mir der fliegende falte,
weil geradefo in Völfungafaga cap. 24, als Sigurd fih Brynhilden nähert,
fein Habicht in ihren thurm fliegt und fi) ins fenfter fett, worauf Sigurd
nachfolgt und die (jchlafende) walkyrie findet; darin find beide jagen, foviel ſonſt
anders ift, überrafchend gleich. Auch die eiferfucht der ihm vermählten frau
auf Talia zeigt ein verhältnis, wie zwiſchen Gudrun und Brunhild, und ſelbſt
das Schlafen im thurm kann der im thurm hauſenden valkyrie eigenthlimlich
verglichen werben. Schön if der zug, daß bie ſäugenden finder die agen aus
dem fluger ziehen; die vom tag und geftirnen bergenommenen nanıen ber finder
kheinen ung göüttergeftalten des heidenthums zu verrathen.” Bol. W. Müller,
Nibelungenſage 81 f.
1 Sim. 142, 18: iörd dusadi ok upphiminn. Schmeller 1, 401:
dufen u. |. m. ſchlummern; dämmern. Bgl. Ywein 7388 ff.: ſö der tac üebet
manbeit unde wäfen, | fd wil diu naht jläfen.
2 Ph. Dieffenbach, im Archiv für heſſiſche Geſchichte und Alterthumakunde
Band 4, Darmſtadt 1843, ©. 274.
8 Deutſche Mythologie 736.
4 Volkslieder 116: Wolt gott, ich ſolt ir winſchen | ziwo roſen auf einem
Upland, Schriften. VII. | 30 |
466
durch Gebet !; Feindeswaffen, durch Beichtwörung ſtumpf gemadht,
fchlafen 2; fchneivende Waffen meden Blut ®; Kriegäzeichen, brennendes
Rothfeuer, wachen 4; brandende Wellen find zauberhaft erweckt? und
ebenfo binwider wird das weite Meer eingeichläfert®. Auch abgezognere
Begriffe werben mittelft biefer Ausdrucksweiſe zu allegoriſcher Perſön⸗
lichkeit, felbit zu mythiſcher Geftaltung und Handlung berufen: Sälde,
Heil, Glüd, Sorge, Zorn, Milde, Ehre, Schande u. dgl. wacht, iſt
entfchlafen, wird gemedt ?. Bon hohem Alterthum [8, 79] ift nun aller
dings in uorbifcher Dichtung und Sage das Weden des Kampfes, ver
Schladht®, perjünlicher ver bämonijchen Kriegajungfrau, der Hilde, mag
diefelbe allgemeiner ale Walfüre in Odins Gefolg, oder als die
Zweig! | ach gott, jolt ich fie reden u. |. w. edlen des Zaunſieckens in einem
Zauberſegen: Mones Anzeiger 3, 278, Nr 6. Myth. 988: vekja tröll.
1 Angelfähfiicher Aderfegen, Myth. 1186: Aveccan päs västmas u. |. w.
2 Segen aus einer Hanbichrift. des 13ten Jahrh. in Hoffmanns Fundgruben
1, 343: aller miner viende gemäfen | deu ligen hiut und fläfen u. |. w. (Myth.
lite Ausgabe, Anhang CXAXIV).
3 Säm. 184, 80 (Lex. poöt. 8615): blöd heir vöktu. Gisl. 8. Surse.
6. 6: ok nü vekj& peir ser blöd u. f. w. (Nechtealterthiimer 118.) Starl.
8., Kaupn. 1818, ©. 206: par man blöd vakit u. f.w. Sn. 1, 567:
(sverda heiti) blödvaka (Lex. poet. 66a. 84 b).
4 Säm. 168, 18: Eld 54 ek brenna ı. f. w. vigspiöll vaka.
3 Fornm, 8. 10, 324: at siä hinn fiölkunnigi madr vacpi upp II buda
micla imöti konfingi u. ſ. w. (8. Ol. Tr., Shrift. 1853, ©. 43.) gi. Fornald.
8. 1, 479: egu 1 vindi vaka.
6 Säm. 20, 155: vind ek kyrri | vdgi 4 | ok svefik allan se.
7 Bahlreiche Beifpiele, eines für „thin Salida“ ſchon bei Otfried, die andern
ans mhd. Dichtern, deutſche Mythologie 322 f.; Einiges auch in der Beitfchrift
für dentſches Altertfum 2, 586, Ann. u. Hiezu: Heinrid) von München (Maß⸗
mann, Kaiferchronik 3, 961 6): Dietriches zorn begunde wachen. ME. 8, 1026 f.:
ob ich noch rehte milte müge erwekken? u. ſ. w. biu nu fläfet mit dem argen, |
tinvel, die welfe dort din gluendiu zange! Fornald. 8. 1, 75: vekja nokkr
vandredi. 3, 59: vakit bönord. Fornm. $. 6, 371: vekja öfter für das
Anmahnen zur Entrihtung des Wergelds.
8. Säm. 65, 34: vig nam at vekja. Fornald. 8.2, 276: vig vakta ek.
&äm. 157, 77: vakdir v& mikle, er bü vätt brosdr mine (vgl. Fornald. 8.
1, 221. 2, 34: vo vaktist har., Lex. poöt. 757: sofa. 840: v&. 8%: vo).
Heimskringla, herausgegeben von Schöning, 6, 104, 186: vekja styr. Eäm.
184, 76: s& vekr fin med firum.
467
befondre des einzelnen Helden, Brünhild Sigurbs, gemeint fein 1. Diefe,
nah Harnifh, Kampf und Sieg benannt (Brynhildr, Sigrdrifa), iſt
von Odin, dem Kriegsgotte felbft, mit dem Echlafborne geftochen; fie
ſchlaͤft, vollftändig gerüjtet, in einer von mwaberndem Feuer umgebenen
Schildburg, auf der ein Heerzeichen weht; die Brünne, bie ihr wie ans
Fleiſch gewachſen ift, durchſchneidet Sigurd mit feinem Schwerte, nur
ex, der Held, der von Feiner Furcht weiß, kann die Wallüre weden?,
Bon all diefen Zügen des Kampflebens enthalten aber, wie ſchon ers
wähnt, die Märchen nicht das Mindeſte. Selbft wenn bie deutſche Denen: .
nung Dornröschen auf den norbiihen Schlafborn wieſe (vgl. S. 464 f.,
Anm. 1), fo it gerade dieſer Ausdruck, das Stechen mit dem Dorne,
nicht ein folcher, der eigens mit Odin, dem Kriegs- und Siegesgotte,
zufammenhängt; vielmehr findet er fih allgemeiner für das Verſenken
in tiefen Schlaf gebraucht 3, dagegen [8, 80] bebienen fich die Märchen
eines andern eigentbümlichen Sinnbild, das in ben zwei älteren Auf:
1 Säm. 90,6: Hvar hefir pü, hilmir! | Hildi vakda, | eda gögl alin |
Gunnar [Berbefferung für Gunoa, vgl. Säm. 3, 24] systra? 146, 14: med
geiri gjallanda | at vekja gram Hildi. Kräkum. 26 (Fornald. 8. 1, 309):
brördum | bitrum Hildi vekja. Bon Brynhild Säm. 128, 7: Hetu mik
allir | u.f.w. Aildi undir hiälmi. 129, 9: alita | svefni minum. 112, 44:
Sigrdrifar | svefni bregda; befonders aber 99, 15: Sefr ä fialli | fylkie döttir |
biört i brynju | u. ſ. w. pü munt höggva | hvössu sverdi, | brynju riste |
med bana Fafnis (vgl. oben Kräkum. 26: bröndum bitrum). 16: Brotin er
brynja, | brüdr maela tekr, |er vaknadi ! vif or svefni. Bgl. Sn. 1, 360:
bar svaf inni ein kona uk hafdi st hidlm ok brynju; hann br& sverdinu
ok reist brynjuna af henni, ba vaknadi hon, ok nefndist Hildr; hon er
köllut Brynhildr ok var Valkyrje.
2 Zu den Stellen in voriger Anm. Säm. 113. 129, 9 f. Fornald. 8. 1,
165 fi. (VYöls. 8. Cap. 20. 21.)
3 Auf Odin und die Walküre dezüglih Säm. 112, 43: Yggr stakk Porni |
ädr & feldi | hörgefn, hali | er hafa vildi. 1135: Odinn stakk hana svefn-
Porni u. ſ. w. Fornald. 8. 1, 166: Ödinn stakk mik svefnborni u. f. w.
Anderwärts (vgl. Myth. 1157) Säm. 176, 13. Fornald. S. 1, 18: stingr
bonum svefnhorn. 1, 19: hrftr pa 1 burtu svefnporninn. 3, 303: Vil-
hiälmr stakk Hrölfi svefnborn um nöttina u. ſ. w. 306: hann 18 til kvelds
sem daudr, bvi svefuborninn l& i höfdi honum, hafdi Viihiälmr hann
ekki burttekis u. j. w. til pess er hann gekk at Hrölfi ok velti honum
med höfdina um völlinn, fell B& burtu svefnporninn. 8. Maurer, Islän⸗
diſche Vollsſagen der Gegenwart ©. 286: Pästingr hün srefnborn konüngssyni.
468
zeichnungen, in Perceforeft und bei Bafıle, noch als Ylachöfafer er:
halten, in ben fpäteren, bei Berrault und im beutfchen Dornröschen
jelbft, zur Spindel geworden ifl. Davon muß hier eingebenver bie
Rebe fein.
Kunkel und Spindel find in ver Sprache bes deutlichen Rechts
Wahrzeichen des meiblichen Gefchlechts und Stammes, insbefonbere ber
Hausfrau, während durch Speer und Schwert Mann und Mannsſtamm
dargeftellt if. Den Spinnroden der Göttermutter Frigg batte der
Norden unter die Sterne verfeßt?. Spindel ober Spinnftuhl hoher
und frommer rauen bes Mittelalters beivahrte man als verehries An-
benten 9, aber boch wohl jo gemeint, daß dieſe Geräthe von einem
auch in erhabener Stellung einfach und demüthig verbliebenen Sinne
zeugen jollten. Schon im Rigsmal ift nur noch die Stammmutter ber
Karle, ver Gemeinfreien, nicht mehr die der Jarle, der Eveln, am
Roden beichäftigt 4 und von ben Helbenlievern der Edda an erjcheint
dad Wirken und Nähen in koſtbaren Stoffen als Auszeichnung vor:
nehmer rauen 5, während die kunſtloſe Bereitung des Flachſes, felbft
das Spinnen, immer mehr den Armen und Dienenden verblich und,
als gezwungene Arbeit, den Stand der Unfreiheit anzeigt. So läßt
Wernhers Mariengedicht die jungen Mädchen im Tempel loofen, melde
den Purpur und die Seide zu kunſtreichem Bildwerk erhalten, oder welde
den Flachs Spinnen follten; fie fürchten den rauhen Flachs und als bie
bunte Seide Marien zufällt, beißen die andern fie ſpottweiſe [8, 81] ihre
1 Rechtsalterthiimer 163. 171. W. Wadernagel in der Zeitfehrift für deutfches
Alterthum 9, 533 f.
2 Lex. myth. 104 b, vgl. 89 a. Mythologie 248. 279. 689.
8 Nechtsalterthlümer 171. v. d. Hagen, Briefe in die Heimat 1, 210.
Weinhold Die deutſchen Yrauen 114. Simrod, Bertha die Spinnerin 128 f.
(Ebd. die geſchichtlichen deutſchen Sagen 129 f. 522, 42: St. Lufthilbis.)
4 Säm. 68, 16 vgl. mit 64, 36 f. 28.
5 Säm. 185, 13 bis 16 (Gfdrun). Fornald. 8. 1, 175 (Brynhildr).
205. 3, 741 f. (unter bordi). Weinhold, dentſche Frauen 116 f. Dichteriſche
Benennung für Frauen blieb gleihmohl hörgefn (mag gefn nur wieder als
kvenna heiti, Lex. poöt. 2275. 380 a, gemeint fein, oder befiimmter als
Geberin, Bertheilerin des Flachſes zur Arbeit, vgl. Su. 1, 384: konu skal
kenna u. |. mw. til allra beirre luta er henni samir at vinna eda veita);
für Sigrdrifa, doch ohne mythiſchen Bezug, Säm. 112, 48, fiir die Julänberim
Steingerd in Kormals Gaga 218.
469
Königin !. Im Gubrunlieve müßen die geraubten Fürftentächter, bie
gewohnt waren, Gold und Evelgeftein in die Seite zu legen, nunmehr
Garn winden, jpinnen und ben Flachs bürften, edle Geburt und Ver:
wanbtichaft fchüßt fie davor nicht ?, Auch im wein unterjcheidet die
Beichreibung des Werlkgadens, worin ein gewaltiger Riefe gefangene.
Sungfrauen zur Handarbeit anhält, zwifchen foldhen, deren Geſchäft
fein beſchaͤmendes tft, die nemlich in Seibe und Gold, oder am Rahmen
arbeiten, und den andern, welche, deſſen nicht kundig, mit Geringerem,
namentlich dem Dechſen (Brechen) und Hecheln des Ylachjes und bem
Spinnen zu Schaffen haben 3. Endlich Gottfrieb von Netfen, [8, 82] der
4 Wernhers Maria, in Hoffmanns Fundgruben 2, 116 [Schriften 2,
e. 20. H.]: |
do wart ein flrit vil grog; die frowen murfen ir loz,
wa ber purper unt bie fiven von rehte ſcholten beliben,
welde under in gezäme, daz fie das befle näme.
den ruhen bare fie vorbten; daz fie daran iht worhten,
des wolt iegfich magebin vil gerne uber worden fin.
Do geviel daz loz an daz kint, dannen din guten wip fint
gefäliget unt gefegenot, daz die fiven grune unt rot
in ir handen beliben. alſo wolte fie gefigen.
daz die andern nämen den bare, diu vil wenigiu ſchare
din enlie daz nibt ane nit. daz wart ouh in verwizen fit,
daz fie durh unminne biegen fie ir funiginne u. ſ. w.
177: die chleinen fiden fie fpan, die fie anme loze gewan,
do die anderen den bare mufen fpinnen furmware.
2 Gudrun (Bollmer) 1005, 3 f.:
die mit grözen ren berzoginne wären, |
die muoften garn winden. fi fäzen fit in ungevilegen ſwären.
1006: Sumliche muoflen fpinnen und bürften ir den bar.
die von höhen bingen wären komen dar
und die wol legen kunden golt im bie fiben,
mit edelem gefleine, die muoften arbeite liden.
1007, 4: j& mohte ji ir adeles niht geniezen.
1010, 4: ji mohte ir ebelen mäge dA ze Ormanie niht geniezen.
1011: Werc din vil fmähen u. ſ. w.
1011, 4: dannod dienten dA die arınen weifen.
1021, 3: fiben jär bevollen leit ſi in vremedem riche
die grözen arbeite. man hetes und kilneges kint niht geliche.
3 wein 6186 ff.: Nũ faher inrehalp dem tor
Ein witez wercgabem flän. | Daz was geftalt unt getän
470
fo unermüblih vom rothen Munde feiner Geliebten fingt, kennzeichnet
diefe mehrfach als eine Dienende und zwar beſonders damit, daß fie
das Dechſen und Schtwingen verftehe, ohne doch ihren rothen Mund
beftäubt werden zu laflen!. War nun ber rauhe, gefürchtete Flacht
Merkmal der Dienfibarkeit oder jonft der niebrigern Stellung, fo er
Scheint e8 nur als ausgeführtere Bilderſprache, daß die an Recht und
Standesehre ſchlafend gedachte Frau von ber Agen geftochen iſt. Die
Spindel hat denjelben Sinn, doch bezeichnet die Agen deutlicher und
gewährt allein bie volle Beziehung zu ben Kindern. Durch diefe wird
die Mutter aus dem tiefen Schlafe geweckt, um ihretwillen fie ſelbſt
zu Freiheit und Recht erhoben. Zwar gilt die Echtwerbung der Kinder
durch fpätere rechtmäßige Ehe der Eltern für eine, unter dem Einfluß
der Kirche, in germanifche Gefeggebungen eingebrungene Wirkung bes
römischen Rechts; aber vie Iangobarbifchen Geſetze und Formeln über die
Wiebergeburt (oben ©. 457 f., Anm. 2) unterjcheiven wenigftens nicht aus⸗
drücklich zwiſchen Rindern, welche vor oder nach Freigebung der Mutter
Als armer Tinte gemadh; | Dar in er dur ein venfter fach
Wuürken wol driu hundert wip. | Den wären cleider unt ter Tip
Bil armecliche geftalt; | Irn was iedoch debeiniu alt.
Die armen heten ouch den fin, | Daz gnuoge worhten under in
Swaz temen witrten folde | Bon ſiden unt von golde.
Onuoge worhten an der rame, | Der werc was aber äne ſchame.
Unt bie des niene funden, | Die läjen, dife wunden,
Diftu blou, diſiu dahs, | Difiu hachelte vlahs,
Diſe ſpunnen, diſe naͤten u. ſ. w.
Bgl. Helmbrecht (Zeitſchrift für deutſches Alterthum 4, 366) 1856 ff.
ſo dich nf ein gebuͤwer
nimt ze finer rehten ẽ, | jö geſchach nie wibe als me.
hi dem muoft dA niuwen dehſen, ſwingen, bliuwen
und dar zuo die ruoben graben.
1 Die Lieder Gottfriebs von Reifen, herausgegeben von M. Haupt (Leipzig
1851) 45, 24 ff.: do hoͤrte ich eine fmingen: | wan fi dabs, | war fi dabs, |
fi dahs, fi dahs (Refr.). 4, 18 f.: f lan dehſen, fwingen in der mäze | unde
wil behüeten, daz fi niht beftieben Iäge | ir röten munt u.f.w. 5, 11 fl.: Difie
liet wil ich der Kieben fingen, | der ich lange ber gefungen han. I # Tan beidin
debfen unde fwingen. 82, 12: ft fan dehſen, fwingen, beibe als fie fol. Bgl
87, 18 f.: din daz wazzer im Irkegen | von dem brunnen treit naͤch der ſtet
aller min gedanc. ME. 2, 1475: der Nifer Iobt die vrouwen fin | und ir
röſelehtez mindelin.
471
geboren ſind, und für die erſteren zeugt eben der Gebrauch, den die
Sinnbildſprache des Märchens als gangbar vorausſetzt. Zu dieſer gehört
ed noch, daß, wie im Perceforeſt über der ſchlafenden Mutter ein nad
Dften gerichtetes Fenſter offen bleibt (S. 462, Anm. 1), jo in andern
Faſſungen die Namen der Kinder pas aufgehenbe Licht verkünden, bei
Bafile Sonne und Mond, bei Perrauit noch treffender Morgenrötbe
und Tag; felbit bas mag zu bemerken fein, daß einige Handfchriften
des Geſetzes von König Rotharis Freilaſſung und Morgengabe zuſam⸗
menftellen (S. 457, Anm. 2).
Die verſchiedenen Aufzeichnungen des Märchens ergänzen und bes
richtigen fich wechlelfeitig in einzelnen Zügen, am weiteſten jedoch [8, 83]
greift die Ungleichheit, daß im Perceforeit, alfo ber älteften Duelle,
mie ſolche hier zugänglich war, das in der nächitalten, bem Pentame-
sone, abſchließende Stüd mangelt, wie nemlich die vom Schlaf erfiandene
Mutter mit ihren Kindern den Berfolgungen der biöherigen Königin
entgebt und an deren Stelle tritt. Mag viefer Abſchluß urſprünglich
zum Ganzen gehört haben oder nicht, jedenfalls heftätigt der ausdrüd⸗
liche Gegenſatz der echten und der erſt echtiverbenvden Frau den ange
gebenen Sinn des märchenhaften Schlafens und Erwachens. Für biefelbe
Auffaflung ſpricht endlich noch ein Umſtand, der, wie der Frauenzwilt,
den Bezug auf Brünhild ſtützen follte (S. 464 f., Anm. 1): der Jäger
mit dem Fallen. Im Pentameron ift dem jungen König auf ber Jagd
fein Falle davongeflogen und hat ihn zu der Schlafenden geführt, bei
Perrault heißt fie die Schöne, „vie im Walde fchläft“ (la belle au
bois dormant), und der jagende Königsfohn kommt zu ihr in bas
Schloß, das von Bäumen und Gefträuche dicht überwachſen ift; im
beutfchen Dornröschen iſt es eine hohe Dormenhede, ſelbſt im Perce⸗
foreft, zwar ber früheften Niederfchrift, ın der aber gelehrte Mythologie
den Wald am meiften verdrängt hat, flattert doch der Falle noch als
Zephyr, geflügelter Bote der Venus. Auch der Raub der tobten Frau,
bei Walter Map, erfolgt dur Edric Wilde (quod est silvestrie), auf
mitternächtiger Nüdfehr von der Jagd, aus einem großen Haus am
Rande des Waldes (venatu sero rediens ... mediam usque noctem
viarum dubius erravit,... ad domum in ora nemoris magnam de-
latus est, Nuge curialium 79), fodann durch den Ritter aus Klein:
britannien, zwar ohne daß der Jagd befonvers erwähnt ift, doch glei-
472
falls zur Nachtzeit in einem weithin einfamen Thale (de nocte...in
convalle solitudinis amplissime, ebd. 168). Gold wiederkehrender
Bezug auf Jagd und Wildnis ergibt abermals einen Gegenfat zwiſchen
echter und wilder Ehe, jener im Haufe, diefer im Walde; altn. hrisängr,
ſchwed. riehofde (vgl, Rechtsalterthümer 734, agſ. vearges heäfod),
Waldſohn, Walbhaupt, hießen Kinder der Waldehe verfcbiebener Art
(Rechtsalterthümer 462, die bebeutfame Anm. **), während die geſetz⸗
lien dem Hausherren und der Hausfrau (Säm. 64, 25: hüsgumi,
hüskona. 131, 10: hüsguma, hilsfreyju Fornald. S. 1, 243) ange
hören. Der Wald ift die Zufluchtsftätte Aller, die außerhalb der
Rechtögemeinfchaft leben; ber Verwieſene hieß Waldmann, agſ. veald-
genga, altn. skögermadr (Rechtsalterthümer 733, vgl. Mytho⸗
logie 1014). Auch Edrie Wilde hatte wohl ebendaher den Beinamen,
weil er zu denjenigen Angelſachſen zählte, welche am längften wider
Wilhelm den Eroberer außgehalten hatten!. Freilich fiimmt das Wald»
abenteuer des Märchens [8, 84] auffallend mit der Erzählung in Bäl-
fungafaga, wie Sigurd, als er einen Falten verfolgt, ver ihm bei ber
Heimkunft von der Jagd auf einen hohen Thurm entflogen und fid
an ein Fenſter geſetzt, die bei ihrem Pfleguater Heimir mweilende Wal
füre Brünhild am Rahmen figen fieht, fie begrüßt, ihr einen Goldring
gibt und ſich eiblich nochmals mit ihr verlobt (Fornald. S.1, 175 ff.).
Allein es ift das unbeftritten eine fpätere Einfchiebung; die Saga jelbft
bemerkt, daß hier ein wieberboltes Verlöbnis beſchworen werde (For-
nald. S. 1, 178: ok svardu nü eida af nfu, vgl. 172: betta bundu
Pau eidum med sdr, und zum brittenmal nach berfelben Saga in
Gunnars Geftalt, vgl. Sn. 1, 187, 362). Üverall fonft wird die Be
gegnung und Verlobung Sigurds mit Brünhild auf das Gebirg verlegt
und einmal ıft ausbrüdlich geiagt, daß Aslaug auf dem Gebirg erzeugt
1 %m Domesday Book: Edric salvage, in Yahrbiiddern: Edrieus oog-
nomento Silvaticus (Ellis, Introd. to Domesd. B. 2, 87 f. Wright, zu
Nuge curielium S. 79). Die Erklärung dieſes Beinamens bei @ualterus
Mapes, sic dictus a corporis agilitate et jocunditate verborum, if nicht
genau zu nehmen; derſelbe bezeichnet eher, was bezüglich auf einen andern
Edric gemeldet wirb: Posten udlagavit Edricus (Ellis S. 88). Bon Ebric
Wilde bedingt fich die Heimgeführte, daß er ihr die Herkunft aus dem Walde
nicht vormerfe (oben ©. 456: lucum unde).
413
fei 1, die Trauung auf dem Thurm aber gefchiebt am des Pflegvaters
Heimir großem Wohnorte (Fornald. S. 1, 174: at einum miklum
bee, vgl. 184 u.). Sichtlich diente dieſes Beiwerk dem Bwede, die
Eage von ten Wölfungen in diejenige von Ragnar Lodbrok und feinen
Söhnen überzuleiten. Mehrfach find die Anknüpfungen zwiſchen beiderlei
Sagenwerten. Ragnar ift der Sohn eines gefeierten Sigurds, mit dem
Bunamen Hring, bed Dänenlönigs, der in ber berühmteſten Schlacht
des Norden? den Sieg davontrug ?; die erſte That des jugendlichen
Helden aber ift, ähnlich derjenigen bes Wölfungs Sigurd, die Töbtung
eines Lindwurms, wodurch Ragnar ſich die Sarlötochter Thora ſammt
dem vom Wurme gehegten Gold erwirbt. Nach dem Hingang dieſer
erften Gemahlin trifft Ragnar, bei einer Anfahrt an die norivegifche
Küfte, die vermeintliche Tochter armer Bauersleute, Krala (Kräbe)
genannt, deren Schönheit, Verſtändigkeit und Sitte ihn be[8, 85 ]ftinmt,
fie gleichwohl fi anzutrauen, und aus biefer Berbindung erwachſen,
wie aus der vorigen, friegerifche Söhne. Als er aber nachmals bei
dem gewaltigen König Eyftein in Upfala fich zu Gafte befindet, bringt
feine Gefolgſchaft in ihn, die Tochter dieſes Königs zu freien und nicht
länger eine Bauerntochter (karledöttur) zu behalten, und es wirb fo:
gleich die fpätere Einholung der neuen Braut verabrebet. Krala jagt
jeboch dem beimgelommenen Gemahl, daß ihr drei Vögel fein Bor
haben verfünvet haben und daß auch fie eines Königs, nicht eines
Bauern Tochter fei (at ek em konungs döttir, en eigi karle), ihr
Name fei Aslaug, ihr Vater Sigurd der Fafnistödter, ihre Mutter
Brünhild, Budlis Tochter. Diefe Ausſage bewährt fih dadurch, daß
dem Knaben, deſſen ſie bald darauf geneſt, eine Schlange um den
ı Säm. 113: Bigurdr reid upp & Hindarfall u. ſ. w. & fiallinu sä
hann liös mikit. Sn. 1, 360. Fornaid. 8. 1, 165. 187: er ek [Brynh.]
vann eida & fiallinu. 257: ok hefr [Äsl.] Bar upp sögu, sem Pau hittust
& fiallina Sigurdr ok Brynhildr, ok hün var byriud.
2 Fornald. 8. 1, 288: 1 Dann tima röd fyrir Danmörku Sigurdr
hringr; hann var rikr konfingr, ok er fregr ordinn af peirri orrostu,
er hann bardıst vid Harald hilditönn ä Brävelli, ok fyrir honum Söll
Haraldr. sem kunnigt er ordit of alla Nordrälfu heimseins. Sigurdr &tti
einn son, er Ragnar höt ı. |. w.
3 Ebd. 242: ok verdr hann uf bessu verki hardla miök fregr of Öl
Nordrlönd, ok bidr hann nd Pöru döttur jarls.
474
Augapfel zu liegen fcheint (sem ormr liggi um auga sveininum), io:
nach er auch Sigurd Schlangimauge (ormr 1 auga) geheißen wird. Die
Heimführung der ſchwediſchen Königstochter unterbleibt nun, morüber
blutiger Streit ausbridt !.
Seine Laufbahn fchließt Ragnar bei einem Einfall auf die engliſche
Küfte; dort hat er zum Kampfe den Speer in der Hand, mit bem er
einft den Wurm erlegt (Fornald. S. 1, 281: bat spiöt 1 hendi, er
henn vann at orminum, er l& um sal pöru). Nach dem Falle feiner
ganzen Mannſchaft wird er, mit Schilden zugebedt, ergriffen und in
einen Schlangenhof (ormgard) geworfen, wo er mit dem befannten
Tobesfange (Kräkumäl) lachend verſcheidet (ebd. 280 ff. 300 ff.), wieder
einem Nachllange der Eddalieder von Gunnars Harfenſchlag und Tod
im Wurmgarten (Säm. 1335. 143 f. 28 bis 32. 148, 31. 155, 55.
156, 69. 162, 17. Sn. 1, 364. Fornald. 8. 1, 219 f.). GSigurb
Schlangenauge hat durch feine Tochter, die wieder Aslaug beißt, einen
Enkel Sigurd Hirſch (hiörtr), angeblich den Bater von Ragnhild, ber
Mutter Haralds, des erften Einherrfchers über ganz Nortvegen (For-
nald. S. 1, 293; anders Heimskringle 1, 67; vol. Mund 2, 174).
Die norwegiſche Königsreibe follte durch die Herkunft von Ragnar Lob:
brok, dieſer jelbft und fein Haus durch die Verwandtſchaft mit ben
Mölfungen erhoben werden (Sn. 2, 210: er Bragi lofadi freendr
Äslaugar ᷑ Ragnars-dräpu, at hans [Ragnars] virding syndiet meiri
en ädr var hon). Zu diefem Zweck [8, 86] arbeitet ſich Ragnars Saga
in jene der Wölfunge hinauf und wird Aslaug, feine zweite Gemahlin,
als eine Tochter Sigurbs von Brünhilb, in der Harfe bis nach den
Nordlanden binübergetragen, wo von ihr große Gefchlechter ausgehen
(Fornald. S. 1, 187. 224 ff.: hingat & Nordrlönd, Sn. 1, 370: ok
eru padan ettir komnar störar. Fornald. 8. 1, 259: Ok nü kemr
upp zeit Äslaugar, svä at bat veit hverr madr, at hin er dötür
1 Fornald. 8. 1, 243. Außer obigen der Proſa entuommenen Stellen
ſolche aus den eingeftreuten Verſen, ebd. 258: beim er ormr 1 suga (vgl. die
zwei folgenden Strophen). 268 (Biden, auch ein Sohn von Aslang, fpricht): eigi
er 088 1 augum | ormr, n& fränir snakar. In andern Proſaſtücken, Fornald.
8.1, 346: p& Sigurdr; bat var mark 1 auga honum, at svä var sem orımr
leegi um siäldrit, ok Pvi ver hann kalladr Sigurdr ormr i auge. 349:
Sigurdr ormr 1 auga. 355. 357. 3, 10f. 14.
475
Sigurdar Fäfnisbana ok Brynhildar Budladöitur). Freilich aber tft,
wie die Begegnung auf dem Thurme, fo überhaupt aud jene Eltern:
Schaft Sigurds und der Walküre anerfannt eine Zudichtung zur Wöl⸗
fungenfage (Sagabibliothet 2, 94. 97. 476 bi8 478, Heldenſage 346. 850).
Dagegen bat das anfängliche Niederhalten der fchönen Aslaug in Tracht
und Aufzug, als ob fie, zwar nicht unfreien Leuten, aber doch armen
bäurifchen Eltern (karl und kelling, Fornald. 8. 1, 233 f. fälseka
karls, 1 sliku fäteki, ebd. 257) angehörte, ben gleichartigen Sinn,
wie anderwärts bie Geburt von einer ſchlafenden Mutter, die nachmals
geivedt wird, was eben die nur in biefem vielfältigen Sinnbild ver:
wandte Brünbilbenfage heranzog; in der Sage von Aslaug konnte das:
felbe nun nicht auch wiederholt werben.
Es ift aber auch ein Umſtand auszuheben, der die Ragnarsjaga,
nach ihrem älteften Beftande, von den Wölfungen wieder abzulöfen fich
eignet. Nigsmal, das Eddalied vom Urfprung der verfchiedenen Stände,
gibt dem jungen Jarl das Wahrzeichen, daß feine Augen ftechenb find,
wie die eines Schlängleins (Säm. 65, 31: Jarl l&tu heita u. f. w.
ötul väru augu, | sem yrmlingi), und in einem der Helgiltever, wo ber
Königsfohn ale Muhlmagd verkleidet ift, verrathen die ſcharfen Augen,
daß nicht Karls, gemeinen Mannes, Art an der Handmühle ftebt (Säm.
89, 2: Hvöss eru augu u. f. w. | era Pat karls «eit | er& kvernum
stendr [Schriften 7, S.291 f. H.). Vielfach in Lied und Sage dient ber
ſcharfe, ftechente Blid ala Zeugnis höherer Abkunft, fo eben auch für den
Wölſung Helgi und dann für Sigurd felbft 1; wenn aber in Ragnars⸗
faga und ihren Verſen noch der alterthümliche, durch Rigsmal erllärte
Ausdruck „Schlangimauge”“ gangbar tft (oben S. 474, Anm. 1), fo läßt
fih vermutbhen, daß dan.it vornherein noch einfach und ohne Bezug auf
den Drachentödter Eigurd bie eble Abftammung der Ragnarsſöhne auch
von Seiten der Mutter Aslaug, die aus ungewifier Ferne kam, be
kundet werden follte. Wie die Frage um Ebenbürtigleit der Ehen in
der Geſchichte germanifcher Königshäufer fich vielfältig und lebhaft be:
1 Sigurds Augen Fornald. 8. 1, 200. Seiner Tochter Svanhild Blick
ebd. 226. Aber auch anderwärts foldher Augenglanz, als Abzeichen höheren
Urfprungs: Regner, des Schwebenkönigs Sohn, bei Sare ©. 70 [Schriften 1,
&.203. H.]; Olo, däniſcher Königsjohn, ebd. 868. 370 bis 371. 392 bis 898,
(Beziglih auf Starcather ebd. ©. 298 u.)
476
wegt (Rechtöalterthümer 438 bis 440. Waik, deutiche Verfaffungs:[8,
87lgeichichte 2, 125 bis 128. Weinhold, deutfche Frauen 284 bis 290),
fo konnte die Behandlung besfelben Gegenftands auch im Gebichte nicht
ausbleiben. Hat ein beldenhafter König von feinen Ausfahrten eine
Gemahlin herrlicher Geftalt heimgebracht 1, wohl beichaffen zur Ahnfrau
eines mächtigen Geſchlechts, fo muß diefelbe aus zeitweiliger Verdunk⸗
lung, aus dem Herumirren im Wald und am Seeftrande, fagenmäßig
oder finnbilplih, in den angebornen Glanz und Ehrenftand mit ihren
Kindern wieder hergeftellt werden ?. Ahnliches, wie im Norden mit
Ragnar und Aslaug, begibt ſich bei den Angelſachſen, von denen auch
i Fornald. 8. 1, 244: hün [Kräka] var allra kvenna venst, en här
hennar var svä mikit, at tök [&] iörd um hana, ok sv& fagrt sem silki
u. ſ. w. 246: har hennar var biart ok sem & gull eitt sei. Aud in ber
Sage von Edric Wilde, Nuge curialium ©, £0: Erant autem pulcherrime
aspectu u. |. w. majoresgue nostris et proceriores. Unam tamen inter alias
notavit u. |. w. ceteris forma facieque prestäntem, super Omnes regum
delicias desiderebilem. &. 81: maximum erat fatalitatis argumentum in-
visa prius et inaudita species mulieris, et cum stupore omninm remissi
sunt ad propria.
2 Anperfeits läßt ein Stitd der Saga von Hernör und Heibref den Sohn
einer huniſchen Königstochter, welche der Reidgotenkönig Heidre! kriegsgefangen
als Kebfe (frilla) weggeführt und im nächſten Jahre zurüidgeichidt hat, in
eigener Kraft und Schönheit fidy erheben (Fornald. 8. 1, 455: var hann kal
ladr Hlödr; hann var allra menna fridastr synum, ok Pötti afbragd
annarra manna begar & finga aldri). Hlöd ift mit Waffen und Roſs, mit
ringumwobnem Helme (hiälmi hringreifdum), im heiligen Walde geboren
(borinn ... & mörk hinni helgu, ebd. 491; die vorangefidte Deutung bes
Sagenfchreibers erſcheint nicht ausreichend). So Hält er fidh für befugt, nad
dem Tode Heidreks von deſſen echtem Sohne gleiches Erbtheil zu verlangen, ein
alter Held am reidgotiſchen Hofe findet aber ſchon das Drittheil zu reichlich, das
der Bruder dem Sohn einer Magd (pyar barni,-nadyher ambättar son) ge
boten, möchte diejer auch ein geborner König fein (ok hött 86 borinn konüngr,
eben die Geburt mit Ringhelm und Nofs); der Kebsiohn ſaß auf dem Hügel
(d. b. außer dem Haufe, wie bie Hirten, Säm. 4, 84. 59, 4; vgl. Lex. poät.
304 a), als der Edling erbtheilte (PA hornüngr | & haugi sat, | er ödlingr
arfı skipti, dies wohl ſprichwörtlich, ebd. 495, vgl. Rechtsalterthümer 475 f.).
Die Berfe im Fornyrdalag über den eigentlichen Erbhandel. gemahnen im
Manchem alterthlimlicher, als was über die große Brüderſchlacht nachfolgt, im
welcher Hlöd erichlagen wird. Gefangene Königstochter, bedroht zur brinte,
tebefe, herabgemwitrdigt zu werden: Gudrun (Bollmeis Ausgabe) 1029 f.
477
noch die Edriesſage ftammt, mit dem erften Dffa und jeiner Heim:
geführten. Derfelbe verirrt auf der Jagd und trifft im dichten Walde
die derftoßene, den wilden Thieren ausgefehte Tochter des Königs von
York, die er zu einem Einfiebler und von da zu den Seinigen bringt,
nachher aber, vor allen Andern Föniglihen Stammes, zur Gemahlin
wählt. Nochmals wird fie, jetzt mit mehreren Kindern, mittelft Fälſchung
eines Briefs, den Dffa aus dem Feld erläßt, in ven Wald verwieſen
und bort mörberifch der Kinder beraubt, die jeboch der hülfreiche Ein:
fiedler durch Kreuzeözeichen und Gebet aus dem Tob ind Leben ruft.
Bon neuem auf der Jagd findet König Offa die ſchwer Vermiften [8, 88]
wieder und der Einfiebler läßt fi die Stiftung eines Kloſters ange
loben . Die eine Heimbolung aus der Wildnis ift hier verzmweifacht
1 Vita Offe primi (hinter Matth. Paris, hist, maj., herausgegeben von
Bats, London 1684) S. 9665: Et cum rex more juvenili venatus gratia
per nemora frequenter, cam suis ad hoc convocatis venatoribus et canibus
sagacibus, expeditus peragrasset, contigit die quadam, quod aöre turbato,
longe a suorum caterya semotus, 80lus per nemoris Opaca penitus ipsorum
locoram, nec non et fortun® ignarus, casu deambulabat, Dum autem sic
per ignota diverticula incautius oberraret et per invia, vocem lachryma-
bilem et miserabiliter querulam hand longe a se audivit, cujus sonitum
secutus, inter densos frutices virginem singularis forme et regii appa-
ratus, sed decore venustissimam, ex insperato reperit u. |. w. Erat autem
reguli cujusdam filia, qui Eboracensibus preerat u. |. w. S. 966: Hæco
igitur sola, relictis multis, etiam regalis stemmatis, sibi oblatis, compla-
cuit illamque solam in matrimoniam sibi adoptavit. Cum autem eam
duaxisset in uxorem, non interveniente multa mora, elegantissime former
utriusque sexus liberos ex eadem procreavit m. |. w. ©. 967: Apparitores
matrem cum piguoribus suis in desertum vastissimum trabebant. Matri
vero propter ejus formam admirabilem parcentes, liberos ejus, nee forms,
nee sexui, wetati vel conditioni parcentes, detruncarunt membratim u. |. w.
Mira fidei virtus et efficacia, signo crucis vivifice et orationis ac fidei
servi Dei virtute, non solum matris orbate animus reparatur, sed et ſilio-
rum corpnscule in pristinam et integrum naturs sunt reformata decorem;
nec non et anime mortnorum ad sua pristina domicilia sunt reverse u. |. w.
&. 967: Consilio igitur peritorum, gui noverant, regem libenter in tem-
pore prospero in studio venatico plurimum delectari, convocantur vena-
tores, ut rex spatiaturus venando, dolorem suum diminueret et Iuctum
solatio demulceret, Qui inter venandum dum per sylvaruım abdita, Deo
misericordierum et totius consolationise ducente, feliciter solas per invia
oberravit et tandem ad heremitorium memorati heremit® directe pervenit
478
und die rechtsſymboliſche Wiederbelebung zum frommen Wunder ge
worden.
In der Gejehgebung und in Geſchlechtsnamen, im Mythenlied
und in der Saga, in ber Legenne und im Märchen zeigten fich die
Sinnbilder des Todes und Wiederauflebens, des Schlafes und Er:
wachens auf den Abgang und die Erlangung, den Berluft und bie
Herftellung des freien ober höheren Standes angewandt. Die Behand:
lung und der Ausdruck ift ſehr verjchieben, deutlich aber wortlarg, um-
ſtändlich aber getrübt und zerfloflen. Bringt man jedoch diefe manig-
fachen Erzeugniffe in Zufammenhang und Bergleihung, fo dienen fie
einander gegenjeitig, Mangelndes zu erjegen und Ungehöriges abzu:
ftoßen. Auch die Todten von Luftnau hatten Anſpruch, aus jolchem
Gejammtlreife zu beſſerem Verſtändniſſe gebracht zu werden, indeß fie
jelbft wieder nach andern Seiten aufbellten. Die ſprechendſten Beweis:
mittel aber find für den Sinn bes Erftehend vom Tode die lange:
bardiſche Rechtsformel, für die Debeutung bes Ermedens vom Schlafe
die Flachsfajer 1.
26ten. Februar 1862.
ejusque exiguum domicilium subintrang humanissime et cum summo
gaudio receptus ıı. |. w. Vivit uxor tua cum Jiberis tuis in omni sospi-
tate restauratis.
1 [Man vergleiche auch Felix Liebrecht, Die Todten von Luftnau, in Ger⸗
mania 13, Wien 1868, ©. 161 bis 172. 9.)
2, 344) Zur denffhen Heldenſage.
1. Zigemund und Sigeferd.
Eine vielberufene Stelle des Beowulfliedes (Ausgabe von Thorpe
1739 ff.) beirifft den Drachenkampf des Wälſings Sigemund. Fällt
auch die Abfaffung bes Gebicht? um Jahrhunderte jpäter, als die Ein-
wanderung ber Angelfachien und als ihre Belehrung zum Chriſtenthum,
von deſſen mildem ‚und fittlidem Geifte der Erzähler durchdrungen it,
fo haftet jenes doch feinem Hauptbeftande nah an den Nachbarländern
ber altanglifchen Heimat, Dänemark, Jütland, Weftgotbland, mit Einem
Worte des Liedes: den „Scedelanden“!, und an bortiger Helbenfage
aus heidniſcher Vorzeit. Epiſodiſch wird aber auch die deutſche Nord⸗
feelüfte heveingegogen und Helden dieſes Bereichs find eben Sigemund
und fein Neffe Fitela. Nachdem Beomulf den mörberifchen Meerunhold
Grendel durch Abreißung des Arms aus der Halle des Dänenkönigs
Hrodgar vertrieben hat und hierauf die Spur des Todwunden bis zur
See, in deren Grund er fich verblutet, verfolgt worden ift, erhebt auf
dem Heimritt, zur Abwechslung mit den Wettrennen ber rüfligen
Jugend, einer der Königamannen, alter Sagen und Sänge kundig,
den Preis Beowulfs, deſſen Heldenthat ex denen Sigemunds an bie
Seite fteli. Er hat deren mande noch unbelannte gehört, Kämpfe
und weite Fahrten, Feindſchaften und Frevel, einzig mit Fitela voll-
führt, namentlich erzählt er, wie dieſe beitändigen Nothgefellen, Oheim
und Neffe, viele des Jütenſtammes 2 nie[2, 345]berftredten und wie für
1 Beomulf 38: Scede-landum in. Bgl. Bouterwek, Germania 1, 886
und in der Zeitjchrift für dentſches Alterthum 11, 67.
2 Beowulf 1771: Eotena cynnies; Die Drude von Kemble und Thorpe
ſetzen eo ebenſowohl wenn von Rieſen oder andern Ungethilmen die Nede if
480
Sigemund befonders hoher Nachruhm erwuchs, feit er den Wurm er:
ſchlagen, den gierigen Hüter bes Horts, unter grauem Steine, ex allein,
ohne Fitela, nur mit des burchbohrenden Schwertes Hülfe (vgl. 5744),
worauf er mit dem leuchtenden Schate das Seebot belud, ver Sohn
Mälfes, der Reden berühmtefter weithin über das Menfchengefchlecht,
der Kämpfenden Troft, fruchtbarer an Helventhaten (1804 f. vgl. mit
47 bis 50), denn nachmals Heremod, der in der Jüten feindliche Ge
walt fam, während bei den Scyldingen (Dänen) Boll und Fürften:
fühne ſchutzlos blieben 1.
Das Verhältnis diefer kurzen Angaben zu den altnorbifchen und
deutſchen Überlieferungen ift mehrfach erörtert worben ?, dabei blieb
(224 ff.: eötenas and ylfe, | and orcneas, | swylce gigantas. 846: estens
cyan = 848: niceras. 1341 und 152: eöten, Brendel), als wo der Zuſammen⸗
bang die Jüten, den Bollsftamm, erheiſcht (außer 1771, f. 1809 ımb 2294:
mid Eötenum. 1, 2184: Eötena treöwe. 2180 und 2286: Eötena bearn);
für beide Fälle ift nicht der Diphthong es, fondern die Brechung eo anzuneh-
men; dieſes Gleichlauts unerachtet (Über die verſchiedene Abftammung |. Sprachg.
736 f.) befteht aber nicht derfelbe Grund des gemeinfamen n für eotenas umb
Eotenas = Eotas, erftere find die Mehrzahl von eoten m. altn. iötunn, ba
gegen ift Eotaland bei Alfred (Beda 4, 16) provincia Jutoram, Widſidh 54 hat
Ytas — Eotas, altn. Ioter, die agf. Chronik (Ingr. 14) aber auch Iutnacynn,
und bei Alfred lautet eine andere Lesart Ytena land, zur Bezeichnung bes
Bolkes und Landes. Gleicherweiſe wechjelt in andern Bollsnamen ſtarle mit
ſchwacher Form, Beowulf 2418 und 5816, aud Widſidh 137: Frysum neben
Beowulf 2191: Fresena cyn, 2212: Frisna hwyle (Sprachg. 669); Beomwulf
5816 und Wipfioh 49. 137: Froncum neben Beowulf 2424: in Francna fedm;
ebd. 416: Gesta ledda u. f. w. (vgl. Widſidh 117) neben 891: Geötena ledde
und dem nom. sing. Gedta, 1207 u. ſ. w.; Widſidh 63: Syugum neben Finnsb.
49: Becgena ledd.
I Die Anknüpfung an Heremod läßt ungewis, ob biefer überhaupt nur,
zu feinem Nachtheil, mit Sigemund und Beowulf verglichen werden follte, wie
mit letzterem nochmals fpäterhin (3423 fj.), oder ob nicht Sigemund und Here
mod zuvor auch Kriegsgenofien wider die Füten waren. Am Hyndlaliede (Str. 2,
Mund 67) find fie, ald von Odin mit Waffen VBegabte, zufammen genannt.
3 Außer den Erklären des Beomulf ſ. befonders W. Grimm, Heldenjage
14 fi. und J. Grimm in der Beitfchrift für deutfches Alterthum 1, 2 fi. Zu
den an lebterem Ort aufgewiefenen ahd. Namen Welifunc und Gintarfizilo
fommen noch: in einer falzburg-kärnt. Urkunde von 928 einfach Fizzilo und in
einer ſolchen von 980 Uneliſinch (Archiv für Kunde öfterreichifcher Geſchichtsquellen,
Stes Heft, Wien 1849, ©. 18 f., vgl. Mone, Anzeiger 5, 484. Ebd. Unter
481
zwar die Belanntichaft des angelächſiſchen Dichters mit den in der
Mölfungenfage dargelegten Abenteuern Sigmunds und Sinfiötlis nicht
unbemerkt 1, zugleich aber ſtellte ſich die bedeutende Verſchiedenheit her:
vor, daß im Beomulf die Erlegung eines fchaghütennen Wurms dem
Bater Sigmund beigemefien wird, die man auf den Grund der ander
wärtigen Meldungen lediglich dem Sohne Sigfrib anzueignen und für
einen mejentlichen Theil feiner Sage anzujehen gewohnt ift. Dennoch
fann jenes alte, beſtimmte, auf reichere Kunde von Sigmunds Thaten
ſich berufende Zeugnis nicht leichthin abgewiefen [2, 346] oder durch bloße
Verwechslung erklärt werben (vgl. Heldenfage 16. 132). Selbft die
deutfchen Lieber, nad) melden Sigfrid einen Lindwurm ober Flug⸗
brachen tödtet, laſſen ihn nicht diefem, fondern den Nibelungsföhnen,
den Hort abgewinnen. Die vomehmfte Gewähr aber findet das Anrecht
Sigemunds im Zufammenbang und der Bebeutung des ihm zugetbeilten
Heldenwerks.
Der Kampf mit dem Drachen iſt ein vieldeutiges, je nach Voll:
fuchungen 97); die Form Sintarfezzil (Urkunde von 909, bei Ried) zeigt bereits
den Übergang von fizil, petilus, .n das nahelautende fezzil, m., faseiola, bal-
teus, faidilus (Graff 3, 736 f.), und in diefe Richtung fällt wohl aud das im
15ten Jahrh. erſcheinende Wort fchintfeffel, m., Troßbube, Rotterbube (vgl. Schmeller
3, 371. 9. Keller, Schwäne 46: Gegenſatz von fonig und ſchintfeſſel. Ebd.
Fasnachtipiele 254, 18: du ſchintfeſſel). Für J. Grinms Auffaffung fizil,
petilus, im Sinne der gefledten Mifchart, der unechten Abtunft (Sinfiötli war
Sigmunds Sohn und Neffe zugleih, Fornald. S. 1, 135: banr er bedi
sonarson Ok dötturscn Völsüngs konüngs, vgl. Säm. 87, 40: stiupr vartu
Biggeirs), aber auch für frühes Überfpielen in die Bebentung fasciola, ſpricht
ihon eine Stelle bei Paulus diaconus, hist. Langob. (Aug. Vind. 1515) 1, 24:
Tunc regis alter qui aderat filins... Langobardos injuriis lacessere cepit,
asserens, €08, quio suris interius candidis utebantur fasciolis, equabus,
guibus cruretenus pedes albi suns, similes esse, dicens: fetiles sunt eque,
quas simnlatis (vgl. gl. Trev, bei Graff 3, 426: petili, qui albos peder
habent) ı. |. w. Ein Held konnte gleichwohl Fitela, Sinftötli heißen, wie der
normännifche Eroberer fich feibf nannte: ego Wilhelmus, cognomine bastar-
dus (beutjches Wörterbuch 1, 1150).
1 Da von beiden gemeinfam verlibten Frevelthaten ift im Beowulf mit
demfelben Worte gedacht (1762: feehde and fyrena), unter dem fie im Helgi-
Iiede dem Sinfiötli vorgeworfen werden (Säm. 87, 40: gördir Pik fregjan
af firinverkum, Heldenfage 16, im Beomulf ift der Anreim fechde and firene
formelhaft wiederfehrend: 274. 308. 4953).
Utland, Schriften. VIII. 31
482
und Landesart manigfad) angewandtes Sinnbild. Zu ber gleichfalld
altherfömmlichen Verbindung des Drachen mit dem Horte Ing der erſte
Anlaß darin, daß die Schlange, als Bewohnerin ber Erphöhlen und
Steinflüfte, mit ihren immer offenftehenven Augen, über dem unter
irdifch verborgenen Gold und Ebelgelteine zu wachen fchien 1. In ihre
Geftalt verwandelt fih dann auch der Menſch, der miögünftige und
argwöhrifche Hüter feines aufgehäuften Schakes; fo in der Sigurdſage
Fafnir, der giftſprühend auf dem an ſich geriffenen Vatererbe liegt
(Säm. 1060. 1080. 109, 18), und noch einer der tapfern Jomswi⸗
finge, Bui, der von feinem geenterten Schiff, in jeder Hand eine Kifle,
über Borb fprang und verfanf, weshalb die Sage gieng, er fei zur
Schlange geworden und liege auf feinen Goldkiſten (Jömsvik. S. 6. 44,
Fornm, 8. 11, 139, vgl. ebd. 6, 143); angebeutet ift die Verwand⸗
lung auch bei Sigemunds Draden: „ver Unfelige batte mit Kraft er
rungen, daß er des Ninghortes genießen jollte nach eigenem Bebünfen“
(Beotwulf 1790 ff.). Dieß find allgemeinere Sagenzüge, für das Beo:
wulflied aber taugte Sigemund in der beſondern Eigenſchaft ala See:
held. Er holt den Drachenhort zu Schiffe und in ber almordiſchen
Saga, wie in ben betreffenden Stüden der Liederedda, ericheint das
Reich der Wölfunge überall ala ein Küftenland, ihre Ausfahrten ge
heben zur See und ihre Feinde legen mit der Flotte an, den tobten
Sinfiötli trägt Sigmund in den Armen nad einer Seebucht; dieſes
Reich wird bald Hünaland genannt, bald kenntlicher Frakkland ?, und
in der Beit, da der Volksname Franken kaum erft aufgetaucht ift, um
das Ende des Sten Jahrh., bat dieſes Bolt von feinem niederländiſchen
Gebiet aus ſich bereits durch Fede und weitſchwärmende Wilingfahrten
1 Phädrus, fab. 4, 119: ad draconis speluneam intimem, | cusie
diebat qui thesauros abditos u. f. w. (ſchon als Bild des Geizes) Fens,
de signif. verb. 1. 4: dracones... clarissimam dicuntar habere oculoram
sciem, qua ex causa incubantes eos tlesauris custodie causa finxerunt
antiqui.
2 Säm. 97: Bigmundr Völsungsson var konungr & Frakklandin.j.w.
För Sigmundr h& sudr 1 Frakkland til bess rikis er hann ätti har. Ex.
Arn. 1, Form. 26: Enn Pridi son Ödins er nefndr Siggi, hans son Verir.
beir längfedgar rödu par fyrir, er nü er kallat Frakland, ok er baden
sü ett komin, er köllut er Völsüänger (vgl. Fornald. S. 1, 320. 323).
483
ruchtbar gemacht 1. [2, 347] Nirgenbö jedoch wurde das Wikingweſen
ſchwunghafter und anhaltender betrieben, als von den Norbleuten, «8
galt für einen Hauptberuf der Rüftigen. Nordiſche Könige und Königs:
föhne, ſelbſi den heiligen Dlaf nicht ausgenommen, betheiligten ſich
eifrig an ber Beutefahrt (Zeuß 522 f.), man hieß das „fh Gut und
Ruhm eriwerben“ 2. Zugleich ift nun auch in den Sagen bed Nordens
der Drachenkampf um ben Hort, wie beim Wälfing Sigemund, ein
Sciffabenteuer, das von den namenkunbigften Helden ber Vorzeit bes
ftanden wird. Saxos Frotho I finnt auf Mittel, bei Erichöpfung bes
väterlihen Schages fein Kriegsvolk zu erhalten, und fährt ſodann, auf
den Anruf eines Mannes, in bem fi) Odin erratben läßt 3, allein wie
Sigemund, nad einer Inſel, wo er bem giftipeienden Wurne, der den
Hort im Berge bewacht, denſelben abkämpft und im Schiffe heimbringt
gleichen Inſelkampf berichtet Saxo von Fridlev U (1, S. 271 f.) und noch
i Mamert., genethl. C. 7: transrhenana victoris et domitis Oppressa
Francis bella piralica Diocletianum votorum compotem reddiderunt, Eu-
menius, pauegyr. Constautio 6. 18: Recursabat quippe in animos illa sub
divo Probo ct paucorum ex Francis captivorum incredibilis audacia, qui, a
Ponto usque correptis navibus, Greciam Asiamque populati, neo impune
plerisque Libyæ litoribus appulsi, ipsas postremo navalibus quondam vic-
toriis nobiles ceperant Syracusas et immenso itinere pervecti Oceanum,
qua terras irrupit, intreverant atque ita eventn temeritatis ostenderant,
nibil esse clausum piraticee desperationi, quo navigiis pateret accessus.
Nazarius, panegyr. Constantino &.17: Franci ipsi, prester ceteros truces, quo-
rum vis, yunm ad bella eflervesceret, ultra ipsum oceanum wsta furoris
evecta, Hispaniarum etiam oras armis infestas habebat u. f. w. (Zeuß 829.
W. Wadernagel in der Beitfchrift für deutſches Alterthum 9, 575).
2 8. Häkun. göda (Heimskr.) C. 4: hann [Eirikr] herjadi um Skot-
land ok Sudreyjar, Irland ok Bretland, ok afladi sör ev& fär. Fornm.
8. 4, 24: Haraldr konung för eitt sumar 1 hernad 1 Austrveg, at afla
ser fir. Sn. 1, 580: Drengir heita üngir menn bülausir, medan Beir
afla ser fiär eda ordstir.
3 Ingl. ©. C. 7: Ödien vissi of allt iardf®, hvar folgit var u. ſ. w.
4 Saro, herausgegeben von P. €. Müller, 1, S. 61 ff. Die Worte: Frotho
_ solitarius in insulam trajieit, ne comitatior belluam adoriretur, quam ath-
letas aggredi moris fuerat, flimmen mit Beowulf 1779: he [Sigem.)] under
härne stän n. |. w. | äna genedde | fre&cne dede: | ne wäs him Fitela mid.
Vgl. ebd. 5074 bis 5076. Säm. 99, 11: Mundu [Sigurdr] einn vega | orm
inn fräna u. ſ. w. Ribelange 89: Da der helt aleine An alle helfe reit u. |. m.
484
Ragnar Lodbrok, der gewaltigfte Seelönig und dad Haupt eine beer:
fahrenden Gefchlechts, beginnt, obgleich auf der Grenze geſchichtlicher
Zeit ftehend, feine Laufbahn vorbebeutfam mit der Erlegung eines
golpbrütenden Lindwurms (Fornald. S. 1, 237 ff. Sapo 1, 443 f.,
vgl. 1, 334 f.). Schon dieſe Zufammenftellungen mögen die Anficht
begründen, daß Wilingbeute und Drachengold dasſelbe feien, doch Tann
noch ein beſonders anfchaulicher Fall zur Beftätigung dienen. Das
iSländifche Landnamabuch melbet einfach, daß Thorir, der Sohn eines
der erften Einwanderer, auf Kriegsfahrt in der Finnmark Gold erlangt
babe und fortan ein mächtiger Mann gewefen fe. Bon biefem Gold»
thorir gibt es aber eine eigene, im Landnamabuche felbft genannte
Saga, in welcher das Abenteuer fo überliefert ift: der mittellofe Thorir
wird im Traumgefihte von einem Verwandten, König Agnar, nach
den Finnmarken gewieſen, wo ber Wiling Wali in Drachengeftalt über
[2, 348] vielem Golve brüte; ſofort reift er mit feinen Pflegbrübern zum
Gebirg am Meere, wo er in einer Höhle die Dracden mit dem Helm
auf dem Haupte und dem Schwert unter den Schwingen fchlafend
findet, die meiften mit ihren eigenen Schwertern töbtet und das Gold
erobert. Weiter auögefponnen ift die Kunde von Walt im Anhang einer
dritten, vomanhaften Saga; bier entflieht dieſer Wiling aus einem
verlorenen Seegefechte mit zwei Golbfiften auf ein Borgebirg; auch
tabin verfolgt, ftürzt er fich nieder in einen Stromfall, feine beiven
Söhne folgen ihn, fie werden alle drei zu Flugdrachen und liegen in
der luft unter dem Waflerfalle, mit Helm und Schivert, auf dem
Golde, bis Goldthorir dort eindringt 1. Dffen ftellt fich in biefen drei
FSaflungen der eigentliche Ausprud neben den bilblichen, der bis in das
gänzlich Märchenhafte überjchweift . Die gemwaltthätige Bereicherung
auf fernen und vermwegenen Seefahrten wurde burch das dichteriſche
Mittel des Kampfes mit dem Drachen ober auch mit den Geſpenſtern
erbrochener Grabhügel in geheimniövollen Glanz gehüllt.
