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Vi:iM.A(; VON S. IIIUZKI.
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UNTERSUCHUNGEN
zu
CICERO'S PHILOSOPHISCHEN SCHRIFTEX
VON
RUDOLF HIRZEL
III. THEIL
ÄCAVEMICÄ PRIORÄ.
TVSCULANAE BISPUTA TIONES
LEIPZIG
VEKLAG VON 8. IIIRZEL
1883.
Zcji .
Inhalt.
Seite
I. Die verschiedeyien Formen des Skepticismus 1
1. Ursprung der Skepsis 1
a) Ursprung der pyrrhonischen Skepsis .... 1
b) Ursprung der akademischen Skepsis .... 22
2. Die weitere Entwicklung der Skepsis ... 39
a* Die Entwicklung der pyrrhonischen Skepsis . . 39
a) Die Entwicklung der akademischen Skepsis . . 149
II. Die Academica priora 251
1. Lucullus' Vortrag 251
2. Ciceros Erwiderung 279
III. Die Tusculanen 342
1. Das erste Buch 342
2. Das zweite Buch 40()
3. Das dritte Buch 414
4. Das vierte Buch 456
5. Das fünfte Buch 468
6. Endergebniss 479
IV. Excitrs I und II 493—532
I. Die verschiedenen Formen des Skepticisuins.
I« Ursprung der Skepsis.
1. Ursprung der pyrrhonischen Skepsis.
Die beiden Formen, in denen der Skepticismus des
Alterthums uns vorzüglich entgegentritt, sind der Pyrrhonis-
luus und die akademische Skepsis. Beide Arten des Skepti-
cismus sind weder als ebenbürtige Rivalen beständig neben
einander hergegangen noch haben sie sich in der Weise ab-
gelöst da5s die Entwicklung der einen vollständig abgelaufen
war ehe die andere einsetzte: vielmehr haben sie nach der
Gunst der Zeiten öfter gewechselt und ist im geistigen Leben
bald mehr die eine bald mehr die andere hervorgetreten.^)
') Die skeptische Richtung, welche Pyrrhon zuerst eingeschlagen
hatte, war die ältere. Schon mit Pyrrhons Schüler Timon verschwmdet
dieselbe aber wieder von der Oberfläche der philosophischen Bewegung
und räumt ihren Platz der akademischen Skepsis ein, die durch
Timons Zeitgenossen Arkesilaos begründet worden war und theils
durch ihn theils durch seine Nachfolger, namentlich Karneades, rasch
zu Ansehen gelangte und zahlreiche Anhänger fand. Dem Pyrrho-
nismus scheint besonders Chrysipps scharfe Polemik verderblich ge-
worden zu sein. Wenigstens darf man diess aus Cicero de fin. II 43
vermuthen: hie ipse (Erillus) jam pridem est rejectus; post enim
Chrysippum non sane est disputatum. Zunächst freilich gelten diese
Worte nur von Herillos. Da es indessen vorher auch von Ariston
und Pyrrhon heisst „jam pridem contra eos desitum est disputari'S
und da beide um dieses Umstandes willen auch sonst mit Herillos
zusammengestellt werden (^Cicero de fin. II 35. V 23. Tuscul. V 85.
Hirse 1, UntATRncbangen. HI. 1
2 Die verschiedenen Formen dos Skepticismns.
Das skeptische Bedürfiiiss der verschiedenen Zeiten konnte
ebenso wohl durch die eine wie durch die andere befriedigt
werden. Aber obgleich beide im wesentlichen dieselbe philo-
sophische Richtung darstellen, so ist doch die Art wie sie
sie darstellen bei beiden verschieden, und diese Verschieden-
heit ist bemerkenswerth da sie auf den verschiedenen Ur-
sprung beider Sekten zuiückführt. Letzteres, dass beide
Richtungen des Skepticismus, mögen sie in ihren Enden zu-
sammentrefifen, von anderen Anfängen ausgegangen sind, ist
ein Umstand, der noch nicht, wie er as verdiente, beachtet
Acad. pr. 129 f. de oflF. I G), so wird es wohl auch derselbe Gegner
gewesen sein, dessen Angriffen alle drei erlegen sind. Es scheint
daher schon Karneades, auf den die an den angeführten ciceronischen
Stellen gegebene Einthcilung der Philosophien zurückgeht, den Pyr-
rhonismus als eine philosophische Richtung behandelt zw haben, die
man nicht mehr zu berücksichtigen brauche. In Athen hörte die
Schule, wie es scheint, auf zu existiren. Hierauf bezieht sich wohl
die Nachricht, dass Timon keinen Nachfolger hatte (Diog. IX 115:
rovrov Sidöo/og, wi; /ahv Mijvoöorog tfi^ai, ytyovev ovötlq, «AA« öih-
XiTiEv f) dywyfj t-'ajg avzifV IlTo^.efnaing o KvQi^vaXoq drexTtjaaTo).
Denn Andere wussteu allerdings Schüler Timons zu nennen, die die
Verbindung in der Reihe der Schulhäupter zwischen ihm und Ptole-
maios herstellten (Diog. nach den angeführten Worten: wg 6' ^Ititio-
ßoTog (ftjai xal Storitov, Siijxovaav avrov JioaxovQlSi]g KvnQtog xcO
NixoXoxog *Pr>rfio? xal EvfpQ(xvu}(} ^ekevxBvg JjQaiXog r' dno Tgom-
Sog EdtpQavoQog Sh öitjxovaev EvßovXog ÄXe^m'SQevg, ov
IlToXsfiaTog. Diese Reihe mit Zeller Illb 2, 1 und Illa 484, 1 für
unvollständig zu halten ist kein Grund vorhanden sobald man nur
die Zeit Ainesidems richtig bestimmt, vgl. Haas de philosophorum
scepticorum successionibus S. 12 f. Wenn der letztere dagegen S. 11
und 23 Menodots Nachricht dahin erläutert, dass die pyrrhonische
Schule nach Timon ihre Eigenthümlichkeit eingebüsst und von der
akademischen sich nicht unterschieden habe, so lässt sich diess, wie
schon Zcller III« 483, 2^ bemerkt hat, aus den Worten der Ueber-
lieferung nicht herauslesen. Ein Theil der Pyrrhoneor scheint nach
Timons Tode Athen verlassen und sich nach Alcxandrien gewandt
Urspnmg der pyrrhonischen Skepsis. H
nnd anerkannt worden ist. ^) Und doch sprechon überwie-
gende Gründe dafür, dass die pyrrhonische Skepsis ebenso
an Deraokrit angeknüpft hat wie die akademische an Sokrates.
Schon die äusseren Verhältnisse, unter denen Pyrrhon
lebte, empfehlen diese Annahme, da die einzige zuverlässige
Ueberliefening des Alterthums ihn zu einem Schüler und
Begleiter des Demokriteers Anaxarch macht; ^) und hiermit
steht das Zeugniss eines seiner Schüler, dass er besonders
gern, öfter als auf irgend einen Andern sich auf Demokrit
za haben. Hier setzte sich die Schule fort. Denn es ist doch sehr
bemerkenswerth , dass Euphranors Schüler und Nachfolger Eubulos
ein Alexandriner war, dass dessen Nachfolger Ptolemaios aus dem
benachbarten Kyrene stammte (Diog. 115) und auch Ainesidem üi
Alexandria wirkte (Aristokles bei Euseb. praep. ev. XIV 18, 22). In
Alexandricn bildete sich die Lehre im Stillen weiter bis auf den ge-
nannten Ainesidem der es verstand wieder die allgemeine Aufmerk-
samkeit auf sie zu lenken (Aristokles a. a. 0.: firjSsvög ö' imatfßa-
(pivxoi; avTcJv, ci? sl fiijöh iyivovro rh naQanav, ^X^^^ ^«^ nQwrjv
iv ÄXe^avÖQfla xy xax^ Aiyvntov AivijalSijfjiog xiq avaC^wnvQS'iv tjo^axo
Tov v^kov xovxov). In dieselbe Zeit fällt das Ende der akademischen
Skepsis. Die Folge davon war, dass von nun an, in der philosophi-
schen Bewegung der Kaiserzeit, der Skepticismus nur durch den
Pyrrhonismus vertreten ist. Denn die einzige Ausnahme, die sich
dagegen geltend machen lässt, die philosophische Stellung des Favo-
rinns, kommt eben als einzige nicht in Betracht, zumal da sie pro-
blematischer Natur ist (Haas a. a. 0. S. 81 ff. Zeller Illb 50 ff.).
') Zeller lU» 479 f. leitet die pyrrhonische und akademische
Skepsis im Wesentlichen von denselben Ursachen ab, indem er in
beiden vornehmlich eine Reaction gegen die gesteigerte Entwicklung
der dogmatischen Philosophien sieht, wie sie in der Lehre des Piaton
und Aristoteles, der Epikureer und Stoiker vorlag.
*) Diog. IX 61 (vgl. 63) beruft sich auf den mir sonst nicht be-
kannten Abderiten Askanios. Dass derjenige der so nachdrücklich
den Zusammenhang der pyrrhonischen Lehre mit Anaxarch hervor-
hebt {rjxovat — Ava^aQXOv ^vvaxokov^wv navxaxov .
o^fv yervaioTaza öoxti (pt?,oao(fifjaai, xö xtjg dxaxahmdaq xal knox^jq
1*
4 1)10 verschiedenen Formen des Skepticismus.
berufen habe,*) in vollem Einklang. Derselbe Anschluss an
Demokrit ergibt sich aber auch, wenn wir die Art und Weise
seiner Skepsis etwas näher betrachten. Wäre Pyrrhon, wie
diess Zellers Ansicht ist (479. 481), durch frühe Anregungen,
die er von der clisch-megarischen Dialektik und der kyni-
schen Lehre empfing, auf die Bahn des Skepticismus geführt
worden, dann raüsste auch seine Skepsis etwas vom Charakter
jener Dialektik an sich tragen. Damit soll nicht gesagt sein,
dass Pyrrhon nothwendig die einzelnen von Megarikern und
Kynikern gebrauchten Argumente hätte wiederholen müssen;
wohl aber ist es nothwendig, soll er anders etwas von ihnen
gelernt haben, dass er ab und zu sich ihrer Methode be-
diente. Nun besteht aber die Eigen thümlichkeit dieser Me-
thode darin die Widersprüche nachzuweisen, mit denen ge-
elöog elaayaywv, wg kaxdriog 6 JißStjQlrTjg tprialv xtL Diog. a. a. 0.1,
ein Landsmann des letzteren war wird freilich kaum ein Zufall sein.
Die ganze Nachricht für eine Erfindung des abderitischen I^cal-
l)atriotLsmus zu halten haben wir darum noch kein Recht und um so
weniger als die andere Nachricht die aus Pyrrhon einen Schüler des
Megarikers Bryson macht unglaubwürdig ist (Zeller III» 481, 1). In
der Reihe der von Diogenes behandelten Philosophen erscheint Pyrrhon
nach Anaxarchos; als einen Schüler des letzteren bezeichnen ihn
Eusebios praep. ev. XIV 18, 20 und Galen bist. phil. 3 (Diels Doxogr.
S. GOl). Vgl. dazu Numenios bei Euseb. XIV G, 3.
^) Diog. IX 67: aAAor xal ^PtXwv o Ä^tivalogt yvioQt/nog aviov
yeyovwg, XXeysv wg Ifxifxvißo fxdkiota fisv .hjfWXQltov, eira 61 xa)
*^Ofo}()ov xzl. Hierher gehört es auch, dass Pyrrhons Schüler Timon
zwar Dcmokrits in allen Ehren gedenkt \J)iog. 40: ov ye xal Tlfiiov
roviov ^Ttccivtaag tov rponov tx^i' ,yOiov Jtj/noxQitov xe 7ie()l<pQova,
noifttra fiv^wv, Äfuflvoov Xecy/iva fierä nQ(itoiaiv a.vlyvo)v)y die me-
garischen Skeptiker aber nicht minder heftig schmäht als die übrigen
Philosophen (Diog. II 107: 6id ravra 6b xal negl a^xov [Eukleides]
ravid tft^ai Ti/uwv, n(Joa7iaQaT(}wy(ov xal tovg Xoinovg StoxQanxovg'
,,.^AA* ov /üoi rovTwr if)>f6()vwv /is?.ei, ov66 yccQ ä?.Xov Ov6sv6^, ov
*I*al6wvog* oatig ye* [Wachsmuth de Tim. S. 65], ov6^ iQt6dvTfco
Evx).fl6ov, Meya()evatv og hiißalf Ivooav i^iofiov^').
Ursprnng der pyrrhonischen Skepsis. 5
wisse aus der sinnlichen Erfahrung gezogene Begriflfe wie
namentlich der der Bewegung behaftet sind. Ein solches
dialektisches Verfahren hat aber Pyrrhon allem Anschein n:ich
nie eingeschlagen. Das dürfen wir daraus schliessen, dass
in den zehn älteren Tropen der skeptischen Schule (Diog.
79 S, Sext. Emp. Pyrrh. hyp. I 36 flf.) sich keine Spur des-
selben findet; denn wenn auch die Sammlung und Ordnung
derselben, wie sich von selber versteht, nicht von Pyrrhon
herrührt, so wird doch in derselben auch keines der Argu-
mente fehlen, deren jener sich wirklich bedient hatte. Die
Argumente dieser älteren Tropen sind aber durchweg solche,
die auf einen in den Ei'fahrungen selber hervortretenden
Widerstreit hinweisen und nicht auf einer dialektischen Er-
örterung der Begriffe beruhen.*) Mehr Bedeutmig als dem
M Diese älteren Tropen sind folgende. Der erste weist auf die
verschiedene Natur der Tbiere und ihrer Sinnesorgane hin und er-
klärt hieraus dass sowohl die Thiere unter einander wie Thiere und
Menschen von denselben Dingen verschiedene Eindrücke und Vor-
stellungen empfangen. Der zweite gründet sich auf Verschiedenheiten
der Individualität, wie sie unter den Menschen selber stattfinden
und tbeils auf die Körperbeschaffenheit theils auf den erwählten Be-
ruf sich beziehen. Der dritte geht auf die Unterschiede der Sinnes-
organe unter einander und überhaupt der Mittel der sinnlichen Wahr-
nehmung zurück und betont dass in jedem derselben das gleiche Ding
in anderer Weise erscheint. Der vierte hebt hervor wie verschieden
uns dieselben Dinge erscheinen je nach den Zuständen in denen wir
uns zeitweilig befinden, ob wir krank oder gesund sind, schlafen oder
wachen n. s. w. Der fünfte, der sich insbesondere gegen die mora-
lischen Vorstellungen richtet, macht auf die Verschiedenheiten der
Anschauung aufmerksam, die sich in der Verschiedenheit der Lebens-
weise, der Gesetze, der religiösen Ideen, der Sitten und der philoso-
phischen Ueberzeugung kund geben. Während in den bisher erwähn-
ten Tropen die Skepsis auf die Beschaffenheit des betrachtenden
Subjects gegründet wird, leitet sie sich in den folgenden von der
Beschaffenheit der in Betracht kommenden Objecte ab. Der sechste
beruft sich darauf, dass alle Dinge nur mit anderen wie Luft
6 Die verschiedenen Formen des Skepticismus
Vorgange der Kyniker und Megariker legt aber Zeller für
die Entstehung des Skepticismus der kühnen Entwicklung
der platonischen und aristotelischen Speculation bei sowie
dem Hervortreten des stoischen und epikureischen Dogma-
tismus. Wäre dicss der Ausgangspunkt der pyri'honischen
Skepsis gewesen, dann müsstc es sich auch noch an den
Gründen erkennen lassen mit denen dieselbe die Möglichkeit
jeder Erkenntniss bestritt. Nun suchen die zehn Tropen
der Aelteren vorzugsweise die Unzuverlässigkeit jeder aus
den Sinnen abgeleiteten Erkenntniss zu erweisen: dadurch
scheint also Zellers Behauptung bestätigt zu werden, dass
die ungenügende Begründung des sensualistischen Dogmatis-
mus der Stoiker und Epikureer die skeptische Dialektik
herausgefordert habe. Da aber jede Berücksichtigung des
nicht-sensualistischen Dogmatismus fehlt und kein Versuch
gemacht wird die von Piaton und Aristoteles benutzten Quellen
der Erkenntniss abzuschneiden,*) so wird hierdurch Zellers
Ansicht widerlegt. Und nicht einmal so viel kann zugegeben
Licht u. s. w. verbunden zur Erscheinung kommen, keins für sich allein,
daher auch keins rein und un vermischt erfasst werden kann; der
siebente auf die Verschiedenheit der Lage, des Orts, der Abstände
von andern Dingen, wodurch dasselbe bald gross bald klein bald
eckig bald rund u. s. w. erscheint. Dass die Natur eines Dinges sich
verschieden äussert je nach der Quantität und Qualität, die es ge-
rade hat, und deshalb nicht erkannt werden kann, sagt der achte
Tropos. Der neunte beruft sich auf den verschiedenen Eindruck den
das Gleiche macht wenn es immerwährend und gewöhnlich und wenn
es selten und fremdartig ist; der zehnte darauf dass jedes Ding nur
relativ, in Beziehung auf ein anderes erkannt wird.
') Diesen Versuch machte erst Agrippa in seinen fünf neuen
Tropen, deren Erläuterung bei Sext. Emp. Pyrrh. hyp. 1 170 folgender-
maassen beginnt: ro n^ote^hv fjtot alo^rixov iativ jy votitör, bnolov
6* av y, 6ia7i€<p(6vi]tai' oi fiev yaQ xa aloi^riza fiova ipaalv eivat
dlrjlHj Ol öh flava xa vofjxa, oi 6\ xiva filv alaO-ijxä xtvä 6h votixd-
Ursprung der pyrrhonischen Skepsis. 7
werden, dass die pyrrhonische Skepsis nur aus der Kritik
der stoischen uud epikureischen Lehre erwachsen sei. Denn
allein auf die Widerlegung dieser beiden Philosophien einen
allgemeinen Zweifel an jeder philosophischen Erkenntniss zu
gründen war wenigstens in Pyrrhons Zeit nicht möglich. Es
ist diess aber nicht der einzige Punkt, der die Richtigkeit
von Zellera Ansicht vorausgesetzt auffallend bleibt. Man
sollte nämlich meinen, dass, wenn Pyrrhons Skepticismus durch
die Betrachtung der zeitgenössischen Philosophien hervor-
gerufen worden wäre, er vor allen Dingen auf die zwischen
denselben hervortretende Meinungsverschiedenheit Gewicht
legen würde. So verfuhren die akademischen Skeptiker^)
und ebenso ein späterer Pyrrhoneer wie Agrippa, der an
die Spitze seiner fünf neuen Tropen denjenigen stellte der
auf die unter den Philosophen herrschende Verschiedenheit
der Ansichten hinwies.^) In den zehn älteren Tropen da-
gegen wird zwar auch dieser Grund zu Gmisten des Skepti-
cismus geltend gemacht aber durchaus nicht so dass ihm
eine grössere Bedeutung beigelegt zu werden scheint als
den übrigen: denn weder steht er zu Anfang der Reihe
noch bildet er überhaupt einen Tropos für sich allein son-
dern wird nur anhangsweise erwähnt.^) Diese beiden Eigon-
*) Sext. Emp. adv. dogm. III 1 : slg aXlotglav vXtjv ifxßdvtsq ^^ol
negl xbv Kkstrofjuxxov) xcd inl avyxtoQtjasi twv hzsQolioq doy/iart^o-
ßivüfv noiovfisvoi xovg koyovg dßixQwg ißijxwav rrjv dvxL^Qi}Oiv.
*> Diog. 88: ol 6h nsgl ÄyQinnav rovtoig cikXovg nivxe {XQO-
novg) TiQOoeiodyovoi, xov r* dnb tfjg öiatpwvlag xiL b fikv ovv dnt
TtjQ Siatpwviag o av nQOtt^ ^t}tTjfia nagd xolg ipiXoooipoig tj xy ow-
ti^eiff, TtkslaxT^g fidxrig xal xaQax^g nlijQeg dnoöstxvvei. Sext. Pyrrh.
I 165.
■) Diog. 83: nifinxog b nagd xdg dycjydg xal xovg voßovg xal
tag fivd-ixdg nloxeig xal xdg i^ixdg ovvB^ijxag xal öoyfxaxixdg
vnoliqtpeig. Das Beispiel für eine solche Meinungsverschiedenheit
ist: xal ol ßhv ngovoeZolhai {x^eovg ^yovvxai), ol 6* ov (Sext. Emp.
8 Die verschiedenen Formen des Skepticismus.
thümlichkeiten des älteren Pyrrhonismus, wie sie gegen die
Ansicht sprechen wonach derselbe von der kynisch-megari-
schen Dialektik und aus der Betrachtung der zeitgenössischen
Pyrrh. I 151X Dass die Meinungsverschiedenheit der Philosophen an
sich und allein noch kein Grund der Skepsis für die älteren Pyr-
rhoneer war sondern sie dieselbe zu diesem Zweck erst unter allge-
meinere Gesichtspunkte stellten, zeigt sich besonders darin dass sie
ihrer unter verschiedenen Tropen P^rwähuung thun, dem zweiten (Sext.
Emp. Pyrrh. I 85 ff.) und fünften (a. a. 0. 151. Diog. a. a. 0.). Ja
es macht den Eindruck als ob sie überhaupt erst nachträglich unter
die Gründe der Skepsis aufgenommen worden wäre. Denn weder der
eine noch der andere Ort an dem sie genannt wird ist vollkommen
für sie passend. Was den zweiten Tropos betrifft, so ist darin von
den körperlichen und geistigen Idiosynkrasien der einzelnen Menschen
die Rede. Dass mit den daher rührenden Verschiedenheiten die der
philosophischen Ueberzeugung nicht ohne Weiteres zusammengeworfen
werden kann, liegt auf der Hand. Das sahen auch die Skeptiker
ein und hoben deshalb besonders die Verschiedenheit der ethischen
Ansichten hervor (Sext. Pyrrh. 1 85: ro dh ßiyiarov 6tTy/.ta Tijg xazu
rriv Stavoiav twv dvB-(JW7Hov nokktjg xcd dnflQOV öiatfOQäq t) 6ia<fio-
via Twv naga roTg Soyfxanxotg keyofitvwv negi te rwv ä),lü)v xal
nBQl xov rlva ßhv a\Qeia&ai 7iQ0or]x^i ziva 6^ ixxXJveiv): denn da
diese wesentlich auf der verschiedenen Auffassung des Lebensziels
beruht, so lässt sie sich allenfalls mit derjenigen vergleichen, die
sich in der verschiedenen Wahl des Berufs kund gibt (Diog. 81: xal
o fxlv iaTQixrfQ, 6 Sl ysioQylag, dV.og 6h ifinoQiag oQbyBxai' xal
Tovza ovg fxtv ßXdnzei ovq 61 ouptlfl). Aber auch diese Vergleichung
ist nicht ganz zutreffend. Sie lässt nämlich ausser Acht dass die
Verschiedenheit in der Wahl des Berufs von der Eigenthümlichkeit
unserer Natur abhängen soll (der, zweite Tropos wird von Diog. 80
bezeichnet als b naQo. zag zwv dvO-QOjnwv ifvofig xal zag i6ioavyx()i-
alag) und Insofern mit körperlichen Idiosynkrasien (wie die Demo-
phons der im Schatten warm hatte, in der Sonne dagegen fror) ver-
glichen werden kann, die philosophische Ueberzeugung aber, mag
immerhin bei der Wahl derselben auch die individuelle Natur eine
Rolle spielen (wovon indessen Sext. Pyrrh. I 87 f. nichts sagt), sich
hauptsächlich auf Gründe stützt. Noch weniger aber an ihrer Stelle
ist die Meinungsverschiedenheit der Philosophen im fünften Tropos.
Ursprung der pyrrhonischen Skepsis. 9
Philosophie abgeleitet werden soll, bestätigen auf der an-
dern Seite die üeberlieferung die ihn an Demokrits Natur-
philosophie anknüpft. Deun dass eine aus dieser Quelle
fliessende Skepsis nicht auf dialektische Erörterungen ge-
Nachdem nämlich vorher von den unter den einzelnen Menschen be-
stehenden Verschiedenheiten die Rede war, geht die Absicht dieses
Tropos offenbar dahin auf Verschiedenheiten der Meinung hinzuwei-
sen, die zwischen ganzen Staaten Stämmen und Völkern stattfinden.
vBei Diog. 83 werden deshalb die Beispiele allein von Völkerschaften,
den Persern Griechen Massageten u. s. w. entlehnt. Wenn Sext. Pyrrh.
I 145. 150. 153. 155. 160 auch Einzelne als Beispiele anführt, so er-
weckt diess den Verdacht späterer Ergänzung, da diese Einzelnen
Philosophen von verschiedener ethischer Richtung sind und als solche
in den Bereich des zweiten Tropos gehörten.) Diese Verschieden-
heiten treten hervor in der Lebensweise {dywyij)^ in Gesetzen, reli-
giösen Vorstellungen und Sitten {iB^vixal avv&ijxai Diog. f^i/ Sext.
a. a. 0. 145). Sie sollen aber ausserdem hervortreten in den doy^xa-
Tixat vnoXrixpfiq. Als Beispiele derselben werden angeführt die Ant-
worten auf die Fragen ob ein oder mehrere Principien anzunehmen
sind, ob die Seele unsterblich ist und ob es eine Vorsehung gibt (Sext.
151). Offenbar ist diese Verschiedenheit eine ganz andere als die
vorher genannten, da sie einen Unterschied einzelner Menschen und
nicht ganzer Staaten und Völker betrifft, und einen anderen allge-
meinen Gesichtspunkt, unter dem sie sich mit den genannten ver-
einigen Hesse, vermag ich nicht zu entdecken. Es scheint daher
nichts übrig zu bleiben als die Annahme, dass diese Verschiedenheit
hier erst nachträglich hinzugefügt worden ist. Man hatte das Be-
dürfniss unter den Gründen der Skepsis auch den Streit der natur-
philosophischen Lehren geltend zu machen. Im zweiten Tropos, in
dem sich allenfalls die Ethik unterbringen Hess, war dafür nicht der
geeignete Platz. Besser schien sich der fünfte dafür zu eignen, in
dem schon ein Kapitel der Naturphilosophie, das der religiösen Vor-
stellungen, Unterkunft gefunden hatte. Damit verband man also die
Naturphilosophie: wobei man freilich das eigenthümliche Wesen des
ganzen Tropos ausser Acht Hess und nicht bedachte dass Staaten
und Völker zwar nach religiösen Vorstellungen sich scheiden, aber
nicht nach den Antworten die in ihnen auf die Probleme der Natur-
philosophie gegeben werden.
10 Di6 verschiedenen Formen des Skepticismus.
gründet sein konnte, versteht sich von selber. Aber auch
dass in einer Skepsis dieser Art der Meinungsstreit der
Philosophen noch nicht dieselbe Rolle wie später spielt ist
begreiflich. Wir müssen nur bedenken was Agrippa und
seine Genossen unter dem Meinungsstreit verstanden den sie
an die Spitze der skeptischen Argumente stellten: nicht den
Streit über beliebige Lehren sondern denjenigen der die
Giimdlage aller Erkenntniss berührte und die Frage betraf
ob die Wahrheit in den Sinneseindrücken gegeben sei oder
durch das Denken gewonnen werde. ^) Gorade über diesen
Punkt bestand aber unter den vorsokratischen Naturphilo-
sophen keine tiefer gehende Meiimngsverschiedenheit: viel-
mehr blieben alle, so sehr sie gegen die siimlichc Wahr-
nehmung eifern mochten, doch thatsächlich von ihr abhängig,*)
ganz abgesehen davon dass die Frage wie und wodurch wir
etwas erkennen noch gar nicht bestimmt aufgestellt worden
war und daher auch eine verschiedene Beantwortung der-
selben durch verschiedene Philosophen nicht so hervorgetreten
wäre um den Anlass zu skeptischen Zweifeln geben zu können.^)
Aber nicht bloss durch das was ihnen fehlt sondern auch
durch das was sie enthalten erinnern die älteren Tropen an
') Sext. £mp. Pyrrh. I 170: oti 6h nav xo t^rixovfievov flg xov-
xovq dvdyeiv xovg xQonovg ivöi^^xai, Siä ßga^hütv vnoSsi^o^sv ov-
X(og. xd TiQOxe&hv tjxoi alo&rjxov ioxiv tJ votjxov, bnoTov 6' av g
öiansipfovfixat ' oi fihv yaQ xa alaB^xa fiova <paaiv eivai dXtj&ij, oi 61
fiova xa vorjxd, oi 6h xiva fihv aloS^xd xiva 6h vofjxd.
*) Für die Eleaten, die Vertheidiger der Vernunfterkenn tniss,
ist in dieser Beziehung besonders charakteristisch was Aristoteles
^Met. I 5 p. 986^ 18) von Xenophanes sagt: elg xbv öXov ovgavhv
dnoßkhpag xo %v slvai <pTjai xbv &€6v.
') Ebenso wenig konnte Demokrit nach dem Stande, den die
Philosophie zu seiner Zeit einnahm, die Meinungsverschiedenheit der
Philosophen Über ein ethisches Problem berücksichtigen, deren Sextos
Emp. Pyrrh. I 85 ff. gedenkt.
Ursprung der pyrrhoDischen Skepsis. 11
Demokrit, da die Skepsis beider sich im Wesentlichen be-
schränkt auf die Bestreitung der sinnlichen Wahrnehmung und
des Anspruchs den diese erhebt das Wahre zu geben. Dass es
ein Akt der Willkür ist, wenn wir unsere eigenen Empfindungen
auf die Dinge ausser uns übertragen, sprechen am schärfsten
die vier ersten Tropen aus. Dasselbe thut Demokrit in den
Yon Sext. fjnp. adv. dogm. I 135 angeführten Worten: vofiqi
yXvxi) xal voficp jiixqop, poficp d^sQuov roficp tp^vxQov, tfofio}
IQOifi^) Beide weisen lun die Unzuverlässigkeit der Sinnes-
eindrücke zu begründen auf die Verschiedenheit der Um-
stände hin, in denen sich sei es das wahrnehmende Subject
sei es das wahrgenommene Object befindet. Von den pyr-
rhonischen Tropen kommen hierbei der vierte und siebente
(nach Diogenes, nach Sextos ist es der fünfte) in Betracht,
von Demokrit die bei Sext. a. a. 0. 136 erhaltenen Worte:
ilUtlc; 6e riß fiiv iovrt ovdev drQExeg öwlsfiev, f/erajtljcrov
dt xard rs odfiatog diad-iyriv^) xal rcop ijceioioprcov xal
avTKSrrjQtCpvTcov, Auf die Verschiedenheit der menschlichen
Bestrebungen berufen sich sowohl die Pyrrhoneer*) wie
Demokrit,*) und zwar beide im Wesentlichen zu demselben
^) Auf diese Aeusserung berufen sich auch die Skeptiker bei
Diog. 72. Vgl. auch Timons Verse bei Euseb. praep. ev. XIV 18, 15,
in denen das verkehrte Treiben der Menschen abgeleitet wird ix
na^iwv 66§rjg ts xal eixalrjg vo/iod'ijxijq.
^) Denn so ist statt öia^tjxijv mit Mullach Demoer. S. 262 zu
schreiben.
*) Diog. 81: xal o fjihv iazQixtjq o 6h yewQyiag akXog d' ifino-
(Mag dgtyetai' xal xavxa ovg fikv (ildnzsi, ovg 6s e^tpekeV oO-ev iipe-
xikov. Sext. Pyrrh. I 86.
«) Demokrit im Briefe des Hippokrates (ed. Littr^ IX S. 364)
sagt: TL 6b xbv ifiov, '^InnoxQaxBg, i/iifitpat yikwxa; ov yoiQ adxog xig
TJjg I6hig dvolrjg, dXX' äkXog dXlov xaxayela, oi ßhv xwv /ibS^vovxwv,
oxav avxol 6oxi(o<ji V7J<pBiv, ol 6h xwv iQ(ovxü}v, x^XsnwxiQijv vovaov
vooei'vxeg avxoif ol 6h x<3v tiIbovxwv, aXkoi 6h xdiv nsQl ysütQyltjv
12 Die verschiedenen Formen des Skopticismus.
Zwecke. Denn die Pyrrlioneer leiten daraus die Nothwendig-
keit der Ijtox^ ah; für Demokrit andererseits ist die Ver-
schiedenheit der menschlichen Bestrehungen ein Zeichen
ihrer Eitelkeit, auf die er die Forderung der draQa^lrj gründet;
auf diese aber läuft auch die skeptische tjrox/) hinaus.^)
Dagegen scheinen die Pyrrhoneer, indem sie die Wesenlosig-
keit der moralischen Begriffe behaupten und zum Beweise
unter Anderem sich auf die Verschiedenheit der mensch-
lichen Gesetze berufen,*) mit Demokrit nicht übereinzu-
stimmen, der es nicht imr überhaupt nicht verschmäht hat
sittliche Vorschriften zu geben sondern insbesondere auch
die Unterwerfung unter die Gesetze predigt. Beides scheint
vorauszusetzen, dass er die Moral, die menschliche und
bürgerliche, für etwas mehr hielt als ein blosses Produkt
menschlichen Meinens und WoUens.^) Dass dieser Schein
aber trügt, dass man sittliche Vorschriften, noch dazu die-
selben Vorschriften wie Demokrit geben, dass man auch
Gehorsam gegen die Gesetze fordern und dabei doch alle
Sittlichkeit und alle Gesetze für menschliches Machwerk er-
klären kann, beweisen eben die PyiThoneer. Denn das worin
die einzehien Vorschriften Demokrits zusammenlaufen, die
Gemüthsruhe (draga^b]) und Mässigung der Leidenschaften
daxo}.fj^h>ta)V' ov ovfiffwväovat yaQ ovve tatg rix^cci^ ovre toli; eg-
yoig. In wie fern dieser Brief zur Kenntniss von Demokrits Ansich-
ten benutzt werden darf, s. in meiner Abhandlung über Demokrits
Schrift 716^1 Fv&vfiiric Hermes XIV 354 ff.
*) Diog. 107: T^Aoq ol oxenrixoL <paoi tj/v inox^v, y axiäq tqo-
nov inaxokovd'Si rj dra^a^la, äg (paaiv dl xe nsQt Tl/ncjva xai Alvf-
aiöfjfiov. Sext. Pyrrh. I 29.
*) Im fünften Tropos nach Diogenes, im zehnten nach Sextos.
^) Das entgegenstehende Zcugniss dos Epiphanios exp. fid. 1088 A,
wonach Demokrit die Gesetze für eine schlechte Erfindung erklärt
und gesagt habe, der Weise solle ihnen nicht gehorchen, kann als
ein ganz unzuverlässiges nicht in Betracht kommen. Zeller I 833, 3.
Ursprung der pyrrhonischen Skepsis. 13
forderten sie ebenfalls*) und verlangten nicht minder dass
man sich den Gesetzen unterworfen solle.*) Man wird daher
die Möglichkeit nicht bestreiten können, dass auch Demokrit,
wie energisch und streng er auch seine moralischen Lehren
ausspricht, doch an die absolute Wahrheit und Geltung der-
selben nicht geglaubt hat. Und diese Möglichkeit wird zur
Wahi-scheinlichkeit, wenn wir bedenken dass Demokrit für
das allein Wirkliche die Atome und das Leere erklärte:
denn consequenter Weise musste er hiernach die moralischen
Grundbegriffe des Guten und Bösen fiir subjectivo Vorstel-
lungen und die verpflichtende Kraft, die wir ihnen beilegen,
fiir einen blossen Schein halten.*) Wenn er trotzdem diese
Welt des Scheins einer eingehenden Beachtung und ausführ-
lichen Darstellung gewürdigt hat, so ist er darin nicht anders
verfahren als Parmenides im zweiten Theile seines Gedichtes.
M Dass die PyrrhoDeer auch die Mässigung der Leidenschaften
forderten, sich nicht mit der Forderung der Leidenschaftslosigkeit
begnügten, zeigt Sextos Pyrrh. I 30: Sia rovro ovv iv fxlv rolq öo^a-
atoig draQa^lav zilog eivai (pcc/uiev xov axenzDcov, iv 6h tolg xazr^-
vuyxaafiivoiq fiSTQiond^eiav. Vgl. adv. dogm. V 150 ff. Schon 148
in den Worten iv 6h xoTq xar* aitoB-riaiv xal d?.6Yoig xiv/j/iaaiv eixd-
i^ft ist gewiss statt elxa^ei herzustellen fier^id^ei, wie Bekker ver-
muthet hat.
*) Sext. Pyrrh. I 17: dxolovO'OVfisv ydg rivi koyio xaxd xb tpai-
vofifvov v7io6(ixvvvxi Tiuuv xb 'C,rjv TiQog xd 7idx()ia t^jy xal xovg vo-
ßovg xal xdg dywydg xal xd olxeTa nd&rj. 231: ol xax^ avxijv (r^v
vtav Xxa6rjfztav) xoafiflo9-ai Hyovxfg dv6gsg xw ni^avQß 7ipooxQ(5v-
rai xaxd xbv ßiov, tj/nftg 6^ xoTg vofioig xal xolg ^d-sot xal xoZg (pvai-
xoTg Tid^eotv hnofxevoi ßiov/uev d6o^dani}g. ad?, dogm. V 166: dvay-
xa'^oiJ.evog {b oxenxtxog) vnb xvgdvvov xi xwv dmiyoQfVfjLiviov TCQdx-
rtiv, xy xaxd xovg naxglovg vofiovg xal xd td// npokijipei xv/^bv xb
fthv hkBixai xb 6h (pev^exat. Diog. 108: xal alQOVfif^d xi xaxd xr^v
avvfjO^etav xal (pevyofxsv xal vofxoig /()(w//f ^a.
*) Er konnte nicht wie Heraklit (fr. 91 Byw.) sagen: XQiipovxai
ndvxfg ol dvB-Qtonfioi vofioi vnb hvbg xov B-eiov.
14 T)ie verschiedenen Formen des Skepticismus.
Dass aber Demokrit jene Consequenz wirklich gezogen hat,
dass er die Gesetze des menschlichen Handelns nicht für
solche hielt die die Natur dem Menschen sondern die dieser
sich selber gegeben habe, davon glaube ich eine Spur noch
in den theilweise schon angeführten Worten zu erkennen:
i'Oficp yXvxv xai i'Ofim jtixQov, voficp ß-SQfiov vofjo) tpi?;f(>oi%
vofioj XQ^^V' ^^^?7 ^^ arofia xai xevov. Ich fürchte nicht
mich einer falschen Auslegekunst schuldig zu machen,^) wenn
ich behaupte dass, wer das Wort vofiog einmal in diesem
Sinne gebraucht hat, damit immer nur den Begriff von etwas
Conventionellem, von etwas dessen Geltung nur auf mensch-
licher Vereinbarung und Gewöhnung beruht, verbunden haben
kann. So haben die Meinung Demokrits auch die Pyrrhoneer
gefasst, wenn sie den Gegensatz zwischen Satzung (vofiog)
und Wahrheit (irs?}, aXrjd^sta) über die engen Grenzen
hinaus, die ihm in dem angeführten Fragment gezogen sind,
auf das Gebiet der sittlichen Vorstellungen übertrugen und
damit die Behauptung, Pyrrhon habe sich an den Demokriteer
Anaxarchos angeschlossen, begründen wollten.^) — Und nicht
bloss in der Skepsis auch in dem Ziel das sie derselben
steckten gingen die Pyrrhoneer auf Demokrit zurück. Dieses
Ziel war die draQa^la, Zeller hat freilich auch hierin eine
Anlehnung an die Kyniker gesehen (S. 479, 2). Er beruft
sich dafür auf solche Stellen, in denen Kyniker alle Dinge
ausser der Tugend für gleichgiltig erklären und im Sinne
*) Ich bemerke diess wegen Zeller I 833, 3.
*) Diog. 61: odSlv yuQ e<paaxsv {IIv^Qmv) ovrs xaXhv ovre aia-
XQ^y ovte dlxaiov ovr^ aSixov xai b/nolcjg inl navxwv firjöhv elvat
Ty dlrjO^sla, v6fi(o 6h xai sd-st navxa xovq dvS^Qtonovg ngdtrsiv ov
yaQ fiäXXov roSf r] xoöb slvai txaoxov. Mehr an diese Worte als
an das angeführte Fragment Demokrits erinnert in der Form Cicero
Acad. post. 44: opinionibus et institutis omnia teneri, nihil veritati
relinqiü. Dieser Gedanke wird aber Demokrit zugeschrieben.
Ursprung der pyrrhoniscben Skepsis. 15
des Antisthenes die axvq)la als Lebonszicl hingestellt wird.
Es genügt aber nicht bei dieser Uebereinstimmung stehen
zu bleiben, die nur das Allgemeine der Lebensauffassung be-
trifft, sondern es muss auch die bestimmtere Form die ihr
gegeben ist und die Terminologie in der sie auftritt berück-
sichtigt werden. Dass die Kyniker ihr Lebensideal diu'ch
draga^la bezeichnet hätten, ist mir wenigstens nicht bekannt
und selbst wenn es einmal so genannt wurde so ist doch
unendlich häufiger der Name ajtad-sia. Auch auf das skep-
tische Ideal werden beide Namen angewandt, das Verhältniss
derselben aber ist, was die Häufigkeit der Anwendung be-
trifft, hier gerade umgekehrt. Ja eine nähere Untersuchung
wird kaum zu einem anderen Resultate fuhren als dass
ataQa%ia die eigentliche und ursprüngliche Bezeichnung war
und erst später und nur von Einzelnen dafür die von den
Kynikem entlehnte ajtad-sia eingeführt wurde. ^) Dass aber
') In die draga^ia hatte das Ziel der Skepsis schon Timon ge-
setzt nach Diog. 107 (S. 12, 1), ebenso A^inesidem. Darum ist auch
bei Sextos Pyrrh. I 25 £f. nur von ihr und nie von der dnaS^sia die
Rede. Dass die dtaga^la der Skeptiker von der kynischen dndO^eia
oder Unempfindlichkeit wesentlich verschieden ist, zeigt deutlich Sext.
Pyrrh. I 29, wo, nachdem an den Skeptiker die Forderung der dra-
Qa^ia gestellt worden ist, hinzugefügt wird: ov fx^v dox^^ijtov ndvxy
xov ax^nrixov slvai vo/nl^o/aev, aAA' ^ylela^al <pafifv vnb xwv xcct-
Tjvayxaa/Ä^vtov xal yaQ ^lyovv note bfiokoyovfiev xal öixprjv xal rot-
0vr6T(ßO7id Tiva ndox^tv. dXXa xai ^v xovxoiq ol fjUiV löicÜTai öia-
oaiq aw^yovxai TteQiardaeaiv, vno re zuiv nad^tav avrwv xal ovx
flTTov vno Tov rag Ttegiardaeig tavtag xaxäq slvai <pvoei doxsTv.
Dass gewisse Dinge Sx^ri(f^ seien behaupteten die Stoiker und woll-
ten eben dadurch ihre dndiheia von der der Kyniker unterscheiden.
Weder mit der stoischen noch mit der kynischen dnd&eta aber darf
die skeptische verwechselt werden. Sonst könnte sie nicht mit der
ftfTQioTidHeta verbunden werden, vgl. Sext. a. a. 0. 30: iv fihv roTg
öo^aoToTg draga^lav tikog elval (pafifv rov oxennxov, iv Sh ToTg
xaxtivayxaofikvotg fifXQiondB^fiav. adv. dogm. V 149 flf. (bes. 161 f. u.
16 Die verschiedenen Formen des Skopticismus.
Demokrit seinem Ideal den Namen der droQa^ia gegeben
1G6, welche Stellen sich gegen Stoiker und Kyniker zu richten schei-
nen). Denn es käme diess, sobald unter der axaga^ia die stoische
oder kynische dndS^eta verstanden würde, einer contradictio in ad-
jecto gleich. (Dass beides sich nicht vereinigen lässt, hat auch Zeller
eingesehen II I» 490; statt aber die dnd^sia aufzugeben nimmt er
lieber an dass die Vorstellung der fier^tondB^fia erst der späteren
Skepsis angehöre. Diess mag was den Namen betrifft richtig sein.)
Nun könnte man sich freilich auf Sext. Pyrrh. III 235 berufen: iv
fihv roig öoSccaroTg dnaS^ijg ßivsi (6 oxeniixoq), iv 6h roig xarrjvay-
xecöfi^voiq fifXQiona^eL Diese Stelle ist aber darum nicht beweisend,
weil hier dnaB^tiq genauer bestimmt wird; denn der Zusatz ^v roig
öo^aaiolg deutet an, dass es nicht sowohl d^n leidenschaftslosen oder
unempfindlichen als den bezeichnet der sich in seiner Meinung nicht
irre machen lässt. Man kann daher aus dieser Stelle nicht schliessen,
dass die Skeptiker um den Begriff der dzaga^ta auszudi'ücken sich
gelegentlich auch des Wortes dnd^sia schlechthin, ohne nähere Be-
stimmung bedient hätten. Dass aber bisweilen das Ziel der pyrrho-
nischen Skepsis so bezeichnet wurde, lässt sich nicht leugnen. Wir
lernen es aus Cicero Acad. pr. 130: huic (Aristoni) summum bonum
est in bis rebus (in mediis] neutram in partem moveri, quae ddia-
<poQla ab ipso dicitur; Pyrrho autem ea ne sentire quidem sapientem,
quae dndd^fia nominatur. Dasselbe bestätigt Diog. 108, von dem wir
aber gleichzeitig erfahren dass es nur Einige (rtv6^) waren die als
Ziel der Skepsis die dnd&eia hinstellten. Wer diese „Einige" waren,
können wir noch einigermaassen bestimmen. Timon und Ainesidem
können es nicht gewesen sein, da, wie Diogenes kurz vorher bemerkt
hat, ihrem Bericht zufolge das Ziel der Skepsis in der iito/Ji und
der auf diese gegründeten dxaQa^la bestand. Es ist auch nicht wahr-
scheinlich, dass es Skeptiker waren, da sonst diese abweichende Rich-
tung von Sextos Empeirikos wohl einmal erwähnt worden wäre (z. B.
Pyrrh. I 30: did rovvo ovv tv fxsv xolg öo^aaxolg dxctQa^Lav xskog
eivai (pafjiev xov axentixov, iv de xotg xaxrivayxaa^bvoig jusxQioTid-
d-siav. xtvhg de xiöv öoxIfjLiüv oxtnxixaiv TtQoaeO^xav xovxoig xal x^v
iv xalg }^tjx^aeotv ino/fjv). Es sind also wohl solche gemeint, die
über die skeptische Schule berichtet hatten; diese Annahme wird
auch durch die Ausdrucksweise des Diogenes {xivhg 6h xal xrjv ditd-
&fiav, clkXoi 6h xfjv n^aozi^xa xtkog elneiv <faai xovg axenxixovg)
Ursprung der pyrrhonischen Skepsis. 17
hatte, wird ausdrücklich überliefert und überdicss dadurch
nahe gelegt. Unter den Aelteren aber, die von der skeptischen
Schule berichtet hatten, macht sich für uns besonders Antigonos von
Karystos bemerklich, und beachtenswerth ist es dass seine Auffassung
Pyrrhons von der Ainesidems sich nicht unwesentlich unterschied.
Diogenes lässt ihn sagen (denn dem Zusammenhang nach gehört ihm
wenigstens der Inhalt dieser Worte) 62: dxokovd-oq S' lyv (Pyrrhon)
x(d TW ßlu}, firjdhv ixxQBitofiBvoq firiöh (fvkatxo^evoq, anavza vtpiaxa-
ßtvoq, afjia^aq, el tvxoi, xal XQrjfjivovq xal xvvaq xal ölwq fiijSlv taiq
alo^otaiv inixQBTcatv. awt^eod'ai fiivroi, xa^a (paaiv ol tisqI rbv
KagvüTiov kvrlyovov, vnb rdiv yvio^lfitov naQaxoXovB-ovvrwv, Gegen
diese Auffassung hatte sich Ainesidem erklärt wie das bei Diogenes
Folgende zeigt: AlvealSrjßoq St (prjoi (piXoao<peTv /ahv avrbv xara xbv
T^q iTioxfjq Xoyov, fitf fi^vxoi y* aiXQOOQaxwq ^xaaxa TtQaxxeiv. Es
ist dieselbe Auffassung, die auch noch in den weiteren Mittheilungen
des Antigonos bei Diog. 63 hervortritt: ael r* elvai iv xw avxw xa-
xaaxrjficcxi, äax^ sl xal xiq avxbv xaxaXinoi fzexa^v Xtyovxa, ccvxw
StancQulvetv xbv Xoyov, xaivoi xexivrjfiivov ovxa iv veoxTjxi. nokld-
xiq, <pr]ol, xal dnsSrffjiei, /irjösvl TiQOfinwv, xal ovve^^ifißexo oioxioiv
txvxEv. xal Tiox* Äva^aQxov elq xiXfia ifiTieoovxoq nagrik^ev ov ßoij-
^aaq' xivaiv rf' alxiwiihmv avxbq Ävd^aQX^*^ in^vei xb döidtpoQOv
xal äatoQyov avxov. Der in diesen Zügen uns entgegentritt ist kei-
neswegs der Weise nach dem Herzen Timons und Ainesidems, der
sich vielmehr den herrschenden Anschauungen, Sitten und Gesetzen
fügen sollte; der Pyrrhon des Antigonos ist gegen alle äusseren sinn-
lichen Eindrücke unempfindlich, das vollendete Muster eines dnaS^q.
Es findet also zwischen Ainesidem und Antigonos im Wesentlichen
derselbe Unterschied statt wie zwischen Timon und Ainesidem einer-
seits und den Ungenannten, die das Ziel der Skepsis in der dnd^na
erblickten. Wir sind daher wohl berechtigt unter den „Einigen" an
Antigonos oder doch an solche zu denken die in der Auffassung
Pyrrhons mit ihm übereinstimmten. Das Verhalten Pyrrhons, wie es
Antigonos schUderte, Hess sich mit keinem besseren Namen als dem
der dnd&sia bezeichnen; der Ausdruck ist also in diesem Falle voll-
kommen sachgemäss. Sonst liesse sich denken, dass ein der kyni-
schen oder stoischen Schule angehöriger Berichterstatter, der es mit
dem Wesen der dvaQa^la nicht zu genau nahm, dieselbe in die
Sprache der eigenen Schule übersetzt und deshalb dnaH^eia genannt
nirzol, Untorftachnngon. III. 2
18 l^ie verschiedenen Formen des Skepticismus.
bestätigt dass denselben Namen auch die epikureische Schule
habe. Ich bemerke diess deshalb, weil in einer anderen auf Pyrrhon
bezüglichen Darstellung dieser Fall wirklich eingetreten zu sein
scheint. Bei Diogenes lesen wir nämlich 66 Folgendes: eiaeßiu;; dh
xal ry döektpy avvsßlw fictla ovay, xaihd (pijatv ^Egatood-ivt],; iv rai
negl nXovrov xal nsvlag, oxe xal avxoq (fiSQwv elg t^v ayogav ini-
TiQaaxev ogvl^ia, el xv^oi, xal xoiQt^ta, xal r« inl xijq oixlaq ixd-
{^at^Bv dStatpoQwg. Xiyexai 6h xal ökk<paxa Xovfir avxoq vn^ dSta-
(poQiaq. xal x^^^l^^^ ^' vnhg xijq dSehpiJQy ^nXlaza (f* ^xaXelro,
TiQoq xov inikaßofjtevov tlntlv €m$ ovx iv yvvalo) ^ inlSei^ig xrjg dSia-
tpoQlag. Es ist auffallend dasa um das Verhalten Pyrrhons zu be-
zeichnen hier der Name der dStatpogia festgehalten wird; das Auf-
fallende liegt darin, dass diese Bezeichnung constant gewählt wird
und nicht bloss einmal unter anderen, wie diess auch 63 geschehen
war, und wird noch dadurch verstärkt dass Cicero Acad. pr. 130 die-
selbe gebraucht gerade um ein von dem Pyrrhons verschiedenes Ver-
halten als solches zu charakterisiren. Die Erklärung liegt darin dass
die angeführten Worte auf Eratosthenes zurückgehen der wo nicht
ein Anhänger doch ein Zuhörer Aristons war und daher leicht den
Ausdruck d6ia(po(Jia sich angeeignet haben konnte. (Vgl. II S. 45, 1.)
Das Wort dndd^sta fanden wir zur Bezeichnung des skeptischen
Ideals auch von Cicero a. a. 0. angewandt. Aus der hinzugefügten
Erläuterung (ea, nämlich die media, ue sentire quidem sapientem)
sehen wir jetzt, dass diese Bezeichnungsweise auf Einen zurückgeht
der in der Auffassung Pyrrhons mit Antigonos übereinstimmte. — Was
nun die Zuverlässigkeit von Antigenes' Bericht betrifft, um auch dar-
über noch ein Wort zu sagen, so ist dieselbe in neuester Zeit sehr
hoch gestellt worden. Wilamowitz Philol. Unters. IV S. 34 sagt: „wir
sind berechtigt, alles was Antigonos erzählt, für historisch zu halten,
cum grano salis natürlich bei Anekdoten, welche sich seiner eigenen
zuverlässigen Erkundung zeitlich oder örtlich entziehen''. Ein solches
Maass von Glaubwürdigkeit kann ich Antigonos nicht zugestehen.
Nicht bloss streift seine Darstellung Pyrrhons nahe an die Caricatur.
sie forderte auch den W'iderspruch Ainesidems heraus der doch was
er über Pyrrhon berichtete nicht aus der Luft gegriffen haben wird.
Schwerer als Ainesidems Zeugniss wiegt das Timons, der jedenfalls
am besten über Pyrrhon unterrichtet sein musstc. Dass aber Timon
in der Auffassung des skeptischen Ideals mit Aiuesidem auf einer
Ursprung der pyrrhonischen Skepsis. 19
festgehalten hatte. Bei aller Uebereinstimmung besteht in-
Seite stand, dass er die dna^eia keineswegs als solches gelten Hess,
haben wir bereits gesehen. Zur Bestätigung dient dass er in seinem
Python sich rühmte (oder es von Pyrrhon rühmte, wenn nämlich, wie
Zeller 489, 4 meint, zu ^xßeßrixtvai in Gedanken üv^^aiva zu ergänzen
ist) nichts wider die gewöhnliche Sitte gethan zu haben (Diog. 105:
o9ev xal b Tlpumv iv Z(3 Ilvdwvl (prjOi jur) ^xßeßrjx^vai ttjv avvt)-
Hiav). In Pyrrhon sah aber Timon das skeptische Ideal erfüllt (Ari-
stokles bei Euseb. praep. ev. XIV 18, 4: Ti/i(ov toT^; fitv akkoig koi-
ioQelzai Tiäot, Uv^^iova d* vfirfl fiovov), und seine Darstellung des-
selben wird mit der Schilderung von Pyrrhons Leben um so weniger
in Widerspruch getreten sein als sie wie es scheint in einer und
derselben Schrift gegeben wurde (Diog. 67: xal 6 Tlfitov Sh diaoatpel
rjyV StdO-foiy avtov iv olg TiQoq UvS-ojya öii^eiaiv). Insofern nun
Antigonos anderes über Pyrrhon berichtet als Timon ist er keineswegs
glaubwürdig und vielleicht durch einen Autor wie den Peripatetiker
Hieronymos (Diog. 112) getäuscht worden. Zu den von einander ab-
weichenden Berichten beider gehört auch dass Antigonos den Pyrrhon
in die Einsamkeit gehen und menschlichen Verkehr meiden lässt (Diog.
G3: ixTiateTv r' avtov xal igijfidl^siv anaviioq nox^ ijiKpatvofievov roTg
oixoi). Aehnliches wird zwar auch von Timon erzählt (Diog. 112: b
6' oi'v <piXooo<pog xal (pi),6xi]7iog yv atpoöga xal löionQdyfKov, wg xal
lAvTlyovog tfriot. ).6yog yovv eiTieTv ^IsQotvvfiov xbv ne^iTtatTjtixbv
^:r* avrov ,,(bg naQa roTg HxvB^aig xal oi ipevyovreg ro^svovoi xal
oi SuoxovTsc, ovtoj räiv <pi},oa6(fwv ol fjtlv Snoxovreg S^rj^wai ravg
fta^Tftdg, ol Ah (psvyovxeg xaS^dneQ xal b Tifiojv"; wenn dagegen 113
io den auf Timon bezüglichen Worten anovöd^wv 7i6(}l tb /j^ifia l^fjv
Wilamowitz a a. 0. S. 43 herstellen will iQfjfidZsiv statt i^fjsfia ^ijv,
so übersieht er, dass der Zusammenhang nicht den Begriff des ein-
siedlerischen sondern den des ruhigen Lebens fordert). Er selber
kann aber Pyrrhon nicht als einen Einsiedler geschildert haben, da er
es gerade seinem Mitschüler Philon zum Vorwurf macht dass derselbe
zurückgezogen von anderen Menschen für sich allein lebte und forschte,
vgl. Diog. 69: b öh 4*lka}v xä nXfXaxa havxiä iSibXtyexo' ö&sv xal
-7fp2 xovTov tfrjalv ovxatg'
t] xbv «>T* dv^QwTKov avToaxokov aVT0)M/.r]XtjV
ovx ifji7tat,bfABvov ö6^?ig k^löiov xs <Plkajva
(der Text nach Wachsmuth de Tim. S. 72).
2*
20 I^i^ verschiedenen Formen des Skepticismus.
desseu ein wichtiger Unterschied zwischen Demokrit und den
Pyrrhoneern: die Pyrrhoneer suchten die Wahrheit, Demokrit
glaubte sie gefunden zu haben in der Erkenntniss dass die
Atome und das Leere das allein Wirkliche in den Dingen
seien.*) Und dieser Unterschied hebt sich auch nicht in
den Schülern Demokrits, in Metrodor und Anaxarchos, auf,
die, wenn sie auch dem Skepticismus noch stärkeren Aus-
druck gaben, doch keineswegs auf alle Erkenntniss verzichten
wollten. Ist aber dadurch das Band zwischen Demokrit und
Pyrrhon zerschnitten? Man wird diese Frage so lange nicht
bejahen dürfen als man noch fortfährt Aristipp für einen
Schüler des Sokrates zu halten: denn sowie Aristipp an
sokratische Gedanken anknüpfte, diese aber zu Consecjuenzen
entwickelte die das Wesen der sokratischen Ethik zerstörten,
ebenso konnte auch Pyrrhon von skeptischen Aeusserungen
Demokrits ausgehend zu Resultaten gelangen die mit dessen
dogmatischer Grundanschauung in Widerspruch standen.
Diese einseitige Auffassung der Lehre Demokrits musste
dann noch befördert werden, wenn dieser vielleicht in einer
Schrift seine dogmatische Grundüberzeugung ganz versteckt
und nur den Skeptiker herausgekehrt hatte. Eine solche
Schrift war aber, wie sich mit einer gewissen Wahrschein-
lichkeit sagen lässt, die Schrift jrtQl ('cO'Vfili]^;. Einen An-
lass sich in derselben über die Atomenlehre zu verbreiten
hatte Demoki-it durchaus nicht, und ob es passend war in
einer Schrift, die einen ganz populären Charakter trägt, sich
mit einer blossen Andeutung darüber zu begnügen überlasse
ich Jedem selber zu entscheiden. Wahrscheinlich wird er
also ganz davon geschwiegen haben. Andererseits konnte
er durch den Gegenstand seiner Schrift sehr wohl dazu ge-
M Dass auch die Skeptiker diesen Unterschied nicht verkann-
ten, lehrt Sext. Pyrrh. I 213 ff. vgl. 147.
Ursprung der pyrrhonischen Skepsis. 21
fuhrt werden von der Unsicherheit des menschlichen Wissens
zu reden und vor dem Streben danach zu warnen als vor
etwas das der Seelenruhe nicht forderlich sei. Und wirklich
predigt denn auch ein bei Stob. ecl. II 12 erhaltenes Frag-
ment, dass man nicht begehren solle alles zu wissen damit
man nicht die Erkenntniss von allem verliere.^) Dass aber
Pyrrhon sich gerade an diese Schrift gehalten habe, sind wir
darum berechtigt anzunehmen weil es Demokrits ethische
Hauptschrift war, Pyrrhon aber vorzugsweise für die Ethik
sich interessirte, und weil das Thema dieser Schrift die
oxaQa^la und ihre Ursachen bildeten, also gerade diejenige
Lehre die Pyrrhon sich von Demokrit angeeignet hatte.
Unter diesen Umständen gewinnt noch eine grössere Bedeu-
tung die Aehnlichkeit, die wir schon vorhin (S. 11,4) zwischen
einem pyrrhonischen Tropos und Aeusserungen fanden die
Demokrit in jener Schrift gethan hatte. Die hiernach wohl
begründete Annahme, dass Pyrrhon an Demokrit angeknüpft
habe, wird durch das Verhalten seiner Anhänger noch weiter
bestätigt. Dieselben verleugnen den Ursprung ihrer Skepsis
keineswegs. Dahin zielende Aeusserungen Timons sind uns
schon früher (S. 4, 1) vorgekommen. Eben dahin führt aber
auch ein bisher noch nicht beachteter Umstand, der Titel
\on dessen Schrift ^IröaXfioL Denn dieses Wort, obgleich
das damit zusammenhängende IvödXXeoO'ai sich häufiger
fiadet, ist uns ausser in dem Titel von Timons Schrift nur
noch in einem Briefe Demokrits erhalten, worin er an Hippo-
krates schreibt (Hipp. IX S. 380 Littre): oxoaa yccQ IvöaX-
HOlöL ötaXXaxrovra dva tov 7]iQa ütXa^u 7/fitag, a dij xo-
Cfim %vvB(6Qaxai xal d(i8ty)tQVöfiiovra r^rsvxs, ravra voog
*) Mt^ navxa. inlataa&at TtQodv^so, ft^ ndvrtov dfia&f)g y^-v^.
Andere ähnliche mehr oder minder sicher auf Demokrit zurückzufah-
rende Aeusserungen noch bei Mullach fr. eth. 140 ff.
22 I^Je verschiedenen Formen des Skepticismus.
IfiOQ (pvOtv iQtvvrjCac arQtxiojq Iq (paoc, ff/ar/B^y fiaQTVQtq
61 Tovrecov ßlßXoi vjc ifioto yQag)etaai. Dass diese Worte
sich an Demokrits Schriften anlehnen, sagt uns der Schluss-
satz und wird überdiess durch Diogenes IX 47 bestätigt der
als Titel einer demokritischen Schrift angibt jtsgl dfitiipi-
Qvöfiiöiv, Demokrit also scheint sich in seinen Schriften
öfter des Wortes tvöaXfiog bedient zu haben, und die Ver-
muthung ist nicht zu kühn, dass Timon daher die Anregung
zum Titel seiner Schrift empfing. Im Sinne Demokrits war
endlich das Interesse das gerade die pyrrhonischc Schule
immer an der Naturwissenschaft genonmien hat. Dieses In-
teresse spricht sich schon darin aus dass Timon seinen Sohn
in der Medizin sei es nun selber unterrichtete *) sei es durch
Andere unterrichten Hess; noch mehr aber in der Neigung
die im Laufe der Zeit die skeptische Schule gezeigt hat
sich mit der der empirischen Aerzte zu verbinden (Bonnet
De Galeni subfigur. emp. S. 13). — Das Wichtige des ge-
wonnenen Ergebnisses ist übrigens, wie sich noch zeigen wird,
nicht sowohl dass die pyrrhonischc Skepsis gerade an Demo-
krit als dass sie überhaupt an die vorsokratische Natur-
philosophie angeknüpft und die von dieser eingeschlagene
Richtung weiter verfolgt hat.
2. Ursprung der akademischen Skepsis.
Nur als ein Nebenzweig der pyrrhonischen pflegt die
akademische Skepsis zu gelten. So urtheilto man schon im
') Diess ist jedenfalls die nächst liegende auch von Wachsmuth
gebilligte Auffassung der Worte des Diogenes 109: tbv fxhv TiQsaflv-
TSQOv Zdvd'Ov ixdkeas xal latfiixrjv iölöa^e xal 6td6oxov rov ßiov
xatehne. Und wir haben keinen genügenden Grund sie in Zweifel
zu ziehen (Zeller III» 4M Anm. Bonnet De Galeni subfigur. empir.
S. 13).
Ursprung der akademischen Skepsis 28
Alterthum,^) und dieser Auffassung sind auch Neuere bei-
getreten.*) Diese Ansicht scheint durch eine Vergleichung
') Diog. IV 33: «AA« xal zbv Uv^^iova xaxa rivag it,Tj).(6xei
(Arkesilaos). Kai t^q Sialsxtixfjq eXx^to xal nJüv ^EQezQixdiv ijTiTeto
h'yywv' oO^ev xal i?.iyeto in' avrov vn' ÄQlaxcDVoq'
IlQoad-e Tlkaxwv, oniS'fv IIv^^wv, ßiaaog JiodtoQog.
xal b Tlfiüiv (Wachsmath fr. 16) in' avxov (pr^aiv ovxwg'
ty yap exo)v MsviStjjLiov vno oxiQvoiai jnokvßSov
d-evaexai ij Ilv^^wva xb näv xgiag rj Aioöwqov
xal ötahmiiv avxbv noisl (fr. 17) leyovxa'
v/j^ofiai eig Uv^^mva xal fig axakibv Jioövdqov.
Eoseb. praep. ev. XIV 6, 3 f. : (bfukrjxdtg 6e IIv^^wvi (Arkesilaos)
ovxog /jUv örj evd^sv xaxaQXvO^slg, n).tjv x^g nQoaQTJaecjg, ivefisive
Hv^^vi wQ xy navxüiv dvaiQtasi. Mvaaiag yovv xal 4*ik6/irjkog
xal Tl/xwv ol axenxixol axsnxixbv aC'xbv nQoaovofxa'Qovaiv aloneQ xal
avxol tjaav, dvaiQOvvxa xal avxbv xb dlr^S'hg xal xb iifsvSog xal xb
m^vov. Aex^flg ovv av alxla{?) xwv nv(j^(avdü>v Uv^Qtoveiog, alSoi
xov iQaaxov (des Krantor) vnifitive kiyeaS^ai lAxaörifiaixbg txt. Hv
filv xolvvv Ilv^^ajveiog, nXriv xov 6v6/iaxog, ÄxaÖTifiaixbg S' ovx tjv
nkr^v xov kpyeaS^at. Sext. Pyrrh. I 232: b fiivxot lAQxsallaog, ov
rijg fjiinrjg kxaöij/ilag iXsyofxev slvat nQoaxdxrjv xal dgx^ybv, ndvv
ßoi öoxel xolg üv^^tüvtloig xoivwveiv Xoyoig, wg fxiav slvai axsdbv
Tj}v xax' avxbv dywytjv xal xijv tjfiexiQav. 234: st öh öel xal xolg
nfQl avxov Xeyo/iivoig ntaxeveiv, tpaalv oxi xaxd fxlv xb nQox^iQov
Hv^Qwvetog iipalvexo slvai, xaxd 6h rz/v dkfjO^eiav öoy/zaxtxbg tjv xal
infl xwv kxal^v dnonsiQav iXdfißave 6id x^g dnogrjxixijg ei svfpvwg
iXovoi nQog xtiv dvakr^tpiv xwv Dkaxaivtxdiv öoyfidxcjv, öo^ai avxbv
anoQrixixbv slvat, xolg /livxotye evipviat xwv kxalQwv xd IlXdxwvog
nageyxBtQslv sv&ev xal Äglaxwva slnelv negl avxov
nQoa^e Ilkdxwv, ont&ev nv()Qwv, fjtiaaog dioöwQog,
6id xb nQoaxQfjoO^at xy ötaXsxxixy xy xaxd xbv Jioöwqov.
^ Naeh Zeller III& 480 und 490 ist die pyrrhonische Skepsis
erst in der Akademie sorgfältiger begründet und ausgeführt worden.
Vgl. S. 495, 6. Noch weiter geht Leander Haas, wenn er De philos.
seepticor. succession. S. 20 sagt: Qui hodie inter Scepticorum et Ar-
ccsilai doctrinam vere aliquid Interesse dicunt, Sexto ipso melius rem
se novisse fateantur oportet.
24 1^16 verschiedenen Formen des Skepticismus.
der skeptischen Theorien des Pyrrhon und Arkesilaos nur
bestätigt zu werden. Beide gipfehi in der Forderung der
Ijtox^' Dass aber beide nicht unabhängig hierauf gekommen
sind, beweist der Name, den allem Anschein nach Pyrrhon
zuerst aufgebracht und Arkesilaos von ihm entlehnt hat^)
Beide skeptische Theorien begründeten aber auch diese For-
derung zum Theil in derselben Weise, indem sie auf das
Gleichgewicht der für und wider jede Ansicht sprechenden
^) Denn Pyrrhon war der ältere. Wenn also Arkesilaos den
Namen der inoxy zuerst gegeben hätte, dann müsste Pyrrhon, da er
doch diesen wichtigsten Begriff seiner Theorie nicht ohne eine be-
stimmte Bezeichnung lassen konnte, sich dafür eines andern bedient
haben. Welches dieser Name war, müsste dann die Ueberlieferung
verschwiegen haben; denn die d<paala (Sext. Pyrrh. I 192 f.) wird doch
kaum jemand dafür ausgeben wollen. Bei der Verehrung der Pyr-
rhoneer für den Meistor ist es aber schwer denkbar, dass sie die von
diesem für das Ideal gewählte Bezeichnung gänzlich hätten in Ver-
gessenheit gerathen lassen. Ueberdiess würde auch der Name iipexti-
xol nicht gerade zur Charakteristik der Pyrrhoneer verwandt worden
sein (Diog. IX 70), wenn nicht diesen ursprünglich die ^noxii eigen
gewesen wäre. Um so woniger kann ich Hill er Hieronymi Rhodil Pcri-
patetici fragm. (in Satura Sauppio oblata) S. 87 beistimmen, wenn er
die Meinung ausspricht dass die Schrift dieses Peripatetikers negl
^.Ttox^^ sich gegen Arkesilaos gerichtet habe. Ebenso gut kann sie
sich gegen die Pyrrhoneer gerichtet haben, deren Gegner Hieronymos
ebenfalls sein müsste und die er, wie das Witzwort über Timon (Diog.
IX 112) zeigt, keineswegs unbeachtet gelassen hatte. Wahrscheinlich
wird sich die Schrift daher gegen beide, pyrrhonische und akade-
mische Skeptiker gerichtet haben. — Dass Galen negl dglax. diSaox.
c. 3 S. 47 k einmal erwähnt r^v vnb tuv TtQsaßvrbQwv kxa6tifiaix(5v
fiaayofitvijv inox^jv, wird wohl niemand dafür geltend machen
wollen dass die Epoche von den Akademikern eingeführt worden sei:
denn abgesehen von der Möglichkeit dass Galen der wahre Sach-
verhalt unbekannt war, so konnte er mit Fug und Recht von einer
Einführung der Epoche seitens der Akademiker sprechen sobald er
nur damit die Einführung in die Akademie meinte, nicht die in die
Philosophie überhaupt.
Ursprung der akademischen Skepsis. 25
Gründe hinwiesen.^) Während so von der einen Seite die
Au&ssung, welche in Arkesilaos nichts als einen selbstän-
digen Anhänger Pyrrhons sieht, sich zu empfehlen scheint,
unterliegt dieselbe auf der anderen Seite gewichtigen Be-
denken. Denn wenn wirklich Arkesilaos nur die pyrrho-
nische Skepsis in einer mehr entwickelten und ausgeführten
Form vertrat, warum blieb er dann überhaupt in der Aka-
demie und nannte sich nicht lieber gleich wie es der Wahr-
heit entsprach einen Pyrrhoneer? *) Es ist daher angezeigt
jene Auffassung in Bezug auf ihre Gründe näher zu prüfen.
Dieselbe konnte sich auf Zeugnisse aus dem Alterthum be-
rufen. Der Werth derselben sinkt aber bei schärferer Be-
trachtung. Diogenes sagt, einige hätten Arkesilaos zu einem
Anhänger Pyrrhons gemacht. An wen er dabei denkt, können
wir wohl aus dem Folgenden schliessen, wo ausser einem
Worte Aristons zwei Stellen aus Timon angeführt werden.
Als Gewährsmänner derselben Auffassung nennt Eusebios
drei Skeptiker, Mnaseas Philomelos und Timon. Endlich
hat noch Sextos Empeirikos den Arkesilaos für einen Pyirho-
neer erklärt. Man sieht, es sind durchweg parteiische Zeugen.
Der älteste (denn dafür dürfen wir doch Timon ansehen)
und die Mehrzahl sind Pyrrhoneer, die ein besonderes In-
^) Bekannt ist die Rolle, die die laoa^hfia in der Theorie der
P}Trhoneer spielt (Diog. IX 73. Sext. Pyrrh. II 130. III 65). Von
Arkesilaos sagt Eusebios XIY 4, 16: <pavai 71€qI andvzwv ^ntxsiv
dfiv' elvai yaQ navta dxardktjTtva xal zovg sig exdrsQa koyovg loo-
xQazelg dkhjXoig. Vgl. dazu Cicero Acad. post. 45: huic rationi
qaod erat consentaneum faciebat (Arkesilaos), ut contra omnium sen-
tentias disserens de sua plerosque deduceret, ut, cum in eadem re
paria contrariis in partlbus momenta rationum inveniren-
tar, facilius ab utraque parte adsensio sustineretur.
^ Dass er sich vor Krantor geschämt habe, wie wir bei Euse-
bios a. a. 0. (S. 23, 1) lesen, ist eine Ausrede, der man die Ver-
legenheit ansieht.
2(> Die verschiedenen Formen des Skepticismiis.
toresse daran hatten Arkesilaos des Plagiats am Pyrrhonis-
mu8 zu beschuldigen; daneben erscheint Ariston, dessen Worte
man ebenfalls nicht als ein historischas Zeugniss wird gelten
lassen. Eine Nachricht aber, die auf solchen Zeugen beruht,
ist nicht bloss ungenügend beglaubigt, sondern hat ganz
das Ansehen einer tendenziösen Entstellung der Wahrheit
Es fragt sich, ob die in der Lehre dos Pyrrhon und Arkesi-
laos vorliegenden Thatsachen ihr eine bessere Stütze bieten.
Dass in gewisser Hinsicht beide übereinstimmen, ist schon
bemerkt worden; eine nähere Betrachtung lehrt aber auch,
worin beide von einander abweichen. Beide stellen die For-
derung der Ijioxrj' h\ der Begründung derselben jedoch
gehen sie schon auseinander. Denn wenn sie auch im All-
gemeinen darin übereinstimmen dass sie auf das Gleich-
gewicht der für und wider jede Meinung sprechenden Gründe
hinweisen, so ist doch die Art und Weise wie sie diess näher
ausgeführt haben eine verschiedene gewesen. Während die
älteren Pyrrhoneer, und wie wir daher annehmen dürfen
auch Pyrrhon selber, rein empirisch verfuhren, hinwiesen
auf die Widersprüche wie sie theils zwischen den Wahr-
nehmungen der Sinne theils zwischen den Meinungen der
Menschen stattfinden, so wie auf die jede Erkenntniss aus-
schliessenden Bedingungen unter denen allein eine sinnliche
Wahrnehmung zu Stande kommt, ging Arkesilaos mehr dia-
lektisch zu Werke, indem er seine Skepsis ableitete aus
einer Bestreitung derjenigen Erkenntniss die die Stoiker als
solche anerkannten.^) Hierbei bestritt er nach Sext. adv.
') Dass er sich bei seiner Polemik auf die Stoiker beschränkte,
müssen wir Sextos glauben, der adv. dogm. I 159 sagt: xavza xal o
ÄQXBclXaoq- o öl KaQveaSriq ov fiovov xoiq atofixoU oIVm xal näot
toTg JtQÖ avTov avxiöiexdaaevo ntQl rov xqittjqIov. Vermuthlich
setzte er voraus dass, wenn eine Erkenntniss möglich sein sollte, sie
nur auf dem Wege stattfinden könnte den die Stoiker in ihrer xa-
Ursprung der akademischen Skepsis. 27
dogm. I 153 zuerst die stoische Ansicht nach der die xaxa-
hfpu; zwischen Wissen {Ijiiorri^rj) und Meinen (doga) in der
Mitte steht und behauptete dass diese beiden mit der xara-
Ifj^ig identisch und unter sich nur durch das Subject der
xardZfjtpig verschieden seien, die in dem einen Falle die des
Weisen in dem anderen die des Nicht-Weisen ist. Danach
bewies er, dass eine xarakrmju;^ wie sie die Stoiker meinten
d. i. die Zustimmung {avyxaxaB'BOK;) zur xaraXtjjtrixi] q>aV'
taaUx in Wirklichkeit nicht existirt (avvjcaQxroc: ton). Der
eine Grund hierfür ist, dass wir unsere Zustimmung nicht
einer blossen Vorstellung {(pavraala) sondern nur einem
ürtheil {Xoyoq, d^liofia) ertheilen. Der andere, dass eine
solche Vorstellung, wie sie in der Definition der xaraXfjtpiq
Yorausgesetzt wird, eine xaxaXijjirtxii (pavxaöla d. i. eine
solche die die Bürgschaft der Wahrheit in sich trägt und
nie täuschen kann (aXtjd^g q>avraola, oli'a ovx dr ytroito
^evd/ng), uns niemals zu Theil wird. Auf diesen zweiten Grund
scheint Arkesilaos besondern Werth gelegt zu haben, da er
ihn durch viele und mannichfache Argumente zu unterstützen
sachte {cog 6id jtoXXojv xal jtoixlXojv ^laglörarcu). Wäre
nun Arkesilaos ein Pyrrhoneer gewesen, so hätte er sich der
in dieser Schule üblichen Argumente bedienen müssen; denn
die xaraXTjjtrix^ (pavracla war eine durch die Sinne gege-
lakfitpiq (denn dass dieses Wort erst von Zenon an diesen bestimm-
ten Begriff befestigt worden ist, zeigt Cicero Acad. pr. 145: tum cum
plane conpresserat [sc. digitos] pugnumque fecerat [Zono], conprehen-
sionem lllam esse dicebat, qua ex similitudine etiam nomen ei rei,
qaod ante non fuerat, xaTd?.j]\piv inposuit) vorgezeichnet hatten. Hatte
er sich in diesem Sinne ausgesprochen, dann ist nicht nur erklärt,
wie er durch eine Widerlegung der Stoiker alle Philosophen für
widerlegt halten konnte, sondern wird auch noch begreiflicher das
freundschaftliche Yerhältniss, in dem er zu Kleanthes (Diog. YII
171. 173. Plut. de adul. et am. 11. Comparetti Pap. Herc. S. 26 f.),
vielleicht auch zu Zenon (Comparetti a. a. 0.) stand.
28 ^ie verschiedenen Formen des Skepticismns.
bene Vorstellung und gegen die Zuverlässigkeit der sinnlichen
Wahrnehmung richteten sich die meisten der älteren pyrrho-
nischei) Tropen. Trotzdem hat er allem Anschein nach diess
nicht gethan, da er wie wir aus Sextos' Worten sehen die
xazaXfjjtrixrj (pavxaoia nicht angriff insofern sie auf der
sinnlichen Wahrnehmung beruht sondern insofern es eine
wahre Vorstellung sein soll die sich von joder falschen unter-
scheidet Hiergegen Hessen sich die pyrrhonischen Argu-
mente nicht verwenden, die um die Unzuverlässigkeit der
Sinne darzuthun nicht die Gleichheit in deren Angaben son-
dern im Gegentheil die Verschiedenheiten und Widersprüche
hervorhoben. Arkesilaos wird daher in diesem Falle nicht
anders verfahren sein als die späteren Akademiker die sich
auf solche Erfahrungen beriefen wie die dass zwei Eier oder
Zwillinge nicht unterschieden werden könnten (Sext. adv.
dogm. I 402 ff.). Seine Methode war sonach eine wesentlich
andere als die der älteren Pyrrhoneer. Aber nicht bloss
die Methode sondern auch die dieser entsprechenden Ergeb-
nisse der Forschung. Wer wie die älteren Pyrrhoneer vor-
zugsweise darauf achtete, dass die gewöhnlichen Vorstellungen
imd Wahrnehmungen sich widersprechen und verschieden sind
je nach den Subjecten in denen und den Vorhältnissen unter
denen sie sich bilden, musste wie es den Pyrrhoneem wirk-
lich erging ^u dem Schlüsse kommen dass jene Vorstellungen
und Wahrnehmungen nur subjectiven W^ei-th haben als That-
sachen unseres Bewusstseins und Empfindens, über die wirk-
liche Natur der Dinge ausser uns aber nichts aussagen.^)
Wer dagegen wie Arkesilaos davon ausging, dass wir kein
Kennzeichen haben um eine wahre Vorstellung von einer
falschen zu unterscheiden, konnte nicht behaupten dass keine
') Vgl. zum Ueberfluss was bei Diog. IX 81 als Ansicht Pyrrhons
bezeichnet wird: /xjjShv slvai xy dXij^siff, vofxm 6h xal ^S-fi Ttdvza
Tovg äv&Qwnovg nQdxteiv' oi» ydg fAälkov xoöf rj xoöf fivat txaaxov.
Ursprung der akademischen Skepsis. 29
unserer Vorstellungen wahr sei sondern nur dass wir nicht
mit Sicherheit sie als solche zu erkennen vemiögen. Das
Dothwendigo Resultat seiner Skepsis ist daher genau aus-
gedrüdd in den Worten navx^ Icxat axaraXrjjira (Sext.
dogm. I 155). Denn diese Worte bedeuten nicht, dass nichts
wahrgenommen werden könne, sondern nur, dass nichts so
wahrgenommen werden könne wie es im Wesen der stoischen
xardXfppig oder xaraXfjJtrixrj (patrtaola liegt d. h. so dass
wir mit der Wahrnehmung zugleich gewiss sind das Wahre
orgriffen zu haben. Der Unterschied zwischen den Pyrrho-
aeeni und Arkesilaos besteht also darin, dass die Pyrrhoneer
im Hinblick auf die zwischen den gewöhnlichen Vorstel-
lungen stattfindenden Widersprüche leugneten es könne in
ihnen die Wahrheit enthalten sein, Arkesilaos dagegen nur
bestritt dass die möglicher Weise in den Vorstellungen ent-
haltene Wahrheit jemals von uns erkannt werden könne.
Hieraus erklärt sich, dass zwar die Pyrrhoneer, die nur die
Wahrheit der gewöhnlichen vorhandenen Vorstellungen, aber
nicht die Möglichkeit bestritten zu wahren Vorstellungen
zu gelangen, zum unausgesetzten Suchen der Wahrheit auf-
forderten, aber nicht Arkesilaos, der doch unmöglich dazu
auffordern konnte eine Wahrheit zu suchen die wir vielleicht
längst besitzen die wir aber in wissenschaftlicher Weise nie-
mals zu erfassen vermögen.^) — So unterscheidet Arkesilaos
*) Daher war ^tjrririxol ein charakteristischer Name der Pyr-
rhoneer (Diog. IX 69 f. Sext. Pyrrh. I 7). Beide Richtungen des
Skepticismus werden in der hier in Frage kommenden Beziehung
unterschieden von Sextos Pyrrh. I 226: ol Sh dnö xfiq viag Äxaörj-
fiiag, fi xal dxardhjTiTa e'ivai ndvxa <faai, ötatfigovoi xiov axenrt-
xiöv Tawg fJtlv xar* avxo xo leyeiv ndvxa tivat dxaxdXtinxa ißiaßs-
foiovvxat Y^Q ^^Q^ xovxov, b 6h oxemixög Ms/eaB'ai xal xaxakr]'
tf^val xiva TiQoaSoxa), 6ia<phQovai 61 xxX. Hier ist zwar von der
Denen Akademie, also zunächst nicht von Arkesilaos die Rede. In-
dessen der Satz ndvxa tlvai dxaxdhfnta, in den hier der Unterschied
30 I^ie verschiedenen Formen des Skepticismns.
sich wesentlich von den Pyrrhoneern, nicht bloss in Bezog
auf den Weg den er zur Skepsis eingeschlagen hat sondern
auch was den Inhalt derselben betriflfL Während die Pyrrho-
neer sich begnügten auf den Widerspruch einzelner Vor-
stellungen unter einander aufmerksam zu machen, wies Ar-
kesilaos auf die Widersprüche und Ungereimtheiten hin, an
der Akademie und des Pyrrhonismus gesetzt wird, bezeichnete das
Resultat nicht bloss der Skepsis des Kameades sondern auch des
Arkesilaos, wie wir aus Sext. dogm. I 155 sehen. Mit Sextos* Worten
scheint in Widerspruch zu stehen (^Zeller 495, 6) die Behauptung des
Arkesilaos (Cicero Acad. post. 45\ man könne nicht einmal das wissen
dass man nichts wisse. Indessen ist diess doch nur Schein. Arke-
silaos will mit jener Behauptung doch nur in besonders nachdrück-
licher Weise aussprechen, dass ein Wissen überhaupt nicht möglich
sei, also dasselbe was auch Sextos als die Ansicht der Akademie
bezeichnet, und mehr als ein nachdrückliches Aussprechen liegt auch
nicht in dem Staßsiiaiovvrai. Noch weniger wird durch jene Be-
hauptung des Arkesilaos der Unterschied zwischen seiner und der
pyrrhonischen Skepsis aufgehoben. Vielmehr wird derselbe darin mit
aller Schroffheit festgehalten. Arkesilaos erklärt, dass man Nichts
wissen könne (Cicero a. a. 0.: itaque Arcesilas negabat esse quic-
quam quod sciri posset, nc illud quidem ipsum, quod Socrates sibi
reliquisset; sie omnia latere ccnsebat in occulto, neque esse quic-
quam quod cerni aut iutellegi possct\ die Pyrrhoneer dagegen leug-
neten nur dass man etwas wisse aber nicht dass man etwas wissen
könne, sie bestritten nur die Wirklichkeit nicht wie Arkesilaos die
Möglichkeit des Wissens i^o dl axenTtxbq tidix^ai^ai xa\ xarakriif^ti-
vcu Ttva TtQoaöoxa). Das Resultat der pyrrhonischen Skepsis ent-
spricht eben genau ihrer Methode. Denn da dieselbe hauptsächlich
in dem Aufzeigen von Verschiedenheiten und Widersprüchen bestand,
dergleichen aber sich nur an vorhandenen wirklichen Vorstellungen
aufzeigen Hessen, so konnte auch der hieraus gezogene Schluss nur
für die bereits vorhandenen Vorstellungen gelten. Die Pyrrhoneer
konnten daher nur schliessen, dass in keiner der vorhandenen Vor-
stellungen das Wissen enthalten sei. (^Hierauf führt auch was Sextos
Pyrrh. I 196 ff. über das Verhalten der Skeptiker sagt. Bes. vgl. 200:
ovttxt öl tft(>6fAtl^a xal ötav /.tywfitv „.Tavra ioTtv dxccrcckr^Tita'''
Ursprung der akademischen Skepsis. 31
denen schon der BegrifiF der xardhpfnc: und xaraXrjjtrixrj
(panacla leidet Ein solches Prüfen und Zergliedern der
Begriffe aber ist ein dialektisches Verfahren. So erscheint
das Verhältniss des Arkesilaos zu den Pyrrhoneem als das des
Dialektikers zu den Empeirikern. ') Der Pyrrhonismus kann
xttl yaQ to Ttdvra o/ioiwi; i^rjyovfisS'a xal ro ifiol avvexSfxofjteS^a,
w; eivai to Xeyofifvov xoiovtov „ndyra oaa iiptodei^oa tdiv doy-
fiaiixüig <^rixovfif:Vü)V d6?}X(ov <faivexal fioi dxardkTjTita^^. rovro
ii iativ ov 6iajtt(iiuox'ßivov negl rov ta nagä joig doy/narixotq }^j]-
^oviava ifvosiog eivai roiavzijg wg elvai dxaidhjnta, «AA« to kavtov
iffi^ dnayytXkovTog, xa&' o, (ffjolr, vnoXafxßdvu} ilti «XC *'*'*'
ov6h xattkaßov ^xfivtov iyw 6tcc trjv tüiv dvtix€tfibV(ov laoaS-^vdav.
201: dtpiatatai o axentixbg wg UQog to nuQov tov ti^hivai tt rtZv
tfixovfiivajv ddijXcjv tj dvaiQtir.) Ebenso hängen auch bei Arkesilaos
HesQltat und Methode aufs Engste zusammen. Er suchte an einzelnen
lieispielen nachzuweisen, dass wir ein sicheres Merkmal des Wissens
nicht haben ; daraus ergab sich denn der allgemeine Schluss dass wir
l>ei keiner Vorstellung, also auch nicht bei einer etwa zukünftig in
(uisem Geist eintretenden sicher sein können ob sie ein Wissen ist
oder nicht. In diesem Zusammenhang gewinnt es Bedeutung, dass
%ach der Demokriteer Metrodoros nicht die Möglichkeit sondern nur
die Wirklichkeit des Wissens leugnete. Seine Worte waren ovöelg
^ifidiv ovölv oiöev, oi*rf' avto tovto noteißov ot'Aa/ifv ?/ ovx oiöof^Bv
(Zeller I 860, 2). Die Pyrrhonecr zeigten sich daher in dem Punkte,
in dem sie sich von Arkesilaos unterscheiden, als Fortsetzer der
demokritischen Richtung. — Dass diejenige Unterscheidung zwischen
Akademikern und Pyrrhonecrn, wonach Beide dieselben Ansichten
die Einen behauptend die Andern zweifelnd vortrugen, eine äusserst
prekäre sei, kann man auch aus Sextos^ Worten herauslesen (vgl.
Zeller 4fJ5, 6) Pyrrh. hyp. I 233: Uyti (Arkesilaos) Ob dyaHd filv
fivai tag xatd fit (tag tnoydg. xaxd öh tag xata iub(}og aiyxata&tasig.
TtlffV ei fifj Ätyoi tig oti tjfitig fihv xatd to <f>atvoßf-vov t^fiiv tavta
k^yofuv xal ov öiaßfßatwttxüig, txftvog iVt w^ nQog tt)v tfvatv, äate
xal dya^ov fihv t'ivai avtrjv Hyf-iv tt)v tn:<>/?/r, xaxbv 6t ttjy avy-
xatdi>€aiv.
') Die Arkesilaos zugeschriebenen tadelnden Aeusserungen über
die Dialektik bei Stob. flor. 82, 4 und 10 schliessen nicht aus dass
32 I^ie venchiedenen Formen des Skepticismoft.
also nicht die alleinige, ja nicht einmal die vorzügliche Quelle
seines Skepticismus gewesen sein. Einen Wink, wo wir diese
Quelle zu suchen haben, gibt uns Arkesilaos' Verfahren selber.
Besonders ausfuhrlich hatte derselbe zu beweisen versucht,
dass eine falsche Vorstellung einer wahren zum Verwechseln
ähnlich sein könne {ovösfiia rotavrrj «Jl/;^/)c (pai^aöla ev^i-
öxtrat out ovx ar yii'oiro ^'tvdfjg, a)g öia xoZZfov xal
jiotxiJLcor jtaQiOritrai. Sext. dogm. I 154). Wir dürfen
daher annehmen, dass nur ein Theil seiner vielen und man-
nichfaltigen Beweisgründe diejenigen sind, die die späteren
Akademiker zu demselben Zwecke vorbrachten. Zu diesen
gehörten aber auch o iyxexaXvftfitrog Xoyoi;^) und 6 öoh
er nicht trotzdem die Dialektik, soweit er sie brauchen konnte, sich
zu Nutze machte. Vgl. dazu Zeller III* 495, 5. Bei Diog. IV 33
heisst es überdiess ausdrücklich xal Tfjg ötakexrixtjg eT^fro.
') Sext. dogm. I 410: xalovoi 6s '^t dnro r^jg !4xaSrjfu*ag\ tni
T« ifatvofieva tovg axwtxovz, tTtl yaQ Tuiv ofioiwv /im* xara liOQffjv
SiatffQovzcjv 6e xeera xb vnoxeifievoi' dfir}/€cy6v ^art StOQi%fn* r//V
xaxa).finxtxiiv *favxaalav ctnro r//^ ti'evSovg xal äxaxaXr]nxov
ivxev^tv yovv xal b iyxsxaXxufihvog awtaxfj Xoyog- iav yoQ ngo-
xvtpavxog ÖQaxovxog ^ektofiev xt5 vnoxfipiivto imaxijvaty sig noXXtjv
dzioQlav iuTteaovfie^a, xal ovx ^'^o/ifr leyeiv TtaxsQoy b ea^xog iaxi
Aodxwv Xip nQOTSQOv TiQoxvtpavxt fj txfQog, noXXdii' ^vsoTcstQaiABvwv
xvß avxw <fwkf(p ÖQaxovxfDV, ov xoivvv t/fi xi iSltofia ^ xaxakrfnxixti
tfovxaola tl Statf^Qei xwv V'frJaJv rf xal dxaxahjnxcjv ipavxaoiwv.
Mit diesen Worten ist es interessant zu vergleichen a. a. O. 252:
hxtivoi {OL dnb xfjg oxoäg) fihv ydg <paatv oxi b ^x^^' t»)v xaxakfjnu-
xr^v (pavxaalav xfyvtxdig nQoaßd}J,ei xy v:iova^ xwv ^^ayfidxatt* Sia-
tpoQa, inelneQ xal elyj xi xoiovxoy iölwfia t) xoiavxrj *favxaola Tcaga
xag d'jJMg (fovxaolag xa^Ti^Q oi xsQaaxai na^d xoig dXlovg o<fetg'
ol 6a dnb xijg ]ixa6Tjfjuag xovvavxiov tpaal 6ivaa^ai xi xaxakriTtxixy
(favxaaUi dnaQd)J.axxov ev(}e^i}asa&ai ti:ei6og. Dass die Stoiker von
selber darauf gekommen sein sollten gewisse Vorstellungen mit einer
bestimmten Art von Schlangen, den sogenannten Hornsch langen , zu
vergleichen, wird man kaum annehmen wollen. Dagegen ist diese
Vergleichung nicht mehr auffallend, sobald wir sie uns als die Ant-
•>o
Ursprung der akademischen Skepsis. ;^-
(^rj/$J) Da nun beide Schlussformeu ursprünglich den
Megarikern eigenthümlich sind,*) so ist es wahrscheinlich,
dass an die Dialektik dieser Philosophenschule die akade-
mische sich ebenso angelehnt hat wie die stoische. Diese
Verinuthung wird dadurch bestätigt, dass die pyrrhonischen
Skeptiker und Ariston Arkesilaos aus seinem Anschluss an
deu Megariker Diodoros einen Vorwurf machten.*) Ueber
das Maass des Einflusses, den die Megariker auf Arkesilaos
geübt haben, kann man streiten: es ist möglich dass er ihnen
uur die einzelnen Argumente entlehnte; aber ausgeschlossen
ist die Annahme nicht dass er auch in der Verwendung
derselben zur Bestreitung der Stoiker sich an sie anschloss,
da der Megariker Alexinos zu den heftigsten Gegnern Zenons
gehörte (Zeller II 1 S. 212, 4). Wollte man auch dieser
wort auf den „verhüllten Schluss" {koyog iyxexakvfifjih'og) der Aka-
demiker denken. Denn da in diesem einmal die Vorstellungen, inso-
fern sie nicht von einander unterschieden werden können, mit Schlangen
verglichen worden waren, so lag es nahe dem gegenüber auf Schlangen
hinzuweisen, die allerdings von anderen leicht zu unterscheiden sind,
und diese mit den xatakrjnnxal (pavraalai zusammenzustellen.
') Sext. dogm. I 415 ff.
*) Dem Eubulides werden beide zugeschrieben bei Diog. II 108.
Den iyxexakvfxfjiivoq sollen Einige auf Diodoros zurückgeführt haben
nach Diog. II 111. Nach Prantl Gesch. der Logik I 54, 94 würde
Diog. VII 82 und Pers. sat. VI 78 Chrysipp als der Erfinder des
Sorites bezeichnet. Doch wird an jener Stelle der Sorites nur unter
den Bestandtheilen der stoischen Dialektik aufgezählt und von Persius
wird derselbe in Worten, die sich an Chrysipp richten, tuus acervus
genannt: woraus nur folgt dass die Stoiker, insbesondere Chrysipp,
sich den Sorites angeeignet hatten.
*) Diog. IV 33. Auf die Pyrrhoneer geht wohl auch zurück
Eoseb. praep. ev. XIV 6, 3, wo Arkesilaos bezeichnet wird als fit-
Taax(i*v JioöwQOv ei^ tu nsnavov(}ytjfitva nii^ävia. {ni^ava Viger)
xavxa tä xofixpd. Es ist zu beachten, dass der „verhüllte Schluss"
bei Einigen als eine Erfindung Diodors galt, s. vor. Anmerkung.
Ilirxel, Untorjinchungen. HI. 3
34 I)ie verschiedenen Formen des Skepticismos.
Vcrmuthung die Frage entgegenhalten, warum Arkesilaos, wenn
seine Skepsis ein Ausfluss der megarischen war, sich zu den
Akademikern reclinete, so wäre die Antwort hierauf leicht
gefunden. Sie liegt darin dass der gemeinschaftliche Boden
der Megariker und Akademiker die Sokratik war und auf
diesen Anfang die Akademie zurückzuführen das eigentliche
Bestreben des Arkesilaos. Man hat diesen letzteren Umstand
bisher nicht genug beachtet. Vielleicht nur deshalb nicht,
weil man in der ganzen Entwicklung der Akademie nur die
gerade Fortsetzung von Piatons Lehre sah, in dem Skeptiker
und Dogmatiker ihr gemeinsames Haupt verehrt hätten.
In der That erscheint unter den Autoritäten der skeptischen
Akademie auch Piaton. So bei Cicero Acad. pr. 14*) und
74*) und Aciid. post. 46.^) Dass aber Arkesilaos' ganzes
Bestreben dahin gegangen sei die platonische Lehre neu zu
beleben, wird an keiner dieser Stellen gesagt; und würde
auch an ihnen die akademische Skepsis auf Piaton zurück-
geführt, so könnte diess doch von dem Standpunkt Philons
*) Lucullus, indem er sich an die anwesenden Vertreter der
akademischen Skepsis Catulus und Cicero wendet, sagt: similiter tos,
cum perturbare, ut illi rem publicam, sie vos philosophiam bene jam
coustitutam velitis, Empedoclen, Anaxagoran, Democritum, Parmeni-
den, Xenophanen, Platonem etiam et Soeraten profertis.
*) Auf Lucullus* Behauptung, dass Sokrates und Piaton den
Skeptikern nicht beigezählt werden könnten, erwidert Cicero mit
folgenden Worten: et ab iis ajebas removendum Soeraten et Platonem.
cur? an de ullis certius possum dicere? vixisse cum iis equidem vi-
deor: ita multi serroones perscripti sunt, e quibus dubitari non possit
quin Socrati nihil sit visum sciri posse; excepit unum tautum „scire
se nihil se scire'S nihil amplius. quid dicam de Piatone? qui certe
tani multis libris haec persecutus non esset, nisi probavisset.
^) Hanc Academiam novam appcllant, quae mihi vetus videtur,
si quidem Platonem ex ilia vetere numeramus, cujus in libris nihil
adfirmatur et in utramque partem multa disseruntur, de omnIbus
quaeritur, nihil certi dicitur.
Ursprung der akademischen Skepsis. H5
ms geschehen sein und wäre daher fiir Arkesilaos' Auffassung
«iner Skepsis nicht beweisend. Hätten die skeptischen Aka-
Icmiker vor Philon nichts weiter beabsichtigt als über die
iltc Akademie des Speusipp und Xenokrates auf Piaton zu-
ückzugreifen, so hätten sie niclit gegen ilin polemisiren
liirfen. Dass sie diess aber thaten, lehren Lactantius' aus
3ioero de rep. geschöpfte Angaben, wonach Karneades
licht bloss Aristoteles' sondern auch Piatons Ansicht über die
lerechtigkeit bestritten hatte. ^) Diess ist allerdings nur
line einzelne Spur aber eine sehr bedeutsame. Denn sie
»igt uns, diiss Karneades es wagt gegen eine wichtige Lehre
md gegen ein Hauptwerk des Stifters der Akademie zu
)oIemisiren, und sie lehrt uns ausserdem, dass man in den
Preisen der skeptischen Akademie nicht schon die dialogische
?onn an sich als Beweis des Skepticismus gelten Hess, be-
•echtigt also zu der Vernmthung, dass man in denselben
(reisen auch noch gegen andere Dialoge, wie z. B. gegen den
^haidon, allerlei einzuwenden fand. Man wird eben alle die-
enigen Dialoge verworfen haben, die einen dogmatisirenden
liarakter tragen; den Dialogen dagegen, in denen noch die
okratische Weise des Gesprächs lebendig ist und die ohne
in bestimmtes Ergebniss verlaufen, wird man die Zustim-
lung nicht versagt haben. So liisst sich beides erklären
as man von Arkesilaos berichtete: sowohl dass er Piaton
'> Cicero de rep. III 6, 9: Carneades autcm, ut Aristotelem re-
lleret ac Platonem, justitiac patronos etc. 7^ 10 f.: plurimi quidem
ilosophorum sed maxime Plato et Aristoteles de justitla multa
cerunt adserentes et extollentcs eam Rumma laude virtutem quod
am cuique tribuat etc. etc. nee immerito exstitit Carneades, homo
mmo ingcnio et acumine, qui rcfclleret istonim orationem et justi-
im quae fundamcntum stabile non habebat evcrteret, non quia vitu-
randam esse jiistitiam scntiebat, sed ut illos defensores ejus osten-
ret nihil certi, nihil firmi de justitia disputare.
3*
36 I^ie verschiedenen Formen des Skepticismus.
bewunderte 0 wie dass er der Erste war der in der Aka-
demie von ihm abfiel.^) Hierin liegt eigentlich schon aus-
gesprochen, dass Arkesilaos nicht an Piaton anknüpfte son-
dern an Sokrates, auf den man damals, ähnlich wie heutzutage
von verschiedenen Seiten auf Kant, zurückging. Mit dieser
Ansicht steht auch die glaubwürdige Ueberlieferung im Ein-
klang. Denn dass auf diejenige kein Verlass ist, die ihn
zu einem Pyrrhoneer stempelt, ist schon bemerkt worden.
Eine andere liegt vor bei Cicero mit. deor. I 11: haec in
philosophia ratio contra omnia disserendi nuUamque rem
aperte judicandi, profecta a Socrate, repetita ab Arcesila,
confirmata a Carneade, usque ad nostram viguit actatem;
de fin. II 2: is (Socrates) percontando atque interrogando
elicere solebat eorum opinioues, quibuscum disserebat, ut ad
ea, quae ei respondissent, si quid videretur, diceret. qui
mos cum a posterioribus non esset retentus, Arcesilas eum
revocavit instituitque ut ei, qui se audire vellent, non de
se quaererent sed ipsi dicerent quid sentirent; quod cum
dixissent, ille contra. Einen Grund die Zuverlässigkeit
auch dieser Nachricht zu verdächtigen kenne ich nicht. Sie
wird überdiess bestätigt durch Diog. IV 28.^) Hiernach
nahm Arkesilaos zuerst in der Akademie die Gesprächs-
methode wieder auf, und dass diess einen Anschluss an So-
krates bedeutet hebt Cicero an der zweiten der angeführten
Stellen ausdrücklich hervor. Vor Allem aber spricht für
M Diog. IV 32: iwxei <J// S-ar/idt^siv xat tov llkaiwva xal ta
ßißUa txkXTijTO avtov.
*) Diog. IV 28: n(iwxo<; xov Xoyov ixlvr^af xov vno Tlkdxio-
Yoq TtaQaÖeSofiivov xal inolrjat Si^ i(}wxf}aewg xal dnoxQlatfoq i^i-
oxixwxeQov. Euseb. praep. ev. XIV 4, 16: üokefiaßva yd(} ipaai
diaök^aa&ai ÄgxfolXaov, ov 6t) xaxbxsi koyog dtp^fxevov X(5v IlXd-
xwvog 6oyf.idxij}Vy ^bviiv xiva xal wg tpaat ösvx^Qav ovoxf}aaa&at
'4xa6i]fjilav.
') S. vor. Anm.
Ursprung der akademischen Skepsis. 37
diese üeberlieferung, dass ihre Richtigkeit vorausgesetzt nicht
mehr auffallend ist was uns vorher so erscheinen musste.
Es erklärt sich nun wie er Skeptiker sein, wie er die moga-
rische Dialektik benutzen und doch sich einen Akademiker
flennen konnte: denn einen Skeptiker sah er in Sokrates,
von Sokrates leiteten sich die Mogariker ab und Sokratiker
wollten auch Piaton und seine Anhänger sein. Mit der An-
nahme, dass Arkesilaos nur das sokratische Philosophiren
neu beleben wollte, erledigt sich endlich ein Bedenken, das
bisher noch nicht zur Sprache gekommen ist und sich gleich-
wohl gegen den Ursprung der akademischen Skepsis aus dem
PyrrhonismuÄ geltend machen lässt. Wenn Arkesilaos ein-
mal die pyrrhonische Skepsis sich aneignete, warum hat er
dann nicht auch das mit derselben so eng verbundene ethische
Prindp übernommen? Ueber die ethischen Ansichten des
Arkesilaos lesen wir bei Sext. dogm. I 158 Folgendes: dXX^
ixel fitra rovxo s6si xal jteQl rfjg rov ßlov öie^ctyoyfjg
ZffjTklv, Tfziq ov x^Q^^ xQirrjQlov jthg)X)xer anoölöodd-at, atp^
ov xal fj evöaifiovla, rovriöri ro rov ßlov reXog, i^Qtfjfit-
rj/v tx^i TT/V jtloTiv, g)7jölv 6 ^iQxeölXaog ori 6 jibqI nav-
rmv inixoiv xavovul rag aiQeöFig xal q)VYag xal xoivcög
rag JtQa^sig rrp evXoym xara rovxo rs JtQOSQXofitvog ro
xQirijQiov xaroQd-oiösi' rr}V fiev yaQ svöaifiovlav xBQiylvt-
öd-ai öia rfjg q>Q0viqöEa>g , r/jv 6h ^qovtjOiv xivetöO-ai Iv
Tolg xaroQd-oifiaöiv, ro öh xaxoQd^cona tlvai ojttQ JCQaxd-ev
evXoyov sx^i rrjv djtoXoylav, 6 jrpoö^x^r ovv rm etXoycp
xaroQd-coöei xal svdaifiovTJösi. Von der pyrrhonischen Ethik,
die zum Maassstab unseres praktischen Verhaltens die Seelen-
ruhe (draQa^ia) machte und die einzelnen HandlungeJi den
herrschenden Sitten und Gesetzen unterwarf, ist hier keine
Spur zu finden. Dagegen werden wir direct und indirect
abermals an Sokrates erinnert: denn sokratisch ist es, dass
als die Quelle der Glückseligkeit und des sittlichen Handelns
iiS I^ie verschiedenen Formen des Skepticismus.
die Vernunft {ffQovrjOig) bezeichnet wird,') und die Definition
des xatoQd-fOfia hat in der stoischen des xa&Fjxop (Theil II
S. 346 Anm.) ihr Vorbild, gehört also einer Ethik an die
in letzter Hinsicht ebenfalls auf Sokrates zurückführt Die
skeptische Richtung des Arkesilaos ist also nicht in dem
]klaasse der Akademie ursprünglich fremd, als sie es sein
wüi'de wenn sie auf dem Boden des Pyrrhonismus gewachsen
wäre. Sie ist auch nicht ganz plötzlich hervorgetreten son-
dern wai- vorbereitet durch die Bestrebungen seiner nächsti'n
Vorgänger, des Polemon Krantor und Krates, die dem ethisch-
praktischen Theil der Philosophie ein vorwiegendes Interesse
zuwandten und dadurch gegen die natuq)hilosophische und
metaphysische Forschung gleichgiltig werden mussten.*)
Der verschiedene Ursprung der beiden Zweige der Skepsis
bewährt sich auch in der weiteren Entwickelung derselben.
Wie der Pyrrhonismus nur das Ergebniss der Zerstörung der
Grundlagen ist, auf denen die alte Natuq)hilosophie beruhte,
so erscheint auch sein weiterer Verlauf nur als ein fort-
schreitender Auflösuugsprozess alles Dogmatischeu, das von
der Alles zersetzenden Skepsis bis in seine letzten Winkel
verfolgt wird. Arkesilaos hingegen, indem er an Sokrates
anknüpfte, also den Philosophen, der gerade durch die Keime
') Mit der Bedeutung, die Arkesilaos der Vernunft für die Ethik
beilegte, mag es zusammenhängen, dass er um das Wahrscheinliche
zu bezeichnen noch nicht wie die späteren Akademiker sich des
Wortes m^avov sondern des an Xoyoq erinnernden fx)joyov bediente.
Den Späteren galten freilich beide Worte als synonyme (Augustin.
acad. II 5, 12); dass aber Arkesilaos nur vom etXoyov, noch nicht
vom md^avbv gesprochen hatte, ergibt sich aus einer genauen Er-
wägung und Vergleichung von Sext. dogm. I 158 und 166 ff.
*) Gegen die gewöhnliche Ansicht, die in Arkesilaos einen Pyr-
rhoneer sieht, hatte schon Geffcrs de Arcesila S. 15 f. geltend ge-
macht dass durch sie der Zusammenhang in der Entwickelung der
akademischen PhUosophie zerrissen würde.
EiitwickcluDg der pyrrhonischen Skepsis. 39
DOS künftigen neuen Dogmatismus die er legte Epoche ge-
acht hat, pflanzte eben dadurch der akademischen Skepsis
m vom herein die Neigung zum Dogmatisiren ein, eine
3igung, die sich leise schon bei ihm selber in der Ethik
gte, stärker aber bei seinen Nachfolgern hervortrat. So
m es dass während die pyrrhonische Skepsis mit der ab-
latcn Negation endete, die akademische schliesslich Frieder
einen Dogmatismus umschlug. Diess muss jetzt noch ins
(izelne verfolgt werden.
II. Die weitere Entwiekelangr der Skepsis.
1. Entwickelung der pyrrhonischen Skepsis.
Schon in den Anfängen des Pyrrhonismus scheinen
sehen den Bekennern desselben Verschiedenheiten hervor-
retcn zu sein. So weist uns Tiraon auf einen solchen
jensatz hin, wenn er Eurylochos als den heftigsten Feind
Sophisten bezeichnet^) und in Philon den einsam grü-
Qden Denker schildert.*) Indessen sind diess doch nur
•schiedenheiten des äusseren Verhaltens, keine die die
ire betreffen. Tiefer würde, wenn sie wirklich bestanden
te, eine andere einschneiden, die Diogenes 68 berührt.
*) Diog. IX 69: tjv ovv noXefjmozaxoq xoTq aoipiaxciiq, ihq xal
wv tpi^alv. Dazu Wachsmuth fr. 62. Was diesen Worten bei
^eues vorausgeht, ist im Geiste des Antigonos, wovon man sich
ht durch Yergleichung seiner Berichte über Pyrrhou (Diog. 621T.
66, zii welcher letzteren Stelle Euseb. XIV 18, 19 zu vergleichen
überzeugen kann. Man mag es daher auf ihn zurückführen, wenn
1 ein so unsicheres Kritcrion gelten lassen will.
*) Diog. IX 69: <*) Öe *l»lk<jjv xa nltlaxa Bccvxip (Cobet, oi Wachs-
ii fr. 63) ötfk&yexo' öO^ev xctl thqI xovxov <ft]alv ovxatq'
rj xbv dn^ dv^QWTnov avxooxokov ccvxo),akfjxtjv
oix ifijiai^ofievov do^i}^ kQlöwv xt *PU(ova.
40 I^i^ verschiedenen Formen des Skepticismus.
Er sagt nämlich, niemand weiter als Numenios berichte, dass
Pyrrhon auch dogmatisirt hahe;M diesen Numenios aber
müssen wir für denselben halten, den er 102 mit Timon,
Ainesidem und Nausiphanes als Genossen Pyrrhons nennt*)
Es ist nun kaum glaublich, dass Numenios, wenn er wirk-
lich ein Anhänger Pyrrhons war, zwar diesen für einen pai*-
tiellen Dogmatiker erklärt habe, selber aber ein voUkommner
Skeptiker geblieben sei. Wir sind daher zu dem Schlüsse
genöthigt, dass Numenios nach sich selber seinen Lehrer
beurtheilt und, wie er selber theilweise Dogmatiker war,
diess auch von Pyrrhon behauptet habe.*"*) So hat man in
der That auch in neuerer Zeit die Berichte des Diogenes
verstanden.*) In diesem Fall aber haben wir allen Grund
ihre Zuverlässigkeit zu bezweifeln. Allerdings würde die-
*) Movog 6h Nov/nfjviOy; xa\ öoyftccTiaai <pTjah' avT6%\
^) AvTog filv yaQ o IJv^tQOJV ovSh' nntlinfv, oi fUvroi (Jin'rfS^stq
artov TlfioDV xal AlvtjaiSr^f wg xal Novfirjviog xal Navatffm'r/g xa)
nXloi TOiovTot.
^) Zwei Fälle lassen sich allerdings denken, unter denen Nu-
menios ein voUkommner Skeptiker bleiben und doch von Pyrrhon das
behaupten konnte was ihn Diogenes behaupten lässt. Der eine ist,
dass Numenios das Dogmatisiren Pyrrhons in eine frühere Zeit ver-
legte die der Periode seines Skepticismus vorausging, dass also die
Bemerkung historischer Natur ist und sich auf Pyrrhons philoso-
phische Entwickelung bezieht, nicht aber eine eigenthümliche Auf-
fassung der fertigen Lehre Pyrrhons enthält. Der andere, dass Soyfia-
r/aat nicht im strengen Sinne zu nehmen ist, wie ja Diogenes auch
ß9 von einem Quasi-Dogma («tto tov olov öoyfiaxoq^ der Pyrrhoneer
spricht. Doch liegen diese beiden Möglichkeiten so fern, dass sie
schon deshalb hier nicht weiter berücksichtigt zu werden brauchen.
*) Leander Haas de philos. sceptic. succ. S. 71 sagt mit Be-
ziehung auf Numenios: ad quem si rcferenda sunt illa, quae tradit
Diogenes IX 68, solum Numenium esse auctorem statuisse Pyrrho-
nem praecepta. eum non in sincera scepticorum doctrina mansisse
apparct. Wilamowitz Antigonos von Karystos (Philol. Unters. V^
Entwickelung der pyrrhonischen Skepsis. 41
selbe durch den denkbar besten Zeugen bestätigt werden,
wenn wir Wilamowitz glauben wollten, der (Antigonos von
Karystos S. 32, 8) in einem von Timon gebrauchten Verse
eine Anspielung auf Numenios' Dogmatismus fand. Dio-
genes berichtet 119 von Timon: öm^ex^g t' IjtiXtytiv elm-
hi jtQog Tovg rag alöd^tjötig fier^ ijttfiaQTVQOvrrog rov vov
ifXQhovrag
SvvfiXd-ov axxayäg tb xai t^ovfirfVtog,
Dass diese beiden Namen nicht die Eigennamen zweier be-
rühmten Gauner sondern Vogelnamen sind, die appellativisch
zur Bezeichnung von Spitzbuben gebraucht wurden, hatte
schon Menage bemerkt. Der Witz ist auch so vollkommen
klar, erschien aber vielleicht ursprünglich noch zierlicher,
wenn der Vers etwa der Anfang einer Fabel war. Dagegen
meint Wilamowitz, dass den Witz erst die Beziehung auf
Numenios gebe. Niich meiner Ansicht wird dadurch der
Witz überladen und bricht zusammen: denn wenn vovfitjpiog
auf den Philosophen gleichen Namens anspielen soll, so for-
dern wir dass eine ähnliche Beziehung auch in (irrcr/äg liege.
Die Beziehung auf Numenios ist aber auch darum unzu-
lässig, weil nach Diogenes' Angabe Timon den Vers gegen
die gebraucht haben soll die das Kriterion in einer Ver-
bindung der Sinne und der Vernunft erblickten. Damit ist
aber die Mehrzahl der Philosophen gemeint. Numenios
würde also, wenn die Vermuthung von Wilamowitz richtig
wäre, nicht ein partieller Dogmatikor, wie ich vorhin als
möglich angenommen hatte, sondern ein Dogmatikor gewöhn-
lichen Schlages gewesen sein. Wie ein solcher aber über-
S. 32, S) verbindet mit Diogenes' Notiz über Numenios seine Deu-
ttmg eines von Timon häufig gebrauchten Verses (Diog. 114) und
kommt so zu folgendem Schluss: ,,er (Numenios) wird also eine Wahr-
heit zugegeben haben, wenn Wahrnehmung und Verstand stimmten."
42 I^ic verschiedenen Formen des Skcpticismus.
liaupt noch als Pyrrhoiieer gelten und mit Timon und Ainesi-
demos in eine Reihe gestellt werden konnte, weiss iqh nicht
So hat sich Timons angebliches Zougniss für Numenios' Dog-
matismus als Schein erwiesen. Was übrig bleibt, der Bericht
des Diogenes, reicht nicht aus uns den Glauben an eine
Sache zu geben die an sich höchst unglaubwürdig ist. Denn
wie weit auch immer in der Auffassung der Persönlichkeit
und Lehre des Meistors die unmittelbaren Schüler auseinan-
der gehen mögen, diese Verschiedenheit kann doch nie den
eigentlichen Kern betreffen, wie denn auch in den mannich-
faltigen Formen der Sokratik noch die Züge desselben Ur-
bildes erkennbar sind. Es wäre daher ein Fall ganz uner-
hörter Art, wenn ein unmittelbarer Schüler Pyrrhons diesen
zu einem Dogmatiker gestempelt hätte, während doch Grund
und Wesen des Pyrrhonismus gerade der Gegensatz gegen
alle dogmatische Philosophie war. Jedenfalls müsstc die
Autorität, der wir diess glauben sollten, eine bessere sein als
die des Diogenes ist, die hier obenein noch dadurch ge-
schmälert wird dass seine Berichte unter sich nicht im Ein-
klang stehen. Nach dem einen derselben soll Numenios den
Pyrrhon für einen Dogmatiker erklärt und, wie wir daraus
schliessen müssten, selber ein Dogmatiker gewesen sein, nach
dem andern gehörte er zu den Genossen Pyrrhons und zwar
gerade zu denjenigen, gegen die sich die Angriffe der Dog-
matiker richteten.') Der Widerspruch erscheint noch greller,
wenn wir sehen ^) dass den genannten Genossen Pyrrhons von
') Diog. 102 fährt nach den früher i^S. 40, 2) angeführten Worten
fort: olg dvriXbyovztq oi AoyjLicctixol tfaoiv avtovq xarala/nßcivfax^ai
xal öoyfxaxlj^eiv' iv w ya() öoxovai 6ie)Jy/Fiv xara),afißavovtar xctl
yaQ iv T(j} (xvt(p x()aTvvovai xal öoyfiaxl^ovai. xal yaQ otf tpaal
fiTjösv oQl^Siv xal navxl Xoyw Xoyov uvTixHoO-ai, adrä zavta xal
oQi'C^ovzaL xal Soyfjiatl^ovat xt?..
*) Diog. a. a. 0.
Entwickclung der pyrrhonischen Skepsis. 43
Seiten ihrer Gegner hauptsächlich die Inconsequenz vorge-
worfen wurde mit der sie reine Skeptiker sein wollten, in
Wahrheit aher sich von einem gewissen Dogmatismus nicht
frei halten konnten. Dieser Vorwurf dos Dogmatismus konnte
doch unmögUch gegen Numenios erhohen werden, wenn der-
selbe den Dogmatismus aus freien Stücken zugegeben hatte.
Der Bericht des Diogenes leidet aber auch noch an einem an-
dern Uebelstande. Zu den Verthoidigern der pyrrhonischen
Lehre, und zwar gerade insofern dieselbe Skepticismus ist,
wird nämlich auch Nausiphanes gerechnet; wenigstens wird
er als einer der Genossen Pyrrhons genannt, deren Lehre von
den Dogmatikern bestritten wurde. Nun war Nausiphanes
allerdings ein Zuhörer Pyrrhons und ein Verehrer,*) aber
keineswegs ein Schüler, der auf die Worte dos Meisters
schwor:*) vielmehr wird uns ausdrücklich gesagt, dass er
nur für die Ethik sein Vorbild bei Pyrrhon fand, im Uebrigen
aber es vorzog seinen eigenen Weg zu gehen, und zu diesem
Verhalten stimmt auch der Umstand dass er der Lehrer
eines Dogmatikers wie Epikur war. Nausiphanes konnte
daher unmöglich unter den Verfechtern des Pyrrhonismus
in erster Linie genannt werden, wie doch bei Diogenes ge-
schieht. AuflFallend ist ferner in Diogenes' Bericht, worauf
schon Zeller III 1 S. 483, 1 hingewiesen hatte, dass zwischen
Timon und Nausiphanes d. h. unmittelbaren Schülern Pyrrhons
Ainesidem genannt wird, der doch füglich von dem bald
darauf (106) genannten nicht vei*8chiedon sein kann, also
der einer viel späteren Zeit angehörende Skeptiker sein
muss; auflFalleiid ist schon, dass derselbe überhaupt zu den
„Genossen" (övv/id-ttg) Pyrrhons gezählt wird. Endlich, scheint
') Diog. 64: o&tv xal Navai<pdvi]v tJötj vsavlaxov ovxa Ot^Qa-
^vat, tfpaaxe yoiv yheaO^ai Sslv trjg filv ötaO'taeioq xT]q riv^Qo)-
vflov, Twv öl koyeov xwv kavxov. Vgl. 69.