Man müfte fih mundern, wenn bie Dracdenjage, die dem now
1 Landnämabök P. 2, K. 19 (Isl. S. 1, 95 f.): Pörir für Gtan, ok
var 1 hernadi; hann f&kk gull mikit & Finnmörk u. |. w. Porir var it
mesta afarmenni. P. E. Müller, Sagabibl. 1, 101 f.: Auszug der unge
drucdtten Gullböris-Saga. Halfd. 8. Eysteinss., C. 26 (Fornald. 8. 3, 556 fi.).
2 Ein „wazzermäre* vom Golbland: Gudrun (Bollmer) 1128 fi.
485
diichen Seeleben jo manigfady angeeignet werben ift, von ber alt
mythiſchen Auffafiung des Meeres felbjt unberührt geblieben. wäre.
Nach diefer ift das fluthende Meer die mächtige Bewegung bed Mid:
garbivurms, der erbumgürtenden Schlange, deren Ungeftüm von Thor,
dem Schutzherrn ber Menfchenftämme, befämpft wird. Ein Ehrenname
dieſes Aſenkämpen ift „des Wurms Alleintödter” (Säm. 38, 22: orms
einbani,, vgl. S. 483, Anm. 4). In der Endeszeit fchwellt die Mibgarb-
Schlange, ans Land ftrebend, die MWogen, fie bläft dann ihren Eiter,
ihr Gift, fo gewaltig auf, daß Luft und Meer davon gänzlich über-
Iprengt wird und daß Thor felbft, der fie mit dem Tobesftreiche trifft,
nachdem er neun Schritte zurüdgemichen, von dieſem Gifthauche leblos
niederfinlt 1. Das Eiterblajen, Giftfpeien, auch bei andern Drachen»
kämpfen ver berfümmliche Ausdruck?, wird, wie hievor vom Gifcht des
[2, 349] tobenden Meeres, ebenfo in einem Skaldenliede für das Braufen
reißender, von Thor durchwateter Bergftröme gebraudht ®; der Wafler:
ſturz beißt weiter in ber Dichterfprache Ylugftrom * und demgemäß
werben die in die Stromjchnelle fpringenden Wilinge der Sage. von
Bulltborir zu Flugdrachen 5. Zurüdgeführt auf jene Vorftellungen, bie
in den Göttermythen noch verftänblicher behalten find, erfcheint nun
1 Säm. 6, 49: ormr knfr unnir. Sn. 1, 188: b& geysist hafıt &
löndin, fyrir bvi at Pä snyst Midgardsormr 1 jötunmöd ok sekir upp
& landit u. |. w. Midgardsormr blass svä eitrinu, at hann dreifir lopt
öll ok lög. 1, 190 f.: börr berr banaord af Midgardsormi, ok stigr hadan
braut IX fet; pᷣâ fellr hann daudr til iardar fyrir eitri pvi, er ormrinn
blass 4 hann. Säm. 6, 55. Schon bei Thors früheren Zufammentreffen
mit ber Meerfchlange heißt es von diefer, im Staldenlied und in ber Profa:
bl&s eitri, eitrinu, Sn. 1, 414. 110.
2 Bon Fafnir Säm. 180 a: bl&e hann eitri. 109, 18: eitri ek fneesta.
Fornald. S. 1, 160: hann fnysti eitri alla leid fyrir sik fram. Bgl. Saro 1,
©. 62: rapida jactatum fauce venenum. 1, S. 444: pertinaci romitu ac
veneno conspuere decertabant. Exon. 156, 32 ff.: on vyrmes bleo... atire
spiovdon.
3 In Eilifs Thoredrapa, En. 1, 294: par er eitri ... biodär fnestu.
4 ©. Egilsfon, Lex. post. 17a: Llugstraunr, m. rapiditas flaminis
(Grett. 8, 69, 1). Auch vom Meere, ebd. 1866: flugastraumr, m. rapidus
zstus maris (Sn. 1, 328).
5 Fornald. 8. 3, 558: Hellir etôr var undir fossinum, ok köfadu
beir fedgar hängat, ok lögdust & gallit, ok urdu at flugdrekum.
486
aud der Inſel- und Stranddrache Sigemunds und der cıden See
könige als das fturmuolle Meer felbft, dem der gefährliche Goldhort
abgelämpft werden muß. Wo der Held für feinen Theil mit riefen
baften Naturgewalten zu ringen bat, die im MWeltganzen der Gott
bändigt, ba beivegt fich die Heldenfage in derſelben Symbolik mit ber
Götterfage. ,
Beomulf, der Hauptheld des angelfächfifchen Gebichts, ift ausge
ſprochen ein tapferer Seefahrer, ein Scifferfürit (Beomulf 1008:
merefara, 3251: lidmanna helm); wie Sigemund bie Jüten, befriegt
er auf folden Fahrten die riefen und Franken, zugleih aber und
vorherrfchend verkehrt auch er im Wunderbaren ala Bewältiger bes
wiberfpenitigen Elementes felbft. In früher Jugend erwirbt er jenen
erften Ruhm burch Bertilgung der Seeungethüme (niceras, seedracan)
und durch ein vieltägiges Wettichwimmen im Kampfe mit foldhen; feine
leuchtendſte Mannesthat ift der Sieg über die graufenbaften Meergeifter
Grendel und befien Mutter, im hoben Alter noch rettet ex mit dem
Dpfer feines Lebens das eigene Reich vor der Wuth eines verheerenden
Drachen. Die erfte Nennung Grendels mit dem Beifng: „ver fund:
bare Grenzgänger, der Moore, Sumpf und Strand inne hatte” (Beo
wulf 206: msere mearc-stapa, se be möras heold, fen and festen).
fein und feiner gleichbefchaffenen Mutter (2699 ff.) Aufenthalt in ber
Waſſertiefe, zufammen mit dem trefflihen Landſchaftbilde des wilben
und nebligen Moorgegend (2719 ff.), läßt nicht im Ungewiflen, baf
diefe menfchenivürgenden Rieſenweſen, deren ‚unheimliche Wohnftätte
ſelbſt der gehetzte Hirfch meibet, Feine andern feien, als bie Plagen
einer verfumpften und verpefteten Meeresbucht; in dem landverwüſtenden
Flug: und Feuerbrachen aber ift, dieſer Bezeichnungen unerachtet, ein
Bild der einfallenden Sturmflutb erfannt worden !. Gifiblafen und
Feuerſpeien ift in den Drachenſagen ſchon durch ſprachlichen Zuſammen⸗
bang gleichbedeutend? [2, 350] und ber von Beowulf bekämpfte Feuer⸗
t Bol. Müllenhoff in der Heitfchrift für deutſches Alterthum 7, 422. 428.
2 über die Berüßrung des ahd. und mhd. eit, agf. Ad m., Feuer, mit
dem abgeleiteten alth. eitar, mhd. eiter, altm. eitr, agf. ätor n., @ift, f. Ry
thologie 528. 658. Gr. 3, 352. Graff 1, 152. 158. Bouterwel, @loffar 14.
Bencde 4275; Zeitwort: ahd. eitjan, Graff 1, 152, mhd. eiten. tr. und inte,
487
drache beißt ebenmäßig Giftfchäbiger 1, zugleich aber ift feine Behauſung
den Waflerwogen an der Lanbfpige, der Meerbrandung, dem Fluth⸗
fampf nahe (Beomwulf 4477 f.: wester-Jdum neäh, | niwel be neesse.
4814 ff.: bolm-wylme neäh, | Yd-gewinne); der getöbtete Wurm wird
über die Uferklippe in die See geftoßen (6254 ff.). mit feinen Gluthen
bat er eine Außeninjel, ven Schutzwall bes Landes, zerftört (4655 ff.);
feine Flüge, nad) denen er mehrfach benannt ift (Iyftfioga, wiäfloga,
gudfioga, uhtfloga), vergleichen fi) ven Flugftrömungen und Flug⸗
brachen des Meere und der Stromfchnellen?, fen Einbruch dem
wogenfchlagenden Landftürmen des Midgardwurms, deſſen emporge:
blajener Eiter Luft und Meer überfprüht (S. 485, Anm. 1), und von
demſelben Giftqualme fällt der volkrettende Held, wie dort der göttliche
brennen, glüben, MS. 1, 886a: ir munt . . eitet als eins dralen kel (Be
nede a. a. D.).
1 Beomulf 5371: fJr-draca. 4655 und 6073: lig-draca. 4613 f.: ongan
gl&dum sptwan; daneben 5670: Attor-sceadan (vgl. Exon. 357, 24). 5428:
ättor (Krone 496 f.: der eitrige drade . . mit dem viure warf. 695: von ben
zwein eiterbraden). Den von Sigemund erfchlagenen Wurm ſchmelzt die Hitze
(Beowulf 1799: wyrm hät gemealt), Frothos Inſeldrache ſpeit bremmendes
Gift (Saro 1, S. 62: sanies, qnod conspuit, urit, vgl. 1, S. 4413). Auch andre,
erflärte Meerunholde find giftig und feuerglühend zugleid;: Brendel, der eitrige
Heimfucher (ettren ellorgest) im Raffergrunde, bat fo heißes Blut, daß davon
die Schwertllinge brennt und ſchmilzt (Veowulf 3285 ff); Grimr Ögir, der
auf dem Fluthrande (i fleedarmäli) von Hleſey gefundene Sohn einer See
riefin (siogygr), auch fonft ein ungethiimlicher Doppelgänger Grendels, hat
brennenden Athen, ſpeit abwechſelnd Gift und Teuer (eitri edr eldi, vgl.
Gädmon 2, 79: fyre and ättre. Säm. 132, 27) und erhebt ſich während
eines Kampfes in die Luft als eiterfpeiender Flugdrache (hann barst undan
1 lopt upp f flugdreka ok spi6 eitri, Fornald. 8. 3, 241 f. 339, vgl.
Mythologie 969; grimr ſtaldiſch für Schlange Sn. 1, 484. 2, 487. 570,
siofar grimr bezüglich auf ten zur Geefchlange gewordenen Bui, |. oben S. 482,
Lex. post. 2725. 276.«).
® Anm. 1 a. E. ©. 485, Anm. 4. 5. Die Borfiellung von Feuer⸗
und Flugbrachen, bier auf Meer und Strom angewandt, muß in mehr
fachem, von diefer Beziehung unabhängigem Sinne gangbar gewefen fein, vgl.
Säm. 7, 64: dreki flingandi. 182, 54: vestan sd ek fliuga | Vänar dreka.
Ketils Hengs S. K. 1 (Fornald. 8. 2, 111): ser bann dreka einn fliuga
at sär nordan Gr biörgunum. Faye, norske Sagn (1888) 74 f., vgl. 68 ff.
Thidr. 8. K. 105. 858 (Unger, &. 121. 304 f.). Hümen Seid Str. 17 f.
123 f.: in geſtalt eins fewrin trachen. 144.
A88
Erbbefchirmer!. Beowulfs zweifache SKampfbereitfchaft, als Kriege:
mann und als Meerbänbiger, läßt fih, vom finnbilkliden Ausdruck
entfleidet, in einer tüchtigen Geftalt unmittelbar aus dem Leben ver:
anſchaulichen; nach altfriefifchem Rechte [2, 351] muß der freie Frieſe
jeden Tag das Ufer beivahren gegen die falzige See und gegen den
wilden Wiking mit fünf Waffen, mit Spaten und mit Gabel, mit Schilb
und mit Schwert und mit Speeresſpitze ?.
Den Erinnerungen an Eigemund und Fitela folgt im Beomulf:
lieve bald ein etwas größeres Sagenftüd, das beim Siegesmahl in ber
von Grendels Morbiverle gereinigten Halle der Sänger des Königs
Hrobgar vor den Heerführern Halfdans (fo hieß Hrodgars Vater) zum
Saitenfpiele vorträgt. Er beginnt mit dem Falle Hnäfs, auch eines
Helden Halfdans, im Kriege mit den Friefen, ftellt aber fogleich von
Seite der letztern eine tieftrauernde Frau in den Vordergrund, Hilbe-
burg, die Gemahlin des Friefenkönigs Finn, des Sohnes von Folk:
walda. Sie bat ſchuldlos in demjelben Kampfe Kinder und Brüder ver:
loren und auf dem Scheiterhaufen bes feindlichen Häuptlings läßt fie,
in Gefängen jammernd, audy die bluttriefenden Leihen ihrer Söhne
vom Teuer, „der Gäſte gierigitem”, verfchlingen; beider Völker Glüd
ift enttwihen, die Dänen und Süten haben einen Führer eingebüßt,
der Friefenfürft feine meiften Dienftmannen, darum wird ein Vergleid
gefchlofien und die Gewalt über das Land hälftig getheilt; gleichwohl
hält Hengeft, Hnäfs Genoſſe, der den Winter über in Friesland
bleibt, das Schwert zur Rache bereit und im Frühjahr kommen zei
1 Der beiprochene Flugdrache ift zugleich ein Erddrache (Beonulf 5417 und
5464: eord-draka), wie jener Sigemunds ein Hliter des Horts „unter granem
Steine” (ebd. 5100 und 5482: under härne stän, vgl. 1779). Es fragt fid
aber, ob nicht hier zweierlei ſymboliſche Sagenbilbungen zufammengearbeitet
jeien, der Dradenlampf des ſchatzerobernden Wilings, aus Beowulfs jüngeren
Fahren, und ein jpäterer des Land und Leute wahrenden Bollsfürften. Den
Wurmhort auf den winterlich verjchloffenen Neihthum der Pflanzenwelt zu deuten,
dafür kann ich anderwärts in deulich-nordifcher Drachenſage feinen genügenden
Anhalt finden.
2 Nichthofen, Frieſiſche Rechtsquellen 388a: truch dae need, dat hy [dy
frya Frese] dyne owera biwarria schil alle daghen toienst dyn salta se ende
toienst dyn wyldsa wysingh ınyt vyf wepen, myt spada ende myt furka,
myt schield ende myt swyrd ende myt etkeris oerd u. |. mw.
489
andre fchiwertberühmte Jüten, Guͤdhlaf und Oslaf, erlittenen Schmerzes
gedenk, zur See angefahren, da wird der über ihre bittern Vorwürfe
aufbraufende König Finn mitten unter feiner Schaar -erfchlagen und
bie Königin mit allem Schatz aus Finnessham zu den Dänen hinweg⸗
geführt 1.
[2, 352] Diefer hartnädige Kampf zwiſchen den Friefen und ben in
ihr Land eingevrungenen Dänen und Süten fällt in einen durch das
ganze Gedicht fich hinziehenden feindlichen Gegenſatz der norbifchen
Wilinge und ber beutichen, hauptſächlich friefiihen und fräntifchen
Küftenbevohner. Beowulf jelbft bat wider diefe Völker mächtig ge
firitten, er iſt Begleiter feines Oheims Hygeläc auf deſſen unglücklichem
Seezuge nach Friesland, Hygelaͤc wird im Gefechte mit den verbundenen
Friefen und Franken erichlagen und feines koſtbaren Schmudes beraubt,
der Neffe rettet fi), nachdem er große Nieverlage angerichtet, durch
feine wunderbare Schwimmfertigfeit. Hier find es gothlänbifche Heer:
fahrer (Geätas, Swgeätas, Wederas), welche den veutfchen Strand
heimfuchen, neben dem allgemeinen Frankennamen aber und flatt des⸗
1 Beomulf 2130 fi. Die tragifhe Wirkung verflärkt ih, wenn man mit
Ettmüller (Scöpes vidsid 17) und J. Grimm (Über das Berbrennen der Leichen
43) Hildeburh für Hnäß Schweiter anfleht, jo daß fie die Söhne zum Bruber
auf den Scheiterhaufen legt; wirffi hat fie Kinder und Brüder im Kampfe ver-
Ioren. (Beowulf 2150 ff. vgl. 2140 f.), fie if Höces Tochter (ebd. 21567) und
day Widſidhslied (3. 59) kennt einen Hnäf als Herrjcher über die Höcingas,
in denen man den Namen Chauci, eines vielfach mit den riefen genannten
‚Boltes, finden will (Spradg. 674 ff.), befrembli aber ift eben darum, daß
ein Holing auf Seite der Dänen und Züten fechten fol („was Verwirrung
jcheint“, bemerkt Jacob Grimm felbft), und eigens noch wird Hnäf, der Held
Halfdans, des Dänenkönigs, als Angehöriger der Scyldinge, wieberum der
Dänen, zubenannt (Beomulf 2142 f.: heled Healfdenes | Hnzf Scyldinge,
nemlich wigend, cempa u. bgl., wie 3107: Gedta cempa, 4998: Huga cem-
pan, 3131: freca Scyldinga, 2312: sceötend Scyldings, zugleid ohne Beiſatz
754: Hredeli Gesta, 2386; Beowulf Gedta, 2409: Hygeläc Geäta, nemlich
eyning, drihten, leöd, vgl. Gramm. 4, 261, auch 2221 f. heißt Hnäf: Here-
Seyldinga | betst beadofinca, was ihn vom Fürſten der Holinge (Hnef
Höcinga), nachdrücklich unterjcheidet. Drtsbezeichnungen in angelfächfifchen
Urtunben, Hnwfes scylf, Höces byrgels, Höces häm, Höscing med (Kemble,
the Saxons in England, 1, 419), zeugen mit für allgemeineren Gebrauch der
betreffenden Mannsnamen.
4%
jelben verlauten die beionbern niederfränlifhen: Hetware (4715. 5824),
Hugas (4998. 5820), Merewioingas (5834). Die Hetware mit ihrem
Feinde Hygelac haben dem Beowulflied einen wichtigen gefchichtlichen
Anhalt verfchafft, fie find aufgezeigt als Chattuarii, in deren Küſten⸗
land der König Chodhilaigus mit feinem dänischen Schiffsvolk um 515
einen verheerenden Einfall machte und fofort von Theudebertus, den
fein Bater, der Frankenkönig Theudericus, mit einem großen Heere
dorthin abſchickte, befiegt und erichlagen wurbe !, wozu merkwürdig bie
nieberländifche Überlieferung, in einer Handſchrift des 10tem Jahrh.
jtimmt, daß auf einer Inſel an der Rheinmündung die Gebeine des
riejenbaften, von den Franken erfchlagenen Getenlönigs Huiglaucus be»
wahrt und als ein Wunder gezeigt werben ?; bie Merewioingas find
als Merovingi bargetban, zum meropingifchen Königsſtamme gehörten
aber jene beiden, Theoderich und Theobebert, und da der Kampf mit
Chodilaigus fagenberühmt geworden ft, fo konnte füglich auch das
Widfivhslied unter die altanfehnlichen Herrichernamen den Gebieter ber
Franken Theodrie Stellen (Widſidh 49: beodrte weold Froneum)?; die
Hugas find erläutert durch eine Meldung der Queblinburger Chronik
(Anfang des I1ten Jahrh.), wonach derſelbe Theoderih, von dem bier
die Rede ift, Hugotheodericus genannt wurde, meil einit alle Franken
Hugones gebeißen haben ; die durch Anreim verknüpften. Hauptnamen
1 Grundtvig, Bjowulfs Drape, Kjöbh. 1820, LXI f. Die Belegftellen
aus Gregorius Turanenfis 3, 3 und Gesta regum Francorum 6, 19 bei eo,
über Beowulf 4 f., und Thorpe, Beowulf XXV.
2 Haupt in der Beitjchrift für deutſches Alterthum 5, 10. Hier flatt
Dani ver fränkiſchen Geſchichtbücher näher zutreffend Gete, die Gedtas
des Lieds.
3 Bachlechner, in Hanpıs Zeitichrift 7, 524 ff., begründet Merewioingas
= Merowiginga. Die Sage, monad ihr Ahn Merovig von einem der See
entfliegenen lingethüm erzeugt iſt (Fredegars epitome bei Bonquet 2, 396, und
Conradus Urſperg. Arg. 1009, &. 92. Myth. 364), prägt auch fie zu Angehörigen
des Meeres. Später heißt zugleich das Bolt der Franken Merovingi, das
Sand Merovingia (Waitz, deutiche Verfafjungsgeichichte 2, 37).
4 Annales Quedlinb. (Berk 5, 31): Hugotheodoricus iste dicitur, id est
Francus, quia olim omnes Franci Hugones vocabentur a suo quodam
duce Hugone. Bu dieſer Stelle f. Heldenfage 88, Sprachg. 675, Müllenbofl
in der Beitfchrift für deutſches Altertum 6, 437. Ich theile die Anficht
Müllenhoff®, wonach Hugas und Hugones (flarle und ſchwache Form, ogl.
491
— —
Francas und [2, 353] Frisas geſellen ſich ebenſo in einem Liebe der
Orvarodds⸗Saga, das biefen norwegiſchen Wiking fich feiner Angriffe auf
nieberdeutfche Volksſtämme berühmen läßt!. Die lebte und vollftän«
digfte Zufammenftellung der den Seegothen Hygelaͤcs gegenüberftebenden
Völlernamen (5813 ff.) fchließt damit, daß feit diefem Kriege den Gothen
die Gunft ber Merewioinges ftetd vorenthalten war (us wees & syddan |
Merewioinga milts ungyfede), und biebei weilt die Wahl bes Wortes
milts, milde f., Gnade, Milde, fonft von ber göttlichen gebraudt
(Bouterwet, Gloflar 213), nicht unwahrfcheinlih auf die Machtftellung
des merovingifhen Herrſcherſtamms . Das Verhältnis der Franken
und riefen unter ſich tritt bei Bergleihung der einzelnen Stellen fo
hervor, daß die Landung der Seegothen in Yriesland ergieng und das
fräntifche Heer zur Vertheidigung der Yriefen beraneilte.
Solch feinvfeliger Stellung niederdeutſcher Stämme zu flandina-
vifchen gehört e8 denn auch an, daß ſchon Sigemund und Fitela,
gleichfalls in Frankland heimiſch, Allviele des Jütengeſchlechts mit
Schwertern gefällt haben (Beomwulf 1770 ff.). Erbfeinde der Wölfunge
waren, nach nordiſcher Sage, der König Hunding und feine Söhne;
Hunding wird von Sigmunds heerfahrendem Sohne Helgi erfchlagen,
der davon den Beinamen Hundingsbeni erhält, und auch mehrere Söhne
des getödteten Königs, die den Yall ihres Vaters rächen wollen, befiegt
und erlegt derfelbe junge Wölfung (Sim. 84, 10 bis 14. 89 bis 91.
©. 480, Anm.), nicht aber Hagas und Chauci zujammenfallen; für letzteres
Ramenpaar ift die Lautausgleihung fehwierig, auch würden die angeljächfifchen
Gedichte nicht wohl denſelben Bollsnamen in zwei fo verſchiedenen Yormen, wie
Hugas und Höcingas (im Beowulf ſelbſt Hugas und 2157 Höces döhtor),
wiedergegeben haben.
1 Beowulf 5816: Froncum and Frysum. Widſidh 137: mid Froncum
ic wäs and mid Frysum. Fornald. 8.2, 551 (vgl. 279 f.): Hefi ek & Saxa |
ok & Svia herjat, | Frisi ok Frakka | ok & Flemingja. Dlaf Tryggvaſon
erhält von einem feiner Skalden ben Ruhmesſsnamen Frieſenfeind (Fagrsk. 63:
fylgda ek Frisa dolgi, vgl. ebd. 56. Heimskringla, 8. af Ol. Tr. €. 26,
Str. 3).
2 AUnderwärts ift zwar bon einem Triefenlönig Beowulf 0000: Fres-
cyninge) die Rede, dem ein Kämpe der Hugas, Dägbrefn, den Bruſtſchmuck
Beouralfs vergeblich erringen wollte, aber als Tübter Hygelaͤcs und Eroberer
feines Bruftgeihmeides werden Franken (2424 fi.) oder Hetware (5894 ff.)
genannt.
492
Fornald. 8. 1,136 f. 220, vgl. Saxo 1, 80), aber andre Hundingsſöhne
landen mit Heereskraft in Sigmunds Reich und nun fällt diefer in der
Schlacht (Säm. 976. Fornald. 8. 1, 143 ff. 320), wofür fein Sohn
Sigurb nachmals blutige Rache nimmt; der ganze Hergang ift im
Vorwort zum letzten Helgilieve einfah fo ausgebrüdt: Unfriede und
Feindlichkeiten beftanben zwifchen ben Königen Hunbing und Sigmund
fammt ihren Geſchlechtern, fie erichlugen einander die Blutsfreunde
(Sim. 89a, vgl. Gr. 4, 295). Das Reich des exftern wird ebenbort
Hundland genannt [2, 354] und Widfidh kennt ein Volk Hundingas!,
doch ift die Lage des Landes nicht näher angezeigt, außer daß bie
Hundinge in das Gebiet der Wölfunge zur See gelangen (Fornald.
S. 1, 144: vikingar hliöpu fr& skipum vid Övigan her) und auf
gleihem Wege von ihnen heimgefucht werben; einzelne Hinweifungen
auf Jütland find noch unficher ?, dennoch läßt fich vermutben, daß
angelfächfiich und altnorbiih Ein Hauptfeind der Wölfunge gemeint
fei, dort unter dem allgemeinen Namen des sütenvolls, bier unter
dem eines einzelnen jütländifhen Stammes und Bezirks, wie auch
unter den Gejammtnamen Franken und Frankland mehrere Sonder:
namen begriffen find.
Der Abjchnitt des Beowulflieds vom Zufammenftoße Hnäfs und
Hengeftö mit dem Friefenfürften Yinn, Folcwaldas Sohne, leitet auf
den Streit zu Finnsburg über, wie man das allein erhaltene Brud:
ftüd einer andern angeljähfiichen Dichtung zu nennen pflegt (hinter
Thorpes und Kembles Beowulf). Sein Inhalt tritt vor den Anfang
der in Hrodgars Halle gejungenen Friefenmäre und ift folgender. Der
1 Sim. 89a: Hundingr hät rikr konungr, vid hann er Hundland
kent, Widſidh 48: Mearchealf [weold] Hundingum.. 164: [ic wäs] mid
Hundingum. Gänzlich utopif find Hundingjar, Hundingjaland, in Hialm-
ters S. (Fornald. S. 3, 453 ff.) und Sturlaugs S. (ebd. 592 fi.).
2 Auf Hundbland find die norbjitifcden Ortsnamen Hundborg, Hundslund,
Hundstrup u. |. w. bezogen worden (Finn Magnufen, den släre Edda 4, 313).
Unklar ift der Seeweg von Frankland aus zu Hundings Söhnen, wie er in
Nornagests S. (Fornald. S. 1, 320. 327) angegeben wird. Saro (1, S. 80 f.),
der den Hundingstödter (Hundingi interemptor) Helgo mit einem däniſchen
Könige gleiches Namens verwecjelt, läßt die Niederlage des Sachſenkönigs
Hunbing bei der Stabt Stade vorgehen, Helgo wird Hierauf Oberberr bes den
Sachen entriffenen Jütlands (Jutiee Saxonibus erepte).
493
fampfrüftige König (Finn) fieht in der Nacht Feuerſchein! und ruft.
aus: „Dad taget nicht von Oſten, noch fliegt hier ein Drade, noch
brennen diefer Halle Hörner ?, doch brennt es hier fort; Vögel fingen,
Heimchen zirpen, bie Kampfftange Ihallt, Schild antivortet dem Schafte;
jet leuchtet der Mond, wandelnd zwifchen Wollen; jet erftehen Web:
tbaten, wollen diefen Volkshaß vollführen; aber wachet [2, 355] nun
auf, meine Krieger, haltet eure Lande, ſeid bedacht auf Mannheit, ftreitet
an der Spige, ſeid feftmüthig!" Da erhebt ſich mancher goldgeſchmückte
Degen, gürtet fich mit dem Schwerte, da jchreiten zum Thore die ebeln
Kämpen Sigeferbb und Eaha, ziehen ihre Schwerter, ebenfo an andern
Thoren Ordlaͤf und Guͤdhlaͤf, Hengeft felber folgt ihrer Spur; Gaͤrulf
aber wirft Guͤdhhere vor, daß diefer, ein fo adliches Blut, nicht im
erften Augenblide zu den Thoren der Halle fein Waffenzeug trage, nun
fie der harte Feind wegnehmen wolle; vornehmlich aber fragt der folge
Held unverholen, mer das Thor halte. „Sigeferbh iſt mein Name”,
Ipricht Jener, „ih bin ber Sergen Fürſt (Sécgena leöd), ein weit⸗
kunder Rede, vieles Web hielt ich aus, viel harter Kriege, dir ift noch
bier beftimmt, was immer du felbft mir anhaben willt”. Drauf hebt
in ber Halle fih Schlachtgetds, der Schild ſoll nicht zur Hand ge:
nommen werben, ber Beinjchirm fehlen 3, Die Burgdiele dröhnt, bis im
1 Das Bruchſtück beginnt mit der mangelhaften Beile: ... nas byrnad
neefre; meines Erachtens war das vorn abgebrochene Wort: beäcnas und der
Sinn diefer: daß niemals Balen, Feuerzeichen, Lärmfeuer, fo Hell gebrannt
haben, als jetzt das nächtliche Funkenſprühen der zufammengeidhlagenen Waffen,
was nachher (3. 71): swurd-ledma, Schwertleuchten, Schwertflamme, beißt.
gi. bedcen n. (altf., bökan, ahd. pouchau, altır. bäkn, vgl. beutfches Wörter-
buch 1080), signum, portentum; namentlich altfriej. beken, baken, auch in
der Pluralform und mit dem Beitwort berna, für Lärmfener, um das Bolt
zu verfammeln (Hichthofen, altfriefifches Wörterbuch 622, vgl. Grottas. Str. 18,
©n. 1, 888). Das agſ. bedcen wird, vermöge der allgemeineren Bebeutung
des Wortes, auch für den aufleucdhtenden Morgen gebraucht: Beowulf 1148 f.
Cadmon 3274 f. |
2 3.6 f.: ne her Pisse healle | horn nes [hornas? 8.) ne byrnad; horn-
artige Binnen gaben auch dem Saale Hrodgars (sele-beih and horn-geäp)
ben Namen Heorot, Hirſch (Beowulf 157 fi., vgl. Säm. 94, 36 vom Hirſch⸗
falbe felbft: horn glöa | vid himin sialfan). |
3 Bgl. Saro 1, &. 101: Nemo lorica se vestiat u. f. w. | in tergum
redeant clipei, pugnemns apertis | pectoribus u. |. w.
494
Kampfe GArulf fällt, der erfte von all viefen Landgenofien, Gudhlaͤfes
Sohn, ibn umgeben manch wadrer Feinde Leichen, der Nabe ſchweift,
ſchwarz und fahlbraun !; Schwertflamme fteigt auf, als ob Finns Burg
gänzlich im euer ftehe. Nie hörte der Dichter rühmlicher im Männer:
ftreite fechzig Helden ſich gehaben, noch Sang und glänzenden Meth
seicher vergüten, ala Hnäfes junge Geſellen ihm vergelten ?; fünf Tage
fechten fie, jo daß Feiner biefer Gefolgihaft fällt und fie das Thor
balten. Dann geht der wunde Held (Hnäf) hinweg, feine Brünne,
fagt er, fei gebrochen, fein Heergemand mürbe und aud fein Helm
durchhauen. Das Blatt bricht damit ab, daß ihn de? Volles Hirte
(Hengeft) über den Stand des Streites befragt.
Es war ein epifcher Brauch, der Erzählung großer Kämpfe einen
Frühruf voranzufchiden, durch den bie ſchlafenden Helben geweckt werben.
In Walhöll weckt Heimdalls Horn und der krähende Hahn Aſen und
Einherjen zum furchtbaren Endesſtreite (Säm. 4, 34 f. 6, 47. 29,
23. 95, 47). Die alten Biarkamäl riefen Hrolf Krakis Gefolge mad
am Tage des gemeinfamen Untergang3 und das nortwegifche Heer,
welches Dlaf der Heilige noh im Jahr 1030 zu der verhängnispollen
Schlacht bei Stifleftad mit eben diefem vorzeitlichen Sange weden lieh,
benannte denfelben hüakarla-hvöt, Anfeurung bes Hausvolts d. Wenn
der Eingang des altnorbifchen Liedes [2, 356] die tiefe Morgenſtille vor
dem nahenden Schlachtfturme damit bezeichnet, daß man den erften
Flügelfchlag des Hahns rauſchen hört (Dagr er uppkominmn, | dynja
1 Zu diefem -Rabenflnge vgl. J. Grimm, Andreas und Elene XXV fi.
2 Den Sagbau in Finnsburg 74 bis 81 vgl. mit Beowulf 2058 bis 2069.
3 8. Olafs k. ens helga. Ghriftiania 1853, 207 f. Heimskringla, 6.
Ol. bh. 220. Der Auf zu Finnsburg (3. 18 f.): onwacnigead nü, | wigend
mine! halit auch im Biarkifange: vaki ok vaki, | vina höfud! (bei Saro 1,
©. 90: ocius evigilet u. |. w.) und nod in den einem nieberbeutfchen Ofterjpiel
einverleibten Liedesreften: Wale, ritter kone, n. |. w. | wale, ritter ftolt, | unt
vordene niyt eren dyn golt u. ſ. w. | walet, rittere, dat is ſchiere dad, | it
vorneme der morghenfterne lady Mone, Schaufpiele des Mittelalters 2, 40 f. 60).
Das Gubrunlied, tm Abfchnitt von Herwigs friegerifcher Brautwerbung, bejagt
(689, vgl. 1856 f., 1360):
DO noch die beide fliefen in Hetelen fat,
‘dd ruofte ein wahtäre vür bie burg ze tal:
„wol Af in der jede! wir haben vremede gefte,
und wäfent iu, ir beide! ich fihe von manegem helme giefle.“
495
hana fiadrar), fo durften in angelfächfiicher Dichtung, der überall das
vegfte Naturgefühl innetvohnt, Züge nicht fehlen, wie die fingenden
Bögel und zirpenden Heimchen, die das Waffenfeuer für Tagesanbruch
balten (Thorpe, Anm. zu 3. 9 f.). Deutſche Sagenliever gedenken
häufig der im KRampfgetümmel zertretenen Feldblumen, mitunter aud)
der durch Harniſchglanz und Waffenlärm aufgeftörten Walbvöglein 1.
Nicht minder gehört das lohende, nachterbellenne Teuer der Schivert-
fhläge zum Stil der beutfchen Heldengebichte . In Biarkamäl mar
bringend an die Wohlthaten des goldfpendenden Könige gemahnt, fo
wie an die Gelübde bei feinem Trinfmahl?, ba jedoch im angel:
1 Sigenot (von der Hagen) Str. 86: die troſchel und die nachtigal | al
muften gefanges fmeigen | von iren ungefugen legen, | die tierlein in dem walde |
die fluhen von den wegen. Eckenliet (Laßberg) Str, 104: Gem tag jungen
din vögelfin, | Eggen brünn und Hiltegrin | ir fingen überllungen. | Si ahtent
niht uf ir gefant, | von frit ir baider beim erklank, | fi enruochten, was fi
fungen. (von der Hagen) Str. 242: noch liehter wen die fieren | jo was ir
paider harnaſch clar, | das Hab wir wol geharet, | was vogel in der nobe war,
die wurden al zuftoret, | fo laut erkracht der grune walt, | do fie den ſturem
hnben | die beren degen palt.
2 9. B. Nib. 1999: Ei fingen durch die ſchilde, daz ez lougen began
von viwerroͤten winden. 2212, 4: von ir zweier ſwerten gie ber fiurrote wint.
Gudrun 644: Ofte ſluog üz helmen den viurbeizen wint | Herwic, ber. herre,
647, 2 f.: liuhten in began | der louc fiz gefpenge u. |. w. Dietrichs Flucht,
von den Nachtkämpfen vor Raben, 3340 ff.: daz feuer non den heimen pran, |
von flarfen legen day gefchadh, | daz man da von als wol geſach, | als ob ed
wär umb mitten tag. 8432 ff.: aus den helmen wät baz fewer, | fih mohte
ein raflanger tat | wol davon entzundet hau. Ebd. 8754 ff.: daz fuwer auf
gelafte, | janı ob perge und tal | alles prunne uberal.
8 Saro Buch 2, Ausgabe von P. E. Müller 1, ©. % f.: Dulce est nos
domino percepta rependere dona u. |. w. | Enses Theutonici, galee armille-
que nitentes, | lorice talo immiss®, quas contulit olim | Rolvo suis, me-
mores acuant in prelia mentes n. ſ. w. | Omnia que poti temulenio promp-
simus ore, | fortıbus edamus anımis et vota sequamur | per summun
jurata Jovem superosque potentes (vgl. Beowulf 964 fi. 5259 ff.) Hier
ſcheint Echtes hindurch, dagegen find die drei Strophen gulls heiti (Bu. 1,
400 f.), obgleich zu Biartamal gerechnet, für ſtaldiſche Ausſchmückungen anzu:
jehen und können nicht mit den einfachen Bejäten in Olaf S. aus Einem
@uffe fein. Vgl. noch Fornald. S. 1, 560: miök vora ver margir, | er
vör miöd drukkum, | nü eru vör fterri, er ver fleiri skyldum. Nib. 1897, 8
(der zornige Hagen): nu trinken wir bie minne unt gelten Sküneges win.
4%
ſächſiſchen Bruchftüdle der Gefolgherr felbft aufruft, fo wendet er fi
befier allein an den mannhaften Sinn feiner Kämpen. Dagegen wird
nachher gerühmt, wie herrlich ftreitend Hnäfs junge Gefährten ihrem
Führer vergolten, und zwar wohl aud den [2, 857] glänzenden Meth,
aber an erfter Stelle den Sang (3. 78: sang ne hwitne medu), alle
Hebung und Begeifterung, die fie jenen Heldengeſängen in ber Halle
des Häuptlings zu danten hatten.
Der Kampf nun, zu mweldem im Beginne des Bruchftüds geweckt
wird, ift augenjcheinlich ein Theil derſelben, wenn auch auf verfchiedene
Weiſe geftalteten Sage, von der ein anbrer Theil in der Zwiſchen⸗
erzählung des Beomwulfliedes vorliegt. Zwar ift in den wenigen Zeilen
des Bruchftüds weder von Friefen, noch von Jüten oder Dänen au
drüdlih die Rede und ber König, auf defien Burg der Angriff ge
ſchieht, wird nicht mit Namen eingeführt, auch ift der Königin Hilde⸗
burg nicht erwähnt, indem aber ber Königsſitz nachher als die Burg
Finns bezeichnet wird, wie im größeren Gedicht ala Finnes Heim?, fo
banbelt e3 fich unverkennbar dort, wie bier, um den Frieſenkönig Finn,
Folcwaldas Sohn. Die feindlichen Heerführer find beiden Orts Hengeft
und Hnäf und wenn leßterer im Bruchitüde ſchwer verwundet und mit
zertrümmerter Rüftung abgeht, fo fchilvert das Beomulflieb feinen
Leichenbrand und bezeichnet als feinen Töbter den Friejenfürften Finn
(2208 f.); ebenjo ftehen das einemal Güphläf und Oslaͤf, das andremal
Ordhlaͤf und Gübhiäf zufammen, diefem aber wird im Sturm auf
Finnsburg fein Sohn GArulf erjchlagen, der im Beowulf zwar nicht
vorfommt, deſſen Tod man aber nun auch bei den ſchmerzvollen Bor:
twürfen mit im Hintergrunde vermuthen Tann, welche dort von Guͤdhlaͤf
und Dsläf dem König Finn gemacht werden und jogleih in das Werk
der Rache übergehen (Beomwulf 2300 ff.). So genau feheinen die beiden
Stüde fi zu fugen, daß in dem einen der Kampf ein nächtlicher ift,
im andern Hildeburg die blutige Niederlage der Ihrigen fieht: „nad:
dem der Morgen kam“ (Beomulf 2159: eydpan morgen com). Syenes
Tonnte, meiter geführt, all das enthalten, was in dieſem vorausgeſetzt
2 Finnsburg 72 f.: swylce eal Finns buruh | ffrena were. Beowulf
2816: et Finnes-häm, vgl. 2257 f.: Frysland geseön, | bämas and
he4h-burh.
497
ift, Hnäfs Tod, die Wendung des Schlachtglüds, den Fall der Könige:
Söhne, der Brüder Hildeburgs und der meiften Dienftmannen Finns.
Schwieriger ift e8, einen Umstand auszugleichen, ber, nicht bloß in
diefer Hinfiht, nähere Beleuchtung forbert. Hrodgars Sänger bleibt
ftreng bei den ſchweren VBerhängniflen bes friefiichen Königshauſes und
berührt Feine Namen aus andrem Sagenfreife, deren Beiziehung ben
Eindrud des Hauptgegenitandes ſchwächen könnte. Ausſchließlich im
Bruchftüde werben brei Krieger auf Finns Seite genannt: Sigeferdh,
Eaba. und Güdhhere. aha, font unbelannt, ift etwa einer der
friefifchen Königsſöhne; helleren Sagenklang haben die zwei andern
Namen und diefem Klange nachzugehen, ift anziehenb und belangreid.
Sigeferdh gibt fich jelbit näher Fund als Herrn der Secgen (Finns⸗
burg 49: Sécgena leöd) und auch das Widſidhslied befagt, dap SA:
ferdh über die [2, 358] Siegen herrſchte (Widſidh 65: weold Seeferd
Syegum), fowie daß der Sänger bei Sachſen und bei Siegen mar
(ebd. 125: mid Seaxum ice wäs and mid Sycegum), anderswo ift
diefer Volls- oder Stammname nicht zum VBorfchein gelommen. Sicgas,
Secgan (ftarte und ſchwache Form), gleich Sigjas, Segean!, auf einen
Namend: und Stammvater bezogen, finden biefen in dem altmorbifchen
Sigi, Odins Sohne, defien Nachkommen Sigmundr, Signy, Sigurdr
die Lofung fortführen?. Während aber die nordiſchen Quellen das
Geſchlecht Sigis Völsunger und insbeſondre den ‚Vater Sigmunds
Völsungr nennen, beißt dieſer im Beowulfliede richtiger Wälse und
wird Sigemund bier nicht ala überhaupt zum Stamme gehörend, fondern,
nach angelfächfischer Weile, als Wälfes Sohn (Beomwulf 1798: Wüälses
eafera), Wälsing genannt (ebd. 1758), demgemäß dann aud in ben
zwei andern angeljächfifchen Gedichten Sigeferbs Stamm und Bolt nit
dur Wälsingas, fondern durch Siegas, Söcgan, auögebrüdt wird.
Diefe Siegas reihen fih, da ihr Fürſt die Burg des Friefenlönigs ver:
1 Bol. Br. 1, 2te Ausgabe, 265. 645. 768. Förſtemann, deutiches Na-
menbuch 1086: Sigeo, Sicgo, Siggo, Sicco.
2 J. Grimm im der Beitfchrift für deutfches Alterthum 1, 4: „Sigurdr
ift gebildet aus Sigverdr, wie dögurdr, prandium, aus dagverär, fett alfo
eine altnieberbeutfche form Eigeferd für Sigefred voraus.“ Diefe Übergangs-
form gibt das angeljächfiiche Bruchftüd. Bei Kemble, cod. diplom. evi Saxon.,
Sigefred, Sigemund.
Uhland, Schriften. VIU. 30
498
theibigt, im bemerkten Gegenfahe beuticher und norbifcher Bölferichaften,
unter bie den riefen bülfreichen Francas, Hugas, Hetware, Mere-
wioingas. Iſt nun durch Vorftehendes die Aufftellung angebahnt, daß
Sigeferd, Seeferd, lein andrer fei, alö der deutſche Sagenheld Sifrit,
nordiſch Sigurdr, jo liegt e3 auf gleichem Weg, in dem neben Sigeferd
genannten Güdhere den König Gunthere bes Nibelungenlieds, alt
nordiſch Gunnar, zu erkennen: ber Sänger Widſidh war auch bei ben
Burgunden und ift dort von Güähere beichenkt worden (Widſidh 131 ff.
vgl. 40). Was jeboch die Helden: und Stammnamen nur anzeigen,
das kann erft ım Zufammenbang und Inhalt der Sage feine feftere
Gewähr finden.
Der Angabe feines Namens und des Bolfes, dem er vorfteht, fügt
Sigeferb hinzu, daß er, ein weitbekannter Rede, vieles Weh, viel harter
Kriege durchgemacht babe; damit verkündet fich Togleich ein Berechtigter
zur Helbenfage, auf ähnliche Weile, wie bei Sigfrids erfter Einführung
in das Nibelungenlied 1. Fragt man nad einem bejondern Anhalt
diefer allgemeinen Ausſage, fo bietet ſich biefür aus früherer Jugend
(abgejehen [2, 359] vom Dracdenfampfe, der im Beowulf dem Bater
Sigemund zugeichrieben wird) in altnorbiihen Meldungen Sigurbs
Heerfahrt gegen Hundings Söhne, an denen cr ben Tob feines Vaters
und mütterlihen Großvaterd rächt?; er läßt dazu Sigmunds zer
brochenes Schwert neufchmieben, fie fahren im Seefturme bin, den
Ddin, als Mann vom Berge ins Schiff tretend, ftillt, nad heißer
Schlacht wird dem Töbter Sigmunds ber blutige Aar auf den Rüden
geferbt, überall echt alterthümliche Züge und zugleich Sigurd, wie bie
ältern Wölfunge, noch entjchiedener Meerfahrer?. Die Betheiligung
1 Finnsburg 49 ff.: ic eom Söcgena leöd, | wrecca wide cd (vgl
Beowulf 1800 ff. von Sigemund: se wäs wreccena | wide meerost u, ſ. w.);
fela io weana geb&d, | heardra hilda. Nib. C, Laßberg 161 ff.: E daz der
degen chilene vol wüehſe ze man, | dd bet er folhiu wunder mit finer baut
getän, | dä von man immer mere mac fingen unt jagen u. |. w. Bgl. ebb.
340 ff. Auch bei der Ankunft zu Worms 102, 4: er hat mit finer kreſte
[€ finen ellen] jö manegiu wunder getän.
3 Sigeferd3 fela wedna (Anm. 1) kann auf ſchmerzende Berluſte dieſer
Art weilen, wie Beowulf 2804: wesns del darauf, daß, außer dem Führer
Hnäf, Gudlafs Sohn gefallen war (oben &. 494).
3 Säm. 106 f. Fornald. 8. 1, 154 bis 158. 180. 320 fi.
499
am Streite zu Finnsburg fällt erft in die Zeit, als Sigfrid in Ge
meinſchaft mit Gunthern, ober für denfelben, Kriege führt; von dieſer
Zeit fprechen, allgemeiner gehalten, Zeugniſſe der Wölfungenfage:
Eigurb und die Giukunge feien weit durch die Lande gefahren, haben
manches Ruhmeswerk ausgerichtet, viele Königsſöhne getöbtet und große
Kriegsbeute heimgebracht; ferner: Sigurd habe fünf Könige erichlagen;
doch gibt er felbft auch Giukis Söhnen die Ehre: fie haben den Dänen:
fönig und einen anbern großen Häuptling erlegt 1. Dänenkriege be:
fonders, von Sigfrid, als Heerführer oder Genoſſen Gunthers und
feiner Brüder, fiegreich burchgefochten, find die in Nornageftfaga
(Fornald. 8. 1, 329 fi.) und im Nibelungenlieve, mit ganz ver-
ſchiedenen Namen der norbifchen Gegner, erzählten; ba fie aber zu
Sigeferds Kampfe wider Hnäf und Hengeft keinen näheren Bezug
geftatten, fo find fie hieher nur infoweit von Gewicht, als fie über:
haupt, unter allem Wandel ber Sigfridsſage, das Gedächtnis ihrer
alten Heimat gefriftet haben. Dasfelbe bekundet fi auch im fort:
währenden Zurückſtreben nah dem Meere: zu Brünhild, die „über
je” wohnt, ift Sigfrid Schiffmeiiter, denn ihm find die Waflerftraßen
befannt, aud nad und von dem Nibelungenlanve, wo er ben großen
Schatz hat, fährt er „jö verre üf dem je" (Nibelunge 325. 366 f.
451 f. 477).
Diele äußere Gemeinſchaft Sigeferds mit den norbifchen und
deutichen Überlieferungen wird nun aud durch die, wenn gleich mit
wenigen Strichen gegebene Charakterzeichnung ber beiden Kriegsgefährten
innerlich lebendig. Es ift ein burchgreifender Grundzug ber Sigfrids⸗
füge, daß die Nibelunge Macht und Ruhm gänzlid dem Welfung zu
verdanken haben, daß überall Gunther mehr nur den Namen, Sigfrid
bie That hergibt. Die Mutter der [2, 360] Giukunge reicht dem kühnen
Sigurd einen Zaubertranf, um ihn, feiner Liebe zu Brynhild vergeſſen,
an ihr Haus zu fnüpfen; fie und ihr Gemahl wiſſen, welche Hülfe
1 Fornald. 8. 1, 184: beir forn uf vida um lönd, ok vinnu mörg
frwgdarverk, dräpu marga konungasonu, ok engir menn gerdu slik afrek
sem peir; fara nü heim med miklu herfangi (vgl. Säm. 117, 2). 1. 19%:
hann [Sig.] drap .. 5 konungar u. |. w. 1, 195: ekki erum vör [Sig.)
göfgari menn, enn synir Giuka; peir dräpu Dana konung, ok mikinu
höfdingja brödur Budla konungs.
500
fie an ibm haben würden, und ihre Söhne ftellen ibn höher ale
fih 1; erſt mit ihm verbrübert, find fie fieghaft auf Heerfahrten; Sigurd,
in Gunnar Geſtalt durch die Waberlohe ſprengend, erwirbt biefem Die
Braut, der Bank der Königinnen Brynhild und Gubrun beim Haar:
waschen am Strome, welche ven beberzteren Gemahl habe, wirb durch
den Ausfchlag für Sigurd ihn zum Tode, Brynhild felbft aber wirft
hierauf, nad) der Saga, ihrem Gatten vor, Sigurd fer durchs Feuer
geritten, babe den Wurm und fünf Könige erichlagen, nicht Gunnar,
der blaß geworden, mie ein Tobter, und weder König noch Kämpe
fei; dichterifcher läßt das Eddalied fie dem ſchuldhaften Gunnar ver:
fünden, mie fie im Traum ihn freublos, gefeflelt, in das Heer der
Feinde reiten ſah und wie alles Geſchlecht der eidbrüchigen Niflunge fo
ber Macht verluflig gehen werde? Im Nibelungenlieve räth fogar
der grämliche Hagen, den jungen, heldenkräftigen Gaft durch guten
Empfang zu verpflichten 3; Gunther hat dann des befolgten Rathes
hauptjächlich zu genießen, ala Sigfrid, durch die Tarnlappe unfichtbar,
für ihn die mislihen Wettipiele mit Brünhild beiteht unb dabei bie
für fein ganzes Verhältnis zu Gunthern ausdrucksvollen Worte ſpricht
(Nibelunge 429, 3): „Rü habe du bie gebärbe! diu were wil ich begän“;
auch feherzhaft wird das verbeutlicht, indem Sigfrid dem an den Nagel
gehängten Könige die Braut bezwingen muß; noch im Morbrathe fträubt
ſich Gunther, ben zu verderben, der ihnen zu Heil und Ehre geboren
1 Fornald. $. 1, 182: [Grimhildr] sa, at engi maätti vid hann iaf-
nast, s& ok, hvert traust at honum var ıt. ſ. w. Konungr var vid hann
sem vid sonu sina, en peir virdu hann framar enn sik. 1, 183: Giski
konungr mellti: margt gött veitir pü oss, Sigurdr! ok miök hefir p&
styrkt värt riki.
2 Ebd. 1, 192: hann [Sig.] reid eldion u. ſ. w. hann drap orminn
ok Reginn, ok 5 konungar, en eigi bi, Gunnärr! er hä fölnadir sem
när, ok ertn engi konungr nö kappi (vgl. Säm. 120, 36). Säm. 126, 16:
en fü gramr! ridir | glaums andvani, | fiötri fatladr, | ? fiända lid; |
svä mun öll ydur | sett Niflunge | afli gengin, | erud eidrofa (vgl. Fornald.
8. 1, 202). |
3 Nibelunge 102:
Wir fuln den jungen herren enphähen defter baz,
daz wir iht verdienen des inellen reden haz u. |. w.
er hät mit finer krefte fo manegin wunder getän.
501
jet !. Nicht anders verhält es fih aud in den Sachſen- und Dänen
friegen. Als, wieder nach dem deutſchen Liebe, die Boten von Sachſen⸗
land und Dänemark Krieg anbroben, verwandelt fi) Gunthers ge:
wohnte Fröhlichkeit in Trauer, Hagen verweift ihn auf Sigfrid (Nibe⸗
lunge 150, 4): „Ir fult eg Stfrive ſagen,“ und auch hier fpricht biefer
bezeichnend (158, 3): „Lät mich in erwerben ere unde fromen!“ (173,3 f.:)
[2, 361) „Belibet bi den frouwen und traget hohen muot! | ich trou iu
wol behüeten beide &xe unde guot“ (vgl. ebd. 829). So geichteht es dann:
Sigfrid überwältigt den Dänenkönig Liudgaft mit Schwertitreichen und
erfchlägt die dreißig Reden, bie ihren Herrn befreien wollten (Ribelunge
184 ff.), vor ihm muß auch der Sachjenlönig Liudger die Sturmfahnen
nieberlafien (ebv. 214 ff.). Nach Nornageſtsſaga bittet Gunnar in ber
Schlacht wider Gandalfs Söhne den ftet3 bereiten Sigurd, es mit dem
feindlichen Hauptlämpen, dem riefenhaften Starkad, aufzunehmen, meil
fie fonft nichts ausrichten würben?, und Sigurd treibt fofort den furcht⸗
baren Gegner in die Flucht. Am Thore der Finnsburg nun iſt Sige:
ferd ber erftgenannte unter den Reden, die zur Vertheibigung berbei:
geeilt find, ver Borfechter des blutigen Kampfes, in welchem ber ans
ſtürmende Garulf, dieſer erſte feines Volkes, fällt, wogegen Guͤdhere
vom Feinde felbft beicholten ward, daß er, ein jo ablider Dann
(Sinnsburg 38: freölic feorh), in der dringenden Noth nicht alsbald
fampfgerüftet erjchienen fei. Die gleihen Namen, biejelben Eigen:
Ichaften, der nemlihe Gegenſatz, altnordiſch Sigurdr und Gunnarr,
altdeutſch Sifrit und Gunthere, nunmehr ebenfo angelſächſiſch Sigeferd
und Güdhere, wie will man all dieſes Zutreffen anders erflären, ale
durch die Einheit der Perſonen eines gemeinfamen Sagenfreifes und bie
zäbe Stätigleit epifcher Charaktere? Nirgends iſt auch fonft in den
Sagen bie Spur eines Sigfrids oder Gunthers, welche jenen bie Stelle
ſtreitig machen Tönnten.
Befremden kann es, dab im Beomwulf beim Sriefenftreite Sigeferd
1 Nibelunge 815:
Der künic ſprach: „Lat bliben den mortlichen zorn!
er ift uns ze fälben unt ze &rem geborn.“
Bol. 811. Laßberg 8888 ff.
2 Fornald. S. 1, 330: Gunnarr bad Sigurd sekja imott beim manns-
kelmi [Stark.], bviat hann kvad svä eigi duga mundu.
502
und fein Begleiter gar nicht genannt find. Zwar hörte die Kriegs⸗
genoſſenſchaft bed Stegenfürften mit dem Yriefenfönige von felbft auf,
ale nad dem Falle Hnäfs und andberfeitig ber meiften friefiichen Ede⸗
linge zwifchen Finn und Hengeft ein Friedensſchluß (Beowulf 2196:
fäste friodu-wäre) beſchworen war; auch ereignet ſich Finns gemalt
jamer Tob erft im folgenden Jahr und nicht in neuem Volklskriege,
fondern bei einem von Gublaf und Oslaf erhobenen Hader mit bem
reigbaren König (ebd. 2297 ff.). Allein das Beowulflied gibt benn
doch einen größeren Umriß dieſer Geſchichten, es hat früher Sigemunbs
mit Fitela wohllundig gedacht und ſchweigt nun gänzlich vom berühm-
teren Sohne Sigeferd, den bier zu nennen fo naher Anlaß getvefen
waäre und dem dagegen das Bruchftüd fo bebeutenden Antheil am Kampfe
zuerlennt. Damit wird man auf bie vermittelnde Annahme getiefen,
daß zwar, was bereit3 angebeutet wurde (S. 497), die ältere Gage
von der Friefen Noth, wie fie im Beowulf zu Grunde liegt, nichts
von Sigeferd enthalten, dieſelbe jedoch, vermöge des allem Epos imn-
wohnenden Triebes, feine Kreife tet? weiter auszudehnen, im Verlauf
ihrer fortwährenden Entwidlung einen Haupthelden der auch jonft im
Kampfe gegen die nordifhen Wilinge mit den riefen verbünbeten
Srantenftämme an fi) gezogen babe. Mit Sig[2, 362]frid ift Gunther
nad Friesland gelommen, die Waffenbrüberfchaft diefer Beiden aber
beruht felbft ſchon auf eines Verſchmelzung fränkifcher Sage mit bur-
gunbifcher und ihr gemeinfamer Eintritt in das Lie von Finnsburg
jet voraus, daß die Sigfribsfage bereits in jenem Berbande bei ben
Angelfachfen verbreitet war.
Wie im 9ten und 10ten Jahrh. die norwegischen Anſiedler auf
Island, fo hatten gewiß auch vie beutfchen Stämme, welche fich, feit
der Mitte des Bten Jahrh. zahlreich anbringen, ber britifchen Inſel
bemädhtigten, zuvörderſt die drei Hauptoöller, Sadfen, Angeln und
Süten (mit ihnen wohl auch riefen, vgl. Lappenberg, Geſchichte vor
England 1, 98), beträchtlich jpäter Dänen und anbre Norbmänner,
das Sagenerbe ihrer alten Heimat in bie neue herübergebradt. Für
einen fortwährenden Verkehr in diefer Richtung zeugt das Beowulflied
ſelbſt, das weſentlich in den alten Scevelanden malte und doch zw
gleich, mit Hygelac und ben Hetwaren, an einer gefchichtlihen That:
fache haftet, die geraume Zeit nach der großen Einwanderung in
303
Britannien fich begeben bat. Sind auch der angelfähliihen Sagen:
lieder wenige, fo erweiſt fich doch ein reihausgebilveter Stil des Helben-
fang fogar noch in den legendenhaften und andern geiftlichen Dicht:
werten, gerade wie altſächſiſch im Helianb, es fehlt aber aud nicht an
beftimmten Anzeigen einer vielumfafienden Sagenkunde. Diejelben
erftredten ſich mehrfach auf den bier abgehanbelten Gegenftand. In
die Stammtafeln der angelfächfifchen Köntgsgefchlechter find nicht, mie
in jene bes Nordens (Sn. 1, 26. 522. Fornald. S. 2, 10. Sim. 69,
24 f.), auch Welfunge eingereibt, doch ericheint in- mehreren Heremod,
der im Beowulf mit Sigemund zufammen genannt ift, und in ber
tentiichen Finn mit feinem Vater Folewald, wie in vemjelben Liebe
Finn Folewalding, auf Finnsburg Sigeferbs Berbündeter (Mythologie,
1te Ausgabe, Anhang XI. XV, vgl. En. 1, 24). Diefe Stammtafeln
mögen anfangs bezweckt haben, die Könige jämmtlicher in Britannien
gegrünbeter Reiche durch gemeinfame Abftammung von Woden einheit⸗
lich zu verbinden; wenn jedoch allwärts Namenreiben noch über ven
jelbft ſchon zum irbifchen König gewordenen Woden binauffteigen,
darunter eben auch foldde mit Finn, Folcwald und Heremod, jo läßt
fih dieß damit erHlären, daß die längft befeftigte nähere Stammfolge
nicht geftört werben follte, aber auch hier ein Beftreben rege war,
weitere durch Lied und Sage vollafundig geworbene Namen in die Ge
meinſchaft ber altangehörigen beizuziehen. Man fühlt überall das
Wirken eines verfühnlichen, dulbfamen Sinnes, der auch unter einft
töblidh verfeindeten Stämmen jedem Theile fein Recht und feine Ehre
wiberfahren läßt. Das Widfidhslied gibt in einer langen Aufzählung
fagenberühmter Fürften und Völker auch manche und bebeutenbe, bie
bieber anklingen, und meift jchon einzeln hervorgehoben wurben; im
Berzeichnis von Herrſchern aus voriger Zeit: Gifica gebot den Baur:
gunden, Mearchealf den Hunbingen, Gefiwulf den Yten (Jüten), Finn
Folewalding dem Friefenftamme, Säferb den Siegen, |2, 363] Hun den
Hetivaren, Hrodgar Tämpfte zu Heorot; unter den Völkern, welche ber
weitgewanderte Sänger felbft befucht hat: Siegen, Burgunden mit ihrem
König Gudhere (Gificad Sohne), Franken und Friefen, Hundinge.