*;) Diog. 64 (s. vor. Anmkg.).
44 C)ie verschiedenen Formen des Skepttcismos.
es, hat noch Niemand daran Anstoss genommen, dass nach
Nennung des Nausiphanes die Reihe der Genossen Pyrrhons
abgeschlossen wird mit einem x«i iiXjioi roiovrtoi. Man
sollte dafür xal aXkoi rtrlg erwarten, da roiovroi sich nicht
rechtfertigen lässt: denn auf Timon u. s. w. kann es nicht
bezogen werden, da diese Namen nicht der Ausdruck einer
Qualität sind, und auf övr/J^ftc nur dann, wenn wir eine
plumpe Tautologie annehmen wollen. Für alle diese Mängel
möchte ich nicht Diogenes verantwortlich machen, sondern
gkube, dass derselbe nur geschrieben hatte: avroQ fiev yaQ
6 üvQQcor ovdlr ojtthjrti*, oi [ifiToi övj^/jB'fiQ avrov'
oli^ dtrnXtyovTsg oi doyfiftrtxol <pn6iv avrovg xrX. So gut
wie die Dogmatiker konnten auch die Genossen Pyrrhons un-
genannt bleiben, und erst ein Interpolator hat vermuthlich
die in den ausgeschiedenen Worten enthaltenen Beispiele
hinzugefügt. Numenios zu nennen wurde er durch Diog. 68
veranlasst. Diese Worte (ftorog rft NovfitjrioQ xai öoyfia-
xiöai <f>t}6\r avTov) an sich betrachtet beweisen nun nicht
mehr, dass Numenios ein unmittelbarer Schüler Pvrrhons war.
Sie lassen vielmehr die Möglichkeit oflfen an irgend einen
Andern dieses Namens zu denken, der so wenig als der kurz
vorher genannte Poseidonios gerade ein Pyrrhoneer zu sein
braucht Nichts hindert uns überdiess das Natürliche zu
thun und an den bekanntesten dieses Namens zu denken,
den Neupythagoreer Numenios. In den erhaltenen Frag-
menten seiner Schriften kommt derselbe allerdings nur ein-
mal (Euseb. praep. cv. XIV 6, 3 f.) und nur beiläufig aus
Anlass des Arkesilaos auf Pyrrhon zu sprechen und findet
hier gerade die vollkommene Skepsis (// Jtaitfov dralgeöcg)
für ihn charakteristisch. Aber ebenso urtheilt er an dieser
Stelle auch über Arkesilaos. Und doch macht er diesem
anderwärts einen Vorwurf daraus dass er von der Wahrheit
seiner eigenen Lehre überzeugt gewesen sei d. h. er gibt
Entwickelung der pyrrhonischeu Skepsis. 45
ihm einen gewissen Dogmatismus Schuld.^) Denselben Vor-
wurf könnte er also auch an einer andern Stelle seiner
zalilreichen Schriften (Thedinga de Numenio S. 5) gegen
PyiThon erhoben haben, so gut wie diess Aristokles nach
Euseb. XIV 18 und überhaupt die Dogmatiker nach Diog. 102
gethau hatten. Nur scheinbar steht damit nicht im Ein-
klang, dass nach Diogenes Numenios der Einzige war, der
Pyrrhon für einen Dogmatiker erklärte. Denn der Unterschied
könnte der gewesen sein, dass die Uebrigen die Behauptung
des Dogmatismus als Ergebniss einer Prüfung und zum Zweck
der Widerlegung der pyrrhonischeu Lehre aussprachen, Nu-
menios dagegen sie nicht weiter begründet und ihr mehr
die Form eines historischen Referats gegeben hatte.
Auf den skeptischen Dogmatiker oder besser den dog-
matischen Skeptiker Numenios darf man sich also nicht
*) Eoseb. a. a. 0. 8, 2: toiyagovv dndywv (Karneades) rovg äk-
Mvg avxoq tfisvev dvs^andzjjTog, o firj TiQoa^v rip ÄQxeaiXdat. ^Exel-
voq yaQ neguQx^fjievog (^Wyttenbach für nsQiexo/asvog) ty (pa^fid^ei
xovg avyxoQvßavxiitivtaq tka&ev bavTov nQwtov tSriTiazijxiog firj iG^tj-
o^ai, neTieia^f-at d^ dlrjDij eivai, a kiyei öid zj/g ana^andvzoßv dvai-
Qt-ahwg ;((>}7jueera;v. Dass der im Text bezeichnete Gedanke in diesen
Worten liegt, ist wohl keinem Zweifel unterworfen. Ich glaube aber
nicht, dass sie richtig überliefert sind. Denn ich weiss nicht was
bedeuten soll „er habe es sich selbst eingeredet {i^rjnazfixcjg) dass
er nicht mit den Sinnen erfasst habe aber doch überzeugt sei was
er sage sei wahr^\ Vollkommen klar wäre Alles, wenn die Worte
fifj yaS-ftod^ai, Tieneta^ai Ss gestrichen würden. Dann wäre der Ge-
danke, er habe sich selber eingeredet Alles was er sage sei wahr,
Qod sei so — das ist die Meinung des Numenios — , indem er etwas
als wahr anerkannte, aus einem Skeptiker ein Dogmatiker geworden.
Die getilgten Worte könnten ein Zusatz sein, durch den das aXa&ev
kavzov i^rinazrjxwg dkrfBtj etvai erklärt werden sollte; der Sinn des-
selben würde dann sein, er habe zwar nicht bemerkt (fit) ya^fjo^ai)
dass er von dem was er sage überzeugt sei und so gegen seine eigene
Lehre Verstösse, in Wirklichkeit aber sei diess doch der Fall ge-
wesen sjitnüa^ai dt).
46 ^ie verschiedenen Formen des Skepticismus.
berufen, wenn es den Nachweis gilt dass die pyrrhonische
Skepsis in ihren Anfängen positiver war als in der späteren
Zeit. Wir brauchen ihn aber auch zu diesem Zwecke nicht.
Denn der Hauptvertreter des älteren Pyrrhonismus, Timon,
beweist uns, dasa derselbe noch mit Fäden an den Dogma-
tismus geknüpft war die in späterer Zeit zerrissen wurden.
In den 7j»rf«>l//ol las man nämlich folgende Verse:*)
/} ycLQ lycbv iQto äg fioi xaTag)alverai tlvai,
fivd^op aXf]d'thiq oQd-or ixcor xavora,
mg ij Tov d-elov re ^vöig xal rdyixd^ov alei,
i§ cor looraTog ylrerai dt^ÖQ} ßiog.
Dass diese Verse dem Stifter der Schule ui den Mund ge-
legt waren, dürfen wir als sicher betrachten *) und sie dalier
für den echten Ausdruck der pyrrhonischen Lehre, wie die-
selbe von Timon aufgefasst wurde, ansehen. Das Auffallende
in diesen Versen ist, dass in ihnen eine Wahrheit nicht bloss
überhaupt sondern als für uns vorhanden anerkannt wird,
ob wir nun dXtjMt]g mit xavora oder was vernünftiger
Weise jUlein möglich ist mit iivB^ov verbinden. So sehr aber
die späteren Skeptiker das Suchen der Wahrheit forderten,
so leugneten sie doch auf das Entschiedenste dass wir je-
mals in den Besitz derselben kommen könnten.*) Nicht
einmal die Lehre Pyrrhons konnten sie als wahr gelten lassen
M Sext. dogm. V 20.
^) Sextos a. a. 0. sagt es freilich nicht. Man vergleiche aber die
bei Diog. 65 erhaltenen und wohl dem Anfang desselben Werkes an-
gehörenden Verse:
TOVTO fWt, W nV(}(KOV, IflSlQSTai tjtOQ uxovGat,
TXMt; TioT* (Irtjp ff* (cyFn: i^iora //flf* f)ovyjTj^
/iwvt'Oi; tV dvfhQwnotoi O^eov TQoTioy Tjyeiwrtvoßv.
Offenbar gehören der Antwort auf diese Frage die von Sextos ange-
führten Verse an.
^) Man vgl. z. B. Aincsidem bei Photios Bibl. c. 212.
Entwickelung der pyrrhonischen Skepsis. 47
und vermieden es eben deshalb, nm jeden Schein des Dog-
matismus zu zerstören, sich Pyrrhonecr zu nennen.*) Nehmen
wir nun auch an, dass es sich hier nur um einen sprach-
lichen Ausdruck und eine Ungenauigkeit im Gebrauche des-
selben handelt, so haben sich doch — und das eben ist das
Charakteristische — die Späteren diese Ungenauigkeit nicht
gestattet: was wir daraus schli essen müssen, dass bei Diog.
76 f., wo dergleichen unvermeidliche Fehler des Ausdrucks
verzeichnet werden, gerade dieser grobe vergessen ist und
ohne eine Entschuldigung bleibt die man doch anderen viel
leichterer Art gegenüber für nöthig gehalten hat. Dasselbe
ei-gibt sich aus der Polemik der Gegner: denn nirgends be-
merken dieselben dass die Pyrrhonecr ausdrücklich von einer
Wahrheit sprachen,*) und doch würden sie, die nach jedem
Schein des Dogmatismus haschten, sich eine so deutliche
Spur desselben kaum haben entgehen lassen. Die Stelle
Timons dagegen, wenn sie vereinzelt war, mochten sie igno-
riren oder was ebenfalls denkbar ist sich über dieselbe mit
einer Auslegung hinweghelfen, wie sie von ihnen auch in
anderen Fällen nicht verschmäht wurde. Ein solcher Fall
liegt uns noch vor bei Sextos mathem. I 305 f. Hier wird
Bezug genommen auf Verse Timons, in denen er Pyrrhon mit
der Sonne verglichen hatte:
fiovvog d' dvd^Qojjtoiot ^600 TQOjtor ff/tfioveveig,
og jtsqI Jtäöav ikwv yalav iwaOTQtfperai,
d^ixvvq tvTOQVOv ' ög)aiQag jtvQixavroQa xvxkor.
l)ie Grammatiker, sagt Sextos, werden diese Vergleichung ver-
schieden erklären. Die einen werden darin eine Hindeutung
') Diog. 70 berichtet diess wenigstens von Theodosios. Dagegen
vertheidigt die Bezeichnung der Skepsis als einer pyrrhonischen
Sextos Pyrrh. I 7.
*) Vgl. Diog. 102 f. Aristokles bei Euseb XIV 18.
48 Die verschiedenen Formen des SkepticiBmiia.
auf den Rulimosglanz erblicken, der Pyrrhou umstr
die anderen auf das Licht, das er durch seine Lehn
Mensehen gespendut hatte. Diese zweite Erklärung i
aber, wie Sextos bemerkt, Timon in einen Widerapruch
wickeln: denn als Skeptiker durfte er nicht zugeben,
l'yrrhon die Menschen durch seine Lehre erleuchtet
da die Skepsis statt sie über die im Dunkeln lie{
Wahrheit aufzukilireii die Menschen nur noch tiefer i
Finstemiss ^estossen hatte. Gerade diese Eigenschaf
Skepsis ist nach Sextos das Mittel der Vergleicliung. Py
ist wie die Snnue: d. h. diejenigen, die ihm folgen, ver
ebenso das Licht der Wahrheit und Erkeiintuiss, wii
welcher anhaltend in die Sonne schaut dadurch gehl
wird.') Diese Erklärung kann aber nicht die richtige
Man darf uns dos Recht anders als Sextos hierüber z
theilen nicht deshalb absprechen, weil uns die Wort«
als Bruchstück vorliegen, Sextos aber sie im Zusammenl
gelesen habe. Denn käme der Zusammenhang für die
'1 Tiliwvöi Tt rot" 0iiß<r/ov tÖv Tfv/iQiava i,}.!!^ äntixä
iv oii; ipTjol
/ioövoq i' ävftQinTioiai Stov r^önov iiyffiovivtii,
oq Tiffil JiüoQf ^Ä(üc yalay ävaaiQiffTtti,
Sfixfvi; fiiröpi-oi; aipalpui TtvQixavio^a xvxXov,
Av^ti fihv loU ypuiiiiiXTixoU xaru xifiiiv «vrü kiytiv xal äiä r^
tÖv ifiköaoipoy iTiiifävftav a/J.og it iniatijisd /iijnotf xat /t
xä natiaSfly/daTa t^ axfJirtxä ßovi.^pucft rö vnv xov •Phaai
tbv nv(i^iova Ifx^iviu, tfye b itiv "ihoi xä ^(wrtpov ft!/ ,9X(i\
ttjJ if'toti xaTttvyu^iuv Stiitfvaiv, h Si- IIv^pwv xal lä nQoä^Xo)
XtitfitivTit tiäv TiQttyttatoiv (li; äSijXoTiita ntQiiatävai ßia^ixn
Sl ovx oviat.; iytiv ipaivtxm riü ipiXoaoifioiipov im^äXkovtt
ifUov Tffönov ^Tiixfty <p>]i}l xöv ni^^oivu xaS-öaor <üs o Sfi
tiüi- äxgtliiöq fi^ avTiiv atevi^ofTiav oijieii; äfAaiifoi, otizio xal
Tiiixiiq i.öyoi XII ii/g öiayolaq oti/ia ttüv iniiAfXtQXt^or ait^
työvToiv avyxfi, loaxf dxaxaXijTixsiv nf(>J ixaarov rtöv xaiä i
TixIjV B^ovxriTU zi&iithvmv.
Entwickelang der pyrrhonischen Skepsis. 49
tige Aofiassung der Worte überhaupt in Betracht d. h. hatte
Timon im Folgenden das Gleichniss irgendwie erläutert, so
musste Sextos diess erwähnen und hätte, wenn Timons Er-
läutening seine eigene Erklärung bestätigte, diesen Umstand
sich sicher zu Nutze gemacht Die Mittel der Erklärung
können daher nur in den fraglichen Worten selber gesucht
werden. Ich weiss nicht, ob hiemach Sextos' Erklärung
überhaupt noch einer Widerlegung bedarf. Denn in Timons
Versen wird die Sonne als Führer und Leiter der Menschen
bezeichnet (ß-aov rgojtov 7^sfiovsveig); das ist sie aber doch
nicht insofern sie dieselben blendet und so des Gesichtes
beraubt sondern insofern sie ihnen leuchtet und so den Weg
zeigt Nur auf diese letztere Eigenschaft kann sich daher
auch der Vers öeixvvg svtoqvov cq)alQag JtvQcxavtoQa xv-
xXov beziehen. Dann besagen aber die Worte dass Pyrrhon
der Führer der Menschen geworden ist durch das Licht das
von ihm ausging und die bis dahin dunkelen Wege erhellte,
und sprechen in der Form des Gleichnisses die Anerkennung
einer von Pyrrhon geoflfenbarten Wahrheit aus. Sie haben
insofern ein doppeltes Interesse. Einmal zeigen sie ver-
glichen mit der Erklärung des Sextos, wie viel consequen-
ter die Späteren den Skepticismus durchführten. Ausserdem
aber bestätigen sie, dass „die Rede der Wahrheit" (fiv&oq
(drid'dT^g) in dem vorher angeführten Fragment auf Pyr-
rhons Lehre zu beziehen ist. Sie bestätigen diess um so
mehr als beide Fragmente demselben Werke entnommen
sind*) und hier nahe bei einander standen.*) — Dass „die
') Dass auch das zweite Fragment aus den ^IvöaXfxol stammt,
lehrt Diog. 65, der wenigstens den ersten Vers desselben daher an-
führt.
*) Denn ich habe schon bemerkt, dass auf die von Diog. 65
angeführten und eine Frage enthaltenden Worte das erste Fragment
^ie Antwort gibt.
Hirzel, Untenaehaogen. HI. 4
50 ^ie verschiedenen Formen des Skepticismas.
Wahrheit" in Timons Augen nicht eine blosse Redensart ohne
Inhalt und Bedeutung ist, beweisen die Folgen, die er selber
aus der Anerkennung einer solchen für seine übrigen An-
schauungen abgeleitet hat. Denn in dem schon angeführten
Fragment lässt er Pyrrhon sagen, dass er bei der Mitthei-
lung seiner Vorstellungen die Rede der Wahrheit als Richt-
schnur nehmen werde:
7) yaQ lyayv iQhco oig (loi xara^alverai elvai,
fivO^ov aXTjd^elrjg 6q9^6v ixcov xai>6va.
Diess kann doch nur bedeuten, dass er in seinen Vorstel-
lungen eine Auswahl treffen und nur diejenigen mittheilen
will die sich au der angegebenen Richtschnur bewähren.^)
Es fragt sich, von was für Vorstellungen hier die Rede ist
Fassen wir diese Verse, wofür doch alle Wahrscheinlichkeit
spricht, als den Anfang der Antwort, welche Pyrrhon auf
Timons Frage (S. 46, 2) gibt, so können diese Vorstellungen
keine anderen sein als die welche den Inhalt von Pyrrhons
ursprünglich folgendem Vortrage bildeten. „Ich will sagend
ist der Sinn, „wie es sich mir zu verhalten scheint {piq fioi
xaratpalverai elpai), nämlich mit dem was du mich fragst".
') Es könnte jemand auf den Gedanken kommen, dass darcb
die Worte ^iv^ov sctl. die Vorstellungen nicht als solche bezeichnet
werden sollen die der Wahrheit nahe kommen sondern als solche
die der wahre Ausdruck der Ueberzeugung sind. Pyrrhon würde,
wenn diese Erklärung richtig wäre, nur die Versicherung abgeben,
dass er nach bestem Wissen und Gewissen die Wahrheit sagen und
nicht lügen wolle. Nur bei flüchtiger Betrachtung kann indessen
diese Erklärung befriedigen. Ein näheres Zusehen zeigt vielmehr,
dass sie durch zwei Umstände ausgeschlossen wird : erstens weil der-
selbe Gedanke schon in dem vorhergehenden tilg fioi xaraipaivtrai
flvat zur Genüge ausgedrückt war, und dann weil Timon diesem
Gedanken besser folgende Form gegeben haben würde:
Entwickelang der pyrrhonischen Skepsis. 51
Dass die Mittheilung von Vorstellungen den Hauptinhalt von
Timons ganzem Werke ausmachte, bestätigt der Titel Yr-
iidfioL Man hat demselben diese am nächsten liegende
Deutung bisher wohl nur deshalb nicht gegeben, weil die
menschlichen Vorstellungen an sich, und namentlich mit den
Augen des Pyrrhoneers angesehen, zu werthlos schienen als
dass sie es verdienten in einer eigenen Schrift aufgezeichnet
und erörtert zu werden, i) Nun sind aber die Vorstellungen
^) Frühere Versuche den Titel zu erklären hat Wachsmuth
S. 11 zurückgewiesen. Die Erklärung, die er selber gibt, ist in fol-
genden Worten enthalten: Conicio ergo poetam incepisse a laudibus
Pyrrhonis eumque interrogasse, quo tandem modo effecisset, ut omnibus
capiditatibns et animi affectibus Yacuus semper aequo animo viveret,
illnm deinde longiore disputatione exposuisse, qua ratione id posset
quispiam n&ncisci, nempe ita ut non passus se decipi philosophorum
ilkXoyov ao<pltjg omninmque cupiditatum IvdaXfioTg {ßext. Emp. adv.
niAth. X 351) totum se daret scepticae sectae. Also weil in diesem Werke
Timons die Vorstellungen kritisirt, als werthlos, ja schädlich nach-
gewiesen wurden, darum soll es „Vorstellungen** betitelt worden sein?
Mit demselben Recht hätte Kant die Kritik der reinen Vernunft auch
»Dogmatische Philosophie** nennen können. Sollte der Titel des Wer-
kes überhaupt von dem Gegenstand der darin angestellten Kritik
hergenommen werden, dann hätte er ns^l IvdaXfiwv lauten müssen.
Aber auch zugegeben dass IvSaX/xol der Titel sein könne weil es den
Gegenstand der Kritik bezeichnet, so ist ja in Timons Werke nach
Wachsmaths eigener Ansicht der Gegenstand der Kritik gar nicht der
auf den der Titel hinweisen soll. Denn der Titel lässt auf eine Kritik
der Vorstellungen schlechthin und überhaupt schliessen. Nach Wachs-
math aber wurden einer Kritik nur diejenigen Vorstellungen unter-
worfen, die durch falsche Lehre und durch Begierden und Leiden-
Khaften in uns erregt werden und von denen wir uns frei machen
^llen. Es bleiben sonach ausser Spiel alle die Vorstellungen, deren
^h der Ansicht der Pyrrhoneer, die in diesem Falle auch die
l'imons ist (diess ergibt sich aus dem Zusammenhang, in dem sein
^en dkXa td (paivofitvov ndvTrj a^ivei, ovnfQ av tk&^ von Sextos
dogm. I 30 und von Diog. 105 angeführt wird), auch der Weise zum
leben und Handeln nicht entbehren kann, also gerade der wichtigste
4*
52 l^ie verschiedenen Formen des Skepticismus.
gänzlich werthlos nur so lange wir sie lediglich nach ih
Nutzen für das Erkennen schätzen; dagegen haben sie
Rücksicht auf das menschliche Handeln betrachtet einen :
hohen Werth, da sie für dasselbe unentbehrlich sind. Dj
konnte ein Pyrrhoneer sie unter diesem Gesichtspunkt i
wohl in einer besonderen Schrift zusammenfassen, ziunal
schon Parmenides im zweiten Theil seines Gedichtes
Piaton im Timaios es gewagt hatten zum Inhalt einer pl
sophischen Darstellung zu machen was Gegenstand nicht
vollen Wissens sondern imr des Wähnens oder Glaubens
Dass nun wirklich unter diesem Gesichtspunkt die Vors
lungen in Timons Schrift waren behandelt worden, zeigt
von Sextos dogra. I 30 und von Diog. 105 aufbewahrte V
d?.Xa re tpan^ofitror JcdvTTj öd^tvti, ovjceQ av tXO^j,
Theil unserer Vorstellungen. Und doch soll, wo der wichtigste f
das Ganze den Namen hergeben? Die Wachsmuthsche Erklfi
leidet endlich an demselben Fehler wie ihre Vorgängerinnen,
sie gesucht ist. Denn der Titel ^Ivöctl^ol führt doch zunächst di
an ein Werk zu denken, dessen Inhalt in einer Reihe von Voi
lungen besteht. Diese Vermuthung wird durch den ersten der Pyi
in den Mund gelegten Verse sogleich bestätigt: rj yaQ iyatv i^bcj w'
xaTarpalvfrai elrcci. Hiernach war Pyrrhons ganzer Vortrag n
weiter als eine Summe von (fatvo/ieva, dieser Vortrag bildete
allem Anschein nach den Hauptinhalt des ganzen Werkes, das d
wohl nach ihm den Namen Ivöal^o) erhalten konnte. Denn das
darf kaum eines Wortes, dass zwischen xnratfcUvtzat und IvSdL
ein Unterschied der Bedeutung nicht existirt. Dass Sextos c
solchen nicht machte, sehen wir aus dogm. I 425: 7r«(>a rag öiatf
rwv noQwv xal naga rag tov ixiog nfQiaraaetq xal nag^ a)
7i)Movaq tQonovq ovif r« avrä ovxb oßaavTcog ivöalXfxai y/il
TtQdyficcra , warf f-l fiev (faivetai TiQog rj^rff Tfj aia&t}o6t
T^öt ry negiOTccasi övvaoO-ai ?Jyetv, rö ö^ ei rate d).ri^tiaig roto
lariv olov xal (fcclverai, rj ukkolov fxh iaiiv dXJ.oTor dt (paiverai
hx^iv iifiäq Siavd-fVTsTv. Ausserdem darf man mit Timons Verse
den homerischen {Od 10,224^ vergleichen: «AA« xcd wg igio), alq
IvödkXerai t]zoQ.
EDtwickelang der pyrrbonlschen Skepsis. 53
An sich zwar könnte in diesen Worten auch der Gedanke
liegen, dass das Leben und Ilandehi der Menschen that-
sächlich überall von den Vorstellungen beherrscht werde
ohne dass diese Herrschaft für nothwendig erklärt und des-
halb gebilligt würde; in diesem Falle könnten die Worte
recht wohl einer Darstellung angehören, die gegen die Ab-
hängigkeit des menschlichen Handelns von den Vorstellungen
gerichtet war. Der Zusammenhang, in dem die Worte citirt
werden, nöthigt uns aber sie anders aufzufassen. Denn
Sextos beruft sich auf Timon als Zeugen dafür, dass auch
der Skeptiker, wenn er nicht auf jedes Wirken und Handeln
im Leben verzichten wolle, ein Kriterien desselben müsse
gelten lassen, wie es in den Vorstellungen gegeben sei;^) und
Diogenes führt den Vers zum Beweis an, dass die Skepsis
nicht, wie ihr die Dogmatiker vorwerfen, die Möglichkeit des
Lebens und Handelns aufhebt. Der Sinn des Verses ,kann
daher nur der sein: die Vorstellungen besitzen eine Gewalt,
der sich Niemand, auch der Weise nicht, entziehen kann.
Damit wollte aber Timon nicht sagen, dass wir jeder zufäl-
ligen Vorstellung blind nachgeben sollen. Das konnte er
nicht sagen wollen, da er z. B. die Vorstellung, nach der
die sinnliche Lust ein Gut ist, nicht al^ maassgebcnd für
unser Handeln gelten liess.-) Unsere Abhängigkeit von den
Vorstellungen kann daher nur darin bestehen, dass wir über-
haupt von einer Vorstellung ausgehen müssen um handeln
ftfvov, xaO^wg xal o Tifxujv fjiefia()TVQrjxev elnwv xxl.
*) Athen. VIII 337 A : nayxalw^ dt xal o Tifiwv k<pr]
TtdvTwv fisv nQwTiara xaxwv iniS-vfili] ^ozlv.
In diesen Worten liegt die im Texte angegebene Ansicht einge-
^blossen, wenn sie auch nicht geradezu ausgesprochen wird.
54 ^^6 verschiedenen Formen des Skepticismus.
zu können; welches dagegen im Einzelnen diese Vorstellung
ist, das zu bestimmen steht in unserer Macht. Insofern alsc
die Vorstellungen, welche den Inhalt von Timons Schrifl
bildeten und nach denen sie den Namen trug, Vorstellungen
sind durch die unser Handeln geregelt werden soll, können
es nicht beliebige sondern müssen es nach einer bestimmten
Rücksicht ausgewählte sein. Auch abgesehen hiervon ist es
nicht möglich, dass Timon alle Vorstellungen die ein Mensch
haben kann oder jemals gehabt hat in seiner Schrift auf-
zählte; durch die in Timons Frage und Pyrrhons Antwort
ausgesprochene ethische Tendenz wird aber auch die An-
nahme ausgeschlossen, dass Timons ganze Absicht dahin ging
über das weite Gebiet der Vorstellungen durch zweckmässig
gewählte Beispiele eine Uebersicht zu geben. Timons Werk
kann also nur einen Theil der überhaupt möglichen Vor-
stellungen, muss diesen aber vollständig enthalten haben,
nämlich alle die durch die nach seiner Meinung unser Han-
deln bestimmt werden sollte. Um dieses Vorstellungsgebiet
gegen andere scharf abzugrenzen bedurfte er natürlich eines
Maasses, und dieses Maass (ogO-og xaroijf), wie er selber
Pyrrhon sagen lässt, war die Rode der Wahrheit (f^vfhog dkrj-
O^slTjg), Welche Vorstellung sich an ihr bewährte, wurde
aufgenommen. Wir sind noch im Stande zu erkennen, wie
er hierbei im Einzelnen verfuhr. Zu den Vorstellungen, von
denen die Rede ist, gehört die Lehre, die er nach Athen.
VIII 337 A in folgenden Vers gebracht hatte:
jüdvtcov (ilv JüQoiriöTa xaxdjv ljti9^iJ(ihi löxlr.
Es ist höchst wahrscheinlich, dass dieser Vers aus den ^Iv-
öaXftol genommen ist:^) denn erstens ist die Form des Aus-
^) Diess war schon Wachsmuths Ansicht. Der Grund aber, auf
den er sich stQtzt und der mit seiner Auffassung des ganzen Werkes
zusammenhängt, kann fQr uns nach dem früher (S. 51, 1) Bemerkten
nicht mehr in Betracht kommen.
Entwickelong der pyrrhoniscben Skepsis. 55
drucks der Art wie sie nach der Ansicht der Pyrrhoneer
nur bei Vorstellungen (q)aiv6fieva) zulässig war, ') und zwei-
tens ist der Inhalt eine Vorschrift für unser Handeln, so
dass die beiden Forderungen, die wir an alles was in den
Bereich der ^Ivöakuol fällt stellen müssen, erfüllt sind. In-
dessen angenommen dass er aus einer andern Schrift d. h.
den SlXXoi stammt, so ist er doch von derselben Art wie
das was den Inhalt der ^IvöaXfiol bildete und kann daher
wohl als Beispiel benutzt werden, damit wir daran die Be-
schaffenheit solcher Vorstellungen, die den Ausgangspunkt für
unser Handeln bilden sollten, näher demonstriren. Welches
ist nun die Eigenschaft, um derentwillen die Vorstellung, dass
die Begierden das grösste Uebel sind, in einem höheren
Grade für unser Handeln maassgebend ist als die entgegen-
gesetzte, dass die Begierden oder das was sie erregt ein
Gut sind? Die Autwort hierauf kann nicht zweifelhaft sein:
die Begierden sind deshalb das grösste Uebel, weil sie mehr
als alles Andere das Glückseligkeitsideal der Pyrrhoneer, die
aroQa^la, stören. Dieses also ist es, an dem wir die ver-
schiedenen Vorstellungen messen sollen, und dieser Maassstab
entscheidet an welche Vorstellung wir uns in miserm Han-
deln zu binden haben. In ähnlicher Weise kommt derselbe
Maassstab auch noch in einem anderen Falle zur Anwen-
dung. Dass wir uns den herrschenden Sitten und Gesetzen
unterwerfen, den daiin ausgesprochenen Vorstellungen über
Gut und Uebel fügen sollen, war auch Timons Meinung
ebenso wie die der übrigen Pyrrhoneer.^) Als Grund,
*) Sext. dogm. V 19: ozav XlycDpiev axsnrixciq „rcwv ovxiüv xa
fiBv iariv dya^a ta dl xaxa rä öh fista^v rovro>y*', tö l'avtv tvxar-
rofifv ovx w? inaQ^scug «AA* wg tov <palveo^ai örjXcDTtxov.
*) Hinsichtlich der übrigen Pyrrhoneer vgl. z. B. Sext. Pyrrh. 1 17.
Dass Timon derselben Ansicht war, dürfen wir wohl aus Diog. 105
scbliessen: o^bv xal 6 Tlfiwv iv nJö JIv^wvl (prjai firj ixßeßijxtvai
x^v avvtj&siav.
56 Die verschiedenen Formen des Skepticismtis.
weshalb er diese Vorstellungen als solche anerkannte, die fiii:
unser Handeln verbindlich sind, liegt es am nächsten den
anzunehmen, dass durch eine solche Anerkennung die otce-
Qa^la gefördert wurde. Das Glückseligkeitsideal der Pyr-
rhoneer ist also abermals der Maassstab, nach dem über die
Wahl der unser Handeln bestimmenden Vorstellungen ent-
schieden wird. Die Anwendung desselben Maassstabes reicht
aber in diesem Falle noch weiter. Denn die Vorstellung
dass ich mich den Gesetzen u. s. w. untei'werfeu soll kann
verschieden sein, je nach dem darin die Vorstellung ein-
geschlossen ist, dass, was die Gesetze für gut oder übel er-
klären, beides auch der Natur und Wirklichkeit nach ist,
oder die andere, dass es nur in cfer Meinung diese beiden
Eigenschaften hat. Timon entschied sich für die letztere
Art der Vorstellung und zwar deshalb weil nur in diesem
Falle die draga^la gewahrt werden kann.^) Diese ist also
auch hier der Maassstab, der über die Voratellung entr
scheidet durch die unser Handeln bestimmt werden solL
Jetzt erkennen wir deutlich, was unter der Rede der Wahr-
heit (f/vd-og aXtjO^Bltjq) zu verstehen ist, die Pyrrhon bei Timon
zum Maassstab seiner Vorstellungen machen will. Denn an
M Sext. dogm. V 140: (Jiovwq ovv tarai (pvyfTv ravrtjv, el vno-
dtl^aifiev Tip ragazTOfibvw xaxa tfjv xov xaxov (pvy^v ^ xaxa t^v
xov dyaO-ov öiw^iv oxi ovxe aya^ov xi toxi <pvaei ovxe xaxov,
dXXa TiQog dvd-Qwnwv xccvxa v6(p xtxQtxai
xaxa xov Tlfnova, Dass dieser Vers zu den üeberresten der ^IvdaXfjiol
gehört, hat schon Wachsmuth S. 11 daraus geschlossen, dass er Theil
einer im elegischen Maasse gehaltenen Dichtung ist. Dagegen scheint
auf die sprachliche Form noch Niemand besonders geachtet zu haben.
Denn sonst hätte wohl nicht verborgen bleiben können, dass der Gegen-
satz, in dem diese Worte zu den vorhergehenden ^axt (pvaei stehen,
schärfer zum Ausdruck kommt, wenn wir statt votp schreiben vofjup.
Vgl. die S. 11, 1 angefahrten Stellen.
EntwlckeluDg der pyrrhonischcn Skepsis. 57
sich schon lag es am nächsten darunter die Lehre Pyrrhons
zu verstehen, und diese Auffassung ist jetzt bestätigt worden,
da thatsäehlich die Forderung der draQa^la von Timon als
Maassstab der Vorstellungen benutzt wurde, diese aber mit
Pyrrhons Lehre eins ist. Auch was Pyrrhon nach der eben
berücksichtigten Aeusserung weiter in den Mund gelegt wird,
erhält von dem jetzt gewonnenen Standpunkt aus ein neues
Licht. Da es auf den Zusammenhang der Verse ankommt,
so setze ich sie alle noch einmal her:
^ yaQ lyoßv egtco aig fioi xaraq)alvsTai dvat,
fivO-op dXTjd-ehjg OQd-ov txfov xavova,
(og fj xov d-tlov re tpiöig xal rayad-ov alel,
l§ olv löotarog ylverac dpÖQl ßlog.
Nach der Uebersetzung bei Fabricius und der Interpunction
bei Bekker zu schliessen scheint es dass man die Worte
(og f) xov d'slov xxX. als den Inbegriff oder doch als einen
Theil der durch iQtG) angekündigten Aeussei-ung betrachtete
und G>g in der Bedeutung von „dass" nahm. Diese Auffas-
sung ist aber nicht haltbar. Denn indem die Aeusserung
durch mg aufs Engste an iQto) angeknüpft wird, wird sie in
dieselbe Zeit gezogen, in der die Ankündigung geschieht,
also aus der Zukunft, in der sie der Annahme nach statt-
finden sollte, in die Gegenwart. Ich kann nicht sagen „ich
werde sagen, dass die Natur des Göttlichen und Guten
immer ist", wenn was ich später sagen werde eben darin
besteht zu sagen dass die Natur des Göttlichen und Guten
immer ist; in diesem Falle hört ja das Sagen auf, ein Zu-
künftiges zu sein, ich werde nicht erst sagen, sondern ich
sage es bereits, dass u. s. w. Nur dann licsse sich (hg in
der Bedeutung von „dass" festhalten, wenn der sich an-
schliessende Satz nicht selber schon eine der in Aussicht
gestellten Aeusserungen darstellt sondern nur den Inhalt
58 Die Terschiedenen Formen deB SkepticiBmuB.
derselben im Allgemeinoii zusammonfasBt und so andoub
erst dor folgende Vortrag ins Einzcliio ausfuhrt. In c
Falle würde letzterer keine Absiebt haben als den oiof
den Beweis zu liefern, dass das Gute und Göttliche imm
Statt dessen war, wie sich dai-aus ergibt dass er eine
wort auf Timons Frage sein sollte, seine Absicht vic
Vorschriften zu geben, nach denen auch andcra Met
ein ebenso glückliches Leben iiihron können wie Pyn-ho
bleibt daher nur übrig du; in einer andern Bedeutung
causalen, zu nehmen und zu übersetzen: „denn die
dos Göttlichen und Guten ist immei*. Diese Worte k
dann nur die Begründung des unmittelbar vorhorgoh
Verses enthalten. Mit dem ersten Verse (y -/uq lyMV
erklärt Pyrrhon, er werde siigen wie es ihm zu sein odo
zu vorhalten scheine, nämlich mit dem wonat^h ihn '
gefragt hatte. Wenn er hierauf hinzufügt, er wolle
dabei die Rede der Wahrheit zur Richtschnur nehmt
war natürlich eine Andeutung darüber, was er untc
Rode der Wahrheit verstehe und in wie fern dieselbi
Richtschnur seiner Acusserungen sein könne, sehr ei'wü
Diesem Bedürfniss genügt der mit <öq eingeleitete Get
Daraus sehen wir, daas den Inhalt der Rede der Wa
die Natur des Göttlichen und Guton bildet; und di
diese Natur näher bestimmt wird als diejenige wodurc
menschliche Leben zu einem gleicbmässigen wird (i
laörazog ylvexai ävÖQl ßlog), dabei aber nur an die (('tfl
gedacht werden kann, so kommen wir auf anderem
zu derselben Erklärung zurück, die wir schon vorher i
lieh und wahrscheinlich fanden. Wenn sodann hinzu|
wird, dass diese Natur immer ist, so soll dadurch die I
thümlichkeit an ihr hervorgehoben werden, durch d
befähigt ist in Mitten des Wechsels und Schwankens ui
Vorstellungen als fester Maassstab zu dienen. — Von ver
EntwickeluDg der pyrrhonischen Skepsis. 59
ü Seiten hat sich uns so bestätigt, dass Timon es nicht
gleichgiltig hielt, durch welche Vorstellungen unser
lein bestimmt wird, sondern zu diesem Zwecke eine Aus-
traf, bei der er sich des angegebenen Maassstabes be-
0. Diese Auswahl bildete den Inhalt der ^IvöaXfioL
an derselbe eine Antwort auf Timons Frage nach der
cseligkeit ist, die Glückseligkeit nach der Ansicht der
loneer aber auf der axaga^la beruht, so köimte man
)88en, dass in den ^IvöaXfiol vor allem das pyrrhonische
der draQa^la und sein Ursprung aus der ijtoxrj er-
t und begründet wurde. Wäre diess indessen der Haupt-
t der Schrift gewesen, dann würde der Name ^IvöaXfiol
nals unerklärt bleiben. Dieser scheinbare Einwand lässt
beseitigen, sobald wir näher zusehen, was der Sinn von
ns Frage ist. Er sagt Diog. 65:
Tovro [iOL, oi IIv(iQG)V, IfiblQBxaL 7JT0Q dxovöac,
jtöjg jtox^ dvfjQ tr' dyeiq Quöta (itd-^ ydvxhjf;-
kus sehen wir, dass Timon, was das Wesen von Pyrrhons
cseligkeit ausmacht, schon erkannt hat. Es ist die ijövxlri^
lit der draQa^itj zusammenfallt.^) Was er daher von Pyr-
wissen will, das köimcn nur die Mittel sein, durch die
sich in den verschiedensten Verhältnissen diese Art von
(Seligkeit erwirbt und erhält. Diese Mittel aber sind die
Teilungen, die ich mir von den einzelnen Dingen bilde
von denen ich mich in allen besondern Verhältnissen
') Sext. dogm. V 141: evöa/ficuv fih ionv b dvaQax^ *^'^?"
xal, tag hXeyev b Tlfiwv, iv riovyja xal yaXrjvorrjti xa^earwg'
ndvztj yag inEl/^s yakiivt]
xbv rf* wq ovv ivoijo^ tv vtivsfxl^ai yalijvfjg.
Pyrrh. I 10.
60 I^ie verschiedenen Formen des Skepticismus.
leiten lasse. Die ^IvöaXfiol waren daher eine ethische
Schrift, aber nicht in dem Sinne dass sie die letzten Prin-
cipieii der Sittlichkeit erörterten — das blieb anderen
Schriften (vgl. Euseb. praep. ev. XIV 18, 2) vorbehalten und
wurde in den ^hföaZftol als fivd^og ahjd'thig vorausgesetzt —
sondern darum weil sie diese vorausgesetzten Principien in
ihre Consequenzen verfolgton und Vorschriften über ihre An-
wendung in einzelnen Fällen gaben. Um sich eine deut-
lichere Vorstellung von ihrem Inhalt zu machen wird man
die stoischen Schriften jrfpi xad^rjxovrog oder vielleicht
noch besser Demokrits Schrift jtsQl ev&vfihiq^) vergleichen
dürfen.
Mit dem Ergebniss der bisherigen Untersuchung, dass
wir nach Timon uns nicht den Vorstellungen blind über-
liissen sondern eine Auswahl unter ihnen treffen sollen,
scheint nicht in Einklang zu stehen was in den von Sextos
dogm. V 164 aufbewahrten Worten Timons als dessen An-
sicht hervortritt. Dejn Skeptiker, heisst es dort, werfen es
die Gegner als Widerspi-uch vor, (in vjco tvqcwvo) jcoxl
ytrofievog xal rcHv (xqqt/zojp xi Jtoutp dvayxaCpfievoq ij
ovx vjtofterel ro JüQOOTarTOfavov «22' txovoior iXtlrcu
d-dvarov, ?} tpavycjv rag ßaödvovg jtoi/jOti ro xaXtvofierov,
ovTco TS ovxtri d<pvy7jg x(d avalQtxog törai xaxd xov
TlfiCDva, dXXd x6 fiiv tXetxai xov rf' djtoox?joaxat , ojibq
rjr x(5p fiexd jielöfiarog xaxuXri(f6x(ov ro ^svxxov xc ehai
xal aiQSxov, Mit der Forderung, die hiernach Timon aus-
gesprochen hatte, dass wir nie etwas meiden oder wählen
sollen, scheint die andere, dass wir gewissen Vorstellungen
vor anderen den Vorzug geben sollen, in Widerspruch zu
stehen, und dieser Widerspruch würde noch mehr hervor-
treten, wenn beide Forderungen, was nicht unwahrscheinlich
*) üeber deren Inhalt s. meine Abhandlung in Herrn. XIV 354 ff.
EntwickeluDg der pyrrhonischen Skepsis. 61
ist, in derselben Schrift aufgestellt worden waren.*) In
Wahrheit besteht dieser Widcrspmch nicht. Timon kann
sich in derselben Weise gerechtfertigt haben wie Sextos
a. a. 0. 165, indem er erklärt das eine Mal als Skeptiker
das andere Mal nach der Gewohnheit der Menschen ge-
sprochen zu haben. Man würde diesen Widei*spruch als
erledigt ansehen können, wenn sich nicht mit ihm noch ein
anderer verbände. Denn nach Sextos dogm. V 140 leugnete
Timon, dass es überhaupt ein von Natur Gutes {q)vöu dyaS^ov)
gäbe, in den vorher erörterten Versen aber spricht er von der
Xatur des Göttlichen und des Guten (// rov d^elov xb ^vöig
xal rdyad^ov). Auch hier kann man sich darauf berufen, dass
zwischen dem populären und dem philosophischen Sprach-
gebrauch unterschieden werden müsse. Möglich ist indessen
auch eine andere Erklärung. Wenn Timon leugnete, dass
etwas von Natur gut sei, so behauptete er gleichzeitig, dass
alles dieses nur von den Menschen dafür gehalten werde {dZXa
3(Qog dvd-QfDMcoi^ Jtdj^a roco \jf6fW7? s. S. 56, 1] xixQcrac).
Da nun unter den Menschen offenbar die Menschen ausser
den Skeptikern gemeint sind, so kann auch das Gute, dessen
Realität bestritten wird, nur dasjenige sein das bei andern
Menschen als solches gilt. Wenn aber Timon nur geleugnet
hatte, dass dieses sogenannte Gute ein Gut sei, so konnte
er ohne sich zu widersprechen das skeptische Ideal für ein
Gut, eben für das einzige wahre Gut erklären. Dieses Gut
könnte er dann auch zum Gegenstand einer Wahl (aigecig,
aiQhJod^aC) gemacht haben, und die Möglichkeit ist sonach
^) Wachsmuth S. 10 hat diesen Ausspruch aus einer Prosaschrift
abgeleitet. Indessen stellen die Worte oupvyiiq xal dval^etog eatai
sich ungesucht als Theil eines Hexameters dar und geben so, wenn
wir ausserdem den Inhalt berücksichtigen, uns das Recht sie für ein
Fragment der 7nf«A//o2 zu halten, denen Wachsmuth selber S. 11 und
Haas de philos. scept. succ. S. G2, 5 sie zugewiesen haben.
62 ^ie verschiedenen Formen des Skepticismns.
nicht ausgeschlossen, dass auch die Worte dg>vyrjg xai dval-
Qsrog ecrac relativ, d. h. mit Bezug auf die gewöhnlich so
genannten Güter und Uebel zu verstehen sind, die der pyr-
rhonische Weise weder wählen noch meiden wird.
Halten wir daran fest, dass nach Timon unser Handeln
nicht durch beliebige und zufällige sondern durch solche
Vorstellungen bestimmt werden soll, die am skeptischen Ideal
gemessen sich bewährt haben, so können wir den Unter-
schied nicht verkennen, der in dieser Beziehung zwischen
ihm und späteren Pyrrhoneem stattfindet. Zunächst freilich
scheinen beide im wesentlichen übereinzustimmen. Auch
die späteren Skeptiker bekannten nicht blindlings zufälligen
Vorstellungen zu folgen sondern solchen die ihnen durch
eine vernünftige Erwägung (Xoyog rig) empfohlen wurden;^)
und da nun diese vernünftige Erwägung mit der skeptischen
Grundansicht zusammenhängen sollte,^) so scheint es im
Sinne auch dieser späteren Pyrrhoneer zu sein, wenn man
diese Grundansicht oder praktisch betrachtet ihr Ideal zum
Maassstab der unser Handeln bestimmenden Vorstellungen
') Sext. Pyrrh. I 17: ei 61 rtg cugeoiv slvai (pdaxst r^v Xoya
rtvl xara ro (paivofifvov axoXov^ovonv dywyfjv, ixFlvov tov Xoyov
wg fativ ogO-üig Soxsiv t,iiv vno^Btxvvovroq {xov oQ^^wq fifi fx6vo%* aror*
dgertiv Xafißavofiivov d)X dipeXioTSQov) xal tnl xl> in^x^tv &vvao^i
öiaxelvovToq, (KiQbolv ipa/nsv exfiv dxoXovd-ovfiev ydQ rivi koyip xaia
ro (ftttvofifvov imoösix^n'VTi fifiTv t6 ^ijv ngog r« ndxQia ^&rj xal rovq
^'Ofiovg xal tag dywyag xal r« olxela TidS-ri.
') Sext. a. a. 0. Denn der Xoyog, der in uns die Vorstellung
hervorbringt, dass wir den Sitten Gesetzen u. s. w. gemäss leben sollen,
ist derselbe welcher zeigt wie man die Vorstellung oder den Glauben
recht zu leben erlangen könne {ixFlvov zov Xoyov a>g laxiv SqM^
doxsTv t,ijv vnoihixvvovxog) und auf das tTih^siv dringt (xal inl w
kn^X^iv övvaod-ai öiaxslvovzog). Dieser letztere koyog ist aber offen-
bar nichts weiter als die skeptische Grund -Theorie, dargestellt nach
ihren beiden Seiten, der dtaga^la und der iTtoxt]-
Entwickelung der pyrrhonischen Skepsis. 63
Mcht. Der Unterschied ist aber der, dass dieser Maassstab,
das Ideal der Schule, bei Timon den Werth einer wissen-
schaftlichen Wahrheit, bei den späteren Pyrrhonoem nur
den einer subjectiven Vorstellung {q>atv6iiBvov) hat.*) Da-
raas ci:gibt sich, dass auch die von diesem Maassstab ab-
hängigen Einzelvorstellungen, die der nächste Ausgangspunkt
unseres Handelns sind, in Timons Augen einen anderen
Werth hatten als in denen der späteren Pyrrhoneer. Die
letzteren wollten damit, dass sie erklärten in ihrem Handeln
sich an gewisse Vorstellungen zu binden, diesen Vorstellungen
keinen Vorzug vor anderen zusprechen,^) und ebenso wenig
wollten sie Anderen dadurch die Pflicht auflegen denselben
Vorstellungen zu folgen.^) Wer dagegen wie Timon die
') Denn dem loyoq — und darunter ist die Grundlehre der
Pjrrhoneer gemeint — leisten sie Folge nach Sextos a. a. 0. nur
xaxa t6 ipmvofjifvov (denn rr}v Xoyw xivl xaza ro (paivofisvov dxo-
lov&üvaav dycaytjv nennt er die Skepsis; wir sehen daraus, dass auch
in den Worten clxoXov^ovfiev ydg rtvi Xoytp xata rb <paiv6^svov
vnodeixvvvTi die Worte xara r. <p. mit dxokovd'ovfiev und nicht mit
vnodfixvvvTi zu verbinden sind) d. h. nicht als ob sie ihn für wahr
hielten sondern nur weil er thatsächlich in ihrer Vorstellung gegeben
ist. Ebenso hatte den Pyrrhonismus schon Ainesidemos aufgefasst,
da er im ersten Buch seiner Jlv^^wveiot Xoyoi und anderwärts er-
klarte ovö^v oqI^biv tÖv Ilv^Qiova öoyftaiixüiq 6ia tiJv dvnXoylav,
Toiq dt ifmvo^hvoiq axoXov^sTv.
*) Darauf beruht zum Theil ihr Unterschied von den Akade-
mikern, wie sich aus Sextos Pyrrh. I 226 ff. z. B. aus folgenden Wor-
ten ergibt: rdq re <pat*taalag tiftetg fxlv Taag Xbyo^itv ehai xara nl-
aitv ^ dmaxlav ilaov inl ri5 Xoyo), ^xf-ivoi öh zag filv niS-avag elval
ifaai tag 61 dmS-dvovg.
') Denn diess würde voraussetzen, dass es von unserem Willen
abhängt welchen Vorstellungen wir folgen. Das ist es aber gerade
was Sextos a. a. 0. leugnet, wenn er die (paivofitva bezeichnet als
TU xaxa (favxaölav naO-rjxtxä dßovXfjrcjg ^ifiag äyovxa elg avyxaxd-
^taiv.
64 I^ie verschiedenen Formen des Skeptidsmas.
Wahrheit zum Maassstab der Vorstellungen machte, der ge-
stand eben dadurch den Vorstellungen die mit ihr übe^
einstimmen einen Werth vor den übrigen zu, die diess nicht
thun, und musste consequenter Weise auch Andere für ver-
pflichtet halten sich denselben Vorstellungen zu unterwerfen.
Wenn man das Ansehen bedenkt, in dem Timon als Ver-
kündiger der pyrrhonischen Lehre (o JtQoq>ijrrjg t(3v Ui^
Qcüvog Xoycov wird er von Sextos adv. math. I 53 genannt)
auch bei den späteren Skeptikern stand, so könnte man
gegen das Ergebniss einer Untersuchung zweifelhaft werdöi,
das zwischen ihm und den späteren Vertretern der Schule
eine nicht unbedeutende Meinungsverschiedenheit nachweist
und das naturlich mathematische Evidenz nicht besitzt. Aul
der andern Seite aber wird, wenn w^ir bedenken dass Timon
ein Zeitgenosse des Arkesilaos war und zu diesem in freund-
schaftlichem Verhältnisse stand, die Richtigkeit jenes Ergeb-
nisses bestätigt, da mit der Annahme desselben eine au&t
lende Uebereinstimmung in den Ansichten beider Männei
hervortritt. Denn der Vorzug der nach Timon gewisser
Vorstellungen zukommt, weil sie ohne wahr zu sein dod
am Maassstab der Wahrheit sich bewähren, kann nur darii
bestehen dass sie wahrscheinlich sind. Das WahrscheinHch
unter dem Namen des evXoyov hatte aber auch Arkesilac
zum Ausgangspunkt imserer Handlungen gemacht (Sex
dogm. I 158).
Der erste Pyrrhoneer nach Timon, von dem wir mel
als bloss den Namen wissen, ist Ainesidemos.^) Was mfl
über ihn aus Sextos Empeirikos entnalim, schien ihm bish^
eine eigenthümliche Stellung innerhalb seiner Schule s
') Ich bemerke dass was im Folgenden über diesen Philosoph^
gesagt wird schon niedergeschrieben war che die in wesentliche
Punkten damit zusammentreffende Abhandlung von Natorp erschitf
CRhein. Mus. 1883 S. 28 ff).
£<ntwickelaDg der pyrrhonischen Skepsis. 65
sichern, da er, in einer für uns fireilich schwer verständlichen
Weise, die dogmatische Lehre Heraklits mit der pyrrhoni-
schen Skepsis verbunden haben sollte. Diesen Anspruch
Ainesidem auf eine Sonderstellung innerhalb der Schule hat
neuerdings Diels doxogr. S. 210 f. bestritten, indem er die
Autorität des Sextos verwarf und als die einzige Quelle,
aus der sich eine Kenntniss des echten Ainesidem schöpfen
lasse, den bei Photios bibl. c 212 erhaltenen Auszug aus
dessen IIv^QcivEiOL Xoyoi bezeichnete. Diese Ansicht von
Diels ist sodann von Zeller (III 2' S. 35 fT.) gebilligt und
weiter begründet worden. Hiernach hätte Sextos, indem er
Ainesidem zu einem Herakliteer machte, dessen Darstellung
missverstanden und was ein historischer Bericht sein sollte
als ein dogmatisches Bekenntniss aufgefasst Ich setze Diels'
eigeae Worte her: sicut eclectici ejus saeculi dogmaticorum
omnium miram concordiam contendebant, ita Aenesidemus
dubitationis semina per philosophorum continuationem inda-
gavit et collecta proposuit. qua in re cum illos magis quam
se loquentes faceret (cf. Sext dogm. I 129: rovxov ötj rov
^ilov Xoyov xad-' ^HQaxXsirov dt* dpajtvorjg öxaöavxEq
vo^Qoi Yiv6fiBd-a)y eiTores infinites apud posteriores procreavit,
qui explanatorem opinionum eundem patronum credebant.
Wnc factum ut quem veteres resuscitasse Pyrrhonis sectam
dicebant, eundem inconstantia absurda modo scepticum modo
dogmaticum praesertim Heracliteum viri docti arbitrarentur.
Hiernach wäre Heraklit von Ainesidem nur unter die Vor-
läufer des Pyrrhonismus gerechnet worden und hätte daher
•
m einer Reihe mit Anderen gestanden, die als solche Dio-
genes IX 72 f. nennt, mit den eleatischen Philosophen Xeno-
phanes und Zenon, mit Empedokles Demokrit Hippokrates
^^^i Piaton. , Warum hat nichtsdestoweniger sich das Miss-
^erständniss des Sextos nur an Heraklit geknüpft? Warum
^^cht vielmehr an Demokrit, der doch unter den Vorläufern
Uirsel, Unter« ncbangen. Hl. 5
66
Die verschiedenen Formen des Skepticismus.
des Pyrrhonismus viel mehr hervorragt als Heraklit? ^)
sind Fragen, die Diels hätte beantworten sollen. Noch
aber muss man verlangen, dass wer Sextos eines so
Missverständnisses beschuldigt, auch das berücksichtigt
derselbe Pyrrh. I 210 über Ainesidemos sagt. Hiernach
dieser die skeptische Richtung für den Weg zur hera
sehen Philosophie erklärt (ol jibqI top AhfjölÖTjfiov L
oöoi^ slvai TfjP öxsjcTixfiv dycoyi^if Ijti Tf/v ^HqoxXsI
(piXoöoipiav), Von einem Missverständniss auf Seiten
Sextos kann hier nicht die Rede sein: wollen wir dabo
nicht auch zum Lügner machen, so müssen wir glauboi
er Ainesidem sagen lässt. Hieraus scheint aber wcit<
folgen, dass, wer die heraklitische Philosophie in eir
enge Verbindung mit der Skepsis setzte, sich ihr aud
zu einem gewissen Grade anschloss, also gerade das
Zeller und Diels mit Bezug auf Ainesidem bestreiten, "i
hätte deshalb da, wo er den Irrthum des Sextos zu erk
sucht (S. 35 flf.), diese Worte nicht unberücksichtigt li
dürfen. Berücksichtigt hat diese Worte allerdings ]
Indem er nämlich davon spricht, dass nach Ainesidems
sieht Heraklit die Luft als das Urelement hingestellt \
M Diess ergibt sich aus der Art wie der Skepticismos l
bei Diog. a. a. 0. begründet wird. Die auf Demokrit bezOgl
Worte lauton: JtifioxQiroq 61 rag noiorrixaq ixßakior, 7va tpt^al,
i/.»r/(>ov, rofio) d^tQfwv, hreH 61 äiofia xa\ xspov xal ndXiv, *Ei
ovötv lö/bifv' ^v ßv^(5 yuQ y clhiS^tifj. Bei ihm fand man also A<
rungen, die das Wesentliche des Pyrrhonismus aussprachen
S. 1 1 iX Um den Skepticismus Ileraklits zu begründen beriei
sich dagegen, wenn wir wenigstens Diogenes glauben wollen, ni:
folgenden Ausspruch: /u;) elxfj neQl twv fieylatwv av^ßalkto
Ich erinnere ausserdem an die früheren Erörterungen über de
Sprung des Pyrrhonismus und insbesondere daran, dass nach dei
anfechtbaren Zeugniss seines Schülers Philon Pyrrhon keinen ]
Bophen 80 viel im Munde führte als Demokrit cDiog. 67).
Entwickelong der pyrrhonischen Skepsis. 67
bemerkt er (S. 210): simul id elementmn proposuit (Ainesi-
dem), unde üacillime extenuando et densendo perpetuam vi-
cissitudinem Heraclito affingeret, quam scepticus homo in
illo maxime suspiciebat. nam conjuncta est bis contrariorum
concordia discors, quam Pyrrhoniis viam muniisse
Aenesidemus perseveravit. Sext P. b. I 210. So auf-
gefasst boren die Worte des Sextos freilieb auf ein Hinder-
niss von Diels' Ansiebt zu sein; sie unterstützen dieselbe
eher, insofern sie auszuspreeben scbeinen was diesQ voraus-
setzt dass Ainesidem Heraklit unter die Vorläufer des
Pyrrbonismus gereebnet babe. Nun legt aber diese Auffas-
sung den Worten einen Sinn unter, der dem den sie wirk-
licb entbalten gerade entgegengesetzt ist. Ainesidem bat
nicbt gesagt, dass die beraklitiscbe Pbilosopbie der Skepsis
die Babn gebrocben babe sondern umgekebrt dass die Skepsis
der beraklitiscbon Pbilosopbie den Weg bereite.^) Welcher
bedeutende Unterscbied aber zwischen beiden Ausdrucks-
weisen besteht, liegt auf der Hand: der ersten konnte sich
auch Jemand bedienen, der die Identität der Skepsis und
des Heraklitismus leugnete, die zweite dagegen führt conse-
quenter Weise dazu dass der Heraklitismus in die Skepsis
eingeschlossen wird. Bis daher Sextos auch in dieser Be-
ziehung eines Irrtbums überfuhrt worden ist, bat streng ge-
nommen die Ansicht von Zeller und Diels auf Beachtung
keinen weiteren Anspruch: denn mag es uns noch so räthsel-
haft dünken, wie Ainesidem zugleich Pyrrhoneer und Hera-
kliteer sein konnte, die Thatsache, dass er diese beiden
^) 210: ol 7t6Ql xbv AlvTjaldrjfiov ikeyov oöov slvai r^v axtnxi-
»jjv tLyutyjiv inl rrjv ^H^axXeheiov (piXoao(plav, dioxi TCQoriyeTxai xov
^dvavxla tzbqI xo tetjxö vticcqxbiv x6 xdvavxla tisqI x6 avx6 tpalvea&ai
^^' 213: äxonov 6i iaxt xb xtjv fiaxofjiivijv dymyr^v böbv eivai X^-
yf'v x^q aLQtafwq ixelvfjg § fiax^xai' äxonov aQa xb xyv axsnxix/jv
ßywy/^y inl r/}v ^'Hgaxlelxeiov <ptkooo(plav vöbv elvat Xtyeiv.
b*
68 I^io verschiedenen Fonnen des Skepticismus.
•
philosophischen Richtungen zu verbinden suchte, lässt sid
bis auf Weiteres nicht bestreiten. — Viel geringer als diese
Schwierigkeit, die sich gegen Diels' und Zellers Ansicht er-
hebt, ist die andere welche sie durch ihre Hypothese zi
beseitigen suchen. Sie finden es auffallend, dass, wo man
erwarten sollte schlechtweg Ainesidem genannt zu sehen,
in der Regel in umständlicher Weise Heraklit als seine Au-
torität hinzugefügt wird {Alvrjöldrifiog xaxa ^HQoxXHxk
^TjOLv), „Wozu, fragt Zcller, diese in ihrer ständigen Wieder-
holung seltsame Ausdrucksweise, wenn Aenesidemos alle jene
Dinge in eigenem Namen und nicht bloss in der Darstellimj
fremder Ansichten vorgetragen hatte?" Aber ständig, wie
Zeller behauptet, ist diese Wiederholung nicht. Auch bei
Sext. dogm. IV 38 wird Ainesidem eine dogmatische Bestim-
mung^) zugeschrieben, ohne dass dabei seine Uebereinstim-
mung mit Heraklit bemerkt würde.*) Und allerdings ist
diese Bestimmung eine, die nicht von Heraklit sondern vor
den Stoikern herrührt (Zellcr HI 2 S. 32, 3). Wenn nur
Ainesidem an seiner Uebereinstimmung mit Heraklit etwas
gelegen war, warum soll er sie nicht überall da, wo sie
wirklich stattfand, ausdrücklich hervorgehoben haben? Ii
diesem Falle würde sich der wiederholte Zusatz xad-^ ^Hga
xXttrov in den Berichten über seine Lehre ganz gut erklären
Aber Zeller sagt S. 36: „Wir können wenigstens in einen
Falle nachweisen, dass Sextos das, was er zuerst, allen An
zeichen nach aus Aenesidemos, als Heraklits Lehre mitge
theilt hat, nachher seinem skeptischen Vorgänger selbe
^) Dass Sextos eine dogmatische Bestimmung darin sah, foli
daraus dass er gegen sie polomisirt, vgl. bes. 44.