Ser, wie in den Stammtafeln, find es meift bloße Namen, aber die
Epifoden im Beowulf und das Brucdftüd von Finnsburg erfchließen
den Ausblid in die vollgeftaltete Sage, die hinter ſolchen Namen ftand;
5304
mit dem Einen Stammnamen Hundinge rührt fi) der eivige Hiadninge
ſtreit zwifchen jenem Geſchlecht und den Wellungen, deſſen Gedächtnis
fonft nur in den altnorbifchen Denkmälern bewahrt if. Das Beowulf⸗
lieb felbft handelt zwar vor Sigemund nur in kurzer Nebenerzäblung,
aber mit neuen und erheblichen Umftänven, indem es einerjeitö biefen
alteren Welſung ald Drachentödter noch im Scheine des Wunberbaren
zeigt, anderjeits ihn und feinen Neffen Fitela als Belämpfer des Jüten:
volks gefchichtartig vworführt; die Erwähnung beiber Helden an dieler
Stelle ift fchon dadurch bebeutfam, daß auch bie Zwiſchenſpiele des
Liebes fich innerhalb der Seegebiete halten, die es fih im Ganzen ab-
geftedt bat. Enblih das Bruchftüd weiſt den Sohn Sigeferb auf bie
Wege des Vaters, in den Streit wider jütifhe Wilinge, und verſetzt
ihn mitten in die Handlung eines Heldenlieds, das amt deutichen Nord⸗
jeeftrande feinen Schauplat hat.
Der Hinblif auf die örtlichen und völferfchaftlicden Zuſammen⸗
bänge, mie fie in dieſen angelfächfiichen Zeugniſſen fich berausftellen,
fann au einer Unterfuhung nützlich fein, melde tiefer auf das Weſen
und .den beiwegenten Gedanken der Welfungenfage einzugehen unter:
nimmt.
16, 307} 2. Der Rofengarten non Worms.
Die Lieder vom großen NRofengarten, tie auf gleicher Grundlage
doch in der Ausführung mehrfach verichieden find, bringen den jugend:
lichen Dietrich von Bern und feine Genoſſen mit den rheinifchen Reden
je in der Zwölfzahl zu ebenfo vielen Einzellämpfen zufammen, mittelft
welcher Kriemhild, König Gibichs Tochter, in einem roſenblühenden
Garten bei Worms die gegenjeitige Heldenkraft ſich meſſen läkt!. Als
I Den Texten, welche W. Grimm in der Hauptfchrift (Der Rofengarte u. |. w.
Göttingen, 1836) mitgetheilt oder nad Klaſſen (A bis E, Einleitung 11 f.)
verzeichnet bat, find durch ihn noch die Bruchſtücke in der Zeitſchrift für
deutjches Alterthum 11, 248 fi. 536 ff. und, als Nachlaß, in den Abhand-
Iungen ber Berliner Alademie 1869, S. 484 bis 500 gefolgt; hiezu kommen
die Abbrüde aus der Bommersfelder Handſchrift durch Bethmann in der Zeit-
ſchrift für deutſches Alterthum 5, 369 f. und dur K. Bartſch, Germania 4, 1 fl
905
Beſtandtheil des Gejammtlreifes deutſcher Heldenſage betrachtet, ins⸗
beſondre als Nachwuchs des Nibelungenliedes, haben die genannten
Gedichte viel ungünftiges Urtheil erfahren. Der treuefte Pfleger dieſes
Rofengartens findet in demfelben, von folder Seite angefeben, einen
ber letzten Triebe der erlöfchenden epiſchen Kraft, abendliches Hinneigen
der ernften Sage zum Scherz und märchenhaften Spiele, eingebrungene
Roheit der Sitten, Herabfinten der Volksdichtung nach innerem Gehalt
und äußern Form!. Dennoch ift, felbft vom Geſichtspunkte bes
epiſchen Wertbes, den Rojengartenliebern ein tüchtiges Feftbalten ber
Charaktere, welches den höfifchen Dichtern mangle, zuerlannt worden
und es bezieht fich dies beſonders auf den Helden Dietrich im Verkehr
mit jeinem alten Meifter Hildebrand und auf die ergetliche Geitalt bes
Rreithaften Mönches Slfan ?; überhaupt fonnte die [6, 308] voltsthüm«
liche Rüftigleit, wie fie durch das Ganze waltet, ihren geminnenven
Eindrud doch nicht verfehlen. Als Grundgedanke und eigentlicher Inhalt
wird bezeichnet, daß Dietrih und Siegfried, die beiden Haupthelden
der Sage, ſich mit einander mefjen, Dietrich höhere Kraft aber trotz
aller Hinderniſſe fih in vollem Glanze bewährt (W. Grimm, Rofen-
garte, Einleitung LXI, vgl. Zueignung VI und Brudftüd in ben Ab⸗
handlungen ver Berliner Alademie 499; Bilmar 1, 152 f.). In den
Liedern jelbft ift diefer Gedanke durch die Königin und ihre Frauen
ausgeſprochen (C 1873 bis 1875. 1982 bis 1985. D 2013 f., vol.
Zeitſchrift für deutſches Altertbum 5, 369). Man fegt faum eines
derfelben in vorhandener Geftaltung über bie zweite Hälfte bes 13ten
Jahrh. hinauf (Heldenfage 371. Rofengarte, Einleitung LXXVIII f.
Bruchſtück 499; vgl. Wadernagel 202. 211. Bartih in Germania 4,
2 f.). Außerhalb der Lieder jelbft ift das frühefte, ausdrückliche Zeug⸗
ns vom Streit im Nofengarten noch immer jenes in Dttofars öfter:
1®. Grimm, Rofengarte, Zueignung VII. Einleitung I. LXXVII f.
Heldenjage 348. Abhandlungen der Berliner Alademie 1855, ©. 2. 1859,
S. 500. Zeitſchrift für deutſches Alterthum 11, 562, BgL W. Wadernagei,
Gedichte der deutſchen Litteratur 211. Koberftein, Grundriß, Ate Ausgabe,
1, 286 ff. Gervinus, Geichichte der poetiichen National-Litteratur, 3te Ausgabe,
2, 102 fi. Bilmar, Geſchichte der deutſchen National-Litteratur, Zte Auflage,
1, 152 fi.
2 Heldenfage 371. Wadernagel a. a, DO. GSimrod, Meines Heldenbuch,
2te Auflage, IX: „die großen Schönheiten des Gedichts.“
506
veichifcher Chronik, gegen Ende des 13ten Jahrh., eine Vergleichung
mit der Heldenkraft, melde Dietrich von Bern wider den hürnenen
Siegfried im Rojengarten erzeigt babe! Es find aber noch fonftige
Dichtwerke beizugiehen, die, meift auch in einer Reihe von Sonder
kämpfen, ven zwifchen Dietrich und Siegfrieb berborftellen, welcher fich
oben als epifcher Gipfel des Rofengartenftreitö ergeben hat. Um bie
jelbe Seit mit ber Zeugichaft Ottokars iſt Thidriksſaga abgefaßt, vie
zwar feinen Rofengarten nennt, obichon fie bauptfächlid aus deutſchen
Quellen geihöpft bat, aber den Kämpfen der von Bern gelommenen
Helden mit König fung und feinen Söhnen zum Schluſſe gleichfalls
den Zufammenftoß Thidriks mit Sigurd anreiht (Unger 182 bis 2307.
Hylten 134 bi8 159; vgl. Helvenfage 347 f.). Hier freilich und noch
mehr in den mit der Saga verwandten, bänifch, ſchwediſch, färdiſch
erhaltenen Bollsliedern (Grundtvig 1, 63 ff. Arwidsſon 1, 13 ff. 408.
Afzelius, Sagob. 1, 65 ff.), ift unter die Helben auf Thidriks Seite
- beträchtliche Berwirrung gelommen, fo daß zu feinen Kämpfern Högni,
Gernot und Voller zählen, fogar der Riefenname Faſold. Der eriten
Hälfte des 14ten Jahrh. gehört muthmaßlich das Lied von der Schlacht
vor Raben an (Heldenfage 207. Koberftein 240, Anm. 3. [6, 309]
Wackernagel 211), in welcher Dietrichs Zweilampf mit Siegfried ben
Ausgang nimmt, daß Letzterer, unter feinen Schild niebergeftredt, ſich
dem Berner gefangen geben muß (Str. 646 bis 684). Viel früher,
um 1225, wird bie Abfaffung bes meitfchweifigen Dichtwerks Biterolf
und Dietleib angeſetzt (Wadernagel 210, vgl. Gödeke, deutſche Dichtung
im Wittelalter 305), welches den großen Wettkampf aller Helden wirk⸗
lich fchon vor die Königsſtadt Worms entbietet und zwar eines Roſer⸗
gartens nicht gedenkt, aber ven Hader des Scharmeifterd Hildebrand
mit feinem vor Siegfried zurüdicheuenden und nun erft zu bämonifchem
Zorne gereizten Zögling umftändlich vorführt (Dietleib 7803 bis 7812.
7852 bis 8170. 11106 bi® 11144; vgl, Heldenfage 126. NRofengarte,
Einleitung LXVII f.). Weiſen die Nofengartenliever, in all ihrem
1 8. Grimm, Heldenfage 170. Rofengarte, Einleitung LXXVIIL Bruch-
ftüde a. a. O., vgl. Koberfiein 1, 224. Eine Anbeutung, bie fiber 1296
binaufgeht, Germania 1, 312, Anm. 27 (unus de XII pugilibus gemahnt
hier an die zweif Tempfen im NRofengarten, von der Hagens Ausgabe 49,
668. 578).
507
— — —
Wechſel, und die ihnen verwandten Denkmäler auf eine gemeinſchaft⸗
liche Grundlage, ein urfprüngliches Gedicht hin (Einleitung LXXIX),
jo muß dasſelbe, damit aus ihm jeit ber erften Hälfte des 13ten Jahrh.
die verſchiedenen einfachern und gebäufteren Zubildungen hervorgehen
Ionnten, um ein Ziemliches höher binaufgefeht werden. In jenen
Liedern waltet auch fortwährend ein frifcher, lebendiger Hauch, der
im früheren Schriftivert, eben im Dietleib, bereite verflogen ift. Sie
erftatten damit zur Genüge, was an mittelhochbeuticher Hegel ihnen
abgebt.
Zubem ergeben ſich beachtenswerthe Anzeigen, daß der epifche
inhalt, wie er jetzt erfcheint und die gelehrte Forſchung vorzugsweiſe
beichäftigt hat, nicht für den anfänglichen Beſtand und Sinn der
Dichtung anzufehen fe. Die ungleihen Benrbeitungen des gemein:
famen Stoffes theilen fich in joldhe, die den König Ebel und die Hunen
als Fahrtgenofien an den Rhein, den Marlgrafen Rübiger als Mit:
ftreiter einmifchen, dann in andre, denen diefe Anſätze fremd geblieben
find, und es hindert nichts, die ganze Hunengefchichte wieder abzulöfen
(Einleitung LXII f.). Siegfried, das Königehaus von Worms und
defien nambaftefte Dienftleute find als Abfjchattungen aus dem Nibe:
Iungenlieve aufgewiefen, fie muften für dieſes ber Erfüllung ihres
Geſchickes vorbehalten bleiben und ihr Kampf tft darum ein Spiegel:
fechten . Doc gilt es nicht bloß verneinend [6, 310] ivegzufchieben.
Jetzt erft tritt augenfällig ein anprer Schlag von Kämpen bervor, das
Geſchlecht der Rieſen, fie ftreiten ernftbaft und fallen auf der Wahlſtatt.
Sn mehreren Texten find bie vier erften Kämpfe von rheinifcher Seite
den. gewaltigen, unter fich blutövermandten Rieſen Pufold, Drtwin, -
Schrutan und Afprian zugetheilt und dies ift ein alter Sagenkern, ber
noch darin forttreibt, daß mitunter felbft Hagen und Voller, ebenio
nachmals Siegfried, zu Riefen geftempelt werden (Einleitung X. Helden:
I Nur die Vorrede des Helbenbuchs. läßt misverſtändlich ben bürnenen
Siegfried im Rofengarten erſchlagen werben, fomit aud) Kriemhilds Rache
wert zunächft gegen Dietrich und die Wülfinge gerichtet fein (von ber Hagen,
Heldenbu von 1855, 1, CXXI. CXXV. Heldenſage 294, 11. 298 f. 319 f.,
Nr 165). Als mordluſtige Streitfifterin if Kriemhild jelbft erß aus der
Nibelungennoth herübergelommen, vgl. Roſengarte 60 bis 62. 434. 1105 mit.
Ribelunge 1992. 2028. 2290 f.
508
jage 301. 356. 390). Auch der Rheinferge Norprecht, der die Amelunge
überfchiffen muß, wird als Niefe genannt und bat zwölf gleichartige
Söhne (Einleitung XXIV). Sogar von Dietrichs Streitern arten in
den Riefenftamm die Gejelen Witti und Heime, lekterer heißt aus:
drüdlich ein junger Riefe und ift als folder durch überzählige Ellen:
bogen und Hände gezeichnet (ebend. XX); Dietrich ſelbſt läßt bier, wie
fonft vorzüglich in Riefenlämpfen, den dämonifchen Feuerathem ſprühen
(ebend. XI) und an feinem Gegner Siegfried ift dann gleichfalls das
Wunderbare, die Hornhaut, die eben durch jenen Feuerhauch ge
ſchmolzen werden muß, beſonders hervorgehoben (ebend. V, Rofengarte
1664 bis 1667. 1918 bis 1921); fogar im nüchternen Gedichte von
Dietleib raucht und lodert Dietrichs Zornglut!. Mit ſolchen Merl:
malen erjchließt ſich für die jeht epifch zugebilveten Roſengartenlieder
ein mythiſcher Hintergrund ?.
Dies fol, unter Bezug auf die mitfolgenve Stammtafel des Niefen-
geſchlechts (Beilage), an den beiden im beutichen Mythenkreiſe bedeu⸗
tendften Geſtalten des Roſengartens, Afprian und Dietrich, näher auf
gewieſen werben. |
Alprian, ein nad allen Yaflungen des Liebes, einzig das neueft-
gedrudte Bruchitüd ausgenommen, mit Wittich ftreitender Niefe, heißt
„der Ungeheure“, ift oberhalb des Gürtels fieben Klafter lang, Iennt
jelbit in aller Welt feines Gleichen nicht, trägt zwei Schwer[6, 311]ter
in Einer Scheide und ficht mit beiden zugleich, fogar vier Hände werden
ihm ertheilt (Einleitung XI). Seiner Herkunft wird hiebei nicht ge:
dadıt, dagegen läßt Thidriksſaga von Norbian, einem Sohne des
Könige Wilkinus, vier riefenhafte Söhne ftammen: Etgeir oder Atgeir,
Aventrod, Widolf mit der Stange (mittumstangi) und Afpilian ober
1 Nichts findet fi davon in dem gänzlich epifch gehaltenen Endesſtreite
des Nibelungenliebs; die Saga läßt hiebei durch Thidriks Erglühen den Wider⸗
fand Högnis brechen, Letzterer ift ihr aber auch nicht bloß menfchlicher Art,
fondern der Sohn eines Alfs (Unger 332. Hylten 260).
2 Die angengmmene regelrechte Theilung der zwölf Streiter, doch nur
auf rheinifcher Seite, in drei Klaſſen gleicher Zahl, vier Rieſen, vier Reden,
vier Könige (Rahmann zur Klage ©. 308 f., vgl. ©. 289; W. Grimm, Ein-
leitung LXXII. Bruchſtücke 499 f.; Simrod, Meines Heldenbuch VIII), be
dürfte felbft noch einer inneren Begründung.
509
Afplian, lebtgenannter ift Nachfolger des Vaters im Königthum
(Unger 28 f. 38. 185. Hplten 21. 23 f.). Die alte Vorrede des
Heldenbuchs weiß nichts von Wilkinus und Norbian, ihr find Mentiger
und Gudengart die Eltern von Ede, Bafolt und Abenbrot; vermilt
werben bier die in der Saga mit Aventrod genannten Brüder Atgeir,
Widolf und Afpilian 1. Nicht als Brüder, wohl aber als unzertrenn-
lihe Kampfgenofien, geben Aiprian und Widolt, nebit einem weiter⸗
genannten Riefen Grimme, zufammen in bem Gebichte vom König
Rother aus dem 12ten Jahrh. Dem Aufgebote Rothers zur Fahrt
nad Konftantinopel, um feine gefangenen Dienftmannen zu erlöfen,
folgt auch Aſprian, König des fernen Rieſenlands, mit zwölf ihm
dienftpflichtigen Riefen, darunter Wibolt, der feiner Wilbheit wegen
an der Fette, wie ein gebundener Löwe, mitgeführt wird, und, wenn
losgelaſſen, mit feiner Eiſenſtange wüthend um fich fchlägt; Aſprian
felbft wirft des Griechenfönigs gezähmten Löwen an der Salmand in
Stüde (Rother, Maßmanns Ausgabe 624 ff.). In das unbelannte
Land König Aſprians, mie es im Rother bezeichnet wird (ebend. 626,
vgl. Nibelunge 1412, 4), bringen die Bruchftüde eines altniederländiſchen
Gedichts den Kaifer Karl (Karel. Er ift zu Schiff in diefes Riefen:
land gekommen. Gernout?, in Karla Gefolge, bat einen Bären bei
fh, Wiffelau genannt, der Alles verftebt und thut, was fein Her,
ber ihn „füßer Freund!” anrebet („Wiſſelau, ſote vrient“), in einer nur
ihnen beiden befannten Sprache jagt und gebietet. Der Bär greift
einen entgegentommenden Riefer an und zerreißt ihn. Auf den Hülfe-
ruf des Niefen eilt König Aſprian (Efpriaen) ‚mit feinen Gefellen herbei
und verlangt, daß Gernout [6, 312] den Bären feftgebunden im Schiffe
balte: „Käm' er in meinen Sal, ex zerbifl' uns alle.” Sofort Fehrt
1 Die Vorrede (von der Hagens Heldenbuch, Leipzig 1855. 1, CXV) hat
hiebei mehr das Edenlied im Auge, Alprians erwähnt fie früher (CXIII), obne
feine Berwandtichaft zu berühren, neben Schrutan, mit Rüdfiht auf das
Rofengartenlied, in welchem, nur nah Einem Terte, auch Bajolt ftatt Puſolds
genannt ift (Einleitung IX).
2 Bol. Förftemann, Namenbud 1, 512: Gernolt. Der Name trifft genau
weder mit Gerndt zu, obgleich in der .Ichweriichen Dietrichsſage (Hylten
127 u. |. w.) Kriembilds Bruder auch Gernholt gejchrieben wird, noch mit
Gerolt, wie Karls des Großen fagenberühmter Ehwager und Heerführer im
fähigen und ſlaviſchen Kriege hieß.
310
der König mit den Niefen in feine Burg zurüd, Gernout aber zieht
dem Wiflelau einen koftbaren Rod an, ben er bemfelben am Hofe zu
Achen hatte machen lafien, und nun folgt aud Karl mit feinen Ge
noflen und dem von Gernout geführten Wiffelau zur Burg nad. Der
Thorwächter flieht erfchroden, fie jeen fih im Sale, wo. Gernout den
Wiſſelau für einen bienftbaren Kämpen ausgibt. Bald jedoch kommt
eine flüchtige Menge von Schenten, Truchläßen, Köchen in den Sal
geftürzt, mit foldem Gebränge, daß fie Hals, Arm und Bein brechen,
bintennady läuft Wiflelau mit einem großen Keffel, darin er den Haupt:
koch gefotten hat, den er jet vor Aller Augen zu verzehren ſich an-
ſchickt. Aſprian will fih auf einen Thurm retten, feine Niefen find
auf die Ballen gellettert, Gernout aber hält den König feft und fucht
durch einen fcheinbaren Ringlampf mit dem voraus unterrichteten Bären
zu beweifen, daß er deſſen Meifter fei,. mas die Rieſen höchlich in Ber:
wunderung über bie Stärke ber Heinen Männer ſetzt. Das Blatt
bricht damit ab, wie bie unlieben Gäſte nach gebaltener Mahlzeit zur
Nube geben wollen !.
Einen förmlichen Eilffampf Dietrihs und feiner Wülfinge mit
gleich vielen Riefen der Wildnis von Tirol, denen fein Helbenname
beigemengt ift, bringt noch das ausgedehnte beutiche Lieb von Dietriche
eriter Ausfahrt; bier wird Afprian, als fechäter Streiter auf Riefen:
feite, won Blödelin erlegt, der durch Belämpfung dieſes maßlos großen
und ftarten, in gar mandem Streite (in pergen und in grüne) ver:
fuchten Riefen anjtrebt, daß man davon bi8 an den jüngften Tag
fingen und fagen müße?.
1 Den Inhalt der zwei Pergamentblätter, foweit er leobar war, bat der
Befiger derjelben, C. P. Serrnure in Bent, abdruden laſſen in feinem „Bader
landſch Muſeum“ u. |. w. 2 Deel, Gent 1858, ©. 265 bis 284. Bol. Done,
Niederländifche Bolkslitteratur 35 f. 896 f. Mythologie 745. Das Gedicht
ſetzen Serrure und Mone in das 12te, die Handſchrift in das 14te Jahrh.
2 Etarl, Str, 671 bis 674 (von der Hagen, Str. 740 bis 743); man
vgl. Str. 671: bie innß ein flreit von uns geihehn, | das man pis an den
jängften tag | dar von müs fingen unde jehn, mit Rofengarte, Grimm 531 f.:
Wär ez, daz uns gelunge, | ber nädy fiber tüjent jär | man von ung feit und
funge. Die ungemifchte Eilfzahl der Rieſen ericheint noch in eimer zweiten
gleichartigen Rompfgruppe der Ausfahrt, Stark, Str. 709 fi. (von ber Hagen,
Str. 862 ff.)
51
Zu den deutfchen Darftellungen gibt Thidriksſaga ihre Seitenftüde,
wobei fie den in jenen vergeflenen, von ihr aber vornherein [6, 313] an-
gefnüpften brüberlichen Verband der Nordiansſöhne fefthält (Unger 33 f.
Hylten 23 f.), obſchon auch fie dieſe Riefenbrüber fonft wieder mehr:
fach auseinanberfprengt (Unger 51. vgl. Hylten 32 f.). Die Abenteuer
der Brautfahrt, die im Rother unter Einfluß der Kreuzzüge ausgemalt
find, lauten in der Eaga, davon unberührt, auf Dfantrir, den König
von Willinenland, der um die Tochter des Hunenlönigs Milias freit
und in befien Gefolge die vier riefenhaften Brüder geben, König
Aſpilian, Widolf mit der Stange, Atgeir und Aventrob, die ihn an
der Eifenftange führen (Unger 33 f. 42 f. Hylten 23 f. 26); aber hier,
wie im Rother, find. die Riefen doch nur als Beimerl einer Heldenfage
verwendet. Dem niederländiſchen Bruchftüde von Wiffelau gegenüber
fteht ein weiterer Abſchnitt des norwegiſchen Sagenwerls: Widga,
Thidrils Mitftreiter in einer fonft fiegreichen Schlacht des Berners und
Attilas wider König Dfantrie, ift durch Widolfs Stange nicber:
geichlagen und von dem fliehenden Feinde gebunden fortgeführt morben.
Hierauf gefellt fich Wilbifer, ein andrer Kämpe Thidriks, den Haupt
fpielmanne desſelben, Iſung, um durch eine Lift den Gefangenen zu
befreien. In eine Bärenhaut eingenäht, wird er vom Spielmann am
Halsbande geführt. Am Hofe des Königs angelommen, fchlägt Jung
meifterhaft die Harfe und darnach fpielt und büpft fein Bär, ven er
Vizleo (Wiffelau) nennt, zu allgemeinem Erftaunen. Dfantrix will
aber aud die Tapferkeit des Thieres erproben, auf einer ſchönen Wiefe
werden vor der verfammelten Menge jechzig große Jaghunde auf Wizleo
Ioögelafien. Mit dem Könige find dabei feine Dienfimannen unbe:
waffnet gegenwärtig, unter ihnen der gefeflelte Wibolf, geführt von
feinem Bruder, dem Rieſen Abentrod. Der Bär ergreift den gröften
Braden und erichlägt damit zwölf andre der beften Hunde. Zornvoll
hierüber, läuft der König mit gezogenem Schwerte den Bären an und
baut ihm in den Rüden, das Schwert fpaltet die Bärenbaut, bringt
aber nicht in die Brünne darunter. Als nun Oſantrix zu den Seinigen
widerlehren will, rafft Wilbifer fein Schwert aus des Spielmanns
Hand, läuft dem Könige nad) und Schlägt ihm das Haupt ab. Auch
die Riefen Aventrob und Wibolf rennt er an und erjchlägt fie. Widga
wird befreit und kehrt zu Thidrik zurüd (Unger 146 ff. Hulten 104 ff.).
512
Hier nun ift der ſchon früher als Gefolgsherr der Riefenbrüber einge
führte König Dfantrig fichtlich ftatt des megfallenden Hauptriejen Aſpi⸗
lian eingetreten, während dem nieberländifchen Wiſſelau gegenüber
König Eipriaen noch richtig feine Stellung [6, 314] behauptet. Afpilian
mujte für Heimes ftreitbares Mönchthum zum Schlufle der Saga auf:
gelpart bleiben, dagegen iſt der Sagenfchreiber mit Dfantrir in große
Verwirrung gerathen, welcher nachher noch ein- oder zweimal getöbtet
wird (Unger 259. 303. Hylten 185. 281. Heldenſage 180,0); zwar
fuchen einige Handfchriften nachzubelfen, indem fie den König Wildifers
Streichen entrinnen laflen (Unger 153, 1), damit ift aber dem Bären:
ipiele die Spibe gebrochen. Bermift wird der Name Afpilian aud
in demjenigen Theile der Saga, der fonft dem Rofengarten am aner
Iannteften nahe kommt (f. oben ©. 506), in ven breizgehn Sonderkämpfen
Thidriks und feiner Begleiter mit dem König fung von Bertangaland,
befien eilf Söhnen und dem jungen Sigurd, ben auch bier zum Schluffe
Thidrik felbft befiegt; als Riefe genannt ift dabei nur Afpilians Bruber
Atgeir, der Iſungs Grenze hütet und ſchon vor den Hauptlämpfen
vom Schwerte Widgas, feines Verwandten, fällt (Unger 184 bis 189.
Hylten 137 bis 140).
Für die Erklärung all dieſer deutfchen und deutſchnordiſchen Sagen:
gebilde, die fi durch Namen und Inhalt auf Aſprian beziehen und
einander gegenjeitig ergänzen, tritt am augenfälligften der Bärenkampf
hervor. Mit gutem Grund ift derfelbe, ſchon ver der vollftändigen
Belanntwerbung des niederländifchen Bruchftüds, den Aufzügen zugezäblt
worden, in welchen bei der Yrühlingsfeier, zu Mittfaften oder am
eriten Mai, der Bär leibhaftig oder dem Namen nad, umgeführt
wurbe, wie bejonders der Bär und ber Knabe mit dem Schwert im
Lätarezuge des Domprobit3 zu Halberftabt (Mythologie 745, vgl. 743).
Seines winterlihen Pelzes unerachtet, ift der Bär ein Bote des Sommers.
Die Stalden nannten den Winter Nacht ober Schlaf des Bären, ten
Eommer des Bären Tag (Fornald. S. 1, 477. Egilsſon 57b. Diaf:
fen, om Nordens gamle Digtek. 100. Lex. myth. 751); nach dem
nordiſchen Kalenderglauben gräbt der Bär am 7ten Oftober fein Lager
für den Winterfchlaf (Lex. myth. 842), am 12ten Januar legt er ſich
auf die andre Seite, auf den 22ten Mat fällt in Norwegen björnevok,
Erwachen bes Bären, fein Austritt aus der Grube (ebend. 751. 786.
513
809. 856). Für tweniger nörblidhe Länder muſten die Friſten anbre
fein. So war ber König der germanischen Thierwelt (Reinhart Fuchs
XLVII ff), der auch allem Volke zum Ergeben diente (J. Grimm,
Inteinifche Gedichte des 10ten und 11ten Jahrh. XV. W. Wadernagel,
in Haupts Zeitichrift 6, 185 f.), wohl geeignet, im Aufzuge bes Früh⸗
lings mitzugehen und zu mythiſcher Symbolik verwendet zu erben,
wenn man in Liebern ober Feitipielen den Sieg [6, 315] des Sommer:
beiden über die Winter: und Sturmriefen darftellen wollte Wiflelau,
Wislau, der nieverländifchen Zeugnifle, d. b. Wenzel (Mythologie 745),
Bär der böhmischen Wälder, lautet in der Saga faft unfenntlich Vizleo
(Unger 151. Hylten 108 im Acc.: wiſa leon); aber auch ber Name des
bier in die Bärenhaut vermummten Helden, Vildiver, Villifer, ift auf
ein ahd. Wilbpero, wieder ald Bezeichnung eines Walbbären, gebeutet
worden (Mythologie 745). Beirren Tann, daß gleichmäßig auf der
entgegengejeßten Seite des Streites fih Namen finden, welde ben
Bären bezeichnen. Beiden Theilen gemeinfam ift Sfung. So beißt,
doch wohl nur durch Spätere Herübernahme, ber Yührer bes Vizleo⸗
Bildiver, der Hauptipielmann Thidriks; ebenfo dann auch der König
von Bertangaland, der ſammt feinen eilf Söhnen die dem Nofengarten
entfprechenden Sonberfämpfe Beftebt. Nun begegnen als ſtaldiſche Be⸗
nennungen des Bären: lsolfr (Sn. 1, 589; 2, 484. 567. 6265;
Egilsſon 441a: fera glacialis), isungr (Sn. 1, 479, Anm. 15), doc
wohl für isungr, Ablümmling des Eifes. Isolfr und Isungr ftehen
zivar auch in der Liederebba als Mannsnamen (Säm, 69, 21. 85, 20),
ebenwie ahd. in Urkunden des Sten und 9Yten Jahrh. Iſulf (Iſolf),
Iſunc (Sörftemann 1, 804 f.), leßtere Form aber ift patronymiſch und
da die Söhne des Königs von Bertangaland in den Zweikämpfen nicht
einmal eigens genannt find, fonbern als erfter, zweiter Iſungsſohn u. ſ. f.
das Feld betreten 1, fo fcheint ber ganzen Sippjchaft bier nur ber ur:
ſprüngliche Geſchlechtsname verblieben zu fein. Im Rofengarten aber
fällt auf dieſelbe Seite der Hauptriefe Afprian und biefen ftellt fein
Name ſchon an die Spike ver Iſunge. Solcher weiſt auf ahd. Anz
barn (Graff 1, 388; fem. Afpirin, ebend.), Osbern (Förftemann 1,
1 Erf in einem viel fpäteren Abſchnitt der Saga wird allein ber jüngſte
Sohn Ziungs genannt, bei-Unger 805: Lorantin, on. Borantin, bei Hylten 238:
Norantin (Nordian ?).
Upland, Schriften. VII. 33
>14
103), Aſpran (Mone, Unterfuhungen 95 f., fpäter auch Aipelanus),
agf. Osbeorn. altn. Äsbiörn (vgl. Mythologie 497. 638), eine Zu
fammenfegung des für Namen gebräuchlichen masc. pern, fonft pero,
Bär (Er. 2, 166. 486. Deutiches Worterbuch 1, 1122; vgl. Förfte
mann 1, 225), mit dem verftärkenden and, A8: (Gr. 2, 447). Yür
den gröften diejes Thiergefchlecht3 gilt der weiße, der Eisbär (Egilsfon
437b: hvitebiörn, m. ursus albus, ursus glacialis. Dfen, Natur:
geichichte 7, 1660: ursus maritimus, albus); er wird [6, 316] in einem
Eddalied als Traumerfcheinung, verderblich einbrechend, fo gebeutet,
dat er raſendes Sturmwetter aus Oſten verkünbe 1.
Zwiſchen ihm und dem bunlelfarbigen Walbbären (skögarbiörn,
vidbiörn) wird jedoch ſchon in alter norbilcher Naturlehre genau unter
jchieden 2. Dbgleih nun Asbiörn, Afprian, wie Sfung, auch allge
meiner als Mannsname gebräudli war, fo läßt doc in den vor
liegenden Dichtungen der mehrfache Bezug diefer Namen auf bas
Bärenfpiel 3 nicht von ihrer Wortbebeutung abfehben. Das Spiel ber
Saga ift eine Vermummung in Bärenbaut (Mythologie 745: „ficher
eine uralte dramatifche vorftellung”; vgl. Vernaleken, Mythen 293, 17)
und der Kampf des Sommers mit dem Winter mochte wohl auch als
ein Sieg des Waldbären über den Eisbären, bes altn. sumarlidi über
ben vetrlidi *, fchaugeftellt werben. Ließ man es aber nicht bei ber
1 Säm. 151, 17 f: Vedr muu par vaxa, | verda Ött snemma, |
hvitabiörn hugdir, | Par mun hregg austan, Fornald. S. 1, 212 f.: har
man koma vedr mikit, er bü wtladir hvitabiörn.
2 Speculum regnle, Ehriftiania 1848, ©. 43: Biörn er Par ok & pri
lendi (Grenal.), ok er hvitr, ok ætla menn at hann feedisk & Pvi landi,
Dviat hann hefir alt adra nättüru en svartir birnir, er 1 skögum ganga u. |. w.
ferr hann mest i hafi üt & isum u. |. w. Egilsfon 427 b.
3 VBgl. Sam. 14, 85: biarnar leiki. Deutfches Wörterbuch 1130:
bärenfpiel.
4 Unter die heiti des Bären iſt aufgenommen vetrlidi, Winterwanberer
(Sn. 1, 442. 478. 590; Itda, ferri, lidit), geeignet für den männlichen Eis
ober Seebären, der, hauptfächlich von Seethieren lebend, keines Winterfchlafs
bedarf und im diefer Jahreszeit auf dem Treibeiſe vom höchſten Norden aus⸗
fährt (Richarbfon, Fauna Boreali-Americana, Part first, London 1829, ©. 80 ff.).
Das Seitenftüd sumarlidi, Sommerfahrer, findet fi) appellativ (lat. Plural
form sumarlidi) in irifhen Annalen als Benennung nermwegifcher Wikinge
(Mund, Chron. regum Mannie, Ghrifiania 1860, ©. 42); Sumerledus
515
Verkleidung beivenden, twurbe ber Sommerbär, wo einer zu erlangen
war, leibbaftig umgeführt, fo konnte der Winterbär einzig im Rieſen⸗
namen Alprian, Sohn Nordians, oder als König Iſung fortbeftehen 1.
[6, 317) VBormann der mit Aſprian und deſſen Genofien, ale Hütern
des Nofengartens, ftreitenden Helden ift Dietrich von Bern. Schon
vermöge dieſer Führerfchaft des feuerathmenden Helden mwiber ein noch
leidlich gefriftetes Rieſenthum tritt er in mythiſchen Bezug, der fidh
weiter bamit bewährt, daß in Dietrich eigenem Gefolge Wittich und
Heime geben, beibe den Rieſen anverwandt. Wittich ift beſonders auch
in zwei hieher beigezogene Stüde ver Thidriksſaga verwachſen: jeiner
Befreiung galt das für Dfantrig und drei Brüder Aſpilians verberbs
liche Bärenfpiel und auf ber Fahrt zu König Jung erfchlägt Widga
ben vierten Rieſenbruder Atgeir; jebt, im Rofengarten, ſchickt Dietrich,
dem hier ein Gegner in Siegfried erftanden ift, feinen Dienftmann
Wittich zum Kampfe mit Aſprian felbft, fichtlich zerftreute Mythen⸗
zefte, die eben durch Unterfchiebung epifcher Hauptbelden und ihres
Anhangs aus den Fugen gerüdt find. Darauf hat gleichwohl bie
Sagenforfhung von verſchiedenen Seiten geleitet, daß der geſchicht⸗
liche Dietrich von Bern zugleich Träger eines nicht unerheblichen Erb»
ibeild germanifcher Götterfage, genauer der Sage von Donar, ge
worden jei 2.
In altnordiſchen Schriftdenkmälern ift noch der ausgeſprochene
als Zigenname ebd. ©. 7 und weiterhin mehrfach (vgl. 8. Olafs K. ens helge,
Shrifiania 1858, ©. 91 f.: Sumarlidi), Wie in einer ſchwäbiſchen Urkunde
von 858 zwei Brüder Winter und Sumar beifammenftehen, fo begegnen im
nordiſchen Alterthum Vetrlidi skald Sumarlida son, 10168 Jahrh. (Sn. 1, 268.
Möbius, Catalogus 194), und wieder Sumarlidi skald Porbiarnar son,
12te8 Jahrh. (Skaldatal 45a, vgl. 456. Möbius 170. 172. 194), Vetrlidi
Äsbiarner s. (Fornm. 8. 3, 107; zur Namendentung vol. Mund) a. a. D.
Mythologie 633. Egilsſon 873a. Isl. 8. 1, 192. 221. 380. 382. 385).
1 Den feefahrenden Franken vom Nieberrheine (Feuß 829) kann auch der
Winterbär befannt worden fein. Selbſt noch eine mhb. Erzählung betrifit den
„wazzerbern, ... er was ber wizen einer, ein gröger, niht ein Heiner” ‘one,
Unterfuchungen 281. Mythologie 447).
3 Zuſammenſtellungen des Donnergotts mit Dietrih: Mythologie 346
497 f. W. Wadernagel, Litteratur-Weichichte 28, 5. 209. C. F. Men,
Studien u. |. w. 100 fi.
316
Donnergott pôrr, Äsa-pörr, nicht bloß ausdrücklich als Rieſenfeind
bezeichnet (Sn. 1, 252: dölgr ok bani iötna. 278: iötna ötti. Säm,
37, 17: briotr bergdana. 19: burs rädbani. 38, 22: orms einbani),
eine Reihe von Liedern und Sagen fchilbert feine Kämpfe mit dem
Niefengeihlechte, welchem auch bie von einer Riefin gebome und in
Rieſenzorn (Säm. 6, 49: 1 iötunmöddi, vgl. Sn. 1, 136. 188. 194,
2. 390) ſich windende Midgarbichlange angehört. Dem Riefengrimme
gegenüber erhebt fi) Thor im Ajenzorn (Sn. 1, 274: 1 Asmödi; vgl.
Egilsfon 23a), ihm wächſt im entſcheidenden Augenblide die Aſen⸗
ftärle (Asmegin, Säm. 39, 31. Sn. 1, 90. 146. 170. 286. 288), er
umfpannt fi mit dem Machtgüürtel, der feine Götterkraft verboppelt
(megingiardar, Sn. 1, 90. 146, vgl. 284. 286), in Blitesflammen
und Donnern wirft er den zermalmenden Sammer (Sn. 1, 274. 278,
1 bi8 280, 2. 298, 2: funristir; Mythus von Thor 22 bie 24). Bald
find es beſondre Ausfahrten, auf denen er feine Großthaten vollbringt,
und biefen find bann eigene Lieder gewidmet, bald jteht er babei im
Bereine des gefammten Götterraths. Nach der Weiſe [6, 318] richter
licher und Triegerifcher Genofjenfchaften im germanischen Leben (Rechts:
altertbümer 217) ift aud für die Gemeinichaft der Aſen die Zwölfzahl
angenommen (Sn. 1, 82: tölf eru Asir gudkunnigir; vgl, Säm. 70,
28) und fo erfcheint vorzüglich ihr Envesftreit mit den zerflörenven
Gemwalten des Riefentbums als Zwölfkampf, wenngleich nur bie haupt:
ſächlichſten Einzelftreite beſonders aufgeführt find, der legte jedoch ift
derjenige, in welchem Thor, der jonft eigens Aſenheld zugenannt wird
(Sn. 1, 553: Äsa hetja), nachdem er in feinem Zome den Midgards⸗
wurm erichlagen, felbft erliegt (Säm. 55. Sn. 1, 196), dann erft bricht
ver Weltbau völlig zufammen. Vergleiht man mit ſolchem Kampf:
leben Thors das Heldenthum Dietrichs, jo hat das deutſche Volk von
diefem, mehr als von jedem andern feiner Helben, geſagt und gefungen,
wie er mit Riefen und Würmen ftritt; er und fein Meifter Hildebrand
fechten zum Beten der Welt mit den Riefen, fo vielen dieſes verderb⸗
lichen Geichlechts fie beilommen (Sigenot, Röhn 154. Schabe 151;
vgl. Dietrichs Flucht 2482 bis 2486).
Die Lieder von Sigenot, Ede und Faſold, von Etzels Hofhalt,
Dietrichs Ausfahrt, wie denn auch theilweife die vom Roſengarten, find
berlei wunderbaren Thaten des Berners ober feiner Dienfimannen
517
zugewandt, andre Dichtungen des Amelungentreifes bieten Ergänzendes
und beſonders fteuern hiezu noch, mie gezeigt morben, mehrere Abfchnitte
der Thivrilsfaga mit den ihr entiprechenden Kämpenliedern. Auch
Dietrichs Siegen muß die Erregung feines Zornes vorangehn; iſt er
aber aufgereizt, blutet er gar fchon, dann gewinnt er Lömwenmuth,
feine Kraft mehrt fi, er ficht, als ob noch ein Zweiter in ihm fei,
der Teufel aus ihm fechte, doch er felbft behauptet, bei ihm fei Gott
(Eckenliet, Laßberg Str. 1230 bis 124; vgl. NRöhn 136. Drachenkämpfe
175. 202); unwiberfteblih macht ihn die Zormflamme, die ihm aus
dem Munde fährt, wie aus einer Efie, und damit erflärt wirb, daß
er, von einem Geiſt erzeugt, felbft ein foldher geweſen feit; in biefer
Blut ringt ex dem elbifchen Laurin den Gürtel ab, [6, 319] der Jenem
die Kraft von zwölf Männern verlieh (Laurin, Ettmüller 903 ff.
Bader 467 ff. Schade 845 ff. Heldenbud von 1509, 35); wann er fo
ergrimmt ift, dürfen Dreißig e8 nicht mit ihm aufnehmen (Raben 973 f.);
Wunden, bie er geichlagen hat, werden gemeflen und fo befunden, daß
kein Schwert es gethban haben könne, fonbern nur der wilde Donner
ſchlag vom Himmel (Edenliet, Laßberg 56, Hagen 60 f. vgl. Rechts⸗
alterthümer 94 f.); wann der Berner im Walde mit den Würmen ficht,
fo bedünkt es, als ob Donner fallen und Blige fchießen (Dietrich Aus⸗
fahrt, Start 258 f., vgl. ebend. 266. Hagen 164 f.). Es muß be
merkt werben, daß die Lieber das Gleichnis des Donnerhalls nicht
ausfchließlih von den Schlägen Dietrichs, ſondern auch von denen
beiber Gegner und ber Riefen eigens gebrauchen 2; gleichwohl mag
1 Vorrede zum Heldenbuch CXX: ber fterteft geift, ber ye ober iemer ge-
born fol werben u. ſ. w. Zeugniſſe, Dietrich Fenerathem betreffend: Helden⸗
fage 40756; hiezu Dietrichs Ausfahrt, Start 224, 226, Hagen 104 f. Keller,
Fasnachtſpiele 2, 551 (vgl. auch Wittenweilers Ring 241, 14 ff. und Hollands
Anm. dazu Vorrede XII). Das Nibelungenlied hat, feiner epiſchen Beſchaffen⸗
heit gemäß, auch im heftigen Schlußlampfe Dietrichs mit Hagen und Gunther
den Feuerathem nicht (vgl. Heldenfage 106); Thidriksſaga verwendet dieſen
nicht bloß für die Begegnung mit dem mythiſchen Widga, fondern auch, minder
glücklich, für den Streit mit Högni, der aber zugleich als Sohn eines Alfs
hernorgehoben werden muß (Unger 882. Hylten 260 vgl. mit Unger 292.
Hylten 220).
2 Edenliet, Laßberg Str. 105. Thidr. 8. Unger 116. Hylten 78. Si⸗
genot, Laßberg Str. 105 (Hagen 125) 42. Dietrichs Ausfahrt, Start
518
biefer allgemeinere Gebrauch für die Gebirgälämpfe des Berners mit
Riefen und Drachen von älterer, beftimmter Beziehung herrühren, ber
aufgewachte Donner grollte nad allen Seiten fort. Die einzelnen
Merkmale, in welchen Dietrich dem altnordiſchen Gott ähnlich if, ge
minnen dadurch an Zujammenhang und Bedeutung, baß zugleich an
ben von Jenem bekämpften Ungethümen fi) Mehreres aufweiſen läßt,
was den in echterer Geftalt und mit offenem Namen erhaltenen Thors-
mythen entipricht (Flutdrachen, Sturmriefen in ber Beilage). Genligend
erwieſen ift aber auch die Verehrung bes Donnergottes bei beutichen
Völkern: in ber nieberbeutfchen Abſchwörungsformel aus dem Sten Jahrh.
fteht Thunger obenan unter den Dreien, denen namentlich widerſagt
wird, die Andern find Woden und Sarnot, während in den Beifake
der Formel: „und allen den Unholden, bie ihre Genofien find“, nod
eine vollere Gemeinfchaft durchſcheint (Maßmann, Die deutichen Ab-
ſchwörungsformeln 67, vgl Mythologie 184: Sahsndt — Bio); der
Wochentagsname (ahd. toniri® tac, Graff 5, 150. 358. 361. agf.
Bunresdäg, isl. börsdagr, Deutjches Wörterbuch 2, 1252) bringt den
Donar zufammen mit den Gottheiten Bio, Wuotan, Fria (Graff 5, 360);
Donnersberg hieß im Mittelalter eine weſtfäliſche Gerichtäftätte (cnmitie
de Dunrisberg, a. 1108, Mythologie 155), ebenſo eine ſchwäbiſche
Burg mit ausgebreitetem Befittbum in der Lechgegend (Herberger, Das
Batfeld und das Burgfeld, [6, 320] Augsburg 1858, ©. 20; vgl. Quitz⸗
mann, Die beibnifche Religion ber Baitwaren, Leipzig 1860, ©. 53),
unferne der alten Ziesburg (civitas Augustensis, id est Ciesbure,
Bachlechner in der Zeitfchrift für deutjches Alterthum 8, 587 f), vom
theinifchen Donnersberge muß noch beſonders die Rebe werben. Zum
deutſchen Donar vermift man bie Mythen, zu Dietrich übermenfchlichen
Thaten den Gott, Eines fommt dem Andern entgegen, wenn im Helden
ber Gott verborgen if. Die Vermittlung zwiſchen Götter: und Helben
fage bahnt fi) an, wenn eine bem Wirken bes Gottes verwandte und
nacheifernde Thätigfeit des Helden in berjelben finnbilvlichen Weile,
die den Mythus geftaltet, zur Darftellung gebracht wird. Unter biejem
Gefichtspunkt ift anderwärts verjucht worden, Züge der Dietrichtfage
Str. 389 (micht Dietrich betreffend 148. 275. 578. 618. 621. 728). Rother,
Maßmann 2734 (Widolt).
519
auf ähnliche der Thorsfabel zurüdzuführen 1. Der Helb, ber in Bären-
hülle gegen bie Riefen aussieht, findet fich auch bei Saro (Müller 1,
26 ff.), wo ein ſolcher (varüs ferarum pellibus indutus) die jungfräu⸗
liche Gro (altn. Gröa, Lex. myth. 179: virescens, sive florescens,
vol. Egilsſon 274a), auf ihrem Weg zur Walpquelle, von ber Werbung
eined Niefen befreit und mo ber Name Beſſus, altn. bersi, bessi, bassi,
ebenfo entichievden, twie zuvor Biliver und Wiflelau, den Bären bes
zeichnet (Sn. 1, 442. 478. 589. 2, 139, Anm. a. 350. 484a. 5671.
Lex. isl. 74a. Egilsfon 51a, vgl. 40a. Deutfches Wörterbuch 1, 1122);
Biöm, abermals der Bär, ift ein Name Thors, fogar auf einen winter:
lichen Schlaf des Letztern beutet das Epbalieb von feinem Erwachen
(Säm. 47, 1: reidr ver pa Vingbörr, | er hann vaknadi u. f. w.
vgl. Lex. myth. 856) und fo fragt es fi, ob nicht auch unter Befius
urfprünglih ber verhüllte Sommergott felbft verftanden war 2. Dem
weitgreifenden Streite mit ben. wiberfpenftigen Naturgewalten jeber Art,
mit den ungeftümen Mächten des Winter, den Thurfen bes Luftgebiets
wie des Steinreichs, bes Weltmeers wie des Stromfalls, konnte doch
nur eine Götterfraft (Thors Asmegin) gewachſen fein und nur bon
einer folhen ausgebent haben bie auf Dietrich von [6, 321) Bern ge:
häuften Kämpfe mit Riejenvoll und Drarhenbrut einen fabbaren Zus
fammenbang.
Auch ein näheres Eingehen auf den örtliden Anhalt, den die
Rofengartenlieber im Wormsgau gefunden haben, wird ben mythiſchen
Grundbeſtand derfelben in mancher Hinficht beftätigen. „Rojengärten”
nannte man in verſchiedenen Gegenden Deutichlands bepflanzte Ver:
fammlungspläße, melde zu vollämäßiger Feftesluft beftimmt waren 3.
1 Oben S. 378 fi. Bgl. über den Thorshelden Halfpan Mythus von
Thor 192 fi.; über Beowulfs Drachenkampf oben S. 486 fi.
2 Die Rettung der mythiſchen Gro vor ihrem Kiefenbräntigam durch den
Kämpfer in Bärenlarve (Beffius-Biörn) feheint in der unklaren Wiedergabe
Saros, dem einbeimifche Lieder vorlagen, mit einer urfpränglichen Halfdans⸗
fage von ber Tödtung bes Königs Sigtrygg (Mythus von Thor a. a. O. ver-
mengt zu fein; die altnordiſchen Zengniſſe (Säm. 68, 14 f. Sn. 1, 516.
2, 842. Fornald. 8. 2, 9) kennen biebei keine Grda als Tochter Sigtryggs
und gedenken auch Teines Berſi.
3 W. Grimm, Nofengarte LXXVI; zu dem bier angeführten Rofengarten
bei Roftod vgl. Anzeiger 1, 238: „Säven-Linden up den Roſengahrden“, als
520
Am Dber- und Mittelrheine hießen fo vielfach grafige, mit Gebüfch
durchwachſene Werber, namentlih Hatte Worms zwei folde Roſen⸗
gärten und noch heute wird ein bortiger Rheinwerder ebenfo benannt !.
Nun ift zwar nirgends ausbrüdlidh beurkundet, daß Bezirke biefes
Namens zum Sommerfpiele gebraucht waren 2, dafür ſpricht aber, wenn
nicht der Name felbft ſchon. doch die ausgeführte mythiſche Bebeutung
der Rofengartenlämpfe. Beſonders zeugt noch von Verwendung ber
Rheinauen zur Früblingsfeier ein Lied bes 13ten Jahrh., welches unter
dem Sängernamen Göli geht und aus dem Eljaß zu ſtammen fcheint,
ein Schwerttan; im Freien, das Ofterfpiel: der Sommer bat fein Gezelt
aufgerichtet, der Mai macht ihn fiegbaft, den Rhein entlang grünen
Werder und Auen („bi dem Nine üf gruonent werde und ouwe“), ba
wird ein tapfrer Gefell aufgerufen, den Stahlhut aufzujeßen, das
Oſterſachs, Oſterſchwert, an bie linke Seite zu binden und eine Tany
fchar vor das Thor auf den Wafen zu führen; alsbald [6, 322] fammelt
fih ein gleicher Haufe mit langen, zweiſchneidigen Klingen und fie be
ginnen das Ofterfpiel, in welchem ein Reigen ven andern zu durch⸗
brechen und von ber Linde zu verbrängen ftrebt, die Führer haben ihre
ein Wahrzeichen diefer Stadt. Einer zu Osnabrüd, 1535, bei Soltau, hiſto⸗
rifche Volkslieder 285; in Konflanz ein Haus und bei Rorſchach eine Spielwieſe
diefes Namens, in München ein Gaſthof „zum großen Rofengarten“. lber
tirolifche Nofengärten: J. B. Zingerle, König Laurin u. ſ. w. Innébruck 1850,
XXI f. Ebd. Sagen, Märchen n. ſ. w. daſ. 1859, ©. 66. Alpenburg, Mythen
und Sagen Tirols, Züri 1857, ©. 48 ff.
1 Mone, Unterfuchnngen 44 f., wo diefe rheinifchen Roſengärten und bie
Worwſer insbeſondre nachgewieſen find; vgl. Ebd. Anzeiger 5, 52. ©. Lange,
in den Jahrbüchern für wiffenfchaftliche Kritik 1840, 115. Rheiniſcher Am
tiquarius, Frankfurt 1744, ©. 481. Reymann und v. Osfelb, Topographiſche
Speciallarte von Deutidhland, 58 und 59 Lieferung, 199, Worms. [Wilhelm
Hertz, Deutfhe Sage im Elſaß S. 80. 216. $.)
3 Zorns Wormfer Chronik, gegen 1570, fagt vom Roſengarten nur dies
(Arnoſds Ausgabe 11): „Wangiones, Wunngauer u. |. w. daher haben unfere
alten deutfchen poeten urfach genommen, viel von dem fchönen Iufligen rofen-
garten und weingau ober fruchtgau zu bichten, weldes zum theil wahr, aber
alfo verbuntelt, daß ber, fo es verftehen foll, in beutfchen biftoriis wohl be
fefen fein muß, zum theil aber lauter mährlein.” Auch Caſpar Scheib von
Worms, Ein kurkweilige Lobrebe von wegen des Meyen mit Bergleihung bes
Frülings und Herbfies, Worms 1651, gedenkt feiner dortigen Maifeier.
521
Schönen zur Seite, fie werden im Burufe der Ihrigen gerühmt, von
ber Begenfeite verhöhnt, ein rüftiges Spiel, bei dem die Kolmarhüte
vom Schwertfchlag erhallen und man zur vechten Hand des Daumens
bedarf . Die aumutbhige Inſel Meinau im Bobenfee war, wie ihr
Name in alten Urkunden ergibt, eine Maienaue?. Bildli nennt
Heinrich Yrauenlob, Meifter der Singichule zu Mainz, die Schöne, von
deren Wangen ihm Roſen und Lilien leuchten: „min luft, min meien-
suwel“ (Ettmüller 251) und ein Sänger des 15ten Jahrh., muth-
maßlich am pfälziichen Hofe, preift reine Frauen, mit innerem Auge
geſehen, als eine Maieninfel, einen Maienwerb, jeined Herzens Aue’;
Beweiſes genug, welcher Zauber an folden Stätten der Maienluft
haftete.
In den Rittergedichten werden Fürſtenhöfe und große Turniere
gern auf den Monat Mai anberaumt, der überhaupt dazu die ſchönſte
Zeit iſt“. Als im Frühjahr 1495 Maximilian I zu Worms einen
1ME. 2, 78 f. vgl. 4, 420. 439. Weingartener Handihrift 196 ff.
Haupt, Neidhart XXIV fi. Mone, Unterfuhungen 170. W. Wadernagel,
Geſchichte der dentſchen Litteratur 247, 4. W. Menzel, Germania 1, 70.
Gewaffnete Tanzicharen, je mit der ſchönſten Jungfrau eines Gebiets an der
Spitze, ziehen auch fonf einander entgegen; fo in einem weitern Lieb unter
Goͤli (MS. 2, 79a. Weingartener Handichrift 195. Haupt, Neidhart XIX):
„Ich wil kempfe weien zuo der linden“ u. |. w., befonders aber in einem an-
klingenden ſpätern Neidhartsliede (MS. 3, 287 f. Str. 5 bis 9), wo je unter
einer Fahne „ein götin“ gebt. Bgl. Olai M. hist. 1. XV, c. 25. ©. 584:
Saltationem, seu choream similem a vetustissimo instituto servarunt ser-
vandamque docuerunt antiqui, in qua adolescens ductor erat armatus,
militarem exercens peritiam, qua postea in invadendis hostibus uti posset,
Sequebatur virgo, modestia quadam insignis, que foemineum saltum
decenter agebat.
2 Urkunden von 1148, 1352, 1357: in Maigenowe, in Daigenow, Neu⸗
gart, cod. dipl. Alem. Rr 1184. 1187. 1145. Stumpff, Schweizerchronik
5tes Buch, Blatt 5856: die luſtig Inſel, Maymow genennt u. |. w. vor zeyten
von luſts wegen die Meyenow geheißen. Bol. Schwabs Bodenſee 2, 82. -
3 Heidelberger Handfchrift 818, Blatt 495: Ein reynes wib gehür[e] |
kann nymant Übergeften, | ich hans für abentäre | vnnd zel mir das wol felber
zu dem beften, | das ich fie noch mit jnnern augen fchamf[e), | fie find mynr
frewbenn fal, ein meyen-infelwerd, myns herczen awe.
4 Barzival 281, 16 ff.: Artus, der meienbäre man, | fiwaz man ie von
ben gefprach, | zeinen pfingten daz geſchach, | odr in bes meien bluomenzit,
522
[6, 823] durch glänzende Kampfſpiele verherrlichten Reichstag hielt, war
dabei zwar, tie lange zubor fchon bei einer Turnierfabrt Ulrichs von
Liechtenftein durch oftbeutiche Länder (Lachmann 450, 13 bis 504, 18),
die Tafelrunde des Königs Artus das ritterlihe Vorbild, gleichwohl
gebachte die” als Botin aller Ehefrauen verordnete fchönfte Jungfrau
bes Hofes in feierlichen Aufrufe befonders noch ber Kämpfe, bie einft
von Fühnen Reden bier in NRofengärten geübt worden; dem Herzoge
von Sachen, der fih im gewaltigen Speer: und Schwertfpiele hervor
getban,, verehrte die Königin felbft einen Kranz mit gar fchönem
Kleinode 1. In vollsthümlichem Andenken crhielt ſich auch zu Worms
noch weiterhin das Riefentbum des Roſengartens. Der Pritichenmeifter
Lienhard Flechſel erzählt in feiner Befchreibung des bafelbft im Jahr 1575
gehaltenen Armbruftfchießend, wie er auf feinem Gange durch bie Stabt
bie in Eifenketten an ver Münze aufgehängten Riefengebeine, daͤlm an
der Trinffiube die Riefen mit ihren Eifenftangen und Grimbilven,
einen Kranz berbeitragend, gemalt ſah?. Ein belannter Meifterfang
Bol. Titurel, Hahn 1407. 1615 ff. Ulrich von Lichtenflein, Lachmann 64, 5 ff.
Turnei zu Nantes (Maßmanns Denkmäler 1, 189): do was ber plan be
firoumwet | von des meien fuezeleit, | grad und bluomen an geleit |-het er nad
wunnenklicher art. |Bergl. auch mein Buch über Ereflien von Troies ©. 149.
150, Anm. 1. H.] Noch gegen Ende des 15ten Jahrh. ſchildert Felix Fabri
aus Ulm die Mailuft feiner Zeit, welche den Pilgern im meermiflofienen Be
nedig verfagt if, mit Folgendem (Evagatorium 1, 93): Majus delectabilis
ot letus mensis u. |. w. Et quis circumdati aquis sumus, ita ut non
pateat nobis pro nostro solatio et pro deductione temporis exitus ad flori-
dos hortos aut ad amonos campos, aut ad umbrosas silvas, aut ad viridia
prata, aut ad voluptuose viridaris arborum, florum, rosarum et liliorum,
nec venstionibus vacare possumus, nec hastiludiis aut choreis interesse
decet, ideirco meum consilium est u. f. w.
1 Wilwolt von Schaumburg, herausgegeben durch Keller, 158 f. (ogl.
166 oben), beſonders die Stelle: wie in diſer flat Wurmbs vor zeiten bie aller
manlichiſtin künig, fürften und ritter inwanung gehabt und, an im breis zu
gewinnen und verliefen, mancher küner red iren hof gefuchtn, vor den küxigin
und frauen ir werbes lob gemert, manche ritterfpill, auch kempflich eruf in
sofengarten und ander enden gelibet.
2 Heidelberger Handſchrift 405, Blatt 13 f. Rheiniſcher Antiquarius 489:
Gleich nächſt dem Dom m. f. w. ſteht auf freyer Strafe ein großer ſchlechter
Stein oder Felle, von dem die Sage ifl, daß er von einem Rieſen aus bem
Nofengarten über den Rhein herüber geworfen worben u. f. w.
523
beftellt bildweiſe die zwölf Altmeifter zur Hut bes dichteriſchen Rofengartens
(MS. 4, 887 f. Germania 5, 217 ff. [Schriften 2, ©. 288. H.)P.
Heimiſch am Rheine bei Worms bewährt ſich der Fergenname Norprect;
in einer 1290 durch Rath und Bürgerfhaft diefer Stadt ausgeftellten, mit
dem Stadtfiegel verjehenen Urkunde, zur Beilegung von Streitigkeiten
zwiſchen dem Klofter Schönau und den mwiderjpenftigen Rheinfergen an der
Überfahrt Vertelvar, find als die legten genannt: Burkardus, [6, 324]
Norpertus et Gnanno, naute in passagio Vertelvar juxta Scarram 1;
dieſer Nheinübergang zwiſchen Worms und Heidelberg war von den
Pfalzgrafen nad 1282 dem Klofter Schönau überlafien worden ?.
1 Die Wormfer Urkunde von 1290 Bat Mone (Beitfehriit 9, 423 f.) be
kannt gemacht, mit dem Anfiigen: „Es fcheint, daß einige Umfände biefes
Fahrs als geihichtliche Zilge in die deutiche Heldenfage aufgenommen wurden,
nemlich der grobe Ferge Rorprecht im Liebe vom Rofengarten, welches um bie
Beit obiger Urkunde gemacht wurde und fowol den Namen eines Färchers als
auch die Grobheit der Schifflente aus der Wirklichkeit entichnt haben mag.”
Der Name Norbberaht findet fih ſchon feit dem Sten Jahrh. (verichieden ge-
formt: Nordpraht, NRorbrat, Nortbert, Norbert) in Urkunden, melde das
Wormsgan oder deffen Nachbarfchaft betreffen (3. 8. Scriba 8, 1. Cod. Laur.
1, 490. 501. 2, 58. 165).
2 Mone, Beitfchrift 9, 484 (Buben, syll. S. 276), Bon den Boten
Krimhilts nah Bern heißt es (Mofengarte 73 f.):
dd fchiften fie vil balde ze Wormez liber Win,
da muoften fie die erſte naht ze Heibelberge fin.
Der Hader mit bem widerwilligen Fährmanne geftaltet ſich mehrfach im Mythus
und als epiihe Zubehör der Heldenfahrt. Mythiſch im altn. Harbarbsliebe
für Thors Widerlehr vom Oftlande (Mythus von Thor. 84 ff.). Im Nibelungen-
lied erſchlägt Hagen erſt den getäufchten Donanfergen, tritt dann felbf an
deſſen Stelle und wirft, um bie Weiffagung der Waflerweiber zu prüfen, den
Kaplan des Königs in den Strom. Thidriksſaga kennt zwar Högnis Geivalt-
that am Schiffmann (Unger 318. Hylten 241), aber nicht die am “Priefter
verübte. Den Nheinfergen Norprecht zwingt umgelehrt der handfeſte Mönch
fan zur. Überfchiffung (W. Grimm, Nofengarte C, 809 fi. D, 689 ff.
©. 26 fi), So ſtehen ſich in verfchiedener Weife Yährmann und PBriefter feind-
lich gegenüber und dies gemahnt baran, daß von Alters ber, fchon im Iten
Jahrh., die Begegnung eine? geweihten Briefters zu ben unbeilbringenven
Angängen zählte (Mythologie 1074. 1077 f.). Insbeſondre den Schifierglauben
bezeugt noch 1736 ein bänifcher Geiſtlicher, Ericus Pontoppidanıs (Everri-
culam fermenti veteris u. |. w. Hafn. &. 102): nauclerus in Fionia Nes-
politanus [aus Nyeborg auf Fünen], viso, quod mea Crucisoram .‚[Korjöer]
524
Landeinwärts war die Stabt Worms benachbart mit ber alten Reichs⸗
burg Alzei (Rofengarte, Pfälzer Handſchrift 3. 606, Germania 4, 26:
daz riche zu Alzheim). Mittelft Urkunde von 1393 ernennt Pfalzgraf
Ruprecht der ältere zum König über alle fahrende Leute in allem feinem
Land und Gebiete den Wernher, Pfeifer von Alzei, auf beffen Lebens
zeit1, [6, 325] gleichertweife, wie 1385 der Erzbiſchof von Mainz feinen
Pfeifer und Diener Brachte, in Anerkennung befien ebrenhaften Ber:
haltens bei der Belagerung von Sala zum König fahrender Leute
durh das ganze Erzbisthbum, mit allen einem ſolchen Könige bisher
zugeftandenen Rechten, verorbnet hat (Gubenus, Cod. diplom. anec-
dot. 3, 578) und tie noch 1400 ber Herr von Rappoltftein im Elſaß
das dortige Ambacht fahrender Leute feinem Pfeifer Henfelin verleibt,
er jelbft der eigentliche Nfeiferfönig, der den Beliehenen zum Stellver
treter nimmt ?, Das Siegel der Stabt Alzei (secretum minoris opidi
Alceia, an einer Urkunde von 1276, Günther im Archiv für heſſiſche
Geſchichte 3, 134 f. Fig. 79) zeigt eine Geige mit Bogen auf rofen-
beftreutem Grunde, gleichartig ift, auch fchon im 13ten Jahrh. (1262,
1285), das Wappen ablicher Dienftleute daſelbſt, der Truchſäße und
der Winter von Alzeis. Nachher gab man dem Stadtfiegel die Geftalt,
cogitantis in trabem ipsius infunderentur impedimenta, vehementissiıme
indignatus Stygias jurando undas sancte asseveravit, inominatos plerumque
navium costis vectores esse sacerdotes eoque peritioribus magiestris no-
mine invisos.
1 Auch das von Mone, Zeitfchrift 9, 127, nachgewieſen; der Pfalggraf
befennt mit diefem, nur abfchriftlich vorhandenen Briefe, „das wir Wernhir,
Pfifer von Altzei, unfer recht bofgefinde, in allem unjerm lande und gebiete
ubir alle varnde Inte zu künge gemachet haben, alle furgabe und recht zu haben
vor allen farnluden, als farniudelunige billih und von gewonheide vor andern
farluden haben follen, ane alle geverde, alle ziit, die wile er lebet.“
2 Scheid, Diss. de jure in musicos u. f. w. Straßburg 1719. F. W.
Bartbold in den Blättern für litterarifche Unterhaltung 1852, ©. 655 fi.
Alfatia, 1856 bis 1857, S. 21. [Bgl. DO. Gierke, Der Humor im beutfchen
Net. Berlin 1871. ©. 21. 9.)
3 Mone, Beitfchrift 2, 443 f. vgl. Kausler im Angeiger des germanifchen
Mufeums 1859, Nr 9: „nit Sterne, fondern Roſen ..., eine Hinweifung
auf die Hut des Roſengartens.“ Blumen im Grund oder am Rande ber Siegel
erfcheinen zwar Häufig als bloßes Schmudwerf, doc ift ſchon der befonbre
Gebrauch desſelben auf Frauenfiegeln bemerfenswertb (Günther a. a. D. 45,
Anm. 170; vgl. Sphragififhes Album u. f. w. Beilage A zu Hohenlohe,
525
daß der aufrechte pfälgifche Lowe die Geige in den Klauen hält (Widder,
Beichreibung der Kurpfalz 3, 38. Helbenfage 323 f.) ober ohne bie-
felbe der Schilb mit dem Löwen von Rofenziweigen umrankt ift (Büntber
a. 0. D. Fig. 80). Um bes Wappenbilbs willen wurden bie Bürger
von Alzei ſpottweiſe die Fiebler genannt (Wibber 4, 410). Im Alzeier
Weisthum, muthmaßlich aus dem 13ten Jahrh., ift auch eines Hofes
der Bollerte gebadht 1. So kommt denn in den [6, 326] Nofengarten zu
Worms Voller von Alzei, der vibeläre, der kühne Spielmann, in feinem
Schild eine Fiedel ober mehrere führend, oder gar biefelbe auf dem
Rüden tragend (WB. Grimm, Einleitung X), und er gehabt fi in
diefen Liedern billig um einen Grab fpielmännifcher, als im Ernfte der
Nibelungennoth 2. Nicht unberührt darf hier bleiben, mit Hinficht auf
bie volfsühlichen Kampffpiele zwiſchen Sommer und Winter (Schriften
3, ©. 17 fi), daß im Alzeier Zinsbuche vom Jahr 1429 unter ben
Burgmannen, „die uf die Burg zu Alzei gebörent“, aufgezählt find:
Henrich Wynter (etwa vom vorgenannten Stamme der Winter von
Alzei), Sumer von Beymburg (Baumburg, Alt-Bamberg, unweit
Efifab. 1292) und, bezüglich auf den Rofengarten, Ilſans Rede (Heldenbuch,
Drud von 1509, % 5b):
Ich mäß auch rofen Drehen Bund Heiden mynen fallt.
(Bgl. noch Germania 4, 25, 567 fe Grunbtvig, Danske Folkeviser 1, 73
u. 85 u. 87, 358.)
1 Widder 3, 3 fi. (J. Grimm, Weisthümer 1, 798 ff.) Dieſes Weis-
thum, obdgleih nur im Auszug und nad einer 1589 beglaubigten Wblchrift
mitgetheilt, enthält jehr alterthiimliche Beftimmungen, S. 4 f.: wer auch bes
Pfalzgrafen Dienfimann Kampfs anſpreche, der Raugraf foll vor ihn kempfen
mit Kolben und mit Schilde und wo dies [ber] Raugraf fällig würde, da foll
man dem Dienftmann fein Haupt abfehlagen mit einem [einer] filber Borten
[barten] und mit einem güldin Schlegel n. |. w. Es verleihet auch unſer
Herr der Pfalzgraf uff dem Steine zu Alzei fünzehnthalb Grafichaften u. |. w.
er bat auch das Gebiete von dem gehauen Stein in dem [ben] gejalgen See,
fofern man fiehet einen rotben Schild am einem Maftbaume Iſts auch, daß
des Pfalzgrafen Dienfimann feine Huld verliefet, der foll fahren zu Alzei uff
den Hof und foll darab nit fommen in dem are, um ben Hof foll aud ein
Seyden Faden geben. (Bol. Nofengarte 167. Gierke, Der Humor im
dentſchen Recht ©. 88 f. H.)
2 Altnordiſch (Sim. 188. 148, 80. 148, 81. 156, 62. Sn. 1, 864.
Fornald. 8. 1, 220) ſchlägt König Gunnar ſelbſt meifterbaft die Harfe, wie
König Rother im deuntſchen Gedichte.
526
Kreuznach, A. Kölner, Geſchichte der Herrichaft Kirchheim Boland u. |. m.
Wiesbaden 1854, S. 265 ff.), auch einer des Namens Rofegarten'.
Mit den aufgeführten Wahrzeichen wormsgauiſcher Sagenheimat
ſtimmt es wenig überein, daß im Zwölfkampfe die dortigen Reden,
„Die Rinherren“ (Rofengarte 1935), auf heimilchen Boden, . durchaus
unrühmlich unterliegen, die Gelben aus dem fernen Amelungenlande
den Siegeskranz davontragen; aber eben hiedurch darf man fich in ber
Anficht beftärkt finden, wonach der Streit in urfprüngliddem Sinne
nicht ein epilcher Dietrichs von Bern mit den Rheinfranlen war. Bom
Sübdoften vorbringend, wurde Dietrich Herr und Meifter des gefammten
beutichen Heldenkreifes, dem dann auch der Riefenlampf am Rheine
fih einfügen mufte. Davon ift ein andermal (Schriften 3, ©. 17 ff.)
eigen gehandelt worben, wie bie beiben Sahreszeiten als allegorifche
Weſen ftreithaft einander entgegentreten, ihr einfaches Wettfingen ſich
zum belebtexen Bühnenſtück entwidelt, ferner wie das Einholen bes
Maienrdöchens, des Maienkranzes, des [6, 327] Maibaumes, balv als
ſchlichte Kinderluft und Tänbliches Vergnügen, bald zur prunkhaften,
gänzlich kriegsmäßigen Maienfahrt fich geitaltet und wie letztere bes
ſonders wieber an die Grenze ber Müytbenbilbung binaufrüdt. Zwei
dramatifche Zurichtungen des Rofengartenftreitz, die eine auf Bruch
ftüden einer mit 1533 gezeichneten Hanbfchrift, Die andre duch Hans
Sachs in feiner „Iiragebia“ : ber hörnen Seivfriebt, 1557, geftatten num
freilich Teinen Schluß auf Ältere Vorlagen in Geſprächsform?. Das
Feſtſpiel zum Drama auszubilden, dazu waren im beutichen Mittel-
alter die Bebingungen nicht vorhanden. Die Bühne war bier, wie
1 Widder 8, 24 f. Sumar, im Kreichgan beglitert, ſchon aus Tarolin-
giſcher Zeit, Cod. Lauresh. 2, 438. Ebenjo ber im wormsgauifchen Orts
namen Winteresheim, Wintrisheim. baftende Mannsuame, daſ. 2, 54 fi.
. Bei den Winter von Alzei war es ſchon im 18ten Jahrh. Geſchlechtsname, wit
Borfegung eines perjönlicden, wie in ber Urkunde von 1985 (Mone, Beil
ſchrift 2, 448): Wernherus et Philippus, fratres, dieti Winter de Alseia,
mit der Syiebel im Wappen. Bat. hieher oben ©. 515, Anm.
2 8. Grimm, Bruchftlide einer Bearbeitung. des Rofengartens in ber Zeit-
ſchrift für dentſches Alterthum 11, 248. Hans Sachs, 8tes Buch, Nürnberg
1661, 2ter Th. Bl. 238 ff. Auch die verwandte Fabel vom wilden Wunderer
iſt als Erzählung (Keller, Erzählungen 1: ff.) ımb als Spiel (Ebd. Fabnacht⸗
fpiele 2, 547 fi.) behandelt,
527
— — en nn
bei den neueren Böllern indgemein, kirchlichen Urſprungs. Mythiſches
fand beſſern Anhalt im Epos, wo fchon verwandte Beitandtheile ſich
barboten. Das Heldenlied aber hatte bereits feine Bahn zurüdgelegt,
ala das weltliche Schaufpiel ſich hervorarbeitete. Traten kämpfende
Geftalten aus dem Mythus und nachmals aus dem Epos in die Auf
‚züge der Sommerfeier ein, fo bat mun fi) ihre Theilnahme mehr nur
als eine mimifche, nicht als eine vollſtändig dramatiſche vorzuftellen 1.
Sn weiter Zeitferne liegt e3, daß fchon König Pipin, der die fränkifche
Heeres» und Vollsverfammlung vom Merz in den Mai verlegt hatte,
diefelbe 764 zu Worms abhielt ?, ſodann daß Worms und nächſt
diefem Achen, two denn auch der Bär Wiffelau fein Hoflleid empfieng®,
am bäufigften als die Orte genannt werben, [6, 328] dahin Karl ber
Große zum Maifeld einberief 4. Wieder im Merz 842 vereinigten ſich
zu Worms bie Töniglichen Brüder Lubwig und Karl, die Sieger bei
Fontenaille, ließen ihre Heere zwiſchen Worms und Mainz lagern und
es wurden dort Kampfipiele gröften Maßſtabs, mit rüftiger Theil:
nahme der Könige ſelbſt, ausgeführt (Nithardi histor. 3, 6). War bei
ſolchen Zuſammenkünften in Waffen die Heerfchau, bei den Kampf:
fpielen die triegerifche Tibung das hauptfächliche Abfehen (Nitharb a. a. O.
1 Gie war eiwa der Art, wie der feſtliche Umzuüg des Rieſen in Stäbten
und Dörfern Oftflandern® und Norbbrabants (Willens, Oude vliaemsche
Liederen, Gent 1848, ©. 299), oder wie Gilles de Chin und der Drade
bein Dreifaltigleitsfefte zu Mons (Schayes, Essai historique sur leg usages
des Belges, Louvain 1834, &. 150 f. Wolf, Niederländifche Sagen &. 121 f.
677 fi.), oder Robin Hood, der Held englifcher und ſchottiſcher Balladen, bei
den Maifpielen, die in förmliche Bühnenftüde ausſchlugen (Robin Hood u. |. w.
London 1820, ©. XLI ff. LÄII fi. vgl TH. Wright, Essays u. |. w. London
1846, 2, 204 fi.).
3 Annal. Laurish. ad a. 764: Rex Pipinus, distracto in diversa animo,
propter duo bella, Aquitanicum scilicet, jam olim susceptum, et Bojoari-
cum, propter Tassilonis ducis defectionem suscipiendum, populi sui gene-
ralem conventum habuit in Wormatis civitate, dilataque in futurum ex-
peditione, illo anno domi se continuit.
.3 Wiffel, 8. 282 ff. Doen hiet brengen Gernout | Wisselauwe, den hi
was hout, | sinen roc diere | van -.1III- quarteneren, | dien hi dede maken |
doen hi ten hove tAken | met Karel was gevaren,
4 Waitz, Deutſche Berfafiungsgefchichte 8, 488, Anm. 3: 770, 772. 776,
7181. 786. 787. 790 zu Worms; 797. 802. 811. 812. 818 zu chen.
528
ludos . .. causa exereitii frequentabant), fo ift boch gebenkbar, daß
die bier angefammelte Volksmenge ſich nicht jebes feftlichen Bezugs auf
bie anbrechende Jahreszeit enthalten habe. Wenn fobann in den
Rofengartenlievern und im Dietleib fih vor Worms ganze Heerhaufen
zufammenfinden und in letterem Gebichte dort die nichtbeutfchen Völker
in Dietrich8 Gefolge, Hunen, Preußen, Polen, zum erftenmale Turnier
fpiel Tennen lernen (Dietleib 8275 ff.), fo gemahnt dies wie ein fpäter
Nachkllang altwormfilcher Waffenſchau. Immerhin bleibt der wahr⸗
ſcheinliche Verband ſolcher kampfgerüſteter Vollzverfammlungen mit den
Jahresfeiern der germaniſchen Vorzeit zu beachten!. Eines ber drei
altnorbifchen Hauptfelte war gleichmäßig beftimmt, den Sommer zu
empfangen (ba fagna peir sumari, ein auch deutſch fortlebenver Aus
drud) und um Sieg zu opfern (at sumri, Pat var sigrblöt, Mytho-
logie 38. Rechtsalterthümer 245). War aber, vor dem epifchen Dietrich,
zur Bezwingung des Rieſenvolks ein göttlicher Streiter berufen, fo
blidt ja weitherein auf das Wormsgau und den Lauf bes Rheines ber
mächtigfte beutfche Donneröberg?, vor [6, 329] allen andern befchaffen,
nad dem Gotte genannt zu fein, bei befien Aus und Anfahrt alle
Berge zittern und bie Felſen brechdend. Mit der Berbunflung bes
1 An die Verfammlungen unter Karl dem Großen zu Worms und chen
reihen fi andre bei oder zu Mainz 795. 800. 803 (Wait, a. a. D.), gleid»
falls auf fränkifcher Erde (vgl. Ficker, das deutſche Kaiferreich, Innsbruck 1861,
©. 58). Berlihnt if fpäter das große Heichsfeft daſelbſt an Pfingfien 1184,
wobei Kaifer Friedrich feinen zwei Söhnen Schwert gab (Otto S. Blaf. C. 36:
nihilque hic ad ostendendam mundanz miserie gloriam abundantia vic-
tualium, varietate vestium, phaleramentis equorum, delectatione specie-
‚eulorum defuit. gl. Eneit 13021 ff.); mainzifche Sommerfeier eines deutfchen
Kaiſers Konrad, Corras, in altfranzöfifder Dichtung bei A. Keller, Ronwart
575 ff. (vgl. Görres, Altdeutſche Volls⸗⸗ und Meifterlieder, Einleitung LVIIL ff.)
Des Mainzer Königs fahrender Leute ift nach der Urkunde von 1885 oben
S. 524 gedadht und für Mainz ift auch 1825 ein hortus rosarum, fowie 1863
und 1410 ein Haus zum Roſengarten beurkundet (Dahl in den Ouartalblättern
des Vereins zu Mainz, Jahrgang 1831, ©. 48. Mone, Unterfuhhungen 44).
3 In einer Urkunde von 869: Thoneresberg, Schannat, hist. ep. Wormat.
probat. ©. 9. Mythologie 154 f. vgl. Förſtemann 2, 1386. [Bmweite Bearbei-
tung Sp. 1456. H.] von der Hagen, Helbenbud 80. 1, LXIL
3 Säm. 45, 55: Fiöll öll skialfa, | hygg ek & för vera | heiman
Hlörrida. 49, 21: biörg brotnudu, | brann iörd loga, | ök Ödins son |
529
Gottes durch den Helden mufte zugleich der Berg, der Jenem geweiht
war, in den Schatten treten. Einer Reihe rheinlänviicher Berggipfel
find Erinnerungen deutſcher Helden» und Götterfage aufgebrüdt; bort
ragen der Edartöberg zu Breiſach und Walthers Wasgenftein, Brun-
bildenbett auf dem Feldberge (Urkunde von 1043: lectulus Brunni-
bilde, Heldenfage 155), der Drachenfeld an der Hard, auf das Sieg:
friedslied bezogen, und ein andrer bes Siebengebirgs (Drelanfils), von
welchem bie Sturmriefen Ede und Faſold ausfahren, Iehterer Burgfels
erbebt fih gegenüber vom Godesberg, früber Wödenesberg (Urkunde
von 947. 974. Mythologie 139), der jedoch ebenfomwenig, als oberhalb
der Thonereöberg und rheinabwärts die Thiusburg (Duisburg, Yörfte
mann 2, 1372, vgl. 420. [Zweite Bearbeitung, Norbhaufen 1872,
©. 1441. 466. HJ Möütbhologie 179 f. 373. 1209), außer dem
Namen, eine den Gott betreffende Kunde gewahrt bat, nachdem in ber
„nieberbeutichen, altfränfifchen, vielleicht ripuariſchen“ Formel den ge
waltigen Thunaer, Woden und Sarnote längft abgefchworen war (oben
©. 518. Mythologie 146 f.).
Mit der Umwandlung beutfcher Götterſage zum Helvenlieve ver:
trug ſich überhaupt nicht die Fortbauer eines reinmythiſchen Gepräges,
wie dies in ben heidniſchen Eddaliedern erhalten blieb. Verſchieden
waren auch Schon die Anfchauungen und Einvrüde, die ſich der Bildung
des Naturmythus geboten hatten, dort im Gebirg und Meere des
hoben Nordens, bier aus ven rätiichen Alpen und vom Rheinſtrom.
In letterer Weife jedoch find Dietrichs Kampfabenteuer mit Riefen
und Drachen jet noch voll des friihen Raturlebend, von bem fie
ihren Ausgang nahmen. Im Edenlieve raufcht noch immer der
unbänbige Sturmgeift, zum Schreden der Vöglein und alles Gethiers,
durch die Frachenden Bergmwälder (Beilage). Selbit in dem fpäten Dicht:
werte von Dietrich3 erfter Ausfahrt waltet, mitten unter bem gezier-
teften Hofweſen, noch ein reger Sinn für die großartige Gebirgsmwelt,
deren gemwaltfamfte Erjcheinungen als Rieſenvolk und Dracdhenbrut bar:
geftellt find. Die Abenteuer beivegen fich im wilden Lande Tirol, im
t iötunheima. Fornm. 8. 2, 154: svä mörg ok mikit Prekrirki sem
Pôrr hafdi unnit, farit igegnum biörg ok brotit hamra, (Mythus von
Thor 22.)
Upland, Säriften. VI. 34
530
finfiern Walde, [6, 330] darin man den hellen Tag nicht fpürt i, wo
nur enge Pfade burch tiefe Tobel, Thäler und Klingen führen, zu hoch⸗
ragenden Burgfeften, deren Grundfels in ben Lüften zu hängen feheint?,
wo der Berirrende ein verlorner Mann ift, der einfam Reitende fi
felber in den Tod gibt. Dort, wo ein Bach vom hohen Fels ber
bricht, da fpringt der grimmige Drade, Schaum vor dem Rachen, fort
und fort auf den Gegner los und fucht ihn zu verfchlingen 4; wieder
„bei eines Brunnen Fluffe”, vor dem Gebirge, das ſich hoch in die
Lüfte zieht, ſchießen große Würme ber und bin unb trachten, die
Helden zu verbrennen’; bei der Herankunft eines folchen, der Roſs und
Mann zu verjchlingen droht, wirb ein Schall gehört, recht wie ein
1 Ausgabe von Stark, Str. 740 ($. 898): in difem wilden lande. 757
(ö. 909), 127; in difem finftern walde 205. 218. 707 (9. 860). 618
(9. 628): Er Wolfh.] fprad: „traut veter Hildeprant, | nun weift mid in
bie wilde!” | er jpradh: „reit gen Tirol zubant u. |. m. als pald du kumeſt
in den walt, | du fpüreft feinen hellen tag”. 620 (5. 629): „ber teufel pawet
difen walt | und wont mit haus dar innen. | ich fach auf erd nie wilder bag; |
mir bat Hilprant gar war gefeit, | gar kaum ſpür ich ben hellen tag“.
2 Str. 41 (H. 220): fein fart er [Bibung) von den firaßen Brad) | auf
gen ben boben leiten, | viel mangen pfat eng unbe jchmal, | die wilden töbel,
tiefe tal | muft er durch forchte reiten, | pi er die guten purk anja m. |. w.
490: fi furen manig leiten | und manig tiefen Hingenpfat. 417: da lag ein
habe fefte u. |. w. | wie baz in luften lag der flein. 418: Die - fee was un⸗
maßen gut, | vor ſturm und fteigen wol behut, | mit merbelftein gepawet |
auf einem perg an maßen hoch; | die burk auf gen ben lüften zoch.
8 Str. 584 ($. 889): num fordt ig, kumpt ir in ben tan, | iv wift mit,
wo ir Terer, | fo feit ir ein verlorner man u. |. w. | fumt ir alein Hin in bem
walt, | iv gebt euch felber in den tot.
4 Str. 298: Sie heiten einen herten ſturm, | gar grunmig was ber wilbe
wurm, | bie angen im geliffen; | gar oft er nach dem fürften fprang, | mit
feinen ſcharpfen claen lang | er wolt in han 'zurifien. | eiu ſchawm vor feinem
munde lag, | das fenr da von ihm ſchofſe m. |. wm. 294 (9. 173): Er treib
den herren durch ein bach, | der von eim hoben felß her brady | gar tief im
einem grunde u. f. mw. | da ginet auf der wilde trad | und wolt in han ver-
ſchlunden u. ſ. w. 295 (9. 174).
I Str. 706 (H. 859): Sie zugen furbas in den walt | die reden alle jun
und alt | zu eines prunnen fluffe. | vor eim gepirge, das was hoch, | das ſich
auf in die Infte Zoch, | gen im gar ſchnell her fähuffen | manch großer wurme
ber und dar, | wolten bie held verprennen.
931
Donnerihlag, davon das ganze Gebirg ertojt 1. Leicht [6, 331] erklenn⸗
bar find dieſe Ungethüme gleichbebeutenb mit den fievenden, donnernden
Waſſerſtürzen ſelbſt 2. Dazwiſchen ertönt, ebenfo bonnerartig, das
gräßliche Schreien der Rieſen; als Dietrih mit töblidem Steinwurf
einen jungen Riefen getroffen hat, ftößt diefer jo grimmen Schrei aus,
als bräche der Himmel entzwei®, und feine Genofien erheben eine Weh⸗
Hage, die man vier Meilen weit über Berg und Tann vernimmt, bie
ſtärkſten Thiere fliehen aus der Wildnis, die Biverge werben zur Flucht
im Höhlen und Klüfte aufgerufen, es ift, als wären bie Lüfte erzürnt,
der Grimm Gottes im Kommen, ber Teufel herausgelaflen, die Welt
verloren, der jüngfte Tag angebrocden *; ein ftarler Niefe „Yelfenftoß”
1 Str. 621 (H. 680): da Hort er ein geichelle, | vecht als ein donderſchlag
ber fch08, | dar von das ganz gepirg erdos. | da fach er alfo fehnelle | ein
großen wurm her gen im gan | mit aufgetanem munbe. | da meint Wolfhart,
der kune man, | er wolt in han verfäälunden, | das roß und au dar zu
den man.
2 Bol. oben ©. 484 f. Der zaghafte Zwerg Bibung erzählt (H. 834):
ih fach den [wurm] alſo wit } ginen mit fime giele, } des ich wonde zu ber-
feiben zit, | *r hette wol drige Fiele | verfliunden und ben Dunresberg. Hiezu
oben ©. 528, Anm. 2.
8 Str. 582 (9. 896): iunffraw, ir habt vor nit veruumen | fchreien riſen
unde würme, | ih bin im oft zu handen Tumen | in fireiten unb in firmen. |
der ris lis einen grimmen ſchrai, | und da ich in zu tode warf, | id want,
der himel wer entzwei.
4 Etr. 577 (G. 891): vir meil weit uber perg und tan | warb man des
clagens innen u. |. w. | de manig menſch gar fer erſchrak; | in amadt viel
die herzogein. 578 (H. 392): Ir clag und fchreien was fo groß, |.und das
es alfo weit erdoß. | ir ungefuges clagen | day horten pern nnd leben Rarf, |
das gewürm fi da alls verpark, | das wilt gund alla verzagen, | «8 furcht
den ungefugen jchal, | der alfo kam gedoflen, | recht als ein wilder bonberfal |
vom bimel kem geichoffen. | des wildes mut was gar verzagt, | fie Tiefen auß
der wiltnns gar, | ſam het man fi dar ans gejagt. (Bgl. Sigenot, Schade
Str. 86.) 579 (9. 898): Die ſtimm erhal in mangen perk, | da hort gar ferre
ein Heines zwert | das rufen und das jchreien. | daS zwerglein pald von bannen
lief, fein mag und frefinden es ba rief, | graf, ritter, ebel, freien: | „nun
fliht, ir frawen und ir man, | in perges höl und clüfte | und jecht bes bimels
wollen anl | erzumet fein die lüfte, | e8 kumt der grimmig gottes zorn; | ber
temfel der ift außgelan, | id main, die welt ſei gar verlorn.” (Bol. Säm.
6, 52: gafr alir iötunheimr u. f. w. | stynja drergar fyr steindurum.)
680 (H. 894): Sich Hub ein michel fliehen ſtark u. f. w. 581 (5. 885): die
läßt feine Stimme gleich einer Orgel erbröhnen, man hört fie über
Berg und Thal, überall erfchreden die Leute und jelbft der fonft un:
erſättliche Kämpe Wolfhart meint, die Berge feten entzwei, die Hölle
aufgemedt, alle Reden follen flüchtig werben 1; auch die Riefen [6, 332]
haufen am betäubenden Lärm eine® Bergwaſſers, bei einer Mühle und
zunächſt einer tiefen Höhle?. Genauere Unterſcheidung zwiſchen Sturm-
und Winterriefen, Stromriejen, Bergriefen würde man bier, in fo
veripäteten und überladenen Schilderungen, vergeblih ſuchen, aber
nur um fo bemerlenswerther ift es, daß im Allgemeinen der Zufammen-
bang jener fabelhaften Geftalten mit ihrer landfchaftlicken Umgebung
fih frifh und lebeudig erhalten hat. Hier in der Wilbnis des Hoch
gebirgd, wie anderwärts in der Wüſte des Meeres, gährt noch etwas
welt in ‚großen noten flat, | ir wil ein ende wefen, | wan niemant freüd ge
haben mag; | wir glauben all in difem land, | und das bie fet der jungſte tag.
613 (9. 622): mein ber ein rifen warf zu tot | mit einem großen ſteine,
des Tam der furft in große not. | nun merfet, wie ich& maine! | vil manig
herz gar jer erſchrak, | die rifen teten manchen jchrei, | vet ſam es wer ein
tonderſchlak.
1 Str. 663 (GH. 782): Ein ſtarker ris his Felſenſtoß, | des ſtimm recht
als ein orgel doß, | war man fi Hat geftimmet; | daz hort man uber perk und
tal. | die leut erfchrafen uberal, | fein herz was im ergrimmet. | Wolibart
ſprach: „wannen kumt der fehrei, | der manig herz erichredet? | ih main, die
perg fein ganz enzwei, | die hell ift anfgemwedet. | got verleih uns den feinen
fegn! | flieht all, ir werben reden gut! | ich han des leibes mich verwegn“.
2 Str. 505: er [Dietr.] folgt dem waſſer, das da floß, | und fam zu
einer müle. | da lag ein vis, was lank und groß, | bei einer tiefen hüle. A513
(9. 365): So ſprach der wunderklin weigant [Helf.]: | „die purk die ift mir wor
befant, | dar under leit ein müle, } da bat das waſſer großen bradt; | da
ligen die zwelf uber nadıt | gar nah bei einer hüle. | fo kum wir heimelichen
dar, | des müg wir mol genießen, | fi werben unfer nit gewar, | daz macht
des waflers fliegen“ u. |. m. Die Rieſenmühle fcheint eben auch die Wirbel
des Stromfalls zu bedeuten. Nach altnorbiiher Anſchanung und Dichter
ſprache ift die brandende See, insbefondre der raufchende Meeresfirubel, Mahl⸗
firom, eine durch neun Töchter des MeergottS oder von zwei ben Bergriefen
entftammenden Mägden umgetriebene Mühle (Sn. 1, 324: Hvernig skal se
kenna? u. |. w. 328: grotta skerja, Amiöda kvern. 378: svelgr 1 hafınu.
382: meer bergrisa. 2, 431: bä gnyr ser er hon [kvern] gnfr. Say,
Müller. 1, 141. Lex. myth. 237 f. Finn Magnufen, Edda 4, 258 f.
Mund, Nordm. Gudesagn, Chriftiania 1854, ©. 146. Ev. Egilsfon 14.
274b. 5906 f.
533
von dem urmeltlichen Chaos, das vormberein im Niefenthum feinen
mythiſchen Ausbrud gefunden bat und am Ende der Zeiten zerftörend
wieber hereinbrechen wird.
Während die Lieber vom Gebirgsfampfe vornehmlich den Ungeftüm
der anftürmenden Rieſen zur Erjcheinung bringen, ift in ven Gedichten,
bie nach dem Rojengarten benannt find, dieſem Namen gemäß, fehr
anfehaulich die fiegreihe Sommerkraft hervorgekehrt. Den Übergang
bermittelt der „Leine Rofengarten”, ber tirolifhe bes Zwergkönigs
Zaurin 1. Auch diefer ift nur von [6, 333] einem Seidenfaden umbegt
und liegt auf einer grünen Aue; mer ihn anjieht, muß fein Trauern
lafjen, die Rofen geben ſüßen Geruch und lichten Schein (3 67 f.
90 bis 102; vgl. P 63 bis 85). Man kann es für eine Wiederholung
nehmen, wenn weiterhin noch ein wonnejamer Plan vor Laurind Berge
beſchrieben wird, wo buftreiche Obftbäume blühen, Vogelftimmen aller
Art ertönen und zahme Waldthiere fpielen, wo bie herauskommenden
Inwohner des Berges Roſenkränze winden, wo man auch alle Trauer
läßt und fi im Baradiefe zu befinden glaubt (2 696 bis 717. 738
bi3 741), ebenwie der Wormjer NRofengarten ald ein Himmelveich auf
Erden gepriefen ift (Gr. 995 bis 998). Gleich ihm mirb der kleine
Rofengarten von Dietrich, Wittich und den ihnen nachfolgenden Berner:
beiden Hilvebrand, Wolfhart und Dietleib heimgeſucht (Dietrich jagt,
376 f.: Ich wolde ſuchin dy roßin roth, Solde ich dar vmme fterbin
tot); ihr Hauptgegner iſt hier freilich der ſtreitbare Zwerg Laurin, aber
doch treten zum Schluſſe noch fünf Rieſen, ſoviel ſind auch der Helden,
mit Stahlſtangen bewaffnet in den Kampf und werden ſämmtlich er:
fchlagen (3 1104 bis 1121. 1159 bis 1167); nad einer Darftellung
find fie gänzlich mit Moos überwachſen (D 255: fie woren grauffam
1 Heldenbuch, Drud von 1509, Hiiij: Hye endet ſich der Mofengarten tzů
Worms. Bnd volget hernach ner kleyn Rofengarten. Mit 3 ift im Folgenden
Zachers Laurin aus der Zeiger Handſchrift (Beitichrift für deutfches Alterthum
11, 501 ffi.), mit S die Ausgabe des Gedichts durch Schade (Berlin 1859)
nach dem alten Nürnberger Drude, mit D die Dresdner Handſchrift (nad) dem
Abdrud in F. H. von der Hagen Heldenbuch 40), mit P das Presburger Bruchftüd
(mitgetheilt durch Schröer, Presburg 1857) gemeint. Im Ettmüllers Ausgabe,
Jena 1829, lautet der Name Luarin; vgl. Müllenhoff (Zeitſchrift 7, 591):
Luaran.
534
wilde, Jverwachſen gar mit miſch), was im Kampffpiele zu Mittfaften
die Bekleidung bes Winters war (Schriften 3, S. 17 f.). Daß Wittich
Verwüſter des Gartens tft, ſtimmt zu feiner mythifchen Bedeutung ala
Flutgeiſt, in Gefangenfchaft bei Rieſen liegt er auch anderwärts
(oben S. 511). Die Benennung Rofengarten haftet in Tirol an Ortlic-
feiten verichiebener Art; im Hochgebirg, unter Eis und Felstrümmern
verjchüttet, leiht der einftige Baubergarten nur noch zur Erinnerung
feinen Namen oder es heißt fo eine mit feltenern Alpenblumen reid»
geſchmückte Bergtrift, ald Laurins Rofengarten bezeichnet ber Boll
mund bejonder8 die mit Wein und eigen, Pinien und Copreflen
üppig ausgeftattete Halbe bei Algund, unweit der Burg Tirol 1, wie
auch: im 16ten Jahrh. die von Tirol den Harniſch Laurins vor
zeigten 2.
[6, 334] Der Beftger eines ſolchen Luftgartens in den Bergen, König
Zaurin, erglänzt von Gold und Evelfteinen, jo daß er den Wald tag-
bell erleuchtet (S 401 bis 411); er wirb für den Engel Michael ge
halten, der vom Paradies daherfahre (S 500 bis 502), auf feinem
Kronhelm fingen Vögelein, Nachtigallen, Lerchen, Zeifige®, den wunder:
ſchönen Garten hat er ſich erzogen und gebegt, bie Blüthe desfelben
nennt er „meine lieben Rofen roth” (S 302 bi8 312. 530. Symb. 8);
als Dietleibs ſchöne Schwefter mit andern Jungfrauen unter die grüne
18. Weber, Handbud für Neifende in Tirol. Innsbruck 1842. ©. 142:
„in der fonnenheiterftien Lage, voll ſchwellender Fruchtbarkeit/. (Bgl. Ebd.,
Land Tirol 2, 840.) 3. B. Bingerle, König Laurin u. |. w. Innabruck 1850,
XXI j. Ebd., Sagen u. |. w. aus Zirol, dal. 1859, S. 66 f. Alpenburg,
Mothen und Sagen Tirols, Zürich 1857, S. 126 bis 128, hiezu Ebd.
Deutſche Alpenjagen, Wien 1861, ©. 246 f. Bgl. Brüder Grimm, bentide
Sagen 1, 150 f.: Blümeli2-Alp.
2 Aventin, Chronik, Frankfurt 1580, Blatt 86a. Hefdenfage 302.
8 S 479 fj.: Kron und helm gab liechten fchein | darauf fo fungen
vögelein | nachtigaf Ierchen und bie zeife | fein fitfam und in ſtiller weiſe
lieblich gelich ſam ob fie Iebten | und in eim grünen wald umb fchwebten |
mit Tiften was ſolches erdacht | und mit zanberei wol volbracht. (B 188 bis
201. Ettmüller 474 bis 492. Symb. Ta.) Künftficher noch find die Vögel
auf ber Linde des Wormfer Rofengartens zu breitaufend goldenen umgeichaffen
und ihr Geſang dur ein Druckwerk hervorgebracht (Er. 193 bis 200. 987
bis 994; vgl. Wolfptetrich, von der Hagen, Helbenbud 80. 1,288, Str. 567.
Heldenbudh von 1509, Blatt 985, 6 bis d, 4).
535
Linde über einem fühlen Brunnen gegangen ift, um fi mit Blumen
zu behängen, da bat Laurin, unfichtbar in der Nebellappe, fie durch
Wald und über Heide hinweggeführt in fein zauberhaftes Reich (3 604
kis 616. © 25 bis 48), jebt aber wird fie von ben Helden zurüd-
geholt und Laurin felber gefangen miteingebracht, der nun zu Bern
ein Gauller fein muß (3 1175 f. D 325), wie zuvor an feinem Hofe
des Gefangs und Seitenklangs der Spielleute viel war 1.
[6, 335] Nicht bloß ift auch das Mythiſche mit der Heldenſage ver:
fest, Laurin felbit, den manche ber auögehobenen Züge als Lichtalb
Tenntlih machen (vgl. Sn. 1, 78: Liosälfar eru fegri en. söl 'sfnum),
erfcheint zugleich als ein Unterirbifcher, ber im Innern der Berge
waltet, er und feine Zwerge fämpfen in Gemeinfchaft der Riefen wider
Dietrih und deſſen Gefolge, der Mythus und feine Gegenſätze zer-
fließen im bunten Spiele des Märchens.
ı 3 774 bis 788: 8832 bis 885. S 1598 bis 1607. 1688 bis 1654.
E. 1648 bis 1657. 1727 bis 1768. Symb. 266. 285 f. Heldenbuch von
1509, Blatt Kitiib f. Auch der Heine Elberich rührt bie Harfe (Otnit, Mone 522.
Heldenbuch von 1509, Blatt duiiia), wie überhaupt das Elbenvolk tontundig
iR (Brüder Grinm, Iriſche Elfenmärden LXXXII f. Myuthologie 488 f.). Es
iſt aber auch hier zu heachten, daß nordiſche Mundarten den Widerhall Zwerg⸗
rede (dvergmäl) nennen, denjenigen der Harfe bezeichnet fo die Herraudsſaga
(Fornald, 8. 3, 222: at dvergmäli kvad & öllu), während ein färdifches
Lied als Zwergſprache den Schlag der Schwerter in Berg und Fels fingen
läßt (Sjurdar kredi u, f. w. ved Hammershaimb, Kjöb. 1851, 128, 98:
dvörgamä! Bingur 1 fjöllum. 129, 108: dvörgamäl seng 1 hvörjum hamri,
Bol. Lyngbye, Fer. Qved. 464, 77. 468, 90. 470, %. Mythologie 421.
Thor 81). Damit ſtimmt nun das merkwürdige, neuerlih durch Holgmann
belannt gemachte und erläuterte Meifterlied vom Lorleberg, dem durch fein
reiche Echo berühmten Lurfeifelfen, ans welchen auf des Dichters Anruf und
Frage über Sängerlohn „baz edel twerg” Antwort gibt (Germania 5, 445 f.).
In Tirol ſelbſt, im Wippthale, finder fih urkundlich ein ſprechender Stein, der
einer darauf erbauten Burg den Namen gab (Urkunde ans Briren von 1241
in Hormayrs Beiträgen zur Geichichte Tirols, Wien 1808, S. 329: castıum
in Wibtel, quod dicitur Sprechendenstain u. |. w. castrum illud in
Sprechendenstaine; jeßt Schloß Sprechenſtein). Laurins und Elberichs Sang
und Klang mochte früher noch nicht vom Gebirge Toßgetrennt fein (vgl. Laurin,
3779 ff.: cgwene wol fingende man | by fungin alfo fußin gefang, daz ez in
dem berge erclang. & 1604 ff.: vier wolgelerte fingend man, | zen kurtz und auch
darzu czwen fang, | die jungen höffelichen gfang, | das es weit in dem berg erboß).
336
Das Verhältnis des Fleinen zum großen Rofengarten ift nicht
völlig ins Klare geſtellt. Mögen auch die Amelunge erſt aus biefem
in jenen herübergenommen fein, Laurin bleibt darum nicht minder eine
Tirolerfage (vgl. Heldenjage 356), zugleich aber gibt fein unbeftritten
mythiſches Weſen ein weiteres Anzeichen für diefelbe Befchaffenheit der
MWormfer Kämpfe; der Name Rofengarten bat die gleiche jahrzeitliche
Geltung im Etfchland, wie am Rheine, und auch dem Reiche Laurins
fehlt nicht der Frühlingsmäßige Duft und Blumenglanz.
Boller und entichievener find allerdings die Riefenfämpfe des rhei⸗
niihen Rofengartens ale Sommerftreit gelennzeichnet. Der blühende,
vom Seidenband umbegte Kampfgarten ift bier eine Meile lang und
eine halbe breiti. Wie noch die Kinderreime bei der Maifeier mit
einer Rehrzeile von Rofen und Rojenblättern durchwoben find (Schriften 3,
©. 30 f.), zieht fich durch alle Theile des Heldenlieds in manigfachſter
Wiederkehr die unabläfjige Hinweifung auf die Roſen des Gartens und
die verheißenen Kränze.
„Es war in dem Garten Freude und Wonne gnug,
hei, was der Garte Rofen und lichter Blumen trug!”
jo beißt e3 gleich im Eingang (Grimm 21 f). „Nach Roſen“, „nad
einem Roſenkranze“, reiten bie Helden aus ?; „in die Roſen“ ſpren⸗
[6, 336]gen fie zum Speerftechen, „burd bie Rofen“ mwaten fie mit
den blanten. Schwertern?; „in den rothen Roſen“ fechten unb fiegen
1 @r. Rofengarte 165 ff.: fie Kriemh.] heget einen anger mit röfen wol befleit,
der ift einer mile lang und einer halben breit.
dar umme get ein müre, daz ift ein borte fin;
truß fi allen fürften, daz ir einer kume drin!
Bgl. 519 f. 2055; au oben ©. 525, Anm. 1.
2 @r. 218: wir juln naͤch rdjen riten in künig Gibechen lant.
246 f.: ich wil durch vöfen willen nit riten in daz lant.
fold ich gein Wormez riten um einen röfen franz u. f. w.
557 f.: daz bu erſt wilt riten gein Wormez an den Rin
nach eime roͤſen kranze u. |. w.
Gr. S. 80, Str. 19: Wir wellen gein Wormez riten, ſchouwen des Rines finz,
naͤch eime vöjen franze u. ſ. wm.
8.81, Str. 20: Durch roſen unt dur bluomen nu. ſ. w.
9 Gr. 1618: dd fprenget in bie röfen der herzoge ü3 erwegen.
1822: Dö ſprenget in die röfen der degen üiz erkorn.
337
Ey VW
fie!; „lichte Blumen“ werden in die Erbe getreten, „in der Blumen
Schein” rollen die Banzerringe nieber, „auf bie Blumen” jpringt allent:
halben das Blut, „in den Rofen” liegt der ſchwer Getroffene, „um der
Roten willen” find die Recken todtgeichlagen?; „durch Roſen und burd
Blumen“ eilen die fürbittenden Frauen 3; „Rofentränze” werben dem
unbändigen Wolfhart auf fein ungelämmtes Haar, dem Meifter Hilde:
brand auf fein greifed Haupt, dem ftreitbaren Mönch Ilſan auf feine
Platte gelett, ſchließlich Führen Dietrich und feine Helden die erftrittenen
Kränze mit Freuden über den Rhein 4; „ein Rofenkränzlein” jedem feiner
1200: Dõ fprang in die röfen Sigeftap, der küene man.
1561: ſwer mit mir welle flriten, der fpring in die röfen roͤt!
1564: daz du ze ime ſpringeſt in die röfen röt.
1567: dö wuot er durch die röfen u. |. w.
1478: der monich vil kürliche durch die röfen wuot.
1240: Död fach man vuch den rifen durch die röfen gän.
1559: man fad) in ritterliche Durch die röfen gan.
1 @r. 1581 f.: vil manig flag vil fwinder wart von in beiden dö getän
ze tale vor den frouwen in den röfen rät.
2049: han wir in den röfen gefiget, fö laͤnt uns urloup han!
2 &r. 1279: dd trat er in die erden der liehten bluomen vil.
1137: die ringe begunden rifen in ber bluomen chin.
977 f. 1469: decken die röfen mit bfuote u. ſ. w.
1252: der HE wart ouch gerötet nf der beide gritene.
1502 f.: do huob er Af die fü unt gab im einen flag,
daz er mit finer fibeln vor im im den röfen lag.
1484: durch iuwer röfen willen fint bie reden töt geflagen.
3 Gr. 1947 ff.: Krimbilt in grözer ile hine durch die röjen drang.
Dd fie ja in den nöten Sifrit, irm lieben man,
fie bat ir frouwen alle näch ir loufen dan.
daz täten fie vil balde; dd wart in aljö gaäch,
durch röfen und durch bluomen folgeten fie ir naͤch.
4 Hagen 2255 f.: Wolfhart ift ungezogen, day fag ich tuch für wor,
er ſetzet roſenkrenze uf ungelemtez bor.
Heldenbud von 1509, Giiijb (Hildebr.): wo 'iſt myn krentzelin,
Das ich hie ziere mynen gramwen topff?
Hagen 2296 ff.: Die [Kriemb.] trug an ir henden ein roſenkrenzelin
mit manger band rojen, dar under die fiden clor,
ſi ſatzte ez dem frien münich uf fin kurzes bor.
Hagen 2370: Sy fürten die rofen krenze mit fröben über Rin.
338
Klofterbrüber gu [6, 387] bringen, hat Ilſan gelobt und ex drüdt ihnen
die Kränzlein auf den Kopf, bis das Blut von der Stirne rinnt!;
König Gibich werfluht den Garten, „ver die Rofen trug”, bie fchöne
Kriembilt aber hegt fortan keinen Garten mehr ?. Einzeln findet man
‚wohl auch anderwärts folche Züge, wie Zertreten und Blutbefprengung
ber Blumen im Kampfgetümmel, Nieverfallen des Todwunden in bie
Blumen (Ribelunge 929), Kuß und Blumenkranz für den Sieger im
Nitterfpiel (Titurel, herausgegeben von Hahn, Str. 1410), nirgends
aber drängen fich diefelben fo zum maienhaften Gefammtbilbe. Damit
ftimmt aud die feiertägliche Laune, wie fie im munteren Tone ber
Rofengartenliever fortſchwingt. Das herzugeladene Helbentbum bat -
jeinen Emft abgelegt und ift zum berben Heldenſcherze geworben, ber
im Bruder Ilſan feinen Gipfel erreicht. Alte Reigenlleder erweiſen bie
unwiderſtehliche Lenzesluft damit, daß jelbft geiftlihe Perfonen von
ihr bingerifjen werden. Wenn gleich diefen fonft pas Tanzen zur Tob»
fünde gerechnet ift 3, fo finden bie Lieber doch vergnüglich, auch heilige
Leute zum Sprunge zu bringen. Ulrih von Winterftetten ruft, dem
Mai zu Ehren, die Pfaffen mit den Laien zum gemeinfamen Reigen,
zu dem von Gott. vergönnten Glüde‘. Ein nieberlänvifches Tanz:
liedchen mit ber Kehrzeile: „bei, es war im Mai!” fingt vom Tanze
des Paters mit der Nonned, Im bänifchen Kinderfpielreime pflückt ver
Minh am Sommertage Rofen und will [6, 338] die Nonne hafchen, fie
ſpringt auf, leicht wie eine Fever, er kommt nach, fchwer wie ein
1 Hagen, Über]. Str. 468 f. Bol. D 861 f.
2 Gr. 1268 f.: der anger fi verfluodhet, der die röfen haͤt getragen!
dar um fint mine reden ze töbe mir geflagen. (Bgl. Gr. 11% f.)
Gr. 2065: keinen garten begete mE Krimhilt, din fchöne meit.
8 Altdeutſche Blätter 1, 62 (Was ſchaden tanken bringt, Hanbichrift des
15ten Jahrh.): tanken ift in vierley wife totſünde. zum erfter jo ein georbente
geiftliche perfon offenlih tantzt, als münd, nünnen, pfafien u. ſ. w. bie tund
totfunde non ergerniffe wegen.
AMS, 1, 147a, 48 f.: Pfaffen, leigen trettent an, | dien got der fälben
ganz; | ex if gar ein ſälik man, | der mit den Tinten fan u. ſ. w. | Erent ben
meijen, | fingent den reijen u. |. w. Aber auch in einem winterlichen Tan
leich desſelben Dichters 1, 141a, 88: Nu fingen, | dan noch harte erfpringen |
den reigen, | den reigen, | pfaffen unde leigen!
5 Hoffmann, Niederländiiche Volkslieder, 2te Ausgabe, &. 254 f.
539
Stein, luſtig tanzen bie Bwei!. Nocd der einfame Klausner bat
feinen Früblingstaumel:
Da droben auf dem Hligel, wo bie Nachtigall fingt,
ta tanzt der Einfiedel, daß die Kutt' in die Höhe Ipringt. |
(Wunderhorn 1, 458; vgl. 3, 141. [Schriften 8, S. 898. H.))
Wie aber der Reigen einft ein Schwerttanz, die Maifahrt eine gewaffnete
war, fo gehört auch Ilſan noch einem ftrengeren Sommerfpiel an, er
zählt noch zu den ftreitbaren Mönchen der deutſchen und Färlingifchen
Heldenfage,, Wolſdietrich, Walthari, Turpin (Gui de Bourgogne
S. 111), Willehalm, Rennewart. Wohl Tann ihm der Rofentränze
nicht genug erben, er walgt ſich in ben Rofen, er befleibet feinen
Schild mit foldhen?, aber ihm fpielt Volker von Alzei nicht zum
Maientanz auf, der Geigenbogen des Spielmanns, wie ber Prediger:
tab des Mönche, ift ein ſchneidendes Schwert ?. Nicht umfonft wurden
diefe Zwei einanber zu Gegnern beftellt, ihre eigenthümlichen Berufs:
mweifen geben beiberjeitd zu fortgeſetzten Wigreden Anlaß, bei einem
Volksſpiele würden die beiden Feſtgeſtalten mit ihrem zuſtändigen Bei-
wert ſich malerifh ausgenommen haben. Ergezlich ift überall, wie
die ſchwertſchwingenden Niefen und Reden des Zwölfkampfs von dem
blühenden Hintergrunde des Roſenwalds fich abheben. Anmuthig
fpottet die Streitftifterin Kriemhild der gewaltigen echter: „fie follen,
je zwei mit einander, wie bie Kinder fpielen in ben rothen Rojen“ 4
1 Thiele, Danske Folkesagn, 3 Saml. Kjöbh. 1820, ©. 142 f.
2 Gr. 1486 f.: Dd begunde ſich fafte walten der münich Ilſan;
er zerfuorte vil der röjen, & dan er wart beflän.
Heldenbuch von 1509, % 55 (oben ©. 524, Anm. 8).
8 Gr. 1618 ff.: Fuller gerachte den münich unt gab im einen ftreich,
day im fin guoter prebegerflap Az finer hant entweid).
„du gildeſt mir ben gigenſtrich, den du mir haft getän,
ich verfchröten dir die feiten*, fprach der monich Jiſan.
DO ſprach der küene Fuller: „ein fideler wil ich noch fin,
ich fan wol geftridden mit dem fibelbogen min.
ſwaz ich dä mite berreicdhe, daz muoz von ein ander gän”.
(Bol. Nibelunge 1723. 1903. 1941. Wolſdietrich, Handſchrift der Piariſten
Str. 2079.)
4 &. 984: fie ſuln wie din kinder fpiln in den röjen et,
ie zwene mit ein ander.
940
Ein richtiges Gefühl ließ die in chriftlicher Zeit nicht mehr vollgül⸗
tige Fabel vom Streite des Eommergottes mit den Winter[6, 339 ]riefen
dur epifche Bildungen zurückdrängen. Diefe mujten ber herrſchend
getoorvenen Sammlung deutfcher Sage um den Haupthelden Dietrich
von Bern gerecht werben. Der Übergang vermittelte ſich dadurch, daß
dem Helbenthume felbft ſchon eine den gewöhnlichen Bereich der Menſchen⸗
fraft überragende Stellung zukam und für basfelbe, nameutlih für
dasjenige Dietrichs (Theoderichs vom Stamme ber Amaler, balbgött-
liher Unfe, Jornandes €. 13. 14) die finnbilblihe Auffaflung zum
voraus nicht ungebräudjlich war (oben ©. 518). Die Grundlage, der in
den kämpfenden Gewalten theilweiſe verbunfelte Naturmythus, brach
nun, wie gezeigt worden, in der üppigen Blüthe des Nofengartens
und der burchmwaltenden Fröhlichkeit um fo Iebhafter hervor. Während
der Riefenlampf den möythifchen Sinn der Lieder nur unvollkommen
noch anzeigt, befunden um fo entichiebener der Schauplak und ver
Preis diefes Streites bie fommerfeftlihe Bedeutung. Die Helden finb
geladen und reiten aus, um ſich im Rofengarten Kränze zu erftreiten
und fie von dort heimzuholen, das ift der gemeinfame Hergang ber
verichiedenen Yaflungen. Damit aber tritt das Ganze deutlich in die
Reihe der kampfrüſtigen Fahrten, mittelft welcher der Mai, ber Maien-
franz, feierlich eingebracht wurde (Schriften 3, ©. 30 ff.). Der ältere
Rahmen hat jedoch in epifcher Überfüllung fich fo jehr erweitert, daß
nunmehr die Blumenfränze auf langwierigen Heerzügen von Worms
nah Bechlarn, ing Hunenland, nach Garten, Dietrihäbern und dem
Klofter Eifenburg gelangen müßen. Führt man aber den Sagenbeftand
auf fein noch ertennbares Map zurüd, dann bleiben bie Rofen frifch
und duftig, es ergibt ſich ein rheinifcher Mairitt, eine kriegeriſche Früh⸗
lingsfeier in dem dur Merz: und Maifelder altberühmten Wormögau,
ebendamit hervorftehend unter den auch anderwärts auf beutfchem
Gebiete kundbaren Maifahrten und Rofengärten.
Es liegt in des Beſchaffenheit eines Gegenſtands, der von mythiſchem
Uriprung aus durch Volksſpiel und Heldenlied gegangen ift, daß ber
jelbe nicht in jedem Wechfel und Wandel fich folgerichtig ausgeftaltet
und damit überall einer zmeifellofen Auffafiung Raum gegeben bat,
aber jenem Zujfammenbange felbft Anerlennung zu gewinnen, iſt im
Vorſtehenden verſucht worden.
541
[6, 340] Beilage zu ©. 508.
Der Rieſenſtamm.
Nah Thidriksſaga veräften fih vom Könige Wilkinus (Vilcinus),
dem Urvater der in ihr auftretenden Rieſen, zweierlei Nachlommen:
ſchaften, deren erftere, die einem Meerweib entfprofien ift, in dem
mötterlichen Elemente mwaltet, während bie andre, aus echter Ehe, im
Luftgebiet ihr Wefen treibt. Läßt ſich, wie verfucht werben foll, biefer
zweifache Lebenskreis aufzeigen, fo Tann auch der Stammpater von
Meer: und Luftriefen nicht ein gewöhnlicher Volkskönig fein. Zwar
begreift, nach Angabe des Sagenſchreibers, das Reich des Willinus
die Gebiete, welche nachmals Schweden, Gothland, Schoonen, See
land, Sütland, Binland (a. Vindland) hießen; wie es überhaupt in
diefer Saga gebräuchlich fei, daß vom Namen des erften Herrſchers
defjien Reih und Volk den ihrigen erhalten, fo fei auch nad König
Wilkinus jenes Reich Willinenland (Vilcinaland), das Volt Willinen-
leute (Vileinamenn) fo lange benannt geweſen, bis Andre fich der
Herrichaft bemädhtigt und damit neue Namen aufgelommen (Unger 27.