*) Ol öh n?.siovg, ^v oiq tial xal ol neQl rov AlvtialÖr^fxov, öttt^
Tiva xaxa to dviotaxo) xlvr^atv anoXelnovat, filav jnhv rr/v /letaßkft
Ttx/jv, dtvTi()(iv 6h z/jv fitraßartx/jv, wr fjtezaß/.rjttxri fiiv ^axt xiv^t
oiq xtL
Entwickelung der pyrrhonischen Skepsis. 69
zuschreibt." Bei Soxtos lesen wir nämlich adv. dogm. II 8:
ol (UV yaQ J€£qI tov Alvrjoldruiov Xiyovöl xiva tdiv q>aivo-
uivmv diag>OQdv, xal (paöl xovrcov xa fitv xotpöjg jtäöi
(palviO&ai xa 6e lölcog xivl, mv aXrjd^] fiev tlvai xa xoivojq
xm (paLv6(ieva tpevöfj 6e xa pi xoiavxa' od^ev xal dXtj&iq
qiQmvvfKog slgfjö&ai xo fiTj Xfj&ov xijv xoiv^v yvoififjv,
Dass Ainesidem die ihm hier zugeschiiebene Ansicht im
Anschlnss an Horaklit geäussert hatte, sagt Sextos ausdrück-
lich in den vorangehenden Worten.^) Und so wird denn
auch wirklich, worauf Zeller hinweist, von Sextos adv. dogm.
1 129 S, dieselbe Ansicht unter denen Heraklits aufgeführt.*)
An sich beweist diess natürlich noch nicht, dass dieselbe
Ansicht nicht auch Ainesidem sich zu eigen gemacht und
als seine eigene, aber unter Berufung auf Heraklit, vorge-
tragen haben könne. Etwas auffallender würde es sein,
wenn die frühere Stelle des Sextos, wie Diels imter Zustim-
mung von Zeller meint, ebenfalls von Ainesidem entlehnt
wäre. In diesem Falle müssten wir annehmen, dass Aine-
sidem das eine Mal über dieselbe Ansicht wie über eine
fremde berichtet, das andere Mal sie als seine eigene wemi
auch unter Nennung ihres Urhebers vorgetragen hätte. Mag
*) Ol dh TifQl TOV AlvtjalSrjfjiov xa&' ^HgaxXeixov xal tov *Enl-
xnv(i(fv inl xa alaO^rjta xoivwg xttrevfx^^vrfg ^v eTdei dt^ozt^aav.
Wew Worte hat Zeller übersehen, wenn er S. 36, 2 sagt, Sextos lege
<lie betreffende Ansicht Ainesidem bei ohne Heraklit zu nennen.
Ucbrigens könnte man, wenn man die enge Zusammengehörigkeit der
beiden von tisqI abhängigen Accusative tby AlvTfalSrjfwv und tov
E?[ixovQov bedenkt, auf den Gedanken kommen, dass das dazwischen
geschobene xa9^' "^HQdxkeixov als ein die Gonstruction störender Zu-
Wz zu tilgen sei.
') Besonders hervorzuheben sind folgende Worte: xovxov de xov
xotvov )joyov . . . XQiTtJQiov dXfjS'sla^ (prjalv b '^HQaxXeixoq, oB-ev xb
^"^ xoiv^ näoi (paivofievov rovr' fivat iiiorov . . . xb 6s xtvl fjLovio
'^Qooninxov aniaxov vnd^eiv.
70 Die Ter schied enen Formen des Skepticismns.
diess immerhin zunächst auffallend scheinen, so erweist es
sich doch bei näherer Betrachtung keineswegs als unmöglicL
Denn je nach dem Zusammenhang konnte diese Ansicht in
verschiedener Weise vorgetragen werden, und Ainesidem
konnte innerhalb einer rein historischen Darstellung, die nur
über die Ansichten der Früheren berichten wollte, dieselbe
Ansicht ohne ein Wort der Zustimmung Heraklit beilegen,
die er anderwärts, wo es sich um die Darlegung der eigenen
Ueberzeugung handelte, offen für seine eigene erklärte. Aber
wie steht es denn überhaupt damit, dass die frühere Stelle
des Sextos von Ainesidem genommen sein soll? Es ist nöthig
dieselbe ganz herzusetzen: tovtov ötj top d'Slop Xoyov xad-*
^HQdxXsiTor dt" dvajtvorjg öjtdöavreg ijobqoX yi^ofied-a xal
Iv fiBv vjtvoig X-qd-aloi xaxd 61 eyeQöiv xdXiv IfKpQoi^Bq'
Iv ycLQ xolq vjtvoig fivöctvTmv t(dv alöBifpcvxmv jtoQcov j^copf-
^erai rfjg JtQog xo jtBQi^x^v övfi^vtag 6 Iv 7]fitv t*ovg fiopfig
xrig xaxd dvaxvofpf JtQOöq>vöea)g öfp^ofiii^g olovsl rivog
QlC^r/g, ;^cö()4ö^£/e xs dxoßdXXu ^v jcqoxbqov sIxb [ivr/fiOPiXTpf
övvafiiv iv 6e lyQtffOQoCi jrdXiv 6id xmv alöB^ixcov jcoqcop
äöJtSQ öid xivcov d-VQlöcov jtQoxxnpag xal xm ütEQiixovxi
6v(ißaX(DV Xoycxrjv kvövexai övvafiiv, ovjisq ovv xqoxov ol
dt^d^Qaxeg jtXfjöidöavxeg ro5 jcvqI xcrr' dXXolcoöiv öidjtvQoi
ylvovxai x<oQicd^tvxeg de ößivvvvxac, ovxo} xal ry Ijti^tvtxh
d^elöa xolg f/fisxtQoig ödfiaöiv djto xov JtSQi^x^vxog (iolQa
xaxd fiev xov ;fCö()£(j//or dXoyog yhexai xaxd 6e xrjv 6id
xmv jcXdöxa)v jtoQov övfig>vöiv ofioeidrig xcp oXo) xa^löxaxaL
Hierzu bemerkt Diels: Aonesidemo haec deberi eo maxime
intellegitur, quod xo jtSQiexov (ab Heraclito eadem obscuri-
tate qua ab Anaxagora fr. 2 dictum) quasi xov jtsQiixovta
[sc. dtga'] vulgari consuetudine dixisset, explicavit. nam aera
in istius commentario intellegendum esse patet. Da sich nun
weiter aus den von Diels beigebrachten Stellen ergibt, dass
die Ansicht, wonach die Seele aus Luft (d/fi) besteht, von
Entwickelang der pyrrhonischen Skepsis. 71
Aüiesidem Heraklit zngoschrieben wurde, so schien zu folgen,
class auch die angeführten Worte auf Ainesidcm zurückgehen
müsstcn. Offenbar ist aber dieser Schluss nur dann bündig,
wenn feststeht, dass Niemand sonst Heraklit diese Ansicht
zugeschrieben hatte. Nun findet Diels selber in dieser Dar-
stellung stoische Einflüsse, indem er die Worte öi^ avajcvo^g
öxdoavTtg auf die stoische Auffassung der Seele als eines
axoCJcaCfia rfjq rot jcavrog ipvx^jg bezieht. Könnte also
dieser stoische Einfluss sich nicht auch in der Auffassung
der Seele und des Weltprincips als Luft geäussert haben?
Undenkbar ist diess durchaus nicht, wenn wir uns erinnern,
dxLSS die Stoiker das Princip der Natur nach dem Vorgange
Heraklits bestimmten. Wenn sie daher dasselbe gelegentlich
ebenfalls als «//p bezeichneten,^) so sollte man meinen, diess
setze eine eben solche Auslegung der heraklitischen Lehre
voraus wie sie, wenn wir Diels folgen wollten, allein Aine-
sidem gegeben haben würde. Die Möglichkeit ist hiernach
nicht ausgeschlossen, dass der Heraklit betreffende Bericht
des Sextos aus einer stoischen Quelle geflossen ist; denn
dass auf seine Darstellimg nicht bloss Skeptiker sondern
direct oder indirect auch Philosophen anderer Richtungen
eingewirkt haben, zeigt die Art wie bei ihm Poseidonios
und Antiochos erwähnt werden.
Ich habe bisher Diels' Annahme gelton lassen, dass in
den Worten des Sextos die Luft als das Princip Heraklits
bezeichnet werde. Diese Annahme hält aber bei einer
*) So gibt Philodemos tibqI fvoeß. c. 13 S. SOG (bei Diels &. 546 f )
Folgendes als Lehre Chrysipps: xal Jla fisv elvai rov tibqI rtjv yrjv
ÜQa, tbv 6h axoxfivbv 'Äiöriv, xbv 6h 6ia rfjq yrjq xal ^aXatifig Üo-
aet6w. Bei Stob. ecl. I 374 lesen wir: XQvotnnog 61: rotovtov xi 6iS'
(ifßatovxo' elvai xb ov nvsvfxa xivovv havvb uQoq havxb xal i^ avxov,
fj nvevfjia kavxb xivovv ngoocj xal Sniaw nvevjna 6h eiXrjnxai 6iä xb
kbyead-at avxb di^a elvai xivovfisvov.
72 l^ie verschiedenen Fonnen des Skepticismas.
näheren Betrachtung nicht Stich. Sie kann sich nii:
darauf gründen, dass nach Sextos das Athemholen de:
Weg ist auf dem wir zu einem Anthcil am göttlichei
Princip gelangen (dt* avojcvotjq öjcdöavrsg und rijg xccvt
dvojtvo^v jtQOöq)vöecog). Dieser Grund genügt aber nicht
Denn daraus folgt doch noch nicht, dass die eingeathmet<
Luft imd das göttliche Princip identisch sind; yielmelu
kann die Luft auch als das Vehikel gedacht werden, durcl
das uns ein Theil des Princips zugeführt wird. Dass mai
die Worte so auflfassen könne, ergibt sich am einfach-
sten daraus, dass Zeller sie wirklich so aufgefasst bat, ds
er. unter Berufung auf Sextos' Worte Heraklits Lehre sc
darstellt (I 644^): „ihr (der Seele) Feuer ist nicht allein
von aussen her in den Leib gekommen, sondern es muss
sich auch von dem Feuer ausser ihr nähren, um sich zu
erhalten; eine Annahme, die schon^ durch den Athmungs-
process nahe gelegt war, wenn man einmal die Seele der
Lebensluft gleichsetzte. Heraklit nahm daher an, dass
die Vernunft oder der Wärmestoff aus der Atmo-
sphäre theils durch den Athem theils durch die
Sinneswerkzeuge in uns eintrete." Hiernach würden
Sextos' Worte im wesentlichen das aussprechen was wii
berechtigt sind für die wirkliche Lehre Heraklits zu halten
und keineswegs bloss diejenige Form derselben wiedergeben
die sie nach der Auffassung Ainesidems hatte. ^) In diesei
Meinung braucht uns auch das Wort jibquxov nicht zu
stören, das Diels hier in einer eigonthümlichen, Ainesidem
charakterisirenden Weise gebraucht findet. Wenn indessen
einmal nachgewiesen ist, dass Sextos' Worte nicht die An-
sicht voraussetzen, Heraklits Princip sei die Luft schlechthir
gewesen, so ist auch nicht mehr noth wendig, dass das um
') Vgl. über diese Lehre Heraklits auch noch Schuster S. 161 £
Entwickelung der pyrrhonischen Skepsis. 73
f Umgebende, woraus wir dieses Princip durch Athmeu schöpfen,
die Luft sei. Das Wort jceQiixov könnte daher wohl in
einer weiteren Bedeutung genommen werden, in der es ausser
Ider Luft auch das feurige Element begreift. Trotzdem sehe
ich nicht ein, warum wir es in dieser Bedeutung nehmen
und nicht, wie Zeller (I 645, 1) und Schuster (160, 1) gethan
haben, darunter die Atmosphäre verstehen sollen. Mit Hera-
Hits Lehre verträgt sich diess vollkommen. Und dass jcbqI'
(lov, ursprünglich das Umfassende überhaupt, auf die Luft
übertragen worden ist, hat seine Analogie in x«^«, das
eigentlich den weiten alles befassenden Raum bezeichnet
(Sext Pyrrh. III 121, dogm. IV 11, Curtius Grundz. d.
EtymoL S. 178*), dann aber gleichfalls von der Luft ge-
braucht wurde (Ibykos fr. 28 und dazu Bergk). ^) — Es ist
also nicht nothwendig den Bericht des Sextos über Heraklit
auf Ainesidem zurückzuführen. Bestimmte Gründe sprechen
ausserdem dagegen. Diels lässt uns im Unklaren, welches
nach seiner Ansicht der Zweck war den Ainesidem bei
der Darstellung der älteren Philosophie verfolgte. Das eine
Mal sagt er, seine Absicht sei gewesen die Keime des
Skepticismus bei den früheren Philosophen nachzuweisen
(S. 210: sicut eclectici ejus saeculi dogmaticorum omnium
miram concordiam contendebant, ita Aenesidemus dubitati-
onis semina per philosophorum continuationem indagavit et
^) Unter diesem Gesichtspunkt fällt ein neues Licht auf Anaxi-
menes* Yerhältniss zu Anaximander. Denn das aneigov Anaximanders
ist meines Erachtens nichts als der unendliche Raum, also eine Ueber-
setzong des volksthümlichen oder dichterischen /ao(? in eine neue
Terminologie (wie nahe die Begriffe des xaoq und aneigov einander
Terwandt sind, sieht man aus Marc. Aurel lY 3: xo x^^Q ^^ ^^'
kxdzBQov äntlgov aluivog und 10, an welcher letzteren Stelle dx«vhg
and anEtQov Synonyme sind). Und dieses aneiQov wurde ?on Anaxi-
menes näher als die Luft bestimmt.
74 I^ie yerschiedeDen Formen des SkepticismoB.
Gollecta proposuit), das andere Mal, Ainesidem habe de
Streit der verschiedenen Philosophen dadurch ans Lid
stellen und diesen als Grund des Skepticismus benutze
wollen (S. 211: Aeuesidemus dubitandi causam ex philosc
phorum pugna petivit velut Clitomachus in Ciceronis Lucul
quem vituperat propterea Sextus adv. math. IX 1 p. 391, 25B
Dass Ainesidem mit einer und derselben Darstellung dies«
doppelten Zweck verfolgt habe, ist schwer denkbar. Ab
zugegeben die Möglichkeit, so ist es nach dem, was v
über die Methode der Skeptiker Sicheres wissen, nicht wah
scheinlich. Denn wir sehen nur, dass sie das eine oder d
andere Verfahren, aber nicht» dass sie beide zugleich ei
schlugen. So macht sich Sextos zwar den Widerspruch d
Philosophen zu Nutze,^) leugnet aber den von Anderen b
haupteten Zusammenhang des Pyrrhonismus mit irgend em
anderen Philosophie.*) Und was die Pyrrhoneer betril
die nach Diogenes 71 flf. den Anfängen ihrer Sekte bis a
Homer nachgingen, so ist est allerdings wahrscheinlich, äs
sie auch der zehn oder fünf Tropen sich bedient haben, unl
denen der Streit der Philosophen nicht fehlte;*) aber gera
die Hauptsache ist zweifelhaft, ob sie auf die Widersprüc
zwischen solchen Philosophen hinwiesen die sie vielleic
eben noch wie z. B. Heraklit und Demokrit als Vorläul
Pyrrhons hingestellt hatten.*) Doch kümmert uns hier die
*) Vgl. z. B. dogm. I 46 ff., bes. 46: dxoXovB^ofg xal tt/v yfi
fievTjv xolq doy/xatixoTg (piXoaotpoig öidaxaaiv nsQl xov xqittjqIov d
nwfjiEv, und 261 : ndarjq öh <j/f ctor rr/? n^Ql xqixjiqIov öiaipiovUtq t
oipiv xstfihnjg.
•) Vgl. was er Pyrrh. I 210 ff. über das Verb<nisa Herakli
Demokrits u. s. w. zum Pyrrhonismus bemerkt.
•) Dlog. 83. 88.
*) Das Verfahren, wonach man den Anfängen des Skepticiso
bei den früheren Philosophen nachspürte, scheint das ältere zu sc
Kntwickelung der pyrrhonischen Skepsis. 75
Frage nicht, sondom die andere, ob in dem auf Ainesidem
zariickgefiihrten Abschnitt die eine oder andere Tendenz
hervortritt. Beides muss verneint werden. Denn ein Abschnitt
der den Nachweis ^u führen sucht dass Heraklit den Xoyog
als das Kriterion der Wahrheit betrachtet habe,^) kann
nicht die Absicht gehabt haben ihn als einen Vorläufer
Pyrrhons erscheinen zu lassen.*) Ebenso wenig aber ist die
das schon Pyrrhon angebahnt hatte, wenn er sich mit Vorliebe auf
Homer and Demokrit berief (Diog. 67). Dieses Verfahren hatte, wie
dorcli Sextos Pyrrh. I 210 wahrscheinlich wird, auch Ainesidem be-
folgt Die Anwendung des andern ist wohl, nach Sextos dogm. lU 1
zu schliessen, eine der Wirkungen, die der Vorgang der akademischen
Schule auf den Pyrrhonismus äusserte.
') Gleich die Anfangsworte (126) lauten: o 6h ^HQaxXsitog, inel
^ahv iöoxsL Svalv wpyaywaS'ai b avd-Qotnoq UQoq r^v xrjq dlrjO^elag
yväatv, ala^asi xe xal Xöytp, rovtwv ttjv fikv aiad^rjoiv nagauXri-
oitoq Totg TiQoeiQrjfjiivoig (pvaixoTg aniaxov slvai vevofiixev, xov de
^oyov vnoxld^exai x^ixiJQiov. 127: xov de koyov xQiXf^v xrjg
^^^(lag dnotpalvexai. 131. 134.
^ Wäre diess die Absicht gewesen, dann würde er sich doch
^lüirscheinlich auf denselben Satz Heraklits berufen haben, den
Diogenes 73 zu diesem Zweck anführt: firi sixij negl xwv fisylaxcjv
^^'ßßaXXcifxed'a. Diess ist der einzige Satz, den Diogenes für den
Skepticismus Heraklits geltend zu machen weiss. Beide Darstellun-
gen i die des Diogenes und die des Sextos, berühren sich also, we-
^gstens was Heraklit betrifft, in keiner Weise mit einander, und das
^&re doch kaum zu erklären, wenn beide Darstellungen aus derselben
Schale hervorgegangen wären und denselben Zweck verfolgt hätten,
^och ein umstand verdient ausserdem Beachtung. Sowohl Diogenes
i^i) als Sextos (128) bezieben sich auf denselben Vers des Archilochos:
xoLog dvd-Qwnoiai Svfiog, Fkavxs AsTCxlvew ndi,
ylyvsxai ^vrjxoig bxolrjv Zevg in^ tj/xiQrjv dyei.
^ber beide benutzen ihn in ganz verschiedenem Sinne. Sextos will
''^mit bestätigen, dass auch die menschliche Vernunft nur ein Aus-
^^^ der göttlichen ausser uns ist, Diogenes, dass die Meinungen der
^^uschen nicht gleich bleiben sondern beständigem Wechsel unter-
76 Die verschiedeneD Formen des Skepticismns.
Absicht erkennbar die dogmatischen Philosophien, ind(
man sie mit einander in Streit bringt, eine durch die andc
zu vernichten. Das über Heraklit Gesagte gehört dem A
schnitt an, in dem Sextos eine Geschichte der Erkcnntiiii
theorie bei den Naturphilosophen von Thaies bis auf Plat
(89 — 141) gibt. So verschieden nun die hierbei zur Sprac
kommenden Theorien sind, so hat doch Sextos diese Gelege
heit die sich ihm bot den Streit der Philosophen zur A
schauung zu bringen nicht benutzt sondern ist im Gegenth
bemüht das allen diesen verschiedenen Philosophen Gemei
same hervorzuheben. Denn die Betrachtung jedes einzeln
Philosophen läuft schliesslich auf den Nachweis hinaus, di
auch er ebenso wie die Uebrigen den Xoyog als das Kriteri
anerkannt habe.*) Das Verfahren stellt also vielmehr el
worfen sind. Derselbe Vers ist also für Sextos Grund Archiloc!
eine bestimmte dogmatische Ansiebt zuzuschreiben, für Diogenes
zu einem Skeptiker zu machen.
') Dass dioss das eigentliche Thema dos ganzen Abschnittes
wird uns schon zu Anfang desselben gesagt 89: xatayrovzeg yaQ
dnb ßdkeo) (pvaixot) xrlq alad^aewg iv no?2oig atg dnlaxov, xbv
yov xQixriv xtjq iv xoTg ovaiv dlfjd-elag ^ntaxtjaav d(f-^ ov oQfjuofii
tcbqI xe dQXÖfv xal oxoixflwv xal xwv dkXwv Siexdoaovxo, wv ^
xdXijtptg dia xt/g xovxov 6vvd(iemg nfQiylvtxai. Dass es dem V
fasser dos Abschnittes allein darum zu thun ist den loyog als
von Allen anerkannte Kriterien nachzuweisen, zeigt sich besond
deutlich in einzelnen Fällen. So erwähnt er in der Besprecht
der demokritischen Lehre zuerst Aeusserungen des Philosophen,
denen der Skeptiker hervorscheint (137 : xal 6ri tv /xhv xovxoig näi
a^BÖüv xivtt xaxd^TUpiv, el xal fiovtov i^atQhiog xa^dnxtxai i
ata&rjasatv); fügt dann aber andere hinzu, auf Grund deren er s
zu folgendem Schlüsse berechtigt hält (139): ovxovv xal xaxa xov
(Demokrit) b Xoyog iaxl xqixiiqiov, ov yprjalrjv yvtü/xrjv xaXfT. Off
bar tendenziös ist femer die Auslegung der Lehre des Xenophan
denn nur, wenn er um jeden Preis auch hier den Xoyog wiederfini
wollte, konnte er darauf verfallen in Ermangelung eines andei
wenigstens einen öo^aazög koyog anzunehmen (110: alaxe xqixijq
Entwickelung der pyrrhonischen Skepsis. 77
Concordanz der verschiedenen Philosophien her und ist weit
davon entfernt die Widersprüche derselben in ein helleres
Licht zu setzen. Dass das Letztere von Sextos selber als
der Zweck der ganzen historischen Darstellung bezeichnet
werde (S. 74, 1), darf man hiergegen nicht geltend machen.
Denn für den angegebenen Zweck konnte Sextos den betref-
fenden auf die Naturphilosophen bezüglichen Abschnitt immer
noch benutzen, wenn er die Naturphilosophen als Vertreter
einer nur den Logos anerkennenden Theorie Anderen gegen-
überstellte, die entweder die Sinnesempfindung allein (191 ff.)
oder doch neben dem Logos (217) als Kriterion hinstellten.
Hätte er aber seibor die fragliche Darstellung für den an-
gegebenen Zweck angefertigt, dann würde er aller Wahr-
scheinhchkeit nach die Verschiedenheiten, die schon zwischen
den alten Naturphilosophen in der Erkenntnisstheorie be-
f'tanden, viel stärker hervorgehoben und betont haben, dass
dieselben das Uebereinstimmende in den Ansichten über-
wiegen. So wie die Sache jetzt liegt, ist daher die Annahme
gerechtfertigt, dass der die Naturphilosophen behandelnde
Abschnitt einem anderen Philosophen entnommen ist der ein
yivfc^ai xara tovtov tov öo^aotbv Xoyov, rowiari tov tov elxoxoq
^'*^a firj TOV TOV nayiov i^ofierov). Charakteristisch ist endlich wohl
>Qch die Behandlung des Empedokles (115 ff.)- ^i^^^ unterscheidet er
zwei thatsächlich her?orgetretene Auffassungen der Lehre desselben,
^e eme wonach er sechs Kriterien, die andere wonach er als solches
<Jen loyog anerkannt habe. Dass er der zweiton Auffassung den Vor-
^g gibt, kann man schon darum vermuthen, weil er sie eben an
zweiter Stelle anführt. Ausserdem aber trägt er sie mit grösserer
Bestimmtheit vor {Xeyei 123, öiaaatpel und nagloxriai 124) und hat
Bie mit reicherem Beweismaterial aus den Schriften des Philosophen
versehen, während die Vertreter der ersten ol anXovaxEQov öoxovvxeq
^'tov l^riyelo^ai (115) genannt werden und sie selber durch boixe
U20: xoiavrriq S* ovarig naQu TOig itQoysveaz^Qoiq öo^rjq, eotxe xal
'^ Efi7ifdox)Jiq TavTtj ovfi7if^i<pt(jto&at) als zweifelhaft bezeichnet zu
werden scheint.
78
Die yerschiedenen Fonnen des Skepticismus.
Interesse daran hatte seine eigene Ansicht über die B
tung des Logos schon bei den Aelteren wiederzuf
Dass derselbe kein Skeptiker gewesen sein kann, liegt
in dem Gesagten. Es tritt diess ausserdem schlage]
der Auffassung des Xenophanes hervor, die wir 110 fi
SsvoqxxvTjg de xava rovg mg hrtQODg avrov h§rf/ovni
oxav Xey^
xal t6 fihv ovv öaq)hg ov xig dv?]Q Xöbv, ovöi rig 2ö
elöcog ä^Kpl d^s(ov re xal aööa Xeyco jcbqX jtavxmv
al yaQ xal r« [idXicfta rvxoi rereXsöfievov ehtoiv^
avTog Ofimg ovx olds, öoxog 6^ ijcl jcäöi zirvxrcu,
q)alvBxat firj jcäöav xaraXrjtpiv dvaiQSlv dXXa ttjv h
fdovixTjV TS xal ddiajircorov, djtokeljtsiv öh ttjv öo^a
rovTO yaQ l(iq>alvBL to „öoxog rf' im jtäöi rirvxrai".
xQLXTjQiov ylveö^ai xaxa xovxov xov do^aöxov Xoyov,
eöxc xov xov elxoxog dXXd fitj xov xov jcaylov 1x6^
Diese Auffassung des Xenophanes war, wie uns Sextos
sagt, nicht die allgemeine; die andere, welche er dal
Sinne hat, findet sich 49: mv Ssvoipdvrjg fihv xaxd
elnmv jtdvxa dxaxdXrjjcxa ijcl xavxrjg Icxl xF^g q>0Qc
oig yQdq>ei
xal xo fitv ovv öag)lg ov xig dvijQ lösv xxX.
Nach dieser Auffassung war Xenophauäs ein Skej
Wären wir also vor die Wahl gestellt, ob wir die eim
die andere Auffassung Ainesidem zutrauen wollen, so kc
wir uns nur für die zweite entscheiden, zumal da Diogei
ausdrücklich sagt, dass die Pyrrhoneer den Stifter der
tischen Schule unter die Vorläufer der Skepsis rech
und diess mit denselben Versen begründet. Dass aber
sidem über den Sinn dieser Verse habe im Zweifei
können und es deshalb für zweckmässig gehalten habe
Auffassungen zu erwähnen, lässt sich nicht annehme:
Entwickelang der pyrrhonischen Skepsis. 79
die zuerst erwähnte eine überaus geschraubte ist und nur
aus dem Bestreben die Logoslehre um jeden Preis auch bei
Xenophanes wieder zu finden* erklärt werden kann.*) Wir
werden also die ganze die älteren Philosophen betreffende
Darstellung nicht auf Ainesidem sondern auf einen dogma-
tischen Philosophen zurückführen.^) Insbesondere ist dieser
dogmatische Charakter dem uns hier zunächst interessirenden
Abschnitt über Heraklit aufgeprägt, ein Umstand, der deut-
lich hervortritt, wenn man den parallelen Bericht Ainesidems
vergleicht.
In diesem Bericht*) werden die Allen gemeinsamen
Vorstellungen als wahr bezeichnet, die nur bei Einzelnen
geltenden als falsch.^) Dicss hat man offenbar verstanden
als ob Ainesidem unter wahr das gemeint hätte was mit
der Wirklichkeit übereinstimmt.^) Denn nur in diesem Falle
') Hiermit Hesse sich wohl vereinigen, dass Ainesidem den
Xenophanes unter die Dogmatiker rechnete, d. h. ihn nicht als voll-
kommenen Skeptiker gelten Hess. Denn auch ein Dogmatiker konnte
einzebe skeptische Aeusserungen gethan haben, wie sie in den an-
geführten Versen des Xenophanes enthalten sind, und auf Grund der-
selben den Vorläufern der späteren reineren Skepsis beigezählt wer-
den. Ich bemerke diess deshalb, weU es möglich ist, dass bei Sextos
Pyrrh. I 222 £f. ausser dem Urtheil über Piaton auch das damit ver-
flochtene aber Xenophanes auf Ainesidem oder Menodotos zurück-
geht. Dieses Urtheil lautet dahin, dass Xenophanes Dogmatiker war.
Was aber zu bemerken ist, die Art wie dieses Urtheil abgefasst ist
schliesst den Gedanken ein, dass Xenophanes um vieler Aeusserungen,
«
ja um der meisten willen würdig war ein Skeptiker zu heissen.
*) Vgl. darüber noch Ezcurs I.
*) Denn ein solcher ist es nach dem jetzigen Text. S. indessen
S. 69, 1.
*) <l>etal {ol tibqI xov AivtjalSrjfiov) ta /xhv xoivdig näoi tpalvh-
oBm, ra Öh i6ia)i; tivf, wv dXri^ /xhv elvat ta xotvwg näai <patv6-
Una ipfvStj 68 ta fifj rotavra.
'^) Die richtige Auffassung bei Natorp Rhein. Mus. 1883 S. 5G ff.
80 I^ic yerschiedenen Formen des Skepticismus.
kommt in den Worten ein dogmatischer Standpunkt zum
Vorschein d. h. einer auf dem Ainesidem notorisch xücht
gestanden hat. Ob aber Ainesidem das Wort „wahr** wirk-
lich in dem angegebenen Sinne verstanden wissen wollte,
wird durch das bei Sextos Folgende sehr zweifelhaft. Denn
ausser dem dass Ainesidem nur den bei Allen geltenden
Vorstellungen (ja xoiv(Dg jtäöt q)air6fieva) Wahrheit bei-
mass, Epikur allen durch die Sinne uns zugeführten (ra
alödTjrd), stellt sich zwischen beiden auch noch der Unter-
schied heraus dass Ainesidem jene Vorstellungen nur als
wahre {dkrjd^i) bezeichnet, Epikur zugleich als solche, denen
etwas Wirkliches entspricht {aXtid-rj xal ovra).^) Und zwar
ist diess keine bloss zufällige Verschiedenheit des Ausdrucks
sondern eine von Sextos mit gutem Bedacht gewählte. Sonst
würde er es nicht fiir nöthig gehalten haben die Verbindung
dXr/d^fj xal ovra zu rechtfertigen mit den Worten ov öirj-
veyxe yccg dX7]0'hg elvai xi XiyEiv jj vjtdgxov. Auch die
Form dieser Rechtfertigung ist bemerkenswerth: Sextos sagt
nicht, es ist gloichgiltig ob ich etwas wahr oder wirklich
nenne, sondern, es war gleichgiltig, und scheint dadurch an-
zudeuten, dass diese Rechtfertigung nicht allgemein sondern
zunächst nur für Epikur gilt. Wir sind deshalb nicht be-
rechtigt diese Rechtfertigung ohne Weiteres auch auf Aine-
sidem zu erstrecken und nach Maassgabe derselben anzo-
nehmen, dass auch Ainesidem, wenn er von wahren Vor-
stellungen sprach, darunter solche verstand denen etwas
*) *0 Sh ^EnlxovQoq xa /xhv ctlad^fjza navta iXeyev äkn^ x«^
ovza. ov dttjveyxe yaQ äXrid'lq flval xi k^ystv r/ vTta^x^v ^v^ev X«*
vnoyQaifmv xakrjO-hg xal ipevöog „fcrr/" (prjaiv ,jdltj&hq x6 ovrotg ^X^^
(hg Xiysxai t^^'*'"- ^'/*' ^^ afaO^rjaiv dvttktinxixrjv ovactv xmv vTtO'
nmxovxwv avxj, xal fif}xf dipaiQovaav xi (ir)xB TCQoaxt^Blcccv (M^^^
fisxaxiB'eTaav x(5 aXoyov flvat, 6ia navxoq xf- dXjjS^eveiv xal ovxom ^^
ov Xajütßdvtiv dtq tl^B (fvaewg oiVo ixelvo.
Entwickelung der pyrrhonischcn Skepsis. 81
Wirkliches entspricht^) Freilich wird man fragen: wenn
Ainesidem unter einer wahren Vorstellung nicht eine solche
Yerstand, der die Wirklichkeit entspricht, was vorstand er
dann darunter? Sextos' Worte geben hierauf die Antwort.
Wenn er Ainesidem behaupten lässt, wahre Vorstellungen
seien die welche bei Allen gelten, so kann diess zweierlei
bedeuten, entweder dass wir aus der Allgemeinheit einer
Vorstellung auf ihre Wahrheit schliessen oder dass der Be-
griff der Allgemeinheit einer Vorstellung mit dem ihrer
Wahrheit identisch ist. Die erste Auffassung ist die ge-
wöhnliche; ja man wird die zweite vielleicht für widersinnig
erklären, da es Niemandem einfallen könne zwei so offenbar
verschiedene Begriffe wie die der Allgemeinheit und der
Wahrheit mit einander zu identificiren. Nur Eines spricht
für die zweite Auffassung, und das ist, dass nur mit ihrer
Hilfe der Skepticismus Ainesidems gerettet werden kann:
denn wenn das Wesen der wahren Vorstellung in dem der
Allen gemeinsamen Vorstellung aufgeht, so sage ich damit,
dass ich eine Vorstellung wahr nenne, noch nichts über deren
Verhältniss zur Wirklichkeit aus und daher auch nichts
wodurch ich die MögUchkeit eines Erkennens oder Wissens
einräume. Und dass Ainesidemos selber seine Behauptung
in diesem zweiten Sinne aufgefasst wissen wollte, wird durch
die Etymologie des Wortes dkrjO-ig, womit er dieselbe zu
stützen suchte, mindestens wahrscheinlich: öO^ev xal aXfjß^tg
^iQCDVvfiax; dQ^rjO&ai ro fi?] Xijd^ov rr/v xotvrjV yvcifitiv.
Denn eine solche Berufung auf die Etymologie setzt voraus,
dass in derselben das Wesen der durch das Wort bezeich-
') Dass wer so wie Sextos thut Ainesidem und Epikur zusam-
menstellt nicht nothwendig den Ersteren für einen Dogmatiker ge-
'^alten haben muss, ergibt sich auch aus Diog. IX 106: botiv ovv
^QtTfjQtov xarä rovg axemixovg rö <patv6fisvov, (itg xal Aiveai6f]fi6q
f^oiy ovVctf 6h xal 'EnixovQOQ.
Hirxel, üntennchnngen. UI. 6
82 1^16 verschiedenen Formen des Skepticismus.
neten Sache zum Vorschein kommt; dieser Voraussetzung
würde aber die von Ainesidemos aufgestellte Etymologie
nur unvollkommen entsprechen, wenn die Eigenschaft eine
Allen gemeinsame Vorstellung zu sein nur eine der Conse-
quenzen des Wahren, nicht dessen inneres Wesen selber
wäre.^) Blicken wir nun, nachdem wir Ainesidems Ansicht
oder vielmehr Heraklits Ansicht wie sie sich Ainesidem
vorstellte schärfer, als von Anderen geschehen war, gefasst
haben, auf den über Heraklit im ersten Buche gegebenen
Bericht zurück. Hier lesen wir 131: tovtov 6r} top xoivov
Xoyov xal d-tlov, xal ov xaxa fieroxfjP yivo^ed^a Xoyixol^
XQiTf'iQiov dhjd^Elag q)r]ölv 6 ^HQccxksLTog' od-tv ro fiev xoivi
jtäoi (fatvofisvor, rovz slvai jtiörov (reo xotvm yaQ xdi
^81(0 Xoyo) XafißdvtTai), ro dt rivt fiotm jcQoOJtljtrov ojrt«
öTOP vjtaQXttv ÖLct Tf]V Ivamlap alrlap. Wer so sich aus-
drückt, dem gilt der Umstand dass eine Vorstellung Allet
gemeinsam ist wohl als ein Symptom aber nicht als d«
Wesen der Wahrheit. Er nennt was besonders charakteristisd:
für ihn ist eine Allen gemeinsame Voi*stellung eine zuver-
lässige (jtiöTOp) d. h. er gibt zu dass sie uns über eii
Wirkliches Auskunft gibt. Diese Ansicht hätte freilich Aine-
sidem nicht vertreten können, wenn er sich nicht als Skep-
tiker der gröbsten Inconsequenz hätte schuldig machei
wollen. So ergibt sich von dieser Seite dass wir was späte)
als Ainesidems Ansicht erscheint nicht zusammenwerfei
dürfen mit dem was hier als Heraklits Lehre berichtet wird
^) Auch andere Skeptiker Hessen eine Wahrheit gelten an«
meinten damit nicht etwas das objectiv den Werth einer solchen be
sitzt sondern nur was subjectiv d. h. für die Menschen diese Beden
tung hat Nur so erklärt es sich, dass Sextos im Sinne des Kamea
des und der Akademiker von einem Kennzeichen der Wahrheit (x(m
TTjQtov Tfjg d).Tii>blaq dogm. I 173) und von einer Entscheidung übe
die Wahrheit {x(jlaig tijQ dh^S^elag a. a. 0. 179) sprechen kann.
Entwickelung der pyrrhonischen Skepsis. 83
Nun ist aber Ainesidems eigene Ansicht aller Wahrschein-
lichkeit nach nur diejenige Heraklits wie sie sich Ainesidem
darstellte.*) Von Neuem bestätigt sich daher dass der
historische Abschnitt dem auch der Bericht über Heraklit
angehört nicht von Ainesidem herrühren kann.
Dass die Meinung von Diels, Ainesidems angeblicher
Heraklitismus sei nur ein von Sextos missverstandener Be-
richt über Heraklits Lehre, schwach begründet ist, hat das
Bisherige gezeigt: weder haben Diels und Zeller die Mög-
lichkeit eines solchen Missverständnisses erklärt noch die
Annahme desselben durch die angeführten Stellen gerecht-
fertigt. Was ausserdem gegen diese Meinung spricht, ist die
Folgerung zu der sie uns nöthigt. Dasselbe angebliche
Missverständniss nämlich, welches Ainesidem aus einem Be-
richterstatter zu einem Vertreter der heraklitischen Lehre
gemacht haben soll, begegnet uns ausser bei Sextos auch
noch bei Soranos.*) Dass nun Sextos alles was er über
Ainesidem sagt Soranos entnommen habe, lässt sich nicht
annehmen; ebenso wenig aber ist denkbar, dass beide un-
abhängig von einander zu demselben Missverständniss ge-
kommen sind.^) Die Folge ist also, wie Zeller S. 37 näher
ansgeführt hat, dass wir den Ursprung jenes Missverständ-
nisses bei einem früheren Skeptiker suchen müssen den so-
^) Diess gilt auch für den Fall, dass das S. 69, 1 gegen die
Worte xa&* ^Hgdxlettov Bemerkte richtig ist.
*) Diess folgt aus Tertullian de an. c. 14: non longe hoc exem-
plnm est a Stratone et Aenesidemo et Heraclito. nam et ipsi uni-
Utem animae tuentur quae in totum corpus diffusa et ubique ipsa
velat flatus in calamo per cavernas ita per sensualia variis modis
cmicet non tarn concisa quam dispensata. Denn dass diese Angaben
"^ertalUans von Soranos stammen, hat Diels S. 206 ff. gezeigt.
*) Diess scheint allerdings die Ansicht von Diels zu sein, da er
sowohl Soranos (S. 211 ff.) als Sextos (S. 250) unmittelbar aus Aine-
sidem schöpfen l&sst. Sie bedarf aber keiner Widerlegung.
6*
84 1^16 verschiedenen Formen des Skepticismus.
wohl Soranos als Soxtos benutzt hat. Wie misslich diese
Annahme ist, sieht Jeder. Denn man mag über Sextos'
Quellenstudien noch so gering denken (Zeller III 2 S. 41 Anm.)j
so würde es doch dem Ansehen in dem er als Schriftsteller
und Philosoph stand kaum entsprechen,^) wenn er sich nicht
einmal die Mühe genommen hätte einen der namhaftesten
Autoren unter den späteren Skeptikern wie Ainesidem aus
eigener Leetüre kennen zu lernen. Ein solches unter allen
Umständen sehr oberflächliches Verfahren würde in diesem
Falle den Mangel jedes wissenschaftlichen Anstandes voraus-
setzen, da Sextos sich nicht begnügt hat über Ainesidem zu
berichten sondern aufs Entschiedenste gegen ihn polemisirt
(Pyrrh. I 210 fi".). Aber, wird man sagen, auch diese Polemil
hat Sextos nur aus seiner Quelle genommen. Diess ist, auch
zugegeben dass Sextos ein blosser Abschreiber war, schwei
erklärlich. Denn dann würde diese Polemik doch aus der-
selben Quelle stammen der Sextos seine Kenntniss Ainesi-
dems verdankt. Diess ist aber eine noch über die Zeit des
Soranos hinaufreichende Schrift gewesen. Sollte nun in diesei
ganzen Zeit bis auf Sextos eine Polemik, die sich gegen dei
Heraklitismus Ainesidems richtete, also, wenn Diels' Ver-
muthung richtig ist, eine handgreifliche Verdrehung dö
echten Lehre Ainesidems war, sich ungestört behaupte
haben, sollte sich unter den Skeptikern keiner gefundei
haben der das grobe Missverständniss aufdeckte und rügt
oder sollte Sextos diese Widerlegung unbekannt gebliebe
sein? In solche Schwierigkeiten verwickelt sich wer SexU
keine unmittelbare Bekanntschaft mit Ainesidems Schrift^
zutrauen will. Aber auch was wir sonst über Sextos' B'
^) Seinen Schriften ertheilt Diog. IX IIG das Prädicat xccXlia-r
Aus derselben Stelle sehen wir, dass er Schulvorstand war. Das iW
sehen das er als Skeptiker genoss erhellt auch aus dem was fll^
ihn und Menodotos Pseudo-Galen isag. 4 (Zeller 6, 2) sagt.
Entwlckelung der pyrrhonischen Skepsis. 85
nutzung der Quellen vermutheii können, widerstrebt der
Annahme, dass er in dem was Ainesidems Lebre betraf sieb
lediglicb auf die Angaben Anderer verliess. Im ersten Excurs
habe icb zu zeigen versucht, dass der bistoriscbe die er-
kenntnisstbeoretiseben Ansicbtcn der Pbilosopben zusammen-
fassende Abscbnitt auf verscbiedcne Quellen zurückgebt, auf
eine skeptische, (akademiscbe) und eine dogmatische, welche
letztere vielleicht wiederum in eine doppelte sich scheidet
Die nächste Annahme ist gewiss, dass Sextos diese Quellen
selber benutzt hat; deim wollte man annehmen dass er auch
diese Gompilationen schon bei seinem Gewährsmann vor-
£uid, so würde man ihn zum Gompilator eines Compilators
machen und damit auch das bescheidene schriftstellerische
Verdienst rauben, das sich an die Auswahl der Quellen und
die Ordnung des daher Entnommenen knüpft. Auf eine
selbständige Benutzung der Schriften des Kleitomachos lässt
doch auch die Art schliessen, wie er sich über diesen zu
Anfang seines dritten Buches gegen die Dogmatiker aus-
spricht^) Wahrscheinlich ist es aber nicht, dass wer in
dieser Weise die Schriften fremder Philosophen zu Rathe
zog diejenigen der eigenen Schule und namentlich eines so
hervorragenden Vertreters derselben wie Ainesidem war ^)
^nzlich vernachlässigt und es für unnöthig gehalten habe
*) Tdv avTov Se XQonov rijq tfijtijaBwg nahv iitav&a avarriao-
/a^, ovx tfiß()aSvvovTeg xolq xaxa [x^Qoq, bnolov ri Tienottjxaaiv oi
TtfQl zov KXetxo/xaxov xal b ^.otnbg xviv ÄxaSfj/na'ixdiv x^Q^^ (^^? "^'
hiTQlav yoQ vXtjv ißßavxeq xal inl avyx(OQi]afi xwv exsQolwg 6oy/xa-
Xil^ofiivwv noiovfjievot xovg ).6yovg dfxexQwg ^fit]xwav xtjv arxi^^tjOtv),
oAAa xa xvgitoxaxa xal avvfxxixcixaxa xivovvxeg, iv olg rlnoQrifxlva
fiofiev xal xa Xoina.
*) Und den Sextos seibor als solchen anerkennt, wie sich aus
Pynrh. I 222 ergibt. Oixot, sagt er hier und meint damit Menodotos
^sp. Herodotos und Ainesidem, /uaXiaxa xavxijg TiQoiaxtiaav xfjg
oxdofotg.
86 I^ie verschiedenen Formen des Skepticismas.
sich über sie ein selbständiges Urtheil zu bilden. Und
endlich, wer sollte denn dieser Mittelsmann gewesen sein
dem Sextos verdankt was er über Ainesidem zu sagen weiss?
Füglich könnten wir doch dabei an keinen Anderen denken
als den Menodotos, bez. Herodotos,') an den er nach seinem
eigenen Geständniss sich gelegentlich angeschlossen hat*)
Diesem aber wird an derselben Stelle Ainesidem ab Ge-
währsmann coordinirt. Wir sind daher bis triftige G^en-
gründe gefunden sind zu der Voraussetzung genöthigt, dass
neben Anderen auch Ainesidem von Sextos unmittelbar be-
nutzt worden ist. Zu dieser Voraussetzung stimmt dass die
Meinungen und Aeusserungen Ainesidems, auf die sich Sextos
bezieht, meist als gleichzeitige im Präsens eingeführt werden.*)
Denn es ist diess doch nur dann erklärbar, wenn dieselben
als schriftliche und daher bis in die Gegenwart reichende
dem Citirenden sei es vorschwebten sei es wirklich vorlagen;
dass aber dergleichen vorschwebende oder vorliegende Aeus-
serungen nur von Anderen gegebene Citate aus der Original-
schrift seien, ist zwar nicht unmöglich, aber bei der Selten-
heit wirklicher Citate in antiken Schriften nicht wahr-
scheinlich.
») Vgl. darüber Zeller III 2 S. 5, 2.
*) Pyrrh. I 222: tibqI 6h xov ei eartv (Piaton) elXtxQivwg dxi-
jiTixoc TiXaxvxfQOv fdv iv xoTq vTio/nv/ifiaai StccXaßßdvofiSV, vvv Sl
wg iv vTiOTVTKoaet Siakafißdvo/nfv xartt MrjvoSorov xal Älvtjat^liov
iovToi yccQ fiaXiara ravrrjq TtQoiatrjaav t^g axdaemg) oxi xtL
^) So z. B. dogm. II 40: övvd/nei de xal o Alvrjalötjßog tag bfioio-
XQonovg xaxa xov xonov dnoQlag xl^rjaiv. Vgl. ausserdem II 8«
:^15. III 337. IV 233. Besonders verdient diese Citirweise unsere
Beachtung, wenn wie diess IV 38 der Fall ist in demselben Abschnitt
eine Lehre Ainesidems im Präsens, diejenigen anderer Philosophen
aber, hier des Aristoteles (37) und Epikur (42) in einem Tempus der
Vergangenheit mitgetheüt werden. Natürlich beweist hiergegen nichts,
wenn einmal (V 42) auch eine Aeusserung Ainesidems als eine der
Vergangenheit angehörige behandelt wird.
Ent Wickelung der pyrrhonischen Skepsis. 87
So ist die von Diels verworfene Auffassung der Lehre
Ainesidems durch zwei Autoritäten vertreten, durch Sextos
und Soranos. Beide lassen ihn über gewisse Gegenstände
des Forschens seine Ueberzeugung in einer Weise äussern,
die damit dass er ein Bekenner des Pyrrhonismus war un-
vereinbar scheint. Zu den beiden genannten kommt aber
noch als Dritter, was weder Diels noch Zeller bemerkt hat,
der Skeptiker dem Diogenes Laertius seine Nachrichten über
die Pyrrhonoer entnommen hat. Derselbe sagt nämlich, dass
Ainesidem zusammen mit Timon für das höchste Gut (rekog)
erklärt habe die iütoxt]^) Wie hatte sich nun über diese
Frage Ainesidem in den IIv^Qciveioi Xoyoi, nach Diels der
einzigen Quelle aus der sich eine zuverlässige Kenntniss der
wirklichen Lehre Ainesidems gewinnen lässt, geäussert? Ueber
den letzten dieser Logoi sagt Photios bibl. cod. 212 Folgen-
des: 6 (f* Ijil jtäOi xal r( xara rov xiXovq Ivlöraxat, fn^re
Trp; evöaifiovlav iirfts r/jv tjöovtjv fif/re rrjr g)Q6vrj6iv /ifjx^
(iiXo XI TtXog kjtix(OQ(DV slvai, ojtsQ av rig rmv xara g)iXo-
Ooq^iav algiöecop öo^döeiev, aXX^ aütX(^g ovx slvai riXog
to Jtäöiv v(ivovfiBvov. Dieser Widerspruch kann nicht
abermals auf ein Missverständniss zurückgeführt werden, so
dass Diogenes einen Bericht Ainesidems über die Lehre vom
höchsten Gut mit der eigenen Lehre des Pyrrhoneers ver-
wechselt hätte. Nur eine Ausflucht steht hier offen, dass
nämlich nicht schon Ainesidem und der mit ihm zusammen
genannte Timon des Wortes rikog sich bedient hatten, dieses
Wort vielmehr die Zuthat des Diogenes oder dessen ist auf
*) Diog. IX 107: tekog 6h ot axenxixol (paai rt)v inoxijv, y
cxiäg XQonov inaxoXov^sl Ij dtaQa^la» oiq (pccoiv ol ts negl rbv Tl-
M(t>va xal AlvealSt^/uov. In derselben dogmatischen Weise drückt
sich Sextos ans Pyrrh. I 215: ixflvTf fihv {Ij KvQttva'ixri ayo)yr() xfjv
^Sov^v xal T^v kelav xtjq aagxoq xlvi^aiv x^loc eivai Xeyet, rjfxeZg öh
88 Die verschiedenen Formen des Skepticismns.
den seine Darstellung zurückgeht. Diese Vermuthung ha
einen Anhalt an der Art und Weise wie üher die Lehre de
beiden genannton Pyrrhoneer Aristokles bei Euseb. praej
ev. XIV 18, 2 f. berichtet: o de ys fia^rrjg avrov (de
Pyrrhon) Tlfiov (pijol, ötlv xov (isXXovra avöaifioi^öecv d
rgla ravra ßkejteiv jtQmrov fitr, ojtola jti^vxs ra jrpcq
fiara' ötvxBQov öi, rlva XQ^ tqojiov iiiiäq ütQoq avra öicaUi
öihai' reXevTalov 6i, rl JctQitörat rolg ovtoog exovöi. 1
fdv ovv JCQayfiard (pifiiv avrov anoq>alvBiv knlcrig d6idg>0Q
xal dordßfiyjTa xal dviyxQLxa' did rovro (irjre rag alüh
6t ig 7](icov (it/re rag 66 ^ag dktj&eveip r) tpevösöd'cu, Ai
rovro ovv fi?]6b jiiöremiv avralg ötlv, dXX^ döo^dcroi
xal dxXtvtlg xal dxQaödvrovg tlvai, JctQl tvog txdörov h
yovrag, ort ov fiäXkov töriv // ovx toriv, i] xal söri xi
ovx eöriv i} ovr^ iörtv ovr^ ovx ioriv. Tolg fitvroi du
xsifiivoig ovro) jteQitöta&ai Tlficov (p?]Ol jcqcütov fiiv dqx
ölav, tjttira d* draQa^lav, Alvrjöidr^fwg öh f^öovrjv, Dia
Darstellung soll zwar bestimmen was den Pyrrhoneern a
rtXog galt, nichts desto weniger wird dieses Wort nie g(
braucht und insbesondere wird damit nicht die dq>a(ila b«
zeichnet, die doch der l:jtox^} des Diogenes entspricht. Ms
könnte daher meinen, Timon und Ainesidem hätten das Wo:
riXog vermieden um nicht durch seine Anwendung auf d
iütoxfi und die darin liegende Anerkennung derselben a
dos höchsten Gutes etwas über die objective Beschaffenhe
eines Dinges auszusagen und so sich selber untreu zu werde
Dem gegenüber aber was wir sonst über Timon erfahre
lässt sich diese Meinung nicht aufrecht halten, da er hie
nach ganz uugescheut die Existenz eines höchsten Gut»
anerkannt hatte (vgl. S. 46). Und was Ainesidem betrifl
so ist es nicht wahrscheinlich, dass er sollte an einem Au
druck angestossen haben den spätere Pyrrhoneer, die dcx
in der Durchführung des Skepticismns consequenter und i
Entwickelnng der pyrrhonischen Skepsis. 89
der Wahl der Ausdrücke vorsichtiger waren, brauchten um
ihr Ideal damit zu bezeichnen.^) Was uns aber hauptsäch-
lich abhalten muss dem Fehlen des Wortes ziXog in Ari-
stokles' Bericht eine zu grosse Bedeutung beizulegen, ist der
Umstand, dass auch so der Vorwurf der Inconsequenz der
gleiche bleibt Denn das höchste Gut oder das letzte Ziel
{tüog) ist doch das, worauf alle unsere Handlungen sich
beziehen, wonach Alle streben sollen. Als dieses letzte Ziel
hatte aber nach Aristokles' Bericht Timon die Glückseligkeit
{tviaifiovla) anerkannt. Das ergibt sich für jeden Unbe-
fangenen aus den Anfangsworten: 6 6i ys fiad-rjrijg avrov
TlfKov g>T]Ol, öetv zov fiikXovra Bvdaifiovi]OBiv slg rgla
ravza ßZejiceiv xrL Denn es würde eine äusserst gezwungene
Erklärung sein, wollte man diese Worte so verstehen, als ob
Timon gleichsam nur hypothetisch die Frage erörtert und
für den Fall, dass Jemand glückselig werden wolle, die dann
zu erfüllenden Bedingungen angegeben habe. Die natürliche
Erklärung führt vielmehr dahin, dass auch Timon die Glück-
seligkeit als letztes Ziel alles Handelns hingestellt und als
die Mittel dazu die ä^aöla und draQa^la empfohlen hatte.
Was aber von Timon, das gilt auch von Ainesidem. Auch
nach Aristokles', nicht bloss nach Diogenes' Bericht hat der-
selbe ein letztes Ziel des Handelns anerkannt und dasselbe
in die Glückseligkeit gesetzt, während er doch in den „Pyr-
rhonischen Reden" nicht bloss das Vorhandensein eines sol-
chen Zieles überhaupt geleugnet sondern insbesondere noch
die nähere Bestimmung als Glückseligkeit verworfen hatte.*)
*) So Sextos an der S. 87, 1 angeführten Stelle. Vgl. ausser-
dem Pyrrh. I 25: tovroig axoXov^ov Sv etrj xcd nsQl tov rikovg tfjg
^xfnxijcfjg dyoiyrjq dtek&eiv und das hierauf Folgende, in dem das
Wort noch mehrmals wiederkehrt.
^ Man kann auch noch bemerken, dass in den „Pyrrhonischen
^den" anter den Dingen, denen ausdrücklich das Recht abgesprochen
90 ^16 verschiedenen Formen des Skepticismus.
Sollen wir daher auch Aristokles zu denen rechnen, die ¥
Sextos, Soranos und Diogenes die echte Lehre Ainesidei
verkannten und den strengen Pyrrhoneer zu einem halb
Dogmatiker machten? Vielmehr, meine ich, werden wir, \
so viele Zeugeja übereinstimmen, ihre Aussagen nicht voreil
verwerfen, sondern genauer prüfen und zusehen ob d
Widerspruch in den Ainesidem mit sich selber zu gerath(
scheint nicht noch auf andere Weise als in einem Irrthu
der Berichterstatter seine Erklärung findet.
Eine solche andere Weise der Erklärung ist die weld
Leander Haas de philos. scept. success. S. 44 ff. versucl
hat. Er erkeimt den Widerspruch an der darin liegt dai
derselbe Philosoph sich für einen Pyrrhoneer ausgibt uu
die naturphilosophischen Lehren Heraklits billigt, misst ab<
die Schuld davon nicht den Berichterstattern bei sondci
führt ihn auf Ainesidem selber zurück. Derselbe sei anfanj
Pyrrhoneer gewesen, später aber Dogmatiker geworden uu
habe als solcher sich an Heraklit angeschlossen. Um diese
Meinungswechsel zu verdecken habe er den Satz aufgestel
dass die pyrrhonische Skepsis der Weg zur heraklitischc
Philosophie sei und so was in Wahrheit ein Abfall va
Pyrrhonismus war in eine Consequonz desselben zu verwai
dein gesucht. Haas kaim sich nicht oben die günstigst
Meinung über Ainesidem gebildet haben, wenn wenigstei
Beständigkeit eine Tugend ist: denn da er Ainesidem zi
nächst der Akademie angehören und erst hierauf zum Pyi
rhonismus übergehen lässt, so muthet er ihm einen zwe
wird als letztes Ziel zu gelten auch die 7)6ovfj erscheint, gerade dief
es aber war die, wenn wir Aristokles glauben wollen, Ainesidem i
die Stelle der dta^a^la gesetzt und damit zum tekog erhoben hati
Denn die dxaQa^la fallt für die Skeptiker mit der evSaifxovla «
sammen und wird deshalb auch von Sextos Pyrrh. I 25 geradezu ai
tikog der Skeptiker bezeichnet.