Hylten 19 f.). Unverkennbar haben hiebei die Wenden (altn. Vindar,
Vindland,, Vinnland, Zeuß 67 f.) und Wilgen (Oveiraı, Weletabi,
Wilti, Wilzi, ag. Vylte, Zeuß 655. Graff 1, 851. Gr. 1, 2te Aus
gabe, 777) vorgeſchwebt; mo ein beutjches Gedicht von „ver Wilze lande“
ſpricht (Heldenfage 187, vgl. 162: der Wilzen diet), da nennt bie Saga
Vileinaland, Vileinaborg (Unger 248. 267. Hylten 194, vgl. Graff
a. a. O. Zeuß 655: PViltaburg, Wilzeburg), näher rüdend feen bie
zwei fpäteren Hanbfchriften Viltinus, Viltinaland (Unger 37, Anm. 2;
vgl. ebend. 35 f. Vilzina). Allein dieſe Verſuche, den fagenhaften
König mit Geſchlecht und Volt auf feiten Boden zu ftellen, finden doch
(abgefehen von den noch unerflärten Bildungen -inus, -ina) im Sagen-
inbalte ſelbſt allzu wenig Gewähr; feine Sage hat ihren eigenthüm-
lichen Beltand eben nur in jenem Mythiſchen, in der Begegnung mit
dem Meerweib und in den riefenhaften Nachlommen, mas fonjt von
des Königs norböftlichen Heerfahrten gemeldet wird, iſt bürftig und
geftaltlos, mehr nur Übergang zu anderlei Sagen. Es fragt fi, ob
nicht durch misverſtändliche Beiziehung der Wilgen ein anbrer, dem
542
Bufammenbange [6, 341] der Stammtafel befier zufagender Name ver
drängt worden fei. 1 Wade (Vadi), Sohn des Willinus von ber See⸗
frau, erwächſt zum Rieſen und ſchlägt auch in unverträglicher Sinnesart
dem Stamme feiner Mutter nach (Unger 29 f. Hylten 21); er watet
über eine neun Ellen tiefe Meerenge,. feinen Sohn Wieland (Velent)
auf der Achfel tragend, um ihn zwei kunſtreichen Zwergen in bie Lehre
zu bringen (Unger 66: Vade risi u. f. w. verdr ivir sundit. Hylten
42); jeine Gänge von und zu. dem Berge, worin fi) die Werkftätte
diefer Ziverge befindet, fowie eine frühere Lehrzeit Wielands, find nad
genauen Zeitfriften bemeflen (zu Wade |. Mythologie 350. Müllenhoff
in ber Zeitſchrift für deutfches Altertbum 6, 62 fi. Wade u. ſ. w.
par Fr. Michel, Paris 1837). Wieland treibt in einem Baumflamm,
den er fih zum Boote gezimmert, achtzehn Tage und Nächte auf ber
See umber (Unger 70. Hylten 44); nad} ber ältern Edda (Völundarkv.,
Säm. 72 ff.; vgl, hiezu Eugippus, vita se. Severini, act. sanct. ed.
‚Boll. 1, 488. Dahn, die Könige der Germanen 2, 30) wohnt er mit
zwei Brüdern am Wolfmeere, bort ſchmiedet er aus rotbem Gold Ringe,
deren er fiebenhundert in feinem Sal aufgezogen bat, und barrt jeimer
lichten Frau, die in Schwangefieder ausgeflogen ift, er jelbft auch wird
Fürft der Alfe, Lichtgeifter, genannt (73, 10: Alfa liodi. 73, 13 und
i Das ahd. n. woldan, molden,. altj. wolcan, agſ. volcen, hier überall
im Sinne des neubeutichen f. Wolle, bebeutet in der engliichen Form welkin
die Himmelsfefte, felbft den blauen Himmel; dem Altnordifchen und deſſen
Tochterſprachen fehlt es gänzlich, um jo eher konnte da, wenn es aus beuticher
Duelle vorlam, Deutung und Schreibung irregehen (außer dem Schwanken
der norwegiſchen Handſchriften zwiſchen Willinen uud Wiltinen, findet man in
einem ber ſchwediſchen Texte mitunter auch Velkinus, Velcinus, Welkinus,
Velcina land, Velchino men, Hylten 311. 484. 436). Als ahd. Mannsname
begegnet Wolco (Neugart 709, a, 921), auch patronymijch ein Wulching (Hund,
Balisb. ©. 81, 9 sec. Anzeiger 6, 265), das Nentrum wolchan u. |. w. konnte
als ſolches nicht auch perjönficher Name fein, aber neben jenem if die Bildung
eines masc. Wolcano ebenſowohl denkbar, wie neben jächlichen magan, ragin,
die männlichen Eigennamen Megino, Magan (fsörftemann 1, 887), Regino,
altn. Beginn (Reinhart Fuchs CCXLI), entflanben. Wie das Subſt. himins,
himinn, bimil, von einem verlorenen Verb, hima, tegere, involvere, abgeleitet
wirb (Gramm. 2, 55. Mythologie 661), fo deutet Schmeller (4, 71), unter
Bolten, auf ein Verb. inwolken, inwellen, involvere, Dintifla 2, 220, ans
einem Iateinifch-nieberbentichen Wörterbuch des 18ten Jahrh.
543
75, 30: visi Alfa), aber bie Nächte hindurch (nöttum) zieht Nidudr,
der Niare Gebieter, mit feinen Mannen heran, ihre Schilde blinken
gegen den eingejchnittenen Mond 1, fie geben in den Sal, nehmen
einen der [6, 342] aufgezogenen Goldringe, Wieland jelbft wird fchlafenb
an Händen und Füßen gebunden und, nad) Anweifung ber Königin,
mit zerjchnittenen Kniefehnen auf eine Inſel am Strande gejebt, mo
er dem König Kleinode fchmieden muß, er rächt fich aber, indem er
die zwei Sinaben des Königs tödtet, ihre Hienfchalen in: Silber, ihre
Augen als Edelfteine faßt, die Königstochter, der er feinen ihr vom
Bater mitgebrachten Goldring ausbeflern fol, entehrt und, ſobald er
ihr eiblihe Sicherheit ausgewirkt, dieſe Frevel verfündet und fich lachend
in bie Lüfte ſchwingt. Sinb mit den Hin: und Hergängen bed Meer:
riefen Wabe die regelmäßigen Wanblungen von Ebbe und Flut gemeint
(Müllenhoff a. a. D. 68), fo erahnen fi) in ber damit zufammen-
hängenden Wielandsfage die Wechſel des Mondes, die leuchtenden Ge-
ſchmeide bes geftirnten Nachtbimmels?. Durch Wittih, Wielands Sohn,
fehrt das Gefchlecht, das vom Meere ftammt, entichieben in feine Heimat
zuräd; er wirb nad) der Schlacht vor Raben von Dietrich, dem er den
Bruder erfchlagen und dem in feinem Zorne der Harniſch am Leibe
glüht (Nabene 946. 973), nad Thiprilsfaga Feuer aus dem Munde
flammt, über die Heide bis an das Meer verfolgt, da kommt als
Retterin eine Meerminne, Wittichs Ahne, nimmt den Helden und führt
ihn mit feinem Rofie Scheming nieder zu des Meeres Grunde, wo ihn
Dietrih, der bis an den Sattelbogen in die Flut nacdgeritten, nicht
mehr erreichen Tann. Dieje Ahnmutter, alfo diefelbe Seefrau, mit ber
Willinus den Wade gezeugt, bat im beutfchen Gedicht auch ben ent-
1 Säm. 73, 6: vid enn skarda mäna. Ggilsfon 719a: ad accisam,
decrescentem, lunam; 3u Nidudr, Niara dröttin vgl. Sn. 1, 472: mäni,
nY, nid. Säm. 2, 11: Ni ok Nidi. Egileſon 6016: nid, n. interlunium,
602 a. Mythologie 672 f.; dann Säm. 88, 8 f.: und mänasal midian n.f.w.
nipt Nera, Egilsſon 59a. Mythologie 880. Säm. 24, 25: nött var Nörvi
borin. 35, 0%. ©n. 1, 54.
- 3 Thor wirft die Augen bes von ihm erichlagenen Yötuns Thiafſi als
zwei Sterne au den Himmel auf (Sim. 52, 19. En. 1, 214. Mythologie
1168). Keller, Erzählungen 8, 18 fl.: Darin lag geftain | groß und claim |
in allem dem gepär, | al es das geſtirn wär.
544
ſprechenden Namen Wagbild (Rabene 969: vrou Wachilt; wäc m. lu
tus; das Ganze, Rabene 955 bis 974, in F. H. von der Hagen Helben-
buch von 1855, vgl. mit Unger 292. Hylten 220. 300). Der gewöhn-
liche Nebengänger Wittichs, Heime (ſchon im Widſidh 250. 260: Wudga
and Häma), findet ſich zwar nirgends in deſſen Verwandtſchaft gezogen,
ift aber doch ſehr ähnlicher Art; bezeichnet wird er mitunter „der Niefe,
ber junge Riefe“, es wird ihm eine Überzahl von Ellenbogen und Händen
beigemefien (Rofengarte XX. Heldenfage 257) und fein Name damit
erklärt, daß heimir ein [6, 343] Wurm gebeißen fei, der, graufamer als
andre Würme, benfelben zum Schreden gereiche und mit welchem man
deshalb den grimmen Reden verglichen babe (Unger 24. Hylten 17.
Mythologie 360), wie denn auch die Streitgier und der Grimm Wittichs
durch deſſen Helmzeichen, einen Giftwurm, ausgebrüdt fein ſoll und er
darnach ale „Witege mit dem flangen” vorkommt (Unger 97 f. Hylten
59. 129. W. Grimm in der Zeitichrift für deutſches Altertbum 2,
248 ff.). Heimes Vater beißt in deutfhen Quellen Mabelger (zweifel⸗
hafter Abelger; in Thidriksſaga Studas; Heldenfage 146. 178; Mythos
logie 1160), melden Namen das Gedicht von Morolf dem Sohn einer
„Meerminne“ gibt, einem wilden Gezwerg mit der Nebellappe (Morolf
3909 ff.). Die vier Arme des kämpfenden Heime rühren an ben acht⸗
händigen, mit vier Schiwertern zugleich fchlagenven Starlad, den Niefen
der norwegiichen Alaftromfälle, der von Thor dort berabgeftürzt wird
(Fornald. S. 1, 412 f. 513 f. 3, 15. 37. Sn. 1, 258. Saro, heraus:
gegeben von Müller, 1, 274. Thor 176 ff). Im Rofengarten fiehen
allerdings Wittich und Heime den Rieſen gegenüber, in faft allen Dar:
ftelungen tödtet Heime den Schrutan, Wittic den Afprian, fie find
beide längft in bie epifche Gemeinichaft der Amelunge eingetreten, ob:
gleich fie in dieſer ſtets eine unfichre, leicht in verberbliche Bosheit,
Graufamleit, Feindſchaft umichlagende Zuthat ausmachen. Wittich fühlt
fih bier als Fremdling (ellenve), beflagt fih, daß die Wölfinge ihn
haſſen, und zeigt die Abficht, wieder zu Ermenrich zu geben (Rofen-
garte XX). Aber felbjt der reinmythiſchen Auffafiung liegt das nicht
ferne, daß wilde Naturgewalten fich unter einander belämpfen, Rieſen
mit Drachen, Thurfe mit Thurjen ringen. Die beiden Waffenbrüber,
der Ablümmling bes Meerweibs, Wittih, und ber vielarmige Heime,
deren Namen und Zeichen fchon den Wurm, das Sinnbild der Flut,
945
des Stromes, Waflerfturzes, ergeben 1, find anderwärts in ihrem
[6, 344] Ungeftüm dem Sommergotte verfeindet, jet aber, bei feiner
Wieberlehr, da die Eisdecke der Waſſer gefprengt wird, tummeln fie
ſich rüftig in feinem Dienfte. Dur Dietrichs Diener läßt die Saga
(oben S. 511) den gefeflelten Wittich aus der Gefangenfchaft bei den
Niefen befreien ?.
Der andre, echte Willinusfohn, von unbenannter Mutter, Rorbian,
folgt feinem Bater in den norböftlicden Reichen nach, mwirb aber von
Hertnid, dem König über Rußland und Polen, ver bisher den Wilkinen
ſchatzpflichtig war, befiegt und zum Unterlönig in Schweben beftellt.
1 Bum Namen Heime f. die vorbemerkten Stellen, aber auch Vidugäuja
(silvicola, Mythologie 349. 451, vgl. Yörftemann 1, 1285) kann eine Be-
zeihnung der Schlange fein. An einem Stromgebiete haftet bei Jornandes
C. 34, ſcheinbar aus dem Berichte von Priscus fiber feine Befandtichaftsreife
zu Attila, der Heldenname: Ingentia siquidem flumina, id est Tysiam Tibi-
siamque et Driccam transeuntes, venimus in locum illum, ubi dudum
Vidieula [a. Vidigoia], Gothoram fortissimus, Sarmatum dolo occubuit.
Allein im griehifchen Zerte des Priscus (Niebuhr, Corp. script. hisı. Byzant.
1, 183) fehlt zu den Flußnamen gerade dieſes Andenken an Wittich, das wohl
erft aus gothiſcher Überlieferung viel fpäter binzugelommen ift, über beffen
mythiſchen, epifchen, geſchichtlichen Beſtand jedoch nicht entichieden werden kann
(vgl. Jornandes €. 5).
2 Zu erwähnen ift hier noch der tiroliihen Cage vom Rieſen Haimon,
der erft den Thürs (vgl. Mythologie 488) „am Tyrſenbach“, dann, zum Schutze
des Klofterbaus von Wilten, den dortigen Drachen umbringt; diejer baujt in
einer nahen Steinkluft, noch jet Drachenhöhle genannt, flürzt fich giftfpeiend
vom Feld und zerfiört das neuerfiehende Bauwerk, alfo ebenda, wo der tobende
Sillbach aus dem Geftüfte herabſchäumt. (Lateinische und deutfches Gedicht
vom Klofter Wilten, von 1571, bei Mone, Unterfuhungen 288 fi. Hiſtoria
von dem Riſen Haimon u. |. w. durch, Joſuam Malerum u. ſ. w. Gonft. 1604.
Brüder Grimm, deutihe Sagen 1, 210. Beyrer, WVegweiler in der Provinz
Hauptftabt Innsbrud u. |. w. S.185 ff. 3.8. Zingerle, Germania 4, 434 ff.
Ebd., Sagen, Märchen n. |. w. aus Tirol, Innsbruck 1859, ©. 89 bis 98,
Bon Alpenburg, Mythen und Sagen Tirols 40 f.) In dieſer fpäten Zurichtung
ift der Name des Strombämons auf den frommen, obgleich als Rieſe ge-
ſchilderten Kloftergründer übertragen. Schon in Thidrikaſaga tödtet Heimir,
als Mönch des Kloſters Badincufan in der Lombardei, den Rieſen Aspilian.
Flugdrachen in einem Waflerfalle: Gull-Pöris Saga, herausgegeben von K.
Maurer, ©. 48. 50 f., vgl. oben ©. 484.
Ubland, Schriften. VI. 35
346
Darin zeigt fi) nichts von lebendiger Sage; doch Tann, außer dem
Namen, die Härte und Kargheit, die ihm aufgebürbet wird (Unger 29.
Hylten 22), ihn als twinterlih Waltenden bezeichnen und durch feine
riefenhafte Söhne wird auch Nordians Weſen etwas beutlicher. Unter
diefen ift ber gewaltfamfte Widolf mit der Stange; feine Achſel über
ragt das Haupt andrer Riefen und er allein ift ftärler, al® zwei feiner
Brüder (Unger 33. Hylten 24), kein Pferd überholt ihn im Laufe
(Unger 52. Hylten 38). Die Staldenfpracdhe benennt den Wind
Dreher, Wolf (Verzehrer), Yötun des Baumes, Reiſes, Waldes
(Sn. 1, 330: briotr vidar, vargr vidar; Egilsfon 2215: selju gandr,
453: iötunn vandar, vgl. 825), das berührt fi ganz nahe mit dem
Riefennamen Wibolf, Witolt (über ⸗olf, -olt Gr. 2, 330 f. 3, 706),
im Sinne des tobenpften, waldzerſtörenden Sturmmwinds 1.
16, 345] Aventrod, Abenbroth, ein weiterer Sohn Nordians, gehört
nad feinem Namen gleichfalls dem Luftreich an, er iſt auch ein Hiefe,
aber als ein fanfterer führt er den gebundenen Bruber Widolf, der
nur zum Kampfe Iosfommen fol, hinter fich ber (Unger 132, vgl. 34.
Hylten 109). Dagegen knupft ihn das deutſche Eckenlied an zwei
Brüder, bie nicht unter Nordians Söhnen genannt find, Ede und
Faſold. ber dieſe fehlt es nicht an müthifchen Anzeigen. Der Wind,
der über die Flut fährt, den Menſchen unfichtbar, kommt, nad einem
Eddaliede, von den Schwingen des Jötuns Hräfvelg, der in Adler⸗
geftalt an des Himmels (nörblichem) Ende fit (Säm. 25, 36 f. Sr. 1,
80 f. 549). Nach den finnischen Runen ift der Nordſturm ein Adler,
der von der Lappmark ausfliegt, mit einem Ylügel die Waſſerfläche
ftreift, mit dem andern hohe Himmel theilt und dem unterm Gefieder
bundert Männer, auf dem Schmweife taufend, in jeber Spule zehne
ı Sm der Eddaſtelle Sn. 1, 3830: Hvernig skall kenna vind? m. f. w.
vargr.vidar eda segls eda seglreida u. |. w. mag immerhin vidr zunädft den
Maftbaum meinen, im Zufammenhange mit Eegel und Segelwert, aber davon
unabhängig ift das vorangehende briot vidar; Ähnlich vom feuer En. 1, 882:
grand vidar, ebd. Anm. 2: vargr ok tröll bess er hanu eydir (ok vidar
ebd. 2, 429). Egilsſon 831a: Alfr stordar (vastator silve). Bon anbrer
Art, ein eigentliher Waldgeiſt, erfcheint der im Hyndlaliede, Säm. 70, 32,
als Stammvater der Weillagerinnen genannte Vidolfr, derfelbe wohl mit dem
beil- und zauberkundigen Bitolfus bei Caro, Müller 1, 323 f.
547
fteben 1. Hiernach konnte auch der Jötun Thiaſſi, in feinen Adler
flügen, als winterliher Sturmriefe gebeutet werben . Zugleich mit
hreesvelgr (Lex. po&t. 394: helluo cadaverum, devorans cadavera)
it eine flalvifche Benennung des Adlers egdir (Sn. 1, 490. 2, 488.
572; Lex. isl. 1, 1715: egdir, m. aquila mas; vgl. Mythologie 600:
aquila, aquilo, derdg). Als raufchender, ſturmverkündender Jötun
mit dem Aolernamen erfcheint ferner Egdhir, der Niefin Hirte, der,
nach dem Liede der Vala, beim Herannahen. des Weltuntergangs. auf
dem Hügel fist und fröhlich die Harfe ſchlägt (Säm. 4, 34; auf dem
Hügel ſitzt auch der Hirte des Jöẽtuns Ghmir, Säm. 59a); an andern
Stellen ift es ausgefprochen ber Adler, defien Getöfe, zufammen mit
andrem Elementarifchen, den Weltlampf oder auch gewaltige Zukunft
des Heldenthums ankündigt (Säm. 6, 49: ormr knyr unnir, | en ari
hlekkar, vgl. Sn. 1, 194, Eäm. 78, 6: örn göl Arla. 83, 1: arar
gullu, | hnigu heilög [6, 346) vötn | af himinföllum). Egtherus bei
Saro, erft als Name eines Königs von Biarmien, dann eines finnischen
Seeräubers (Müller 1, 248 f. 328. Vgl. Fornald. 8. 2, 10: Skyli,
fadir Egdis), läßt ſich in beiden Fällen wenig gefchichtlih an. Eine
andre Form, Agdhi, fteht in örtlichem Bezug mit dem Namen einer
gebirgigen Landipige und ihrer Bewohner am Eingang des Meerbufens
von Drontheim ?, ohne darum den ablerartigen Sturmbämon zu ver
läugnen. Ein jcherzhaftes Geſpräch des Königs Harald Harbradi mit
dem vorbeijchiffenden Sfalden Halli gibt zu verftehen, wie man froh
1 Schröter, Finnische Runen, Upfala 1819, ©. 58 ff. (Stuttgart 1834,
S. 72): Der Adler (kokko). gl. Kalevala, öfvers. of M. A. Castren,
Helfingfors 1841, 2, 106 f. [Bergl. hierher und zum Folgenden Schriften 8,
©. 37 bis 89. 50. 51. 9]
2 Thor 114 f. (vgl. Mythologie 739.) ’Asrog x 0 nup Bopsas zuſammen
genannt im neugriechiichen Liebe bei Fauriel, Chants populaires de la Gröce
moderne 2, Paris 1825, ©. 432.
3 Fornald. 8.2, 5: Drymr ätti Agdir; hans son var Agdi ok Agnarr,
fadir Ketils Bryme, er bA Atti 1 Prumu. Die Ramen der Landichaft
Agdhir und der Inſel Thruma werden Hier mit perfünlichen Thrymr und
Agdhi in Beziehung gebracht (vgl. Mund 1, 108 f.); Thrymr heißt aber au
der Thurfenfürft des belannten Eddalieds (Säm. 47 ff.), der gleich Thiaffi,
dem Bewohner Thrymheims (Säm. 28, 11. Sn. 1, 92 f.), von Thor
erkihlagen wird und, nad dem ganzen Zufammenhange bes Mythus, ebenmäßig
als winterlicher Sturmriefe aufzufaffen ift (Thor 95 ff.).
948
fein durfte, bei jenem Vorgebirge (Agdhanes) mit leidlichem Fahrwinde,
von Agdhi ungerüttelt, durchzukommen!. Doch ift Agbhi nicht an bie
einzelne Örtlichleit gebannt. Eine jener ſpaͤtern Erzählungen, in welden
alte Thorsmythen märchenhaft verarbeitet find ?, läßt am Hofe des
Jötuns Geirröd verfchiedene Spiele aufführen, wobei Gruppen riefen
hafter Weſen einander gegenüberfteben, namentlich tritt der Jarl Agdhi
mit zwei Gefährten, Jökull und Frofti, auf, noch ein Dritter, Guſtr,
jtebt auf feiner Seite. Jökull beveutet Gletſcher, Froſti Froſt, Guflr
Winterwind (Biörn 1, 315: gustr, m. aura frigida. Egilsfon 2805:
ventus, aura, flatus. Sn, 1, 486: Veär heitir ok gustr); die beiden
Erjiern find auch anderwärts jötunifchen Stammes (Thor 30 ff.). Noch
ift Agdhis Mplergeftalt angezeigt: ſchwarz ift er wie Hel (var hann blär
sem Hel) und ſchlägt im Wettringen die Griffe (krummurner) fo feft
in des Gegners Seiten, daß fie bis aufs Bein dringen; nachher fährt
er ın großem Jötunzorne (1 allmiklum iötunmöd) [6, 347] hinweg und
läuft wie toll zum Walde, wo er gewaltig heult (greniadi miög);
auch bricht er zur Nachtzeit ein Dach (Bilfiöl) auf und zerftört, ſpul⸗
artig umberfahrend, einen Hof (hafdi gengit aptr ok eytt beeinn).
Wie nun mit diefen nordiſchen Egbhir und Agbhi der veutfche Ede ſich
bem Laute nad berührt, jo auch in feiner ſtets noch halbmythiſchen
Ericheinung ꝰ. Er beißt fortwährend ber Niefe (Edenliet, Laßberg
1 Fornm. 8. 6, 360: sard hann ydr hä eigi Agdi? u. f. w. (zu
sard vgl. Schmeller 3,288 f. Zeitfchrift für deutfches Alterthum 5, 399.
566.) Wie Egbhir (oben ©. 547) figt Thrymr auf dem Hligel, feine rende find
goldgehörnte Kühe und ſchwarze Ochſen (Säm. 47, 6. 49, 23), das weilt
hier wie dort auf die Wollenherbe, die vom Sturmriefen getrieben wird; aud
dem Rieſenhirten Snio in däniſchen Chroniken tangt nicht wohl ein aubrer
Austrieb, als das Schneegewölke (Thor 35 f. 101).
2 Saga af horsteini Bearmagni (Fornm. 8. 3, 175 fi., auch in Bir
ners Kämpa Jater), deren Abfaffung Müller, Eagabibliothel 8, 251, bu
vielleicht in das 15te Jahrh. herabſetzt.
3 Spradli it dieſe Bufammenftellung nicht ſchwieriger, als die von Ede
und Ogir (Mythologie 218. 602. 1210. Simrock, Handbuch 110. 356. 448).
Fur Tegtere kann etwa noch der Meermann „Elle Relfepenn“ bei ten Inſel⸗
friefen angeführt werden (Hanjen, Frieffihe Sagen, Alt. 1868, &. VIL
148 ff. 193), do bewirkt auch er hauptfähli bie ſtürmiſche Se. Der
Ede des Liedes und der Saga gewährt keinerlei auf einen Meergeiſt deutbare
Anſchauung. Sein Zug geht vom Rhein an die Etfch, er treibt Ad im DM
549
Str. 72. 103. 108. 113. 144), reicht hoch auf über die Bäume (Röhn
Str. 84), ſchlägt Männer zu Boden, wie der Wind die Baumftämme
fällt (Zaßberg Str. 15); fiurmartig, an den Idtun Agdhi mahnend, ift
beſonders auch fein raftlofes Rennen in weite Gerne, fein lärmenber
Gang durch die Wälder: ihn trägt Fein Roſs und er braucht auch Feines,
er läuft vierzehn Nächte hindurd, ohne von Hunger oder Mübe zu
leiden (Laßberg Str. 34. 41. 43); mie ein Leopard fpringt er weit in
den Wald, wie eine Glode hört man feinen Helm, von den Äſten ge:
zührt, erfchallen, der mit tauſend Schellen bebangene Schild, den er
am Arme trägt, wedt die Vögel und das Wilb auf, das feiner ge:
ſchwinden Fahrt neugierig nacdgafft !; bei feinem Zweilampfe mit
Dietrich in der Wildnis [6, 348] von Tirol (Laßberg Str. 48: ze Tirol
gen dem walde) ertoft das Gebirg, Ede fchlägt die Aſte von den
ning, auf dem Drachenfels, auf dem Nonzberg um (Unger 112. 78. Laßberg
Str. 51), feine Kämpfe toben „in gebirg und in der wilde“ (Laßberg Gtr. 56).
1 Laßberg Str. 88. 86 f. 72; vgl. Dietrichs Ausfahrt, Stark Str. 709 fi.
(Hagen 80, Str. 862 fi): Riefe Glodenböz. Andre Stimmen gibt dem Getös
im Walde das ruffiiche Tied vom Räuber Nachtigall (Alte ruffische Dichtungen,
gefammelt von Kirſcha Daniloff, Mosfwa 1818, nah Moriz Rapps hand-
fchriftlicher Überfegung [vergl. oben &. 19, Anm. 542. H.]; vergl. Furſt
Wladimir und defien Tafelrunde u. |. w. Leipzig 1819, S. 80 fi. P. von
Goͤtze, Stimmen des ruffilden Volls in Liedern, Stuttgart 1828, ©. 58 f.
Dietrich, Ruſſiſche Volksmärchen, Leipzig 1851, S. 68 ff.). Diefer Unhold
Hauft in den dunkeln brinskiſchen Wäldern, er niftet auf neun verfchlungenen
Eichen, von welchen aus er Roſs und Mann durch feine furdhtbaren Laute be=
tänbt und niederwirft: erft fängt er zu pfeifen an nach Art der Rachtigallen,
dann zifht er nad Schlangenart, zum dritten brüllt er nach der Weife ber
Auerochfen; die ganze Tonleiter des GSturmgebranjes im Walde, Der Bän«
diger dieſes Ungethüms ift Zlija von Murom, nun zwar ein Helb von ber
Genofſſenſchaft des Fürſten Wladimir, aber Ilija, der im Wetter gen Himmel
gefahrene Prophet Elias, vertritt auch ‚bei ſlaviſchen und kaulaſiſchen Völlern
die Stelle des Donnergotts (Mythologie 157 ff., man vgl. noch den gewaltigen
König Flias von Reuflen im Otnit). Gleich Thiaffi und Egdhir if auch ber
brinstifhe Räuber beſchwingt, den: Heldenjcherz eine Nachtigall (vgl. Ger-
mania 8, 188 f. [Schriften 3, &. 99 f. H.]), feine neun Söhne verwandeln
ſich in ſchwarze Raben mit eifernen Schnäbeln. Wie diefes Abenteuer auf das
Eckenlied, fo weilen andre Helbenfänge des Wladimirkreiſes auf das Hilde⸗
brandalied, auf Siegfriebs Drachenlampf und die Helgifage; Wladimir ſelbſt
war germaniihen Stammes und Ramens.
550
Bäumen, daß der Wald des Laubes beraubt ift, als hätt! es der Hagel
getban (Röhn Str. 172, vgl. 128 f. Laßberg 110). Nah Thidriks⸗
faga waren die Brüder Effa und Faſold einander jo ähnlih, daß man
fie faum unterſcheiden konnte (Unger 176. Hylten 131). Hievon abs
geſehen ift Faſold ala Luftgeift vorzugsweiſe durch den befannten
Wetterfegen beglaubigt (Mythologie, Ite Ausgabe, Anhang CXXXII;
2te Ausgabe 524. 602. 1230 f.). Das Lieb gibt ihm Riefenlänge
(Laßberg Str. 16) und macht ihn als wilden Jäger, jagenvden Thürg
kenntlich (vgl. Stalver 1, 329: „Dürften-gjäg”. Rochholz, Schweizer
fagen 2, 184: „d' Rüfe jaget”. Schmeller 2, 264: „Nachtgejaid“.
Mythologie 872 F.): im pfablofen Wald, aus fernem Gebirge, verfolgt
er mit feinen Leithunden und weithallendem Horn eine jammernde
Maid,- die er „fein Wild“ nennt, ein „wildes Fräulein“ (Laßberg
Str. 171: min hohes leben von wilder art hat er gemachet niber;
Str. 172 und 189: das wilde vröwelin), das fih auch nachher durch
Herbeiholen heilkräftiger Kräuter ala Waldweſen ausweiſt, während
Faſold, wie zuvor fein Bruder, im Streite mit Dietrich die gröften
Äfte abreigt, als wollt’ er den Wald von Laub. entblößen, und die
Bäume zerrt, daß fie fich fpalten, fo daß man eine Halbmeile weit
das Krachen Hört (Laßberg Str. 184). Abwärts in der Volksſage jagt
der wilde Jäger das Holzmweiblen (Mythologie 872. 881 f. 1230 f.).
aufwärts im norbifchen Mythus raubt der Adlerrieſe Thiafji die ſommer⸗
liche Xoun aus dem Walde (Sn. 1, 210). Norbian, gleich dem Niefen:
fönige, heißt auch ein berühmter Meifter des Waidwerks (Thidr. 8.
Unger 212. 231 u. f. w. Helvenfage 159 f.) und es fällt auf beide
Namenträger beſſeres Licht, wenn man annimmt, daß ſchon erfterer
ein gewaltig jagender Türfe war!. Nah dem Sieg über Eden und
Faſold muß Dietrich noch harte Kämpfe mit ihrer Sippichaft [6, 349] ber
fteben; fo mit Birkhilb, der grimmigen Mutter des Brüderpaars, und
1 Auch Thrym, der Thurje Herr, den Thors zermalmender Hammer trifft,
if, wie e8 einem Sturmrieſen taugt, mit Hunden und Roffen verfehen (Säm.
47,6. Thor 102. Hieher noch die Dichtungen von der Jagd des wilben
Wunderers: Keller, Erzählungen 1 fi. Fasnachtſpiele 2, 447 f. 4, IM.
Kafpar von der Röhn, Etzels Hofhaltung (von der Hagen, Helbenbud 2, Berlin
1825, 55 fi. Mythologie 895. 983. Liebrecht, Gervafius von Tilbury 204.
Säfarius von Heifterbady 12, 20).
551
mit ihrer gleich wilden Tochter Wobelgart (Lapberg Str. 231 ff.), in
andrer Yaflung des Liebes mit Rüge (a. Rachin, Runte), der Muhme
jener Beiden, und ihren zwei riefenhaften Söhnen (Röhn Str. 271 fi.
Schabe Str. 185 ff.); auch dieſes ungethüme Weibervolk fpringt jäh⸗
lings über entwurzelte, von ſolchem Sturmlauf niebergerifiene Baum:
ftämme (Laßberg Str. 233: über die großen ronen fi ſprank u. ſ. w.
241: die bom ir figen alle nach), erhebt gräßliches, über eine Meile
ſchallendes Geheul, reißt große Bäume zum Dreinfchlagen aus der Erbe
und verheert mit feinen Schlägen ven Wald (Röhn Str. 287, Rutze
hat auch eine Burg gebrochen: Laßberg Str. 193), Ahnliches verlünben
die Namen der Muhmenſöhne Welderich und Zerre, Walnmächtiger,
Zerreißer t. Edenlied beginnt damit, daß, die Brüder Ede, Faſold und
Abendroth? fich über Dietrich® Heldenthum, eiferfüchtig darauf, bes
Sprechen; die zwei erftern erproben basfelbe zu ihrem Verderben, das
gegen erwartet man vergeblid eine weitere Betheiligung des dritten
und fo ergibt ſich bier über ihn eben nur dad Wenige, daß er mit
zwei Sturmriefen verbrübert werben Ionnte, wie in der Saga mit dem
in der gleichen Eigenfchaft beiprochenen Widolf. Wendet man fich hie
mit zu der Stammtafel Nordians zurüd, jo find biefem in der Saga,
neben Widolf und Aventrod, noch zwei Söhne zugetheilt, Atgeir und
Alpilian. Atgeir, deflen Name auf die Bewaffnung mit einem mäch⸗
tigen Speere (atgeirr, Unger 34. Gr. 3, 442 f.) bezogen wird, ift als
1 Auch von Falold heißt e8, Laßberg Str. 162: im dienent wilbiu Iant.
184: er zart die bom, das fi ſich kluben. An den Namen der Mutter Faſolds
und Edes, Birkhilt, ftreift das von ihr, Str. 285, Gefagte: ainen ungefuegen
bon fi brach | vor zorm uffer der erde. Über Widotf |. oben Riefennamen in
Dietrichs Ausfahrt: Fellenwalt, Oſenwalt, Schellenwalt; im Wolſdietrich:
Belle und fein Weib Rüge, Runge (dev Name wird manigfach gefchrieben), die
auch einen Baum aus der Erde bricht (vgl. Er. 3, 788; 3. V. Bingerle,
Germania 2, 213 f.: Runge, von Alpenburg, Mythen und Sagen Tirols
©. 55 f.: Die Runfa).
2 In der laßbergiſchen Handichrift des Liebes Tautet der Name Ebenrot,
im alten Drude Eberrot, dagegen in der handſchriftlichen Borrebe des Helden⸗
buche Obendrott (von der Hagen, Heldenbud 1855, 1, CXV), in der Aus-
gabe desjelben von 1509, Mij: Abentrot, übereinſtimmend mit Aventrod der
Thidr. S. Das mhd. mase. äbentröt war zur Bildung eines männlichen Eigen-
namens tauglich (vgl. Mythologie 710. Deutiches Wörterbuch 1, 28):
992
Grenzwächter ded Königs lung von Bertangaland und als Hüter
eines unterirdiſch verborgenen Schatzes aufgeitellt. Ihn erlegt Wittich,
der, nad feines Befreiung aus Niefenbaft (oben S. 511), mit Dietrid
[6, 350] wider die unge ausgezogen; dieſer gleichfalld auf den Sommer:
gewinn weiſende Kampf fehlt aber in den Rojengartenliedern, melde
zum Gegner Wittichs den Hauptriefen Afprian beitellen, vielleicht eben
in Folge davon, daß Dietrich jelbit mit Siegfried zufammengeführt
war. Näheres über Afprian gibt die Abhandlung. Der in ihr geltend
gemachten mythologiſchen Anfchauung wird es zu ftatten Tommen, wenn
fie fih an den größeren Verband des Niefengejchlechts, den die Beilage
nachweiſt, anlehnen kann.
Nnachträge.
1. Sagenbeitrag zu Dr 2. Schmids Geſchichte der Pfalz-
grafen von Tübingen. !
Das Geſchichtbuch, dem diefe Blätter ſich anjchließen, verbreitet
aus urkundlichen Quellen neues Licht über die Vergangenheit ſchwäbi⸗
fher Gaue, die mir altvertraute Heimatftätte find. Hiedurch warb es
mir innerliches Bedürfnis, dasſelbe mit einer Beigabe aus dem Bereich
meiner Arbeiten zur ſchwäbiſchen Sagentunde zu begleiten, Wie von
ber einen Seite durch die beglaubigte Gefchichtichreibung das Verftändnie
der Sagen fefteren Fuß in den Thatſachen und Örtlichleiten gewinnt,
fo kann es gegenfeitig auch der Sagenforichung gelingen, für bie ge:
ſchichtliche Betrachtung da und dort einen weiteren Ausblid zu eröffnen.
Erwägt man, daß Geift und Lebensform des Mittelalter weſentlich
durch die Einbildungsfraft beftimmt mar und daß doch eine mittelalter:
lihe Hausgeichichte, wie die der Pfalggrafen von Tübingen, großen:
tbeild nur aus einfilbigen Angaben ber Zeitbücher und aus Schenkungs⸗
oder Kaufbriefen fchöpfen Tann, jo muß es als wahrhaft gefchichtliche
Ergänzung begrüßt werben, wenn je zuweilen die farbenhelle Beleuch⸗
tung der Sage hereinfällt und felbft in trodenen Pergamentrollen die
Epur poetiiher Anfchauungen aufgrünt. Es ift ein Verdienſt des
Geſchichtſchreibers der Pfalzgrafen, daß er im Urkundenbuche nicht bloß
die unmittelbar nöthigen Beweisftüde, ſondern audy meitere Beilagen
gegeben bat, welche zur Kenntnis der Beitanfichten, der Sitten und
Rechtsalterthümer, ſowie des örtlichen Sprachgebrauchs fürberlich fein
lkönnen. Mein Beitrag wird nun darin beſtehen, daß ich einige bedeut⸗
1Geſchichte der Pfalzgrafen von Tübingen, nach meift ungebrudten Quellen,
neh Urkundenbuch. Ein Beitrag zur ſchwäbiſchen und deutfchen Geſchichte von
Dr 2. Schmid. Tübingen, 1853. H.]
556
famere Sagen und Sagenzüge von ben Pfalzgrafen, ihrem Stamm
und Gebiet, ihren Lebens: und Dienftleuten, hauptſächlich aus älteren
Aufzeichnungen und unter Benügung bes neuen Geſchichtwerks, mit
theile und erläutre. Einzelne Überlieferungen aus fo engem Bejzirke
Tönnen fich freilich nicht zu einem innern Zufammenbang abrunden, fie
Suchen ihre Anknüpfung meiter hinaus und follen auch biefelbe in ber
Schon erwähnten fagengefchichtlichen Arbeit finden, von ber fie eine vor
läufige Probe abgeben. Die ſchwäbiſche Sagenkunde felbft darf fi
nur als einen Ring in ber umfafienden germaniſchen Sagenkette be:
trachten. Aber es kommt der Erkenntnis bes umfafienden Ganzen zu
Statten, wenn aufgezeigt wirb, mie einer. ber beutfchen Hauptflämme
einen gewiflen Beftanbtheil des gemeinfamen Sagenſchatzes eigenthümlich
und mit Borliebe auögebilbet hat. Und felbft die nachfolgenden Mit:
theilungen aus fo beſchränktem Gebiete, zufammen mit den neuerlich
eben dort aus dem Vollamund aufgenommenen, haben jebenfalld bie
Bebeutung, zu zeigen, daß man in beutfchen Gauen nur bie Wünfchel-
gerte anzufegen braucht, um den Born der verjchütteten Sage fpringen
zu laſſen!.
So viel fchon feit der Mitte des 14ten Jahrh. über das dem Grafen
Anshelm gewidmete ſeltſame Opfermahl über der räthfelbaften ruft
somanischen Bauftils auf dem Wurmlinger Berge ? erkundigt und auf
1 [Der Anfang der folgenden Ausführung fehlt. H.)
3 In der älteften Urkunde über diefe Feier, einem von der Geiſtlichkeit des
Kapiteld Boltringen an den Abt zu Kreuzlingen erflatteten Berichte vom Jahre
1848 (abihrifilih im Archiv. Wurmling. Blatt 56), Heißt es unter Anderem:
„feria tertia proxima post diem commemorationis animarum decanus et
omnes capituli confratres convenire debent in monte predicto u. |. w. et
omnes simul unam missam cum vigilia in memoriam prefati legatoris
celebrare u, |. w. et postquam refecti fuerint, quidquid de fragmentis ibi
residuum erit, pauperibus leprosis eum pelle tauri predicti debe(re)t ero-
gari“ u. |. w. Die dentiche Aufzeichnung, die in ein Notariatsinfirument
von 1468 (abſchriftlich im Archiv. Wurmling.) aufgenommen if, gibt diefen
Hergang fo an: „darnach füllen die berm zu dhor gen mit iren chorhembden
ane ſporn und follen fingen ain vigilien und nad) der vigili der becan ein fel-
meſs, und nad der meſs ob dem grab ain jelvefper fprecdhen u. ſ. w. und fo
denn die hern vom capitel über tiſch foment, jo fol der camerer des capitels
das. almufen, das von dem tifch gaut, beforgen und fie acht han, daß es zeſamen
genommen werb, was von dem tiſch gaut, und ob dem tiſch jo fol ber cammmerer
597
geſetzt wurbe, fo if} boch ber Urfprung biefer merkwürdigen Feier räthſel⸗
haft geblieben und bie beigebradhten Nachrichten find theilweiſe fo ber
fchaffen, daß fie nur verwirten konnten. Weber ein Stiftungsbrief ift
vorhanden, noch eine beurfundete Anzeige barüber, wann und mie ber
Kirchenſatz auf dem Wurmlinger Berg an das Klofter Kreuzlingen ge
kommen. Die erfte Spur, daß befagtes Klofter in dieſer Gegend Rechte
beſaß, findet ſich in einer im Archiv zu Kreuzlingen aufbewahrten Urkunde
‚von 1185 über ein von biefem Stift angefprochenes Gut zu Mülbaufen,
einem abgegangenen Dorfe bei Herrenberg, mit ber Zeugſchaft mehrerer
Evelleute von Wurmlingen 1; an lekterem Orte ſelbſt begütert erfcheint
Kreuzlingen zuerft in einem. Bergamentbrief mit der Angabe Ulm 1192,
wonach Kaiſer Heinrich VI die bisher von den auf der Kreuzfohrt ge
ftorbenen Herzogen Welf und Friedrich von Schwaben innegehabte Bogtei
über alle dem Klofter gehörige, diesſeits bes Bodenſees gelegene Drte,
darunter Wormelingen, übernimmt. Da jedoch in der Urkunde ber
Kaum für die Zeugen nicht ausgefüllt ift und ein Siegel nicht an:
gehängt war, fo ift diefelbe wahrſcheinlich unausgefertigt geblieben ?.
Bier Jahre fpäter, .1196, wird eine im Chor zu Kreuzlingen auögeftellte
Urkunde durch Albert von Wurmlingen, als dortigen Kanoniler, mit:
unterfertigt 3, Eine bifchöflich Fonftanzifche Urkunde von 1213 fchlichtet
den Streit, der zwifchen. dem Abte von Kreuzlingen, ala Pfarrherrn
ber Kirche „Wurmelingin“, und dem der Kirche „Sullin“ über Neu:
zehnten fich erhoben hatte. Bon weiteren Urkunden des 13ten Jahrh.,
welche den Beſitz des Klofterd in Wurmlingen und der Umgegenb be-
treffen, fol bier nur noch eine im Jahr 1273 von Albert, genannt
Randal von Wurmeringen, ausgeftellte angeführt werben, weil fie ben
Pfleger des Klofters als Pfarrherrn des Berges Wormeringen namhaft
neman ain brot und obnan darin ſchniden ain hülin und fol ieder her non dem
capitel darin legen ain pfennig und fol man denn biefelbig pfennig und das
olnınfen, das von dem tifh gaut, mit der flierhut geben den velbficchen, die
gefeßen find in der pfarr zu Sillchen“ u. |. w.
1 Archiv. Wurmi. 1 f. Regeſt. 7, Nr 17.
2 Nach Einfihtnahme des Herrn Archivratha von Kausler vom Original
der Urkunde, Abfchrift im Archiv. Wurml. S. 2 ff.
8 Regeſt. 7, Nr 19.
4 Archiv. Wurml. 4 ff. vgl. Regeſt. 8, Nr 27.
598
madt 1. In dem allem aber und bis zu dem Gapitelberichte von 1348
ift nirgends weder der Stiftung noch irgend einer Beziehung zu ben
Grafen von Calw erwähnt. Dielen iſt auch ber fpäter auftauchende
Name des Stifter, Anfelm, gänzlich fremd. Er Tommt in ihrem
Haufe niemals vor, ber herrfchende in beinfelben ift Adalbert 2. Aber
eben weil der Name Anjelm nicht mit dem von Calw bereingelommen
fein Tann, nimmt er biefem gegenüber eine felbitänbige Stellung ein.
Er hat feinen Anhalt auf andrer Seite und, obgleich in ben Urkunden
der Wurmlinger Kirche erft jpät zum Borjchein kommend, in ſehr alter
Zeit, nemlid in den Ahnen der Grafen von Tübingen, von Anfelm,
dem Hauptftifter des Klofterd Blaubeuren um 1085, aufwärts zu ben
Anfelmen, die als Grafen des Nagoldgaus für die Jahre 1048 und
961 beurkundet find ®, Auch bei Dienftleuten der Tübinger Tommt der
Name mehrmals vor, fo bei denen von Hailfingen , befonders aber im
einer Urkunde des Pfalzgrafen Hugo von 1174: „Anjelm weiland
Ritter von Wurmelingen, unfer fehr lieber Dienftmann” 9. Der Weg
aus dem Bergthor der Veſte Tübingen führte fchnurftrads nad dem
Wurmlingerberg, am halben Wege lag, ven Pfalzgrafen gehörig, bie
Dbenburg, in Schwerzloch, Ammern, Sefingen, Reuften, in Wurm⸗
Iingen felbit ſaßen ihre Dienftmannen, und wenn nun im bortigen
Kirchlein ein Graf Anfelm beitattet war, fo iſt feine Herkunft greifbar
nabe gelegt. Der Anlaß zur Verwechslung ift eben darin zu fuchen,
daß jene Anfelme, wie die Tübinger überhaupt, Grafen des Ragolbs
gaus waren ®, die Burg der Grafen von Calw aber gleichfalls an der
Nagold lag, obſchon ihr Gau fi nah andrer Richtung erftredte ?,
1 Archiv. Wurml. 13 f.
2 Stätin 1, 335. 567. 2, 867.
3 Stälin 1, 544 f. vgl. 480. 2, 428. Schmid 28 f.
4 Schmid 244 oben. 412 oben. 414. 426. 439. 441. 444. 462. 463. 498 f.
oben. Urkundenbudh 288.
5 „Anselmi quondam militis de Wrmelingen, nostri carissimi ministe
rialis.“ Schmid 109. Stälin 2, 482. Als Geſchlechtsname ift Anjelm auf
den Kreuzen des Wurmlinger Berglicchhofs zu leſen.
6 Neugart Nr 768, a. 966: „In pago Bibligowe [{. Nagelgowe] in co-
mitatu Anselmi in villa Chuppinga.“ Herrgott, cod. prob. Rr 179, a. 1048:
„In pago Nagliegowe, in cumitatu Anselmi comitis.“ Stälin 1, 544 f.
7 Etälin 1, 566 ff.
909
weniger in dem Umftande, daß Pfalzgraf Rudolf von Tübingen um
1263 durch feine Gemahlin in einen Theil des calmwifchen Erbes eintrat 1.
Die beiven Grafenflämme berühren fi auch in ber Volksſage, die
von der Stiftung des Wurmlinger Berglirchleind geht. Der Graf von
Calw hatte verorbnet, daß man ihn, fobald er geftorben, in feinem
Steinfarge von zwei „ungewohnten“ Ochſen (bie noch nie einen Wagen
gezogen) ohne Führer follte fortführen laſſen; mo die Ochſen ſtill ftänden,
da ſolle man eine Kapelle bauen und alljährlich den Stiftungstag nach
feiner Vorſchrift feiern; fein letzter Wille wurde vollzogen, die Ochſen
zogen mitten durchs Feld und ftanden erft auf dem Berge bei Wurm:
lingen ftille, hier wurde dann dem heil. Nemigius zu Ehren die Kapelle
erbaut und ber fteinerne Sarg zum Grunbftein geweiht ?. Reicher und
eigentbümlicher ift jeboch die Legende, bie entichieben ben calwijchen
Adalberten angehört: Obertus (eben Adalbert), ein Graf zu Calw, ver
in großem Reichthum lebte, ſprach zu feiner Gemahlin: „Ich muß er
fahren, was Armuth fei, jonft geb’ ich mit Leib und Seele zu Grunde.”
Er jagt ihr Lebemohl, zieht in armen Kleivern hinweg und kommt zum
Dorfe Deiklingen (bei Rotweil), two er Kühhirt wird; obgleich die Herde,
bie er fleißig meibet, wohl gebeiht, entfeen ihn doch die Bauern darum
feines Amtes, weil er ftet3 nur an einem und bemfelben Berge treibt,
da fie doch der Weiden mehr haben; darauf kehrt er nach Calw zurüd
und begehrt an der Thür feiner Gemahlin ein Almofen, als diefe eben
mit einem andern Herrn Hochzeit hält; ein Stüd Brot, das man ihm
bietet, weift er ab, man bringe ihm denn der Gräfin Becher voll
Meines; als er diefen erhalten und ausgetrunfen, wirft er feinen
goldenen Trauring hinein und gebt ftill wieder nach Deißlingen; dort
1 In einem Kreuzlinger Notariatsinftrumente von 1559 iſt gejagt: „mit
dem geding, daß jedes Jars nad) haltung des Jarszeits, die graflen] von Calw
oder Ir Nachkommen (: welche nad Iren abgang geweſen feyen die Grauen
von Tübingen und herzogen zu wärtenberg :) durch ſich ſelbs oder ihre gefandten
auf dem wurmlinger berg erjcheinen” u. |. w. Arch. Wurml. 209, ebd. 208:
„welcher maßen und geftalten vor zeiten der wurmlinger berg u. f. w. von
einem Grafen von Calw, jo Wilhelm genannt, an das Gottshaus Chreutzlingen
fhommen.“
2 ©. Echwab, Gedichte, Ite Auflage, Stuttgart 1846, S. 323 ff. E. Meier,
Deutfhe Sagen u. |. w. aus Schwahen, Stuttgart 1852, ©. 316 |.
560
übergibt man ihm von Neuem die Dchfenberve, die fein Nachfolger übel
beforgt hat, welchem Dienft er bis an feines Lebens Ende vorſteht;
dem Tode nah, eröffnet er den Bauern, mer er fei, und befieblt, daß
man feine Leiche auf einen Wagen laden, zwei Ochſen kavor fpannen
und felbige ihres Willens fahren laſſen, mo fie aber ftille fteben, ihn
begraben und eine Kapelle aufbauen folle; fo geſchah es, die Kapelle
wurde nach ihm „zu Sankt Huprecht (Aubrecht)“ benannt, es gefchahen
Wallfahrten dahin und zu feinem Gebächtnis wurden Meflen gehalten;
jeder Bürger von Calw bat das Recht, wenn er bort vworbeigeht,
während der Meſſe, an der Thür der Kapelle anzuklopfen!. Nach
anderwärtiger Sage vermadte der Graf zum Bau ber Kirche feine
Kleinode, die er bei ſich hatte, und verorbnete, daß, fo oft ein Calwer
des Weges ziehe, die Glode des Kirchleind geläutet werde; dieß fol
auch, wenn Calwer auf die Zurzacher Mefle reiſten und durch Deiklingen
famen, bis gegen Ende des vorigen Jahrhunderts gefchehen fein ?. Reben
diefer Kirche zu Deiklingen entftand ein Frauenklöfterlein, in, welchem,
por deſſen Zerftörung im breißigjährigen Kriege, noch der Betſtuhl des
heil. Obertus und, an die Mauer gemalt, das Bild desfelben mit einem
langen Hirtenftab in der Hand und einem fehr breiten Hute zu fehen -
war; das St. Aubertögütlein befindet fich jetzt im Befite der Stadt
Rotweild. Daß die Leichname heiliger Perfonen von Rindern, denen
man freien Gang läßt, an bie rechte Begräbnisftätte gebracht werden,
womit manchmal der Bau einer Kirche zufammenbhängt, ift in ben
Legenden Fein feltenes Vorkommnis; auch in der Baar wurde die Fromme
Ruchtrut von Almashofen (Allmandshofen bei Donaueihingen) von
zwei bes Jochs ungewohnten Dchfen zum Begräbnis in dieſelbe Kirche
von Miftelbrunn gebracht, wohin fonft ein Hirfch mit leuchtendem Geweih
fie zum nächtlichen Gebet geleitet Batte. 1 Eine Sage diefer Art konnte
1 Erufius 2, 263: „Fertur“ u. f. w. Walt, württembergiſcher Stamm
und Namensquell, Stuttgart 1657, S. 119 f. „Mſer. Lorch.“ [Bergl. auch
oben ©. 397 bis 899. 424 bis 428. 481, Anm. 8. H.]
2 Audgaber, Geſchichte der Frei⸗ und Reichsſtadt Rottweil, 2ter Bant,
2te Abtheilung ©. 459, 4. 122.
8 Audgaber a. a. O., ©. 465 f., bei. X. 128.
4 Filer, Anniverfarienbud bes Kloſters Maria- Hof bei Reivingen n. f. w.
1, 20. Münd 1, 296. 1te8 Buch Samuelis, Cap. 6, ©. 7 bis 16.
561
fih an die Wurmlinger, wie an bie Deißlinger Kapelle heften. Da
jedoch nur Aubert e8 zum Heiligen gebracht, noch mehr aber meil bie
Sage von ihm fich zum volleren Ganzen, zum frommen Idyll abge:
rundet bat, in weldem bie vom Grafen geweideten Stiere auch zur
Führung ſeines Sarges berufen find, erjcheint es glaublih, daß mit
der Bezeichnung des Wurmlinger Stifters als eines Grafen von Calw
auch die Begräbnisfabrt berübergelommen fei.
Das Stiftungsmahl auf dem Berge Wurmlingen macht überhaupt
weniger den Eindrud einer chriftlichen Feier, als den eines heidniſchen
Dpfers. Das bemeſſene Vorführen der nad Beichaffenbeit und Alter
genau beftimmten Schlachttbiere auf den heiligen Berg, das Ausfpannen
der abgezogenen Stierhaut auf dem Kirchhof, damit die armen Leute
fih darum zur Speifung lagern, der Beginn des Eſſens mit den Schweine:
föpfen, bie Fülle des dreifachen Biered, mit dem auch den Armen die
Becher gefüllt werben, bie ganze Berbindung der gottesdienftlihen Hand:
lung mit dem vollsthümlichen Schmaufe, gemahnt überall an Bor:
ftellungen und Gebräuche des germanischen Heidenthums, an Götter
und Dpferberge, an das abergläubiiche Eigen auf der Haut des ge
opferten Stier? 1, an die Hochhaltung des Eberhaupts, an den fejtlichen
Gedächtnistrank zur Ehre der Götter und ver Berftorbenen, an bie
Begängnifjie auf den Gräbern 2, dann insbefondre an bie Opfer ber
Alamannen und die dabei abgeſchnittenen Thierhäupter, zumal aber
on das Felt, in deflen Begehung ver Heivenbelehrer Golumban die
Aamannen am Bürcherfee begriffen fand, wobei fie eine große Bierkufe
in die Mitte geftellt hatten, um ihrem Gotte Wodan zu opfern d. War
die Wurmlinger Jahrzeit auch Feine allgemeine Volksverſammlung, fo
war doch dazu die Priefterichaft und das arme Volk eines ganzen Be
zirks berufen und dieſe Feier fiel nicht, wie fonft gewöhnlich, auf ven
Sterbetag des Stifters, fondern mar auf gewifle Wochentage nad dem
gemeinfamen Allerjeelenfefte anberaumt. Zur Vorbereitung mar ber
Montag und zum Begängnis felbjt der Dienstag nad) den meiften der
ausgehobenen Urkunden vorgejchrieben; doc fällt e8 auf, daß in ber
1% Grimm, Geſchichte der deutſchen Sprade S. 128. Deutſche Mytho-
logie S. 1069 unten.
2 W. Müller, Gedichte und Syſtem der altdeutſchen Religion ©. 64.
3 [Deutſche Mythologie ©, 41 f. 49. 52. 5]
Uhland, Schriften. VIIL 36
536?
ältern deutſchen Aufzeichnung, ftatt des Montagd, durchaus vom „guten
Tag” vie Rebe ift; ver gute Tag ift aber der Mittwoch und urfprünglich
doch nichts Andres, als der weſtphäliſche Godenstag, Gunstag, der
nieberrheinifche Gubestag, Gubenstag, d. h. Wuotanstag. Die offen-
bare Verwirrung der Tagnamen deutet darauf, daß früher Dienstag
und Mittwoch die fejtgefeßten Tage waren, die Tage, die nah Ziu
und Wuotan benannt find 1; Ziestag iſt ältere ſchwäbiſche Form, eine
althochdeutſche Gloſſe gibt „Cyuvari”, Verehrer des Ziu, gleichbebeutend
mit „Suaͤpa“, Schwaben *. Eollte nit auch das nachbarliche, Swer⸗
tisloh“, der Hof Schwärzloch mit feiner alten Kapelle, einen Hain des
Schwertgottes bezeichnet haben? Eben jenes Sülchen, auf deſſen Kirchhof
die Stierhaut audgebreitet wurde, jetzt eine Begräbnisfirche außerhalb
Notenburgs, an der Stelle, wo einft die zerftörte Römerſtadt Soli-
cinium jland, fcheint auch für die Alamannen, nachdem fie biefe Gegend
erobert, eine Ortlichkeit von Bedeutung geweſen zu fein; bis dahin zogen
fie fich zuräd, als Kaiſer Valentinian im Jahr 368 mit Heeresmadht
in das innere Barbarenland vorbrang, bier aber ftellten fie ſich, ihrer
Ortöfunde vertrauend, zur bartnädigen Gegenmwehr, in ber Nähe bes
Ortes Solicinium ſah man ſie einen fteilen Berg behaupten unb vers
nahm man ihren furchtbaren Ehladhtruf ?. Nach demſelben „Sulida”,
„Suliin” war nachmals ein ganzer Gau, der Sulichgau, benannt ?.
Zu bedenken iſt allerdings, daß die Umwandlung heidniſcher Heilig:
thümer und Gebräude in mittelalterlich: chriftliche eine allgemeine war
und darum auf die einzelne Erfcheinung nicht zu großes Gewicht gelegt
werben darf. Der heil. Bonifacius eiferte gegen vie Thieropfer, welche
von tbörichten Menjchen neben ven Kirchen nach heidniſchem Braud,
aber unter dem Namen beiliger Märtyrer oder Belenner vollbracht
würben 5; man glaubt fich damit auf den Wurmlinger Berg verfeßt zu
ſehen. Allmählich wurde räthlich befunden, bie alte Opferluft unter
1 Lachmann, Sagaenbibliethet S. 250. [Deutſche Mythologie &. 114.
112 j.116 f. 5.)
2 [Deutihe Mythologie S. 113. 180 f. Vergl. au oben ©. 83. 84. 9.)
3 (Bergl. oben S. 280 ff. H.]
4. [Bergl. oben S. 288 f. 9.)
5 Deutihe Mythologie S. 41. W. Müller, Geihichte und Eyfiem ber alı-
deutihen Religion ©. 108, Anın. 1.
363
lirchlicher Weihe gewähren zu laſſen. Aus der Pfalzgrafichaft Tübingen
felbft bieten fich zwei meitere Beifpiele dar. .- .
Die Anpflanzung des Chriftentbums am obern Nedar und vſulichen
Rande des Schwarzwalds liegt ſehr im Dunkeln. Die bekannten Be:
kehrer der Alamannen nahmen ihren Weg nicht hieher. Klöfter, die
gewöhnlichen Fundgruben kirchlicher Gefchichtlunde, gab es hier vor dem
Hten Jahrhundert nicht; das ältefte, Hirſchau, wurde nicht vor 830 ge:
ftiftet 2, von dem früher gegründeten, aber entlegenen St. Gallen fallen
nur Streiflichter herein. Mutterkirchen des engern Bezirks, ben dieſe
Unterfuhung angeht, find die von Sülchen zum Täufer Johannes,
1118 erbaut, vielleicht auf ven Grund einer Ältern, der Tauflirche des
Sprengeld, dann Die zum heil. Remigius, auf der obern Kaufe zu
Ehingen, von 1024. Nach demfelben Heiligen ift aber auch die Kirche
des Wurmlinger Bergs und dieſer jelbft benannt, zwar nicht in älteren
Urkunden, bejonders denjenigen, welche bie Gtiftung der Jahrzeit bes
treffen, aber fpäterhin für herfünmlich angenommen, Die Verehrung
des heil. Remigius, Erzbifchofs zu Rheims an ber Grenze des 5ten und
sten Jahrhunderts, zeugt von fränkiſchem Einfluß und neben ihm wurben
zwei anbern fränkiſchen Heiligen, feinem Schüler Theoborih, Abt eines
Klofters bei Rheims, und Brictius, Biſchof von Tours, Nachfolger
des heil. Martinus, Heine Kirchen gewidmet, dem erftern die Theode⸗
richölapelle nächft Sülchen, dem letztern eine Kaplanei zu Wurmlingen.
Remigius war der Belchrer und Täufer des Frankenkönigs Chlodwig,
der die Alamannen 496 in blutiger Schlacht unterwarf, nachdem er,
als fein Heer ſchon verloren fchien, an Chriſtus zu glauben gelobt hatte,
wenn diefer ihm Sieg verleibe 3. Die hiedurch herbeigeführte Belehrung
der Franken z0g auch die fpätere der Alamannen nad fih und es lag
ein Mittel der Verſöhnung zwiſchen beiden Bölfern darin, daß ben
Eieg einzig eine göttliche Macht entfchieven hatte, der auch die Sieger
fi) beugen muften. Der Bote diefer höheren Macht ivar der heil.
Nemigiud, eben darum geeignet, an einem alten Sie des alamannifchen
Heidenthbums verehrt zu werben.
1 [Hier ift eine Lücke in der Handſchrift. H.]
2 Stälin 1, S. 195, Anm. 2.
8 (Bergl. oben ©. 258. 259, Anm. 668. 670. Gtälin 1, &. 148.149. $.]
364
Sn fränkiſche Bezüge führt e8 aud, wenn ben Anfelmen nad
gegangen wird, deren Name mit ber Wurmlinger Jahrzeit vers
bunden ift.
Die neuefte Forſchung hat die Spuren dieſer Anjelme aufwärts in
das Geſchlecht der Grafen von ber Berchtoldsbaar und in bie nädhfte
Verwandtſchaft des berühmten Gerold, deſſen Schweiter Karla des Großen
erfte Gemahlin war, hinauf verfolgt 1. Der ältefte Anfeln dieſer Reihe
in ſchwaäbiſchen Urkunden ift berjenige, welcher im Jahr 785 zu Schör⸗
zingen (D.A. Spaichingen) dem Klofter St. Gallen Güter und Wald
in Altheim (bei Horb, nachmals, 1088, zur Grafſchaft Tübingen gehörig,
Stälin 3, 436) und zwei andern Drten im Gau Pirchtelos mit ber Be:
ftimmung ſchenkt, daß er und feine Söhne jährlich bis zu ihrem Tode
daraus zinspflichtig fein; unter denen, die mit ihm fiegeln, ift ber
erfte fein Vater Rodpert 2. Ebenfo heißt aber der Mutterbruder Gerolbs,
Graf des Argen» und Linzgaus und Bruder Birchtilos 3, fo dag nun
mehr Anfelm und Gerold als Geſchwiſterſöhne erfcheinen. Nicht haltbar
ift e8, diefen Anfelm mit dem Pfalzgrafen vesfelben Namens am Hofe
KRaifer Karls für den gleichen zu nehmen. Während im Text ber
Urkunde von 785 der Name des Ausftellers Anshelm Iautet, beißt es
bei ber Sieglung „signum Hanshelmini*, eine Berkleinerungsform, die
einen jüngern Anshelm bezeichnet, aber für einen Mann gebraucht, ber
bereits von feinen Söhnen ſpricht, einen noch Altern des Namens voraus
jet Diefer ältere ift eben der Pfalzgraf und er war fogar 785 feit
mehreren Jahren nicht mehr am Leben. Zuerſt ericheint „Anselmus,
ı Schmid ©. 512 bis 520.
2 Wirtembergijches Urkundenbuch 1, Nr 28.
3 Stälin 1, 243. 326,
4 In derjelben Urkunde von 785: „signum Eborini*, Deminutiv des
Namens, den eine andre alemannifche Urkunde mit „sign. Ebores“ gibt, Go»
aft, Rerum alamannicarum scriptores 2, 29, XIV, vgl. Reugart 120: „Pers-
toldus u. f. w. Heburinga.“ &o wurden noch für Konrad den Jüngern, Sohn
König Konrads IV, die Iateinifchen und welichen formen Conradinus, Con-
radino gebraudt, Stälin 2, 208 (Raumer, Gejchichte der Hohenftaufen 4, 569.
Hahn 4, 287, X. 9). Vgl. Mort de Garin 113: „Li cuens Fromons et ses
fils Fromondins“. 228: „Oncle Fromons“, dist li quens de Monclin, „je
ai oi vostre nies Fromondin.* Bel. Schmid, Urkundenbuh ©. 78: „Anshel-
mum iuniorem.“ [Bgl. auch oben ©. 172. 173. H.]
565
comes palatii* bei einem Kreuzurtheil zwiſchen dem Biſchof von Paris
und dem Abte von St. Denis im Jahr 7751.
Zwei Jahre fpäter, 777, ift er zu Heriftal Zeuge im Teftament
Fulrads, des vorgebachten Abtes von St. Denis, der feinem Kloſter,
nebſt reichem Beſitz im Elfaß, die Belle des heil, Veranus zu Herbrech⸗
fingen und bie bes heil. Vitalis am Nedar (u Eßlingen) vermacht 2.
Daß Fulrad ein Alamanne war, läßt die Lage feiner Befitungen
jchließen und fo war es auch angemefien, daß ein angefehener Mann
aus Alamannien feine Verfügung über dieſelben mitbeglaubigte 9; den
Pfalzgrafen Anshelm zu dem alamanniſchen Gefchlechte zu zählen, aus
welchem ber Kaiſer Karl im Jahr 771 ſich die Schweiter Gerold, Muhme
des jüngern Anfelm, Hildegard, vermählt hatte *, rechtfertigt ſich eben
durch biefe Verwandiſchaft; wie ber ältere Angehörige des Hauſes mit
dem bedeutenden Hofamte betraut war, fo wurde nachher Gerold, ber
Schwager Karls, deſſen befondrer Liebling, der Führer feiner Heere
und jein Statthalter in Baiern ®. In der Stammtafel würde der Pfalz
graf Anfelm eine Stelle finden als Bruder Robbert3, deſſen Sohn
Anfelmin dann nad dem Obeim genannt wäre. Der Tod des Pfalz
grafen erfolgte im Jahr 778 und eben fein legtes Geſchick ift e3, was
ihm für unfern Zweck die gröfte Bedeutung gibt. Einhard im Leben
Karls des Großen erzählt, mie der Kaiſer im befagten Jahre mit großer
Heeresmacht einen fiegreihen Zug nach Spanien ausgeführt hatte, auf
der Heimfahrt aber feine Nachhut von den treulofen Waskonen in ben
Wäldern der Pyrenäen überfallen und bis auf den legten Mann nieber:
gemacht warb:
„Sn diefem Kampfe wurden Eggihard, bed Königs Truchſeß,
Anfelm, der Pfalzgraf (Anselmus, comes palatii), und Hruobland,
1 Eckhart, Frencia orientalis 1, 636. J. Mabillon, De re diplomatica,
Baris 1681. Folio. Bud 6, Kap. 51, S. 498. J. Grimm, Dentihe. Rechts
alterthümer ©. 926, unten,
2 J. Mabillon, Annales ordinis s. Benedieti u. f. w. 2, Luce 1739,
©. 228. Über Fulrad f. Stälin 1, S. 240. Bergl. ©. 248. Anm. 2. ©. 371.
Neugart, Nr 41. Rr 67.
3 Wirtenbergifches Urlundenbuch 1, Rr 18.
4 Stälin 1, &. 245.
5 (Stälin 1, 8.26 f. 9]
566
der Befehlshaber im brittanifchen Grenzbezirk, mit vielen Anbern er
Ihlagen" 1.
Damit heifcht ein ſchwäbiſcher Anshelm feinen Theil am Ruhme
der Schladt von Runzeval, dem Kerne ber Tarolingifchen Helbenfage.
Meder der fabelbafte Turpin, noch die altfranzöfifchen Gedichte haben
ihm dieſen Antbeil: gegönnt; mährend fie den Heldentod Hruodlands
aufs Höchfte geiftlich und dichteriſch verberrlihen, wird ber gefallene
Anshelm nicht einmal genannt ?. Karl der Große ift aber auch bei
den Deutfchen in das Licht der Sage eingetreten, wenn gleich größere
Dichtungen beutfchen Urfprungs über ihn nicht vorhanden find. Die
Schwäbische Sagenkunde wird von ihm Manches nach alemanniſchen
Überlieferungen zu berichten haben.
Auch in die deutfchen Bearbeitungen der Rolandögebichte find bie
Schwaben, namentlich Gerold und felbft der vergeflene Anshelm, ein
gebrungen. Der Pfaffe Konrad nennt unter den zwölf Herren, ben
Borfechtern des Kaiſers, welche Karl, durch die Erjcheinung eines Engels
zur Heerfahrt nach Spanien gemahnt, in feinen Rath beruft: Anshelm,
einen lühnen und fchnellen Helden von Moringen, mit feinen jungen
Kriegsleuten 9; auch will der Kaifer nachher, als es zur Schlacht geht,
daß die tapfern Schwaben vworfechten, doch ohne daß gefagt ift, wer
fie leiten fol 4 In der entiprechenden Sielle bei Striler heißt ber
fraglicde Held: Anshelm von Borringen °; aber auch Gerold, der Herzog
1 Einhardi vita Caroli magni Cap. 9.
2 Schon mittelalterliche Jahrbuchſchreiber vermiffen bei Zurpin die beiden
gefehichtlichen Helden, Chronicon Alberici (Leibnitz, Accessiones hislorice
2, 150): „Notandum, quod Hugo [de 8. Victore, vergl. ebend. 3, 264]
scribit, duos principes cecidisse cum Rothlando, quorum nomina non
continentgar in Turpini catalogo, videlicet Egihardum, regie mens pre-
positum, et comitem palatii, Ancelmum.“
3 Auolandes Liet 3, 9 ff.: „des keiferes vorvechten. ir van fie gewanten
nie ze dehein werltlichen ſchanten.“ 4, 10 ff.: „An ber rede waren herzogin
unde graven, da mas der beit Ruülant u. |. w. da was Aushelm, eim heit
ine unde jnel von Moringen, mit finin fnellen jungelingen.“
4 860. 268, 4 ff.: „inoch waiz ich ain liſt. Ewaben, bi milten, bi furent
zwiflele ſchilte; ſi fint vil gute Imechte, ich wil, daz fi vorvechten.“ Bgl. 348,
268, 6.
5. St. Galler Handfchrift, nach Greiths Abfchrift: „Do Iadete Karl für fi
367
von Schwaben, tritt in das Gedicht, einmal fpielt er mit dem Kaiſer
Shah !, dann, wo Konrad bes Vorfechtend der Schwaben nur im
Allgemeinen geventt, läßt Striker den Kaifer fih an ihren Herzog
Gerold namentlich menden und ihnen, für ihre Verbienfte um Kaifer
und Reich, den Vorftreit bewilligen; fie freuen fich diefer Ehre, bie fie
als für heut und immer gegeben anfehn, ſprengen freubig woran in
ben Streit, geführt von Gerold, und ihr tapfrer Kampf wird beichrieben ?.
Sollte fih auch der perfünliche Name Anshelm in dem altfranzöfifchen
Gerichte, das dem Pfaffen Konrad vorlag, erhalten haben, jo lautet
doch der örtliche Moringen, bei Striler Borringen, keineswegs romaniſch,
vielmehr wie ein Anſatz aus deuticher Sagenquelle. Für die ältere Lesart
(Moringen) fommt auf dem bisher verfolgten Wege vor allen ähnlich
benannten Orten in Betracht das jekige Möhringen, an der Donau ober
halb Zuttlingen gelegen, der alten Berchtolpsbaar, in welcher Anjelm
der Jüngere begütert und Gerold Gaugraf war, angehörend und in
einer Reichenauer Urkunde von 843 „Meringen“, in einer fankt gallifchen
Die zwelfe beide erlih, Die fin da hüeren folten Und ouch vil gerne wolten
. Ich fag in, wie fie hiezen: Einer ſweſter fun, Růlant, Was zu tem
beften bechant Unt der erzbifchof Tiirpyn, Samſon und Anſys, Engelher
unde Gergis, Anshelm, von Vorringen“ u. ſ. w. Nach der Straßburger
Handſchrift bei Echilter, Thesaurus 2 (S. Ta): „Und Anshelm von VBorringen
Der enwart nie an feinen dingen Weder zu jchaden noch zu fpotte.”
1 Scilter S. 15a: „Do fi den chaifer funden, be einem ſchachzabel was
das, Da er mit Gerolte ſas, Dem bertogen non Swaben, Dent feine tugent
gaben Werdichait mit lobes chraft, Er was ein ritter manhaft.“
2 Ebd. ©. 995: „Der Swabe hertoge H[GJerolt, Ich bin dir, ſprach
der chaifer, holt Und den Emaben alle geleiy, Si haben mir und dem reich
Bil dide ob gemunnen; Ich wil vil gerne gunnen Baide den Swaben und
bier, Das fi heut vechten nor mie.” S. 1045: „Ru warnd an ein ander
fo bei, Das ie zujprengen wolten, Die da vorvechten ſcholten; Das eine warn
die Swabe, Die frewten fich der gabe Und ber eren grosleih, Das fcholten
vor dem reich Des tages und immer fireiten; Gi begunden vroleidy reiten
Mit dem berkoge Gerolte, Der fi da leiten ſcholte; Munfgoy! rieffens alle
Und fprancten mit dem jchalle u. |. w. Do lie zuſamme flreihen Malprimes
und Gerolt“ u. ſ. w. S. 105: „Gerolt und bi fine Di begunden ir nider
ſchroten, Untz das fi auf den toten Czu jungift mueſten reiten. Wan ſach
die Swabe flreiten Gueten rittern vil geleich; Si begunden das gotes reich
Nach ritters recht chouffen“ u. |. m.
568
von 882 „Mereheninga“ gefchrieben . Das Net der Schwaben,
dem Reichsheere vorzufechten, ift zuerft zum Jahre 1075 gefchichtlich
beglaubigt; den Verbienften Gerolbs um Karl den Großen beigemefien
findet ſich dasfelbe erftmals in der Kaiferchronik, nachher im Schwaben:
jpiegel und anderwärts, aber nicht vom fpanifchen Kriege, ſondern von
der fagenhaften Romfahrt des Kaifers her, auf welcher Gerold ihm,
eben da es am nöthigften war, mit dem ſchwäbiſchen Kriegsvolle zuzog 2.
Allmählich aber wird Gerold ungefhichtlih in die Heldenfahrt nach
Epanien verflochten und wie er in ber Wirklichkeit der hervorragendſte
feines Gefchlechtes war, fo verbrängt auch in der Sage fein leuchtender
Name den des älteren Anshelm. Bemerkenswerth ift immerhin bie
Neiterfahne 3, eine Zugehör des ritterlichen Vorftreits, im Wappen ber
Grafen von Tübingen, in denen der Stamm ber alten Anfelme fid
fortfebte. |
Wie das Lied von der Nibelunge Noth in der Klage einen Anhang
bat, der die unverfiegbare Trauer um bie gefallenen Helven, ihre Bes
ftattung, die Botſchaft an ihre Witwen, die Heimbringung von Roſs
und Waffen zum Gegenftande nimmt, fo fehlt e8 auch ber Heldenſage
von der Runzevalſchlacht nicht an Todtenklage und legten Ehren, die
nur bier mehr Firchliches Gepräge tragen, weil der Untergang im Kampfe
wider die Ungläubigen als ein chriftliches Martyrthum angefehen war.
Solchergeftalt hat fih auch das Gedächtnis der Helden von Runzeval
in Frankreich wahrhaft vollgmäßig verörtlicht.
Bei Turpin und vielfach bei Anvern ift erzählt, wie die Leichen
der Erfchlagenen von ihren Freunden einbalfamiert, auf Bahren und
Rofien, felbft auf den Schultern nad; der Heimat zurüdgeführt oder
getragen und auf geweihten Kirchhöfen beigejeht werden; insbeionbre
Rolands Leichnam läßt der Kaifer von zwei Maultbieren in goldenem
Teppich nach Blaye bringen und in ber bortigen, von ihm einft erbauten
Hauptlirche ehrenvoll beftatten, auch beim Haupte bes Tobten fein
Schwert, zu Füßen desjelben fein elfenbeinernes Horm aufhängen; das
1 Dümge, Regesta badensia Nr 10, Neugart Nr 534. [E, Förſtemann,
Altdeutſches Namenbuch. Zweiter Band: Ortsnamen, Bmeite, völlig nene Be⸗
arbeitung. Nordhaujen 1872. Sp. 1056. 9.)
2 (Schriften 2, S. 98. Stälin 1, ©. 247, Anm. 8 S. 898, $.]
3 Vergl. Stälin 1, S. 533 unten, f. 527.
969
Land meilenweit um die Kirche von Blaye und die Stabt felbft mit
aller Zugehör und dem Meere darunter gibt er diefer Kirche zum Eigen:
thum, aus Liebe zu Roland, und befiehlt den Stiftäheren, für bie
Seele feines Neffen und feiner Genofien an ihrem Tobestage dreißig
Arme zu bekleiden und zu fpeifen, auch dreißig Pfalmgefänge und ebenfo
viele Meilen mit Vigilien und übrigen Tobtenfeiern zu ihrem Gebächtnis
jährlich zu begehen, nicht bloß für Jene, ſondern auch für Alle, die in
Spanien Gott zu Liebe den Tod der Blutzeugen erlitten ober noch ers
leiven werben, mas Alles fleißig zu vollziehen die Chorherrn eidlich
angelobten 1. Bon andern Städten waren es befonders Arles und
Bordeaur, auf deren Kirchhöfen feierliche Begräbnifie mit frommen
Stiftungen ſtattfanden.
Hieraus ſoll nicht etwa gefolgert werben, daß aus den Pyrenäen
auch eine Tobtenfahrt auf den Berg Wurmlingen mit ber Leiche des
Pfalzgrafen Anshelm gegangen fei. Sind doch die Beitattungen jelbit,
von denen Turpin meldet, keineswegs gefchichtliche Thatjache?, Auch
reicht der Bauftil der Wurmlinger Gruft nicht in die Tarolingifche Zeit.
Ein Andres aber ift, daß die Namen der durch das Helvenlied ver.
herrlichten Glaubenöftreiter fich vielfach in Frankreich örtlich anfnüpften,
daß man ſich rühmte, ihre Gebeine, wie diejenigen andrer Märtyrer,
ihre Waffen u. dgl. zu befigen, und daß ihr Gedächtnis in ſtiftungs⸗
mäßigen Begängniflen fefigehalten wurde. Nur in diefem Sinne Tann,
was von Hruodlands Gedächtnisfeier gefagt ift, auf feinen gefchichtlich
bezeugten Kampf: und Todeögenofien Anshelm Anwendung finden.
Ein frommer Ahnherr der Grafen von Tübingen, einer der Nagold:
gaugrafen des Namens Anshelm, fei e3 der von 966 ober der von
1048, wählte ſich feine Grabitätte auf dem Wurmlinger Berg und
machte dazu eine Stiftung, bie nicht bloß feinem Seelenheile, fondern,
wie e3 häufig ausgebrüdt wurde, auch demjenigen feiner Vorfahren zu
Statten kommen jollte. An dem Berge mochte ſchon das Andenken des
bedeutendſten derſelben haften, jenes Pialzgrafen Anshelm, ber, ein
Betrauter und Kriegsheld des Kaifers Karl, in den Pyrenäen gefallen
1 Zurpin Cap. 29.
2 Auch Arles mollte eine Gruft Rolands haben, Michel 218 a. Bergl. auch
die Abflihrung der Leiche Gerolds nach Reichenan.
370
mar und von dem im 10ten und Ilten Jahrhundert auch die fagenhafte
Überlieferung noch lebendiger geweſen fein muß, als fie ſich in ben
Dichtiverlen des 12ten und 13ten Jahrhunderts erweift. Die Stiftung,
obgleich fie nicht mehr Durch ihre Urkunde, jendern durch jpäte Zeugen-
abhör, feftgeftellt ift, trägt entſchieden alterthümliches Gepräge und durch
ihre übergewöhnliche und vollsthümliche Ausdehnung ſowohl, als durch
den Anſchluß an das Feſt aller Seelen, geftattet fie die Muthmaßung,
dab der Etifter, mas er zu feinem eigenen Heile that, dem Gebädhtnis
einer größeren Tobesgemeinfchaft anreihen mollte.
Von den Alesfeldern (Aleſchans) bei Arles, auf deren Kirchhof,
nad Turpin, Kailer Karl einen großen “Theil feiner umgelommenen
Krieger begraben ließ, glaubte das Boll in Gemwitternächten die Geifter
der Helden auf ſchwarzen Roflen ziehen zu jehn !; nad einer der
Sagen, die, wie überall in Schwaben, auch zu Wurmlingen vom
Wuotesheer und wilden Jäger gehn, ift biefer ein Junker von Breftened,
einer vormaligen Burg daſelbſt, der in einer Schlacht gefallen, man
weiß nicht, wo und inte.
2. Der Waife.
So wenig die munberbaren Reifenbenteuer im Allgemeinen zum
innern Beftand der Ernftfage zu rechnen find, fo ift doch eines ber
jelben ihrem Grundgedanken enger verbunden, vielleicht fogar das Mittel
glied getworben, das jenen ganzen Märchenfreis in die deutſche Geſchicht⸗
jage bereinzog. Bon himmelhohen Felsbergen eingeichloffen, weiß Emft
für fih und feine Gefährten feinen andern Ausweg, ala daß fir einen
Floß zimmern und auf diefem fi dem reißenten Strom überlaflen,
ber durch einen hohlen, finftern Berg wirbelnd dahintoſt. Im tiefen
Dunkel rufen fie zu Gott, da gebt ihnen, erſt noch ſchwach ſchimmernd,
ein Licht aus der Gnade des unerfchaffenen Lichtes auf, bald ſehen fie
einen bellglänzenven Fels und aus ihm brechen fie den koftbaren Stein,
ber, als der einzige feiner Art, Waiſe genannt, nachdem Emft ihn
1 [Bergl. oben ©. 192, Anm. 530. 9.)
571
feinem Stiefonter gebracht, fortan in ber Töniglichen Strone leuchtet 1.
Diefes Kleinods, ald vom Herzog Ernſt flammend, wird auch fonft
bei mittelhochdeutſchen Dichtern gebadht ?.
In Taufend und einer Nacht wird erzählt, wie Sindbad, der Eee
fahrer aus Bagdad, auf feiner jehsten Reife nach Zeilan gleicherweife
mit einem Flofie den Berg durchſchifft, deſſen Geftein gänzlich aus
Kruftall, Nubinen und andern Evelfteinen befteht?. Die Vermittlung
1 Cod. germ. Monac. 572, Blatt 126: Consummata harım et consi-
miliam precum instancia, ecce lux primitus rarescens se ex gracia incres-
tee lucis illis obtulit et ingens gaudium contulit. Tuno montem valde
fulgorum [?] aspexere et lapidem unionem dictum ab uno, quod unus
sit et nunquam sint eiusdem generis duo lapides, ab illo monte
abrupere. Hunc lapidem romanus imperstor quilibet, in corona regali
propter decoris ingens augmentum collocatum ab Ottone imperatore,
eui illum dux Hernestus ut dicetur in sequentibus credidit, baiulare
solet. Huius naturam lapidis nobilissimam si quis investigare voluerit,
in lapidario discere poterit. Bergl. Maßmanns Sracius ©. 471. ©. nod
Annales Fuldenses ad annum 872 (&. 35): crystallum mire magni-
tudinis,
2 Reinmar von Zweter (1220 bis 1245), den Inhalt der Gedichte voraus⸗
fegend (MS. 2, 11, 197 a, 112, vergl. 4, 504 b): Waz herzoge Erueft not er«
leit, waz er unt grave Wezzel der gefnablen biet verfneit, wie fi die grifen
wuorten, bo ir ze fpije ir finden was gedaht; Unt wie fi durch den berk har
wider famen, da fi der frone weifen inne namen. biz waren wunderlichiu
wunder u. ſ. w. (auch unter Siugenberg MS, 3, 692 5. Pfeiffers Heidel-
berger Handſchrift 106.) Heinrichs non Krolewiz Az Miffen Vater unfer (1262
bis 1285) 8. 1328 ff.: Weite fprichet eine. Des diutet fin [Maria] nach dem
feine; wande nimmer mer fol geſchen, des mir von dirre vrowen jehen, daz
fin maget ift genefen findes unde immer maget fol weſen. Siu biutet wol ben
weiſen, den in den grözen vreifen bertoge Ernefl uns gewan, wande in der
eliende man in vil gıözen nöten brah. Alfus ung armen geichah, dd wir armen
weifen in des tödes vreifen wären nerfigelt mit ber Affe der funden lebermer
unde iezü wären vil nach bt. In der felben grögen nöt wart gebrochen birre
Rein, dar Az diu goteheit irjchein, unde wart in ir gehandelt alfd, daz wart
gewandelt d& mite al unfer miſſetaͤt. Unde rehte als der weile fiät in des riches
fröne u. |. w.
8 Tauſend und eine Nacht. Wrabifhe Erzählugen u, |. w. überf. von
M. Habicht, F. H. v. d. Hagen und 8. Schall, drittes Bändchen, Breslau,
1835. ©. 17 fi. (89te und Mie Nacht.) Beigl. au Gudrun 4615 ff. (Haus
märchen 8, 264 f.)
572
zwiſchen dem arabifhen Märchen und dem entiprechenden Abenteuer
des deutfchen Helden läßt fich nicht beftimmter aufzeigen; e3 Tann nur
im Allgemeinen auf den buch Pilgerfahrten und Kreuzzüge angebahnten
Geiftesverkehr zwiſchen Morgen » und Abendland verwiefen werben.
Ein Verſuch, die gefahrvolle Yahrt durchs Gebirge der heimatlichen
Borftellung näher zu bringen, begegnet in dem meifterfängerifchen Liebe.
Hier ift diefe Fahrt gleich das erſte Neifenbenteuer, denn es ift fchon
bie Donau, bie durch den großen Berg ftrömt, aus welchem Ernft den
im Finftern leuchtenden Karfunfel mit feinem Schwerte fchlägt 1; in ber
Gegend von Orſchowa wird die Donau von hohen Felswänden einge
1 Kafpar von ber Rön Str. 5 (&. 227): zu der Tonaw furen fie zu tal,
dur Ungarn bin ın Krichen lant. Str. 6: Des wafler furen fie zu tal, der
meile vil, gar one zal, gen einer flat, was gute, zu einem perg, und der mas
groß, do die Donaw in durch in floß. do war in we zu mute; berzog Ernſt
frogen began, wie fie durch folten fomen. do antwurt im ein alter man [obin-
artig]: „id han fein nie vernumen, das do Fein menſch fei komen brein; ir
wift nit, wos waffer hin gat; iv mugt lieber her außen fein.” Str. 7 (6. 228):
er fach wol in die gruben. Str. 9: Auf flugen fie ir Licht fo del; fie furem in
den pert Hin ein. Str. 10: das ſchiff das ging unmoßen fuel; auch was der
perf gar enge m. ſ. w. wir borften uns nit han gefchempt, bet wir gefolgt dem
alten man. Str. 12: Sie furen in den perk hin ein; gen in jo ging ein lichter
fein, do von ir liecht ward tunkel; der ſchein ber was be aljo vein, das was
fi) gar ein edel fein, geheifen ein Larfunfel. herzog Ernſt der flug dar an mit
feinem fcharfen werte, und pis er do zwei flud gewan, nicht mer er do be-
gerde; an liecht in bo nit mer gepraft, fie gefachen in dem perg fo recht, ſam
es do wer der flinen glaf. Str. 13: Der ftein ber was in wol bebadht, wel
30 tag und zo nacht der flein als ver in lauchte. herzog Ernft do fur fidh ſach,
es daucht in gar ein gut gemach, und in alfo bedauchte, und wie er ſech der
fune glanz, do wart im wol zu müte, er fpradh: „mein freub fein worden
ganz, als nad) ift got der gute.” und do fie komen an ben tag, zurmd fchiften
fie aus dem perg; ein furften haus bo vor in lag. [Sie find ſchon bei den Ge
ſchnäbelten) Str. 47 (©. 238): ber herzog Ernf wur mit im ein, wie er im
[dem Kaijer] num wolt fchiden day die gar teiren karfunkel fein. (Str. 50:
Der Taifer [Friedrich] hie verzudet warb u. ſ. w.) Hiernach Fiſcharts Geſchicht⸗
Nitterung Gap. 11 (S. 204 f.): Sein [Gargantuas] Batter wolt au, daß er
Ring trüg u. ſ. w. Ließ ihm derhalben an den linken Beigfinger einen Gar
funtel, jo groß als ein Strauffenei, wie deren einen der Herzog Ernſt mit dem
Schwerdt auß dem Strubelberg auf der Thonaw erhieb, einfaflen, fein ſcharf
mit Seraphgold von Ophir uud Seba. Vergl. ebd. Gap. 2 (©. 89): Wi Ernſt
im Tonauſtrutal irten.
573
zwängt, zwiſchen benen fie mit furchtbarer Schnelligkeit und in unſchiff⸗
baren Fällen binburchbricht 1.
Bedeutſamer, ala durch diefe Örtliche Annäherung, die vielleicht
nur in einem Misverftändnifje beruht, bat die deutſche Sage fich den
Toftbaren Edelſtein angeeignet, indem fie ihn, als Schmud der Reichs:
krone, zum Einnbilde religids »vaterländifcher Gebanlen und Gefinnungen
erhob. Die Neichslleinode, Krone, Schwert, Speer u. |. w., beren
Beſitz den rechten König wahrzeichnete, trugen im Glauben bes Mittel»
alters eine göttliche Weihe. Sie waren Reliquien oder mit ſolchen
ausgeftattet. Bei den Bewerbungen und Kämpfen um das König:
thum, beim Übergang vesfelben von einem Herrſcherhaus auf das
andre, war e3 eine wichtige Angelegenheit, fich dieſer Heiligtbümer zu
verfidern 8. Eie wurden von den Königen mitgeführt ober in feften
Burgen, in eigener Kapelle und unter priefterlicher Pflege aufbewahrt.
So befonderd im faliihen Stammland auf der Veſte Trifels, bie,
gleich dem bebaltenen Berg des Grales ?, mitten im Waldgebirge fich
1 Aus einem Zeitungsbericht von 1834 über die Hinberniffe der Schiffahrt
auf der untern Donau: „Die ſchwierigſten finden fi) in der Umgegend von
Drfova, wo die Donau, zwiſchen die Wände von zwei 400 Fuß hoben Fellen-
gipfeln enge eingezwängt, mit einer furchtbaren Schnelligkeit ihre Wogen fort-
reißt, fi über die Felſen, die ihren Lauf hemmen, fürzt und drei Waffer-
fälle bildet, deren lehter unter dem Namen der Eifenbrüde befannt iſt. Kein
Schiff kann diefe Fälle befahren, ohne verſchlungen zu werten.“ Fiſchart, im
den ©. 572, Anm. 1 ausgehobenen Stellen, ſcheint an ben Donauftrudel bei
St. Nikola gedacht zu haben. Bgl. J. A. Schultes, Oſterreichs Donau⸗Strom.
Stuttgart und Tübingen 1827. ©, 193 bie 196. H.)]
2 Raumer, Geſchichte der Hohbenftaufen 5, 65, Anm. 4. Zeitfchrift für
deutfches Alterihum 5, 881. Wagenjeil, De civitate Noriberg. (Gap. 26,
S. 223 fi. Hoffmann, Fundgruben 2, 110. 131 oben. Rheiniſcher Anti-
quarius 846. I[G. 2%. Kriegk, Die deutſche Kaiferfrönung. Hannover 1872.
©. 40 fi. H.)
3 Hahn 1, 69, a). 141, tt). (Annales Fuldenses 840.) 2, 14,e). 84, ec).
153, HU m). 199, 6) (lancea 8. Mauritii). 260, ce) (item). 255, c) (Kunegund).
8, 101 f. fi) ga) 55) (Hardesburg, Hamerften). 160*) (Hamirftein). 4, 119, e)
(Zrivels) g). 42, bb) cc) (Xrivels). 280, I) (Trivels). 5, 142, €) (Kyburg, Wun⸗
derfraft). 166,9. 96, r). 97,1). Herkog, Chronicon Alsatie 8.9, ©. 148 f.
(Hagenan. Trifels,)
4 Titurel 282: Sehtic mile der walt was zu allen fiten. Ein berc in ber
mitte. alumbe jo waren drizzic mile zu riten. 283: Der berc was fo behalten.
574
exrbob , Hoch auf dem Hauptthurme fteht noch erferartig ber Keine
Chor ver Kapelle hervor, in melcher vie Reichskleinode hinterlegt waren,
unter Obhut der Mönche des nahen Klofters Eufferthal ?.
Unter diefen Schäten war vorzugsmweife die Krone das Zeichen ber
Königswürde und in der Krone glänzte vor allem der herrliche Ebel
ftein, deſſen Urfprung und Eigenfchaften gänzlich in das Gebiet bes
MWunderbaren gerüdt waren. Er war, wie ſchon gemeldet, ein Licht:
ſtrahl in der Roth, aus der Fülle des unerfchaffenen Lichtes aufleuchtend.
Nach Heinrich von Krolewig, einem Dichter aus ver Mitte des drei⸗
zehnten Jahrhunderts, hat Gott felbft ſich in biefem einzigen Steine
bejehen und ihn fo zum Widerfcheine feiner lichten Augen gemacht ®.
Im Buche des Albertus Magnus (+ 1280) von den Tugenden ber Edel:
fteine beißt e8, der Waife fei burchfichtig und foll einft in ber Nadıt
geleuchtet haben, jet aber glänz' er nicht mehr im Dunkeln; man ſage,
daß er die Tönigliche Ehre beiwahre 4. Beſonders finnveich aber ift m
den fund ot nieman vinden u. ſ. w. 289: Der berc ſuſt was behalten. nor
criften, juden, beiden. Des name mufte walten. Dontfaluatich der nam was
im beſcheiden u, f. w.
1 Bol. U. Stöber, Sagen bes Eifaßes 315 f.
2 M. Frey, Beichreibung des bayerifchen Aheinkreifes 1, 301 ff. F. Remling,
Urkundliche Gefchichte der ehemaligen Abteien und Klöfter im Rheinkreiſe 1, 196.
3 Bol. auch Kafpar von ber Rön Str. 18: als nad ifl got der ante.
Heinrichs von Krolewitz Vater unſer 1345 ff., bildlich von Dlarien: In der felben
grözen nöt wart gebrochen dirre ftein, dar Az diu goteheit irſchein u. |. w.
1192 fi.: Got nam zům erſten einen fein, dem nimmer mer wirt gli) nebein,
den fatte er neben diu ougen fin, daz er gebe widerſchin ſinen lihten ougen,
wende er ſich drinne tougen zů allen ziten beſach unde im alſulher fchöne jach,
daz im in himelriche mohte niht geliche. Der ftein wart mir aljd befant, daz
ex weife ift genant. 1315 ff.: dem nimmer mer wirt glich uchein unde ber
alfulhe jchöne hät unde dag er weile iſt genant. 1351 fj.: Unde rebte alje der
weife ftät in des riches kröne, als fol diu vrowe fdhöne in der gotes kroͤnen
- Ren unde fol umme unfer ſchulde vlen, unde als wir haben miffetän, daz got
von uns wendet dan für fadne fie antlige, fo fol fiu fen, niht file, unde
fol mit vlizeclihen fiten got vur unfer ſchulde biten unde Funden unfer wort,
unz daz ſiuz bringet in den ort, daz fi) got mitz her umme ſen; daz mi
durch liebe geſchen, bie er zů ter vrowen hät, unde fiht am fine hantgetät
unde můz durch finen reinen gedanh uns irhören uber land.
4 Mufeum fiir altdeutiche Kunſt und Fitteratur 2ter Band, S. 139 (aus
Albertus Magnus, De lapidibus nominatis et eorum virtutibus): Orphanus
575
dem lateinifchen Gedichte vom Herzog Ernft dem Waifen die wunder:
bare Cigenfchaft beigelegt, daß er, auf der rechten Scheitel figend,
das Bild des römischen Reiches widerftrahle 1. Der Dichter knüpft hier
unmittelbar bittre Betrachtungen an über den Zerfall des königlichen
Anſehens in der Zwietracht, die jekt allein gebieten das Neich zer:
fpalte 2; er heißt den Streit des Blutes ſchweigen, ba doch Ein unver:
tilgbarer Urfprung allen deutſchen Völkern gemein fei?. Es ift bierunter
ber Kampf der Gegenlönige und die daraus erwachſene vieljährige Zer-
rüttung nad dem Tode Heinrichs VI verſtanden, worauf auch jene
befannten Lieber Walthers von der Vogelweide fich beziehen, in denen
er das Volk deutfcher Zunge aufforbert, Philipp den Waifen aufzus
jegen und die Andern hinter ſich treten zu heißen, und nachher ſich
freut, wie ſchön die Krone dem kaiſerlichen Haupte Philipps ftehe, wie
das edle Geftein und der junge König einander anleuchten und nun
der Waife aller Fürften Leitftern feit. Gin fpäterer Dichter bemerkt
est lapis, qui in corona romani imperatoris est, neque unquam alibi visus
est, propter quod etiam orplıanus vocatur. Est aulem colore quasi vino-
sus, subtilem habens vinositatem; et hoc est sicut si candidum nivis can-
dens seu micans penetraverit in rnbeum clarum vinosnm et sit superatum
ab ipso. Est autem lapis perlucidus et traditur, quod aliquando fulsit in
nocte, sed nunc tempore nostro non micat in tenebris. Fertur autem,
quod honorem servat regalem. (Deutſche Mythologie 1167.)
1 Odon. Ernest. Bud 8, S. 376:
Hujus mira satis virtus, si sederit aquo
vertice, romani resplendet imagine regni.
2 Sed mejestati quis jam locus? omnia mundus
foedera turbavit, scisso discordia regno
regnat et autiquos miscent elementa tumultues.
3 Dieß ſcheint der Sinn folgender Verſe zu fein:
Nil equidem refert, generi nil tollere possunt
nec dare res, tadeat contentio sanguinis! uno
una modo gentes omnis produxit origo.
4 Lachmann, Walther von der Vogelweide 9, 8 fi. [Ehriften 5, ©. 21
bis 28. H.]: jö we dir, tiuſchiu zunge, wie ſtet din ordenunge, daz nd bin
mugge ir künec hät und daz din re alfd zergät! bekeraͤ dich, bekkrel die
cirkel fint ze here, die armen künege dringent dich; Philippe ſetze en weiſen Af
und Heiz fi treten hinder fidh! 18, 29 fj.: Diu kroͤne ift elter, danne der künec
Philippes fi; da mugent ix alle ſchouwen mol ein wunter bi, wies ime der
mit fd ebene Gabe gemachet [si sederit equo vertice]. jin keiſerlichez houbet
16
freilich, wie die Vögte des römischen Reichs zwar bie ebelften und beften
Steine auslefen und in die Krone fehen ließen, die Kraft ber Steine
jedoch nicht verhindern Tonnte, daß König Philipp erichlagen warb und
der Gegenkaiſer Dite mit denjelben Steinen zu Schaden und Spotte Tam 1.
Iſt die Sage vom Herzog Ernft ein Auszug und Spiegel beutfcher
Geſchichte von zwei Jahrhunderten und ift der Kronwaiſe dad Wahr:
zeichen Töniglicher Gewalt, der finnbilbliche Kruftall, der das Bild des
gefammten Reiches wiberftrahlt, fo Tann die Aufnahme diefes Sinnbilbs
in die Gefchichtiage nicht für zufällig angefehen werben. Dieß beftätigt
fih dadurch, daß die alten Dichter e8 liebten, bie öffentlichen Zuſtände
ihrer beivegten Zeit mit dem Waifen in Beziehung zu bringen, wie das
namentlich der lateinische Dichter der Ernftjage gethban bat. Allmählich
aber verlor der edle Stein das Vermögen, in der Nacht zu leuchten
und bie Ehre des Heiches zu mwahren. Seht ift er längft abhanden
gelommen. Der Leitftern der Deutichen findet ſich in Feiner Krone mehr.
Möge das ewige Licht, das Auge Gottes felbft, unfres Volles Leit:
ftern fein!
zimt ir alfö wol, daz fi ze rehte nieman guoter ſcheiden fol; ir dewederz dag
ander niht enſwachet. fi liuhtent beide ein ander an, daz edel gefteine wiber
den jungen füezen man [mie bei Heinrich von Krolawik der Stein und Gottes
Augen], die ougenmweibe fehent die fürften gerne. fwer nd des riches irre ge,
der fhoume, wem der weife ob fime nade fi! der ftein ift aller fürften leite⸗
ferne. (Philipp hatte die Reichslleinode, zu Hagenau, in Handen, Hahn 4, bl,c).
[®. Her, Deutihe Sage im Elſaß, S. 132 f. 802 f. H.) Darnach wohl
Helbling 376 fi. (Beitfchrift flir deutiches Altertum 4, 65): ſo fi der fluoch im
gezalt, daz riter noch vroumwen in nimmer geſchouwen under bes riches kroͤne;
daz got im nimmer ſchoͤne den flein Id; an fim nade ſten, dem alle fürften
nach gen! (Bgl. noch Wadernagel, Leſebuch 704, 21 biz 24. Dite mit dem
Barte 814. Man. 1, 15, 5. Gloſſe zum Sachjenipiegel 3, 60. Grammatik 3, 879.)
1 Etrider von edeln Steinen 77 fi. (Makmann, Eraclius ©. 218): die
ze Röme vogte fint geweien, bie biegn Az allen fleinen leſen vie edelften unt .
die beften, die fi in ber werld weiten, und biezen die vil ſchoͤne ſehen in bie
fröne. ſwie gröze tugent die fteine Han, fine mohten doch niht unberflän,
daz künc Philippe wurde erflagen, wen fuln fi danne wol behagen? fö iſt ber
keiſer Otte ze fchaden unt ze fpotte mit ten felben ſteinen komen. (Etrider
+ vor 1241, Koberflein 211, 9.)
577
3. Der entrücte Kaifer Friedrich!.
Kurze Bezeichnung der Sage.
Ähnliche Sagen von Entrüdung und Wieverkehr der National⸗
helden bei andern Volksſtämmen:
Perſiſche Sage von Key Chosrews Verſchwinden im Gebirge (Helden⸗
bud von Iran 2, 243 f.); er gebt lebendig zu Gott. Nad Malcolm
(Bistory of Pers. 1, 542) behaupten einige Schriftfteller, Chosrew fei
nicht tobt, fonbern verborgen, und bie Tradition erhebe ihn zum Hang
eined Propheten, der wieder erjcheinen werde.
Britiihe Sage: Arturum exspectare, Du Cange, Glossar. 1, 346.
History of king Arthur Gap. 170 (2, 475): König Arthur ift nit
tobt, wird mwiederlehren und das h. Kreuz gewinnen.
Serbiſch: Der Königsfohn Marko, 1392 in ter Schlacht gefallen,
lebt noch fchlafend in einer Berghöhle und wird berbortreten, wenn fein
Säbel von felbft aus der Scheibe fällt. Bisweilen hört man fein Roſs
wiehbern und der Säbel fol ſchon halb die Scheide verlaflen haben.
(Wila 2, 258. Talvj 1, XXVII. 285.)
Gemeinjamer pfochologifcher Grund diefer Sagen:
Es läßt fich nicht ertragen, daß Großes verloren fei. Hingegangen,
bleibt e3 nur zu beveutenderem künftigem Werke aufgefpart, diefe Auf:
gabe wirb jedoch nach den Ideen jeder Zeit verfchieven gefaßt. Bei
Briten und Serben die Herftellung ihrer Nationalität. Die Heldenkraft
wird nicht als eine erftorbene, nur als eine jchlunmernde betrachtet.
Anfang und Ende der Dinge greifen zufammen, runden ſich zum voll
endeten Ganzen des Weltlebens.
Die beſondre Sage vom Kaiſer Friedrich Tann, wenn man aud
von diefer größern Sagenverwandiſchaft abfieht und fie allein zum Ziele
nimmt, doch nicht einfach für ſich erklärt werden; fie ift nicht auf eins
mal und aus einem Stüd erwachſen; fie ift eine Sage bes beutfchen
Mittelalters und fo liegen auch ihre Prämiffen in dem zweifachen Ele:
ment, aus dem überhaupt bie Bildungen jenes Zeitraums hervorge⸗
gangen, dem heibnifch-germanifchen und dem chriſtlich⸗romaniſchen.
1 Skizze eines Vortrages, den Uhland den 21 Yuguft 1889 gehalten. 5.)
nhland, Schriften. VII. 97
578
A. Auf beibnifch« germanifcher Seite:
a. Götterfage, am vollftändigften in der norbifhen Mythologie
ausgeprägt. Die Helden, die in der Schlacht gefallen, fahren zu Dbin,
leben in Valhöll in beftändiger Kampfübung bis zum letzten, gröften
Kampfe, in dem die Welt untergebt. Dann bebt und rauſcht die
Welteſche Yggdraſill, darunter der Götter Gerichts: und Berfammlungs:
ftätte ift. Dort kommen fie zufammen und die Einberjen ziehen unter
Odins Führung zum Streite. Es ift ein Kampf der Aſen, der Geiſtes⸗
möchte, gegen bie Ungeheuer des Jotunenſtammes, die entfefjelten Naturs
gemwalten, ber mit gegenfeitiger Bertilgung endet. Die Afen, bie Götter
in der Zeit, gehen unter, nicht minder aber jene rohen Gewalten, und
aus dem allgemeinen Untergange fteigt eine neue, fchöne Welt empor,
in ber auch das alte Göttergefchlecht wieder auflebt. So lange nun
die Helden bei Odin jenes Endkampfes warten, ift ihnen auch bie Nüd:
kehr zur Erde nicht verfagt. Man hat Spuren bes Glaubens an eime
irdiſche Wiedergeburt. Aber auch außerdem fieht man den hingefchiedenen
Helden zur Nachtzeit mit feinem Gefolge auf ſchwarzem oder fahlen
Roſſe daherreiten. Eines der ſchönſten Eddalieder erzählt, wie ber ge:
ftorbene Helgi in folder Weile nach feinem aufgefchloffenen Grabhügel
reitet, wo er mit Sigrun, feiner hinterlaflenen Frau, zufammentömmt !.
Diejes Reiten der Todten aber ift bebeutfam, es gilt für ein Vorzeichen
des Weltendes, dann auch überhaupt als Verkündung gewaltiger Er:
eignifje. Hier reihen fich viele Vollsfagen des Norden? an, wonach
Odin felbft, der ja auch im altnorbiichen Mythus die Einherjen zum Kampfe
führt, nächtlich mit feiner Schaar unter großem Getöſe auszieht, ala
Borbote großer Kriege. Nichts anderes ift in beutfchen Landen bas
wüthende Heer, richtiger Wuotes, Wuotand, Odins Heer, verörtlicht
u. A. im Ausritte Rodenſteins, in der ſchwäbiſchen Sage vom Linten-
boldslöchle (bei Onftmettingen). In diefer Höhle hauſt das „muthige
Heer”, deſſen Führer auch anderwärts der Linkenbold.
b. Deutfche Helbenfage, Epos, deren Geſammicyclus wieder aus
zwei größeren Sagenkreiſen zuſammengewachſen ift, dem fräntifchnieber:
deutfchen und dem gothifchsoberbeutichen. Der. Sache nad bat jener
Kreid, der fi dem ſtandinaviſchen Norden anfchließt, feine Grundlage
4 [Bergl. oben ©. 126. 127. 9.]
579
in den Mythen und Sagen, die ſchon im altjeßhaften Germanien
heimisch waren, biefer hingegen ift in feinem Hauptbeftande durch die
Völkerwanderung eingebracht, Held bes erftern ift Siegfried, des letz⸗
tern Dietrih. In einem altnorbifchen Liede (Säm. Edda 268, 18) ruft
Gudrun, Gigurds Witwe, den ermordeten Gemahl auf, fein ſchwarzes
Roſs herrennen zu lafien, fie mahnt ihn, mie unter ihnen verabredet
worden, daß er fie aus der Unterwelt und fie ihn aus ber Oberwelt
bejuchen folle. Siegfried ift auch einer der beutfchen Helden, die auf
dem alten Schlofie Geroldseck zu gewifler Zeit des. Jahres geſehen
werden und „meldhe, wann bie Deutichen in den höchften Nöthen und
am Untergang jein würden, wieder da beraus und mit etlichen alten
deutichen Bölfern denſelben zu Hilf erſcheinen follten.” Sie haben
freilich fchlecht gehütet. (Deutfche Sagen 1, 28, nach Philander von Sittes
wald, 1665.)
Wichtiger ift Dietrich von Bern. Er hat fi am Enbe beider
Sagentreife bemächtigt und bildet den Schlußftein ihrer Bereinigung.
Bon allen Hauptlämpfern der Nibelungennotb bleibt er im allgemeinen
Berverben allein unverwundet übrig (immortalis, Grimm, deutſche
Heldenſage 304). Die nordiſche Abfaſſung der Dietrichsſage (Wilkina
Saga) meldet am Schluſſe, daß er, ſchon ſehr gealtert, einen prächtigen
Hirſch vorbeirennen ſah und in der Eile auf ein eben geſattelt daftehen⸗
des, großes, rabenſchwarzes Roſs fprang, das dämoniſcher Art war
und ihn unaufhaltſam davontrug. Niemals hörte man fortan von ihm
und auf die Frage eines nacheilenden Knechtes rief er nur noch zurüd,
er werde wieder fommen, wenn Gott und die h. Maria wollen. Das
Roſs ſoll der Teufel geweien fein und ihn zur Hölle gebracht haben,
mas fchon Otto von Freifingen (Chronicon 5, 3, in der erften Halfte
des 12ten Jahrh.) weiß!. Nach andrer Anficht muſt' er darauf in
bie wüſte Numenei reiten und bis zum jüngften Tage mit Würmen
ftreiten (Etzels Hofhaltung 131 bis 133. Bon der Hagen, Heldenbuch 2,
66). Im Jahr 1197, als nah Heinrichs VI Tode die Berrüttung
des Reichs durch den Kampf der Gegenkönige bevorftand, erjchien am
1 Die Geiftlichleit ließ den oſtgothiſchen Theoderih, den man für Eine
Perſon mit Dietrih nahm, wegen der Tübtung des Symmachus und Boethins,
in den Ana werfen, wo er bis zum jüngften Tage brennt (W. Grimm, deutiche
Heldenjage 38).
580
Ufer der Mofel Dietrich von Bern, auf dem ſchwarzen Roſſe figend,
und verlündigte die Drangfale, die über das römiſche Reich kommen
werben, ritt dann über die Mofel und verſchwand. (Godefridus mona-
chus Coloniensis, befien Annalen von 1162 bis 1237 geben.) So fällt
auch Dietrich der mythiſchen Vorftellung vom Reiten der Todten anbeim.
Auch die Volksſagen der Laufiß machen ihn zum wilden Jäger, deſſen
Auszug Unheil verfünvet. (Deutfche Mythologie, erfte Ausgabe, 524.
Gräve, Bollsfagen der Laufis 54 |.) Eine andre Sage im profaifchen
Anhang des Heldenbuchs erzählt, Daß nach einem großen Streite vor Bern,
in welchem alle Helben erichlagen wurben, nur ber Berner übrig war.
Da kam ein Zwerg und hieß ihn mit fich gehn, fein Reich fei nicht mehr
in dieſer Welt. So gieng Dietrich hinweg und Niemand weiß, wo ex
bingefommen, ob er noch am Leben oder tobt fei. Zwerge find Berg:
elfen, alſo auch eine Entrüdung in eine Bergkluft und wenn Dietrich
noch lebt, fo muß er auch für eine fünftige Rückkehr aufbehalten fein.
B. Bon romanifch » chriftlicher Seite bat der fortlebende Kaifer
Friedrich gleichfalls verſchiedene Vorläufer:
a. Die fieben Schläfer, melde die Kirche frühzeitig in ihren Feſt⸗
und Heiligenlalenver aufgenommen bat. Es find ficben junge Chriften
zu Epheſus, die vor dem Kaifer Decius, der fie zur Gößenanbetung
nöthigen will, fi in eine Höhle des Berges Celion verbergen. Decius
laͤßt den Eingang der Höhle zumauern, aber ber Herr beichüßt fie, in»
dem er fie in einen tiefen Schlaf fenkt, in welchem fie durch Jahr⸗
bunderte fortleben. Als zur Zeit des Theodoſius fi eine Ketzerei
erhebt, welche die Auferftehung der todten Leiber läugnet, fügt es Gott,
daß ein Hirte den vermauerten Eingang Öffnet, die Schläfer, blübend
wie Rofen, erwachen und fo, in der Erde gelegen und vor dem Tage
der allgemeinen Auferftehung erweckt, für diefe Zeugnis geben. Sie
neigen dann bie Häupter und fchlummern wieber ein, bis der Herr fie
abermals ermeden wird. (Jacobus a Boragine 96.) 1
b. Ein andrer Borgänger, den man nicht erwarten follte, ift der
zömifche Kaifer Nero, und doch iſt dieſe Verwandtſchaft augenſcheinlich.
Nach Sueton im Leben Neros C. 40 war dieſem a mathematicis vor
1 Johannes der Evangelifi lebt noch in feinem Grabe zu Epbefus, nad
Auguftinus. Le livre des l&gendes 108, Anmerkung.
981
ausgeſagt, daß er noch einmal abgefett werden würde. Deshalb warf
er ſich um jo eifriger auf die artem ceitharaedicam, weil die Kunft auf
der ganzen Erde Nahrung finde. Doch verbießen ihm Einige nad) feiner
Entjegung die Herrfchaft über den Drient, namentlich über das Reich
von Serufalem, Mehrere gänzliche Wiebereinfegung. Er blieb aud
feines Glüdes fo gewis, daß er, beim DVerlujt feiner Kleinode durch
einen Schiffbruch, verficherte, die Fiſche werben ihm ſolche wiederbringen.
C. 57: Nach feiner Selbitentleibung fehlte e8, fo fehr man fich im All:
gemeinen feines Tobes freute, nicht an Leuten, welche Iange Zeit hin
dur fein Grab mit Yrühlings» und Sommerblumen fchmüdten und
Edicte veröffentlichten: quasi viventis ef. brevi magno inimicorum malo
reversuri. Zwanzig Jahre nachher trat ein Unbelannter auf, ver ſich
für Nero ausgab und bei den Parthern wohl aufgenommen war. (Vgl.
Tacitus, Histor. 1, 2.) Auch Tacitus, Histor. 2, 8, gedenkt diefes
Glaubens, daß Nero noch lebe und mieberlomme. (Ebenſo Dio Chry
foftomus; Corrodi, Kritifche Gefchichte des Chiliasmus 2, 314.) Zur
Zeit des Streites zwiſchen Otho und Bitellius trat ein Pſeudo-Nero
auf, der außer der Ähnlichkeit fich durch Cither und Gefang ausweisen
wollte, verſchaffte fih Anhang (Tacitus ebd.). Nach Zonaras erichien
auch unter Titus ein Solcher, gleichfalld die Laute ſpielend (Corrodi
23, 315). Diefes Glaubens bemädhtigten fich frühzeitig die Chiliaften.
Sulpicius Severus zu Anfang bes fünften Jahrh. ift geneigt (in feiner
Kirchengeſchichte 2, 30. Corrodi 2, 316), die Stelle der Apolalupfe
13, 3, von dem töbtlih wunden und doch zur Verwunderung des
Erdbodens gebeilten Haupte des ſiebenköpfigen Thieres auf den von ber
felbftbeigebrachten Wunde (der abgefchnittenen Kehle) wiedergeneſenen
Nero zu beziehen: sub seculi fine mittendus, ut mysterium iniqui-
tatis exerceat; auch verfichert er im zmeiten feiner Dialoge, vom b.
Martinus gelernt zu haben, Nero und der Antichrift würden vor. dem
Ende der Welt kommen, jener die Könige des Decidents unterjochen
und Alles zum Heidenthum zwingen, biejer im Orient aufltehn, Jeru⸗
falem und ven Tempel aufbauen und endlich den Nero felbft erjchlagen.
Auguftinus (+ 430) im 20 8. de civitate dei führt an, daß Viele
glauben, Nero werde auferftehn und der Antichrift ſein. Andre glauben,
daß er nicht getöbtet fei und lebendig und bei guten Kräften fi an
einem verborgenen Orte befinde, daß er aber zu feiner Zeit geoffen«
582
baret und wieder in fein Reich eingejeht werben folle. Auch Hieronymus
(Ende des vierten Jahrhunderts) fpricht von dem Glauben, daß Nero
der Antichrift fein werde, Commentar zum Daniel Cap. 11. Die Stelle
der Apolalupfe Cap. 17, V. 9 bis 12, ebenfalls von dem Könige, der
einer ber fieben war und ber achte fein wird, warb auf Nero gedeutet
(Corrodi 2, 319). Die fogenannten fibyllinifchen Orakel, wahrſcheinlich
vom Ende des erften bis zu dem bed zweiten Jahrhunderts allmählich
zufammengetragen (Gorrodi 23, 340), weiſſagen ebenfalld vom Mutter:
mörber, der vom Ende der Welt kommen werde.
Noch ift einer chiliaſtiſchen Vorftellung zu erwähnen, bie den Über⸗
gang dieſes Fortlebens auf die deutſchen Kaiſer vermittelt. Sie findet
fid in der Offenbarung, die dem Methobius, einem Kirchenvater bed
britten Jahrhunderts, zugeſchrieben ift, aber der mittlern Zeit angehört,
in den fibyllinifchen Orakeln, im Tractat vom Antichrift, der den Werken
Auguſtins angehängt ift, aber richtiger ins neunte oder zehnte Jahrhundert
geſetzt wird. Es wird nemlich am Ende der Zeiten der König der Römer,
oder ein fränkiſcher König, der das römische Neich befiht, gen Syeruja-
lem fommen, auf Golgatha geben, Scepter und Krone auf das Holz.
bes Kreuzes Chrifti nieverlegen und fo fein Reich Gott übergeben. Das
Kreuzesholz wird mit ber Krone in den Himmel auffteigen, bas Lehen
dem Lehensherrn zurüdgeitellt (Corrodi 2, 364).