Entwickelung der pyrrhonischen Skepsis. 91
maligen durchgreifenden Wechsel seiner philosophischen
Ueberzeugung zu. Wahrscheinlich ist diess an sich gewiss
nicht Und sollten wir es trotzdem glauben so müsste diess
auf einen besseren Grund hin geschehen als Haas vorgebracht
hat. Dieser Grund d. i. die Hypothese mit Hilfe deren er
den angeblichen Widerspruch löst wird aber durch eine
doppelte Erwägung erschüttert. Hätte Ainesidem wirklich
den Schritt vom Skepticismus zum Dogmatismus gethan, wäre
seine wissenschaftliche Persönlichkeit keine einfache sondern
eine doppelte gewesen, so sollte man meinen, dass die Ueber-
lieferung, die seiner so oft gedenkt, wenigstens einmal einen
Wink auch darüber gegeben hätte. Statt dessen erscheint
er bei Diogenes nur als Skeptiker und bei Sextos, der doch
sowohl den Skepticismus vriie den Heraklitismus Ainesidems
berücksichtigt, fehlt jede Andeutung dass beide verschiedenen
Lebenszeiten desselben Mannes entsprochen.*) Nun wäre zwar
denkbar, dass im Gedächtniss und in der Ueberlieferung
nur ein Theil von Ainesidems Thätigkeit sich erhalten hätte;
wahrscheinlich aber ist, dass in diesem Fall viel mehr der
frühere von dem späteren als umgekehrt in den Schatten
gestellt wurde. Man sollte daher erwarten dass Ainesidem
der Nachwelt nur als Herakliteor bekannt geworden wäre;
während er thatsächlich auch von den Skeptikern, wie von
Sextos der doch seinen Heraklitismus recht wohl kannte, zu
den Häuptern der pyrrhonischen Schule gerechnet wurde
(Sext. Pyrrh. I 222). Den Askaloniten Antiochos dagegen,
der doch ebenfalls lange Zeit hindurch als Skeptiker gelebt
^nd geschriftstellert hatte, hat trotzdem Niemand im Alter-
*) Eine solche Andeutung wäre dann besonders am Platze ge-
^Men, wenn Sextos ihn geradezu Entgegengesetztes aussprechen lässt,
wie diess dogm. II 40 mit Bezug auf 8 der Fall ist: denn nach der
letzteren Stelle hätte er das Vorhandensein einer Wahrheit anerkannt
"*8 er nach der ersteren leugnete.
92 ^i6 verschiedenen Formen des Skepticismas.
thum unter die Mitglieder der skeptischen Akademie gezäl
Nun wird man freilich einwenden, dass Ainesidcm seil
eigenen Ueberzeugung nach auch als Dogmatiker nicht a
hörte Skeptiker zu sein, da er den pyrrhonischen Skeptic
mus gewissermaassen als die Kehrseite des heraklitiscli
Dogmatismus betrachtete. Angenommen sodann dass er i
diese Ueberzeugung auch Andere zu gewinnen wusste, so m
dadurch erklärt, dass in den Augen der Alten sein Bild :
das eines Skeptikers dastand. Dass aber so schwache Grün
wie die, mit denen er die Uebereinstimmung zwischen Hei
klitismus und Pyrrhonismus bewiesen haben soll, eine solc
Wirkung gehabt hätten, ist höchst unglaublich. Das Unz
längliche dieser Gründe bildet den zweiten Punkt um dessei
willen ich an einen Uebertritt Ainesidems zum Dogmatism
nicht glauben kami. Ein solcher Uebertritt muss do
irgendwie gerechtfertigt werden. Hier ist diess aber d
theilweise geschehen. Gerechtfertigt wird nur (vgl. Se
Pyrrh. I 210 f.), inwiefern die Ansicht Heraklits, dass
ein und demselben Dinge Gegensätze vorhanden sind, an
von einem Skeptiker getheilt werden könne. Nun hatte si
aber Ainesidem auch noch andere Ansichten Heraklits a
geeignet, wie z. B. dass die Zeit ein Körper sei (Sext. dog
IV 216) oder dass der Geist ausserhalb des Körpers existi
(a. a. 0. I 349). Diess Hess sich in der angegebenen Wei
nicht mehr rechtfertigen oder doch nur dann wenn, ¥1
Niemand annehmen wird, diese Einzelansichten nur als Co
Sequenz der allgemeinen betrachtet wurden, nach der jed
Ding in entgegengesetzter Weise bestimmt ist. Hier ist al
eine weite Kluft anzuerkennen, die den Skepticismus u]
Dogmatismus Ainesidems von einander trennt. Den Spnu
über dieselbe werden wir ihm unnötliiger Weise nicht z
muthen. Um so weniger werden wir diess thun, als es m
diesem einen Sprung nicht genug sein würde. Denn w
Entwickelung der pyrrhonischen Skepsis. 93
anders Hess sich die Verbindung herstellen zwischen einem
Skeptidsmus, der das Vorhandensein eines raXog überhaupt
leugnete, und einem ethischen Dogmatismus, der ein solches
nicht bloss im Allgemeinen anerkannte sondern auch näher
zu bestimmen suchte? Heraklit kann doch hier unmöglich
die Brücke geschlagen haben!
Auf den richtigen Weg werden wir dadurch geführt
dass mit Ainesidem zugleich von Aristokles Timon genannt
wird. Denn wie dieser vor sich und Anderen den Ton des
Dogmatismus zu rechtfertigen suchte in dem er vom höchsten
Gut und von sittlichen Principien sprach, haben wir schon
gesehen (S. 46 ff.): er beanspruchte für dergleichen Aeus-
serungen nicht die Geltung von Wahrheiten in dem Sinne
daas ihnen etwas Wirkliches entsprechen sollte, sondern gab
sie nur als den Ausdruck von Vorstellungen die vom Stand-
punkt des Pyrrhoneers aus folgerecht, ja nothwondig er-
schienen, als q)aiv6(ieva oder wie er sie wohl vorzugsweise
nannte IvöaXfioL In derselben Weise werden wir es daher
erklären wenn auch Ainesidem das eine Mal das Vorhanden-
sein eines letzten Zieles unseres Handelns (riXog) leugnete
und dann doch wieder ein solches anerkannte weil es ihm
in seinen Vorstellungen gegeben war, nicht aber weil er es
fiir etwas in der Wirklichkeit ausser ihm Begründetes hielt.
Ebenso wie auf ethischem Gebiet werden wir nun den
Schein des Dogmatismus auch da zerstören wo es sich um
Aeusserungen Ainosidems handelt die in die Naturphilosophie
einschlagen: denn mit dem Vorbehalt dass sie nur als sub-
jective Vorstellungen gelten sollten war man hier so gut
^ie in der Ethik berechtigt Ansichten über die verschie-
densten Gegenstände zu äussern, auch wenn man nach wie
^or sich zum Pyrrhonismus bekannte.^) Freilich werden
*) So sagt Sext. dogm. lY 49 dass die Skeptiker vom Stand-
pimkt der Vorstellung aus das Vorhandensein einer Bewegung zu-
94 ^^^6 yerschiedenen Formen des Skepticismus.
diese Vorstellungen so wenig als Timons ethische beliebige
oder zufällige gewesen sein sondern nach einem gewissen
Maassstab ausgewählte. Die Frage ist nur, ob dieser Maass-
stab derselbe war den Timon anlegte, der wie wir sahen
die Einzelvorschriften der Moral nach Maassgabe der skep-
tisdien Grundansicht bestimmte. Man wird diese Frage be-
jahen, so lange man sich lediglich an Pyrrh. I 210 f. hält:
denn hier wird aus der skeptischen Grundansicht dass unsere
auf dasselbe Ding bezüglichen Vorstellungen einander widov
sprechen der Satz abgeleitet dass demselben Ding einander
entgegengesetzte Eigenschaften anhaften, ein Satz der wenn
wir Ainesidem nicht zu einem Dogmatiker machen wollen nur
als ein Phänomenen aufgefasst werden kann. Was aber die
übrigen Phänomena betrifft die Ainesidem zugeschrieben
werden, so haben wir schon gesehen (S. 92) dass dieselben
wie z. B. dasjenige wonach die Zeit ein Körper sein soll
keineswegs aus jener skeptischen Ansicht sich ableiten lassen.
Hier muss sich Ainesidem daher eines anderen Maassstabes
bedient haben. Einen solchen anderen Maassstab lernen wir
dogm. II 8 kennen, wonach Ainesidem dasjenige wahr nannte
was für Alle ein Phänomenen (xoivmg Jtäöi q>aiv6ii£V0v)
sei. Dass er diesen Maassstab auf das erwähnte Phäno-
menen angewandt hatte, müssen wir um so eher annehmen^
als er in Bezug auf dasselbe sich mit Heraklit in Ueberein-
Stimmung befand, dieser aber nach Ainesidems Auffassung
den Maassstab der Wahrheit von der Allgemeinheit einer
Vorstellung entnahm. Wie es ihm gelang diese uns so ab-
sonderlich erscheinende Vorstellung nichtsdestoweniger ab
eine allgemein geltende zu erweisen braucht mis natürlich
nicht zu kümmern. In derselben Weise wie von dieser
gaben, von dem der wissenschaftlichen Betrachtung aus dasselbe be-
stritten : oaov inl roiq (paivofi&voic elvat ri xlvfjatv, oaov öh inl ^i
EntwickeluDg der pyrrhonischen Skepsis. 95
scheinbar dogmatischen Aeusserung Aiuesidems werden wir
nun auch von der ebenfalls schon angeführten, dass der
Geist ausserhalb des Körpers existire, urtheilen und ebenso
von allen übrigen die ihm von Sextos zugeschrieben werden.
Ueberall schloss er sich an Heraklit an, überall wird er
daher wie Heraklit als wahr anerkannt haben was thatsäch-
lich allgemein als solches galt. Nur in dem einen Falle von
dem wir ausgingen scheint es dass er sich beim Finden der
Wahrheit oder genauer gesprochen bei der Wahl des Phä-
nomenon durch einen anderen Maassstab habe leiten lassen,
die Uebereinstimmung mit der skeptischen Grundansicht.
Dass er aber behufs derselben Entscheidung sich eines dop-
pelten Maassstabes bedient habe, ist nicht denkbar, wenigstens
so lange nicht als diese beiden Maassstäbe wesentlich von
einander verschieden sind. Und wirklich ist es nur ein
Schein der uns einen doppelten Maassstab vorspiegelt —
derselbe ist in Wahrheit ein einfacher. Denn wenn einmal
zwischen Ainesidems und Timons Verfahren die Analogie
bestand dass beide eine skeptische Grundansicht als Maass-
stab für die Wahl von Phänomena benutzten, dann wird sich
dieselbe auch soweit erstreckt haben dass Ainesidem so gut
wie diess Timon gethan hatte diese Grundansicht als die
wahre bezeichnete. Für wahr hielt aber Ainesidem eine
Allen gemeinsame Vorstellung (Sext. dogm. II 8). Was hier-
aus folgt, dass Ainesidem jene skeptische Grundansicht,
wonach über dasselbe Ding entgegengesetzte Vorstellungen
besteben, für eine bei allen Menschen geltende erklärt habe,
<la8 wird durch Sextos Pyrrh. 1210 insofern bestätigt als die-
^r sich in demselben Sinne erklärt imd dadurch wenigstens
^ie Möglichkeit einer solchen Auffassung beweist;^) denn
*) Die betreflfenden Worte lauten: tb ta ivavtla nsgl x6 atrö
*f^lvfo^ai ov öoyfia toxi rwv axsnrtxaiv d?.Xä n^äyfia ov fiovov roiq
^^iniixoTi; dXXä xal zoli; «AAoic ipiXoaoifoi^ xal näaiv dv^Qwnoiq
96 Die Terschiedenen Formen des Skepticismus.
daraus dass er gerade diese Aufifassung Ainesidem in einei
Kritik von dessen Lehre entgegenhält kann man natürlid
nicht schliessen dass dieser sie nicht selber gctheilt habe
Sonach war der eigentliche und letzte Maassstab, der übe)
die Giltigkeit eines Phänomenon entschied, der Umstanc
dass dasselbe allgemeine Geltung besass.
Auch gegen diese Ansicht hat aber Zeller den Einwanc
erhoben, dass dieselbe Ainesidem in Widerspruch mit sid
selber bringen würde: „denn woher*', fragt er S. 35, ,Jcaiu
der Skeptiker wissen, dass Andere die gleiche Wahmehmiini
haben, wie er, ja wie wäre diess nur möglich, wenn Aine
sidemos mit dem Nachweis Recht hat, dass die Dinge ver
schiedenen Personen, verschiedenen Sinnen, zu verschiedenei
Zeiten und unter verschiedenen Umständen sich nicht blo
verschieden, sondern sogar entgegengesetzt darstellen?" Ol
hier wirklich ein Widerspruch vorliegt, diese Frage braacb
uns nicht zu kümmern, da wenn es der Fall sein sollt
thatsächlich die Skeptiker sich nicht an ihn gekehrt habei
Denn nicht bloss die Existenz gemeinsamer Vorstellunge
müssen sie angenommen sondern es auch für möglich gehalte
haben dass der Einzelne diese Gemeinsamkeit einer Vorstel
lung in Erfahrung bringe, da ja eben solche gemeinsam
vnonJnrov ovSelg yovv roXfjii^aai av elnelv oxi xo fiski oiu ykvxäji
Tovg vyialvovtccg f} ozi rovg IxrsQixovg ov nix^d^et, aiazs dnb xoivi
Twv dv^QCjTtiov ngoXi^xpeiog ägxovxai ol ^HQaxXelxeioi, xa&dneg xt
rififlg, lOcDg de xal al dXXm <piXoao<plai. ölotisq ei fikv dno xin
xwv axsnxixüig Xeyofihwv iXdfißavov xo xdvavxla nsQl rb twt6 vM
xeTa^ai, olov xov „ndvxa iaxh' dxccxdXyTixa^^ »/ xov y,ovShv o(»/5»
7/ xivog Xfbv TtaQanXfjolüiv, lacug av ovvijyov o Xsyovaiv inet ^
dgx^<S txovaiv ov fiovov tj/hTv dXXa xal xoZg dXXoig ipiXoooipotg xi
X(p ßla) vTiomnxovaag, xl fiäXXov tP/v t/fiexegav dycoytjv tj hxaat^
xviv dXXeov <piXoao(piwv ij xal xov ßiov oöbv inl xt^v "^HgaxXdxtiO
(piXoao(pt'av sivat Xtyoi xtg dv, tTieiör/ ndvxeg xoivalg vXaig xix^
fi€&a;
Entwickelung der pyrrhonischen Skepsis. 97
Vorstellungen die Richtschnur unseres praktischen Verhaltens
sein sollten J) Das also lässt sich vom skeptischen Stand-
pankt aus nicht anfechten, dass Ainesidem gemeinsame Vor-
stellungen anerkannte und diesen eine höhere Geltung als
denen des Einzelnen zuschrieb. Denn hierfür ist das eben
Angeführte eine bestätigende Parallele. Dagegen nimmt man
in anderer Hinsicht eine nicht unbedeutende Abweichung
wahr: während die Ansichten Ainesidems von denen hier
die Rede ist Phänomena sein sollen die Allen geraeinsam
sind (rä xoivcog jtäai g>an>6^Bva Sext. dogm. II 8), sind
die Vorstellungen auf die hingewiesen wurde und die un-
serem Handeln Richtung geben solche deren Gemeinsamkeit
auf einen gewissen Kreis von Menschen beschränkt ist und
sich wie die Geltung einer Sitte oder Gewohnheit nicht über
die Grenzen einer einzelnen Stadt oder eines Volkes aus-
dehnt*) Ich will mich nicht darauf berufen, dass Ainesidem
fiiglich nur den ihn näher angehenden Theil der Menschheit
d. i. den hellenischen und hellenisirten bciücksichtigen und
was in diesem durch Nationalität und Cultur beschränkton
Kreise der Menschheit galt Allen insgesammt beilegen konnte.
Schwerer als dieser Rechtfertigungsversuch, den man doch
*) Der Skeptiker folgt der Gewohnheit {avv/j^Ficd und unter-
wirft sich den herrschenden Sitten C^S^t]), Zum Inhalt beider gehören
»her auch gewisse Vorstellungen, wie man z. B. aus Pyrrh. I 154
weht: xal nag^ Vt^^^ Z"^** ovvtjS-eia atq (lyaO^ovg xal nnaO-ftg xaxöiv
^^ßuv xohq d^eovg. Und für beide ist wesentlich dass sie einer grös-
*ßwn Zahl von Menschen gemeinsam sind (Sext. a.a.O. 140: ^Oog i]
^T^O^fia [sc. iariy] tioXXwv dvl)-QojTr(ov xotv?) 7i(t(cy/ii(nog nvog ntcifH-
^Pl, ?v o 7ia(ja[fag ov navuoq xo}.aC,irai) und daher nöthig dass
wer sich ihnen anschliessen will im Stande sei diese Gemeinsamkeit
^ erkennen.
*) Daher heisst es in der angeführten Definition des f ^oc oder
^er avvt'i^fta (Sext. Pyrrh. I 146) dass sie seien noD.wv c\vi^Qw7X(nv
*Oiy;) uQayfiaxoq tivog naQaöoxt]» und nicht navrwv.
Hirsel, Unteren chnng«n. III. 7
98 I^ie Terschiedenen Formen des Skepticismus.
nur als eine Ausflucht behandeln würde, wiegt der Umstand,
dass thatsächlich die Skeptiker gewissen Vorstellungen eine
Geltung bei den Menschen zuschrieben die durch keine
Schranken sei es dos Volkes oder des Staates oder der Bil-
dung eingeengt würde. Denn Sextos Empeirikos, nachdem er
Pyrrh. II 100 zwei Arten von Zeichen (örifiela) unterschieden
hat, die erinnernden {vjto^vrjdxLxä) und die offenbarenden
(IrÖBixTixd), verwirft nur die zweite Art, erklärt die erste
dagegen für eine deren Bedeutung auch von den Skeptikern
anerkannt werde und begründet diess 102 mit folgenden
Worten: ro yctQ vjtof/vtjörcxov Jtejtlöxevxai vno rov ßlov,
ijtel xajtrov löciv rig öijfisiovtac JtvQ xal ovXtjv d-eaCa-
(levog TQavfia yeyei^yö&ai Xiyei, od^Bv ov (dovov ov iKTfo-
^lEd^a roj ßiq? äXXa xal övi^aycovi^of/eB-a, rm f/ev vjt^ avtov
jtejtiörei'fitvcp döo^dörcog övyxatarid^ifisvoi , zotg öh {vxo
wolil mit Bekker hinzuzufügen) rcor doyfiatixcov dvaxXaxrO'
fuvoig dvd^iöTdfievoi. Die Vorstellung von der hier die
Rede ist und deren Inhalt die Anerkennung eines erinnern-
den Zeichens bildet, gehört ebenfalls zu denen, die die Skep-
tiker deshalb annahmen weil sie im Allgemeinen bei den
Menschen oder was dasselbe ist im gewöhnlichen Leben Gel-
tung hatten. Diese Allgemeinheit lässt sich aber hier nicht
relativ fassen und nur auf einen Theil der Menschheit be-
ziehen. Einer solchen Vermuthung würde sich das ange-
führte Beispiel entgegenstellen: denn auch ein Skeptiker
durfte nicht wagen zu behaupten dass es nur bei einem ein-
zelnen Volke oder gar in einer einzelnen Stadt Brauch sei
vom Rauch auf das Dasein des Feuers zu schliessen. Hier
haben wir also eine Vorstellung vor uns, denen von den
Skeptikern eine allgemeine Geltung zugeschrieben wurde
und zwar im absoluten Sinne, nicht gehemmt durch ii^end-
welche Unterschiede der Nationalität, Politik oder Cultur.
Dass es nicht die einzige der Art war versteht sich von
Entwickelung der pyrrhonischen Skepsis. 99
selber und wird überdiess bestätigt durch Sextos dogm. II
215 ff. Diese Stelle ist für uns darum besonders wichtig,
weil an ihr Aeusserungen nicht der Skeptiker überhaupt
sondern speciell Ainesidems mitgetheilt werden. Derselbe
hatte im vierten Buch seiner „Pyrrhonischen Schlüsse" (/7v(i-
^mtioc Xo^ot) folgenden Schluss gebildet: bI ra <paiv6(iera
xäci Totg ofiolcog öiaxeifitvoig Jcaga^tkrjOlcog g)alvsTat xai
xa OrjiieTd iöxt ipaivofieva, ra OTjfieta näöL xolg ofiolog 6ta-
xHitivoig jtaQcurXtjölcog (palvexai. ovjl 6i ye ra örjfitla jtäöi
Tolq o/iolog öiaxei/divoig JtaQajthjölwg ^ahsrar xa 61
(pawoftspa Jcäci xolg 6fiolo?g öiaxeifitvoig jtaQajtXrjölafg
(pdverai, ovx aga q)aiv6fi£rd kört xd örjfista, Bedeutung
für uns hat dieser Schluss nui' durch das dritte Lemma,
wonach alle Menschen gleicher Beschafifenhcit auch gleiche
Vorstellungen von den Dingen haben {x6 xd g)aiv6fi£pa jcäöt
totg o/iolcog öiaxeigiivoig jtaQaJtXTjölojg (palreöß^at). Und
auch dieses hat dieselbe nicht an und für sich, da ja hinter
ihm der Gedanke lauern kann dass Menschen von gleicher
BeschaflTenheit in der Wirklichkeit nicht vorhanden sind,
sondern erlangt sie erst durch die Auslegung die ihm Sextos
gibt der, nachdem er die Richtigkeit des zweiten Lemma
erwiesen hat, mit folgenden Worten 221 dasselbe für das
dritte thut: dUd ötj xal x6 xglxov (sc. Xr/fifia vyitg Iöxt),
t6 xd q>aiv6(i£va jtäöi xolg o/dolcog dcaxeifiivoig JtaQajtXrj-
olwg q>alvhöl^ai, xo ydg Xevxov, el xv^oi, X(^fo//ß rra ^ilv
IxxsQiwvxi xal x(j} vtpalfiovg exovxc xovg otp&aXgiovg xal
xio xaxd tpvoiv öiax€tfiUf(p ovx <öö«vTa?c JtQoöjrijtxei {dv-
ofiolcog ydg öiixtivxo, Jtag^ jjv alxlar reo (ler rpalvtrat
cixgov TCO de tvsgsvd^hg rw de Xevxov), rolg (divrot xaxd
XffV avxfjP öcdd'eöiv ovöi, xovrtöxi xolg vytaivovöt, Xevxov
(lovov ^alvexai. Hier wird allerdings eine Verschiedenheit
der Menschen in Bezug auf ihr Vorstellen angenommen, aber
keine unbegrenzte, jedes einzelne Individuum betreffende:
T*
100 ^ie verschiedenen Formen des Skepticismtis.
vielmehr werden in der Hauptsache zvirei Gruppen von Men-
schen unterschieden, Gesunde und Kranke; nur die letzteren
sollen sich unter sich virieder in Bezug auf das Vorstellen
unterscheiden, die Vorstellungen der ersteren dagegen sind
die gleichen. Damit öflfnet sich der Blick auf ein weites
Gebiet von Vorstellungen die einer grossen Zahl "von Menschen,
allen Gesunden, gemeinsam sind. Da nun die Beschaffenheit
der Gesunden die naturgemässe ist (xata (pvöiv öiaxslfisvoi,
vgl. auch 218: tl yag rov Xevxov xQ<^f^cn:og jcdvreg ol xata
(pvötv rrjV yevoiv txovTtg yjLvxavrcxcog dvTiXafißdvovTai)^^)
die Gesunden die normalen und deshalb eigentlich allein
wahre Menschen sind, so konnte man wohl als Vorstellungen
aller Menschen diejenigen bezeichnen, die allen Gesunden
unter ihnen eigen sind. So haben wir nicht bloss eine neue
Gruppe von Vorstellungen kennen gelernt die einer grösseren
Zahl von Menschen gemeinsam sind, sondern auch eingesehen,
wie Ainesidem die Behauptung dass gewisse Vorstellungen
bei allen Menschen sich finden mit der anderen vereinigen
konnte dass die Vorstellungen verschiedener Menschen ver-
schieden seien. Gleichzeitig begreifen wir aber nun auch
wie Ainesidem diese bei allen Menschen geltenden Vorstel-
lungen wahre nennen konnte (Sextos dogm. II 8): denn da^
er diess nicht in dem Sinne that dass er ihnen etwas Wirk-
liches ausser uns entsprechen liess haben wir schon gesehen.
Nun hat aber ein Recht als wahr zu gelten jede auf nor-
^) Bei Diogenes freilich wird 82 in der Besprechung des vierten
Tropos eine solche Unterscheidung dessen was naturgemäss und waB
es nicht ist als unberechtigt zurückgewiesen: dXkola ovv <paivs%m
zä nQoonlnxovra naga raq noiag öiaO-toeig' ovöh yuQ oi fiaivofMVW
naga (fvaiv t/^ovai' xl yuQ fiäkXov ixfTvoi r] iffieiq; Aber Diogenes
hat auch nicht Ainesidem unmittelbar benutzt, und ausserdem bliebe
immer die Möglichkeit dass Ainesidem in dem letzteren Falle sieb
einer mehr wissenschaftlichen Ausdrucksweisc befleissigte. Vgl. anch
Sext. Pyrrh. 1 239.
Eotwickelung der pyrrhonischen Skepsis. ]01
male Weise entstandene Vorstellung, und in diesem Sinne
konnten allerdings jene Vorstellungen wahre heissen da es
die Vorstellungen normaler Menschen sein sollten. Ebenso
wie hier gewissen Vorstellungen, die wahr im eigentlichen
Sinne des Wortes nicht sind, doch auf unser Denken ein
Einflass zugestanden wird wie er streng genommen nur
wahren Vorstellungen zukommt, sollten auch, obgleich wir
eigentlich nicht berechtigt sind ein Ding vor anderen als
Gut oder Uebel zu bezeichnen, doch für unser Wollen und
Handeln gewisse Dinge die Bedeutung von Gütern und Uebeln
haben (vgl. z. B. Sextos dogm. V 162 fif.). Es sind diess auch
hier diejenigen die von der Mehrzahl der Menschen dafür
angesehen werden: denn die Skeptiker forderten dass wir
unser Leben und Handeln nach den geltenden Gesetzen und
Sitten einrichten sollten. Wie daher Ainesidem in der De-
finition des Wahren nur die subjective Seite desselben her-
vorhob indem er es als das Allen Ofifenbare bezeichnete,
ebenso scheint er bei der Definition des Guten verfahren
zu sein und es als das alle Menschen Anziehende bezeichnet
zu haben. ^)
*) Bei SextOB dogm. V 42 lesen wir: ndvreg av^Qtonoi, xa^neQ
*^yf xal b AlvTjaiSfj/jiog, aya^bv fjyov/xevoi zb a^QOvv avrovg, bnolov
^ nox^ y, /daxofievag f/ortr/ rag ^v eiöst nfgl avxov xQiasig. Da-
9^n dass diese beiden Definitionen, die hier vom Guten und die
frflber (dogm. II 8) vom Wahren gegebene, in der Weise wie im Text
(^behen ist, neben einander gestellt werden, könnte man einwenden^
<*M8 nur die Definition des Wahren von Ainesidem selber vortreten
'^erde, die des Guten aber von ihm lediglich als eine solche be-
zeichnet werde die der Ansicht der grossen Masse der Menschen
entspreche. Ein näheres Zusehen wird aber die Nebeneinanderstel-
l'ifig rechtfertigen. Denn um die Richtigkeit seiner Definition des
^thren zu bestätigen beruft sich Ainesidem auf die Etymologie d. h.
^f das Urtheil der grossen Masse aller griechisch Redenden die
gerade ein solches Wort welches das Allen Ofi'enbaro bedeutete zur
^zeichnang des Wahren gebraucht hatten.
102 I^ie verschiedenen Formen des Skepticismus.
Die Aeusserungen Aincsidems, welche ohne dogmatisch
zu sein doch den Schein des Dogmatismus an sich tragen,
sind also solche in denen er wiedergibt was er für die allen
Menschen gemeinsamen Vorstellungen hielt Freilich sind
diese Aeusserungen zum Theil absonderlicher Art und haben
keineswegs einen Inhalt der der allgemeinen Ueberzeugung
der Menschen entspricht, wie z. B. dass die Zeit ein Körper
sei und dass der Geist sich ausserhalb des Leibes befinda
Hier trat aber Heraklit als Vermittler ein. Was an sich
nicht der Meinung aller Menschen entsprach, war doch von
Heraklit in diesem Sinne aufgefasst und verwerthet worden:^)
daher koimte wer in Wahrheit nur der besonderen Meinung
dieses Philosophen war, doch in dem Glauben stehen die
gemeinsame Ueberzeugung aller Menschen zu vertreten. So
kam es dass Ainesidem, wo er die Absicht hatte die allen
Menschen gemeinsamen Phänomena zusanmienzufassen soweit
dieselben die naturphilosophischen Probleme betrafen, sich
im Wesentlichen an Heraklit anschloss.^) Auch von dieser
^) Da es sich hier nur um die Art handelt wie Heraklits Lehre
von den Alten aufgefasst wurde (vgl. darüber Sextos dogm. I 126 ff.,
bes. 131 u. 134), so kommt die zwischen Zeller (I 656^ 1) und Schuster
schwebende Controverse über die wirkliche Erkenntnisstheorie dieses
Philosophen gar nicht in Frage.
^) Dass er sich dabei erlaubte die Lehre des ephesischen Philo-
sophen im Einzelnen abzuändern, ist nicht nur nicht ausgeschlossen
sondern sogar wahrscheinlich. Vielleicht lässt sich ein solcher Punkt,
in dem Ainesidem von Heraklit abwich, noch nachweisen. Bei Seztos
dogm. I 350 lesen wir: xal oc /ahv (sc. X^yovai) öia(piQ6iv avtr^v (sc.
ri)v öiavomv) rwv alaS^f'iosov, w^ oi nXelovg, ol de ccvzfjv elvai tag
(xiaSi]ösi(;, xa^anfQ Sid rtvojv önwv rwv alad-ijrrjQlwv TiQoxvntovütsP,
ijg ardaeiog 7}()^t Zr^drcov tf 6 <pvaixbq xal Atvrjaiötjfiog. Die An-
sicht welche Geist und Sinne für identisch erklärt wird hier von
Straten abgeleitet. Wer so urtheilt, kann aber nicht schon Heraklit
für einen Vertreter derselben gehalten haben. Und wirklich kann
diess auch nicht dessen Ansicht gewesen sein wie sich aus den von
Entwickeliing der pyrrhonischcn Skepsis. 103
Seite her betrachtet hätte daher der Pyrrhonismus ein Weg
zum Heraklitismus genannt werden können. Wenn trotzdem
da wo von diesem Verhältniss beider Philosophien die Rede
ist (Sextos Pyrrh. I 210 ff.) auf die eben besprochene
Uebereinstimmmig keine Rücksicht genommen wird, so scheint
diess einen Zweifel gegen die Richtigkeit des gewonnenen
Resultates zu begründen. Derselbe löst sich indessen bei
uäherem Zusehen. Dass an der betreffenden Stelle die
Skeptiker und nicht die Pyrrhoneer genannt werden, darf
uns wenigstens daran erinnern, dass die erörterte Ansicht,
wonach für unser Handeln sowohl als für unser Denken die
Sextos dogm. I 126 aufbewahrten Worten ergibt: xaxol /ndgrvQeg dv-
^gwTtoiai offStcXfjiol xal cJr« ßaQßaQovq \pvxdq ^/ovra»'. Denn die-
selbea setzen zwischen Geistes- und Sinnenthätigkeit einen gauz
bestimmten Unterschied voraus. Trotzdem soll Ainesidem diese An-
sicht getheilt haben. Er wich also hierin von Horaklit ab und der
sonst bei der Mittheilung von Ainesidems naturphilosophlschen An-
sichten übliche Zusatz xad^^ ^H()dx?,eirov wird daher wohl nicht ohne
Grund diessmal fehlen. Von Seiten derer die zu Diels und Zcller
stehen muss ich allerdings des Einwurfs gewärtig sein dass die frag-
liche Ansicht durch den Zusatz xa^dneQ Sid tivatv dnojv nJüv ato^t]-
mfloiv TiQoxvTtTovaav erläutert, die in diesen Worten enthaltene
Vorstellung aber 130 Heraklit zugeschrieben werde und dass diese
letztere Stelle einem Abschnitt angehöre der auf Ainesidem zurück-
gehe. Ich will nicht geltend machen, dass an dieser früheren Stelle
wenigstens nicht unmittelbar und ausdrücklich die Identität von
Geist und Sinn ausgesprochen wird. Denn da Excurs I zeigt dass
der betreflfende Abschnitt nicht auf Ainesidem sondern wahrschein-
lich auf Antiochos zurückgeht, so bedürfen wir dieser Ausflucht nicht.
Heraklit die Ansicht zuzuschreiben, nach der der Geist schon in der
Thätigkeit der Sinne sich äussert, konnte Antiochos dadurch vcr-
^'^ÄMt werden weil dieselbe seiner eigenen Ucberzeugung entsprach,
wie Lucullus' Worte bei Cicero Acad. pr. 30 lehren: mens — sen-
sQum fons est atque etiam ipsa sensus est, sein Bestreben aber in
•
jenem historischen Abschnitt dahin geht die eigene Lehre auch bei
^^D älteren Philosophen wieder zu finden.
104 ^ic verschiedeDen Formen des Skepticismos.
allgemeiuen Phäiiomcna maassgebcnd sind, keine eigentlich
skeptische sondern innerhalb des Pyrrhonismus das dog-
matische Element, ein Zugeständniss an die Bedürfnisse des
Lebens ist. So wenig als diese Ansicht für den Skepticismus
so wenig sind die heraklitischen Lehren, zu denen man von
ihr aus gelangt, wie die öfter erwähnten dass die Zeit ein
Körper und diiss der Geist ausserhalb des Leibes ist, für
den Heraklitismus charakteristisch. Von zwei Philosophieu,
die nur durch dergleichen Nebenbestimmungen mit einander
verbunden waren, hatte man daher kein Recht die eine den
Weg zur anderen zu nennen. Eine solche Behauptung liess
sich imr dann rechtfertigen, wenn in derselben Weise fun-
damentale Sätze zusammen hingen. Ein Satz dieser Art
ist aber für den Skepticismus derjenige wonach unsere auf
denselben Gegenstand sich beziehenden Vorstellungen einander
widersprechen, und ebenso für den Heraklitismus der hieraus
sich ergebende dass demselben Dinge entgegengesetzte Be-
stinmiungen anhaften: es ist daher ganz begreiflich dass auf
den Zusammenhang dieser wesentlichen Stücke und nicht
auf jene Nebenbeziehungen die Behauptung gegründet wurde,
dass der Skepticismus zum Heraklitismus führe. Da auch
der Satz dass die Phänomena einander widersprechen selber
ein Phänomenon und zw^ar, w^ie Sextos hervorhebt der es zur
xoivf] r^v ctv&Qojjtcov jtQ6Zi]ti)ig (^H) rechnet, ein allge-
meines Phänomenon ist, so kann man auch sagen, dass nicht
von den Phänomena überhaupt sondern speciell von diesem
einen Phänomenon aus der Weg zu demjenigen Phänomenon
geht welches das Wesen der heraklitischen Philosophie aus-
macht. — Noch ein anderes Bedenken aber ist zu beseitigen.
So wie wir eben Ainesidems Behauptung dass der Skepticismus
zum Heraklitismus führe aufgefasst haben steht dieselbe mit
den Voraussetzungen des Pyrrhonismus vollkommen im Ein-
klang und bringt einen Skeptiker keineswegs in Widerspruch
Entwickelung der pyrrhonischen Skepsis. 105
mit sich selbst. Trotzdem hat diesen Vorwurf, sich selbst
widersprochen zu haben, Sextos auf Grund jener Beliauptung
gegen Ainesidem erhoben. Wenn daraus wirklich folgt dass
Sextos von einer Ausgleichung zwischen Skepticismus und
HerakUtismus wie sie nach dem Bisherigen Ainesidem vor-
genommen hatte, nichts gewusst habe, so würde diess gegen
das Ergebniss der geführten Untersuchung schwer ins Gewicht
tiUen. Es ist aber nicht nöthig diese Folgerung zu ziehen.
Sextos kann jene Ausgleichung gekannt, da sie aber auf einer
Yoraossetzung ruht die er nicht zugeben konnte sich be-
rechtigt gehalten haben sie zu iguoriren. Diese Voraus-
setzung ist die eigenthümliche Auffassung Heraklits als eines
Skeptikers oder doch Eines dessen Lehrsätze nichts weiter
als die Wiedergabe aUgemeiner Phänomena sein wollten.
In der Kritik setzte er deshalb wozu man ihm das Recht
nicht abstreiten kann an die Stelle der falschen Auffassung
diejenige welche er für die richtige hielt und nach welcher
Heraklit ein rein dogmatisirender Philosoph ist. So ergab
sieh allerdings dass die Behauptung, der Skepticismus sei
der Weg zum Heraklitismus, einen Widerspruch enthielt.^)
*) Die betrefifenden Worte des Sextos lauten a. a. 0. 212 folgen-
dermaassen: fjujnore dt ov fiovov ov awegyet TiQog rtjv yväiatv tijq
H^hitfiov fptXoaofplaq ^ axsntix^ dywyij, d).Xa xal d7ioavve()yti,
^^f 0 axenuxbg ndvra ta vno rov ^HQaxXeltov öoyiiaxt^o^fva wg
^Qonnüfg Xeyofisva diaßdXXsi, ^vavriovftevog /ahv xy ixTivQwaet
^vanioifiBvog öl xw xä ivavxla nsQl xo avxo vnaQxtiVf xal inl nav-
r»; doyfiarog xov ^HQaxXeixov xtjv fdv Soy/aaxixr^v TiQontxetav öia-
ovQiov^ xb 61 „ov xaxa?Mftßdv(o^'^ xal xb „ovöhv o()/$tt>" inKp&eyyo-
f^^oq, ü)g tffriv ^/xTigoad^ev önsQ /xdyexat xoTg ^HQaxXetxeioig. dxonov
"* ^oti To rr)v fia^ofAhriv dyiayr^v böbv tlvai Xiyeiv xfjg algiaeatg
Mviiq y fidyjxai' dxonov aQa xb xffv axsnxixtjv dyatyt/v ^nl xrjv
^Qtfxlflteiov (ptXoaotplav böiv elvai Xiyetv. Unter b axenxixbg ist
^törllch nicht der vorher genannte Skeptiker d. i. Ainesidem ge-
Qieint, sondern der Skeptiker wie er sein soll, der seinen Namen mit
Recht trägt.
106 I^^e Yerschiedenen Formen des Skepticismos.
So sind die Bedenken erledigt, die sich der Ansichi
entgegenstellten dass Ainesideni Hemklitcer insofern war ab
er den Lehrsätzen des ephesischen Philosophen den Wert!
von allgemein geltenden Phänomena beilegte. Wir könne»
daher nunmehr auf den Vortheil hinweisen der aus dies«
Ansicht für uns entspringt. Dass der häufige Zusatz xa#
^HgdxXeiTov, der den naturphilosophischen Lehren Ainesidem
beigefügt wird, sich erklären lässt auch wenn wir darii
nicht die Spur davon erkennen dass die dogmatisch schei
nenden Aeusserungen Ainesidems eigentlich nur einem histc
rischen Berichte über Ilcraklit angehörten, haben wir scho
gesehen (S. 69 f.). Im Lichte der letzten Erörterunge
erhält dieser Zusatz noch eine besondere Bedeutung.^) I
scheint nun nicht bloss auf den Inhalt der betreffende
Lehre sich zu beziehen sondern auch die Form anzudeute
in der sie vorgetragen wurde, den Werth den sie für d:
Erkenntniss besitzt. Weim gesagt wird dass Ainesidem voi
Standpunkt des Herakliteers und nicht des Pyrrhoncers ai
spricht, so wird eben damit gesagt dass was er vorbrinj
nicht der Ausdruck einer wissenschaftlichen Ueberzeugui
ist sondern lediglich den Anspruch erhebt als Phänomene
zu gelten. An einem Beispiel tritt die Nützlichkeit diesi
Zusatzes besonders hervor. Als Skeptiker konnte Aineside;
eine Wahrheit im eigentlichen Sinne nicht anerkenne!
Daher leugnet er bei Sextos dogm. II 40 schlechthin dai
es etwas Wahres gäbe, und wohl bemerkt: er wird in diesei
Falle von Sextos ohne jede nähere Bestimmung bloss Ain^
sidemos genannt, weil diess eben der Ausdruck seine
wissenschaftlichen Ueberzeugung war. Anders ist diess i
^) Dass dieser Zusatz sich auf eine Schrift bezieht in welche
Ainesidem auf den Standpunkt Ileraklits trat, ist auch die Meioon
von Natorp Rhein. Mus. 1883 S. 83.
Entwickelong der pyrrhonischen Skepsis. 107
derselben Schrift des Sextos in demselben Buche 8. Hier
erkennt Ainesidem das Vorhandensein einer Wahrheit an
oder scheint es doch anzuerkennen: denn was er dort wahr
nennt sind die allgemeinen Phänomena, also in Wirklichkeit
Qiir ein Surrogat des Wahren dem nur innerhalb der Sphäre
der Phänomena und für dieselben ehie Bedeutung zukommt.
Es ist daher bezeichnend dass hier der Zusatz xad'' ^Hqu-
xliixov wiederkehrt:^) wir werden durch denselben daran
erinnert dass Ainesidem durch diese Anerkennung einer
Wahrheit keineswegs mit sich selbst in Widerspruch gerieth,
sondern sie nur vom heraklitischen Standpunkt aus d. h.
innerhalb einer zusammenfassenden Darstellung der Phäno-
mena ausgesprochen hatte.
Dass wir Ainesidem um deswillen weil er Ilerakliteer
war noch nicht eines Abfalls vom Pyrrhonismus zu beschul-
digen brauchen, hat das Bisherige gelehrt. Trotzdem lässt
sich nicht leugnen dass der Versuch die alte Lehre Heraklits
mit der modernen Skepsis auszusöhnen lebhaft an die gleich-
zeitigen Bestrebungen der dogmatischen Eklektiker erinnert:
wir dürfen daher wohl das ganze Unternehmen Ainesidems
als einen neuen Beweis für den damals die Philosophie be-
herrschenden Eklekticismus betrachten. Auf dasselbe Be-
mühen Ainesidems andere Philosophien mit dem Pyrrhonis-
mus in Einklang zu setzen deutet vielleicht noch eine andere
Nachricht die sich durch Aristokles bei Euseb. praep. ev.
^V 18, 2 erhalten hat. Hiemach hätte, während Timon
als den höchsten Gewinn des Lebens die araQct^la bezeich-
nete, Ainesidem an deren Stelle die ^rfor/} gesetzt.*) Dass
') S. indessen über den Zusatz gerade an dieser SteUe S. 69, 1.
*) Die botreflfenden Worte lauten: xoiq fihxoi ötaxei/xivoig ovtw
^^QuoiaBat Tlfiwv (pr^al tiqwtov /xhv dtpaalav Insixa 61 ixa^a^laVt
108 I^ie verschiedenen Formen des Skepticismus.
er damit etwas wesentlich Anderes ausdrücken wollte als
die Uebrigen durch draga^la ist an sich nicht glaublich und
wird auch durch Diog. IX 107 widerlegt, wo Ainesidem
neben Timon als Vertreter der Skeptiker erscheint denen
als Frucht der ^jro//} die draga^la galt. Immerhin bleibt
auffallend dass er für dieselbe Sache sich eines anderen
Namens und gerade dieses Namens bediente, der sonst zur
Bezeichnung nicht der negativen sondern der positiven Lust-
empfindung zu dienen pflegt. Nun könnte er zwar so gut
wie Epikur das Wort rjöovrj in einer weiteren Bedeutung
gebraucht haben. ^) Nach Aristokles' Worten aber zu schliessen
— denn wie könnte sonst hierauf ein Unterschied zwischen
ihm und Timon begründet werden? — müsste er diess öfter
gethan, ja des Wortes tiöovii statt ctraQa^la sich vorzugs-
weise bedient haben, ein Verfahren das bei der Missver-
ständlichkeit des Wortes rjöov^ nur dann erklärlich wird
wenn er irgendwelche Absicht dabei verfolgte. Welches war
diese Absicht? Wir lesen bei Sextos Pyrrh. I 215 von Man-
chen (ztvtg) die die pyrrhonische mit der kyrenaischen Lehre
identificirten.*) Dass es Pyrrhoneer waren die so urtheilten,
^) Epikur betreflfend vgl. Diog. IX 136: b Sh 'Enlxovqoq iv rf
TieQl aiQkOBiov ovxio Xlyei' ,,?/ ^^v yaQ dtaQa^la xai dnovia xata-
atfifjLccxixal elaiv rjSoval, fj Sh yßQcc xal ev<pQoavytj xata xlvtiüif
iveQyein ßXinovxat^*^ Mehr Belege gibt Madvlg zu Cicero de fin.
I 37.
*) 4*aol öe Tiveq on ^ KvQtjvaixtj dywyij y avrtj ion ry axhpsif
^.neiöfj xdxeivt^ r« ndxh] /anva <pt]a\ xaralafißdveiv öia^piQei de «15-
TTjQ, insiSfi ixelvi] fi\-v trjv tjöovrjv xa\ rr/v Xelav riji; aagxhq xivrjdnf
T^kog elvai Xeyei, rififiq rf^ r^v dxaQa^lav , y ^vamovrai x6 xox
ixeivovg xikoq' xal yaQ naQovarjg x^g tjSorijg xal ftr^ naQOvarjg ta-
Qay^aq vno/uBvei b öiaßeßaiovfievog x^Xog elvai xrjv fjöovijv, (bg iv t^
TifQl xov xiXovg insXoyiadfiriv' eixa rjfieig fihv infy^o/jiev oaov iid
xip Xoyu) tibqI xwv ^xxbg vnoxei/x^vatv, ol 6h KvQtjvai'xol dno^ivovtfu
(pvaiv etvro; ej^etv dxaxdkrjnxov.
Entwickelung der pyrrhonischen Skepsis. 109
rird durch deu Zusammenhang der Stelle wahrscheinlich:
eon kurz vorher war Ainesidems Behauptung dass die
kepsis der Weg zum Heraklitismus sei widerlegt worden
id daran hatte sich eine Bestreitung derjenigen geschlossen
e, was ebenfalls Pyrrhoneer thaten (Diog. IX 72), in Demo-
its Lehre und der Skepsis Gemeinsames entdecken wollten.
iS8 nun diejenigen 9 welche die kyrenaische Lehre für ein
id dieselbe mit der pyrrhonischen Skepsis erklärten^ dabei
B Ethik beider Schulen ganz ausser Acht gelassen haben
Uten, ist schwer denkbar. Wenn trotzdem Sextos die
entitätserkläning nur auf die beiden Schulen gemeinschaft-
he Ansicht sich gründen lässt, nach welcher für uns nicht
3 Dinge sondern nur unsere Affectionen {ptad-rj) erkennbar
id, so kann diess seine Ursache darin haben dass Sextos
aller Kürze berichtet und darum sich beschränkt den
mptgrund der fraglichen Ansicht anzugeben. Nehmen wir
her an dass jener Ausgleichsversuch auch die Ethik be-
brte, so konnte er sich darauf stützen dass sowohl das
chste Gut der Kyrenaiker wie das der Pyrrhoneer sich unter
m gemeinsamen Namen der tiöovi begreifen Hess. Diess
3t aber eine Verwendung des Wortes ridovi} voraus, wie
sich nach Aristokles Ainesidem gestattet hatte. Eine
klärung für diese auffallende Thatsache haben wir gefun-
Q, sobald wir amiehmen dass er zu den Ungenannten
borte die die pyrrhonische Skepsis auf die kyrenaische
hre zu reduciren suchten. Man wird daher dieser An-
hme eine gewisse Wahrscheinlichkeit nicht absprechen
ßnen.') Ihre Richtigkeit aber zugegeben, würde in diesem
^) Kernen ernsthaften Gegengrund bildet, dass Sextos a. a. 0. nur
Semeiner von Einigen {xivi-q) spricht die es versuchten die kyre-
ische Lehre mit der Skepsis zu identificiren, kurz vorher (210) da-
(en, wo es sich um die ähnliche Vermittlung zwischen Heraklitismus
1 Pyrrhonismus handelt, Ainesidem mit Namen als Vermittler nennt.
110 Die verschiedenen Formen des Skepticismus.
Versuch zwischen der kyrenaischen und pyrrhonischen Schule
zu vermitteki abermals der Eklekticismus Ainesidems horror-
treten.
Die Resultate der geführten Untersuchung zugegeben
scheint sich das Yerhältniss zwischen Timons und Ainesidems
Skepticismus so zu stellen. Von den Bedürfnissen des Han-
delns imd Lebens getrieben gaben beide zu dass wir der
Masse auf uns eindringender Vorstellungen uns nicht blind
sondern mit Auswahl überlassen sollen. Während aber Timon
dergleichen Vorstellungen auf die Ethik einschränkte, hat
Ainesidem den Kreis derselben so erweitert dass er audi
die Naturphilosophie umfasste. Indessen fällt dieser Unter-
schied weniger ins Gewicht gegenüber dem anderen der das
Princip der Auswahl betriflft. Nach Timon sind von maass-
gebender Bedeutung für uns solche Vorstellungen die mit
„der Rede der Wahrheit" d. i. der skeptischen Grundansicht
in Uebereinstimmung stehen, nach Ainesidem diejenigen die
sich nicht bloss dem einzelnen Menschen sondern allen auf-
drängen. Dass auch Timon forderte, der Skeptiker solle
sich der herrschenden Sitte unterwerfen, und dass diess
einer Zustimmung zu gewissen allgemein geltenden Vorstel-
lungen gleich kommt, ist richtig. Die vorgenommene Unte^
Scheidung wird aber dadurch nicht als falsch erwiesen.
Denn die Forderung sich der Sitte anzuschliessen braudit
er nicht deshalb gestellt zu haben weil die in der Sitte zu
Tage kommenden Vorstellungen allgemein geltende sind, so
da§ß eben die Allgemeinheit es gewesen wäre die ihnen in
seinen Augen Werth verliehen hätte; sondern er kann sie,
Denn um vom Zufall abzusehen, der hier mitgespielt haben könnte,
80 waren derer, die den Skepticismus mit der kyrenaischen Lehr6
zusammenfallen Hessen, vielleicht noch mehrere, während mit der
Behauptung, dass die Skepsis der Weg zum Heraklitismus sei, Aine-
sidem wie es scheint allein dastand.
Entwickelung der pjrrhonischen Skepsis. Hl
! ich schon früher (S. 55 f.) bemerkt habe, aus der An-
ennung der draQa^ia als des Lebensideals abgeleitet
•en, 80 dass auch in diesem Falle die skeptische Grund-
icht, „die Rede der Wahrheit", das bei der Wahl der
Stellungen entscheidende Princip gewesen wäre. Besteht
der aufgestellte Unterschied, dann erscheint der Skep-
tmus Ainesidems weiter geführt als der Timons; denn
1 die eine Wahrheit, die Timon noch übrig gelassen
für die Wahl der Vorstellungen benutzt hatte, hat
»idem Preis gegeben und an ihre Stelle das Merkmal
Allgemeinheit gesetzt. Dass Ainesidem gleichzeitig die
psis mit einer dogmatischen Philosophie wie die Heraklits
in Verbindung brachte, ändert zwar streng genommen
seinem Skepticismus nichts, da er vor vollzogener Ver-
lung den Dogmatiker Heraklit in einen Skeptiker um-
mtet hatte: trotzdem blieb in Folge dessen der Schein
Dogmatismus an seiner Skepsis hängen, und es darf
lalb als ein weiterer Schritt auf der Bahn des Skepti-
las bezeichnet werden, wenn Spätere dieses Band wieder
m und den Pyrrhoiiismus von der befleckenden Berüh-
; nicht bloss mit Heraklit sondern auch mit anderen
matikem frei zu machen suchten.*)
') Sextos Pyrrh. I 210 ff. Die laxere Auffassungsweise der
uren findet sich bei Diog. IX 71 ff. Diese Reinigung der Skepsis
noch weitere Folgen. Während Ainesidem auf demselben Wege,
lern er zum engeren Anschluss an Heraklit geführt wurde, dazu
Igen musste der Naturphilosophie eine grössere Bedeutung bei-
en und in der Absicht auf positive Resultate sich mit ihr zu
läftigen, haben die Späteren, in ihrem Bestreben die Skepsis
ichst rein zu fassen, die Naturforschung nur in so weit gestattet
ie dazu dienen kann den Skeptiker sei es in seiner Forschungs-
ode zu üben sei es in seiner Gemüthsstimmung zu befestigen.
\ lernen wir aus Sext. Pyrrh. I 18: naQanXi]aia 61 Xiyofiev xul
w }^fiTtTv ei (fvaio?.OYtjTtov rät axenrixtp' tvexa fisv yag xov
112 Die verschiedenen Fonnen des Skepticismns.
Unter den Eigenthümlichkeiten, durch welche die spi
teren Pyrrhoneer sich von Ainesidem unterschieden, tri
uns von der erwähnten Abweichung abgesehen besondei
noch eine entgegen, die sich in der Aufistellung und Anon
nung der Tropen zeigt. Tropen dieser Art aufzustellen ii
ohne Zweifel von je her in der pyrrhonischen Schule übUc
gewesen. Wir dürfen diesen Brauch bis auf den Stifte
zurückführen und es hiermit in Zusammenhang bringen, dat
die älteren derselben durch ihren empirischen Charakte
uns an den Ursprung der Schule aus der demokritische
Naturphilosophie erinnern (vgl. S. 5). Ob dagegen die be
kannte Zehnzahl der Tropen schon aus der frühesten Zei
des Pynhonismus herrührt, ist zweifelhaft, und wahrschein
lieh vielmehr dass dieselben in der Weise, wie sie uns jetz
vorliegen, erst von Ainesidem zusammengefasst worden sindJ
fxeta ßeßalov nsia/narog a7io<palvea9^ai tisqI rivog t<Sv xata tiJ
(pvaiokoyiav doyfiaxi^ofiivatv od (pvaioXoyovfiBv, tvsxa 6h xov nfxm
Xoyis^ yMyov laov txBiv ävTinS-tvat xal rfjg dzaQa^lag antofiedn nj
<pvaioXoyiag. — Wenn ich übrigens von den Späteren spreche, fi
habe ich zunächst nur Sextos im Auge, nehme aber an, dass in dei
selben Weise, wie er, damals noch mehrere, wo nicht die meiste
den Pyrrhonismus auffassten. Dass es nicht alle thaten, lernen wi
freilich aus Diog. IX 70. Denn hiernach hatte Theodosios, der de
jüngeren Mitgliedern der skeptischen Schule beigezählt werden mos
unter anderen Gründen, mit denen er den Pyrrhoneem das Recl
bestritt sich mit diesem Namen zn nennen, sich auch darauf berofn
dass Pyrrhon nicht der erste gewesen sei der die skeptische Richtmi
eingeschlagen habe (fxtjdh tiqwtov ev^tixivai r//v axentixr^v Hv^^oiw
Daraus dürfen wir wohl schliessen, dass solche Versuche <ei
Philosophen zur Skepsis herüberzuziehen wie sie Diogenes gleich ii
Folgenden voniimmt und wie wir sie für Ainesidem charakteristisc
fanden, gegen die sich aber Sextos aufs Entschiedenste erkl&rt, anc
seine Zustimmung hatten.
^) Darauf fuhrt einmal, dass unter den Vertretern der Zehnzth
welche Diog. IX b7 (und 79, wenn wir nämlich hier mit Nietzscli
Entwickelnng der pyrrbonischen Skepsis. 113
Er war es vermuthlich auch, der sie zuerst in eine bestimmte
Reihenfolge brachte. Darin dass sie überhaupt die Tropen
Beiträge S. 11 den Namen des Theodosios einsetzen) nennt, Ainesidem
der älteste ist. Und. auch Sextos scheint einen älteren Vertreter
niclit gekannt zu haben, da er dogm. I 345 sie bezeichnet als rovg
naga rtS AlvijaiSi^fiq) Sixa XQonovq. Er bezieht sich mit diesen
Worten zurück auf seine eigene Erörterung der Tropen Pyrrh. I 36 ff.
Wenn er hier die zehn Tropen den älteren Skeptikern insgesammt
zuschreibt (nagaSlSovrai rolvvv avvi] D^wg nuQct roTq ciQx^ioxeQoiq
mmixolq XQonoi, 6l* wv ^ ino/ii avvaysa^ai SoxeT, dexa rov dgi^
liöv)^ 80 ist diess kein Widerspruch, da diese älteren Skeptiker im
Gegensatz zu den jüngeren Skeptikern {vscjtsqoi axsTtxixol a. a. 0.
164. 177) d. i. Agrippa und seinen Anhängern zu verstehen sind.
Dass erst Ainesidem die skeptischen Tropen in der nns bekannten
Weise formnlirt habe, ist auch die Meinung von Zeller (S. 24). Wenn
derselbe aber um seine Meinung zu begründen sich unter anderem
aof die Verwendung beruft, die in Soxtos' Bericht über die Tropen
Ausdrücke wie algexä xccl (pevxxa, (pavxaala u. s. w. gefunden haben,
80 scheint er mir die Formulirung, die immerhin Pyrrhon oder Timon
fegeben haben könnte, mit der Ausführung zu verwechseln, die sio
erst durch einen Späteren wie Ainesidem war erhalten hat. Ja wir
8md nicht einmal sicher was in dieser Ausführung Ainesidem und
WI8 einem noch Späteren gehört. Denn in derselben wird auch
Tom diaXXriXoq xQonoq (Sextos Pyrrh. I 117) und anderen jener fünf
M von Agrippa eingeführten Tropen Gebrauch gemacht (Pappen-
heim Erlänt. zu des Sext. Pyrrh. Orundz. S. 44): wir haben hier
tlso einen ziemlich deutlichen Beweis dass für den Inhalt jener
Ansfilhrung nicht unmittelbar Ainesidem sondern erst ein Jüngerer
verantwortlich gemacht werden kann. — Ich habe nur von zehn
Tropen Ainesidems gesprochen und die Angabe des Aristoklos (Eusob.
praep. ev. XIV 18, 8\ die ihn neun aufstellen lässt, nicht berück-
sichtigt. Zoller S. 23 gesteht ihr den Werth einer abweichenden
Nachricht zu. In diesem Falle müssten wir sie für eine irrtbüm-
Hche halten. Die Frage ist nämlich ob wir Aristokles mehr Glau-
ben schenken sollen als Diogenes und Sextos: denn diese beiden
bissen nur von zehn Tropen Ainesidems und schöpfen ihre Kennt-
Qiss derselben offenbar aus derselben Schrift, die Aristokles citirt,
der vnoxvnwaig (für Diogenes erhellt diess aus 78, für Sextos daraus
Hiriel, üntennebniigen. III. 8
114 Die verschiedenen Formen des Skepticismus.
nicht nacli Zufall sondern in einer gewissen Ordnung siclj
folgen Hessen, schlössen die Späteren sich ihm an und wichen
dass die Schrift in der er über Ainesidems Tropen berichtet eben-
falls eine Hypotyposis ist). Da nun aber Diogenes und Sextos sehr
ausführlich über die Tropen berichten, beide ausserdem Yariationeo
namhaft machen die in der Aufstellung derselben vorgekommen
sind, so haben sie offenbar grösseren Anspruch auf unser Zutraaen
als Aristokles, der durch seinen überaus kurzen und fragmenta-
rischen Bericht über Ainesidem sich keineswegs das Recht erw(v-
ben hat als glaubwürdiger Berichterstatter über dessen Lehre tn
gelten. Aber auch dass Aristokles hinsichtlich einer so bekannten
Sache wie denn doch die zehn pyrrhonischen Tropen waren sieb
sollte eines Irrthums schuldig gemacht haben kann ich nicht glaaben
und muss daher die Neunzahl für einen Fehler der üeberliefemng
halten, der durch Einsetzen des richtigen 6kxa für ^vvha zu verbessern
ist. Ein Versehen hatte diese Nachricht des Aristokles Zeller selbst
in der früheren Auflage genannt. Dieses Versehen dadurch za e^
klären, dass der in der Aufzählung des Aristokles fehlende Tropos
(es ist der neunte nach Sextos und Diogenes) bei Ainesidem an
letzter Stelle stand, ist ein Einfall, den Pappenheim (Erläut S. 32)
entschiedener hätte zurückweisen sollen. Aber freilich ist diess nnr
möglich, wenn man sich, was Pappenheim nicht gethan hat, erinnert
dass die auf die Ordnung der Tropen bezüglichen Worte bei Diog. 87
verderbt sind: denn dann erweist sich die jenem Einfall zu Gnmde
liegende Annahme, dass der betreffende Tropos von Ainesidem an
die letzte Stelle gerückt war, als eine in der Luft schwebende. -
Bei diesem Anlass will ich noch ein anderes Versehen Pappenheims
berichtigen. Derselbe hält S. 31 den von Eusebios durch xivqöiu;
bezeichneten Tropos für identisch mit dem fünften des Sextos, «rf
den schon vorher durch dnoaxtinata hingewiesen worden war. Nan
wird aber in dem achten Tropos bei Diogenes auf die ro/w^f?
xal ß(}advTtjT fg Rücksicht genommen: es liegt daher wohl nfther
auf diesen, der dem siebenten des Sex tos entspricht, die xit^-
oetg zu beziehen, und diese Annahme wird auch dadurch empfohlen
weil sie uns nicht nöthigt, wie Pappenheims Annahme es that, den-
selben Tropos Angehöriges aus einander zu reissen sondern das
Zusammengehörende, wie in diesem Falle //fytdi/ und xivijaBi^j auch
neben einander stellt.