So hat fih von den zwei verfchiebenen Seiten her der Unterbau
für unfre deutſche Kaiferfage zugewölbt. Aber auch bier tritt und nicht
fogleih der Kaifer rievrich entgegen, die Sage haftet an mehreren‘
berühmten Königänamen:
a. Bunähft an Karl dem Großen. Werm das beutiche Epos, auf
fränkiſcher wie auf gothiſcher Seite, im germanifch:heibnifchen Mythus
feinen Urfprung bat, fo verlangte nun auch das chriftliche Helbentbum
feine Auffaffung in der Poefie. Der Mittelpunkt eines neuen epifchen
Kreiſes warb Karl der Große, ber Gründer bes neuen, römiſch⸗deutſchen
Kaiſerthums, der Heidenbelehrer mit dem Schwerte. Dieſes Tarolingiiche
Epos hat fich jedoch nicht in deutfcher Sprache ausgebilbet, ſondern im
mweftlihen Frankenreiche, in den norbfranzöfiichen Gedichten des zwölften
und dreisehnten Jahrhunderts, denen dann bie mehr parodifchen Epopöen
der italiänifchen Dichter -Bojarbo, Ariofto u. |. w. mittelbar ihre Ent:
ftehung verbanten. An vereinzelten Sagen von Karl dem Großen fehlt
583
e3 aber auch in Deutfchland nicht !. Karl, als chriftliher Held und
felbft heilig gefprochen, mufte befonber® auch derjenigen bee zum
Träger dienen, welche die Chriftenheit des Mittelalters jo mächtig und
anhaltend aufregte, der Begeifterung für die Kreuzzüge. Nur 150 bis
160 Jahre nach feinem Tode ſchickt ein Chronilfchreiber ihn auf eine
Wallfahrt nad; Jeruſalem. Der falihe Turpin, um den Anfang bes
ziwölften Jahrhunderts und umjtänblicher die norbfranzöfiichen Helden:
gebichte Schildern biefe Fahrt, die er mit feinen zwölf Paladinen antritt
und von ber er foftbare Reliquien zurüdbringt, die fortan in ben Kirchen
vorgezeigt werben ?. Ein Borgeben, wodurch im Jahr 1095 zum erften
Kreuzzug aufgemuntert wurbe, mar, daß Karl der Große von den
Tobten auferftanden fei, um an bie Spite des Volles Gottes fich zu
ftellen (Effeh., de s. exped. Hieros. &. 519. Willen 1, 76, N. 81).
Karl lebt aber auch noch nad) fpäteren Sagen, die ſich bie ın die neueſte
Zeit binzieben, an verſchiedenen Orten unterirbifch fort: im tiefen Brun-
nen der Burg zu Nürnberg, fein Batt- ift durch den Steintifch gewachſen,
vor welchem er fit (Deutfche Sagen 1, 28); bei Fürth in einem Sand:
bügel mitten in grüner Wiefe fit er fchlafend an einem Tiſch, über
den fein Bart breit hingewachſen ift, fein Kriegsheer ift abjeits, wie im
Felde, neben ihm gelagert (Maßmann, bayerische Sagen 8, nad) Prä⸗
torius, Alectryomantia, Frankfurt 1680); im Odenberg in Unterhefien, an
defien Fuß er eine große Schlacht geichlagen, Abends nach erfochtenem
Siege that fich der Feld auf, nahm ihn und das ermattete Kriegsvolk ein
und jchloß feine Wände, er hat verheißen, alle fieben oder hundert
Sabre hbervorzulommen, dann vernimmt man burch die Lüfte Waffen:
geraflel, Pferdegemwieher und Huffchlag, nach vollbrachter Runde gebt
der Zug in den Berg zurück (Deutfche Mythologie, erfte Ausgabe, 526);
vom Deefenberg im Paderborniſchen ähnliche Sage; im Unteröberge bei
Salzburg fiht er mit großem Hofhalt, die Goldkrone auf dem Haupt
und den Scepter in der Hand, mit langem, grauem Bart, der fchon
weiter als zweimal um den Tisch gewachſen ift, wenn es zum dritten
male ganz geichehen, tritt diefer Welt die letzte Zeit ein, ber Antichrift
ericheint, auf den Feldern von Wald kommt e3 zur Schlacht, die Engel
1 [Schriften 7, ©. 561 bis 568. $.]
2 [Ecriften 2, S. 83. 84. Schriften 4, ©. 366. 357. $.]
— — — — —— —
584
pofaunen ertönen und ber jüngfte Tag ift angebrochen (Deutſche Sagen
1, 33). Doc bier ſchwankt ſchon vie Sage zwischen Karl und Friedrich
und Näheres ift auf dieſen vorzubebalten.
Ein befondrer, äußerer Anlaß zur Anbeftung der Sage an bie
Perſon Karls des Großen zeigt fih in folgendem Umftand. Ron ber
Beiſetzung dieſes Kaiſers in der von ihm erbauten Hauptkirche zu Aachen
meldet bie Chronit des Mönchs von Angouleme (Hahn 1, 88), man
babe den Leichnam einbalfamiert und in das Grabgewälb auf einen
goldenen Stuhl geſetzt, mit goldenem Schwerte gegürtet, ein goldnes
Evangelienbuh in der Hand, in Taiferlihem Gewande, ein goldner
Scepter und der goldne Schild, den Papſt Leo geweiht, vor ihm auf
gehängt. Diefes Grabgewölbe ließ Otto III im Jahr 1000 öffnen
(Ademeari Chronicon, Hahn a. a. O.), durd ein Traumgeficht ermabnt;
man fand ben Kaiſer auf vorbefchriebene Weiſe in ber Grabhöhle (intra
arcuatam speluncam) fiten, ber Leichnam war noch unverfehrt und
warb dem Bolle gezeigt. Kaiſer Sriebrich I ließ abermals das Grab
öffnen, die Gebeine Karls herausnehmen und in einen Kaften legen.
Mir jeben in jenen Schilderungen das leibhafte Vorbild zu dem ſchlum⸗
mernden Kaiſer in der Berghöhle.
Bon den Kaifern des fächfiihen und des falifchen Haufes ift mir
feine ähnliche Überlieferung befannt. Es mochte Loch immer eines ge
wiſſen Zeitverlaufs und eines beitimmteren Anlafles bebürfen, bis bie
Sage von einem Namen auf den andern übergieng.
b. Kaiſer Friedrich. Zwiſchen den beiden Hohenftaufen dieſes Namens
kann vorerft nicht unterjchieven werben, ba. bald nur der gemeinfame
Name genannt, bald der Eine oder der Anbre näher bezeichnet oder
angebeutet wird. Beide waren glänzende, weltgeichichtliche Exicheinungen,
Beider Lebensende trat unter Umftänben ein, welche vie Antnüpfung
einer ſolchen Sage begünftigten.
1. Johannes Bitoduranus ! (erfte Hälfte des 14ten Jahrh.). No
40 Jahre nach Friedrichs LI Tode glaubt man an feine nahe Wieder
kehr. Andre glauben, er babe auf Rath feiner Aftrologen (wie bei
Nero) Europa verlaflen.
1 [Bergl. Johannis Vitodurani chronicon. Die Chronif des Minoriten
Kohannes von Winterthur. Nach der Urfchrift herausgegeben durch Georg von
Wyyß. Züri 1866. ©. 10.249 fi. H.]
585
2. Heidelberger Hanbichrift 844. Das Gebiht aus dem 14ten
Jahrh.! Kaifer Friedrich (im Banne des Pabſtes Honorius) verſchwindet
auf der Jagd mittelft eines unfichtbar machenden Edelſteins. Noch er⸗
fcheint er den Bauern als Maller und fagt ihnen, ex merbe noch aller
römischen Erbe gewaltig werben, die Pfaffen ftören und das heil. Grab
nebft dem heil. Lande zu der Chriften Hand bringen.
3. Deutlicher find dieſe Anfichten ausgeſprochen in einem WMeifters
gefang aus der Mitte des 14ten Jahrh. in Aretins Beiträgen 9,
1133 f. Zwei Häupter der Chriftenheit bekämpfen fi, großer Krieg;
da kommt Kaifer Friebrih; allgemeine Fahrt über Meer, wo Gott
fein Reich geben wird, ver Kaifer hängt feinen Schild an den bürren
Baum, der nun grünt und knoſpet. Das heil. Grab, wirb ge
nommen, Heiden und Juden unterworfen, der Pfaffen Meifterichaft
niebergelegt, die Klöſter zerftört, die Nonnen zur Ehe gegeben, gute
Sabre Tommen 2. |
4. Volksbuch vom Kaifer Friedrich I mit dem rothen Barte, Schluß
des 15ten oder Anfang des 16ten Jahrh. 3. Der Kaiſer febt noch in
einem hoblen Berg, wird wieder kommen, die Geiftlihen zu ftrafen und
feinen Schild an den dürren Aſt benten.
5. Volksbuch vom Unteröberge, 17tes Jahrh.“.
6. Raiferslautern. Friedrichs Bett. Karpfe. Felshöhle >.
7. Trifeld. (Deutfche Mythologie, Ite Ausgabe, 538 oben, 2te
Ausgabe 908 oben.)
8. Ochſenfeld, Biberftein.
9. Kyffhäuſer Berg ®.
1. Schäfer, Raben.
2. Flachsfnoten.
3. Brautleute.
4. Schäfer, Fuß des goldnen Hanbfafles.
5. Mufifanten.
1 [Schriften 7, S. 590 bis 593. 9.]
2 [Schriften 7, ©. 593. 694. 9.)
3 [Schriften 1, S. 499 bis 501. 9]
4 [Schriften 7, ©. 562. 563. 9.)
5 [Schriften 1, &. 501. 9]
s (Schriften 1, &. 501 bis 503. 5.)
536
Anziehend ift dieſes ländlich trauliche Weſen mit dem geifterhaften
Hintergrunde. Die Bedeutſamkeit der Sage tritt hervor im Altern der
Leute, die im Berge waren. In der idealen Region iſt das Geſetz der
Zeit aufgehoben, die ſieben Schläfer blühen wie Roſen, aber Diejenigen,
die in das gewöhnliche Leben zurückkehren, verfallen wieder jenem Geſetze.
Pſeudo⸗Friedriche:
1273 oder 1276: Fr. Holzſchuh, verbrannt, keine Knochen in
der Aſche. (Schacht, Ditofar von Horneck 228.)
1546: Schneider von LZangenfalza 1.
Die drei Telle.
Die Reformationsliever. (Wolff, Sammlung biftorifcher Bollalieder
und Gedichte der Deutichen. Stuttgart und Tübingen 1830. ©. 182 f.
Dina 196 ff.)
Die Lieder vom Befreiungskriege. Das binabgenommene Reich
follte wieder bervorfommen, Traum auf den alten Kaifer hinein, nicht
minder ala der Aberglaube des Mittelalters.
Der Sulminationspuntt der Sage vom deutſchen Kaifer, vom Kaiſer
Zriebrih, der Punkt, wo fie ihre vollſte und eigenfte Bebeutung ge.
monnen batte, Scheint die rein mittelalterliche Vorftellung zu fein, daß
Kaifer Friedrich wiederkommen werde, das heil, Grab, das heil. Land
wieder zu erobern, nicht aber bloß um dieſer heiligen Stätten twillen,
fondern meil dort die Krone des irdiſchen Reichs auf das Kreuz nieder
gelegt werden, das Reich Gottes anheben ſoll ?.
4. Glockenfagen ’.
(Snfannentag, 19 Yebruar 1845.)
Erfindungen je im Geifte des Beitalterd. Erfindung bed phan⸗
taſtiſch⸗ religiöſen Mittelalters: der Kirchenbau. Dazu gehörend: Glas
1 [Schriften i, S. 503. $.]
2 Bol. auch Fr. Spiegel, Orientalifcher Beitrag zur Gage von Kaifer
Friederich im Kiffhäufer, Ausland Nr 139, 10 Juni 1848, ©. 568. 554. [Ran
vergleiche ferner W. Menzel, Odin. Stuttgart 1855. ©. 328 bis 346. 5]
3 Bgl. Monach. s. gall. 1, 29. Pfifter 1, 187. Grimm 1, 189. 1%. 355.
Lothar 228. 246. 277. 298. Wolf 300. 560 bis 568. 623 f. 662. Bechſtein.
Fränkiſche Sagen 50. 149. 2056. Bgl. Anzeiger 8, 539, &0. Gilberglode 247.
587
malerei, Orgel, Glocke. Die Orgel hallt durd die innern Räume, bie
Slode ift Stimme nah außen. Die Glode erheifcht den Thurmbau
und burch biefen wird das Himmelanftrebende bed ganzen Kirchenbaus
beftimmt. Auflommen der Gloden und der Kirchthürme gleichzeitig vom
Ten Sabrbundert an.
Der Glockenklang, jebt ein Gewohntes, Alltäglidhes, muß bei
feinem erften Anfchlagen jeden Orts mächtigen Einbrud gemacht haben 1.
Die Glode hat allerdings ihre praktiſchen Zwecke: Zufammenberufung
der Gemeinde, Anzeige deſſen, was in der Kirche vorgeht, der kirch⸗
lichen Tagzeiten, Aufruf zum Gebete, Berkündigung feierlicher Hand⸗
lungen in Freud' und Leid, Nothruf und Siegeskunde. Aber ihre
Bedeutfamleit Liegt nicht bloß in biefer ihrer Beſtimmung, fie liegt
großentheils auch im Mittel felbft, im ernften, feierlihen, Empfindung
und Phantafie anregenden und ſtimmenden Wohlklang. Diefe mufila-
liſche Seite bat das Mittelalter vorzüglich aufgefaßt; doch verfehlt fie
auch jet noch nicht ihre Wirkung, beſonders bei größerem, wohl ſtim⸗
menden Geläute (Köln und Einfiveln).
Fiſchart (©. 434) jagt, es fer eine Kunft in einen Glodenklang
einen Tert erbenten. Dieß ift gleichwohl gefcheben, in neuerer Zeit von
Schiller, der mehr philofophifch betrachtend die Bebeutung des Gloden:
288. Bechſtein, Thliringifche Sagen 3, 198. 246. Stahl 112. Tettau 227 f. 231.
252. Orgel: Temme, Altmark 13. 29. 34. Pommern 313 bis 817. 832. Kuhn 10.
11. 164. 167. 169. Gödſche 88. Thiele 1, 42. 45. 62. Kirchthürme 2, 29.
44. 54. 75. 8, 60. 4, 2. 6. Münfter. Sagen 178. 186. Harrys 1, 26. 30.
Arwidsſon 2, 172, 15 bis 17. 358. Buchan 2, 219 f. Percy 3, 111. 115.
Gilchriſt 1, 242. Wunderhorn 2, 272. Altdentfhe Wälder 1, 108. Teuto-
burg 2 Heft, ©. 149. Augufti, Denkwürdigleiten ans der chriftlihen Ardhäo-
logie u. f. w. Band 10, Leipgig 1829, ©. 208 bis 210: Blodentaufe. Ebend.
Band 11, Leipzig 1880, S. 407 ff.: Kirchenthürme. ©. 413 fi.: Olocken.
©. 428 ff.: Orgeln. ©. 417 wirb einer Glodenlegende gebacht, den Biſchof
NRigobert von Rheims betreffend, in Frodoardi hist. Rhemens, lib. II, c. 12.
[Man vergl. ferner oben ©: 436. W. Menzel, Chriſtliche Symbolit 1, Regens-
burg 1854, S. 339 bis 343. H. Otte, Glodenktunde, Leipzig 1858. 3. Grimm,
Deutfche Mythologie S. 428. K. Simrod, Handbuch der deutſchen Mythologie,
dritte Auflage, Bonn 1869. S. 481 f. A. Schöppner, Sagenbuch der bayeri-
jhen Lande, 1 bis 3, München 1852. 1863. W. Her, Deutſche Sage im
Elſaß, Stuttgart 1872, S. 196, Anmerkung 58. 9.)
1 [Bergl. oben S. 388 f. 5.)
588
Hangs hervorhob, im 16ten Jahrhundert mehr muſikaliſch durch das
Geläut von Speier. Entichiedener noch zeigt fich die phantaftifche Geltung
der Gloden in den Vollöfagen und Vollsmeinungen ber frühern Zeit.
Schiller läßt wohl feine Glode noch taufen, aber ex läßt den Meifter
faft allzu nüchtern ausfprechen:
Selbſt herzlos, ohne Mitgefühl
Begleite fie mit ihrem Schwunge
Des Lebens wechſelvolles Spiel!
Dem Volle war die Glode nicht herzlos, fie war ihm eine befeelte
Verfönlichkeit und ftand als foldhe mit dem Menfchen in lebendigen‘
Verkehr. Dieß hatte feinen Anlaß fchon im Gebrauch der Kirche, in
der Glockentaufe, urfprünglich einer Weihe, wie für andre bem Gottes:
dienft gewidmete Gegenftände, nachher mehr im Sinn einer eigentlichen
Taufe genommen. Johannes, Roland, in der Volksſage am Tiebften
Anne Sufanne. Die Taufe gibt ihnen erft die rechte Kraft, Gewitter
und böje Geifter zu vertreiben; ungetaufte gehören dem Teufel, der fie
in Sümpfe wirft. Weſen nun, die der Taufe fähig waren und wirklich
getauft wurben, konnte man wohl auch eine perfönliche Selbftändigfeit
beilegen.
Ich bebe nun aus der großen Zahl der Glockenſagen einige Haupt:
züge hervor, um die volksthümlichen Vorftellungen vom Leben und Wirken
der Glocken anjchaulicher zu machen.
Schon an den Urfprung und die Taufe berfelben befteten ſich
manigfache Überlieferungen, wodurch fie in ein märchenhaftes, ahnungs⸗
volles Licht gehoben werden. Einfammeln des Erzes bei den Gevattern,
das Gold der Witwe zu Attendom. Der Lehrling zu Breslau. Silber⸗
glöcklein. Auswühlen durch Schweine Verſunkene Gloden, die ge:
bannt werben, wenn fie fich fonnen, und dann getauft werben müflen.
Anne, Sufanne, Johanne. Wie fie an den rechten Drt gebracht werben,
wobei fie ihren Willen baben, Pferde der Stäbter und Ochſen bes
Landvolks. Neid der Städte gegen fchöne Dorfgloden. Stendal und
Großen: Möhringen. Das blinde Pferd. Treue der Gloden gegen ihre
rechte Heimath: der Biſchof von Rheims; die Glode vom Wunnenſtein.
Berfuntene tönen fort, wie auch die untergegangene Orgel.
Dem Menſchen der früheren Zeit waren manigfache Laute bebeutfam,
die auf einfamer Wanberung, bei innerer Bewegung, in Augenbliden
589
eines zu fafienden Entichlufles fein Ohr trafen. Der Gefang der Nachti⸗
galt 1, der Ruf des Raben, der Gang ber Mühle fchien ihm etwas zu jagen,
es unterlegte auch diefen Klängen einen Text. In der Mühlenſprache
fagt die waſſerarme Mühle des Heinen Müllers: „Hilf, Herre Gott!“
die des reichen: „Hilf oder laß!” Der Burſche, der zur Kirchweih gebt.
Noch mehr und auf ernftere Weife mufte num der Klang ber Glode
bebeutungsvoll fein. Der Lord Mayor Whittingten. Die Tobtenglode
nahe geftandener Berfonen wird in weite Ferne gehört, als wehmütbiger
Abfchieb ober ald Vorwurf für den Ungetreuen ober für die hartherzige
Schöne Ein Mäpıhen, das von ihrem ftrengen Bruber für eine Glocke
verlauft worben ift, zerſchmilzt jedesmal in Thränen, wenn dieſe Glode
geläutet wird. Die ®loden, die hoch über dem irbiichen Treiben im
Zug der Winde hängen, fcheinen auch von höheren Mächten berührt
zu werben, fie fprechen ‚wie Gottesftimmen, ertönen oft von felbft, als
Mahnung von oben, als Botichaft vom Tode bedeutender Perſonen, als
Wahrzeichen der Unſchuld eines Angeklagten, zur Bewährung ber Heilig.
keit eined von Gott erwählten Rüſtzeugs. Sterbende hören den Auf
der Himmeldgloden.
Schallftäbe, Gegenfab des Geifted der Neuzeit zu dem bes Mittel:
alters.
9. Schwärzloch.
Konnten unfre VBorväter uns keine fichtbare Angedenken ihres Gottes:
dienſtes hinterlafien, fo blieben uns dagegen noch mandye Erinnerungen
desselben in den Namen von Bergen und Wäldern, jenen natürlichen
Göttertempeln der Germanen, Auch fonft fehlt es nicht an Nachrichten,
die deutſche Heldenfage läßt noch vielfach altes Heidenthum durchſcheinen
und bie altnorbifche Mythologie, die uns urkundlicher und in vollerem
Syſtem erhalten ift, wirft vielfaches Licht auch auf die nächft verwandte
der eigentlich deutfchen Völker.
Dem Wuotan (Deo suo Vodano, quem Mercurium vocant alii,
se velle litare, Stälin 1, 161, Anm. 4), dem oberften und allgemeinften
ı [Schriften 3, &. 97 f. 9.)
2 [Schriften 4, &. 99 bis 108. 7, ©. 410 ff. 41. 9.)
590
Gotte der germaniſchen Vollaftämme, opferten auch die Schwaben mit
einer Bierlufe, al der Bekehrer Solumbanus 612 zu ihnen kam (Deutfche
Mythologie 49). Bon der Verehrung eines andern Gottes, des Ziu,
zeugt der Name Cyuuari, welcher in den deutſchen Gloſſen einer Hand⸗
ſchrift des 8ten Jahrh. gleichbebeutene mit Schwaben aufgeführt wird
(Diutifla 2, 370: Cyuuari. ſuapa. Bol. Zeitfchrift für deutſches Alter
thum 6, 16, Anm. ob.). Dieß beißt entweder Ziu⸗Wohner, Verehrer
bed Ziu, oder, wenn etwa ueri, wie zuvor in Baucueri, zu leſen, Ziu-
Männer (Mythologie 180 u.). Die Endung überhaupt eine Bolls:
bezeichnung, Wohner 1, Das Wort gehört einer meitgeftredten Wurzel,
div, an, derfelben, zu der auch sg, Zeig, gen. Aıöc, deus, divus
gehören. In den germanifchen Sprachen prägi es ſich je nach deren Eigen«
thümlichleit aus (Grimm, Diphth. 13. Andreas und Elene 155 u. f.):
Altnordiſch Tyr, gen. Tys, acc. Ty, angelj. (Tiv) Tives däg, alt
hochd. Ziu (Bio). Zautverfchiebung, media d zu tenuis t, bie tenuis t
wird mit dem Saufelaut verbunden und dadurch zum Ziſchlaut z, eine
Veränderung, bie im Tten Jahrh. vor fi gegangen (Grammatil 1,
2te Ausgabe, 156). Das Wefen, das diefen allgemeinen Namen trägt,
bat jedoch ſeinen bejonvern, begrenzten Beruf und Wirkungskreis erhalten.
Der norbifche Tyr, ein Sohn Odins, ift ein Kampfgott. Er maltet
über den Sieg und wird von tapfern Männern angerufen. Beſonders
ſteht ex dem verzweifeltiten Sampfe vor, dem Zweikampfe. Er jelbit
ift ein Mufter von Kühnbeit, er hat dem Fenriswolfe die Hand zum
Pfande in den Rachen gelegt und tft von daher einhändig (Snorri 29.
105: viga-gud). Unter feiner Weihe fteht dad Schwert, Siegrunen
follen auf Schwertgriff und Gehäng eingerigt und bazu zweimal Tür
genannt werden (Säm. 194, 6). Da Odin, der Vater Ths, der oberfte,
geiftigfte Gott, mie er nach allen Richtungen wirkſam ift, auch als Gott
der Helden, des Heldengeiftes, als Lenker der Schlachten und Geber
des Sieges maltet, jo konnte Tür nur ein Götterwefen zweiten Ranges
fein. Doc tft er immerhin einer der zwölf Aſen, Hauptgötter, und
kämpft in dieſer Genoſſenſchaft den letzten Weltlampf. Norwegiſche
Jarle leiteten von ihm ihr Geſchlecht ab; ein ſolcher Abkömmling heißt
1 Müllenhoff, Über Tuisco und feine Nachkommen, in W. A. Schmidts
Allgemeiner Zeitichrift für Gefchichte 8, Berlin 1847, ©. 247**), Die Nomen
auf - uari, Graff 1, 981. Zeuß 99 u. hauptfächlidy aber Gramm. 1, 641, 2. 777 m.
591
im Siebe Tys-wttüngr, Lex. myth. 486. Heimskr. 1,.177 a, oben.
Tor ift nun auch eine der drei männlichen Gottheiten, bie ebenfo vielen
MWochentagen, ftatt der Iateinifchen Götternamen, die ibrigen bei allen
germaniichen Stämmen gegeben haben. Dies Martis: Isländiſch Tjsdagr
(ſchwediſch Tisdag, däniſch Tirsdag), angelfähftih Tives däg, engliſch
Tuesday, niederſächſiſch Tiesdag, althochdeutſch Lies (Ziuwes) tac
(11ites Jahrh. St. Blaſ. Mythologie 112); weiterhin Zieſtag (Schmeller
4, 214), noch in Oberſchwaben und ber Schweiz Ziſtag, Zinſtag u. ſ. w.
(legteres auch in einer Schwärzlocher Urkunde). Die andern Tage find
Dies Mereurii: Altnordiſch Ödinsdagr (ſchwediſch und däniſch Onsdag);
angeljächfiich Vödnes däg (engliih Wednesday); niederländisch Woens-
dag, weſtfäliſch Godenstag, niederrheiniſch Gudesdag, Gudensdag.
Dies Jovis: Altnordiſch börsdagr (ſchwediſch Thorsdag, däniſch Tors-
dag), angelſächſiſch Thunores däg, (engliſch Thursday), althoch⸗
deutſch Donares tac. Dieſelbe Götterbreiheit, die wir bier in germani⸗
ſchen Wochentagen vereinigt finden, iſt es wohl auch, die in der alten
Abſchwörungsformel, für die ripuariſchen Franken, auftritt (Müller,
Geſchichte und Syſtem der altdeutſchen Religion ©. 6): „thunaer ende
uuoben ende farnote ende allem them unholdum the hira genotas fint.”
Diefer Sarnöt, angelſächſiſch Saxneat, Schwertgenofie, DBefiter bes
Schwertes, Steinfchwertes, vertritt paflend den Tor, mit deſſen Namen
die Schwerter geweiht werden.
Eine andre, ebenjo durchlaufende Bedeutſamkeit des Götternamens
Thr, Tiv, Ziu, iſt die, daß er zur Benennung einer Rune dient. Die
tenuis t heißt altnordiſch Tyr, angelſächſiſch Tiv, Tir, althochdeutſch
erfcheint fie zur Bezeichnung des z als Ziu. Den Namen dieſes Gottes
trugen auch Berge und Haine, nun die nach ihnen benannten Orte,
z B. in Seeland Tobierg, jütiſch Tiislunde, ſchwediſch Tyved, in ber
Elbgegend Ziesberg.
Neben und ftatt Thr und Zio zeigt fi aber auch angelfächfiich
Ear, althochdeutſch Eo, Eor, Aer. Alfo eine andre Benennung bes
ſelben Gottes. Sie tritt in Beziehung zu dem gothifchen hairus, angel»
fächfifchen heor, altfächfifchen heru, altnordifchen hiörr, Echwert !, und
weist fomit wieder auf einen Gott des Schwerted (Mythologie 184.
1 Bol. Yagegen Müllenhoff, Zuisco 252**). [Spätere Ranpbemerfung von
Uhland. H.}
592
838 u., f. oben. 1209, 3 v. u. 1229, 3), wie Tor, mit dem Runen⸗
jegen, und Saxnot. Aud die Geftalt ver Rune fcheint eine Waffe zu
bezeichnen. Gleichmaͤßig ergibt ſich nun auch dieſes Wort zur Bezeich⸗
nung des entfprechenden Wochentaged. Der Dienftag beißt in Baiern
Ertag, Erchtag, in den älteften Urkunden (von 1287 an) in der Yorm
Eritag. Geiler von Keiſersperg: „die Beyer fprechend im Eriötag.“
Schmeller 4, 96 f. Und nun wieder Ortsnamen, vor allem Eresburg,
auch Heresburg bei den fränkifchen Annaliften (Mythologie 184), die
von Karl dem Großen eroberte Veſte der Sachen. Ex zerftörte ſodann
ihr Heiligthum, fanum et lucum eorum famosum Irminsul (Mytho»
logie 105). Bei Iateinifchen Schriftftellern auch Mone Martie. In Norb»
.brabant (Urkunde des sten Jahrh.) Eresloch, jekt Eerſel (Bergh. 381.
ebd. Arelo, Irmenlo). In Oberſchwaben Erisporf, Eriskirch.
Waffen, Schwert und Speer, waren bei verſchiedenen alten, kriege⸗
riſchen Völkern, ala dem Kriegsgotte heilig, verehrt; nicht ein Fetiſch⸗
dienſt, ſondern als lebendig aufgefaßte Symbole!. Die Römer hielten
den Speer des Mars heilig, ver fich bei nahender Kriegsgefahr von
ſelbſt bewegte.
Bon den Schthen meldet Herobot, daß fie den Ares unter dem
Bild eines aufgerichteten alten eifernen Schwertes verehrten. Ammianus
Marcellinus fagt von den Manen, fie haben fein bedecktes Heiligthum,
fonbern ein bloßes Schwert werde in den Boden geftedt und von ihnen
ald Kriegsgott (ut Martem), der Herricher (pressulem) der Gegend
verehrt. Derfelbe erzählt von den Quaden, einem entfchieden beutfchen,
mit den Sueven fich vielfach berührenden Volke, fie haben bei den ge:
zogenen Schwertern. edactis mucronibus, quus pro numinibus dolunt,
Treue geſchworen (Mythologie 185, Grimm, Über Jornandes 29 u,
f. ob.). Noch im 1d5ten Jahrh. war es ein beuticher Aberglaube, aus
dem Spiegel des blanten Schwertes künftige Gefchide (Streit und grau:
fame Sachen) zu erfragen (Mythologie, Ite Ausgabe, Anhang LXIV).
Bon biefen weiten Wegen kehren mir zu dem beimatlichen Berge
zurüd, auf dem die Alemannenfchlacdht gefochten wurde. Wohlbelannt
ift Allen das Hofgut Schwärzloh, auf einem von diefem Bergzuge
i Germania C. 7: velut deo imperante, quem adesse bellantibus cre-
dunt; effigiesque et signa quædam, delracta lucis, in prolium ferunt,
593
nördlich auslaufenden Hügel gelegen. Dasſelbe heißt in Urkunden bes
16ten Jahrh. meift der Berg Schwertzloch, ober Berg und Haus (Hof)
Schwertzloch. Es wird als Freigut bezeichnet und gehörte Bürgern von
Tübingen, namentlich den angejebenen Breuningen, die e8 aber im
Anfang des 16ten Jahrh. an den Hofpital verlauften, der es. his vor
etwa 20 Jahren im Eigentbum batte. Die Zugehör des Hofes war,
außer den Wiefen und Adern im Thal, beſonders ver etliche 50 Morgen
große Schwärzlocher Wald, ver ſich vom Hellerloch über die Ebene bis
zum Ammerwalde hinzog. Leider liegt die weitere Gefchichte des Hofes
ſehr im Dunkeln, während der Bau des Haufes und der Kirche auf
hohes Alter binweift. Diefe find im romaniſchen Stil vom Ende bes
11ten ober Anfang des 12ten Jahrh. erbaut. Die Eculpturen, groteske
Thiergeftalten, Blattwerk u. |. w., find derſelben Art, wie an andern
firhlichen Bauwerken berfelben Zeit. Die Thiere mögen zum ‘Cheil auf
den nahen Wald Bezug haben. Über den Erbauer, über den Heiligen
der Kirche u. |. w. weiß man nicht das Geringfte!. Ein Kaplan von
Schwärzloch ließ ſich noch im 1dten Jahrh. bei der biefigen Univerfität
immatrifulieren . Nur Eine urkundliche Meldung findet fi aus viel
1 [Auf einen anderen Blatte ſchildert Uhland die Gebäulichleit ausflihr-
licher folgendermaßen: „Schwärzloch verkündigt fi) durch feinen Bauſtil als ein
kirchliches Gebäude vom Ende des 11ten oder Anfang des 121en Jahrhunderts.
Ein Kirchlein unter Einem Dad mit der Kaplanswohnung, das Ganze im
romanischen Stil der bemeriten Zeit, demfelben, worin andre alte Kirchen des
Landes, zu Brenz, Altheim u. f. w., gebaut und verziert find. Die Figuren
in den Halbsunden des Geſimafrieſes und fonft an der fünlihen Außenwand,
Blumen, Blätter, Vögel und andre Thiere, Trachen, Krolodill u. ſ. w., be.
zeichnen mie anderwärts nicht bloß das vor die Thür binausgebannte Treiben
und Umgehen des Teufels, ſondern allgemeiner die Luft und das che ber
Velt, das Weltlihe gegenüber dem Heiligen. (Anderswo Jagd, Gaufler.)
Der Engel am Eingang verwahrt diefen, entjprechend der Engelwache in alten
Segenſprüchen. Wappenſchild einfach mit dem Gonftanzer Kreuze, die Diöceſe
bezeichnend. Über den Heiligen der Kapelle erhellt nichts; das Klofter Blan-
beuren war dem Täufer Johannes geweiht, Stälin 2, 708. H.)
2 [Auf dem genannten Blatte bat Uhland folgende Nachweiſe gegeben:
„Erwähung vom Jahr 1298, Erufinus 2, 176: Hugo de Halfingen, Marquar-
dus et Henricus, filii fratram Hugonis, vendiderunt Bebenhusanis pratum
8 jugerum, illis indivise pertinentium, situm apud Tubingen prope rivum
dietum Ammer, inter Schwartzloch et Hindibach, dietum Haluingerbriel,
uHland, Schriften. VI. 38
594
früherer Zeit, nemlih im Codex Hirsaugiensis, worin die bem be
rühmten Klofter Hirfau gewordenen Bergabungen und andre feinen Güter
befig betreffende Nachrichten bis zum Ende des 12ten Jahrh. geführt
worden find. Darin lieft man ©. 63, nit ganz in der Mitte der
Traditionen, alfo wohl unter ben Ältern, die Notiz: Wernherus de
Swertissloch pratum in Ambra dedit, et dimidiem hubam, quam
injuste invaserat, nobis reddidit. War wohl diefer nachträglich Fromm
gewordene Mann der Stifter des Kirchleins? ebenfalls aber ift es
von Sinterefle, hier den Namen des Gutes einmal in älterer Form vor:
zufinden. Seine etymologifche Bedeutung läßt darnach keinen Zweifel
übrig. 25h m. wird in den Gloſſen meift durch lucus überfegt, womit
e8 auch etymologiſch zuſammenhängen wirb, alfo Wald, Hain. (Wie
in der Nähe: Hellerloh, Hagelloh, Budenlob, Igelsloch!). Swertis
ift alter Genitiv von Swert; aljo Swertis-loh Wald, Hain des Schwertes.
Hiernach dasfelbe, was im Norden Tiislunde, in Norbbrabant Erisloh,
XXX libris denar. monetw Hallen, de consensu plenario Gntfridi, Palat.
eomitis de Tubingen, cujus ministeriales erant. Actum 1293 idibus April. '
Indict. 6. (Seller 547). Erſt wieder in einem Briefe des Abts Heinrich und
des Convents von Blaubeuren von 1477 („an Zinstag vor Letare halbuaften*),
zum Beten der Univerfttätsfiftung, kommt hierauf Schwerzloch wieber vor: „fe
haben wir vnſers goßhußes capplony pfründe vff dem berg zů ſwerczloch geu
tuwingen jn fant Jörigen pfarrlirchen gegeben und kemen außen, alfo und mit
ſölichem nemlichem under ſchaid“ u. ſ. w. daß dieſe Kaplanei bei Erledigungen
von dem „colegium zu tumwingen uns ober vnſer nachlomen benempt wirdet,
dem jelben fo jolich pfründ von vns und unfer nachkomen allweig gelyhen wer-
den” u. |. w. (Pergamenturfunde im Stuttgarter Archiv.) In die erſte Uni
verfitätsmatrilel unter Nauclerus infcribierte: D. Johan. Ainber, Capell. in
Schuuartzloch (Grufius 2, 451. Zeller 548). Weiterhin 1508 datiert Jacob.
Henrichmannus Sindelfingensis aus Schwerzloch feine Prognostica dem
Freiherrn Chriſtoph von Schwarzenberg et illastri pcöte Henrico Bebelio;
Schluß: Et tu, Bebeli charissime, hæc jocosa facetiis tuis adjungito!
Valetel Ex Schwartzlochio Il Calend. Martias anno 1508.“ Unter den
Profess. philosophie et artium Tubing. ante reformationem erjcheinen bei
Zeller 484: Jacobus Henrichmannus, Sindelfingensis, grammaticus, ante
1506 und Henricus Bebelius, Justing., orat, et po&s. professor, 1497,
scriptis clarissimus. Es mag damals auf Schwerzloch eine Herberge luſtiger
Gefellen gewefen ſein.“ 9.] |
1 Ramentid auch Heiligenloh (im Hoyaifchen), wie andermärts Heiligenfork
(Mythologie 66).
595
— — — — — —
nur daß in Tiis⸗, Eris: die Bezeichnung des Gottes ſelbſt, in Swertis⸗
(dem Genitiv eines Neutrums) die des Eymbols liegt. ebenfalls ein
dem Schwertgotte geheiligter Wald, defien Name auf den Hof und bie
chriſtliche Kirche (mie Eriskirch) übertragen wurde. Noch immer aber
bat der Wald ſelbſt Teinen andern Namen als Schwärzlocher Wald.
Wurde alſo auf dieſer Waldhöhe ber Gott des Echwertes, des Kampfes,
des Sieges verehrt, jo wirb dieß nicht außer aller Berührung damit
fteben, daß die Alemannen, die Verehrer des Ziu, eben auf biefen
Höhen zur entfcheidenden Schlacht ſich aufgeftellt hatten. Ihre feftefte
Stellung mochte zugleich das Heiligthum des Biu fein, wie die Veſte
der Sachen, in der fie fih von Karl dem Großen angreifen ließen,
die Eresburg.
6. Tübingen.
Es gibt noch Feine irgend einleuchtende Erflärung des Ortönamens
Tübingen . (Echmeller3 „Twing“, 4, 306, will auch nicht genügen,
die patronymilchen singen ſind in dieſer Gegend zu einbeimifch.) Der
Drtöname, der in den 70ger Jahren bes 11ten Jahrh. mit feinen Grafen
zuerft vorlommt, wird bei Annaliften und in Urkunden manigfach ge:
fchrieben, doch in den älteren vorberrfchend Tuingen und Tuwingen.
Drtönamen auf »ingen find Dative des patronymifchen sing. Woher
fol nun Tuing, Tuwing ftammen? Einfach von Tu = Tiu, pri
Tu. In diefer Gegend follte man freilih Ziu, alfo Ziuwingen, Zeu⸗
bingen, ertvarten Aber Eigennamen, deren Sinn vergefien war, konnten
am ebeften den Proceſs der Lautverfchiebung überbauern. Bei ihnen
bat aud das Schwanken am längften gewährt, wie man noch längerhin
Turih ftatt Zurih und in alemannifhen Urkunden 3. B. Tuto mit
Zuzo, Utinwiläre mit Uzinwiläre wechſeln fiebt . Tuinge, Tuwinge
1 [E83 mag bier wol die nachfolgende Bemerfung in der zimmertfchen
Chronik, herausgegeben von 8. A. Barad, 1, Tübingen 1869, ©. 61, eine
Stelle finden: „Aber Calo der nam fol von den dentſchen volfer, den Galuconen,
entfpringen, zugleichen der nam Zubingen von den völlern der Tubanten ber-
kompt.“ 9.]
2 Bgl. Butilinus —= Buceellinus, Stäfin 1, 158. 171 f.
596
waren alfo Angehörige des alten Kampfgotts, wie bie nordiſchen Tys-
eetlüngar, welche füglih auch Tjiagar, angelſächſiſch Tivinges, beißen
fönnten ?; w ift nur vermittelnd. (Bgl. Zeug 149 ***): „Tivingi®,
146 *). 316 oben.)
7. ödenburg?.
Vielleicht lebten die Tüinge früher dem Walde des Schwertgottes
dem Swertisloh, noch näher, als jebt. Der Schwärzlocher Walb zieht
fi) gegen den Epitberg bin; in einer Urkunde des 16ten Jahrh. wird
fogar der Epigberg ſelbſt zum Schwärzloch gerechnet, wenn dieß nicht
falſch geichrieben ift. Wie das Schwärzloch auf der Norbfeite, ift der
Spigberg ſüdlich nur ein höherer, Tühnerer Ausläufer des Höhezugs.
Eine Halde am Spitberg heißt in Urkunden, Lagerbüchern und noch
gewöhnlich die Odenburg. Das althochveutfche Adjectiv „Obi“, übe,
bebeutet leer, verlaflen (Graff 1, 150: die [Butta] danne ode ftat.
N. 78, 1. holen ode ftanden, specubus viduatis. Mep.). Die mit
Even: zufammengefegten Drtönamen ftehen meiſt in einem Gegenfake,
3 B. Even: Kling neben Kling dem Sclofie, Eden⸗Stockach neben
Kirch⸗Stockach, Schmeller 1, 29. So mag Obenburg heißen: zur dben,
verlafienen, aufgegebenen Burg 3. Bon dem fchrofferen, engeren Berge
mochten die Tüwinge auf einen andern, bequemeren, auf die Stelle
des jeßigen gezogen fein, ihre vormalige Burg war nun bie verlafiene,
vereinfamte geworden. Man findet auch nirgends ihrer urkundlich ge
bacht, Fein Dienftmann ber Tübinger Pfalzgrafen ift von Odenburg
genannt, nur ber zerfchnittene Rüden des Spigbergs gibt noch Zeugnis
von ber vormaligen Burgvefte.
1 [Bergl. oben S. 88. 84. In einem Briefe vom 22 Zuli 1847 fchreibt
Uhland aus Tübingen an Jacob Grimm: „Was find denn die Zuminge, wenn
nicht Angehörige des noch nicht lautverſchobenen Biu (Tfswetiüngar), aleman-
niiche Cyuvari?“ Vergl. Ludwig Uhland. Eine Babe für Freunde. Zum 26 April
1865. Als Handſchrift gedruckt. ©. 340. H.)
3 [Bergl. L. Schmid, Geſchichte der Pfalzgrafen von Tübingen ©. 1.2. $.]
8 Mojer, Beſchreibung von Würtemberg 473: „Weg auf die alte Burg.”
597
8. Das Blauthal.
Wer fich im einftigen Gebiete der Grafen von Tübingen nad ber
Etelle umfieht, die vor allen gefchaffen war, den fagenbildenden Volle»
glauben anzuregen, beffen Auge muß ba haften, wo drei Brüber dieſes
Stammes um dad Jahr 1088 die erfte Klofterftiftung ausführten. Abs
gelegen vom Bezirke der alten Grafſchaft, hatten die Tübinger anjehn-
lihen Befig im obern Blauthal und auf der angrenzenden Alb. Auf
diefen gründeten fie da Johanneskloſter Blaubeuren am Urfprung des
Flüßchens Blau 1. Hier ift ein frifchgrünes Wiefenthal von zadigten,
Ichroffgellüfteten Felöbergen umfchlofien, deren einige mit Burgtrümmern
gezinnt find. Dicht am Fuße des fteilen, hochragenden Blaufeljes rundet
fih ein Waſſerbecken von tiefblauer Farbe, von uralten Bäumen über:
bangen, der Blautopf, der in folder Stärke unter dem Geftein hervor:
kommende Slußquell, daß er wenige Schritte vom Ablauf aus dieſem
natürlichen Behälter Mühlwerle treibt. Der bimmelanragende Fels
fpiegelt ſich ebenſo weit binab in dem klaren Teiche, deſſen Tiefe für
unergrünblich gilt.
Ob an die Überrefte der Vefte Ruck, auf welcher Siboto, einer ber
drei Hofterftiftenden Brüder, faß, auch das Gedächtnis bes Sängers
Heinrich von Rude zu Tnüpfen fei, foll hier nicht entſchieden werben.
Sin feinem fchönen, ernften Leich vom heiligen Grabe, der kurz nad)
dem Tode Kaifer Friedrichs I verfaßt ift, nennt fich der Dichter bes
fcheidenslih: „der tumbe man von Rug[gje” (MS. 3, 468c, 27); als
Dienftleute der Pfalzgrafen von Tübingen finden fi in den Urkunden
die von Rucche feit 1191, doch taucht der Name Heinrich erft 1267 auf ?.
1 [Stälin 2, ©. 428. 708. H.]
2 28, Schmid, Geſchichte der Pfalzgrafen von Tübingen S. 498. 198.
Urkunden⸗Buch S. 9 oben. Beſchreibung des Oberamts Blaubeuren u. ſ. w.
Herausgegeben u. |. w. von Memminger. Stuttgart u. Tübingen 1880. &. 188:
„Das Wappen der Dynaſten von Ruck, das fi) noch bier und da in ber Kloſter⸗
fire und an dem Klofter findet, beſtand in einem vieredigen, in vier gleiche Felder
getheilten Schilde, zwei von gelber und zwei von rother Farbe.” [Stälin 2,
©. 427. 168. 761. F. Pfeiffer in feiner Germania 7, Wien 1862, ©. 110 ff.
K. Bartſch, Diutfche Liederbichter des zwölften bis vierzgehnten Jahrhunderts.
Leipzig 1864. ©. XXXI. XXVIII. 9.)
398
Weiter unten im Blauthal liegt Söflingen, twoher der etwas ältere
und noch dem Vollston näher kommende Minnefänger Meinlo von
Sevelingen den Namen bat. Mit heimiſcher Sage hatten jeboch beide
Dichter nichts zu ſchaffen, fie folgten dem ritterlichen Geift ihrer Zeit,
der auch im Liebe dem Frauendienſt, wie er von jenjeit3 bes Rheines
angellungen,. und der frommen Kreuzfahrt zugewandt war.
Gegen Ende des 18ten Jahrh. war ein Mönch des Prebigerklofters
zu Um, Selig Fabri, in gelehrter Richtung viel mit den Wundern bes
Blautopfs und der Umgegend beichäftigt; ihm ehren die Waſſer der
Blau, nachdem fie mit der Donau vereinigt in das fchwarze Meer ge
flofien, aus biefem unterirbifch zu ihrer Duelle zurüd und er zweifelt
auch nicht, daß vormals an der Blauquelle dem maflerftampfenven
Pegafus göttliche Ehre eriviefen worden fe, fowie daß man geglaubt,
bier babe Neptun jeinen Dreizad tief eingeftoßen und eine bevorzugte
Nymphe zur Königin der andern eingefebt, weshalb vor Erbauung der
Johanniskirche hier ein Nymphentempel beftanden babe, befien Grund:
lage noch zu feben fei (Golvaft, Seriptores rerum suevicarum 108 f.).
Selbſt auf feiner Pilgerfahrt nad) dem heiligen Lande, auf der er die
Inſel Greta beſucht, find ihm bie unterirbiihen Gänge einer Felshöhle
bet Blaubeuren unvergeßlich, die er mit dem dädaliſchen Labyrinth
zufammenftellt (Evagatorium 3, 279. Bgl. Golvaft S. 106. Memminger
26 f.). Zur ſchwäbiſchen Sagenkunde gibt er hiebei lediglich den Ber
trag, daß Kaifer Friedrich im leßtvergangenen Jahre den Blaubeurern,
nach ihrer eigenen Namensableitung, einen blauen Bauren zum Mappen
gegeben babe (Goldaſt S. 111. Sattler 2, 149) 1, den fie auch noch
führen, was dem ergeßlichen Haupiftüd von den Schwabenftreichen
einzureiben fein wird.
Bon der ahnungsvollen Scheue, mit der man ſich dem tiefquellenden
Waſſer näherte, zeugt nur noch ein Heiner Sagenreft, den biefelbe
Chronik bewahrt hat, der das Märchen von ber weidmänniſchen Walbluft
des Pfalzgrafen zu verdanken iſt?. Zwar bezieht ſich die nachfolgende
Erzählung auf eine Zeit, zu welcher der Landbeſitz und die Nechte bes
pfalzgräflihen Haufes im Blautbal bereit8 an bie Grafen von Helfen
ı Schmeller 1, 191. 186 u.
3 Bergl. oben S. 318 bis 316. S.]
599
ftein, twahricheinlih durch Heirat, übergegangen waren ?, aber Vor⸗
ftellungen aus früberem Alterthbum fcheinen deutlich binburdh. Die Kunde
lautet fo 2:
„Man findt gleichwol, das vor vil jaren, als die graffen von Helfenftain
das flettlin Blaubeıren fampt der ganzen herſchaft und zugeherde, wie dann
das iezmals von den berzogen von WBurtenberg beberichet, noch ingebapt, das
zwen gebrucher, des gefchlechts grafen von Helfenftain, ainsmals mit ainander
zu dem urfprung und bronnen ber Blaw fpacieren gangen und ber ain under
inen ain flain allerneft dem urjprung von manicherlai farben erfehen. Den
Hat er ufgehept und beſehen. Wie bald das befchehen, do ift er dem ander
bruder ußer den augen kommen, derhalben im gerueft, wo er fo bald hin fomen.
Der hat im geantwurt. Wie er aber in noch nit gefehen, aber wol gehert ober
vernommen, das er allernedhft bei ime feie, do bat er ſich noch mer verwundert,
darauf dem bruder befennt, er here in wol, kunde in aber nit ſehen, und be
gert, womit er ſolchs zu wegen bring. Do hat im ber bruder den flain au
in die hand geben, alſo hat er in gleicher geftalt mit geſehen. Wie fie nur
baide vermerkt, das bie craft von dem ftain here raich, do haben fie nach langer
beratfhlagung und erwegen, was fie mit difem ftain, als aim koſtlichen erb-
kleinat, anfahen wellten, fich doch fetstlihen dohin entichloffen und bedacht, was
nachtails und ubels ire nachkommen und erben biemit anftifen möchten, dar⸗
durch auch ir gefchlecht in fpott, unehr und höchſt verderben gefurt kund werben,
darumb ſich beraten, das fie des ſiains und feiner tugent und kraft ſich wolten
verwegen und verzeihen, und bamit warfen fie den flain ainhelligclichen in den
urfprung der Blaw, welcher dann vil claffter dief, und niemands forgen darf,
das in etwar wiberum vom grund heranf bring. Man jagt, als der romifh
König Yerbinandus das Iand zu Wurtenberg noch ingebapt, do hab er ob
anderthalb claffter dief an ſchnuren laſſen hinab meffen, aber man hab Tainen
grund noch erraichen Funden.“ |
Unter den wunderbaren Kräften ebler Steine, die ſchon bei Plinius 3,
dann noch reichlicher in mittelalterlichen Schriften * aufgeführt werben,
1 [Nach dem 24 December 1267. Bgl. Stälin 2, &.398, Anm. 8, S. 481. 9.]
3 (Die Handſchrift hat Hier nur die Worte: „Man findt” u. f. m. bis
„ersaichen künden.“ Ich theile die hierher gehörige Stelle nach Baracks Aus-
gabe der zimmeriſchen Chronik B, ©. 88 f. mit. $.]
3 Plinius, Historie naturalis 37, 60, Zweibrildener Ausgabe 5, &. 436 oben.
4 Muſeum 2, S. 8. Titurel, Drud 235 a, 4 bis 10. [Man vergleiche
auch Dante, Inferno 24, 93 und die Sommentatoren zu diefer Stelle. Boccaccio,
Decamerone 8, 8. Banizzi zu Bojardos Orlando innamorato 2, ©. 182.
600
feblt auch diejenige bes Unſichtbarmachens nicht. Aber auch in Helben»
lieb und Volfsfage wird ſowohl bie Möglichkeit, elbifcher Weſen anfichtig
zu werben, als die Befähigung diefer, fih dem menſchlichen Blide zu
entziehen, von dem Befige zauberfräftiger Steine abhängig gemacht !.
Sp deutet nun auch der fchillernde Etein am Rande des Blauquells
auf nedifche Geifter, die damit allerlei Blenbung trieben. In ber
Scheue der Brüber von Helfenftein, ven lodenden Fund zu einem Erb:
Heinode zu machen, liegt die Borabnung einer ganzen unbeilvollen
Stammgeidichte, wie fie dem aus ber Waſſerhöhle geholten Ringe des
Zwerges Andvari ſich angelettet hat? Der alte Sagenftein, ber noch
einmal fein Epiel verfuchen wollte, warb in die unergrünblicdhe Tiefe
verfentt und nur erſt in dieſen Tagen bat ein ſchwäbiſcher Dichter die
geheimnisvollen Mächte des Blautopfs wieder heraufbeſchworen °.
9. Kirchtenlee und Gunzenler ‘.
Ein örtlicher Anklang an die Baargrafen ergibt fi in Folgenden.
„Birbtinle” hieß eine Dingftätte, wo Pfalzgraf Rudolf II (1224 bie
3247) in einer Berfammlung vieler Edeln über die Mitgift feiner dem
Grafen Burkhard von Hohenberg vermählten Tochter und zugleich über
eine Lehenſache tagt (Schmid, Geſchichte der Pfalzgrafen von Tübingen,
Weitere litterariſche Nachweifungen babe ich in meinem Buche tiber Greftien
von Troies, Tübingen 1854, ©. 157, Anm. 2, und in meiner Ausgabe des
Romans dou chevalier au Iyon, $annover 1862, ©. 44. 45, gegeben. $.]
1 Omit, Mone Str. 148 bis 150. Cttmüller Str. 68 bis 70. J. Grimm,
Deutihe Mythologie ©. 431, Anm. 1. &. 1167. 1170 unten.
2 (Schriften 1, ©. 81. 82%, 5]
3 (Das Stuttgarter Hugelmännlein, Märden von E. Mörike. Stuttgart
1853. 9.]
4 [Bergl. 5. Pfeiffer, Der Gunzenle, in Germania 1, Stuttgart 1856,
©. 81 bis 100, mit einigen Nachträgen wiererholt abgebrudt in F. Pfeiffer,
Zreie Forſchung. Kleine Schriften zur Geichichte der dentfchen Literatur und
Eprade. Wien 1867. ©. 275 bis 806. H. Bergl. ferner 8. J. Schröer,
Mythiſches von dem durch den Gunzenlke gefeierten Konrad, in Germania 16,
Bien 1871, ©. 286 bis 293, Augsburger Allgemeine Beitung, Beilage vom
7 Zuli 1866. 8.)
601
Urkunden- Bud S. 11): „placitum quod dominus R. de Tüvingen
pallatinus cum flliastro suo. B. Comite pro dote filie sue in
Birhtinle conuenientibus ibidem multis nobilioribus habuit* u. ſ. w.
Eine Urkunde des Grafen Albreht von Rotenburg 1264 nennt
„locum Birtinle* (ſo im Original zu Kreuzlingen). Zum Jahr 1291
bemerlt dann der ortskundige Konrad von Wurmlingen, daß Graf
Ulrich von Wirtenberg mit Heeresmacht über diejen Play gegen Roten:
burg gezogen fei („ascendendo Bircinloe“, lie Birtinleo, Chron. Sindelf.
herausgegeben von Haug, 25. Böhmer, fontes rerum germanicarum
23, 473). Der noch mehrfach entftellte Name bezeichnet auch fpäterhin
ein großes Wiefenfeld, das fi) von Wurmtlingen gegen den Nedar
binabzieht (Schmid 136 f. 145 f. Lußen von Lugenhart handſchriftliche
Chronik von Rotenburg 1, 14). Zur Erklärung besfelben dient ahd.
blöo m., gen. hlewes, agger, tumulus (Graff 4, 1093. Grammatil 1,
2te Ausgabe, 613; 3te Ausgabe 94), mhd. bei Walther (75, 32 f.):
„3% faz üf eime grüenen IE; da enfprungen bluomen unbe HE” u. |. w.;
das entiprechenve angelfächfifche hieev, hiäv (Grammatik 1, 3te Ausgabe,
359. Ettmüller, lexicon S. 493: „tractus terre paulatim ascendens*
u. f. w.) findet ſich verfchiebentlich Berfonennamen angefügt: „Ösläfes-
hläv“, „Vihtbaldes-hläv* (Leo, rectitud. 67), gleicherweife ift in
Birhtinle das ahd. bleo, mhd. IE zufammengefeht mit der regelrechten
ahd. Genitivform (ſchwaches Masculinum erfter Declination, Grammatik 1,
2te Ausgabe, 613) des Mannsnamens Birbto, Pirhto, ven ich zwar
in den alamannifchen Urkunden nicht finde, der aber durch die befannte
Berlleinerung Pirbtilo vorausgejeht wird. Pirhto ift gleih Perahto
(weiblih Perahta, Berta, Beides die ſchwachen Formen bes Adjectivs
peraht, leuchtend, glänzend); da in ber Zufammenziehung das a auss
gefallen ift, durch welches die Brechung des urfprüngliden i in ber
erften Silbe herbeigeführt war (Sprachgefchichte 277, vgl. Grammatik 1
(2), 82. 1 (3), 77. 82 fj.), jo konnte das ungebrochene i wieder eintreten.
Es liegt in der Entiwidlung des altdeutfchen Namenweſens, daß in einem
beftimmten Gefchleht um den einfachen Grundnamen, bier Perahto,
Pirhto, durch Verkleinerung oder Abftammungsform, hier Pirbtilo,
Berftärtung oder Zufammenfegung, hier Perahtolt (vgl. Grammatil
3, 706), etwa auch Hruobperabt, Rodbert, fich eine Namenfippfchaft
bildet, die dann wohl auch in Ortsbenennungen aus dem Bereiche ber
602
Stanimgenofien fi abvrüden Tann: Birhtinle, Pirbtilinpara, Perah⸗
toldispara. Möglich ift auch, daß die Ramensformen Pirhtilo und
Pirhto nah Umftänden für viefelbe Perſon gebraudt murben, tie
Hanfelminus und Anshelm in der Schörzinger Urkunde von 785. Nach
eben dieſer lag Altheim bei Horb „in pago Pirihteloni*, nad einer
zu Nagold (in villa Nagaltuna) ausgeftellten Urkunde Gerolds, des
Grafen der Berchtolpsbaar, von 792 (Neugart Rr 97) aud Hechingen
(„in Hahhingum®) „in pago qui vocatur Perihtilinpara“, womit ber
Sau Birchtilos dem Birchtenlee ziemlich nahe rüdt und in den nach⸗
maligen Bezirk der Nagolvgrafen zu QTübingen bereinragt; ſelbſt zu
Gilftein bei Herrenberg war Gerold begütert (Codex Laureshamensis
3289, vgl. Schmid 512 f. 517). Wie nun Pirbtilinpara, Berabtol:
dispara den Gerichtsbezirk Birchtilos, Berchtolds bezeichnete, jo wohl
auch Pirbtinleo eine Dingftätte Birchtos oder Birchtilod. Wie man
Gaue und Huntare nad den Grafen berfelben benannte, jo war bieß
auch auf Gerichtftellen anwenbbar, wo fie den Vorſitz führten. Auf
Öffentlicher Malftätte wurden auch Berlöbniffe vorgenommen (Redhik
alterthümer 433, vgl. Neugart Nr 11: „actum in Craolfes-tale in
mallo publice*, der Name Gräulf, Gräolf in ben Trad. Wiszenb.
Nr 16. 199. 275) und fo wurde auf dem Birchtinle im Kreife vieler
Ritter, neben lebenrechtlicher Verhandlung, die Heimfteuer der: Pfalz
graftochter berebet. Mit dem Birchtenlee ftelle ich zu weiterer Exläute
rung den berühmtern Gunzenlee zufammen. So hieß ein großes Feld
bei Augsburg, auf weldem im Laufe des 12ten Jahrh. mehrmals fürft-
liche Berfammlungen ftattfanden. Dort feierte 11237 zur Pfingftzeit
Heinrich der Stolze, Herzog von Baiern, feine Hochzeit mit der Tochter
des Kaifers Lothar, dann an Pfingiten 1175 fein Bruder, Welf VI,
glänzende Nitterfefte (Stälin 2, 259. 262); wieder an Pfingften 1197
begieng daſelbſt der Hohenftaufe Philipp, eben mit dem Herzogthum.