Entwickelung der pyrrhonischen Skepsis. 115
nur insofern ab ak sie den einzelnen Tropen nicht immer
dieselbe Stelle anwiesen.^) Diese Aenderung war daher
^ Die Frage nach der Ordnung der pyrrhonischen Tropen ist
in neuester Zeit durch Pappenheim wieder angeregt worden, der
io seinen Erläuterungen S. 30 ff. darüber gesprochen hat. Mit Recht
hat derselbe gefordert dass wir in der Reihenfolge der Tropen
nicht ein Werk des blinden Zufalls oder rücksichtsloser Willkür
sondern einer durch verständige Ueberlegung geleiteten Thätigkeit
sehen. Wäre sie das Letztere nicht gewesen so hätten die Skep-
tiker nicht auf sie irgend welchen Werth legen können, was sie
doch thaten (Sextos Pyrrh. I 38, nachdem er die zehn Tropen auf-
gezählt hat, bemerkt: x^eifisd^a Sh xy rd^ei ravty ^srixcHg] wäre
ihm die Ordnung gleichgiltig gewesen, so würde er gesagt haben
tolq TQonotg), so hätte es sich nicht verlohnt über Abänderungen
die sie damit vornahmen zu berichten (Diog. 87) und wären diese
Abänderungen zahlreicher und bedeutender gewesen. Was nun das
Princip dieser vorauszusetzenden Ordnung betrifft, so ist es für
die ersten vier Tropen leicht erkennbar und von Pappenheim nach
der von Sextos Pyrrh. I 38 gegebenen Anweisung richtig festgestellt
Torden. Es sind diess diejenigen Tropen die sich ausschliesslich
aof das Subject der Erkenn tniss beziehen und hierbei von einer
Teiteren Fassung desselben zu immer grösserer Einschränkung fort-
schreiten. Für die folgenden lässt uns Sex tos insofern im Stich als
die von ihm gegebene Eintheilung derselben in solche die sich auf
das Object und in andere die sich auf Subject und Object beziehen
die aberlieferte Ordnung der Tropen nicht rechtfertigen würde.
Sehen wir daher von ihm ab, so zeigt sich bei selbständiger Betrach-
tang, dass alle Tropen vom fünften bis neunten, diesen eingeschlossen,
irgendwie auch das Object des Erkennens in Rücksicht ziehen.
Dadurch ist wenigstens die Zusammenstellung gerade dieser Tropen
erklärt. Diese beiden Classen von Tropen, die subjectiven und
objectiven, sind nun durchweg solche, die sich gegen die Sinnes-
empfindungen richten, und unterscheiden sich in dieser Hinsicht beide
wesentlich von dem welcher es mit den sittlichen und wissenschaft-
lichen Vorstellungen zu thun hat und deshalb die letzte Stelle
einnimmt. Diese Ordnung ist keine vollkommene, da eine Durch-
führung derselben bis ins Einzelne fehlt und mir wenigstens es
unmöglich gewesen ist die Gründe zu finden weshalb in der Reihe
116 Die verschiedenen Formen des Skepticismus.
unwesentlich. Von grösserer Bedeutung ist die Abweichung,
welche hinsichtlich der Aufstellung von Tropen sich an den
der objectiven Tropen jeder einzelne gerade den ihm bestimmten
Platz erhalten hat. Aber eine vollkommene Ordnung zu erwarten
sind wir gar nicht berechtigt. Diess würden wir nur in dem Falle
sein wenn die Tropen auf apriorischem Wege gefunden worden wären.
Dafür spricht aber Nichts: vielmehr ist die Wahrscheinlichkeit dafOr
dass, wer die Tropen zuerst zusammenstellte, dabei ähnlich verfohr
wie Aristoteles bei der Aufstellung der Kategorien d. h. er vereinigte
in übersichtlicher Weise und erhob dadurch zu deutlicherem Bewasst-
sein was thatsächlich schon bei den Vorgängern zur Anwendung
gekommen war (der Versuch Pappenheims freilich, die pyrrhonischen
Tropen von den aristotelischen Kategorien abzuleiten, darf als ver-
fehlt bezeichnet werden). In dem einen wie in dem anderen Falle
hat diese empirische Methode zwar nicht jede Ordnung ausgeschlossen,
ihre Durchführung bis ins Einzelne aber unmöglich gemacht Wer
zuerst die bei Sex tos vorliegende Ordnung aufgebracht habe, wird
zwar nicht ausdrücklich überliefert. Wir können es aber vermuthen.
Denn Soxtos, indem er sich dogm. I 345 auf seine eigene Darstellung
zurückbezieht, bezeichnet die zehn Tropen als rovg naQu rtp Älvii-
oiöf'ifKp ötxa TQonovg, und dass er ausser der von ihm eingehaltenen
Ordnung noch eine andere gekannt habe wird durch seine Worte
XQojfxe&a 6h xy xa^ei ravxy d-exixwg wie mir scheint ausgeschlossen.
Danach hätte schon Ainesidem die Tropen in derselben Ordnung
gegeben wie Sextos. Hiermit vereinigt sich auch Diog. 87: lof
tvaiov *Paß(oQLVoq oydoov, ^^^xog öh xtd ÄivealSr^/Aog (vielleicht ist
hier einzufügen xbv n^fxniov) dtxaxov «AAa xed xbv öixarov Si^toi
oydoov (fTjai, 4*afi(jt}Qlvog öh tvaxov. Diese Stelle ist freilich verderbt.
Da aber die Verdcrbniss kaum in den Worten I^e^xog öh xal AlvBcl-
ÖT^fxog stecken kann, so kann man dieselben zur Bestätigung der
Meinung benutzen, dass in der Anordnung der Tropen Sextos mit
Ainesidem übereinstimmte. Nun ist es aber weiter wahrscheinlich,
dass Ainesidem überhaupt der Erste war der die Tropen in eine
gewisse Ordnung brachte: daher darf die bei Sextos erhaltene Ord-
nung, wenn sie wirklich diejenige Ainesidcms ist, als die älteste
gelten. Von dieser Ordnung ist man später in einzelnen Stücken
abgewichen. Eine ausdrückliche Nachricht darüber gibt Diog. 87.
Sie ist aber zu schlecht überliefert und zu fragmentarisch als dass
Entwickelung der pyrrhonischen Skepsis. 117
imen des Agrippa knüpft (Diog. IX 88, vgl. Soxt. Pyrrh.
164 ff.): das Wesen derselben setzt man gewöhnlich darein,
1 aus ihr erkennen Hesse ob diese Abweichungen dem Zufall ihren
prang verdanken oder in einer bestimmten Absicht herbeigeführt
tien sind. Um eine umfassende und sichere Grundlage zu haben
Jien wir uns nur an das halten was die Vergleichung der beiden
sttndig vorliegenden und nicht übereinstimmenden Tropenreihen
Diogenes und des Sextos ergibt. Zunächst in die Augen springt
Unterschied, dass der Tropos, der bei Sextos an letzter Stelle,
wie wir sahen mit gutem Grunde, steht, bei Diogenes an die
fte gerückt worden ist. Er hat also seinen Platz unmittelbar
b den das Subject des Erkennens berücksichtigenden Tropen ge-
len. Halten wir uns daran, dass seinen Gegenstand die sittlichen
wissenschaftlichen Vorstellungen, nicht die unmittelbaren Sinncs-
»findungen bilden, dass die in der Reihe vor und nach ihm stehen-
Tropen aber nur die letzteren berücksichtigen, so scheint ihm
Yon Diogenes angewiesene Platz nicht zu gebühren, vielmehr
tos Recht zu behalten der ihn ans Ende der Reihe gestellt hatte.
1 gestattet aber dieser selbe Tropos anch noch eine andere Auf-
ong. Die darin berücksichtigten Vorstellungen, die sittlichen und
lenschaftlichen , sind nämlich solche, deren Verschiedenheit nicht
einer Verschiedenheit der objectiven Verhältnisse sondern aus
(r solchen des urthcilendcn Subjects entspringt. Wer hierauf sah,
Dte mit Fug und Recht diesen Tropos zu den subjectiven rech-
. Aber nicht bloss diess sondern auch die besondere Stelle, die
nnter den subjectiven Tropen angewiesen wird, lässt sich recht-
igen und braucht nicht für ein Spiel des Zufalls angesehen zu
den. Das Princip, nach dem die vier vorausgehenden subjectiven
pen geordnet waren, bestand darin, dass in jedem folgenden Tro-
das Subject des Erkennens mehr eingeschränkt wurde. Zuerst
en es die Thiere überhaupt, dann der Mensch, hierauf dessen
«Ine Sinne und endlich auch diese nicht ihrem constanten Wir-
nach betrachtet sondern so wie es sich innerhalb gewisser zeit-
er durch die wechselnden Zustände des Menschen abgesteckter
ozen äussert. Trotz aller Einschränkung ist bis hierher doch
er nur von dem Menschen im Allgemeinen die Rede gewesen,
überall auf der Erde, bei jedem Volke und in jedem Staats-
lande, sich gleich bleibt. Nun kann aber das erkennende Subject
118 Die verschiedenen Formen des Skepticismus.
dass Agrippa an die Stelle der früher geltenden zehn Trope
auch der Mensch sein nicht insofern er Mensch sondern insofeni •
Theil eines einzelnen Volkes, Angehöriger eines bestimmten Staat
oder Mitglied eines Philosophenvereins ist, und es würden die hienu
entspringenden Verschiedenheiten dem einmal gewählten Princip v
folge den fünften Tropos bilden. Wenn also thatsäcblich bei JA
genes ein solcher Tropos — denn das ist der die sittlichen m
wissenschaftlichen Vorstellungen enthaltende — an fünfter Stel
steht, so ist diess allem Anschein nach nicht auf Zufall oder Wil
kür sondern auf bewusste Consequenz zurückzuführen. Der Unte
schied, der uns bei Vergleichung der Tropenordnungen des Seit
und Diogenes entgegentritt, beschränkt sich aber nicht auf diest
Punkt. Denn nachdem der letzte Tropos des Sextos von Diogen*
an fünfter Stelle eingeschoben war, wurde in den folgenden nid
wie man wohl erwarten könnte, dieselbe Ordnung eingehalten, sondei
diese in zwei Stücken abgeändert. Während bei Sextos zuerst d
Tropos folgt der die aus den verschiedenen Beziehungen des Banm
und Ortes sich ergebenden Verschiedenheiten behandelt und dan
sich derjenige anschliesst der es für unmöglich erklärt ein Obje
isolirt und ausserhalb seiner Vermischung mit anderen zu erfasse
haben bei Diogenes beide ihre Plätze mit einander vertauscht. An
hier liegt, glaube ich, der Grund der Aonderung zu Tage. Denn d
beiden bei Diogenes zunächst folgenden Tropen, der achte, der si
auf Quantität Qualität u. s. w. bezieht, und der neunte, der von d
Häufigkeit und Seltenheit hergenommen ist, sind solche die das 0
ject in seiner Isolirtheit angehen. Sie schliessen sich daher passe
an denjenigen an, der jetzt bei Diogenes der siebente ist und c
Raum- und Ortsverhältnisse zum Gegenstande bat. Unpassend kom
es dagegen scheinen zwischen diesen und die beiden jetzt auf i
folgenden den sechsten des Diogenes einzuschieben, der das Obj<
nicht als ein für sich existirendes sondern mit anderen verbandet
und vermischtes bebandelt. Abermals scheint so die Aendera
welche Diogenes mit der Ordnung des Soxtos vornimmt durch ei
bestimmte Absicht veranlasst worden zu sein, füne solche läast 8J
endlich noch darin vermuthen dass der auf die Relativität (nQoq
gegründete achte Tropos des Sextos bei Diogenes zum letzten |
worden ist. Dieser Tropos, der in sich Vorstellungen wie die d
Schweren und Leichten, des Grösseren und Kleineren befasst, erinn<
Entwickelung der pyrrhonischen Skepsis. 119
fiinf zum Theil davon verschiedene treten liess.') Dass
diese Auflfassung falsch ist, zeigt deutlich Sextos Pyrrh. I 177:
ToiovToi (lev xal ol JtaQti rolg vemrtQoig jiaQaöcöofievoc
xine TQOJtoi' ovg Ixrld-tvtai ovx ixßdXXomg rovg dixa
r^jcovg, dXX* vjiIq tov xoixiXcottQOV xal öca xovrcov Ovv
iadnrch, dass er das Object nicht isolirt sondern in seiner Beziehung
ni Anderen betrachtet, an den sechsten des Diogenes. Indessen ist
!r mit diesem keineswegs identisch. Denn während die von diesem
)erflck8ichtigte Verbindung in den Objecten selber beruht, kommt
Ue des letzten Tropos nur durch die urtheilende und vergleichende
Kitwirkung des Subjects zu Stande, weshalb er auch bei Diogenes
i «rra r^v nQoq a).Xa avfxßX^atv genannt wird. Er vereinigt also
n Bich ein subjectivcs und ein objectives Element, noch in anderer
^m» als dless schliesslich von allen Tropen gesagt werden kann,
^er hierauf merkte, und es liegt nicht so fern dass es nicht Jemand
«achten konnte, der musste für den einzig geeigneten Platz dieses
^pos den halten der nach Erledigung der rein subjectiven und der
ein objectiven Tropen am Schluss der Reihe noch frei war.
') Diese Auffassung finden wir bei den verschiedensten Gclehr-
en älterer und neuerer Zeit. Schon Tennemann Gesch. d. Phil. V
^ 98 sagt von Agrippa, dass er die zehn Gründe (d. i. ZwcifelsgrUnde
der skeptische Tropen) auf fünf zurückführte. Nach Ritter Gesch.
. Phil. lY S. 284 nahm Agrippa nur fünf Zweifelsgründe an. Keiner
öderen Ansicht scheint Brandis zu sein, wenn er Handb. Ill 2
208 von den Skeptikern nach Ainesidem sagt dass sie bestrebt
iwesen seien den Schematismus der Zweifclslehre zugleich zu ver-
nfachen und in Bezug auf die Arten der Bewährung und Beweis-
hrung zu ergänzen, und danach aus diesen späteren Skeptikern
dnentlich Agrippa heraushebt. Nach Ueberwog Grundriss S. 214^
fltand Agrippas Leistung darin dass er die zehn Tropen auf fünf
dacirte. Dasselbe sagt Zeller S. 37. Eben, darauf läuft hinaus
i Erörterung von Pappenheim Erläut. S. 63 f. Das Richtige hat
r Leander Haas gesehen, der De philos. scept. succ. S. 28, 2,
chdem er Sext. Pyrrh. I 177 angeführt hat. Folgendes bemerkt:
lare apparet non attingere mentem Scepticorum auctores recen-
res fere omnes, qui illos decem modos ad quinque esse redactos
tant.
120 1)^6 verschiedenen Formen des Skepticismus.
ixtlroig iXtyx^uf r^r xmv doygiarixiDV jtQOJcezeiar, Ueber
einstimmend hiermit sagt auch Diogenes nicht dass Agripp
an Stelle der zehn alten fünf neue Tropen sondern dass eo
die fünf ausser und zu den zehn eingeführt habe (88): xa
ovToi (ilv ol dtxa xQOJtor oi de jrepl ^AyQljtnav tovioi^
aXXovg jttvte JtQOöeiödyovöi. Freilich scheinen diese beiden
Zeugnisse durch den Inhalt der neuen Tropen widerlegt zu
>Yerden: denn wenn die Tropen Agrippas wirklich ausser und
neben den zehn älteren Geltung haben sollten, so scheint
diess für beide einen wesentlich verschiedenen Inhalt vo^
auszusetzen; von den fünf Tropen Agrippas aber scheint der
erste, von dem Streit der Meinungen hergenommene, mil
dem fünften bei Diogenes, dem letzten bei Sextos identisd
zu sein, und der auf die Relativität (jtQog zi) gegründet«
mit dem zehnten bei Diogenes, dem achten bei Sextos zu
sammenzufallen (Zeller 38, 1), ja es lässt sich dieser letzter
als eine Zusammenfassung der übrigen neun Ainesidems be
trachten (Pappenheim a. a, 0. S. 63): so scheint die Ansicb
gerechtfertigt, welche in den Tropen Agrippas eine Umbil
düng der älteren erblickt in der diese verwerthet und ui
einige neue vermehrt sind. Der Widerspruch, der hiernac
zu bestehen scheint zwischen dem thatsächlichen und dei
überlieferten Verhältniss der beiden Tropenreihen 2
einander, hebt sich indessen^ bei genauerer Betrachtuni
Denn obgleich die fünf Tropen zum Theil mit den zel
identisch sind, dieselben in sich aufgenommen haben, i
müssen sie darum doch nicht an die Stelle jener getretc
sein sondern können neben denselben sich behauptet habe
indem sie durch die neuen in ihnen enthaltenen Elemeni
geeignet wurden einen Zweck zu erfüllen, für den die alten
zehn in ihrer Isolirtheit nicht ausreichten, und so die
ergänzten. Es fragt sich, ob ein solcher Zweck sich aui
findig machen lässt. Vergleichen wir die nähere Ausfuhron
EntwickeluDg der pyrrhoaischen Skepsis. 121
der zehn Tropoji mit derjenigen der fünf, so springt ein
Unterschied sofort in die Augen, und dieser ist diiss, während
jeder der zehn Tropen das Enthalten vom Urtheil (ijtoxi])
überhaupt, die Skepsis also im Allgemeinen begründen will,
dio fünf den Zweifel zunächst nur in Beziehung auf ein ein-
zclaes der Forschung zu stellendes Problem erregen sollen.')
*) Die Erörterung des ersten der zehn Tropen schliesst bei
Sextos Pyrrh. I 61 ab mit den Worten: el ovv öicupoQoi ylvovxai al
<f<tvtaalai naga t^v twv ^cJcov i^aXXayiiv, aq iTrixQivai dfjirix^vov
^oxiv, in^x^tv dvdyxij neQl xwv ixtog vnoxsifxivwv. In derselben
Weise wird das Ergeboiss der folgenden Tropen bezeichnet. Hiermit
stimmt aberein Diogenes, wenn er nach Mittheilnog des zweiten
Tropos (81) bemerkt: ös^sv iipexthv, des dritten: dxokovB^el ovv fjiy
HälXov eivai xolov to (paivofxevov rj dk?.oiov, dos fünften (84): o&ev
W(>i zdXriB^avg rj inox^j» des siebenten (86): inet ovv ovx svi 6§«i
rhofv xal &iae(ov xavza xaxavofiaat, dyvoelxai ^ <pvaiq adxaiv, des
zehnten (88): dyvettaxa ovv xa ngog xi xa^^ kavxd. Was allen diesen
venchiedenen Ausdrucksweisen der Skepsis gemeinsam ist, das ist
der Zweifel nicht etwa an dieser oder jener einzelnen Vorstellung
sondern an einer ganzen Classe derselben welche durch den betref-
fenden Tropos zusammengefasst wird. Diese Eigenthtimlichkeit der
&n die zehn Tropen anknüpfenden Skepsis tritt erst dann recht her-
vor, wenn wir damit vergleichen was als Ergebniss von Agrippas
Tropen bezeichnet wird. Das Wesen des ersten derselben wird bei
Sextofi Pyrrh. I 165 folgendermaassen bestimmt: xal b fihv dnb xfjq
^fmvlaq ioxl xa&^ ov nsQi xov ngoxt^ivxoq TiQayfiaxoq dvenlxgixov
otuoiv nagd xs x^i ßl<p xal nagd xolq fpiXoaofpoiq tvQlaxofiev yeyevi]'
t^y^iv, 6i* r]v ov övvdfievoL algeiaO^al xi tj dnoöoxifxdl^fiv xaxahjyo-
ßfv flq inoxfiv. Auch dieser Tropos hat eine Epoche zur Folge,
^ber diese ist nicht wie die aus den zehn Tropen entspringende von
lunfi^sendcr eine ganze Yorstellungsclasse ergreifender Art sondern
^ieht sich, wie der Zusammenhang zeigt, nur auf einen einzelnen
^ Behandlung vorgelegten Gegenstand {TtgoxeS'hv ngäyfia), ein be-
stimmtes der Forschung gestecktes Problem. Ebenso verhält es sich
^it dem zweiten Tropos (166). Auch der dritte beschränkt seinen
Zweifel auf x6 vnoxelfievov (167). Ebenfalls nur einen einzelnen
Fall fasst der vierte ins Auge, wie man aus der ihm gewidmeten
122 I^ö verschiedenen Formen des Skepticismas.
Man kann denselben Unterschied auch so ausdrücken dass
man sagt: die zehn Tropen sollen uns nur überhaupt erst
auf den skeptischen Standpunkt erheben, die fünf anderen
aber sollen dazu helfen dass wir denselben auch weiterhin
in allen einzelnen Fällen zu behaupten vennögen. Für diesen
letzteren Zweck würden die Tropen Ainesidems nicht aus-
reichen. Dieselben beruhen durchweg auf dem Princip der
looöd^tt^ua d. h. sie fuhren aus dass jeder einzelnen Em-
pfindung und Vorstellung eine andere sie aufhebende ent-
gegengesetzt ist die den gleichen Anspruch auf Geltung hat
Die von ihnen angebahnte Skepsis kann also nur dann zum
Durchbruch kommen, wenn zu einer gegebenen Empfindung
und Vorstellung sich eine entgegengesetzte nachweisen lässt
Für alle einzelnen Fälle konnte auf diesem Woge nicht ge-
sorgt werden. Zwar die Sinnesempfindungen Hessen sich
leicht in gewisse Classen scheiden, und jede neu herYO^
tretende brauchte nur einer derselben eingeordnet zu werden
um ebenso gut wie die übrigen ausdrücklich im betreffenden
Tropos genannten der Skepsis zu verfallen. Mit der grossen
Erörterung (168) sieht: 6 de i^ vnofkeascog taxiv oxav dq uTieigov
exßalXofxevot ol Soyfiartxol ano rivog aQ^iovrai o ov xataaxsval^oV'
aiv dXV anlwg xa.} avanoöelxxwq xara avyywQriaiv kafißareiv a^iov-
aiv. Nur von einem bestimmten Gegenstand, der gerade erforscht
wird (ro t,ijTovfjievov TTQäy/na) ist auch aus Anlass des nächsten (des
StdV.fiXog) Tropos die Rede (169). Nicht anders verfährt Sextos in
dem ganzen folgenden Abschnitt der der weiteren Erläuterung der
fünf Tropen gewidmet ist. Und nicht bloss Sextos verfährt so, son-
dern, was uns nöthigt hier mehr als blossen Zufall zu sehen, auch
Diogenes. Denn nachdem derselbe die zehn Tropen sämmtlich in
eine allgemeine Skepsis hatte auslaufen lassen, beschränkt er di6
Wirksamkeit der fünf Tropen auf eine einzelne gerade der Forschung
gestellte Aufgabe. Es kehren in dieser Beziehung dieselben oder
doch ganz ähnliche Ausdrücke wieder, wie o av nQore^y l^ijx^fia (88)
und rö ^^tjtovfzfvoi' TtQccy/Lia (89).
Entwickelnng der pyrrhonischen Skepsis. 123
Qserer Vorstellungen ging diess nicht an. Wer war
ide z. B. alle künftig einmal auftauchenden wissen-
jhen Probleme vorauszusehen und wer die vielen
en Lösungen zu errathen, die man hierzu einmal
würde? Die bunte Fülle dieses Möglichen vorläufig
ir in Classen zu ordnen und so im voraus der Skepsis
3rwerfen war Niemand vermögend. Daher machen
ach Ainesidema Tropen gar keinen Versuch der Art
i beschränken sich auf die Anführung von Beispielen
; auf die Götter bezüglichen Problems und der Frage
rsprung und Ende aller Dinge.') Es konnte nun
lie Lösung eines Problems vorkommen das ausserhalb
»ses dieser Beispiele lag, zu der eine entgegengesetzte
g bisher noch nicht hervorgetreten war, und einer
gegenüber musste wer ausschliesslich auf die zehn
angewiesen war, wer keine Skepsis als die auf die
f£ia gegründete kannte, nothwendig rathlos sein. Die
'ropen sind eben der getreue Ausdruck der älteren
tischen Skepsis und richten sich daher wie diese
\i nur gegen die in der Geschichte der Wissenschaften
hervorgetretenen Ansichten, nicht gegen jede denk-
id mögliche; ja sie wollen eigentlich nur das empi-
ftus der Sinneserfahruug gezogene Wissen bestreiten.*)
Diog. lY 83. Dazu fttgt Sextos Pyrrh. I 151 noch einige mehr:
ytofiev rovg filv tv elvai atot/eiov anoipaheaBai rovq 6h
xal rovg fzsv Ovrjr^v rrjv tpi'xyv rovg Sh d^dvatov, xal xovq
voia dfc5v StoixstöB'ai tä xaB-* fjf^ccg rovg 6h dnQOvoijTtag.
So fasst sie auf Sextos Pyrrh. III 50 wo nach dem Dilemma
T^^ror iativ ^ vorjrhv folgendermaassen fortgefahren wird:
ala^xov iariv, dxataXrjntov ^ari Sta t^v öiatpoQoiv xüiv
rf xwv civd'QioTxvDV xol xötv ataB'TJOfcov xal xwv nfgioxdoeofv
« xäg inifii^lag xal xa Xoina x<5v nQoeiQtjfiivcDV rjfiTv iv xolg
')v öixa xQonatv. Auf die gleiche Auffassung führt auch
124 ^^6 verschiedenen Formen des Skepticismus.
Trotzdem konnten sie auch gegen jedes mögliche Wissen
verwandt werden, unter der Voraussetzung dass jedes Wissen
schliesslich auf die Sinneserfahrung zurückgeha^) Insofen
würden sie dann auch gegen die Lösung eines einzeben
Problems benutzt werden können, aber doch nur auf einem
ziemlichen Umwege. Das Bedürfniss nach einem unmittelbar
wirkenden Zweifelsgrund musste daher sich regen, und um
so stärker, als eine Skepsis, die erst einer dogmatischen
Voraussetzung — denn eine solche ist doch die Behauptung
dass alles Wissen auf die Sinneserfahrung gebaut ist — be-
durfte um zu gelten, keine reine war. Diesem Bedürfniss
kam Agrippa entgegen. Hatten Ainesidems Tropen nur die
in den Sinnen fliessende Erkenntnissquelle gestopft und
daher das Wissen nur insoweit berührt als es aus den
Sinnen geschöpft ist, so wollen diejenigen Agrippas den
Glauben an den Erfolg irgendwelcher Denkthätigkeit er-
schüttern und dadurch den Factor beseitigen, ohne dessen
Mitwirken kein Wissen, es stamme im Uebrigon von den
Sinnen oder nicht, bestehen kann. Mit anderen Worten,
dogm. I 345: xpsvSovzal ts iv nolkoig al alaS-fjOfig xal Siafpwvtwciv
dXki^Xatg, xaS-dneQ iSsl^ainev tovg naQcc xio AlvTjaiSi^fitp Sixa xQonov^
intovzeg. Diese Auffassung brauchte sich durch den auf den Wide^
streit der sittlichen und wissenschaftlichen Vorstellungen bezüglichen
Tropos (der fünfte bei Diog.. der letzte bei Sextos) nicht stören so
lassen, da dergleichen Yorstellungen als solche angesehen werden
konnten die aus der sinnlichen Erfahrung geschöpft waren.
^) Diese Yorausssetzung liegt bei Sext. Pyrrh. III 50 in den
Worten, die auf die in der vorigen Anmerkung citirten folgen: A(
vofjtov, fiTj diöofiivTiq wdxoQ-ev trjq xwv aiadijxtüv xaxak^tpewg, clg>* ^S
oQfJuofifvoL xoig vo^xoTg inißakkeiv doxovfiev, aidSh ^ xwv vofiX(5v <xv-
xoS-sv xaxdXrjtptg So&?joexai, Sioneg ovöh tj xov docußdxov. Dass ein
Denken ohne die Sinne nicht möglich sei, spricht derselbe Pyrrb.
I 99 aus: xwv ala^aewv fii} xaxaXafißavovawv xä ixxog, o^Sh t?
Stdvoia xavxa Svvaxai xaxakafißdveiv.
Entwickelung der pyrrhonischen Skepsis. 125
wahrend die zehn Tropen sich gegen einen bestimmten Inhalt
des Wissens richten, gehen die fiinf Agrippas auf die Form
and Methode. Wenn daher auch unter den fünf zum Theil
dieselben Tropen wiederkehren, so geschieht diess doch in
einem anderen Sinne und ist keine einfache Wiederholung.
Was zunächst den vom Streit der Meinungen hergenommenen
Tropos betrifft, so dient derselbe in der Reihe der zehn
Tropen dazu den Zweifel auch solchen Vorstellungen gegen-
über zu begründen, die über die unmittelbare Sinnesempfin-
dong hinausgehen; er richtet sich nicht gegen die Thätigkeit
der Sinne selber sondern gegen deren Nachwirkungen und
könnte deshalb auch als der Abschluss des von den übrigen
Tropen begonnenen und weiter geführten skeptischen Pro-
oesses bezeichnet werden, wie er denn auch nicht ohne Grund
bei Sextos an letzter Stelle zu stehen scheint (vgl. S. 115, 1).
Innerhalb der fünf Tropen dagegen wird demselben Tropos
eine ganz andere Bedeutung gegeben, wie sich schon darin
anaspricht dass er nicht den letzten sondern den ersten
Platz einnimmt. Ausserdem kommt er nicht in dem weiten
Sinne wie bei Ainesidem sondern nur mit Bezug auf eine
besondere Frage zur Verwendung, wenn wir der Darstellung
bei Sextos Pyrrh. I 170 Glauben schenken wollen. Hier
würde bei Beginn jeder Untersuchung, wo es doch gilt den
(gegenständ derselben festzustellen, es sich zunächst darum
bandeln zu bestimmen ob derselbe Object der Sinnes-
önpfindung oder des Denkens ist.*) Vermittelst des in Rede
stehenden Tropos zeigt sich aber dass eine Beantwortung
') Die betreffenden Worte lauten: ro ngore^kv ^toi aia^xov
^<fuv tj vot^tov, onolov 6^ av ^, 6taneipojvi]Tai' ol /äIv yuQ xa alo^vä
^ov(t (faolv flvcei «A//^//, oi öl fxova tä vorjta, ol dh tiva fihv alaS-T^tä
f'J'a (Jf vot^td. TtoTfQov ovv intXQtr^v sivai tp^aovai r^v dia<p(ovlav
'/ ttvfnlx(}tTov ; ei fihv dvsnlxQtzov, ^/ofiev ort Sei in^x^tv negl yccQ
^*^v dvfniXQtzwg ötatpußvovfitvoßv ovx oiov ti iaxiv dnoipalveaS^ai.
126 I^ie verschiedenen Formen des SkepticismuB.
dieser Frage nicht gegeben werden kann: denn gers
darüber ob es nur Objecto der Sinnesempfindung oder z
des Denkens gibt oder endlich die Objecto theils solche i
Sinnesempfindung theils des Denkens sind, besteht der h
tigste Streit. Dieser Tropos, weit entfernt wie in den ze'
Tropen des Sextos die Skepsis zu beschliessen, dient al
vielmehr dazu sie einzuleiten, indem er den Ausgangspuo
jeder Untersuchung als einen ganz unsichem hinstellt E
ähnlicher Unterschied, wie er eben in Bezug auf den v(
Streit der Meinungen hergenommenen Tropos hervorgetret
ist, lässt sich auch für den die Relativität (jtgog ti) i
Vorstellungen hervorhebenden ausfindig machen. Dass d(
selbe inhaltsgleich ist sei es mit dem gleichnamigen i
zehn Tropen oder mit der Gesammtheit dieser, kann namei
lieh, wenn man Sextos a. a. 0. 168 mit 135 ff. vergleic
nicht wohl geleugnet werden. Trotzdem findet auch h
wieder ein Unterschied statt: dass nämlich dadurch inn*
halb der zehn Tropen die Skepsis überhaupt, innerhalb (
fünf nur in Beziehung auf ein gegebenes einzelnes Probl
begründet werden soll; dass in jenem Falle der Tropos
dem Schlüsse führt „weil alle Vorstellungen relativ si
muss ich mich hinsichtlich aller meines Urtheils enthalte
in diesem dagegen folgert „weil alle Vorstellungen rela
sind so dass ich mich hinsichtlich ihrer des Urtheils e
halten muss, so gilt dasselbe auch von dieser besondei
Vorstellung**. Dieser charakteristische Unterschied tritt ^
nigstens noch bei Sextos 168 hervor:. 6 öe ajto rov xi
TL, xad-cog jtQO£iQi]xafi£r, tv cp JtQog fier x6 XQtvov xäi
cvvd-ecoQOVf/fiva rotor ?} toTov q)alv£Tcu t6 vjroxelfisv
ojtotov de toxi JiQog tr]V (pvotv ijttx^fisv,^) Auch (
^) Bei Diog. 89 freilich ist dieser Unterschied verwischt fi
lesen wir: o 61 ngoq rt ovötv ipfjoi scai^^ tavzö kafißdveoBixt, ei
Entwickelang der pyrrhonischen Skepsis. 127
Platz den dieser Tropos in der Erläuterung des Sextos ein-
nimmt (175 und 177) scheint nicht willkürlich oder zufällig
zu sein: denn dass dieser Tropos der letzte ist, kann damit
zusammenhängen, dass es gewissermaassen der letzte Trumpf
ist, der ausgespielt wird wenn die anderen Mittel der Skepsis
versagen; eine Vorstellung könnte wohl d. h. so begründet
sein dass keiner der in den vorher genannton Tropen be-
zeichneten Denkfehler begangen worden wäre, so bliebe doch
immer der Einwand übrig dass sie das betreflfende Object
nicht rein darstellt theils wegen der Vorstellungen anderer
Objecte die sich in sie eindrängen theils wegen der sub-
jectiven Zuthaten die sie enthält. So bewährt sich auch an
diesen beiden Tropen, trotzdem dass dieselben aus der Reihe
der zehn in die fünf herübergenommen sind, der eigenthüm-
liche Charakter der letzteren, vermöge dessen sie nicht die
Gütigkeit gewisser vorhandener, mehr oder minder genau
bezeichneter Vorstellungen bestreiten sondern jeder zukünf-
tigen auf ein dogmatisches Ergebniss hinarbeitenden Unter-
suchung von vorn herein den Boden entziehen wollen. Der
erste vom Meinungsstreit hergenommene greift, wie wir sahen,
den Ausgangspunkt jeder solchen Untersuchung an, die drei
mittleren {slg ajisigov IxßaXXoov, öidXhjko'g, vjioO^STLxog)
fassen das dabei zur Anwendung kommende Beweisvorfahren
ins Auge, der letzte endlich, der der Relativität, richtet sich
gegen das Endergebniss einer solchen Untersuchung.
Im Vergleich mit den älteren Tropen, die, indem sie
mit der laoöihh^eia operiren, eigentlich nur eine vorhandene
und bekannte Vorstellung mit der anderen schlagen und
Mf^' h^QOv. oS'fv äyvwaxa sivai. Auf diese Worte ist aber um
80 weniger zu geben als sie ihre Ungenauigkeit schon in der Be-
schränkung der Relativität auf das //f^' tTt()ov vcrrathen. Dasselbe
gilt gegen Sextos a. a. 0. 175.
128 I^ie verschiedenen Formen des Skepticismos.
somit auf der Empirie fassen, haben die fünf jüngeren di
durch dass sie nicht diese oder jene empirisch gegeben
Vorstellung oder Vorstellungsciasse anzweifeln sondern aa
die allgemeinen bei jeder Untersuchung wiederkehrende!
Formen achten, ein entschieden dialektisches Ansehen. Das
es gerade die jüngeren sind, an denen wir diesen dialek
tischen Charakter wahrnehmen, ist gewiss bemerkenswert!]
Es zeigt sich darin, dass die pyrrhonischo Skepsis sich dei
verschiedenen Zeiten anzubequemen wusste. Die Skepsis ifi
eben das Gegenbild des Dogmatismus: als der Dogmatismu
selber noch empirisch war, d. h. in den Zeiten der Natm
Philosophie, war auch die Skepsis empirisch; als er dan
aber wesentlich auf die Dialektik sich gründete, eignete auc
die Skepsis sich dieselbe an. Ein Irrthum würde es abc
sein zu glauben, Agrippa sei der Erste gewesen, der di
Dienste der Dialektik für die pyrrhonische Skepsis in Ai
Spruch nahm. In dieser Hinsicht könnte Jeden schon ein»
Besseren belehren was uns Sextos aus Ainesidems das Vo
handensein einer Ursache bestreitenden Erörterungen mi
theilt: denn das von Ainesidera hierbei angewandte Vorfahre
da es sich nicht auf Thatsachen der Empirie sondern a
Schwierigkeiten gründet die in den Begriflfen liegen, wi
eben dadurch als ein dialektisches charakterisirt.*) AI
Ainesidem hat nicht bloss des dialektischen Verfahrens si
bedient sondern auch schon den Vorsuch gemacht dassel
auf gewisse Tropen zurückzuführen. Das sind die a(
*) Sext. dogm. III 218 ff. Als Beispiel mögen folgende Wo
dienen: o ri d* av ^ xovxwv (sc. r^ auifin), ovShv Svvarat noti
rJTOi yaQ xaB-^ ^avtb fuvov hTiQov xi noitt // l-x^gip avveX^ov. di
pihov filv xaS-* hccvxo nXeiov ahxov xal xij(; olxslag tpvaBioq ovx
övvaixo xt notfiv ovveX&ov öh sxtQw xglxov odx av övvatro di
xsXeiv, o fjirj TiQotfQOV iv X(p e'ivai vntjQ/^fv. ovxs yaQ rA ev ytvia^
ovo övvaxov ioxtv ovzt r« Ji'o xqItov dnoxBXtt xxX.
Entwickelung der pyrrhonischen Skepsis. 129
Tropen, von denen Sextos Pyrrh. I 180 ff. ^) spricht und
auf die sich auch Photios c. 212 (170 M 7)«) bezieht. Die-
selben unterscheiden sich wesentlich von den zehn, und zwar
nicht nur deshalb weil sie statt auf die Erkenntniss und das
Wissen überhaupt sich auf ein einzelnes Gebiet der Forschung
das aitiologische beziehen sondern auch durch den eigen-
thümlichen Charakter, den sie innerhalb dieses beschränkten
Kreises an sich tragen. Denn nicht bloss gegen bestimmte
vorliegende Ergebnisse der Aitiologie richten sie sich und
heben dieselben dadurch auf dass sie auf entgegengesetzte,
welche dieselbe Geltung haben, hinweisen d. h. indem sie
') Kai Sh Alvjjaldfjfjiog dxxw XQonovq naQaSiöatai xad'^ ovg oi-
f^ai näaav 6oy/natixtjV alrioXoylav wg fiox^flQctv ^Xiy/^mv dnoipi^va-
ö^ffi (ov rcQÖixov fihv sival (pr^ai xaS-^ ov XQonov xö xtjg alxioXoylaq
yivoq iv dtpaviatv dvaarQB(p6fievov ovx bfioXoyovfxevrjv sxfi tiyv ix
rwv ipaivofiivcDV iitifiaQXVQriaiv, SevxfQov Sh xaS-* ov noXldxiq evsni-
foglaq ovotjg Satpilovq äaxe noXvxQonojg alxiokoyrjaai x6 ^T^xov/nevov,
^«d* iva fiovov XQonov xovxo rtveg alxtoXoyovaiv, xqIxov xa&^ ov
^^v xnayfikvutg yivofibvwv alxlag dnoöiöoaatv ovöefuav xd^iv im-
(fmoiaag, x^xagxov xa&' ov xa (paivofitva Xaßovxeg wg ylvexai, xal
^« iUiJ (paivofisya vofd^ovaiv wg ylvexai xaxeikTj(p^vai , xd^a fitv
oßolmg xolg tfatvofxivotg xwv d<pav(5v iTtixekovfxivwv, xd^cc d' ovx
ofiol(og dXX^ ISia^ovxwg' nifinxov xaS^^ ov ndvxeg wg enog slnsTv
xaxa xäg lölag xdtv axoixslmv ino^iasig «AA' ov xaxd xivag xoivag
*ffi ofiokoyov/jiivag i<p66ovg alxioXoyovaiv ?xxov xaS-^ ov noXkdxig
Ta pCiv tpwgaxa raig lölatg vnoS-^aeai TiaQakafxßdvovot, xd 61 dvxt-
^inxovxa xal xrjv tarjv exovxa mS-avoxfjxa naQand^novatv tßöofiov
xa^^ ov noX).dxig dnoöiöoaatv alxlag ov fiovov xolg <paivofiivoig d).ld
xol Talg lölaig vnoB-ioBat ptaxo/n^vag' oySoov xaS-^ ov noXXdxig ov-
^wj» anoQiov bfiolcjg xwv xe (f-alveaB-ai öoxovvxwv xal xdiv iml^rjxov-
H*^V(ov, ix xwv bfiolwg dnoQwv neQl xwv bfiolwg dnoQwv noiovvxai
^k Siöaaxaklag.
*) Pappenheim Erliiuter. S. 68 sagt zwar nur, es sei „wahr-
scheinlich", dass diese acht Tropen im fünften Buche der pyrrho-
nischen Schlüsse standen. Ich weiss aher nicht was uns berechtigt
irgendwie daran zu zweifeln.
Hirzel, Untersachnngen. ni. 9
130 I^ic verschiedenen Formen des Skepticismns.
das Princip des Gleichgewichts der Gründe (löoöO'ivBia^^
zur Anwendung bringen, sondern die Fehler die in der aitic» —
logischen Methode zu Tage treten heben sie hervor und
untergraben so das Fundament sowohl der bereits auf diesem
Gebiete gewonnenen wie aller in Zukunft noch zu gewiii.^
nenden Resultate. Um es kurz zu sagen, es findet zwischen
den zehn Tropen und den acht dasselbe Verhältniss statt
das wir eben zwischen jenen und den fünf Agrippas beob-
achtet haben. Beide sowohl die acht Ainesidems wie die
fünf Agrippas sollen den zehn Tropen zur Ergänzung dienen.
Die Vermuthung ist daher berechtigt, dass Agrippas Tropen
an die Stelle der acht Ainesidems treten sollten, und wird
durch Sextos bestätigt nach dessen Ansicht für den Zweck
zu dem die acht Tropen erfunden worden sind auch die
fünf ausreichen.*) So erscheint Ainesidem als der Vorläufer
Agrippas, indem er bereits dialektische Tropen, wie wir sie
der Kürze halber nennen können, einzuführen suchte. Was
aber Ainesidem nur innerhalb eines engeren Kreises der
Forschung unternahm, das ist von Agrippa auf das gesammte
Gebiet derselben ausgedehnt worden: insofern kann man
sagen, dass er erst die Dialektik, die bei Ainesidem zum
Theil noch ausserhalb des eigentlichen Pyrrhonismus stand,
vollkommen in denselben hereingezogen und eingebürgert hat
In dem Maasse als die Pyrrhoneer die Dialektik mehr
in ihren Bereich zogen, traten sie auch den Bkeptischen
Akademikern näher: denn es ist natürlich, dass sie sich die
Dialektik da holten wo sie dieselbe für ihren Zweck, die
Skepsis, schon zubereitet fanden. Für diese Annäherung
liefert einen Beweis das Endergebniss zu dem diese jüngere
*) A. a. 0. 185: ra^« <^* ^^ ^«^ oJ ntvre tQonoi xrjq inox^g
anagxovai nQog xaq aktoloylaq. 186: Xariv ovv xal öia tovratv
i?jyxsiv toatq tjJv rc5v Soy(xaxixwv tV talq ahio?,oylaiq ngonirfttcV'
Entwickelang der pyrrhoDischen Skepsis. 131
Skepsis der Pyrrhoneor gelangte. Nach Agrippa war, wie
wir sahen, der Zweck der fünf Tropen jede mögliche Unter-
suchung (^Tjöig) als eitel hinzustellen, und Sextos sucht,
wohl nach dem Vorgange Agrippas, noch besonders zu be-
weisen, dass sie auch im Stande seien diesen Zweck zu
erfüllen.^) Damit aber war dem Skepticismus eine Richtung
g^eben, die dem ursprünglichen Bestreben der Pyrrhoneer
geradewegs zuwiderlief: denn für die Pyrrhoneer war es im
Gegensatz zu den Akademikern, wie wir früher (S. 29, 1)
sahen, charakteristisch, dass sie nicht wie jene die Möglich-
keit jedes Wissens leugneten und eben deshalb auch das
weitere Forschen und Untersuchen nicht aufgeben wollten,
wie sie besonders durch den Namen der Untersuchenden
i^ritixol), den sie sich beilegten, deutlich verkündeten;
mit dieser Auffassung der Skepsis lassen sich Agrippas
Tropen nicht vereinigen, da sie die Ergebnisslosigkeit jeder
Untersuchung darzuthun versprechen. So schlug, wenn man
auf das Endergebniss ihres Zweifels sieht, die pyrrhonische
Skepsis jener Zeit in die akademische um. Historisch an-
gesehen ist diess vollkommen begreiflich: denn wir gewinnen
so auf skeptischer Seite ein Gegenbild zu dem Synkretismus
der damals aus den verschiedensten Richtungen des Dogma-
tismus eine unnatürliche Verbindung herstellte und sehen
auf ähnliche Weise, wie platonische aristotelische und stoische
Lehren zu einem Ganzen vereinigt wurden, auch die Grenzen
der akademischen und pyrrhonischen Skepsis sich vorwischen.
Wenn daher die Ueberlieferung hinsichtlich eines späteren
Skeptikers schwankt und ihn bald den Pyrrhoneem bald
den Akademikern zuzählt, so darf uns diess jetzt nicht mehr
Wunder nehmen. Nun wird aber der bekannte Skeptiker
*) Pyrrh. I 169: ort 6h nuv x6 ^rjrovjuevov flg tovtovg dvccyeiv
Tovg TQonovg ivSlx^Tat, Sta ßQayJ<ov v7io6el§ofiev ovTwg.
132 l^ie verschiedenen Formen des Skepticismas.
Phavorinos uns bald als Pyrrhoneer bald als Akademik©:»:'
vorgeführt. Als Akademiker erscheint er zu Anfang voxi
Galens Schrift jtEQi aQlcxrjq öidaöxaXlag^) und bei Gellio-S
XX 1. Leander Haas a. a. 0. hat hieraus geschlossen, dass
er kein Pyrrhoneer gewesen sei. Diesem Schlüsse stellt sich
aber entgegen Gellius X 5,5. Mit Beziehung auf die vorher
dargestellte Eigenthümlichkeit der pyrrhonischen Skepsis
wird hier Folgendes bemerkt: super qua re Favorinus quoque
subtilissime argutissimeque decem libros composuit; üv^Qm—
vslcop TQOJtcov inscribit. Sollte Phavoiinos an den pyrrho-
nischen Tropen, deren Erläuterung er ein besonderes so
umfangreiches Werk widmete, nur das Interesse eines Histo-
rikers genommen haben? Diese Annahme, zu der sich Haas
genöthigt sah, ist gewiss sehr unwahrscheinlich. Es spricht
aber ausserdem gegen sie auch Diog. IX 87. Denn da
Phavorinos hier als Einer genannt wird der die pyrrhonischen
Tropen in einer ihm eigenthümlichen Weise ordnete die sowohl
voll der des Sextos und Ainesidemos wie von der bei Diogenes
befolgten abwich, so nahm er sich eine Freiheit die man
nicht dem historischen Referenten gestattet sondern nur dem
der eine Lehre in eigenem Namen vorträgt und in dem
Maasse, als er bereit ist sie zu vertreten, auch berechtigt
sein muss an ihr zu ändern. Wir werden deshalb daran fest-
halten, dass Phavormos uns durch die Ueberlieferung auch als
Pyrrhoneer vorgeführt wird. Wie er freilich diese Verbin-
dung von Pyrrhonismus und akademischer Skepsis vor sich
selber und Anderen rechtfertigte, ob er jeden Unterschied
zwischen beiden Richtungen überhaupt leugnete oder ob er
ihn zwar anerkannte aber für unwichtig erklärte, vermögen
wir nicht zu entscheiden.*) Für unseren Zweck genügt es
') Die einzelnen Stellen s. bei Haas a. a. 0. S. 82 f.
') Dass es solche gab, die beide Richtungen der Skepsis fQr
Entwickelung der pyrrhonischen Skepsis. 133
«lie einfache Thatsache festgestellt zu haben, dass ein spä-
terer Skeptiker die beiden, früher neben einander bestehenden
Formen des Skepticismns in sich vereinigte: denn auf diese
Weise haben uns äussere Zeugnisse zu demselben Resultat
geführt, das wir schon aus der eigenthümlichen Natur dieser
späteren Skepsis erschlossen hatten. Zur Bestätigung dafür
im Agrippa und Phavorinos, insofern sie beide innerhalb
des Pyrrhonismus einer und derselben, der vermittelnden
Richtung folgten, durch ein besonders enges Band zusam-
mengehalten wurden, lässt sich noch etwas Anderes geltend
machen. In der Reihe der skeptischen Philosophen, die
Diogenes von Laerte (IX 115 f.) aufstellt, fehlt ausser dem
Namen des Phavorinos auch der des Agrippa. Das ist auf-
fallend, wenn wir bedenken, dass doch beide in dem früheren
Theile der Darstellung des Diogenes erwähnt worden sind,
und doppelt auffallend, wenn wir an die Bedeutung denken
die wenigstens dem letzteren in der Entwickelung der skep-
tischen Lehre zuzukommen scheint. Begründet könnte es
darin sein, dass Diogenes nur die Schulhäupter namhaft
machen wollte, Phavorinos und Agrippa aber dazu nicht
gehörten.*) Indessen ist eine solche Annahme nicht ohne
Bedenken. Dass Diogenes bei solchen Aufzählungen sich
sehicchthin identisch hielten, sieht man schon aus Gellias XI 5, 6:
Tetus autem quaestio et a multis scriptoribus Graecis tractata, an
qoid et quantum Pyrrhonios et Academicos philosophos intersit. Auf
eben solche bezieht sich Sextos Pyrrh. I 220: <paa} fxtvxoi xivlq ort
jj kxaSrjfiaixrj *fi).oao<fla ij arrij iart x^ axhpsi. Und obgleich der-
selbe im Allgemeinen für die Verschiedenheit der beiden Richtungen
der Skepsis eintritt, sieht er doch sich zu dem Geständniss genöthigt,
dass wenigstens die Skepsis des Arkesilaos mit der pyrrhonischen
fast zusammenfalle (a. a. 0. 232). — Auch Galen tieq! aglax. öidaax.
2 und 3 scheint Akademiker und Pyrrhoneer nicht wesentlich zu
onterscbeiden.
1) Diess ist die Ansicht von Zeller S. 7, 1.
134 I^ie verschiedenen Formen des Skepticismas.
nicht auf die Schulhäupter beschränkt, lehrt das Verzeichniss
der Epikureer (X 22 ff.) und beweist die Art wie Erantor,
der niemals der Akademie vorgestanden hat, doch in der
Reihe der akademischen Philosophen aufgeführt wird. Wich-
tiger ist die Beschaffenheit des Verzeichnisses der Pyrrho-
neer selber, die der Annahme dass wir es hier mit einer
Folge von Schulhäuptern zu thun haben, keineswegs günstig
ist. Wäre diess nämlich der Gesichtspunkt gewesen, unter
dem die Glieder der Reihe ausgewählt wurden, so durftöi
nach Antiochos nicht Menodotos und Theiodas neben einander
genannt und nicht nach diesen Herodotos an Menodotos
angeknüpft und Theiodas übersprungen worden:^) viehnehr
musste, wenn die Genannten nur als Schulhäupter in Betradit
kamen, an Antiochos Menodotos, an diesen Theiodas und
hiemach Herodotos angeschlossen werden. Dagegen ist eine
solche Art der Anführung vollkommen gerechtfertigt, wenn
die Absicht nicht so sehr war die Succossion in der Leitung
der Schule als diejenige in der Arbeit für die Wissenschaft
zu geben und auf den jedesmaligen Lehrer dessen bedeu-
tendste Schüler folgen zu lassen. Da«s diess der vorwaltende
Gesichtspunkt war, zeigt auch das zu Anfang der Reihe
stehende öiijxovöe^) das alles Folgende beherrscht bis es in
den Worten ^Hqoöoxov öh öii^xovae von Neuem aufgenonunen
wird; und eben daher erklärt sich, dass noch ein zweites
Mal, da wo die Nachfolger des Ptolemaios, nämlich Sarpedon
imd Herakleides, genannt werden, diese beiden in der Reihe
nicht nach sondern neben einander gestellt sind. Lnmerhin
ist in diesen Fällen die Ausrede, dass zwei denselben Lehrer
haben, darum aber doch in der Leitung der Schule einander
*) Ävxloxoq xovTov öh MTjvoöoTog b Nixofif]6€vg, lat^
ifXTiBiQixoq, xal ßsiwöäg Aaoducsvg' Mrjvoöorov 6h ^Uqoöozoq.
') Ed(pQdvoQog Sh Sujxovaev Evßovloq kle^avÖQsvq, oi IJxoli'
fialoq xxX.
EntwickeluDg der pyrrhonischen Skepsis. 135
folgen köiinon, nicht vollständig ausgeschlossen. Dagegen
^t diese Ausrede nicht für den früheren Theil des Ver-
»ichnisses, der die Nachfolger des Ptolemaios aus Kyrene
ügeben will und als solche Dioskurides, Nikolochos,
inphranor und Praylos nennt: hier ist offenbar dass nicht
1 erster Linie die Schulvorstände sondern die bedeutendsten
ertreter des Pyrrhonismus, in zeitlicher Abfolge und mit
leriicksichtigung ihres Schülerverhältnisses, aufgeführt werden
)Dten. In diesem Falle aber bleibt es nach wie vor auf-
Jlend dass ein so hervorragender Vertreter des Pyrrhonis-
118, wie wenigstens Agrippa auch nach Diogenes' Urtheil
nresen zu sein scheint, in dem Verzeichnisse gar nicht
■wähnt wird. Ich weiss dafür, wollen wir nicht den blinden
liall walten lassen, keine andere Erklärung als dass das
erzeichniss nur Pyrrhoneer einer bestimmten Richtimg an-
hren wollte, diese Richtung aber nicht die des Phavorinos
id Agrippa war.^) Nun wird auch bemerkenswerth, dass
r Pyrrhoneer Apellas, den Diogenes anderwärts (106)
ont, in dem Verzeichniss ebenfalls übergangen wird: denn
3 Vermuthung regt sich dass auch er zur Sekte Agrippas
borte und der Titel seiner Schrift „Agrippas" kaim die-
be nur bestätigen. Es ist ausserdem sehr denkbar dass
^) Diesen Gedanken hatte schon Haas S. 84 f. Wenn derselbe
»r das Verzeichniss für eines deijenigen Skeptiker hält, die zu-
Loh empirische Aerzte waren, so scheint er mir hierin zu weit
gehen. Denn diess würde zu der Annahme führen, dass diese
htong der medicinischen Wissenschaft mit dem Pyrrhonismus
liesslich zusammenfiel, eine Annahme die keineswegs richtig
und überdiess von Sextos (Pyrrh. I 236 ff.) noch besonders be-
tten wird. Wohl aber erklärt sich dass so viele Aerzte der
[»irischen Schule sich unter den von Diogenes genannten Pyrrho-
m finden, wenn dieser die Absicht hatte die Vertreter des alten
ten, vorwiegend auf die Empirie gegründeten Pyrrhonismus nam-
t zu machen.
136 ^'^^ verschiedenen Formen des Skepticismns.
die drei im Verzoichuiss des Diogenes Fehlenden keinen der
von ihm Genannten zum Lehrer hatten: in diesem FaJJe
würde weder für Agrippa noch für einen der anderen Beiden
ein Platz in der Reihe gewesen sein, wenn dieselbe nämlich
wirklich die allmähliche Fortpflanzung der Skepsis durch
Lehrer und Schüler darstellen sollte.*)
Agrippa und seine Anhänger erscheinen sonach als ein
Nebensprössling des echten Pyrrhonismus. Diess schliesst
natürlich einen Einfluss ihrerseits auf die Pyrrhoneer der
Hauptlinie nicht aus, und es braucht uns nicht Wunder zu
nehmen oder gegen die gezogenen Schlüsse misstrauisch zu
machen wenn wir spätere der in gerader Linie auf Ainesi-
dem zurückgehenden P3ri'rhoneer sich die Noueningen Agrip-
pas zu Nutze machen sehen. Dass diess der Fall war, sehen
wir an Sextos Empeirikos, den Diogenes als vorletzten in
der Reihe der Pyrrhoneer nennt und der den fünf Tropen
Agrippas nicht nur vor den acht Ainesidems den Vorzug zu
geben scheint (Pyrrh. I 185 f.) sondern, worauf schon Pappen-
heim hingewiesen hatte (Erläuter. 63), von denselben bei
Durchführung seiner eigenen Skepsis den ausgedehntesten
Gebrauch macht. Wie in späterer Zeit diese Abart des
Pyrrhonismus um sich griflf und herrschend wurde, können
wir ausser an Sextos auch an Diogenes oder richtiger an
^) Ich bemerke noch, dass in dem Yerzeicbniss des Diogenes
auch der Name des Theodosios fehlt. Und doch war seiner 70 ge-
dacht worden. Aber freilich nur um zu bemerken, dass man nach
der Ansicht dieses Skeptikers kein Recht habe von einer pyrrho-
nischen Skepsis zu sprechen oder Pyrrhon als den Stifter der skep-
tischen Schule zu bezeichnen. Es scheint daher dass auch dieser
Skeptiker sich ausserhalb des Kreises der gewöhnlichen Pyrrhoneer
stellte und deshalb von Diogenes übergangen worden ist. Was es
mit dem bei Diog. YII 32 ff. erwähnten Skeptiker Kassios fOr eine
Bewandniss hatte, ob derselbe, wie Haas S. 72 anzunehmen scheint,
zu den pyrrhonischcn Skeptikern gehörte, weiss ich nicht
£Dtwickelung der pyrrhoniscben Skepsis. 137
i beobachten, dem Diogenes seine Darstellung des Pyr-
lismus verdankt.^) Mau hat bisher, wie es scheint, die
rhoiieer insgemein für den Abschnitt in der Darstellung
Diogenes verantwortlich gemacht, der sich gegen die
lichkeit eines Beweises, Kriterions, Kennzeichens {öTjfittov^
ides, der Bewegung, des Lernens, Entstehens und das
in eines objectiv Guten oder Uebeln wendet (90 ff.),
scheint der Ansicht gewesen zu sein, dass, was dieser
hiütt enthält, im Wesentlichen ebenso auf Ainesidem
skgeht wie das Vorhergehende; denn wenigstens einen
l der hier zur Verhandlung kommenden Fragen hatte,
wir aus Photios c. 212 sehen, auch dieser Pyrrhoneer
ert. Und doch kann was wir bei Diogenes lesen ihn
; zum Urheber haben. Eine Andeutung darüber hat
Diogenes schon durch die Worte gegeben mit denen er
betreffenden Theil seiner Darstellung einleitet: driigotw
VToi xal Jtäöav ajtodu^iv xal XQit//Qiov xal öijfietov
ahiov xal xlvtjöiv xal (iddTjöiv xal ybveciv xal ro
i T£ dvaL dyaO^ov i] xaxov. Denn auf die Pyrrhoneer
haupt, von denen vorher die Rede war, kann sich ovxoi
) beziehen: in diesem Falle hätte es einer so bestimmten
ireisung nicht bedurft und wäre es genug gewesen das
jche dr(]QOVP zu setzen, die Ergänzung des Subjects
dem Leser zu überlassen. Das ovvoi, wenn es wirklich
Pyrrhoneer überhaupt bedeuten sollte, hätte nur ein
') Zeller III 2 S. 13 Anm. nachdem er die Vermuthung von
, der an Phavorinos dachte, mit Recht ahgcwicsen hat, schlägt
ninos vor. Für einen Theil und gerade den wichtigsten und
zunächst in Betracht kommenden würde man die von Diogenes
r (70) genannten Zxsnvixa xe(pakaia des Theodosios als Quelle
unen, wenn die Vermuthung von Nietzsche (Beitr. S. 11), der
tarnen dieses Skeptikers auch 79 in den Text setzen wollte,
mengend wäre.
138 I^ie verschiedenen Formen des SkepticiBinas.
Missvorstäuduifis bewirken kömien, da im nächst Vorh«
gehenden nicht von den PyiThoneem überhaupt sondern r
der besondem durch Agrippa eingeschlagenen Richtung i
Rede war. Auf diese wird man ovtoi zuerst beziehe
Wie aber wenn diess auch der Absicht des Diogenes en
spräche? Wenigstens konuuen in den Erörterungen des fira,
liehen Abschnittes die Tropen Agrippas zur Anwendun
Der 6c^ dXXtjXcDV zQOJcog tritt uns entgegen in folgend
Worten (91): IW re yvco/iev ort eöriv djtoöei^ig, xQtzriQii
dtt' xal ort söri xqitt/qiov, djcoötl^ecog öeV od-ev Ixotei
dxataXriJtra dvojce/unofieva Ijt^ aXhfXa, Schon vorher (9
fand sich der ins Unendliche führende Tropos: Jtäöa äx
dei^ig tj ^§ djto6e6ecyfi^V(DV Cvyxeirac ^Qt^iätcov tj i§ a
aJtoöeixTcov. d fiev ovv l^ djcodaÖBLyfiircov, xdxstva öei^öet
Tcvog djco6el§e(X)g xdvtev&ev dq ajtsiQOv; derselbe no
einmal 94. Den hypothetischen haben wir 91: svrjd'eig
Tovg doyfioTixovq djtiq>atvov' xo yag l^ vjiod-iöaiog jtBQi
vo/isvov ov öxttpecug dXXa ß-iöscog I^bl Xoyov Toiovrcp
Xoyo) xal vjibq ddwdxoov löriv IjilxbiqbZv. Hierzu konun
der vom Streit der Meinungen (diaq^^covla) hergenomm«
der 95 und 101, und der auf der Relativität {jtQog ri) \
ruhende, der 97 verwerthet wird. Auf Agrippa weist fen
die Skepsis, die aus der Frage, ob Etwas in die Sinne fi
oder ein Gedachtes ist, abgeleitet wird; denn imWesentlid
dasselbe finden wir in der Erläuterung wieder die Sex
von den fünf Tropen gibt.^) Endlich lässt sich was (
^) Zur bequemeren üebersicht stelle ich Beider Worte nel
einander:
Diog. 92. Sext. Pyrrh. I 170.
*0 nsQl xivoq Siaßsßaiov- Tb tcqots^bv ^roi alaS^irov ic
fxBvoq ala&rjTov 7} votitov ngo- rj vorjrov, bitoTov d' av y, 6iattB%
XBQOV otpBlkBi tag tibqI rov' vrjtai' 01 fihv yuQ tä ala&ijta /li
tov So^ag xaraoiilaai ' ol /äbv (paolv Blvai d).7jd^^, ol 6h /iova
flntwickelung der pyrrhonischen Skepsis.
139
betrifft auf die Diogenes den Zweifel gegen das
lensein einer Ursache (ahiov) stützt wenigstens so
;en dass dieselben nicht Ainesidemos gehören. Ganz
jhen trägt nämlich auch Soxtos vor,') bemerkt aber
K, Ol 6h tavxa dvy-
ÖBl 6^ ^ ÖL* aio&rj-
frov xQiO-fjvai. hxd-
dfjKptaßijTEitat, ov-
• övvatov TOd; nsQl
Ti vorjTüfV intxQivai
)h setze abermals die
Diog. 97 ff.
ov rtüv n(}6g rt taii'
) xb aixiaxov iöxi'
6g XL imvoHxai fxo-
gX^L ö* OV' xal xo
V inivooLX* av fio-
Ei7ie(i iaxlv al'xiov,
XBLV xb ov liysxai
lel ovx taxai aiXLOv.
Q b naxi'iQ, fitj naQ-
TiQvg o liyexai na-
av Hri naxfJQ, ov-
xb aixiov ov ncLQ-
ngbq o voslxai xb
he yag yiveaiq ovxs
jx a?./,o XL' 0V3C ag
ov. xal firjv et taxLV
xoL awfxa aiofxaxoq
ov rj dawfxaxov dan)-
docifjiaxov aiofjunoq
iaejfjidxov)' ovShv 6h
rvx «(>* ^axlv ahtov.
V ovv öwfiaxog ovx
'xiov, intlnsQ dfitpo-
votjxd, ol 6h xivi fihv alaS^xa xtva
6h vorjxd. noxeQOv ovv inLXQLxrjv eivai
(pijaovai x^v 6ia<p(ovLav fj dvenlxQi'
xov; ei fjihv dvenixQixov, ixopLBv dxi
6tl insxsiv nsQl yuQ xdiv dvemxQl-
xvjq 6ia<pü)vovf4ivüßv ovx ^'^^'^ ^^ iaxtv
dnoipalvsad^ai. (Vgl. auch 175.)
betreffenden Abschnitte neben ein-
Sext. dogm. III 207 ff.
Tb aixtov xiov ngoq xi iaxlv xl-
vbg yaQ iaxiv ulxlov xal xivL
xa 6h ngoq xi ixcLVOtlxai fiovov, dkk*
ovx vnaQx^t ' ^«^ ^^ aixiov
dga inivorj&tjaexaL fjiovov, ovx vndg-
^ei 6L eineg xe aiXLov iaxLV, otpsl-
XsL %x^^^ ^^ ^ Xeyexai aiXLOv, ijtsl
ovx saxai aixtov, dXk^ ov xgonov xb
6e^ibv fJLii nagovxoq xov ngbg o li-
ysxai ÖB^ibv ovx eaxiv, ovxvj xal xb
aixiov /Jitj nagovxog xov ngbg o vo-
sTxai oix taxai amov. dlld firjv ovx
8x^1 xb aixiov oi) eaxiv aixiov, 6ia
xb f^tjxe ytvsöiv fJLiixe tpS-ogav (it\xs
xoivQtg xivtjoiv vTtdgx^^^ • ^vx
dga taxiv aixiov. xal fxt^v el Saxiv
aixiov, ilxoi aoffia aeifiaxog iaxiv ai-
xiov fj doiofiaxov daiü/jidxov tj aiSfia
daiofiaxov rj dawßorov awfjiaxog' ovxs
6h aistfia aatfiaxog, wg nagaax^aofiev,
ovxs daiüfjiaxov doütfidxov ovxs awfia
dawfxdxov ovxs ivaXXd^ daw^axov
aiüfjiaxog. odx aga iaxiv atxiov, —
140
Die verschiedenen Formen des Skepticismus.
unmittelbar darauf Pyrrh. I 218 Folgendes: d^eXtöreQOv (ilp
ovp ovrco TU^lg JiaQafiv&ovrrai xa rov IxxBtuivov Xijov
Xrififiara' 6 de AIt^r]Olöf](iog öiagiogmreQov Ijt' aitmv lx(^(to
xaTq jt^Qi rfjg yertöecog ajroglaig. Wer die rireg sind,
lernen wir jetzt durch Diogenes. Dass Sextos Agrippa nicht
»_«
aaifia fihv ovv avjfiataqov»
av tifi noxb ainov, ineinsQ dfiipou^
tfjv avT^v exBi <pvaiv' xal ei xo hf-
Qov aitiov liyerai naQoaov iavl oä-
fjia, navTwq xal xo koinbv awgia x«^
eoxütq aixiov ysvi^asxai, xoivwq Ü^
d/jLifOxiQüfv alxlvjv ovxoiv ov6h ku
xo nda/^ov, firjSf-vbg 6h Traa/orro?
ov66 xo noiovv yevijaetm. fl aga
a(t}fjia awfiaxog iaxiv aixiov, ovih
iaxiv aixiov. xal firjv ovöh dawfutxof
dawfidxov X^yoix^ av eivai noitixtxh
6ia xf)v avxr^v aixlav el yag xtl
kein trat ovv tj adifia dawfidxov U-
yeiv aixiov t} dvdnahv daiofwxof
aiü/jiaxog. oneQ ndhv x(5v d6wdxiai9'
xo xe yaQ noiovv ^lyelv oipelket ti;
naayovariq i'hjg, Vv« noi^ay, ^ w
ndaxovaa vkij B-ix^^rjvai SipslXei, "w
ndS^^, xo dh daiofxaxov ovxe d/yf&
ovxe d-ix^fjvcci nhfpvxev. xofvw oW^
aajfjia daiofjidxov rj dawfjiccxov üofUi-
xoq iaxiv aixiov. <p l'nexat xo fifi^*
vnaQx^^'^ fttxiov.
Dass die dem Text des Diogenes in Parenthese hinzugefügten Worte
zu ergänzen sind, ergibt sich thcils aus der Yergleichuug von Sextos
theils aus der bei Diogenes folgenden Erörterung. Die letztere lith
zugleich eine andere Ordnung der Worte als wir bei Sextos finden
an und diese Umstellung wird noch besonders wahrscheinlich da-
durch dass sie den Ursprung der Yerderbniss erklärt, die aus dem
Uebergleiten des Auges vom ersten daiofxdxov auf das zweite ent-
stand.
xeQa xtiv avxtjv exet tpvaiv.
xal et xo l'xeQOv aixiov Xiye-
xai nag^ oaov iaxl aio/jia, xal
xo XotnoVf awfia ov, ahiov
yevriaexai. xoivwg 6^ dfifpoxe-
Qütv alxliüv ovxwv, ovöhv eaxai
xo ndaxov. dawfiaxov d* dau)-
fidxov ovx av e^itj aixiov 6ia tbv
avxbv loyov dadfiaxov 6e
awfiaxog ovx eaxiv aixiov, inel
oMhv daiofiaxov noiel aiSfia'
awfia 6* dawfidxov ovx av e^fj
aixiov, dxi xo yevofAevov xfjq
naaxovatjg vkr^g otpelXei eivar
fxrjSev 6h ndayov 6ia xo daio-
fiaxov e'lvai ov6^ av vno xi-
vog yivoixo' ovx taxi xolvvv
al'xiov.
Entwickelung der pyrrhonischon Skepsis. 141
mit Namen nennt, braucht keinen Anstoss zu geben, da er
diess auch anderwärts nicht thut und insbesondere die fünf
Tropen nur allgemein auf jüngere Skeptiker (vemregoi
Oxsxnxol) zurückfuhrt.
So viel ist durch das Bisherige wahrscheinlich geworden
lass die späteren auf Ainesidem in gerader Linie zurück-
;ehenden Pyrrhoneer sich auch die Nebenrichtung Agrippas
m Nutze machten und dadurch in demselben Maasse wie
lieser der akademischen Skepsis näher traten. Eine Bestä-
igung dieser Ansicht liegt darin dass Sextos es nicht ver-
chmäht hat die Argumente des Kameades wie sie ihm die
Icbrifken des Kleitomachos darboten für seine Zwecke zu
erwerthen.*) Es würde indessen ein Irrthum sein, wollte
oan diese Befreundung des Pyrrhonismus mit der Akademie
«rat in die letzten Zeiten desselben, lange nach Ainesidem,
etzen. Vielmehr hat den Anfang dazu schon Ainesidem
;emacht, und zwar nicht bloss insofern als bei ihm bereits
ne wir sahen das dialektische Element hervortritt. Unmit-
elbar berührt er sich mit der Akademie durch die Art und
^eise wie er bei Sextos dogm. III 218 ff. das Vorhanden-
ßin einer Ursache (ahiov) bestreitet. Eigenthümlich ist
öiner Skepsis hierbei, dass er mit Rücksicht auf den wesent-
ichen Zusammenhang, der eine Ursache ohne ein daran sich
nschliessendcs Entstehen {yiveciq) undenkbar macht, die
rage nach der Möglichkeit des letzteren aufwirft und indem
r zu einer verneinenden Antwort kommt auch den Gedanken
n das Vorhandensein jener beseitigt zu haben glaubt. In der
^clifdhrung der Skepsis geht er zuerst auf die Frage ein,
b aus einem Körper ein anderer Körper entstehen könne.
i ist ein doppelter P'all denkbar: entweder der Körper
»leibt für sich allein oder er verbindet sich mit einem an-
^) Vgl. dazu den Excurs 1 am Ende.
142 ^^6 yerschiedenen Formen des Skepticismiis.
deren. Ist der Körper für sich allein and wollten wir an
nehmen, es könnte ein anderer ans ihm entstehen, ans einen
also zweie werden, so würde diess zu der Folgerung fuhren
dass aus einem unendlich viele werden können, was absmc
ist. Dieselbe Folgerung ergibt sich aber auch unter da
Voraussetzung dass zwei Körper durch ihre Verbindung einer
dritten neuen herrorbringen: denn dieser dritte würde rid
wieder mit den beiden anderen verbinden um einen viertel
hervorzubringen, und so abermals ein Fortschritt ins ünend-
liehe stattfinden. Mit denselben Gründen wird die Möglidt
keit eines Entstehens widerlegt insofern es sich räf uukfr
perliche Dinge bezieht: wozu als besonderer noch komm
dass etwas Unkörperlich^s keines Wirkens und Leidens fihi]
ist. Es bleibt noch die Frage zu beantworten ob ein Eni
stehen etwa denkbar ist als Hervorgehen sei es eines Korper
aus einem Unkörperlichen oder eines Unkörperlichen an
einem Körper. Hier hilft eine Vergleichung aus: denn an
einer Platane könne kein Pferd und aus einem Pferde kci
Mensch, überhaupt also nicht Ungleichartiges aus einande
entstehen. Der Beweis ruht näher betrachtet auf der Vm
aussetzung, dass kein Ding aus einem anderen entstehe
könne ohne schon vorher in ihm enthalten zu sein.*) D«
ist aber auch der Grundgedanke der die vorausgehend
Argumentation durchzieht und deshalb zu Beginn derselbe
nachdrucksvoll ausgesprochen wird.*) Ich hebe diess deshal
besonders hervor, weil wir den gleichen Gedanken bei Plato
') 224: ovTw^ 6s ovde t6 l%'aX).a^, rovxloxi awfia daatfiorav
datofiavov awfiaxoq. x6 tb yccQ acjfia ovx fyji iv ervrai r^v xcv «w
fidxov (fvatVt x6 xs daatfiaxov ovx hfxneQifiyj xr^v xov awfiaxog fi(ff^
öioneQ ovöixBQOv i^ ovöextQov avaxr^vat Svvaxov iaxtv xxX.
*) 220: dV,ä fxivov fxlv xaS^^ kavxo n).Biov avxov xal x^g olxik
fpvaewq ovx av övvaixo xi Ttoietv avr'ekS^öi' 6h ^xtQtp xqIxov ovx ff^
6{vouxo dnoxeXelv/ o fit^ TiQiWsQOv iv xt5 slvai vn^^ev.
Entwickelong der pyrrhonischen Skepsis. 143
anfcreflFen. In dem Bericht, den Sokrates im Phaidon über
die Entwickelung gibt die ihn schliesslich zur Annahme von
Heen führte, spricht er davon (p. 96 E f.) dass ihm früher
inbegreiflich war wie eine Zweiheit entstehen könne: denn
reder vermochte er sich zu denken wie Eines sich in Zwei
erwandeln noch wie das Hinzufügen des Einen zum Andern
twas Neues, die Zwei, hervorbringen kann.^) Gegenüber
ieser wesentlichen üebereinstimmung des Gedankens fallen
ie kleinen Unterschiede, die man bei schärferer Betrachtung
emerkt, nicht ins Gewicht Sie müssen um so mehr ohne
■edentnng bleiben als nicht bloss der Hauptgedanke derselbe
it sondern auch der Zweck zu dem er ausgesprochen wird,
isofem es bei Piaton sowohl als bei Ainesidemos sich darum
andelt das Vorhandensein einer Ursache zu bestreiten,
un kommt freilich der platonische Sokrates im Verlauf der
förterung dazu das was man sonst als Ursache gelten Hess,
Bm er aber das Recht dazu abstreitet, durch die Ideen zu
rsetzen (p. 100 B ff.). Es ist aber klar dass dieselben nur
M Surrogat einer solchen und keineswegs Ursachen im
)llen und namentlich nicht im gewöhnlichen Sinne des
Portes sind. Skeptiker konnten daher wohl in diesem
mzen Abschnitt etwas vom Geiste ihrer Schule finden und
lussten geneigt werden diese partielle platonische in ihre
gene Skepsis herüber zu nehmen. Da gerade Ainesidem
') Ho^^q} Tiov, sfptj, V7j J/' ißh slvai (sc. SoxsT fxoi) xov oTsaS'ai
f^ xovTüßv Tov rr/v ahlav döhai, öq ye oit^x dnoSixOfiai ifjtavrov ov6h
?, ^Tifiduv hvl Ttg TtQoaS-^ ^V, ^ tb ?v (f n^oasr^^ ovo y^yovev, ^
» Tc^ars^hv xal w ngooeteO-T] öia rrjv nQoaB-saiv xov hxtQov xtS kxigtp
'0 iyhexo- S^avfjux^ot yaQ, ei, oxe fihv kxdxcQOv avxwv x^Q^^ dXXij-
ov rjv, l^v ccq' kxdxfQov tjv xal odx rjaxrjv x6x€ ovo, inel 6* inXTj-
'ö<yav dX}jj).otq, avxrj cIqu alxla avxoTq iyivexo övolv yerlad-m, ^
«•0(fo^ xov n).rialov dXlrfXwv xb^ijvai. Selbst in der Wahl des
Portes ^vvo6o<; trifft Piaton mit Sextos (222) zusammen.
144 I^ic verschiedenen Formen des Skepticismos.
zu diesen Skeptikern gehört zu haben scheint, so darf i
folgende Vermuthung hören lassen. Piaton ist bekanntlich
seiner AuflFassung der Sinnenwelt als einer Welt des Ward
durch Heraklit geführt worden; ja wir dürfen noch id
sagen, dass auch die Ableitung alles Werdens von Ge{
Sätzen ein Heraklit gehörender Gedanke ist. Gerade di(
wird aber im Phaidon ausgeführt. Ist man so einmal h
kli tischen Einflüssen auf der Spur, dann liegt auch
Annahme nicht zu fern, dass die mit der Lehre vom Wer
so eng zusammenhängende Antwort, welche auf die Fi
nach der Ursache gegeben wird, zum Theil von Hera
herrührt. Zu einer sicheren Entscheidung können wir ]
nicht gelangen. Ich will nur auf zwei Punkte hinwei
Wenn Heraklit alles Werden an Gegensätze knüpfte,
konnte er doch nicht, wenigstens streng genommen ni
den einen Gegensatz als die Ursache des andern bezeichi
ein Gegensatz sollte nach seiner Ansicht nicht den and
aus sich hervorbringen, beide sind vielmehr nur BestimmuD
eines und desselben im Grunde sich gleich bleiben
Wesens das nur in Gegensätzen auseinander tritt und
diese Weise das Werden ermöglicht. Insofern daher
Name einer Ursache nur demjenigen zukommt, das et
Anderes, von sich Verschiedenes hervorzubringen ven
konnte Heraklit eine solche überhaupt nicht anerken
Diess ist der eine Punkt auf den ich hinweisen wollte,
Heraklit durch die Consequenz seiner Weltanschauung, ?f
er dieselbe wirklich zog, zu einem Gegner aller Aitiol
machen musste. Der andere ist, dass er in einem einzel
besonders wichtigen Falle sich thatsächlich als solchen
kannt hat. Denn auf die Frage nach der letzten i
höchsten Ursache, die die Welt geschaflfen hat, gab er 1
Clem. Alex. Strom. V 14 p. 711 f. Pott, folgende Antwi
xoöfiov Tor avTov ajrdvTOJV ovTt rtq d-eöjv ovre dv&Qch
Entwickelung der pyrrhonischen Skepsis. 145
holTjöBv, «JU* Tjv del xal Icxiv xal eorai jcvq asl^toop,
hxtonivov fiizQa xal djtooßervvfievor (ittga,^) Die Mög-
lichkeit wird man daher zugeben müssen, dass Ainesidem
*) Es ist anbegreiflich wie man den Sinn der Worte ovte ui;
käv oSt€ dv^Qionoiv enoirjaev hat verfehlen können. Die Schuld
daran trägt Schuster Heraklit S. 128 Anm., der die Frage stellte, wer
ao geistreich gewesen sei die Welt yon einem der Menschen ge-
macht sein zu lassen. Zwei Antworten sind hierauf eingegangen,
die eine Ton Peipers Untersuchungen über das System Piatons I 671,
dahin lautend dass es die griechische Volksmythologie gewesen sei
da sie die Götter menschenähnlich gebildet habe. Die andere von
Teichmüller Neue Stud. I 86, der durch diese Worte Heraklits an
die orientalische Fürstenverehrung erinnert wird. Das Richtige, ge-
win nicht zuerst, hatte ich schon aus Anlass einer Recension des
Peipersschen Buches in der Jenaer Literaturzeitung 1875 No. 26
S. ilQh bemerkt. Seitdem hat Zeller in der vierten Auflage seines
Werkes a. a. 0. sich in demselben Sinn entschieden, dass nämlich
durch die Verbindung von Göttern und Menschen die Gesammtheit
aller Wesen bezeichnet werden soll. Ich komme nur deshalb noch
einmal auf diesen Punkt zurück weil Zeller es unterlassen hat wei-
tere Belege für diesen Sprachgebrauch zu geben und ich einer Wie-
derholung des Miss Verständnisses vorbeugen möchte. Ich verweise
deshalb auf Homer II. 2, 1. 13, 631 f. 19, 95 f. Xenophanes fragm. I
Mollach. Aristophanes Frieden 1186. Frösche 486. Plut. 421. Piaton
Phaidr. p. 241 C. Sympos. 214 D ^denn äXXov zieht man am liebsten
aach zu ^ebv oder richtiger auf das durch S^edv und avS-QvjTiov
bezeichnete Ganze). Es gehört dieser Sprachgebrauch einem grösse-
ren Kreise an, dessen Wesen schon Lobeck Phryn. S. 754 Anm. rich-
% mit folgenden Worten bezeichnet hatte: bis formulis eits naQwv
f<rf anwv, 5o>v xal &av(6v, ^wvteq xal vexQo/, crebra consuetudine
taotum de sua potestate detritum est, ut postrcmo ctiam tunc usur-
pentür, ubi mortui aut absentes nulli intelligi possunt. Vgl. auch
Wahlen Berliner Progr. 1879 S. 4. — Die besprochenen Worte Hera-
^iU lassen sich vielleicht auch zur Emendation einer Stelle des
Sextos verwenden oder können uns doch wenigstens erinnern wie zu
(mendiren sei. Wir lesen zu Anfang der auf Ainesidem zurück-
gehenden Erörterung über das Entstehen und die Ursache (219) Fol-
gendes: to awfia tov aatfiaxoq onjx av eirj aittov, ijiElneQ ij dyiv^Tov
Hirsel, Untergachangen. IH. 10
146 Die Terscbiedenen Formen des Skepticismos.
auch da, wo er gegen die Annahme einer Ursache und einei
Entstehens eiferte, sich mit Heraklit im Eünverständnisi
wusste. Zunächst ist uns indessen nur der Anschluss ai
platonische Erörterungen wahrscheinlich geworden. Die Spnr
die hierauf führte, mag immerhin noch nicht vollkommei
deutlich sein, so darf sie doch schon deshalb nicht auase
Acht gelassen werden weil sie in ihrem Ergebniss mit de
Ueberlieferung zusammentrifft, die wir uns aus Photio
cod. 212 über Ainesidems Verhältniss zur Akademie ent
nehmen können. Denn wenn dort davon die Rede ist, das
Ainesidem seine Schrift einem Schulgenossen aus der Aka
demie, dem Lucius Tubero, gewidmet {jtQ06q>€ovmv avxot
[rovq Ilv^^copelovg Xoyovg] rcov ig ^Axadtj^laq xtvl öwat
QBöicoTi] Asvxlcp Toßt-Q(Dvi), SO uöthigt uns diess ihn eben
falls den Akademikern zuzurechnen. Daran, dass er Sckul
genösse nur in dem Sinne heisse als er auch Skeptiker wai
kann nicht gedacht werden, da im Folgenden gerade de
Unterschied der beiden skeptischen Richtungen betont win
Dieses Folgende schliesst aber auch den Gedanken aus ode
macht ihn doch sehr unwahrscheinlich dass Ainesidem damal
noch als Akademiker habe gelten wollen. Das weitai
Wahrscheinlichste bleibt hiernach, dass Ainesidem seil
Schrift dem Tubero als einem früheren Genossen in d<
Akademie gewidmet und dadurch versucht habe den Tubei
sich nach, aus der Akademie heraus und in den Pyrrhonii
mus herüber zu ziehen.^) Von dieser Lehrzeit in der Ab
ioTt xb TOtovTov adifxa xaS-dji&Q y xaz* ^EnlxovQov ätofiog, ?/ yBvrjtt
wq ^&og. Was Fabricius für das letzte Wort vorschlug, ^^vo<;, wii
Niemand befriedigen. Dagegen entspricht ävS-Qwnog allen Anford
rangen des Gedankens, und auch graphisch betrachtet erscheint eii
Verstümmelung desselben zu dem was die ueberlieferung bietet nid
als unmöglich.
') Als ein Zeugniss dafür, dass Ainesidem selber früher d«
Entwickelang der pyrrhonischen Skepsis. 147
demie lässt sich nun ableiten was uns bei Ainesidem theils
an die akademische Dialektik überhaupt theils insbesondere
an Piaton erinnerte. —
Blicken wir noch einmal auf die geführten Untersuchun-
gen zurück und suchen zusammenzufassen was sich daraus
für die Entwickelung des Pyrrhonismus ergibt. Während
Timon wenigstens noch eine Wahrheit anerkannte, die von
Pyrrhon verkündete Lehre, und diese zum Maassstab nahm,
nadi dem er die Geltung der unser Handeln bestimmenden
Vorstellungen (IpöaXfiol) beurtheilte, haben die Späteren
diesen Rest des Dogmatismus weggeräumt Alle Vorstellungen
sind nach ihnen nur subjectiver Natur, wir haben kein Recht
ihren Inhalt irgendwie auch in der Ausscnwelt vorauszusetzen,
und es besteht deshalb auch keinerlei objective Verbindlich-
keit, durch die Andere genöthigt werden könnten sich den-
selben Vorstellungen wie wir zu unterwerfen. Derselben
Ansicht war auch Ainesidem. Trotzdem wollte er nicht
unsere Vorstellungen vollständig frei geben, sondern hielt es,
jedenfalls um der Glückseligkeit willen, für zuträglich solche
Vorstellungen zu haben die mit denen der anderen Menschen
übereinstimmen und als allgemein geltende ein Surrogat der
Wahrheit sein können. Derartige Vorstellungen erkannte
er sogar innerhalb der Naturphilosophie an und zog dadurch
aoch der reinen Theorie, nicht bloss der auf die Praxis be-
züglichen, gewisse Schranken. Diese Schranken mussten um
so mehr als dogmatische, die natürliche und rechtmässige
Freiheit der Skepsis hemmende erscheinen, als der Pyrrho-
nismus dadurch der heraklitischen d. i. einer sonst als dog-
matisch anerkannten Weltanschauung ähnlich werden, ja mit
ihr zusammenfallen sollte. Wenn daher die auf Ainesidem
Akademie angehört habe, l&sst die Worte des Photios auch Zeller
Öl 2 S. 16, 2 gelten.
10*
148 l^ie yerschiedenen Formen des Skeptidsmos.
folgenden Pyrrhoneer dieselben wieder beseitigten, so ist
diess vollkommen begreiflich. Um so treuer haben sie einen
anderen von ihm gegebenen Hinweis befolgt mid sind den
Weg zur Akademie, auf dem er nur die ersten Schritte
gethan hatte, weiter, ja bis zu Ende gegangen. Diess be-
deutete eine Vertiefung der Skepsis: denn während dieselbe
bis dahin eigentlich nur die schon vorhandenen Vorstellungen,
die den Anspruch erhoben als wahr zu gelten, angreifen und-
darum das Weiterforschen nicht verbieten wollte, vielmebr
dazu aufmunterte, so sollte nun auch der Folgezeit vor-
gebeugt und jede Vorstellung die man etwa in Zukunft für
ein Wissen oder eine Erkenntniss ausgeben würde, schon in
ihrer Wurzel untergraben werden. So stellt sich die Ent-
wickelung des Pyrrhonismus als eine stetige Zunahme der
Skepsis dar: inmier weiter frisst der Zweifel um sich und
dringt in die Breite ebenso wie in die Tiefe vor. Dass der
Pyrrhonismus diese Richtung eingeschlagen, dass die Skepsis
in ihm, statt sich zu massigen oder gar in den Dogmatismus
zurückzukehren, sich im Gegentheil inmiermehr gesteigert
hat, ist kein Zufall sondern war ihm als Entwickelungsgesetz
schon durch seinen Ursprung vorgezeichnet Dass derselbe
in der Auflösung der alten Naturphilosophie gesucht werden
muss, hat sich uns schon früher ergeben. Von Anfang an
trug daher diese Skepsis den Trieb zur Verneinung in sich
und wurde in dieser Neigung um so weniger gehemmt als
auch das Ideal der Sittlichkeit, das sie sich in der A£fectr
losigkeit {draga^ia) gestockt hatte, nur negativer Art war:
mit einem Wort, die Geschichte des Pyrrhonismus zeigt uns
den Krankheitsprocess, an dem die alte Naturphilosophie au
Grunde ging, zu dem der Keim schon von den letzten Aus-
läufern derselben gelegt war der dann von Pyrrhon und sei-
nen Anhängern gepflegt und zur Reife gebnicht wurde.
Entwickelung der akademischen Skepsis. 149
2. Entwickelung der akademischen Skepsis.
•
Ganz anders als im Pyrrhonismus ist die Skepsis inner-
halb der Akademie verlaufen. Während sie dort mit der
Zeit immer kräftiger wurde, wird sie hier im Gegentheil
immer schwächer, schrumpft zusammen statt sich auszudehnen
und kehrt am Ende in den Dogmatismus zurück. Der Höhe-
punkt der Entwickelung ist für die pyrrhonische Skepsis das
Ende, für die akademische der Anfang; jene bewegt sich in
aufsteigender Linie, diese in absteigender. Nach dem, was
ich eben über den Pyrrhonismus bemerkt habe, ist von vom
herein wahrscheinlich dass auch der Gang der akademischen
Skepsis durch ein ihr von Ursprung eingepflanztes Gesetz
bestinunt worden sei. Dieser Ursprung war, wie wir bereits
gesehen haben (S. 22 flf.), die sokratische Dialektik. So
ähiüich sich nun beide, die Dialektik des Sokrates und die
Skepsis, sind, wenn man lediglich die ihnen gemeinsame Be-
streitung des hohlen Dogmatismus der alten Naturphilosophie
iö8 Auge fiasst, so unterscheiden sie sich doch wesentlich,
sobald man auf die Zwecke sieht die sie mit ihrer Kritik
verfolgten. Gingen die Skeptiker auf die Zerstörung jedes
Wissens aus, war die Frucht ihres Thuos das Verzweifeln
an aller Erkenntniss, so suchte Sokrates inmitten der ßuinen
den Grund für ein neues Gebäude der Wissenschaft das
aufzuführen seine Schüler unternahmen. Der Dogmatismus,
lu den dieselben verfielen, ist daher in Sokrates' eigenem
Auftreten begründet und insofern wenigstens kein Abfall
^on der Weise des Meisters: es konunt in ihm, da jeder
Dogmatismus doch einem Bedürfniss nach festem Wissen
^^ntspringt, dasselbe Streben zum Ausdruck das die kritische
Forschung des Sokrates von der Alles verneinenden Skepsis
^6r Sophisten unterscheidet. So erklärt sich nicht nur dass
150 I)ie Tonchiedenen Formen des Skepticismos.
diu originale Sokratik in den Dogmatismus aasmündete, son-
dern auch dass ihre künstliche Neubelehung durch Arkesilaos
dasselbe Schicksal hatte. Diess im Einzelnen zu verfolgen
ist jetzt misere Aufgabe.
Es ist auffallend und scheint mit der eben aufgestellten
Behauptung, dass die akademische Skepsis sokratischen Ur-
sprungs sei, in Widerspruch zu stehen, dass gerade der
Begründer dei'selben, Arkesilaos, den Pyrrhoneem näher
stand als irgend Einer seiner Nachfolger. Das Letztere
scheinen wir als eine Thatsache hinnehmen zu müssen, da
Sextos Empeirikos, der doch sonst den Pyrrhonismus von
scheinbar ähnlichen Richtungen der Philosophie mögliebst
scharf zu trennen sucht, die Uebereinstimmung zwischen der
pyrrhonischen und der Ansicht des Arkesilaos ausdrücklich
hervorhebt') Wir haben aber nicht nöthig uns einem Au-
toritätsglauben zu ergeben: denn Sextos theilt auch die
Gründe mit die ihn bei seinem Urtheil geleitet haben. Der
eine ist dass Arkesilaos ebenso wie die Pyrrhoneer darauf
verzichtet hatte aus der Natur unserer Vorstellungen irgend
welchen Si*hluss auf die Beschaffenheit der Dinge ausser
uns zu ziehen.*) Eng zusammen hängt hiermit der zweite,
tlass or nicht dieser oilor jener Vorstellung in Bezug auf
lilaubwünligkoit den Vorzug vor einer andern gab:^ denn
*^ l\Trh. 1 äo2: «» uMiM .'liurftfiÄntv — — rforr fiUH Soxfi
Nichts voller be$*^ «uck wik$ wir bei Xaisenics vEuseb. pnep. 6f.
XIV K 4 K>$en d»$s Arke«:Uo<s Jas i^j^or aufgehoben babe. üb
^^ weni^r bi^iKe k4üi. vie die5ä Zeller III l S. 4£^ 3 getban bat» die
7axer)iMiS4^keit diee^r Nachrich: auveifebx soUen E$ ist dien oifen-
b«r Aach ttttr deshalb $t:$chehca v<fil buel aicht ib Stande war sie
Entwickelang der akademischen Skepsis. 151
sdiliesslich kann dieser Vorzug doch nur darauf beruhen
im die betre£fende Vorstellung eiue bessere Bürgschaft
mit der andern ebenfalls zuverlässigen zu vereinigen, nach der Arke-
lilaos dem Handeln des Menschen als Grund und Anhalt das Wahr-
scheinliche gegeben hatte (Sextos dogm^J 158). Denn dass dieses,
die ivkayov, mit dem ntd-avbv identisch sei, nahm man ohne Wei-
tem ao, ähnlich wie Augustin nach dessen Ansicht die Akademiker
ein und dasselbe bald probabile bald verisimile nannten (c. Acad. II
5^ 12. 7, 16\ Nun findet aber zwischen beiden ein unterschied statt.
Dinnf weist schon die Thatsache — denn eine solche ist es so viel
ich weiss — dass die Rhetoren dem Redner als Ziel das md-avov,
ibor nicht das svXoyov steckten. Noch deutlicher sprechen die ver-
Nkiedenen Definitionen, die von beiden Worten die Stoiker gaben,
die das m&avov als d^lwfjia tb äyov elq avyxaza^Boiv , das hvkoyov
tber als diiwfia tb nkelovaq dq>OQfia<; ex^ ^^? ^^ dkriS-hg elvai defi-
Birt»! (Diog. YII 75 u. 76). Das m^ixvbv ist hiernach etwas, das uns
nr Zustimmung nöthigt, auf uns den Eindruck des Wahren macht,
du fvkoyov nur etwas, ftkr dessen Wahrheit überwiegende Gründe
sprechen. Wenn ich mich daher des letzteren Wortes bediene, so
Ktst diess streng genommen bei mir ein Bewusstsein davon voraus
<hM8 das dadurch Bezeichnete nicht die mit voller Sicherheit er-
kinnte Wahrheit ist; umgekehrt findet ein mStevbv nur dann statt,
*Min wenigstens zeitweilig das dadurch Bezeichnete für die Wahr-
M selber gehalten wird. Man kann sich daher wohl denken, dass
ein Skeptiker wie Arkesilaos das e{).oyov gelten Hess weil dieses die
^erkennung einer Wahrheit nicht in sich schloss, das ntS^avbv aber
tttachieden verwarf, da dessen Wesen auf der avyxectd^eai:; beruht
BBd deren Zulässigkeit von ihm aufs Heftigste bestritten wurde (Sext.
<logm. I 151 ff.). Wir freilich fassen beide Begriffe unter demselben
Hamen des Wahrscheinlichen zusammen und ähnlich wird in der
Sttunlung der aristotelischen Schriften etxbg als Synonymen sowohl
'OB ni^vbv wie von Evloyov gebraucht (Bonitz Ind. u. m^avbv
uid evlayov): woraus nur eine Verwandtschaft, aber nicht die Iden-
tität beider Begriffe gefolgert werden kann. Dasselbe ergibt sich,
wenn wir auf den Begriff sehen den die skeptischen Akademiker
•«Iber, den insbesondere Kameades mit dem Worte Tii^avbv verband,
^nter m^avrj tpavtaala verstand Eameades eine Vorstellung, die ver-
ttöge ihrer Klarheit und Bestimmtheit den Eindruck einer wahren
152 I^e verschiedenen Formen des Skepticismas.
biotot das objectiye Wosen dor Dinge wiederzuspi^elü. Mit
diesom Pyrrhonismus steht es nicht in Widersprach, dasB
auf uns macht. Es ergibt sich diess aus Sext. dogm. I 166 ff., iu'
besondere aus 171 f.: rijg dh (paivofi^vtjg cAi/^or$ (sc. ipavtaalaq) ii
fxfrv ztg iativ dfivö^d, wg tj inl rwv naQo. fjuxQoxrixa tov ^eoffw-
fiivov rj naQa ixavov öidaxrifia ^ xal naQo, da&iveiav t^g o^ttt;
avyxexvfiivfog xal ovx ixrvncog xi ka^Aßavovxwv, tj Si xig ^v oh
xiji <fali'soS^at dhjd^jg txi xal affoögbv ?jfOf<;a xb tpalveoBcu er^nir
dhi^fj, <Lv ndhv r/ f^tv dfJLvÖQa xal exXvrog tpavxaala oi'X ar füj
XQttijQiov xio yaQ firjxB avxrjv fJLt]xB xo notijaav avx^ XQav6g kh
6fixvva&at ov n^ifvxev yfiäg nelO^Biv ov6* elg tnyxaxd^eaiv imanä-
a*&ai. ri 6h (paivofi^vt} d).rj9^tjg xal ixavtäg ißfpaivofxiyij XQix^QiOf kii
XTJg d^.tjS-eiag xatd xovg tisqI xov KaQvedSrjv. Die „glaubwttrdige
Vorstellung** ist sonach eine die Evidenz besitzt, uns durch aich
selber zum Glauben nöthigt und zu diesem Zwecke nicht ent d«
Hinzukommens einer vernünftigen Ueberlegung bedarf. Diese letzten
Annahme ist auch dadurch ausgeschlossen , dass Sextos zonftchst nur
von den Vorstellungen sprechen will insofern sie isolirt wirken, jede
vernünftige Ueberlegung aber andere Vorstellungen mit einer ge-
gebenen in Verbindung bringt. Beruht aber das niO-avöv nicht inf
vernünftiger ueberlegung, dann kann es auch nicht mit dem ivhyw
identisch sein, das ja gerade daher seinen Namen trägt. Eher könnte
man das evlayov wiederfinden in deijenigen Vorstellungsweise, die
nach Karneades ebenfalls zu den Kriterien gehört durch die wir not
im Leben leiten lassen und die Sextos a. a. 0. 176 m&av^ xal anf^-
anaaxog (pavxaala nennt. Denn hier ist die Hauptvorstellung in Ye^
bindung mit anderen gebracht und wird eben dadurch um einen Crrtd
glaubwürdiger weil unter diesen anderen mit ihr zusammenhängenden
keine ist die sich als falsch erweist. Diese Verbindung verschiedener
Vorstellungen mit einander scheint ein Geschäft der Vernunft za
sein. Sie ist es aber nur dann wenn sie auf eine Vergleichong und
lieurthcilung der Vorstellungen hinausläuft. Davon ist aber hier
nicht die Rede. Vielmehr entsteht nach Kameades die Yerbindong
dadurch dass mit jeder Hauptvorstellung wie der eines Menschen ge-
wisse Neben Vorstellungen wie die der Farbe Qröasß Gestalt (177)
zusammenhängen. Sowohl das Zusammentreffen aller dieser Vor-
stellungen wie der so entstehende Gesammteindmck ist von der
Thätigkeit der Vernunft vollkommen unabhängig. Nicht sie ist et
Entwickelang der akademischen Skepsis. 153
irkesilaos doch das Wahrscheinliche als Princip unserer
üandlougen anerkannte. Denn dieses Wahrscheinliche nennt
reiche entscheidet dass eine Vorstellung in ihrem Zusammenhang
Bit anderen betrachtet glaubwürdiger ist als wenn wir sie isoliren:
lieier Vorzug beruht lediglich darauf dass wenn zu der glaubwür-
iigeo Hauptvorstellung andere ebenfalls glaubwürdige Nebenvorstel-
nngen treten die Glaubwürdigkeit über ein grösseres Feld ausge-
kknt and dadurch gesteigert wird; die Evidenz die einem solchen
fontellungscomplex anhängt hat einen höheren Grad als die jeder
iiueben Vorstellung zukommt. Auch diese zweite Art der glaub-
rtrdigen Vorstellung darf also nicht mit dem evloyov verwechselt
Verden: denn während dieses sich auf Gründe stützt, besitzt jene
maittelbare Evidenz. Um so eher könnte man was bei Kameades
ik dritte Stufe der Glaubwürdigkeit erscheint dem evloyov gleich
ietten, da um diese zu erreichen eine Prüfung der einzelnen über-
sitttimmenden Vorstellungen nach den verschiedenen sie bildenden
Pietoren erfordert wird und eine solche nur von der Vernunft
renuutaltet werden kann. Vgl. Sextos a. a. 0. 182: inl 6h rijg xaxa
f^» nfQiioöevfJiivriv avv6gofjirjv kxdati]V xwv iv xy avv6()o^y iniaxa-
^ixiiq ioxifid^ofiev. Ebenda 185 wird als nothwendig für das Entstehen
siner solchen Vorstellung vorausgesetzt dxQißrjq xov ngdyfiaxo:; dva-
^fii^au; und 188 hierfür der Ausdruck Xoyl^^eaStct gebraucht. Da-
n kommt dass nach Kameades wir allen auf unsere Glückseligkeit
ittQglicben Handlungen, sobald es nur die Umstände erlauben, eine
i^ontellung der Art d. h. eine nicht bloss unwidersprochene (dneQi-
naaxog) sondem auch geprüfte (neQtwSevfiivtf) zu Gmnde legen
iolien (Sextos 184), nach Arkesilaos aber auch das fvXoyov uns beim
M)en nach der Glückseligkeit einen Anhalt gewähren soll. So
Iboreinstimmend hiernach beide Arten von Vorstellungen sind, so
ttb es den Anschein hat als ob Kameades und Arkesilaos das
lenschliche Handeln insofem es die Glückseligkeit zum Ziele hat
enuelben Princip unterworfen hätten, so dürfen wir uns doch durch
BD Schein nicht täuschen lassen. Bedenklich muss uns schon der
ostand machen, dass Sextos da wo er uns die Ansicht des Kar-
tades erläutert sich nirgends des Wortes evXoyov bedient: denn zu
aem solchen Meiden des von Arkesilaos gebrauchten Ausdmcks
l, wenn wirklich beider Ansicht übereinstimmte, nicht der min-
sie Grund vor. Eine nähere Betrachtung zeigt wie berechtigt
152 ^^ verschiedenen Formen des Skepticismos.
bietet das objective Wesen der Dinge wiederzuspiegeln. Mit
diesem Pyrrhonismus steht es nicht in Widerspruch, dasB
auf ans macht. Es ergibt sich diess aus Sext. dogm. I 166 ff., im-
besondere aus 171 f.: rijg 6h (paivofitvrfg dkr^S'Ovg (sc. ^avtaalaq) if
filv zig iaxiv dfAvAgd, wg ^ inl xmv naga fitxQotijxa tav B-emifW-
fiivov tj TtaQcc ixavov ötdartjfia ij xal naQa da^ivsiav t^c i^Ht;
avyxBxvfiivwg xal ovx ixxvnwg xi Xafißavovxwv, r/ de ttg ijv nh
xw <palvsoBai dhi^g txi xal a<poÖQbv txovoa xb <palvea^i o^rfr
dX^d-fj. wv ndXiv »/ /ilv dfivÖQa xal exkvxog <pavxaala oi^x iv iJai
xQixiJQtov x(5 yaQ fiTJxe avxrjv /irjxe x6 noiijaav avxriv rgavt^q h-
öelxwa^ai ov nsipvxev yfiäg nsl^etv ovo* elg avyxaxd&eaiv imanä-
ad-at. 9/ öh ipatvofiivt] d?.i]S-rig xal ixav<5g ifi^aivo/iivij XQix^Qtov ku
xrjg dkfi^elag xaxd xovg tieqI xov KaQvsdöijv. Die „glaubwürdige
Vorstellung'' ist sonach eine die Evidenz besitzt, uns durch sidi
selber zum Glauben nöthigt und zu diesem Zwecke nicht erst d«
Hinzukommens einer vernünftigen Ueberlegung bedarf. Diese letiteie
Annahme ist auch dadurch ausgeschlossen , dass Sextos zunächst nur
von den Vorstellungen sprechen will insofern sie isolirt wirken, jede
vernünftige Ueberlegung aber andere Vorstellungen mit einer ge-
gebenen in Verbindung bringt. Beruht aber das niB^vöv nicht auf
vernünftiger Ueberlegung, dann kann es auch nicht mit dem tihtyw
identisch sein, das ja gerade daher seinen Namen trägt. Eher könnte
man das tvkoyov wiederfinden in deijenigen Vorstellungsweise, die
nach Karneades ebenfalls zu den Kriterien gehört durch die wir nni
im Leben leiten lassen und die Sextos a. a. 0. 176 m^vri xal dne^-
cnaaxog tpavxaala nennt. Denn hier ist die HauptvorstcUung in Yer
bindung mit anderen gebracht und wird oben dadurch um einen 6nd
glaubwürdiger weil unter diesen anderen mit ihr zusammenhängenden
keine ist die sich als falsch erweist. Diese Verbindung verschiedenei
Vorstellungen mit einander scheint ein Geschäft der Vernunft »
sein. Sie ist es aber nur dann wenn sie auf eine Vergleichung um
Bourthcilung der Vorstellungen hinausläuft. Davon ist aber hie
nicht die Hede. Vielmehr entsteht nach Kameades die Verbindun
dadurch dass mit jeder Hauptvorstellung wie der eines Menschen gc
wisse Nebenvorstellungen wie die der Farbe GrössiB Gestalt (17'
zusammenhängen. Sowohl das Zusammentreffen aller dieser Voi
Stellungen wie der so entstehende Gesammteindruck ist von dl
Thätigkeit der Vernunft vollkommen unabhängig. Nicht sie ist i
Entwickelong der akademischen Skepsis. 153
lesilaoB doch das Wahrscheinliche als Princip unserer
iodlongen anerkannte. Denn dieses Wahrscheinliche nennt
cbe entscheidet dass eine Vorstellung in ihrem Zusammenhang
aoderen betrachtet glaubwürdiger ist als wenn wir sie isoliren:
AT Vorzug beruht lediglich darauf dass wenn zu der glaubwür-
!0 Hauptvorstellung andere ebenfalls glaubwürdige Neben?orstel-
[en treten die Glaubwürdigkeit über ein grösseres Feld ausge-
Bt und dadurch gesteigert wird; die Evidenz die einem solchen
Btellungscomplex anhängt hat einen höheren Grad als die jeder
«ben Vorstellung zukommt. Auch diese zweite Art der glaub-
digen Vorstellung darf also nicht mit dem evkoyov verwechselt
den: denn während dieses sich auf Gründe stützt, besitzt jene
littelbare Evidenz. Um so eher könnte man was bei Kameades
dritte Stufe der Glaubwürdigkeit erscheint dem evkoyov gleich
eo, da um diese zu erreichen eine Prüfung der einzelnen über-
thamenden Vorstellungen nach den verschiedenen sie bildenden
toren erfordert wird und eine solche nur von der Vernunft
AStaltet werden kann. Vgl. Sextos a. a. 0. 182: inl dh xijq xazä
nfQuaStvfiiytjv awögofiijv hxacxrfv twv iv ry cvvÖQOß^ imata-
'^ 6oxtfiat,ofi€v. Ebenda 185 wird als nothwendig für das Entstehen
T solchen Vorstellung vorausgesetzt dxgißr^q tov n^ccy/iaroq dva-
^atq und 188 hierfür der Ausdruck Xoyi^fo&ai gebraucht. Da-
kommt dass nach Eameades wir allen auf unsere Glückseligkeit
Iglichen Handlungen, sobald es nur die Umstände erlauben, eine
itellung der Art d. h. eine nicht bloss unwidersprochene (a7rf(>£-
noq) sondern auch geprüfte (nsQiwdev/itvt^) zu Grunde legen
IS (Sextos 184), nach Arkesilaos aber auch das evkoyov uns beim
ben nach der Glückseligkeit einen Anhalt gewähren soll. So
"einstimmend hiernach beide Arten von Vorstellungen sind, so
es den Anschein hat als ob Kameades und Arkesilaos das
ichliche Handeln insofem es die Glückseligkeit zum Ziele hat
lelben Princip unterworfen hätten, so dürfen wir uns doch durch
Schein nicht täuschen lassen. Bedenklich muss uns schon der
tand machen, dass Sextos da wo er uns die Ansicht des Kar-
es erläutert sich nirgends des Wortes fvloyov bedient: denn zu
n solchen Meiden des von Arkesilaos gebrauchten Ausdmcks
wenn wirklich beider Ansicht übereinstimmte, nicht der min-
! Grund vor. Eine nähere Betrachtung zeigt wie berechtigt
152 l^ie verschiedenen Formen des Skepticismos.
hintcit iLiH objoctive Wcscii der Dinge wicderzuspiegeln. Mit
(licHoni Pyrrhonismus steht es nicht in Widerspruch, dass
auf uns macht. Es ergibt sich diess aus Sext äogm. I 166 ff. , im-
bosondcro aus 171 f.: Tfjg 6h <paii'Ofthijg d?,tj^ovq (sc. ipavtaalaq) ^
fdv r/v ^(JTiv niivS(}((, wi; ;/ int raiv nnQa fitxQotfjta tov ^(o^
fibi'ov tj na(m \xmuw ötdoTij/ia y xal naQa da^^vuav x^q S^sn;
fir)';ff;fi7<n'«*v' ^«' ovx ^xTvnwg ri Xafißavovxwv, i/ 6i tig ^v crv
ri;i tfnlrtüikai tihi^tig ttt xal atfoÖQbv ^/ord« r^ ^aivea^m «rnj?
liXtfi^ij. tuv nidkiy »/ fdr (tfiv6(Kt xal exXrrog tfavxaala o^x a¥ fvi
>f(Mr»/(>ior* riM yaQ fttJTf avTtjy fitere to noiijoav avt^ rgavmg h-
thixi*vrt(hn ov n^ifvxfr t/fiäg Tifi^en' oiM* eig oiyxardB^eatv ixiOTM-
oHrn, »i Ah ^ftiro/iM'v dhj$^tig xal Ixai'iäg ift^atvofitvij xfHt^Qiov iatt
r{c nltj^n'ag xara rovg nffii ror Kapreadtiv. Die „glaabwflrdige
VontolluniT* ist sonach eine die Evidenz besitit, uns durch sich
solbcr mm Glauben uöthigt und zu diesem Zwecke nicht erst d«
lUnrukommons einer vernünftigen Ueberlegung bedarf. Diese letitere
.Vnnahme ist auch dadurch ausgeschlossen, dass Sextos zunächst nur
\on don Vorstollnngen sprechen will insofern sie isolirC wirken, jede
vonutufUgo roWrlogung aber andere Vorstellungen mit einer ge-
):obonon in Verbindung bringt. Beruht aber das .ii^^oi^f nicht lof
vernanfligor Veberlegung. dann kann es auch nicht mit dem ffloyw
identis^'h sein, das ja gerade daher seinen Kamen trftgt- Eher könnte
man das frA«t;or wiedertinden in derjenigen Vorstellongsweise, die
nach Kameades ebentalls zu den Kriterien gehört dorch die wir tu
im l.elK'n leiten lassen and die SejLtM a. a.0. 176 :tt9tn^ xai anf^-
^^^i;\';iw <<.»-: !:««>. nennt. IVnn hier isi die HaaptvorsteUimg in Te^
Hnduni: mit anderen gebraoh: imd wird eben dadorch am einen Gltd
jeU-:b>iäi>iig>t'r weil unter die$on anderen zs:t ihr znsamBenhüngeiidet
ieixte ist ö;e luelt als falsch erweist. IHese Verbindong TenchiedcBer
V%vrsteUttr.^r. r.:;i ei::ander scheint ein GeüchÜt der Vcmanft st
seir Sie is; es aSr r.ur oaas we=.- >ie aof eise Teigi«idimig md
>v>i;T<5ier.uv,^ %kr Vors:er»s:ipft i:r.a=&Usft Danm ist aber Wer
vü-V: «\:e Kede V:e'.»eir erisTtri; raci Karseaite die YerlnBdnBg
,iaiv.rv>. ,iM* r::; -<^r H*sr:v.->ww::-^rx wi« der eises MeBSchen |t*
^-'»^•f NeVr.\vw:eIh:r.^x ^.e d:; Aer Vari* Gr^itt Gotah (177)
VÄsazriwxVjfcT.cfr: >s*w,\V. ^'.a> fasaatiiwaire*« aUer dieser V<l^
>vV.^.T,f%''r. »-N" iet ät er.»w^^M.£'; wsuLiL:e-i»irDdc ist voo der
Vu;;^K: ^r X^cr.o:::'^ \\Ck,'autr.ti xatai-iikv^l; Xkkt sie ist «
EntwickelaDg der akademischen Skepsis. 153
rkesilaos doch das Wahrscheinliche als Princip unserer
andlungen anerkannte. Denn dieses Wahrscheinliche nennt
(lebe eDtscheidet dass eine Vorstellung in ihrem Zusammenhang
t anderen betrachtet glaubwürdiger ist als wenn wir sie isoliren:
Mr Vorzug beruht lediglich darauf dass wenn zu der glaub wür-
fen BauptTorstellung andere ebenfalls glaubwürdige Neben?orstel-
igen treten die Glaubwürdigkeit über ein grösseres Feld ausge-
bt und dadurch gesteigert wird; die Evidenz die einem solchen
ntellungscomplex anhängt hat einen höheren Grad als die jeder
ixelnen Vorstellung zukommt. Auch diese zweite Art der glaub-
rdigen Vorstellung darf also nicht mit dem svXoyov verwechselt
rden: denn während dieses sich auf Gründe stützt, besitzt jene
mittelbare Evidenz. Um so eher könnte man was bei Kameades
dritte Stufe der Glaubwürdigkeit erscheint dem evXoyov gleich
len, da um diese zu erreichen eine Prüfung der einzelnen über-
istimmenden Vorstellungen nach den verschiedenen sie bildenden
etoren erfordert wird und eine solche nur von der Vernunft
instaltet werden kann. Vgl. Sextos a. a. 0. 182: inl dh xrjq xazä
* ntQuoöevfievijv avvÖQOfxriv ^xdatrjv xwv iv xy awÖQOfAy inioxa-
^Aq doxifid^ofisv. Ebenda 185 wird als nothwendig für das Entstehen
ler solchen Vorstellung vorausgesetzt dxQtßrjg xov nQdyfxaxog dva-
t^atg und 188 hierfür der Ausdruck Xoyl^saS^ai gebraucht. Da-
kommt dass nach Eameades wir allen auf unsere Glückseligkeit
Kflglichen Handlungen, sobald es nur die Umstände erlauben, eine
ntellung der Art d. h. eine nicht bloss unwidersprochene {dns()i-
wxoq) sondern auch geprüfte {TtsQtmöevfitvt]) zu Grunde legen
len (SextoB 184), nach Arkesilaos aber auch das evkoyov uns beim
eben nach der Glückseligkeit einen Anhalt gewähren soll. So
Ereinstimmend hiemach beide Arten von Vorstellungen sind, so
IT es den Anschein hat als ob Kameades und Arkesilaos das
nschliche Handeln insofem es die Glückseligkeit zum Ziele hat
luelben Princip unterworfen hätten, so dürfen wir uns doch durch
i Schein nicht täuschen lassen. Bedenklich muss uns schon der
»tand machen, dass Sextos da wo er uns die Ansicht des Kar-
ides erläutert sich nirgends des Wortes eidoyov bedient: denn zu
em solchen Meiden des von Arkesilaos gebrauchten Ausdrucks
, wenn wirklich beider Ansicht übereinstimmte, nicht der min-
te Grand vor. Eine nähere Betrachtung zeigt wie berechtigt
154 I^ie Yorschiedenen Formen des SkepiicismiiB.
er tvXoyov und das ist von dem Glaubwürdigen oder xtdu-
vor wesentlich verschieden. Man merkt diess, sobald man
in Arkcsilaos' Definition dos xazoQ&cofia (Sextoe dogm.
I 158) das eine mit dem anderen vertauscht Dann würde
dieselbe so lauten: ro xaroQ&ofid Icxiv oxeg XQoi^Xv
jti&avfjv ixei ttjp ojcoXoylav. D. h. statt ein Grundsatz
der Moral zu sein würde sie der Unsittlichkeit, wenn dieser
nur die rhetorische Kunst der Ucberredung zur Verfügung
steht, Thür und Thor öffnen. Denn jtid-avov ist Alles was
Eameades war sich des Ausdmcks svkoyov nicht zo bedieneD. Dieser
nämlich bezeichnet etwas was seine Glaubwürdigkeit vor der Yw*
nonft bewährt hat und kann wenigstens etwas bezeichnen dessea
Glaubwürdigkeit ausschliesslich auf dem UrtheU der Vernunft be-
ruht. Das Glaubwürdige des Kameades aber und zwar das der
dritten und höchsten Stufe gründet sich nur zu einem Theil auf die
Entscheidung der Vernunft zum andern Theil ist es Yon der sd-
mittelbaren Evidenz der Sinneseindrücke abhängig. Es scheint dl*
her dass Kameades andere Vorstellungen als solche die aus Sinnes-
eindrücken stammen gar nicht als glaubwürdig anerkannte. Vgl.
ausser den von Sextos 186 ff. gegebenen Beispielen auch was de^
selbe 183 als Gegenstand der Prüfung für die Vernunft bezeichnet;
es sind diess in der Hauptsache nur bei der sinnlichen Wahmehmnng
mitwirkende Factoren. Hätte nun Kameades auf solche Vorstellaiigen
den Ausdruck evkoyov anwenden wollen, einen Ausdruck der ledig-
lich das Vemunftgemässe bedeutet und daher auch solche Vorstel-
lungen umfasst die nicht in den Sinnen gegeben sind sondern um
Probabilität nur der vernünftigen Erwägung verdanken, so b&tte dies
leicht zu Missverständnissen Anlass geben können. Dagegen kam
Arkesilaos den Ausdmck mit gutem Bedacht gewählt haben. Naek
ihm ist auf das tvloyov das xaxoQ^wfia gegründet (Seztoa 158).