Schwaben belehnt, zugleich mit jeiner Schwertleite dad Hochzeitfeft mit
der griechiichen Kaifertochter Irene (ebd. 2, 134); hieran iſt es eine
Erinnerung, wenn im jüngern Titurel von ben koftbaren Ärmeln eines
feftlich gelleiveten Ritters gefagt wird, dab fie dem Kaifer anftänden,
wenn es auf dem Gungenlee feierlih im Brautfluhl fähe (Heidelberger
Papier: Handichrift 141, Blatt 79: „fo daz fi römſchem Zaifer wären
gemäzze, ſwenn ex vff dem gungenle enbrutftül in aller wirde ſääzze“; im
603
Drude von 1477 und darnach in Benedes mhd. Wörterbuch unrichtig
„guntzele“, in der Heibelberger Handſchrift 383 nah Hahns Abdruck
1508: „uf dem concilie“). Philipp hielt die Verfammlung auf dem
Bunzenlee zum Antritt feiner ſchwäbiſchen Herzogswürde, Heinrich ber
Stolge, obgleich Herzog von Baiern und nachher von Sachſen, ſowie
fein Bruder Welf, hatten ihr Heimathsrecht in Schwaben und Erfterer
führte feine Anvermählte fogleih auf den Stammfig Ravensburg (Stälin
2, 259. Homeyer, über die Heimath u, |. w. 52, vgl. Anm. !)
Hiernach erjcheint des Gunzenlee als große ſchwäbiſche Dingftätte.
Er war ein Theil des auf beiden Flußfeiten weitgeſtreckten Lechfelds
(„prope Augustam civitatem in campo Liei® für den Gunzenlee),
lag aber auf ber ſchwäbiſchen Weftfeite und konnte nur fo ale Wahl
ftätte des fiegreichen Kampfes wider die Ungarn vom Jahr 955 genannt
werden (Stälin 2, 455, 4.2). Die Lage am Led) bat zur Verwechs⸗
lung des le mit dem Flußnamen geführt („Bunzinleh” ebb. 134,
A. 2; Iatinifierende Entftelungen find Conciolegis, Conciolegum, bei
Crufius P. I, L. IX, S. 340 gar: Concio Legionum). Beides zu-
fammen aber, Namenjchreibung und Lage, wird richtiggeftellt durch
folgende Reimzeilen des Dietleib:
5636 f.: ich [en] wayſs, in wie manigen tagen
ſy komen an daz Lechveld u. ſ. m.
5654 : an das Lech in Bayr lant u. ſ. m.
5744 ff.: die Hünen fach man müten,
wie ſy vbers Lech folten fomen,
berberge het in da genomen
der marſchalch bey dem Güngen 2e,
weber ſyder noh ee
tom nie als manig weygant
hin ze Swaben in das landt.
Gunzin (Bunzinsle wie Birhtinsle) iſt ahd. Genitiv des Manns⸗
namens Gunzo, einer Ablürzung von Guntheri (vgl. Grammatik 3, 691 f.,
aus Chuonrät würde Chuonzo geworben fein). Durch den örtlichen Namen
Bunzinle gewinnt nun au die Meldung der fonft nicht wohlberufenen
. 1 Seine zweifade Stellung drüdt fih in der Meldung bes Anonymus
Weingartenſis aus: „optimates quosque Bauuarie ac Suevie ad nuptias
invitat.*
604
Lebensbeichreibung des heil, Magnus einigen Anhalt, wonad in ber
vordern Hälfte des Tten Jahrhunderts über Augsburg und Rätien (Bestia
Vindelicorum, vgl. Zeuß 238) ein Herzog Cunzo gejegt war (Vita s.
Magni bei Goldaſt, scriptores rerum alamannicarum 1, 198: „Dux
Cuntzo ex provineiis Auguste et Retise*, vgl. Merlel, de republica-
Alamannorum X, 2, ©. 39). Der Gunzenlee war Dingftätte Gunzos,
wie der Birchtenlee Birchtos oder Birchtilos; wenn bier der Pfalzgraf
Rudolf II im engern Kreife feiner Nitterfchaft tagte, fo waren 1175
fein Großvater Hugo und fein Bater Rudolf I dorthin zur großen Pfingft-
verfammlung der Fürften und Herrn geritten (Monumenta Boica 7, 359:
„Hugo Comes de Tubingen, et filius eius Rudolphus u. |. w. Stälin
2, 440, Schmid 91).
10. Tellſage.
Die Zweifel giengen zunächft vom Apfelihuß aus, es wurden
dabei aber auch überhaupt gejchichtlihe Zeugniffe aus früherer Zeit
vermilt.
Willimann, Berfafler von Antiq. helvet., an Golbaft 1607: fabu-
lam meram arbitror; e8 werde bes Tells erft von Spätern gebadht;
fabulam ortam ex more loquendi vulgi, Qui sagittarium commen-
dans pomum de vertice filii posse impune et innoxie dejicere- telo
eum jactitat.
Stephanius Note ad Saxonem Grammaticum ©. 204f. Zufammen
Kelung (ohne ein Urtheil) Tocos mit. Tell, dem Zauberer Bunker und
dem Gretenfer Allon. 1644.
Boltaire, Annales de l’empire ©. 263: Avouons que toutes
ces histoires de pommes sont bien suspectes; celle-ci l’est d’autant
plus qu’elle semble tir&e d’une ancienne fable danoise.
Uriel Yreudenberger (anonym): Guillaume Telle, fable danoise,
Bern 1760. Der Stand Uri ließ diefe Schrift verbrennen. Wider
legungen: Baltbafars, Zurlaubens, Emanuel von Haller (Borlefung
im äußern Stande zu Bern 1772), Hiſelys. Iſelins hiſtoriſches und
geographiiches Wörterbuch (Mangel an alten Zeugniflen; Tolo).
605
Johannes Müller erzählt im Texte nach den Chroniken, in ben
Anmerkungen fpridt er allgemeiner.
Grimm in Schlegel® deutfhem Mufeum 3, S. 58 bis 75, ftellt
die Schügenfagen unter mythiſch⸗etymologiſchem Gefichtspuntt zufammen.
Selbft der Name Teli wird hierin aufgelöſt. William von Cloudesly.
Eigill.
Ideler, die Sage von dem Schuß des Tell, Berlin 1836. Er
pflichtet (S. 3. 65) Willimanns Anficht bei, läugnet übrigens nicht
(S. 71) Tells geihichtlihe Exiſienz. Fleißige Zufammenftellung, doch
ohne fcharfes Refultat.
Kopps Kritiſche Urkundenfammlung (Kopp, Urkunden zur Gelchichte
der eibgenöflifchen Bünde. Lucern 1835). Im Jahr 1302 erhielt Herr
Eppe von Kußnach die dortige Vogtei und um 1314 war biefelbe noch
bei dem nemlichen Geſchlecht (Häuffer 50 f.). Niemals war fie bei
einem. Geßler.
Ludwig Häufier, bie Sage vom Tell, aufs Neue kritiſch unter
ſucht. Eine von der philoſophiſchen Facultät der Univerfität Heidelberg
gekrönte Preisfchrift. Heidelberg 1840. Hier wird die Unterfuchung
umgebrebt, der Schuß und andre Einzelnheiten jagenhafter Art an bas
Ende verlegt, dagegen die Frage über Tells Exiſtenz und Verhältnis
zur Befreiung ber Schweiz, als hiftorifche Hauptaufgabe, vorangeftellt.
Ergebnis ift: die Exiftenz einer Perfon mit Namen Tell fei als um
bezweifelt anzunehmen, aud möglich, ja fogar mahrfcheinli, daß er
in einem kleinen Kreile eiwas an fich Unbedeutendes und in feinen
Folgen ganz Sioliertes gegen die Herren gethan habe, mas ihn unter
feiner nächſten Umgebung auögezeichnet. Eine biftorifche Bebeutung des⸗
felben fei durchaus nicht anzunehmen, Befreier der Schweiz fei ex nicht
geweſen (©. 86. 102). Einer im Grunde bebeutungslojen Perfon
wurde eine Wichtigkeit gegeben, welche die Gefchichte ihr nie einräumen
Iann (S. 87). Gang der Unterfuchung:
Die erften und unmittelbaren Quellen der eibgenöflifchen Geſchichte
des 14ten Jahrh., der Mönd Johannes von Winterthur, geft. um
1348, und Suflinger, um 1391 NRathöfchreiber zu Bern, feit 1411
Stadtſchreiber, geft. 1426, jchrieb 1420, ſchweigen gänzlich von Tell.
Erfterer Spricht von der Auflehnung ber Walbftätte erſt beim Jahr 1315,
dem jahre der Schlacht am Morgarten; Juſtinger bezeichnet nur im
606
Allgemeinen die Urfache des Aufftands, die Herrfchaft der Bögte und
Amtleute, welche neue Rechte geſucht, auch Muthwillen gegen Frauen
und Töchter der Untergebenen geübt, morauf eine Beichreibung bes
Kriegs und der Schlacht am Morgarten folgt.
Epätere und mittelbare Quellen aus dem lekten Theil des Ibten
und aus dem 16ten Jahrhundert:
Melchior Ruß, Gerichtichreiber in Lucern, lebte in ver letzten Hälfte
des 1dten Jahrhunderts, fol 1499 in der Schlacht bei Reined gefallen
fein. Seine eidgenöſſiſche Chronik gebt bis 1414. Er bezieht ſich auf eine
ältere Chronik von Egloff Etterlin (auch auf ein Tellenliev? Ideler 7).
Petermann Etterlin, auch Gerichtichreiber zu Lucern, vollendete
feine Chronik 1507.
Agidius Tſchudi, geb. 16505, Landammann zu Glarus, geft. 1572.
Sobann Stumpf, geb. zu Brudfal um 1500, Sein Werk gebt
bis 1545, er ftarb 1566 zu Zürich
Sie haben erft die herkömmliche Erzählung vom Tell, doch mit
manchen Wiberfprüchen im Einzelnen und immer mehr pragmatifierend.
Der Ältefte, Ruß, benennt den Landvogt nicht und läßt ihn durch Tell
gleich von der Platte aus erfchießen. Tell follte gen Schwyz „in das
Schloß im See” (Schwanau) geführt werben.
Bon dieſen Schrififtelleen meint Häuffer, daß fie den Maßftab der
früheren Zeit an die ſpätere angelegt, auch zum Theil zu pragmati⸗
ſierend und patriotiſch erzählt haben.
Als ihre muthmaßliche Quelle bezeichnet er hauptſächlich das Gebiet
der Volkoͤlieder, in welches der dürre Stoff der Tellsſage übertragen
und dort zu der jetigen Geftaltung der Sage ausgebildet worden. Das
vorhandene Lied (und das Epiel) vom Tell fallen freilich nicht vor das
17te Jahrhundert.
Der Schuß wird dann natürlich als ſagenhaft angenommen, wahr⸗
ſcheinlich entweder aus der ſprichwörtlichen Redensart oder gar aus der
verwandten ſkandinaviſchen Volksſage entſtanden 1.
Zuerſt über den Schuß und deſſen ſagenhaften Charakter beſonders.
Die örtlichen Verhältniſſe zu wenig beachtet.
1 [Hiermit enden die Bemerkungen über die Schrift von Häufſer. Das
Folgende if auf anderen Blättern enthalten. 5.)
607
Das Schweigen Johanns von Winterthur und Juſtingers ift fein
Gegenbeiveid. Weder Winterthur noch Bern gehören fo zur Nachbar:
ſchaft Uris, daß deſſen innere Begebenheiten dort umftänblicher hätten
belannt fein folen. Zur Zeit. des erftern ſtand Winterthur unter
Ofterreich, die Bürger biefer Stabt waren mit Herzog Leopold in bie
Schlacht am Morgarten ausgezogen, Johann gieng als Schüler ſeinem
Bater, der fih im rüdlehrenden Heere befand, vor das Thor entgegen
und ſah den Herzog, ber vor Traurigkeit halb tobt geichienen. In
diefem Verhältnis, noch mehr, als in der örtlichen. Entfernung, lag
ein Grund der Gejchtenenheit beiver Gegenden. Der Berner Stabt:
jchreiber hatte den Auftrag, die Gefchichte feiner Baterftabt zu fchreiben;
von dem erften Ausbruch des Aufftands der Waldſtätte hörte er nur
in den Bergen ftäuben, aud trat Bern erft 1353 in ben Bund ber
Eidgenoſſen.
Dagegen liegt Lucern an der Mündung desſelben Sees, an deſſen
oberem Theile Uri liegt. Lucern war der erſte Ort, der, 1333, mit
Uri, Schwyz und Unterwalden zum Bund der vier Waldftätte zuſammen⸗
trat. Von Lucern aus konnte man jeden Tag die claſſiſchen Stellen
der Tellſage beſuchen und aus dem Munde des Urner Volkes ſelbſt
vernehmen, was es von ſeiner erſten Erhebung zu erzählen wuſte.
Daher natürlich, daß, da in Uri ſelbſt nicht geſchriftſtellert wurde, die
erſten umſtändlichern Berichte von Lucernern, Melchior Ruß und Peter⸗
mann Etterlin, deren jener ſich wieder auf den ältern Mitbürger Egloff
Etterlin beruft, herſtammen.
Sollen, wie Häuſſer annimmt, Volkslieder die Quellen dieſer
lucerniſchen Erzähler geweſen ſein, ſo waren es doch wohl Lieder aus
Uri, dem Schauplatz der beſungenen Thaten, und dieſen Liedern ſelbſt
wird örtliche ſagenhafte oder hiſtoriſche Überlieferung zu Grunde ge⸗
legen ſein.
Wir müſſen uns daher nach Uri, in das Geburtsland der Uber⸗
lieferung, mit dem alten Melchior Ruß hineinbegeben. Das Ganze der
Erzählung, ſei ſie geſchichtlich oder fabelhaft, kann uns nur hier voll⸗
kommen anſchaulich und lebendig werben.
Fährt man von Lucern den Treuzartig in vier Arme getheilten See
binauf, jo fommt man am oberften Theile von Brunnen an, wo bie
ſchroffen Felfen zu beiden Seiten beranrüden und keinen Weg mehr
608
am Ufer lafien, am Fuße des Seelisberges zum Grütli mit ben brei
Duellen (bie drei Telle im Berge), dann zur Tellen⸗Platte, die fchon
Ruß fo nennt, mit ihrer Kapelle und wo nad ihm auch der Landvogt
erichoflen worden; dann zu Lande nach Altborf, wo früher tie Linde
gezeigt wurbe, unter der Tells Knabe fland und an deren Stelle jetzt
ein Brunnen fteht, im nahen Bürglen am wilden Schächenbache, aus
dem Tell den Knaben gerettet, wieber eine Kapelle, an der Stätte von
Tell vormaligem Wohnhaus. So ift die ganze Gegend von der Sage
belebt und biefe hinwider Bat überall ihren örtlichen Anbalt, ihren
landſchaftlichen Hintergrund. Ya das Ganze ift fo Barmonifch zufammen-
gebilvet, daß allerdings eben hierin eine Einwirfung der ausbildenben
Phantafie fich fühlbar macht.
Daß aber biefe gegenfeitige Belebung. der Tradition und der Ort:
lichkeit nicht erft ein Ergebnis fpäterer Zeiten fei, daß fie ſchon früh—⸗
zeitig ſich vollführt habe, dafür fehlt es nicht an Zeugnifien, wenn id
gleich dieſe nicht in gewünfchter Vollſtändigkeit beibringen kann. (Müller
8, 835 erwähnt „der Chronik, welche Klingenberg, nach Art feiner Vor:
eltern, um das Ende bes l4ten Jahrh. bis auf feine Zeit fortgefegt”,
worüber die Kritiker fchmeigen.) Zeugnis der 114 Perfonen, bie in
der Landögemeinde zu Uri 1388 fich Tells erinnerten, als dieſelbe eben
jene Kapelle erbauen ließ, und nad einer andern Nachricht (Ideler 72)
ließ die Landsgemeinde ſchon feit 1387 in dem Haufe, das Tell zu
Bürglen beivohnt hatte und an befien Stelle nachher eine Kapelle kam,
jährlich eine Predigt halten.
Es waren nun im fohriftlofen Urt allerdings die Borausfegungen
gegeben, unter denen ein Ereignis leicht zur Sage wird; Sagenhaftes
ift bereitö anerfannt worden und felbft die Kapellenweihen mochten mit
der Sage Hand in Sand gehen, wie dieß mit ber Kapelle an ber hohlen
Gaſſe vielleicht der Kal ift, wohin die Sage ihren Kreis nur gezogen
baben mag, um auch dem befreundeten Schwyz ihre Spur aufzubrüden.
Darum aber bleibt es doch nicht wahrfcheinlich, daß man jene der Zeit
nad beglaubigten Weihungen vorgenommen haben würde, wenn 114
Zeugen ausgefagt bätten, daß der Tell, den fie gelannt, eine bebeus
tungsloje Perfon geweſen fer, wenn fie nicht über ihn (mie bei ben
Sanonifationen) in Beziehung auf feine Leiftungen vernommen worden
wären, denen man boch eine folch heiligen Andenlens würbige Bedeutung
609
beilegen mufte. Auch würde bei einem hauptſächlich auf mündliche
Überlieferung beſchränkten Volle gerade das für die Bebeutungslofigleit
des Mannes und feiner That zeugen, wenn ſich bie Sage ihrer nicht
bemächtigt hätte. Die Erzählung vom Tell ift auch nicht ein Mythus,
d. h. eine durch Perfonification und poetifche Handlung ‚verbildlichte
Idee, denn ed wird ja bie Erifteng ber biftorifchen Berfon und eine
wirkliche That derſelben zugegeben.
Darin liegt nun aber ein offenbarer Widerſpruch, daß ‘Tell wirklich
eriftiert und gegen die Dränger bes Landes etwas gethban, daß ber
Mann und die That durch Lieb und Sage verherrlicht und ihnen eine
religiöfe Feier gewidmet worben fein foll, gleichwohl aber beiven ber
Sharalter der Bebeutungslofigleit vom Anfang an zugelommen jet.
Es bebt auch die Bedeutung Tells für den Befreiungstampf der
gefammten Schweiz nicht auf, wenn feine That, wie einzuräumen,
zunächſt auf Uri beſchränkt war; bat fie auf die Erhebung Uris ge
wirkt, jo gieng ihre mittelbare Wirkung ebenſoweit, als bie thätige
Theilnahme feiner Landgenofien. Die Männer von Uri lämpften, 400
an der Zahl, in der Schlaht am Morgarten mit, dann in den ent
Scheidenden Schlachten bei Zaupen 1339 und Sempad 1386. Der Stier
von Uri gehörte fo recht zum länblich demokratiſchen Gepräge dieſer
Freiheitsſchlachten; was feinen Zommuth entzündet und genäbrt, kam
der ganzen Eivgenofienfchaft zu gut und gehört allerdings der Gefchichte
der Schweiz an.
Wie viel ober wenig Thatfächliches man übrigens am Tell zulafien
mag, jo gibt e8 doch auch Sagen, bie eine gefchichtliche Bedeutung
baben. Sinnreiche, lebensvolle Sagen, die am Eingang ber urkund⸗
lichen Geichichte fteben, zeugen von bem Geifte des Volles, das fie her⸗
vorgebracht hat; je weniger ihnen Thatfächliches zu Grunde liegt, defto
mebr find fie ein Werk des Geiftes, und auch das if eine gefchichtliche
Thaiſache, daß ein Volk geiftige Thätigkeit in einer Zeit übte, in welche
keine biftorifche Urkunde Hinaufreiht. Die Schweiz ift zu beneiden um
den fagenbaften Hintergrund ihrer Befreiungsgefchichte. In der Mitte
ihres großen Gebirgszugs liegen die Thäler von Uri mit dem grünen
tiefen See, dem bie Reuß entitrömt, der recht und links das Land
umfaflend, ber Rhein und bie Yar zur Seite gehn, bis an ber Grenze
besielben alle drei ſich vereinigen. Vom Nigi ober vom Schwizerhaten
Uhland», Schriften. VIH. 39
610
aus zuerft gefeben, macht biefes wunderbar beleuchtete Seethal, von
Schneegebirgen und ſchroffen Felſen umſchloſſen, einen ahnungsvollen
Eindruck. Diele ganze Landſchaft nun iſt die große Kapelle ber ſchweize
riſchen Volkahelden, dort entfprangen bie drei Quellen, die Quellen der
geſchichtlichen Strömungen, bie ſich ind weite Land binaus Bahn brachen;
ed iſt auch nicht zu verlennen, daß die Erinnerungen, welche dort haften,
auf die Jugend bes Volls und gerabe auf beflen beflere, patriotifche
Nichtungen und Unternehmungen manigfadhen Einfluß geübt, und man
wird behaupten dürfen, daß eine moralifche Wirkung aud eine That
ſache ſei .
1 [Unter Uhlands Papieren fand ſich ein kurzer Trinkſpruch, den er bei
dem Stuttgarter Schtlierfefle am 10 November 1559 auszubringen beabfidhtigt
hatte. Er Heißt: „Es ift Gegenfland gelehrter Forſchung geworden, ob jemals
ein Tell gelebt habe, [Wenn die Frage verneint wird, das if erſt recht Tells
Zod.] Ich babe mich lebhaft mit dieſen Unterfuhungen beichäftigt, denen die
Berechtigung nicht abgeſprochen werden kann; hieher gehören fie nicht. Aber
Eines gehört hieher: gewis ift, daß ein Schiller gelebt Hat; er lebt noch und
mit ihm lebt ein Tell, fie find unzertrennlich verbunden, der Denter und Dichter,
der Geld der Freiheit fie leben hoch!“ Vergl. Ludwig Ubland, eine Gabe für
Freunde, ©. 463. Doß Uhland noch in feiner letzten Lebenszeit die Forſchungen
über Tell verfolgt, geht aus feiner Aufzeichnnng der beiden folgenden Arbeiten
hervor: „Wilhelm Tell, Sage oder Geſchichte.“ Bon Wilhelm Genaf. I (In
N. Prutz, Deutſches Muſeum Nr 11, 14 Merz 1861, ©. 868 bis 868). II
(Ehendaf. Nr 12. 21, Dierz 1861, ©. 401 bis 413). H. Dinger, Neue Göthe⸗
NAudien. Nürnberg 1861. „Görhes Wilhelm Zell.” Die umfangreiche Litteratur
fiber die Tellfage Bier vollſtändig namhaft zu machen, liegt nicht in meiner Ab⸗
fiht. Bon dem Neueren mag Nachſtehendes angeführt werden: J. &. Th. Gräße,
Die großen Sagenkreiſe des Diittclatterß. Dresden und Leipzig 1842. ©. 62. 63.
A. Huber, Die Walbflätte Uri, Schwyz, Unterwalden bis zur fehen Begründung
ihrer Eidgenoffenfchaft. Mit einem Anhange über die gefchichtliche Bedeutung
des Wilhelm Zell. Innsbrud 1861. H. von Liebenau, Die Zell: Sage zu dem
Jahre 1230, hiſtoriſch nach neueſten Quellen beleuchtet. Aarau 1864. W. Biſcher,
Die Sage von der Befreiung der Walpftädte, nach ihrer allmählichen Ausbildung
unterfucht. Nebft einer Beilage: Das ältefte Tellenſchaufſpiel. Leipzig 1867.
4. Lütolf, Heimdall und Wilhelm Tel, in Pfeiffers Germania 8. Wien 1068,
©. 208 bis 216. H. Pfannenfhmid, der mythiſche Gehalt der Tellſage, eim
Beitrag zur deutichen Mythologie, in Pfeiffers Germania 10. Wien 1866. ©. 1
bis 40, wo denn auch weitere in der Germania wiedergelegte Abhandlungen
nachgewieſen And. Pfanuenſchmid im Magazin für die Yitterarır des Autlaunes
611
11. Schwabenſtreiche!.
a. Ginleitung.
Einen beſondern Abfchnitt erheifchen hn der ſchwäbiſchen Sagen⸗
Tunde die alten, vollsmäßigen Schwänte, die entweder den Schwaben
1865, Nr 47, ©. 677 ff. E. L. Rochholz, Tell als Zauberſchütze, in Bfeiffers
Germania 13. Wien 1868. ©. 39 bis 58° N. Pallmann, Die Tellfage und
die Befreiung der Schweiz im Jahre 1807, in Glaſers Jahrbüchern fiir Gefell-
ſchafts⸗ und Staatswiflenichaften, 5 Band, 5 Heft, 1866. 8. Meyer, Die Tell⸗
fage, in 8. Bartſch, Germaniftiiche Studien 1. Wien 1872. S. 159 bis 170.
Augsburger Allgemeine Zeitung, Beilage vom 19 Mai, 22 Juni, 24 Juli
1864 und vom 20 Mai 1865. 9.)
1 Die von mir im Vorwort mitgetheilte Inhaltsüberſicht der ſchwäbiſchen
Sagenkunde zeigt, daß in dieſem Werle auch von den Schwabenſtreichen die
Nede ſein ſollte. Aus einem den Zten Febrnar 1858 an H. F. Maßmann ge
richteten Briefe Uhlands ergibt fi, daß er für Pfeiffers Germania „einen Bei⸗
trag zur Geſchichte der Schwabenſchwänke mittelſt noch minder bekannter Broben
ülterer Beispiele“ einzufenden die Abficht hatte. Die Einleitung zu diefer Samm⸗
lung hätte, wie man fieht, ber obige Text bilden follen. Was num die aug«
gewählten Schwänfe betrifft, fo hat fi nicht nur auf einem Octanblättchen ein
Bergeichnis derjelben, fondern auch das „Urkundenbuch“ ſelbſt, durchaus von
Uhlands eigener Hand in Folio gefchrieben, vorgefunden. Das Berzeihnis zählt
auf: „i. Leberlein. 2. Neun Schwaben. 3. Schwab und Schweizer. Froſch.
4. Vitterspaufen. 5. Saienhofen. 6. Bräunlingen. 7. Überlingen. 8. Hafen
lied. 9. Lied von der Geiß. 10. Peter Schneider.” Die Abſchriften, welche
das „Urtundenbuch⸗ unter der Bezeichnung „Schwabenſtreiche (Auswahl alter
Schriftſtücke)“ enthält, find folgende: „i. Bon ainem Schwaben, der das leberlin
gefreffen. (Montanıs, Wegkürzer 1557, CBJ fi.) 2. U. Bon neun Schwaben
em hifteri. (Kirchhof, Wendunmuth, Frankfurt 1568, Blatt 281 5 fi. Abgedruckt
im Bollsbüchlein, Münden 1827, ©. 177 f.; die Handichrift von den fteben
Schwaben, worauf Aurbadher ebendajelbft ©. 171 f., neben münplicher Volla⸗
fage, ſich bezieht, ijt räthſelhafter Art. Beiftergefong: die neun Schwaben wit
dem Hafen, verzeichnet in Gödeles Grundriß ©. 228.) B. (Aus des Herzogs
Heinrih Zulius von Braunfdweig Comödia von einem Wirthe 1598, deſſen
Schaufpiele, herausgegeben von W. L. Holland, S. 306 f., vgl. mit ©. 749.
Sprecher find: Johan Bouſet, ein niederſächſiſch redender Wirtbsdiener, und
Konrad, ſchn äübiſcher Bauer) C. (Eyerings Sprichwörter 1601, 2, 236 f., aus
8. Gödeles eif Buchern denticher Dichtung, Leipzig 1849, 1, 126.) D. (Aus der
Senaer Handſchrift von Meiftergefängen des Magdeburgers Balten Voigt, 1586
bis 15657, abgedrudt in Wiedeburgs ausfuhrı. Nachr. von einigen alten reutfchen
poetiſchen Manuſcripien, Jena 1754, ©. 144 |.) 3. Froſch und Nuß. A. (Kirch⸗
612
überhaupt von guten Nachbarn und deutſchen Brüdern aufgeheftet, ober
innerhalb der fchmäbifchsalemannifchen Lande felbft einzelnen Orts⸗
hof, Wendunmuth, Frankfurt 1568, Blatt 2175 f. Bgl. Zohannes Pauli,
Schimpf und Eruf, Straßburg 1535, Blatt 155. Fiſchart bringt mehrfach
gelbe Füße, Nuß, Suppe, Löffel und andre Merkzeichen der Schwaben) B.
Gebaſtian Yrand, Sprüchwoörter. Zürich 1545, Blatt 182: „Hie ſtond wir
helden,“ fagt der frofh zum Schwaben) 4. Wittershaufen. U. (Handjchrift⸗
liche Chronil der Herrn von Bimmern 1566, ©. 168 fi. Bgl. Rudgaber, Ge⸗
ſchichte der Grafen von Zimmern &. 80 bis 82. 275. Bfeiffers Germania 1,
884. Hermann von Sachſenheim nennt in der Mörin zweimal bie von Witter-
Yaufen, Frankfurter Handſchrift &. 40. 98, Wormfer Drud von 1589 Blatt
128, 82c; auch im Spiegel, Meier Altſwert, heransgegeben von Holland
und Keller, &. 187, 19 f.) B. (Die bröfamlin boct. Keiferipergs, Straßburg
1617, Blatt 108: „Als die buren von Witterhufen, bie ſchickten ein buren alle
tar für fie alle gen baben, aber das bad rürt die andern mit, darumb wurden
fie nit geweichen.“) C. (Frey, Gartengeſellſchaft, Straßburg 1557, Gap. 2.)
D. (Fliegendes Blatt vom Anfang des 16ten Jahrhunderts, ohne Ort und Jahr.
Fliegendes Blatt, gebrudt zu Nürnberg durch Jobſt. Gutknecht. „Ein hübſches
lied, wie got der allmechtig den panren einen wunfd gab. In des Schillers
don. 5. Saienhofen. U. (Zimmriſche Chronik S. 1206. Bgl. Bargantua
Gap. 8: „von jenem Algäwer, der anf dem kirſchenbanm kefer für kriechen aß.“)
DB. (Ebendaſelbſt S. 1298.) 6. Bräunlingen. (Ebendafelbft S. 1024 f.) 7. Über-
lingen. ( Papier⸗Handſchrift in Folio ans Überlingen, 16tes Jahrhundert, im der
fürftficden Bibliothek zu Donauefchingen, Blatt 204 b fi. Bgl. Blatt 207 a.)
8. Das Hafenlied. U. (Bimmrifche Chronik S. 801 fi.) B. (Aus dem Liebe bei
Mudgaber, Geſchichte der Reichſſtadt Rotweil, Band 2, Abtheilung 1, ©. 166 f.)
9. Das Lied won der Geiß. U. (Jak. Wenders Auszüge aus den Memorialen
der XXI zu Straßburg, Band 1, Blatt 115, nach gefälliger Abfchrift des
Herrn Stadtarchivars 2. Schneegans: Mandat und verbott, daß niemand hinnan
vurder in unfer flat das liede von dem fnider und einre geißen nit me fingen
fol, noch dehein ander lied in femnlicher moßen, das erber lüte und antwerde
antreffenbe ift, bey firaff XXX #d ſſchilling pfenning], dann es das erber ant⸗
werd der ſnider und ire Mnechte verbroßen. Publicatum ipse die sancti Nico-
lai episcopi anno MCCCCVIIL) B. (Bemeiner, Regensburg. Chronik 8, 447,
aus bem Merkgettelprototofl vom Jahr 1469, Blatt 288. Schmeller, Bairifches
Wörterbuh 2, 78.) C. (Wendunmuth.) D. Fliegendes Drudblatt, 1 Blatt
Hein 80: Zwey Nagel newe Lieder, Das Erf. Bon bem By, Zy, By, Bod
bod bod, Med Met Med, gar ſchön und Iufig zu Singen Im Thon. Es
wolt gut Schneider wandren, gen Wildpreghaufen Das ander Die Herren haben
verbotten man fol der Schneiber nimmer fpotten, Im Thon, Ich zog ein mal
in Burtigal, u. |. w. Getruckt auff dem Bodsberg, bey Lenk Geiſſer, in ber
Schneidergaſſen, Anno 1597.” Verſchieden davon ift, in zweierlei Druden ohne
613
gemeinden, Ständen und Gewerben, thörichten ober fcherzluftigen Perſön⸗
lichkeiten angeeignet worden find. Die Abhandlung diefes Gegenftandes
bat nach Zeit und Raum weithin auszugreifen, doch ift auch Manches
dazu vorgenrbeitet 1. Schon aus altgermanifcher Zeit, noch mehr aus
Ort und Jahr: „Ein new Lieb (in Jörg Schillers thon) von eym Schneyder
vnnd Schumacher wie fie rechten vmb die Geyß“; das Hofgericht zu Rotweil
entfcheidet.) 10. Peter Schneider. (Bimmrifche Chronik S. 827.) Die einzelnen
in biefem Urkundenbuche ausgehobenen Brobeftüde ſchwäbiſcher Spottfage wollte
Uhland, wie es ſcheint, mit. Erläuterungen begleiten; zn ben Numern 1, 2 und
8 find wenigftens ſolche vorhanden, die ich bier der obigen Einleitung folgen
laſſe. H.]
1 (Im einem zweiten Entwurfe bat Uhland das hier nur Angedeutete fol⸗
gendermaßen ausgeführt: „Gründlich angelegt, milfte diefer Abſchnitt von ben
fagenbaften Meldungen aus altgermanifher Zeit über die vorichnelle Beute⸗
teilung, mit der brei dentiche Haupwölker, Cherufler, Sueven und Sigambern
(nahmals Sachen, Schwaben, Franken), bei Florus 4, 12 verjpottet werben
[vergl. oben ©. 254. 255. H.], und über die beicholtene Thorheit der Cheruſker
im Gegenjage zu der Weisheit ihrer Nachbarn und VBefieger, der Chatten (Tas
cius, Germania 36), auf diejenigen Spottmähren einlenfen, in welchen die
wanbernden Germanenſtämme mit anzüglichen Namen ober Beinamen (Gepiden,
Trullen) bedacht oder die einen von den andern um Kriegsraub, Frauen, Land⸗
befig, überwältigt und itberliftet werben, wie die Burgunden von ben Sueven,
die Sachſen von den Nordſchwaben [vergl. oben ©. 213, 214. H.], die Thü⸗
ringer und Alamannen, bie fi) mit Schmährebe und Schwert belämpfen, vor
den Frauken [vergt. oben S. 265 bis 257. 261 bis 268. H.]; die gegenfeitigen
Hohnrufe halfen dann lange noch in Sprichwörtern und Gebenfreimen nad.
(Zu Borftehendem haben 3. Grimm in den deutſchen Sagen und ber Sprach⸗
geichichte, Schmeller im bairischen Wörterbuch, Mone im Anzeiger, W. Wacker⸗
nagel in der Zeitfchrift für beutfches Altertum 6, 254 ff. u. A. m. ſchon reiche
Leſe gehalten.) Nun erft wäre die überreiche Schwanflitteratur auszubenten,
die jeit dem Ende des 15ten Zahrh. und befonders um den Schluß des 16ten
den deutſchen Boden überwuchert. Standen fi im vorigen Beitraume noch die
geſchaarten Völker gegenüber, war es mit dem Hohne bitterer Ernft und kam
es vom fcharfen Worte zum Werke der Vernichtung, fo jpielen jetzt die Volla⸗
namen in einzelnen Bertretern und deren Heinen Abenteuern, der Spott if
icherzhbafter und harmloſer und bie neun Schwaben ertrinken in ihrer eigenen
Thorheit. Wenn die von den Langobarden geichlagenen Heruler den blühenden
Lein für ſchwimmbares Waſſer anfehen, jo wird das ausdrücklich dem Borne
des Himmels zugejchrieben (Paulus diaconus 1, 20 [vergl, Schriften 1, ©. 460.
461. H.], es iſt die gottwerhängte Betänbung und Blendung, die fiber ein
Bolt von maßlos fi Überhebender Streitluſt plötzlich hereinbricht, im Boſts⸗
614
jener der MWanderzüge, find und Spottfagen und Spottnamen auf
deutiche Volksſtämme, mitunter die beveutendften, überliefert und hiebei
find die Sueven, thätig und leidend, mitbetheiligt. Da ift es mit dem
Hohne noch bitterer Ernſt, die Völker ftehen fi) in Schaaren gegen:
über, fie überliften und überwältigen einander um Landbeſitz und Kriegs:
beute, des Epieles Abſchluß ift ein maſſenhafter Untergang ober bie
gemeinfame Knechtung bes befiegten Theile, eben besjenigen, der fi
am meiften in Troß und Kampfmuth überhoben hatte. Noch langehin
werden in Sprichwörtern und Gebentverfen die beutfchen Landsmann.
haften je mit ruhmredigen oder gehäffigen Merkzeichen aufgeführt.
SHarmlofer, wenn auch nicht bejonders zart, geftaltet fich der verwandt⸗
Ihaftlihe Wettftreit bes PVerfpottens in ber überreichen Schwanklitte⸗
ratur, die feit dem Ende des 15ten Jahrh. heranwuchert und um ben
Schluß des I6ten im volliten Extrage ſteht. Die deutſchen Bölfer,
deren Namen auch da noch an der Spitze gehn, beivegen fich nicht mehr
in ihrer Gefanmtbeit und ihren größern Geichiden, fie find durch ein
zelne ihrer Genoſſen in Heinen, brolligen Abenteuern vertreten und bie
völferfchaftlihen Thorenftreiche werden immer mehr ortsbürgerlich ein⸗
gegrenzt. Zugleich find es Anzeigen eines verföhnlichen, parteilofen
Einnes, wenn dasfelbe Schwankbuch, der gleiche Reimſpruch oder Meifter:
fang die Tölpeleien verfchiedener Reichsvölker einträghtig zufammenftellt.
Hans Sachs verzeichnet nicht allein die Wahrzeichen von 24 meift deut-
chen Ländern und Völlern, er verfammelt auch zu einem Kirchweibtanze
die Abgefandten vieler ſchwankberühmten Dorfichaften aus Baiern und
Oſterreich, Franten, Schwaben und Elfaß, die er theilweife ſchon im
beſondern Gedichten verherrlicht hatte.
Diefe ſtückweiſen Anfäte zur Begründung einer ibenlen Einheit
des närrifchen Deutichlands find weit überboten durch das Werk eines
Unbelannten vom Jahre 1598. Wie nemlich die einzelnen Helden⸗
kreiſe fich zum umfaſſenden Epos verfchmolgen hatten, fo erfcheint jetzt
im Volksbuche von den Schildbürgern ein Nibelungenlied bes deut:
ſchen Lalenthums 1. Die zerftreuten Ortsgeſchichten erhalten bier, auf
biichlein (S. 127. 171) auf die fieben Schwaben angewandt. ift dieß zur Schuurre
geworden.“ 9.]
1 [Schriften 2, 5. 564. 565. 9.)
615
utopifchen Boden, einen inneren Verband und eine allgemeinere
Geltung mittelft leitender Gedanken von ver gefährlihen Wahlver⸗
wandiſchaft zwiſchen Überweisheit und Narrheit im Weſen und Treiben
des menfchlichen Geiſtes. Vermöge dieſer mweltbürgerlihen Bedeutung
gehen die Inſaſſen von Schilda zuletzt wieder in alle Welt aus⸗
einander, um ſich an vielen Orten fortzupflanzen, und damit ift die
vergleichende Sagenforfhung aufgeforbert, fie überall aufzuſuchen, nicht
bloß im germanifchen Bereih, in England bei den Männern von
Norfolt und Gotham, im Norden bei ben jütifhen Abberiten von
Mols und dem altnorwegiſchen Geſchlechte vom Gillingshamar, fon
dern auch indogermanifch bis zu den Thaten und Räthen bes weiſen
Paramarta und feiner fünf Schliler, morunter einzelne Stüde mit
folden aus dem Lalenbuche genau fibereinftimmen. Über dem Ausblid
in das Allgemeine darf aber die Ermittlung des Beſondern nicht ver
abfäumt werden, am wenigften diejenige bes ſchwäbiſchen Antheils.
Denn einmal baben die übrigen deutſchen Stämme den Schwaben
auch auf dieſem Felde pas Hecht des Vorftreits zuerlannt, doch unter
dem Vorbehalt, jezumeilen ſelbſt mit an ven Schwabenſpieß zu treten,
fodann ift ein guter Theil der Schwabenſchwänke heimifches Er-
zeugnis der ſüddeutſchen Volksart, die ſich im phantaftifchen Scherze,
felb auf eigene Koften, moohlgefält, und es find auch geborne
Schwaben, Bebel!, Sailer?, Aurbader ?, Nefflent, vie fol altes
Erbgut mit Vorliebe gefammelt und verarbeitet haben. Auch im Fol
genden fol, nicht etwa bie worbezeichnete Abhandlung, ſondern ein
Beitrag zum Urkundenbud einer folden, aus Handſchriften und Druden
meift des 16ten Jahrh. gegeben werben. Wieder ift e8 der gut
ſchwäbiſche Geichichtichreiber des Haufes Zimmern (gegen 1566), ber
von minder Belanntem das Erheblichfte bietet; der altwäterliche Der
kehr Johanna des Lappen (geft. 1441) mit den Bauern von Witters⸗
haufen ift ein echtes und frifches Mufter jener anmuthendſten Weife,
1 (8. Gödele, Grundriß 1, S. 114. 9.)
2 [S. Sailers fämmtliche Schriften im ſchwäbiſchen Dialekte, heraus-
gegeben von Haßler, Ulm o. J. Borrede vom 10 November 1842 datiert. 9.)
3 [R. Aurbader, Ein Volksbüchlein. Minden 1827. 1,8. 193 ff. 9]
Nefflen, Der Better aus Schwaben. Schwabenbräuh und Schwaben-
ſtreich. Stuttgart 1837. H.)
616
worin hinter der Larve der Albernheit die Schalkheit acht, oder Schlaus
beit und Thorbeit fi, wie Bettel und Eintrag, zu ergeklichem Bilde
vertveben 1.
1 [In dem zweiten Entwurfe heißt e8: „Die andern beutichen Stämme
haben auch auf diefem Felde den Schwaben das Recht des Vorſtreits zuerlannt,
ohne darum je auf ihren gebührenden Anteil am Gemeingut ergeblicher Thor
Heit zu verzichten. Schon in zwei lateiniſchen Liedern des 10ten Jahrh., einem
Lügenichwant (modus floram, mendosa oantilena, Eberts Überlieferungen,
lter Band, 2te8 Heft, S. 79) und dem Märchen vom GSchneelind (modus
Liebine, ebd. ©. 80), ift beidemal ein Schwabe (Suevus, Constantie civis
Suevulus) Träger der Handlung, doch nicht als Gimpel, fondern als liſtiger
Schall, und im gleiher Haltung erzeigten ſich ſchließlich noch die Lügen Peter
Schneiders aus Mößkirch. Auch in andern der aufgezählten Schwabenftreiche
fiedt Hinter der Larve der Albernheit die lachende Schalfheit, es ift Aufgabe
der ganzen Sattung, das wunderbare Gemiſch von Weisheit und Thorheit im
menſchlichen Weſen bloßzulegen und die fpigfindige Altkingheit in den Narren⸗
ſtreich überfpringen zu laffen. Ein Bollsflamm, ein Gau, ein Ort, ein Stand
oder Beruf verladht die Art und das Gebaben des andern, wo aber die Stim-.
mung und Begabung fiir den Scherz befonders lebendig if, da verfieht man
ihn auch am beften. Ein bedeutender Theil der Schwabenſchwänke ift urſprüng⸗
lich heimifches Erzeugnis, der phantaftifhe Scherz, worin die ſüddentſche Volls⸗
art fih gefällt, wurde von guten Nachbarn und deutſchen Brüdern ihr ſelbſt
zur Thorheit angerechnet und was die Schwaben von einzelnen Gemeinden und
Perfönlichleiten ihres Gebiets Nedifches fabelten, auf fie ale zufammen ange
wandt; geborne Schwaben, Bebel, Sailer, Aurbadher u. A., haben ſolch altes
Erbgut am fleißigften geſammelt und verarbeitet. Vorzügliches Verdienſt Bat
auch Hier wieder die zimmrifche Chronik, ihre Wittershauſer, in altoäterlichem
Bertehr und poſſenhaftem Wettfireit mit Herr Johanns, zugenannt der Rapp,
tragen noch das frifche Gepräge der Schalfhaftigfeit und Dunterfeit, während
der Meiſterſang im Schillerston den berben Unverftand hervorkehrt. Die Shromit
ſchildert jene Bauern als dermaßen Hug und gewandt, daß viele Leute bei ihnen
Rath fuhren, zugleich aber als ungemein fcherziuftig in Reden und Xhaten,
übereinfimmend damit Iäßt auch das Vollsbuch von den Schildburgern letztere,
weil fie ihrer Weisheit wegen allzu oft von Königen und Fürſten als Natbgeber
aus der Heimat abgerufen werden, fi mit Macht auf die Thorheit werfen,
wobei jedoch fange noch bie leidige Weisheit wie ein abgeftimmelter Weiden⸗
baum ftets wieder ausfchlagen will. Bon den Geſchichten der Wittershaufer
findet fi in diefem großen Lalenbuche das Verwechſeln der Beine, von denen
der Gaienhofer das Meffen des Balgbrunnens, Einiges auch von Bebels Mun-
dingern ...“ 9]
617
b. Erläuterungen.
Zn 1. Leberlein.
In der Afopischen Fabel ftiehlt der ſchlaue Fuchs das Herz bes
vom Löwen zerrifienen Hiriches und behauptet dann, der Hirſch babe
ein Herz gehabt (das Herz altertbümlih als Sit bes Denkens ge
nommen, Hyndl. 38: hugstein, vgl. Sn. 1, 540), ſonſt wär’ er nicht
zweimal in das Haus bed Löwen gelommen (Fab. esop. 356, vgl.
Salila und Dimna, von Ph. Wolff, Stuttgart 1837, 1, 242 ff., auch
le Pantcha-Tantra, par J. A. Dubois, Paris 1826, ©. 198 ff. [Das
Buch der Beifpiele der alten Weifen, nad Hanbfchriften und Druden
herausgegeben von W. 2, Holland, Stuttgart 1860, ©. 126 bi8 129. G.)).
Selbft in gothiſche und batrifche Heldenſage ift dieſes fehlende Herz bes
ungewitzigten Hiriches als warnendes Gleichnis herbeigezogen worben
(J. Grimm, Reinhart Fuchs XLVIII ff. CCLXIf. 379 ff. Maßmann,
Kaiſerchronik 1, 508 bis 532. 3, 797 ff.). Der Schwank des Wegkürzers
vom Lamm ohne Leber gibt weder eine ſpitzfündige Begründung dieſes
Abmangels, noch eine bildliche Warnung. Hier iſt es lediglich „ain
guͤter ainfeltiger Schwab“, der den lieben Herrgott- ſelbſt, feinen un⸗
erkannten Reifegejellen, überliften zu können glaubt. Zweimal wählt
ex für fich den anſcheinend vortheilhafteren Gang in die Dorfichaften,
fein armes Kreuzerlein wirft er ein und verlangt Halbpart an ben
Bundert Gulden, auch vom Genufje bes Leberleins mag er fi, in älterer
Fafſung der Sage, bejondern Nuten, etwa einen Zuwachs an Weisheit,
verfprochen haben (vgl. Brüber Grimm, Märchen 1, 7te Ausgabe, 312.
8, 2te Ausgabe, 106. J. Grimm, Inteinifche Gedichte des 10ten unb
11ten Jahrhunderts 344), auf die äußerfte Gefahr feines Lebens beharrt
er dabei, mit der thörichten Ausrede den Allfundigen täufchen zu wollen,
bis ex bemfelben durch das Geftändnis einen weitern Erwerbtheil ab-
zugewinnen meint, unb doch greift er überall darneben und ift es ſtets
nur die Langmuth und Yürforge ſeines übervortheilten Geleitsmanns,
die ihn reitet und trägt. Diefer ausgeprägte und einheitliche Beſtand
ber Erzählung bat fich in ben fpäter gangbaren Märchen vom Bruder
Zuftig und bem heil, Petrus, auch fchon in einem Meiftergefange von
1560, nicht mehr ungetrübt erhalten (Brübes Grimm, Märchen 1, 402 ff.
8, 129 ff). Sprichwörtlich bei Sebaftian Brant: „der mueß die leber
618
gefien han“, bei Geiler: „pas Ieberlin aus dem braten ziehen”, bei
Fiſchart: „bo muß das Ieberle ih han geflen“, anvertvärts 1068
u. f. w.: „ver Schwabe muß allgeit das leberle gefrefien haben“
(Eifelein, Sprichwörter 416. Brüder Grimm, Märchen 3, 131).
Zu 2. Neun Schwaben.
Kirchhofs Wendunmuth iſt für die Grundlage ſowohl der kurzen
Andeutungen des Luſtſpieldichters, als Ber umſchreibenden Reimzeilen
des Sprichworterklärers [vergl. oben ©. 611, Anm. 1. H.] anzu
nehmen. Älter, als dieſe drei Beugniffe, ift ber Meiftergefang, von
dem aber Wiedeburg nicht mehr, ald den Anfang, mitgetheilt hat, und
eigenthümlich ericheinen foweit nur die offenen Glasaugen des ſchlafen⸗
den Hafen...
Bu 8. Hafenlier.
Es ift kaum zu bezweifeln, daß in biefem Liede bei Ruckgaber das
von der zimmrifcden Chronik beiprochene, aber nicht beigefügte Hafen
lied erhalten ift, wenn aud durch fchledhte Aufzeichnung verkümmert.
Diefelbe befindet ſich bei ven alten Prozefäakten und bie ſchwankhaften
Sauptzüge, Verwechslung einer ftäbtifchen Herde mit feinblicher Reiterei
und das Erjagen zweier Hafen, find in den Gefäken 7 und 8 bin:
reichend hervorgehoben. Zwar nimmt der Herausgeber des Liebes an,
daß folches von einem Rotweiler verfertigt fer, der dann freilih, nad
dem Ausbrud der Chronik, nicht ald miles voluntarius mit ausgezogen
wäre, allein burch „mir“, d. b. wir, ift doch wohl nicht die ausrüdende
Schaar der Rotweiler (für dieſe wird „ig“, fie, gebraucht), ſondern bie
beobachtende des Widerparts bezeichnet. Tiber den langwierigen Jagd⸗
ftreit der Stadt Rotweil mit benachbarten Edelleuten gibt Rudgaber
a. a. O. ©. 178 ff. Auskunft. Das. alte Weib in den Reimen ber
Chronik ift die auch in der Proſa gedachte Anna, Witme bes Befikers
von Schramberg, Rochus Merz von Staffelfelden, ihr mittelbarer Rach⸗
folger im Beſitze biefer Herrihaft und im Rechtöftreite war Graf Wilhelm
von Zimmern, gegen den im Jahre 1590 das Kammergericht entſchied.
Schon die Hauschronik feines Großoheimd Wilhelm Werner von 1866
zeigt im bittern Tone der aus ihr mitgetheilten Erzählung die lebhafte
Parteinahme des Berfaflerd an dieſen Streithändeln. Der Auszug ber
Rotweiler mit gemwehrter Hand mar eine feierliche Behauptung und
619
Ausübung ihres angefochtenen Rechts, wobei e3 nicht auf ben augen
blidlichen Ertrag der Zagbbeute anlam. Dagegen wandte der Abel und
defien Anbang, unvermögend, biefen Schritt zu verhindern, feinen
Spott auf den Triegerifchen Hafenfang, der an bie Belämpfung bes
furdtbaren Ragenöhrle gemahnen konnte. Die Herrn von Zimmern
batten jchon ehebeflen ein Haus zu Rotweil im Stabtviertel Sprengerort
(Rudgaber, Geſchichte der Grafen von Zimmern ©. 83, Anm. 2) und
eben bier wohnt aud Heinrich Scherrer, den bie Chronik beim Aufſetzen
des roftigen Eiſenhuts von feinem Sind in der Wiege rührenden Abſchied
nehmen läßt, vielleicht ein tuohlbefannter Nachbar bes boshaften Erzählers.
Die Eiferfucht zwiſchen ber den Eidgenoſſen zugelehrten und, wie die
Chronik behauptet, von ihnen geſchützten Reichsſtadt und dem Adel der
Umgegend war eine alteingewurzelte (vgl. Germania 1, 332 f. [oben
©. 371. 372. H.). Daß zuvor die Zunftmeifter Bin und wider in
Städten von den Hafen (dem Landadel) aufgefreflen worden, gemahnt
an Freud Gartengefellihaft, Straßburg 1557, Blatt 81b: „Zu Hau:
bach, da die wolf den fchultheuflen an dem gericht frafien, dann es
find etwan acht heufer da, und wan ber ſchultheus zu gericht ſitzt, ift
eden einer, der klagt, und einer, der antwort, fo ift dann bie ganz
gemeind bei einander.”
12. Der Genlok.
Sn einem Haufe zu Mittelftabt ift ein Stein mit Bildern ein
gemauert. Ein Alterthumsfteund, der in diefen römische Laren findet,
machte dem Hausbefiter den Stein feil und der Handel war ſchon am
Abſchluß. Da Iegte die Altmutter des Haufes Widerſpruch ein; es
babe nur Unheil gebracht, ald man den Genlok ausgebrochen, gleich
in der folgenden Nacht fei der Falbe im Stalle gefallen. Der früher
verlaufte Genlof. war ein ähnlicher Mauerftein mit dem eingehauenen
Kamen (gen. loc., genio loci). Der Stein mit den Laren fteht noch
in der Mauer und der Kaufluftige muß fich gebulven, bis die Altmutter
heimgegangen ıft. Nach der Erzählung bes Herren Pfarrers Memminger
am 24 September 1862.
"620
13. Märden.
Denn Sie auf der Hausflaffel eine Kindergruppe malerifch ge
lagert ſehen, ſtill aufhorchend, mit beivegten Gefichtszügen und gläns
zenden Augen, zuoberſt aber fit eines der älteren Kinder, in tieffinniger
Haltung, mit halbgeöffneten Lippen geheimnisvoll redend, feierlich wie
eine Sibylle, dann willen Sie: bier wird ein Märchen zählt. Was
dieſe Kinder fo tief ergreift, das bat auch die gelehrte Forſchung lebhaft
beichäftigt.
Warum fol nicht über Aſchenbrödel in einer Vorleſung geſprochen
werben? Es wurde barüber geprevigt, geprebigt von ber Funftreichen
Kanzel des Straßburger Münfters.
Bor einem einfamen, hochgelegenen Haufe auf unfrer ſchwäbiſchen
Alb ſah ich einmal Spielende Kinder; eine Spalte im Felsgeſtein hatten
fie, nad dem Mufter der Heinen Hofwirtichaft, zum Stall eingerichtet,
Scherben eines zerbrochenen Topfs bildeten den Viehſtand, die rothe
Kuh und die braune Kuh und das geſprenkte Kalb, Alles zufanımen,
wie es der Hirt in den Wald treibt.
Wir lönnen auch von der Armuth empfangen. Sie holt den Kindern
ber Reichen aus dem befchneiten Winterwalde ben grünen Chriſtbaum
der Phantafie.
Die Mythologie iſt reich, aber fo reich ift fie nicht, daß ſich aus
ihrem Gebrödel eine Märchenwelt erzeugen könnte.
621
Berichligungen und Yadträge.
©. 4, Anm. 124 ließ: "Ayravivoc-
©. 75, Beile 1 von unten fies: Grimolt ſtatt Grimolt.
©. 76, Beile 8 von oben Kies: Fſanger ftatt Iſanger.
S. 76, Beile 4 von oben lies: Fſanperaht flatt Fianpkraht:
S. 119, Anm. 360 ift das Komma Hinter Ovassdag zu tigen.
©. 119, Anm. 860 ließ: hist. nat. 37, 11, 1.
©. 119, Anm. 860 fies: diei ftatt diei.
S. 142, Beife 1 von unten ließ: hvarleidr.
©. 148, Zeile 1 von unten lies: Beow. und Müllenhoff.
&. 258, Anm. 654 lies: inquiri. mox.
©. 288, Anm. 756 lies: 86 f., 11, flatt 86 f., IL
©. 291, Zeile 11 von oben lies: wiberfährt flatt wieberfährt.
©. 298, Anm. 767. Auch das Elſaß wird „ein rechte Schmalzgrube“ genannt.
Wilhelm Herk, Deutſche Sage im Elſaß. Stuttgart 1872. ©. 181.
S. 828, Beile 5 von unten lies: Th. 4, 6. 12 ftatt Th. 4 6, 12.
©&. 889, Zeile 2 von unten lieg: mer, ... flatt mir...
S. 843, Zeile 9 von oben lies: Nr 74, flatt Nr. 74,
S. 858, Zeile 14 von oben lies: 200 f.), ftatt 200 f).
©. 861. Bon anderer Seite wird die Autorfchaft Albrechts von Kemenaten
feftgehalten, Berge. Bartſche dte Auflage von A. Koberſteins Grundriß
der Geichichte der deutſchen Nationallitteratur 1, 206. 8.
&. 898, Beile 1 von unten lies: rund heraus flatt und heraus.
©. 442, Beile 11 von oben lies: Dümge fat Dinge.
S. 455, Zeile 8 von unten ift das Komma binter sus zu tigen.
S. 478, Beile 2 von unten lies: ll flatt öl (das eine 1 iR im Drude abge
fallen).
©. 416, Beile 2 von unten lies: Gefangene ſtatt Gefangene
Anhalt.
Bortvort des Herausgebers
Schwäbiſche Sagenkunde. Erfter Band. Sucifg-alamanmir Borzgeit
J. Gumwen und Alamannen.
IL. Sueviſche Stammfage. Bollsname .
1. Der Semnonenwalde.
2. Mutter Erde . .
3. Svafr ud Soafrlogi .
4. Syafrliomi .
db. Swama . . .
11. Wanderung und Reufieblung .
1. Banderlage -. - . 2 2 2.2.
2. Haupöller .
8. Solicintum
IV. Götterwefen der Sueven- Alamannen
1. Natur- und Gchidfolsgätter. . - .
a) Erde und Erbaeiflr . . .
Abhaudlungen aus Pfeiffer: Germania
Zur ſchwäbiſchen Sagenkunde
1. Die Pfalzgrafen von Tabingen
2. Dietrih von Bern
8. Bodman . . .
4. Die Todten von Luſtnan
Zur deutſchen Heldenfage .
1. Sigemund und Sigeferd
08 0o0—0
.e yr ee 0 0 8 38 0
.o ve 8 vv yı 8 0
2. Der Rofengasten von Worms. .
Rodträge -. . .» - ve n..
1. Sagenbeitrag mn Dr e. und Geige ver Piel
von Titbingen
2. Der Baile . . .
3. Der enträdte Kaifer Friedrich
eo. vv 6
—8
38338888
5
8SRSRXBS-—
624
. Glodenfagen . .
. Schwärzloch
Tübingen.....
Odenburg......
Das Blauthal...
Birchtenlee und Gunzenlee
Tellſageee........
Schwabenſtreiche
De Genlohk....
Märchen. ....
®.
“ * ® ®
BERESZZSERE
überſicht
über den Inhalt der ganzen Sammlung.
Erſter Band.
Seite
Geſchichte der deutfchen Poeſie im Mittelalte.... 2 20. 1
Bweiter Band.
Geſchichte der dentſchen Boefte im Mittelelter . . . 1
Geſchichte der dentſchen Diäten im n fnfgehnten und Teigemten —*
hundert . . . 198
Dritter Band.
Abhandlung fiber die deutihen Bollsliede.. 1
Bierter Band.
Anmerkungen zu den Vollölieden . -. - 2 2 2 2 een. 1
Über das altfranzöfifche EpoB - © > > 22 22 nnn. 897
Flinfter Band.
Baltber von der Bogelweide.. 1
Der Minnfang . . 2 2 20. 2... 11
Über die Aufgabe einer Geſellſchaft flir deutſche Sprade . ..... 283
Zur Geſchichte der Freifhießen . . . 291
Über die Sage vom dog ER, —R gehalten am 22 Ro-
vember 1832 . . . . 823
Scehster Band.
Sogmnforfhungen. . . |
1. Der Mythus von —8 —8* nonider Ouellen ..3
0. Odinn. . ... 120
Uhland, Schriften. vn. 40
626
Siebenter Band.
Seite
Sagengefhichte der germanifchen und romanischen Völker 1
Achter Band.
Schwäbiſche Sagenkunde. Erſter Band. Sueviſch elamanniſche Borgei 1
Abhandlungen aus Pfeiffers Germania. . . . . 309
Nahträe -. » 2 2 2... en .. 558