Dieses Wort kann aber hier nicht in der allgemeinen Bedentong ge-
nommen werden, in der es jede gelungene Handlung bezeichnet: demi
in diesem Falle konnte Arkesilaos weder die Glückseligkeit Yom tnx-
oQd-wfia abhängig machen da für diese viele gelungene Handlungen
vollständig werthlos sind noch konnte er dieses selber auf die Ye^
nunft ((pQovrjotg) zurückführen da manche solcher Handlungen ohne
Znthun der Vernunft, nur durch Zufall gelingen. Es muss daher in
Entwickelung der akademischen Skepsis. 155
!n Eindruck der Glaubwürdigkeit macht, es mag sich im
übrigen dieser Eindruck gründen worauf er will. EvXoyov
gegen ist nur was mit unserer Vernunft irgendwie über-
stimmt Und es ist wichtig dass Arkesilaos von diesem
ort nur auf unsere Handlungen Anwendung macht. Er
^ nicht, es ist tvXoyov dass dieses oder jenes Ding so
er so beschaffen sei; er sagt nur, gewisse Handlungen
len in den Bereich des svXoyov, und erklärt sie damit für
cbe die vernunftgemäss sind und von denen wir mit
* engeren Bedeutung genommen werden, die ihm die Stoiker gc-
»en haben, so dass es die moralisch gelungene Handlung bezeichnet.
le solche Handlung ist aber eine zu der wir durch Vemunftgebotc
1 durch die auf allgemeine Erwägungen gegründete Hoffnung eines
lincheinlichen Erfolgs bestimmt werden (vgl. Thcil H 1 S. 341, 1),
ht aber durch die einem einzelnen Sinneseindrucke beiwohnende
labwOrdigkeit. Das evkoyov, das einer Handlung dieser Art zu
mde gelegt wird, kann also nur dasjenige sein das lediglich aus
Vernunft entsprungen ist. — So hat sich gezeigt dass das svXo-
' des Arkesilaos von dem niB^avbvy sowohl dem einfachen als dem
immengesetzten, des Kameades wesentlich verschieden ist. Die
den Nachrichten, dass Arkesilaos das evXoyov zum Princip des
ndelns gemacht und dass er das Tttd-arov geleugnet habe, wider-
ecken daher einander nicht, wie man geglaubt hat, und die eine
ncht nicht ttm der andern willen aufgegeben zu werden. Dass
Bchen evXoyov und mi^avov oder nicxbv — denn diese beiden
fte fallen im wesentlichen zusammen, wie z. B. durch die Aus-
cke nioxiv ifxnoielv und matoxiga bei Sextos dogm. I 179 und
und das wiederholte nioreveiv 177, 178, 180, ausserdem 189 durch
ff Sta xavxa niaxfjv elvai Xfjv (pavxaalav und durch die Worte die
Pyrrh. I 222 lesen, wq mO^avwxkQoig ngooxld^sxai inet tiqoxqIvbi
toxa nlativ /J dmaxlav, bewiesen wird — ein wesentlicher ünter-
ied besteht, der es ermöglicht das Vorhandensein des einen an-
rkennen, das des andern zu leugnen, zeigt durch die That Sextos,
in er Pyrrh. I 61 zwar ein maxbv nicht zugeben will, als evXoyov
r ebenda 51 den Satz diaipoga hxaaroiq xwv l^wcuv (palvea^ai xä
gijxa bezeichnet d. h. einen von ihm als richtig anerkannten Satz,
natürlich die Anerkennung überhaupt eines svloyov voraussetzt.
156 Die Tenchiedenen Formen des Skepticiimiu.
Wahrscheinlichkeit einen Zawachs unserer Glückseligk
erwarten können. Das avJLoyov des Arkcsilaos sagt a
über die Natur der wirklichen Dinge ausser uns nicht (
Geringste aus. Es würde diess nur dann thun wenn es ai
drückte, bis zu welchem Grade wir gewiss sein können d
in einem gegebenen Zeitpunkte eine Handlung auch wirkl
vollzogen wird; statt dessen dient es nur dazu entwe(
eine Handlung die vergangen ist zu rechtfertigen oder e
zukünftige zu empfehlen. Ein evJioYOP dieser Art leugnel
aber auch die P}Trhoneer, insbesondere Timon, nicht, d
dieser kommt doch als Zeitgenosse des Arkesilaos vorzügl
in Betracht: denn nach deren Meinung sollen wir uns
unserem Handeln nicht durch beliebige Vorstellungen leii
lassen sondern nur durch die welche mit der pjrrhonisd
Grundiinsicht oder Wahrheit in Uebereinstimmung std
und die wir eben deshalb auch wahrscheinliche oder t
nunftgemässe nennen könnten (VgL S. 64), wie denn ai
drücklich der koja; bei Sextos Pvrrh. I 17 als dasjen
bezeichnet wird das über unser Handeln entscheiden (
(vgl. S. 62 fX
Aber gerade in diesem letzten Pimkte tritt neben (
Uebereinstimmung gleichzeitig auch der Unterschied zwiscl
den Pyrrhoneem und Arkesilaos hervor. Gemeinsam
ihnen nur, dass beide die Vernunft als dasjenige anerkann
wodurch allein unser H;vndeln eine bestimmte Richtung I
konmien könne; verschieden aber ist die Art und Weise '
sie sich diesen Einfluss der Vernunft dachten. Arkesüi
wie aus seiner Definition des xarog^tDiia folgt, war *
Ansicht, dass jede einzelne Handlung vor den Richterst
der Vernunft gehöre und von ihr geprüft werden müi
Die Pvrrhoneer dagegen wollten nur dass man sich
Handeln den herrschenden Gesetzen und Sitten unterwer
solle. Diese Unterwerfung sollte eine blinde sein; die \
Entwickelung der akademischen Skepsis. 157
jmh hatte hier unmittelbar nicht mitzusprechen, da durch
eine Prüfung der betreffenden Gesetze und Sitten in jedem
emzelnen Falle die Gemüthsruhe (draQa^la) gestört worden
wäre. Trotzdem fanden auch diese Handlungen nicht ohne
Mitwirken der Vernunft statt; denn der Satz auf den sie
sddiesslich zurückgingen, dass wir uns den Gesetzen und
Sitten zu unterwerfen haben, war selber nur die Frucht einer
Ternünfbigen Erwägung (vgl. S. 55 f.). Der Unterschied
zwischen Arkesilaos und den Pyrrhoneern besteht also darin
dass bei diesen der Einfluss der Vernunft auf die einzelne
Handlung von weiter her stattfindet, nicht unmittelbar wie
bei Arkesilaos, dass eben deshalb in Arkesilaos' Augen die
Vernunft, deren Urtheil nach seiner Ansicht für jeden ein-
zelnen Fall in Frage kam, für Loben und Handeln einen
Tid grösseren Werth haben musste als in denen der Pyr-
rhoneer, die sie nur einmal befragten und dann abdankten.
Diese höhere Bedeutung, die Arkesilaos der Vernunft ein-
Äimte, spiegelt sich auch in der Ueberlieferung, die nur
wo von Arkesilaos' Ansichten die Rede ist die Vernunft als
Prindp des Handelns mit vollem Nachdruck hervorhebt, in
der Darstellung des Pyrrhonismus dagegen sie hinter an-
derem zurücktreten lässt so dass die Bedeutung die ihr auch
hier zukommt von Späteren unbeachtet bleiben konnte. — Mit
diesem Unterschied steht ein anderer in enger Verbindung,
im nämlich Arkesilaos nicht wie die Pyrrhoneer in der
Gemüthsruhe (draga^la) das höchste Lebensziel erblickte.
Denn den herrschenden Gesetzen und Sitten uns zu fügen
hatten die Pyrrhoneer hauptsächlich deshalb gefordert, weil
sonst jene Gemüthsruhe auf die Dauer nicht bestehen könnte:
es ist daher bemerkenswerth, dass Arkesilaos, der jene For-
derung nicht stellte sondern statt dessen in jedem einzelnen
Fall die Vernunft entscheiden Hess, auch das Ideal der
Gemüthsruhe preisgegeben zu liaben scheint. Eine aus-
152 I^ie verschiedenen Formen des Skepticismus.
biotot das objective Weson dor Dinge wicderzuspiegeln. Mit
diesom Pyrrhonismus steht es nicht in Widerspruch, daas
auf ans macht. Es ergibt sich diess ans Sext. dogm. I 166 ff., ins-
besondere aus 171 f.: rfjg 6h (paivoßivriq dkij^ovg (sc. (pavraalag) ^
filv zig iativ dfjivSQd, <og fj inl rdfv nagd fitxQonjta rov B^fwgov-
fiivov ij naQa ixavbv ötdazrjfia rj xal naQa daB^ivetav t^^ o^^ftf^
avyxexvfihwg xal ovx ixxvinog ti Xafißavovrwv, »/ 6e rtg tjv ch
T<j} (palvead'ai dlfj^ig tri xal aipoÖQov txovoa to (paivea^ai ovrjr
dXtj^. (bv ndkiv // fihv dfivÖQa xal exXvrog (pavraala odx av flu
xQixtJQiov T(j} yaQ fifjzs avz^v fxi]zB zo noitjaav avzr^v rgaviSg h-
öelxvvaS^at ov 7ie<pvxBv fjfiäg nsLBeiv ovo* eig avyxazd&saiv imanä-
a^at. fj 6h <patvofiiv^ dktj&tjg xal ixavaig ifjKpaivofjt^vrj XQizifQiov itni
z^g dktjd^eiag xazd zovg tibqI zov KaQved6tjv. Die „glaubw&rdige
Vorstellung'' ist sonach eine die Evidenz besitzt, uns durch Bich
selber zum Glauben nöthigt und zu diesem Zwecke nicht erst d«
Hinzukommens einer vernünftigen Ueberlegung bedarf. Diese letztere
Annahme ist auch dadurch ausgeschlossen, dass Sextos zunächst nnr
von den Vorstellungen sprechen will insofern sie isolirt wirken, jede
vernünftige ueberlegung aber andere Vorstellungen mit einer ge*
gebenen in Verbindung bringt. Beruht aber das ntS^avbv nicht wd
vernünftiger Ueberlegung, dann kann es auch nicht mit dem fvkoyw
identisch sein, das ja gerade daher seinen Namen trägt. Eher könnte
man das evkoyov wiederfinden in deijenigen Vorstellungsweise, die
nach Karneades ebenfalls zu den Kriterien gehört durch die wir uns
im Leben leiten lassen und die Sextos a. a. 0. 176 mS^avri xal am^-
cnaaxog ipavzaola nennt. Denn hier ist die Hauptvorstellung in Vah
bindung mit anderen gebracht und wird eben dadurch um einen Grad
glaubwürdiger weil unter diesen anderen mit ihr zusammenhängenden
keine ist die sich als falsch erweist. Diese Verbindung Terschiedenar
Vorstellungen mit einander scheint ein Geschäft der Vernunft sa
sein. Sie ist es aber nur dann wenn sie auf eine Vergleichong und
Beurtheilung der Vorstellungen hinausläuft. Davon ist aber hier
nicht die Rede. Vielmehr entsteht nach Kameades die Verbindung
dadurch dass mit jeder Hauptvorstellung wie der eines Menschen ge-
wisse Nebenvorstellungen wie die der Farbe GrössiB Gestalt (177)
zusammenhängen. Sowohl das Zusammentreffen aller dieser Vor-
stellungen wie der so entstehende Gesammteindruck ist von der
Thätigkeit der Vernunft vollkommen unabhängig. Nicht sie ist ei
Elitwickelung der akademischen Skepsis. 159
rar mochte Arkesilaos für das sokratische Bekenntniss des
liditwissens halten.^) Auch der scheinbare Widerspruch,
i den sich unsere Nachrichten über Arkesilaos verwickeln,
ndet in denen über Sokrates seine Erklärung oder doch
ine Parallele. Es ist nämlich auffallend, dass von Sextos
}rrh. I 232 und ebenso von Cicero und Clemens a. a. 0.
Is höchstes Ziel im Sinne des Arkesilaos die Epoche genannt
ird, bei Sextos dogm. I 158 aber an deren Stelle die
rlückseligkeit und zwar die auf das vernunftgemässe Han-
ein gegründete erscheint. Aehnlich rühmt sich Sokrates
jines Nichtwissens und will doch alles sittliche Handeln auf
ie begriflfliche Erkonntniss gründen. Der scheinbare Wider-
pruch der beiden hierin ausgesprochenen Vorschriften löst
ich aber bei ihm in einer höheren, die von jedem Menschen
in vernunftgcmässes Verhalten fordert. Die Vernunft ist es,
ie auf rein theoretischem Gebiete uns nöthigt auf ein be-
timmtes Urtheil zu verzichten, auf praktischem aber uns ge-
rissen Geboten unterwirft. Ebenso lässt sich auch die Ver-
diiedenheit der Nachrichten über Arkesilaos ausgleichen,
lie Vernunft ist es, die uns überall leiten soll: innerhalb
er Forschung, auf theoretischem Gebiet führt uns dieselbe
ar Enthaltung von jedem Urtheil, zur Epoche, die darum
ier als höchstes Ziel erscheint, innerhalb des Lebens und
er Praxis vermittelst eines ihr entsprechenden Handelns zur
*) Cicero de erat. III 18 (Arcesilas ex variis Piatonis libris ser-
Mmibosque Socraticis hoc maxime arripuit, nihil esse certi; — quem
!nmt — primum instituisse, quamquam id fuit Socraticum maxime,
M quid ipse sentiret, ostendere, sed contra id, quod quisque se
tttire dixisset, disputare) und Lactantius instit. III 4, 6 (auctore
«rate hanc suscepit sententiam, ut affirmaret nihil sciri posse)
«en ausdrücklich Arkesilaos sich in dieser Hinsicht an Sokrates
ttchliessen. Beide Stellen sind angeführt von Geffers de Arcesila
22, 9.
152 I^ie verschiedenen Formen des Skepticismas.
bietet das objective Wesen der Dinge wiederzuspiegeln. Mit
diesem Pyrrhonismus steht es nicht in Widerspruch, dass
auf ans macht. Es ergibt sich diess aus Sext. dogm. I 166 ff., iiu-
besondere aus 171 f.: rijg Sh (paivoiuivijg dktjS-ovg (sc. ipavraalaq) ^
filv zig ioriv dfivfiQa, wg ^ inl rmv naga /iixQOT^ta rov ^l■<0fo^
fikvov rj TiaQa Ixavbv öidortjfia i} xal TtoQa aa^heiav tijg mpiw;
avyxBxvfJihwg xal ovx ixrvTtatg xi kafißavovzcav, jy 64 tig ^v avv
T(j} ipalveaS-ai dXtjS-t^g tri xal OipoÖQbv txovoa to <paivea&ai aitiiv
dlrj^. <iv ndkiv t/ fikv dfivÖQa xal ^xkvrog fpavraala o^x Sv ihi
xQitfiQiov Zip yaQ fitjzB avz^v /ii^zs zb noiijaav avzrjv rgavwg h-
ödxvva^ai ov niifvxsv rifiäg nelS^etv ovd^ eig avyxazdS^eatv imcna-
a^at. Tj Sh (paivofiivtj dktj&rjg xal Ixavwg ifKpaivofiivri xqiz^qiov ku
zrjg dktj^eiag xazd zovg negl zbv Ka^sdör^v. Die „glaubwQrdige
Vorstellung'' ist sonach eine die £?ldenz besitzt, uns durch sich
selber zum Glauben nöthigt und zu diesem Zwecke nicht erst d«
Hinzukommens einer vernünftigen Ueberlegung bedarf. Diese letztere
Annahme ist auch dadurch ausgeschlossen , dass Sextos znn&chst nur
von den Vorstellungen sprechen will insofern sie isolirt wirken, jede
vernünftige Ueberlegung aber andere Vorstellungen mit einer ge-
gebenen in Verbindung bringt. Beruht aber das m$^vbv nicht auf
vernünftiger Ueberlegung, dann kann es auch nicht mit dem evkoyw
identisch sein, das ja gerade daher seinen Namen trägt. Eher könnte
man das evkoyov wiederfinden in dcijenigen Vorstellungsweise, die
nach Karneades ebenfalls zu den Kriterien gehört durch die wir nni
im Leben leiten lassen und die Sextos a. a. 0. 176 Tn&av^ xal dne^-
onaozog (pavzaala nennt. Denn hier ist die Hauptvorstellung in Ye^
bindung mit anderen gebracht und wird eben dadurch um einen Gltd
glaubwürdiger weil unter diesen anderen mit ihr zusammenhängenden
keine ist die sich als falsch erweist. Diese Verbindung verschiedener
Vorstellungen mit einander scheint ein Geschäft der Vemonft sn
sein. Sie ist es aber nur dann wenn sie auf eine Vergleichong nnd
Beurthcilung der Vorstellungen hinausläuft. Davon ist aber liier
nicht die Rede. Vielmehr entsteht nach Kameades die Verbindung
dadurch dass mit jeder Hauptvorstellung wie der eines Menschen ge-
wisse Nebenvorstellungen wie die der Farbe GrössiB Gestalt (177)
zusammenhängen. Sowohl das Zusammentreffen aller dieser To^
Stellungen wie der so entstehende Gesammteindruck ist von der
Thätigkeit der Vernunft vollkommen unabhängig. Nicht sie ist ei
EntwickeluDg der akademischen Skepsis. 153
rkesilaos doch das Wahrscheinliche als Princip unserer
andlungen anerkannte. Denn dieses Wahrscheinliche nennt
eiche entscheidet dass eine Vorstellung in ihrem Zusammenhang
it anderen betrachtet glaubwürdiger ist als wenn wir sie isoliren:
eser Vorzug beruht lediglich darauf dass wenn zu der glaubwUr-
j|[en Haupt Vorstellung andere ebenfalls glaubwürdige Nebenvorstel-
Qgen treten die Glaubwürdigkeit über ein grösseres Feld ausge-
Imt und dadurch gesteigert wird; die Evidenz die einem solchen
»ntellungscomplex anhängt hat einen höheren Grad als die jeder
isehien Vorstellung zukommt. Auch diese zweite Art der glaub-
Irdigen Vorstellung darf also nicht mit dem ev^^oyop verwechselt
Tden: denn während dieses sich auf Gründe stützt, besitzt jene
mittelbare Evidenz. Um so eher könnte man was bei Kameades
I dritte Stufe der Glaubwürdigkeit erscheint dem evkoyov gleich
tien, da um diese zu erreichen eine Prüfung der einzelnen über-
istimmenden Vorstellungen nach den verschiedenen sie bildenden
ictoren erfordert wird und eine solche nur von der Vernunft
ranstaltet werden kann. Vgl. Sextos a. a. 0. 182: inl dh t^q xazä
V nfQKoSevfihfriv ovvÖQOfitiv kxaaxrfv rmv iv xy avvÖQOßy ^nicta-
ro^ doxifxdtfifiBv. Ebenda 185 wird als nothwendig für das Entstehen
icr solchen Vorstellung vorausgesetzt dx^ißrjq tov ngdyfjiaxoq dva-
»^atg und 188 hierfür der Ausdruck Xoyl^saS'Cci gebraucht. Da-
kommt dass nach Kameades wir allen auf unsere Glückseligkeit
Kfiglichen Handlungen, sobald es nur die Umstände erlauben, eine
ntellung der Art d. h. eine nicht bloss unwidersprochene {dneQi-
wtog) sondern auch geprüfte {nsQtwöevfievrj) zu Gmnde legen
len (Seztos 184), nach Arkesilaos aber auch das evkoyov uns beim
"eben nach der Glückseligkeit einen Anhalt gewähren soll. So
oreinstimmend hiernach beide Arten von Vorstellungen sind, so
ur es den Anschein hat als ob Kameades und Arkesilaos das
luchliche Handeln insofem es die Glückseligkeit zum Ziele hat
Dselben Princip unterworfen hätten, so dürfen wir uns doch durch
1 Schein nicht täuschen lassen. Bedenklich muss uns schon der
iiUnd machen, dass Sextos da wo er uns die Ansicht des Kar-
ides erläutert sich nirgends des Wortes fvXoyov bedient: denn zu
em solchen Meiden des von Arkesilaos gebrauchten Ausdmcks
t wenn wirklich beider Ansicht übereinstimmte, nicht der min-
te Grand vor. Eine nähere Betrachtung zeigt wie berechtigt
162 I^ie verschiedenen Formen des Skepticismas.
sie historische Bestandtheile für ihre dichterischen Zwed
benutzt. Dazu rechne ich, dass sie Lakydes zu einem B
kenner der Epoche macht ^) und die Meinungslosigkeit d
Weisen behaupten lässt.*) Dieses Zeugniss fallt darum i
Gewicht, weil es ein altes, wir dürfen sagen das Zeugni
eines Zeitgenossen ist: denn wer würde in späterer Zeit 8i<
die Mühe genommen haben einen verhältnissmässig unb
kannten Philosophen wie Lakydes in einer eigenen Dichtm
zu verhöhnen? Wir sehen daher dass Lakydes in den beid(
erwähnten Punkten an den Ansichten seines Lehrers fes
hielt.*) Dasselbe wird uns auch durch Cicero bestätigt^)
Von den Genossen des Lakydes und seinen nächste
Nachfolgern erfahren wir nichts und dürfen daher annehme]
dass unter ihnen Alles beim Alten blieb. Erst Karneade
hob die akademische Skepsis auf eine neue Stafe.*) Üebe
ihn liegen zwei von einander abweichende Berichte voi
deren Verschiedenheit man jedoch bis jetzt so gut wie nid
beachtet zu haben scheint.^) Der eine geht auf Eleitomachoi
der andere auf Metrodoros zurück.
') Von Lakydes wird erzählt (4): xal noie imanaadfievo^ ^^
ngooofitlovvTwv avrw riva elg t//v olxiav, la^vgl^eto nghq wil
vn^Qfpvwq, (bg idoxst, rrjv inoxi^v.
*) Die Sklaven des Lakydes halten ihrem Herrn vor (8): aof
ys ovxi öeöSxS'at ra> Aaxvdy elvai dSo^dartp.
^) Was den zweiten betrifft, vergleiche man Sextos dogm. 1 15'
wo als Ansicht des Arkesilaos angegeben wird: oi^x^ xwv öo^am
icTiv b aofpoq.
*) Acad. pr. 16: cigus (Arcesilae) ratio — a Lacyde solo rf
tenta est.
^) Wie auch Cicero andeutet, der nach den angeführten Worte
fortfährt: post autem confecta a Cameade.
^) Auch Zeller, obgleich er III 1 S. 515, 2 hart vor der richtige
Auffassung stand, ist doch, wie sich noch zeigen wird, dnrch el
Missverständniss von ihr zurückgehalten worden.
Entwickelang der akademischen Skepsis. 163
Halten wir uns zunächst an Eleitomachos, den besonders
der langjährige vertraute Umgang mit Eameades zu einem
Zeugen von vorzüglidier Glaubwürdigkeit macht. ^) In seinen
vier Bächern von der Epoche (de sustinendis adsensionibus
Cicero Acad. pr. 98) hatte derselbe berichtet, dass Eameades
wahrscheinliche und nicht wahrscheinliche Vorstellungen
«Bierschied') und jene als solche bezeichnete durch die
unser Wollen und Handeln bestimmt werden sollte.') Aber,
wie er ebenfalls bemerkt hatte, die Wirkung dieser Voi>
stdlungen auf uns sollte nach Eameades nicht von unserer
Zustimmung zu ihrem Inhalte oder davon abhängig sein
dass wir sie für wahr oder gewiss halten: vielmehr werde
der Weise dergleichen Vorstellungen nur als praktische gut-
heissen ohne sie deshalb theoretisch für richtig zu halten.^)
') Als solchen behandelt ihn auch Cicero Acad. pr. 98: nee vero
qaicqaam ita dicam, nt quisquam id fingi saspicetur: a Clitomacho
nmam, qoi usqae ad senectatem cum Carneade fuit, homo et acutus,
Qt Poenus, et valde Studiosus ac diligens.
*) Diese Unterscheidung fand sich im ersten Buche des genann-
ten Werkes. Cicero a. a. 0. 99 spricht darüber in folgenden Worten:
doo placet esse Cameadi genera visorum: in uno haue divisionem
4lii Tisa esse qnae percipi possint, alia quae non possint", in altero
^Qtem: „alia visa esse probabilia, alia non probabilia*^ Dass und
iowiefem der Ausdruck in diesen Worten ungenau ist erörtert Madvig
«a de fin. Vorr. S. LXIII 2. Aufl.
') Cicero a. a. 0. 99: sie, quicquid acciderit specie probabile,
^i nihil se offeret qnod sit probabilitati illi contrarium, utetur eo
i&pieos, ac sie omnis ratio vitae gubernabitur.
*) A. a. 0. 101: quaecumque res eum sie attinget ut sit visum
^d probabile neque uUa re inpeditum, movebitur; non enim est e
1^0 sculptus aut e robore dolatus: habet corpus, habet animum, mo-
netär mente, movetur sensibus, ut ei vera multa videantur; neque
teen habere insignem illam et propriam percipiendi notam; eoque
*tpientem non adsentiri, quia possit ejusdem modi exsistere falsum
tliqood, ciyus modi hoc verum.
11*
164 ^'^^ Terschiedenen Formen des SkepticismuB.
Dasselbe hatte Kleitomachos noch iu zwei anderen Schriftei
wie es scheint zunächst in eigenem Namen sprechend,^) am
geführt. Insbesondere was unter der Epoche zu verstehe
sei bestimmte er hier genauer. Von einer Epoche, sagte e
könne man in doppeltem Sinne sprechen. Einmal kfini
darunter ein Verhalten verstanden werden, infolge desse
man zu nichts seuie Zustimmung gibt d. i. nichts als wal
gelten lässt; dann aber könne damit auch gemeint sein ei
Weigern jeder Antwort einer bejahenden sowohl als eine
verneinenden.*) Nur in dem ersten Sinne werde die Epocb
') Cicero a. a. 0. 102 sagt: explica?! paulo ante Clitomiek
auctore, quomodo ista Cameades diceret. accipe, quem ad modm
eadem dicantur a Clitomacho in eo libro, quem ad C. Luclliom acrip
Bit, cum scripsisset isdem de rebus ad L. Censorinum, eum, qui eoo
sul cum M.* Manilio fuit. Hiermit stimmt überein was Cicero am
diesen Schriften und zwar, wie er hervorhebt (102: scripsit igitn
his fere verbis), ziemlich wörtlich mittheilt (103): „AcademiciB plir
cere esse rerum ejus modi dissimilitudines** und „errare eos qui di-
cant ab Academia sensus eripi". Es ist zu bemerken dass EleitO'
machos, wie wir hieraus schliessen dürfen, in jenen Schriften io
Allgemeinen die Akademiker und die Akademie und nicht vonag»
weise Earneades nannte. Dadurch wird unwahrscheinlich dass die«
Schriften in historischer Weise über die Philosophie des Eameade
berichteten und Kleitomachos darin nach semer sonstigen Weil
längere Gespräche und Disputationen seines Lehrers erzahlt hatU
Wahrscheinlich ist vielmehr dass diese Schriften nur gebildete
Römern einen Ueberblick über das Wesentliche der akademische
Skepsis geben wollten. Auf diese Yermuthung führt was Cicero Qbf
das an C. Lucilius gerichtete Buch sagt (102): earum ipsarum reroB
de quibus agimus, prima institutio et quasi disciplina illo libro coi
tinetur. Dasselbe war, wie Cicero bemerkt, der Grund weshalb (
gerade diese Schrift des Kleitomachos fleissig gelesen hatte.
') A. a 0. 104: adjungit dupliciter dici adsensas sastinere M
pientem: uno modo cum hoc intellegatur, omnino eum rei nolM td
sentiri; altero cum se a respondendo sustineat, ut neque neget allqni
neque ajat.
EntwickeluDg der akademischen Skepsis. 165
TOD den Akademikern gefordert, in dem zweiten dagegen
Tcrworfen und statt ihrer vielmehr gestattet dass man Ant-
worten gebe und bei der Wahl derselben sich durch die
Wahrscheinlichkeit leiten lasse. ^) So hatte sich ergeben
was die Epoche der Akademiker bedeutet und dass sie in
einem Verzicht auf die Zustimmung zu irgendwelcher Vor-
stellung besteht Diess konnte zu dem Missverständniss
Anlass geben als wenn der Akademiker überhaupt den Vor-
stellungen keinen Werth irgendwelcher Art zugestehen wollte.
Passend reihte sich daher bei Kleitomachos die Bemerkung
ao, dass man der Vorstellungen und des Vorstellens für das
Leben nicht entbehren könne > dass ohne sie kein Handeln
und kein Gespräch möglich sei: man werde daher gewissen
Vorstellungen, wenn man ihren Aussagen auch nicht zustimme,
doch so viel einräumen dass man sich in den angegebenen
Fallen durch sie bestimmen hisse, und das seien solche Vor-
stellungen, die, weil sie mit keiner anderen in Widerspruch
stünden, uns als wahrscheinliche gälten.')
') 104: id cum ita sit, alterum placere ut numquam adsentiatur,
altemm tenere ut sequens probabilitatem ubicumque haec aut occurrat
aot deficiat, aut „eüam** aut „non" respondere possit.
*) A. a. 0. : et cum placeat eum, qui de omnibus rebus contineat
le ab adsentiendo, moveri tarnen et agere aliquid, rclinqui ejus modi
fiia, quibus ad actionem excitemur; item ea, quao interrogati in
otramque partem respondere possimus, sequentes tantum modo, quod
ita Tisom sit, dum sine adsensu; neque tarnen omnia ejus modi visa
tdprobari, sed ea, quae nulla re inpedirentur. In den letzten dieser
Worte ist ein Fehler zu bemerken, mag derselbe nun in einem Miss-
ferständniss Ciceros oder in einer Verderbniss der Handschrift seinen
Gmnd haben. Liest man n&mlich die letzten Worte von neque ta-
rnen omnia an, so scheint es als wenn unter den vorher erwähnten
Yorstellungen, auf die mit ejus modi visa hingewiesen wird, nur eine
einzelne Classe, diejenigen welche widerspruchslos sind (quae nulla
re inpedirentur), unserer Billigung (adprobari) für werth gehalten
würden. Nun sind aber die vorher erwähnten Vorstellungen d. h. die
166 ^16 verschiedenen Formen des Skepticismas.
Vollkommen deutlich ist in dieser von Kleifa
vertretenen Auffassung der Skepsis > dass or zwar {
gewisse Vorstellungen zu billigen (probare, adprobar
nicht ihnen zuzustimmen (adsentiri). Zwischen beid<
offenbar ein wesentlicher Unterschied gemacht, c
griechische Original durch die Gegenüberstellung v
d-BCd-ai und övyxaxarld-töd'at ausgedrückt haben maj
welche unseren Handlangen und Antworten zu Grunde lieg«
die wir gebilligt haben. Diess ergibt sich schon, wenn es ji
feit werden sollte, aus den Worten „item ea — sine adsei
sonders wenn man damit aas dem weiter Vorhergehenden i
„alteram tenere, at seqaens probabilitatem, abicamque hae*
carrat aat deficiat, aut ,etiam^ aut ,non* respondere poesit^
durfte also nicht sagen, dass nicht alle solche Vorstellungeo
würden. Dadurch ist natürlich nicht ausgeschlossen dass
trotzdem ein derartiges Missverständniss sich hat zu Schah
men lassen. Indessen wäre es doch auch möglich dass eine;
ber die Schuld träfe und entweder bloss ejus modi oder <
Visa zu streichen ist. Für das Letztere scheint zu sprechen
105 lesen: ea quao vos percipi cooprehendique, eadem nos,
probabilia sint, videri dicimus. Denn nach diesen Worten zu f
hätte Cicero zwischen visum und probabile keinen Unters«
macht. Diess galt aber nur für visum in einer besondere
tung, die es auch in den Worten ,,qaod ita visom sit** 1
anderen Stellen dagegen ist klar, dass Cicero visum auch
weiteren das probabile und das non probabile umfassende
tung braucht, wie z. B. 99: alia visa esse probabilia, alia
babilia.
^) Denn dass eine solche Gegenüberstellung, sobald
neid-ea^ai in einer bestimmten Bedeutung fasste, möglich i
Sextos Pyrrh. I 230: xb nslS'ea&ai liyetai SiaipoQfog, x6 X6
xslvsiv d)X* aitXwq tnea^ai ävev ctpoÖQäq TtQoax^Jaeo^ n
Tta^elag, atg b naig ?JyBxai nel&ead^cti X(p Tiaiöayofyip ' an
fisxa alQsaewg xal otovel avfjiTta^elag xaxa xb atpoÖQa f
avyxaxccxl^ea^ai xivi, <og b äciovog Tiel&exai x^ öanavtixa
d^iovvxi. Ein nel^eadixi im ersten Sinne gaben auch die P;
zu, das avyxctxaxl^ead^ai aber lehnten sie ab.
Entwickelung der akademischen Skepsis. 167
DUO femer eine Meinung nicht ohne eine Zustimmung sein
kauD,^) so ergab sich für Eleitomachos die Consequenz, dass,
da man keiner Vorstellung zustimmen soll, man auch keine
Heinang haben dürfe. Hat man sich diess einmal klar ge-
macht, so sieht man sogleich, wie verschieden von dieser
durch Kleitomachos vertretenen Auffassung der Skepsis die-
jenige ist, die wir bei Cicero Acad. pr. 148 in folgenden
Worten des Catulus finden: ad patris revolvor sententiam,
quam quidem iUe Gameadeam esse dicebat, ut percipi nihil
potem posse, adsensurum autem non percepto, id est opina-
tnrnm, sapientem existumem, sed ita, ut intellegat se opinari
sdatque nihil esse, quod conprehendi et percipi possit; qua
re Ixofjqv illam omnium rerum non probans illi alteri sen-
tentiae, nihil esse quod percipi possit, vehementer adsentior.
In diesen Worten wird dem Weisen gestattet gewissen Vor-
steilaDgen zuzustimmen und eine Meinung zu haben, sobald
er sich nur derselben als einer blossen Meinung bewusst
bleibt, Kleitomachos dagegen hatte das Meinen nicht bloss
mit dieser Clausel sondern schlechthin verboten. Aus dieser
Verschiedenheit entspringt die andere, die in den von Catulus
der Epoche gezogenen Schranken besteht. Man könnte das
Vorhandensein dieser letzteren Verschiedenheit bestreiten, da
äach Eleitomachos die Epoche nicht in jedem sondern nur in
einem bestimmten Sinne fordert und zu diesem Behuf zwei
Arten derselben 'unterscheidet. Dafür fasst aber auch Kleito-
Döchos, ehe er der Epoche diese Schranken zieht, dieselbe
in omem viel weiteren Sinne, in dem sie die Enthaltung
von jeder auf eine Vorstellung reagirenden Thätigkeit be-
zeichnet, und erklärt innerhalb dieses weiteren Kreises für
') Cicero Acad. pr. 59: sapientem nihil opinari, id est numquam
*^>entiri rei vel falsae vel incognitae. 148 : adsensurum non percepto,
id est opinatnrum. Sextos dogm. I 156: el avyxaxad^r^aexai h ao(p6g,
^<^icet 6 aotpog — ^ ^y dxavakiJTiTq) avyxaxa^^oiq öo^a iatlv xx),.
168 ^ie verschiedenen Formen des Skepticismiu.
zulässig nur dicjonige Epoche, welcho darin besieht dass
wir zu einer nicht begriffenen Vorstellung unsere Zustimmnog
nicht geben. ^) Gatulus hingegen will gerade diese letztere,
^) Ciceros Worte allerdings könnten zu dem Missverständniss
Anlass geben, als wenn auch Kleitomachos die Epoche in demselben
engeren Sinne wie Catulus genommen hätte. Denn er l&sst (lOi)
Kleitomachos sagen: dupliciter diel adsensus sustinere sapienteo,
d. h. er l&sst ihn schon die Epoche im weiteren Sinne, die er dani
in ihre besonderen Arten theilt, in ein Zurückhalten der Zustimmung
setzen. Dass diess aber ein Irrthum ist, zeigen seine eigenen folgen-
den Worte, in denen als eine der beiden Arten der Epoche das „rei
nulli adsentiri" oder wie er es bald darauf nennt das „de omniboi
rebus continere se ab adsentiendo'' erscheint d. i. also dasselbe worin
er eben noch das Wesen der allgemeinen Epoche gesetzt hatte. Wie
dieser Irrthum entstehen konnte, wird klar, sobald wir an das grie-
chische Original denken. Hier fand Cicero inix^iv oder inoxfi ^oTi
welches das Zurückhalten überhaupt bedeutet und deshalb niher
bestimmt werden konnte in ein Zurückhalten entweder nur oneerer
Zustimmung oder jeder reagirenden Thätigkeit. Weil aber gewöhn-
lich inox^ den engeren Sinn des Zurückhaltens unserer Zustimmung
hatte und Cicero daher gewohnt war es durch „adsensionis retentio;
(59) oder einen verwandten Ausdruck zu übersetzen, so hat er diene
Weise der Uebersetzung auch hier festgehalten wo sie nicht hin-
gehörte und nur das einfache retontio oder sustinere am Platze war.
Ich halte es für richtiger Cicero hier eines Missverst&ndnissee u
beschuldigen, als den Irrthum auf einen Fehler der Handschriften
zurückzuführen, den man durch Streichung des „adsensus*' in den
fraglichen Worten leicht beseitigen könnte. Denn es ist noch eine
Spur davon vorhanden, dass Cicero als er jene Worte schrieb n
Miss Verständnissen disponirt war. Er lässt den Kleitomachos sagen,
dupliciter dici adsensus sustinere sapientem: da Kleitomachos aber*
wie wir sofort belehrt werden, nur eine Art der Epoche als berech-
tigt anerkannte, so konnte er unmöglich den Weisen d. i. den Ideal-
menschen sich beider, also auch der anderen, verwerflichen Art der
Epoche bedienen lassen. Das „sapientem'* ist daher ein dem grie-
chischen Original nicht entsprechender Zusatz Ciceros: Kleitomaehoi
kann nur gesagt haben dass man von der Epoche überhaupt, nicht
dass man von der dos Weisen in einem doppelten Sinne spreche.
Eniwickelung der akademischen Skepsis. 169
ie bei Kleitomachos uur einen Theil der weiteren Epoche
mnacht, von Neuem beschränken so dass der Weise doch
: gewissen Fällen auch zu einer nicht begriffenen Vorstcl-
Dg seine Zustimmung geben darf. Die Verschiedenheit in
ir Auffassung der Skepsis bei Gatulus und Kleitomachos
rd sich hiemach nicht leugnen lassen. Ja es ist weiter
IT, dass Gatulus wenn er erklärt „ijtoxrjp illam omnium
rum** nicht zu billigen sich damit direct gegen Kleito-
ichos wendet, der das „rei nuUi" oder „numquam adsentiri"
er was dasselbe ist das „de omnibus rebus continere se
' adscntiendo*^ forderte (104). Dass nun einem so angc-
henen Vertreter der akademischen Skepsis Gatulus auf
jene Hand sollte widersprochen haben, ist nicht denkbar,
id ebenso wenig ist diess von seinem Vater anzunehmen,
if den er sich zunächst beruft. ^) Vielmehr müssen beide
ji in dieser Beziehung auf griechische Philosophen haben
itzen können. Diesen Schluss bestätigt Lucullus und
iederholt darin nur was Antiochos gesagt hatte, wenn er
•n „Einigen" spricht die die Skepsis des Karneades in der-
Iben Weise auffassten wie Gatulus d. h. dem Weisen eben-
Ib ein Meinen zugestanden und der Epoche dadurch
«wisse Schranken zogen.*) Denn eine nur bei einigen Römern
iltende Ansicht würde Antiochos nicht in dieser Weise bc-
cbichtigt haben. Wer die griechischen Gewährsmänner
') Und auf den er sich auch berufen hatte, als er Tags zuvor
Br denselben Gegenstand ausführlicher sprach, vgl. 12: illa dixit
lUochns quae her! Gatulus commemoravit a patre suo dieta Philoni.
U er auch da die gleiche Ansicht geäussert hatte, ersehen wir aus
I Worten mit denen Lucullus (59) sich auf diesen Vortrag zurück-
geht: Cameadem autem etiam her! audiebamus solitum esse eo delabi
)rdam, nt dlceret opinaturum, id est, peccaturnm esse sapientcm.
*) 59: ex bis illa necessario nata est ^ttox^, i<^ ^^t adsensionis
ntio, in qua melius sibi constitit Axcesilas, si vera sunt quae de
neade nonnulli existimant: si enim percipi nihil potest, quod utri-
170 ^ie verschiedenen Formen des Skepticismiis.
des Catulus waren, sagt uns denn auch Cicero (78) in
genden Worten: licebat enim nihil percipere et tarnen opi
quod a Cameade dicitur probatum; equidem, ClitoiE
plus quam Philoni aut Metrodoro crodeus, hoc magis al
disputatum quam probatum puto. Metrodoros und Ph
wie sich aus diesen Worten ergibt, vortraten jene mil
Aufiassung der karneadischen Skepsis, die dem Weisen i
ein Meinen übrig lässt, und bildeten deshalb Partei g
Kleitomachos der der strengeren Ansicht huldigte.^)
que Visum est, tollondus adsensus est. quid enim est tarn f utile (
quicqnam adprobare non cognitum? Carneadem autem etc. (s.
Anmerkung).
^) Nach der vorher angestellten Erörterung wird kein Zi
mehr sein können wie die angefahrten Worte Ciceros zu vent
sind. Ich würde darüber kein Wort weiter verlieren, wenn es :
Zeller wäre, dem hier ein Missverstandniss begegnet ist. Der
führt S. 515, 2 aus jenen Worten den Satz an, es sei möglich
percipere et tarnen opinari, und bemerkt dazu: „wobei es unei
lieh ist, dass Philo und Metrodor gesagt hatten, Karneades habe
bewiesen, Klitomachus (um der skeptischen i:io)^ti nichts sa
geben): hoc magis ab eo disputatum quam probatum '^ Wftre
der Sinn der Worte, so würde Ciceros Kleitomachos mit sich »
in Widerspruch kommen. Denn während er hier das „probare**
Karneades abspricht, sucht er 99 ff. im Sinne des Kameades gf
die Zulässigkeit der probabilia oder probatio sowie des probar
erweisen. Man darf nicht sagen, probare habe an dieser letii
Stelle eine andere Bedeutung, die von „billigen**; denn die Yen
denheit der Bedeutung zugegeben, so bleiben doch probare in
Bedeutung von „beweisen**, wie sie Zeller hier annimmt, und
bare in der Bedeutung von „billigen", die an der anderen SteUi
genommen werden muss, Correlata von denen das Eine nicht
das Andere fallen kann. Es ist daher ganz consequent, wenn C
mit Bezug auf seine Darstellung der Skepsis des KleitomachoB
(105): haec si vobis non probamus. Denn dieses probare ist
wohl dasselbe wie das von Zeller an unserer Stelle angenonu
Von Zellers Standpunkt aus freilich hätte er sich damit eine
consequenz schuldig gemacht. Zu diesem ersten Anstoss, den Z
Eotwickelung der akademischen Skepsis. 171
Mit Sicherheit zwischen diesen beiden Auffassungen der
kepsis des Kameades zu entscheiden sind wir natürlich
beoso wenig im Stande als mit Gewissheit zu sagen ob
uffitfsuDg unserer Stelle gibt, kommt noch ein anderer. Denn die
onrassetzong, von der sie ausgeht, dass probatum die Bedeutung
n „bewiesen" habe, ist keineswegs sicher. Sie ist darum misslich,
sil probatum hier im Gegensatz zu disputatnm steht, alles Dispu-
«1 aber zugleich ein Beweisen ist, der Gegensatz also, wenn wir
obatam in. der Bedeutung von „bewiesen" nehmen, nicht rein
izaos kommt. Nehmen wir dagegen probatum in der anderen mög-
ihen Bedeutung von „gebilligt", so haben wir einen richtigen
sgensatz zwischen einer Ansicht die wirklich gebilligt und einer
B bloss Disputirens halber aufgestellt worden ist. Denselben Gegen-
ti finden wir in einem anderen Berichte des Kleitomachos über
imeades, wonach derselbe Kalliphons Bestimmung des höchsten
rtes lebhaft vertheidigt hatte ohne sie doch in Wirklichkeit zu
lügen (139). Hiernach ist klar, dass auch an unserer Stelle pro-
lam mit „gebilligt" übersetzt werden muss. Dann aber wird die
Inft die zwischen den Ansichten des Kleitomachos und des Philon
id MetrodoroB besteht erweitert. Sie betrifift nun nicht mehr bloss
e Form des Ausdrucks. Der Sinn kann nicht sein: Eameades
tbe überhaupt nichts gebilligt, sondern alles was er zu billigen
hien nur Disputirens halber vorgetragen. Dass diess nicht der
Bdtnke des Kleitomachos sein konnte, beweist seine eigene Dar-
elliuig (99 ff.), in der ja eben Ansichten vorgetragen werden die
laeades wirklich gebilligt hatte und in der überdiess das Billigen
ler Yorstellung für zulässig erklärt wird. Das probatum unserer
ielle muss sich also darauf beziehen, dass die Ansicht, wonach der
'eise auch Meinungen haben werde, von Philon und Metrodoros
tter die positiven eigenen Ansichten des Kameades gezählt, von
Ititomachos davon ausgeschlossen wurde. Erst wenn wir unsere
eile so auffassen, steht sie mit Kleitomachos' Darstellung (99 ff. und
6 f.) im Einklang, in der ja ebenfalls dem Weisen zwar ein Reagi-
I auf die Vorstellungen und ein Billigen derselben zugestanden,
6f Zustimmen zu denselben aber d. i. das Meinen desto entschie-
iier abgesprochen wird Nach Kleitomachos' Ansicht hatte Kar-
ides das Meinen des Weisen nur disputatorisch vertheidigt, natür-
li den Stoikern gegenüber weil diese ja das Gegentheil behaupteten.
172 ^16 verschiedenen Formen des SkepticismuB.
Xenophon oder Piaton uns den historischen Sokrates fa
dargestellt hat: denn in dem einen wie in dem am
Falle fehlt es uns an Aeusserungen sei es des Sokrates
Karncades die uns unabhängig von jenen Berichtersta
überliefert wären und an denen wir die Wahrheit dei
richte prüfen könnten. Indessen lässt es sich wenig
wahrscheinlich machen, dass der Bericht dos Metrodoroc
Philon unsern Glauben mehr verdient. Dafür spricht «
die Thatsache dass man bereits im Älterthum ihm
Vorzug gab. Bei Cicero lesen wir freilich einmal, es
nur „Einige^' gewesen die die Skepsis dos Karneadc
dieser Weise auffassten.^) Wir dürfen uns aber hierd
nicht irre machen lassen. Zunächst fällt ins Gewicht,
Philon, der doch ein Schüler des Kleitomachos war, sie
diesem Punkte nicht an ihn sondern an Metrodoros fl
schlössen hatte. Derselben Ansicht wie Philon war aber
dessen Schüler Antiochos. Es ist schon bemerkensw
dass in Ciceros Acad. pr. 16 LucuUus, der doch nur i
serungen des Antiochos wiederholen will, unter den vere
denen Schülern des Karneades dem Kleitomachos und Ha,
Geist, dem Kleitomachos ausserdem und besonders F
dem Charmadas Beredsamkeit, dem Melanthios Ano
dem Metrodoros allein aber die genaue Kenntniss des
neades zuspricht.*) Dasselbe erhellt aber auch aus dei
wie Lucullus bei Besprechung der Epoche Metrodors
') Acad. pr. 59: si vera sunt quae de Garneade non nnlli
stimant
') Qui illum (Cameaden) audierant admodum floraeront: e q
industriae plurimum in Clitomacho fuit — declarat maltitado !
mm — , ingenii non minus in Hagnone, in Charmada eloquentb
Melanthio Rhodio suavitatis. bene autem nosse Cameaden Stn
ceus Metrodorus putabatc^. £& scheint nach diesen letzten W
als wenn Antiochos der Behauptung Metrodors, alle Anderen k
Entwickelang der akademischen Skepsis. 173
ridit über Eameades sich zu Nutze macht. ^) Denn auf
Grand desselben erhebt er gegen Karneades den Vorwurf
der Inconsequenz. Freilich nicht schlechthin, sondern indem
er hinzufügt, wenn das was Einige über Karneades denken
wahr ist Daraus folgt indessen nur, dass er den Bericht
des Metrodoros nicht für vollkommen sicher hielt, aber keines-
wegs, dass er dem des Eleitomachos den Vorzug gab. In
diesem Falle würde er doch wohl von der Epoche sagen,
dass in Bezug auf dieselbe Karneades, wenn wahr ist, was
Einige über ihn denken, nicht minder consequent verfuhr
ab Arkesilaos. Denn derjenigen von zwei Möglichkeiten,
die wir als Wirklichkeit behandeln, gestehen wir doch eben
dadurch die grössere Wahrscheinlichkeit zu. Dass die Woiie
des Lucullus in dieser Weise verstanden werden müssen,
Migt auch Cicero da wo er in seinem Vortrag auf dieselben
zorackkommt:') denn wenn er hier es wie eine Thatsache
behandelt (Cameades — dabat, nicht dare dicitur oder etwas
AehnUches) dass Karneades ein Zustimmen und Meinen des
den Karneades missverstanden {Kagvfaöov naQaxrjxoivat navtaq), im
veientlichen zugestimmt hätte. Vgl. Ind. Herc. col. 26, 4 und Zeller
8.525, 1.
') 59: ex his illa necessario nata est inox^, id est adsensionis
ntentio, in qua melius sibi constitit Arcesilas, si vera sunt quae de
Gurneade non null! existimant: si enim percipi nihil potest, quod utri-
9Qe Tisum est, tollendus adsensus est. quid enim est tarn futile quam
qnicqoam adprobare non cognitum? Carneadem autem etiam her!
todiebamus solitum esse eo delabi interdum, ut dicerct opinaturum,
^ est, peccatonim esse sapientem.
*) 67: si Ulli rei sapiens adsentietur umquam, aliquando etiam
^inabitiir; nomquam autem opinabitur: nuUi igitur rei adsentietur.
boc conclosionem Arcesilas probabat; confirmabat enim et primum
^ lecundom; Garneades non numquam illud dabat, adsentiri ali-
Vttndo: ita sequebatur etiam opinari; quod tu non vis, et recte, ut
^i Tideris.
174 l^ie verschiedenen Formen des SkepticiBmas.
Weisen gestattete, so kann diess nur ein Eingehen in die
Denkweise des Lucullus sein, da er selbst fiir seine Penoo
den Bericht dos Eleitomachos für glaubwürdiger hielt ^)
Wivs sodann die Späteren nach Antiochos betrifft, so sdieiot
bei ihnen, wenn wir von Cicero abseben, fast nur der Be-
richt Metrodors gegolten zu haben. So setzt Eusebios den
Unterschied des Kameades von Arkesilaos darein, dass Jener
die Epoche nicht vollkommen durchfuhren wollte und rieh
des Urtheils unter allen Umständen zu enthalten mit dff
menschlichen Natur unvereinbar hielt;') und auch dem Be>
richte des Sextos Empeirikos liegt die Ansicht Metrodors n
Grunde.^) Die grössere Zahl der Stimmen, die wir nod»
^) Diess sagt er 78: licebat — nihil percipere et tarnen q>iiiaii
quod a Cameade dicitur probatum; equidem, Clitomacho plus qua
Philoni aut Metrodoro credens, hoc magis ab eo disputatnm qua
probatum puto. Man beachte dass Cicero diesen Worten zufolge da
Karneadcs das Meinen des Weisen nur nicht gerade billigen Hat;
dass er es missbilligt habe, behauptet er nicht. Es ist nöthig dies
zu bemerken: denn sonst könnte man leicht Cicero eines Wide^
Spruchs zeihen, weil er anderwärts sich auf Kameades beruft d«
ebenfalls die Ansicht, der Weise werde bisweilen eine Mdnof
haben, nicht durchaus verworfen habe (112: si, cum ego nihil diee-
rem posse conprehendi, diceret ille sapientem interdum opinari, bm
repugnarem, praesertim ne Carneade quidem hnic loco valde re]Rif
nante).
*) Praep. ev. XIV 7, 15: koywv fihv ovv dywyy ^/^troro i iNÄ
o jAgxEaOMoq* xa) yaQ avrog ijrf-rtjSsve r^v elg kxareQa ijux^l^^^'
xal navxa aveaxfvaC,€ xa vnb rwv aXXmv XfyofiBva* fiovtp Ä /rff
nFQ} ^noxfjg Aoyw ngog avrov Si^aty, tpag dSvvatov Bivat A'Ä^wJW
oyra Tiegl anuvxwv inex^tv ötaipoQov Sl- eivai d&ijXov xal ixttti'
?j}7rTov, xal navxa fihv elvat dxaxdhjTixa, ov ndvxa Sh a&>iXa. ft
ist möglich, wie erst Gaisford und dann wieder Thedinga de "Snmt^
S. 6 vermuthet hat, dass auch dieser Abschnitt aas der Schrift du
Numcnios excerpirt ist.
°) Derselbe gibt adv. dogm. I 172 als Ansicht des Kaneadtf
von der undeutlichen und unwahrscheinlichen Vorstellung anter Ai*
EntwickeluDg der akademischen Skepsis. 175
ao8 dem Alterthmn sammeln können, hat sich sonach für
Metrodoros entschieden. Natürlich kann uns diess, so lange
derem Folgendes: np — f^t^^ avrr^v fXTJre tb noirjoav adrjyv rgavotq
h^lxvwrBixi €v ni(pvxev rjfiag neld^stv odö^ elg avyxatd&eatv ini-
9n&a9ixi. Diess setzt voraus dass nach Karneades* Ansicht die wahr-
idieinliche Vorstellung {md-av^ <pavxaala) auf unser Handeln nur
wirken sollte vermittelst der Zustimmung {avYxaxa^eoiq) die wir ihr
n Theil werden lassen. Dass aber Karneades eine solche Zustim-
anog gestattet habe, ist es ja gerade was Eleitomachos bei Cicero
lengnete. Denn unter adsensio oder adsensus können wir doch nur
an die avyxard^eaiq denken, wogegen probatio und dergleichen
AaadrQeke wohl das griechische Ttsl&ead'ai wiedergeben sollen (vgl.
8. 166, 1). Dass Cicero ein andermal (Acad. pr. 37) avyxettdd'Baig
durch adsensio atque adprobatio übersetzt und somit beide Worte
ak Synonyma behandelt, kann gegen die Annahme jenes Unterschie-
det nichts beweisen, da an dieser letzteren Stelle nicht Cicero selber
spricht sondern Lncnllus, der Vertreter des Antiochos, für die Lehre
des Antiochos aber diese feinere Unterscheidung bedeutungslos war.
Ausserdem finden wir bei Sextos 188 f. das avyxatcctli^ead^ai zweimal
lof die wahrscheinlichen Vorstellungen angewandt. Nach dem, was
im Text über Antiochos bemerkt wurde, dürfen wir in diesem Um-
stiod eine Bestätigung dafür sehen, dass eine Schrift dieses Philo-
sophen Ton Sextos benutzt worden ist. Für den Abschnitt über Kar-
oeades wird diess wahrscheinlich durch 162, wo als Gewährsmann
Antiochos ausdrücklich genannt wird; in Betreff der ganzen Darstel-
Inig» von der dieser Abschnitt nur ein Theil ist, vgl. Excurs 1. —
Aber Sextos hat die Ansicht des Karneades noch einmal Pyrrh. I
^ff. dargestellt. Und auch hier setzt er voraus, dass Karneades
die Zostimmong zu gewissen Vorstellungen gestattete, vgl. 228. 230.
h wenn er die Skeptiker den Akademikern von der Richtung des
Karneades entgegensetzt als solche die ohne eine Meinung zu haben
{'thSaattog) den Lebensgewohnheiten und natürlichen Empfindungen
■ich überlassen (226. 231), so spricht er damit aus dass Karneades
die Meinung (do^a) zugelassen habe. Da femer, was er Arkesilaos
(232) nachrühmt er habe die Epoche auf Alles ausgedehnt, ihn Kar-
neades gegenüber charakterisiren soll, so folgt daraus, dass nach
SeztoB* Ansicht Karneades die Epoche bis zu einem gewissen Grade
eingeschränkt hatte. Sextos also schliesst sich in der Auffassung der
176 I^ie verschiedenen Formen des Skepticismiu.
die Gründe, die auf diese Entscheidung Einfluss hatten, wß
bekannt sind, nicht zwingen ebenso zu urtheilen. Indesse
karneadischen Skepsis auch hier an Metrodoros an. Trotsdem aenii
er unter den Vertretern dieser Art von Skepsis nicht bloss den Kir
neades sondern mit ihm zusammen den Kleitomachos (2d0: di nff
KaQvsaörjv xal KXsixofiaxov). Um diesb zu erklären bleibt, wou
wir nicht xal Kleixo^axov für den Zusatz eines Interpolators hiUti
wollen, nichts weiter übrig als die Annahme dass, wer so schriib^
damit die Anhänger der neuen Akademie schlechthin bezeidmca
wollte. Freilich könnte derselbe dann von der zwischen Kleitomick«
und Metrodoros in der Auffassung des Kameades hervorgetretnni
Verschiedenheit nichts gewusst haben. Eine solche UnwisseiÜMH
aber einem späteren Autor zuzutrauen hat ebenso wenig Bedenke!
wie die in diesem Fall nahe gelegte Vermuthung dass Sextoe biff
seinen Bericht nicht unmittelbar aus einer älteren Quelle wie Ab-
tiochos sondern aus der Schrift eines Späteren, wahrscheinlich ein«
Pyrrhonecrs geschöpft hat. Zur Bestätigung dieser Vermuthung dieit
dass der von Sextos an dieser Stelle gegebene Bericht Aber die Ab-
demiker auch noch in anderer Beziehung von dem in der Schxift
gegen die Dogmatiker befindlichen abweicht. In der letzteren ist foo
den drei Stufen der glaubwürdigen Vorstellung die niedrigste die wr
d^avti (pavtaala, die folgende die m^avii Sfjia xal dits^anaaxo^ ood
die höchste die ni^avti a/xa xal aneglanaaroq xal öis^wSsv/ämi, lo
den pyrrhonischen Grundzügen dagegen folgt auf die m^vlj f. t^
nächst höhere Stufe die m&av^ xal öie^wSeviuhrj und die höehiti
wird bezeichnet durch m^avfi xal nBQiwSei^fi^vrj xal aitB^lcnaci!^
Dass die Bestimmung der zweiten und dritten Stufe nicht willkfirlick
war und wechseln konnte, zeigt die Vergleichung folgender SteUd*
Pyrrh. I 229: itQOXQlvovaiv ovv ol ix r^c viag kxaötifilaq tfc ^
nif^avtji; anXaiq rtjv Tii&ayrjv xal neQiwöfVfiitnjv (pavxaalav, dfif^
(jwv Ak Tovxtüv r/)r Tiid^avriv xal 7i6(iiw6ft^piSvtjv xal dne^Untaartif'
dogm. I 184: uv xqotxov iv Xiji ßto), oxav fihv neqü fuxQov n^ffufi^;
J/yTttJ/zf r, tva fid(}xvQa dvaxgivofiev, oxav öh nfQl fieiCflvoq, nhlanf»
oxav 6* txi fiäXkov tcbqI dvayxaioxigov, xal l'xaaxov twv fiaffxv^t^
Xiüv i^txdi^ofiev ix xiji; Xiuv äXlwv dvd-ofioXoyijoewg, aihof, fostf d
ngQl rbv Ka^vedd?iv, iv fjitv xot^; xv/ovai nQayfmoi t§ m&ixv§ fU^
<pavxaaicc xfiixrigUo /(»oJ^fifa, tV 6b xolq 6ia(pk(}0vai xj dneQiaifdfftf*
iv dt xoiq TiQog Bvöatfioviav ovvxbIvovoi xy nBQuaÖBv/jiirf/. Ans dl«'
Entwickelung der akademischen Skepsis. 177
nd wir doch auch mit unseren Mitteln noch im Stande die
iehtigkeit dieses Urtheils wenigstens wahrscheinlich zu machen.
Iben Grande verdient es Beachtung, dass in den beiden Berichten
) Beispiele für die dneglanaotog (pavrccalcc verschieden gewählt
id, in den pyrrhonischen GrundzQgen (228) von Herakles und Al-
lÜB, in der Schrift gegen die Dogmatiker (180) von Menelaos und
Jena hergenommen werden. Um die (pavxaola nfQKoösvfihrj zu
Intern dient zwar an beiden Orten dasselbe Beispiel das von
Mm zasammengerollten und im Dunkeln liegenden Seile herge-
■men ist, aber auch hier geht es ohne Abänderungen im £in-
nen nicht ab. — Aus diesem Anlass bemerke ich dass bei Cicero
\ zweite und dritte Stufe in eine zusammengezogen zu sein schei-
0. In Lucullus' Vortrage Acad. pr. 33 lesen wir: sive tu probabi-
ft visionem sive probabilem et quae non inpediatur, ut Carneades
lebat, sive aliud quid proferes quod sequare. Die Worte quae
B iopediator scheinen das griechische dne^ianaarog wiedergeben
tollen. Dieselbe Unterscheidung ist aber offenbar auch im Fol-
nden (35) gemeint: quod est igitur istuc vestrum probabile? nam
I quod cuique occurrit et primo quasi aspectu probabile videtur,
confirmatur, quid eo levius? sin, ex circumspectione aliqua et
Gmta consideratione quod visum sit, id se dicant sequi, tarnen
itam non habebunt. Und hier weist die Beschreibung der zwei-
D Art des probabile auf die (pavraala Tte^KoSev/nivTj. In Ciceros
)nt6llen scheinen daher die dneglaTtaarog und die nsgKoöBvfiivrj
uinmen geflossen zu sein. Ja wenn wir uns streng an seine Worte
dten, so hätte Karneades nur eine Art des probabile anerkannt
>d als Grandlage des Handelns gelten lassen. So gehören in der
iten der angeführten Stellen die Worte „ut Carneades volebat*^
r za „sive probabilem et quae non inpediatnr^S Und in einer
f den Bericht des Kleitomachos zurückgehenden Stelle (99) heisst
: sie qnicquid acciderit specie probabile, si nihil se offeret quod
• probabilitati Uli contrarium, utetur eo sapiens. Ebenda lesen
r 101: et quaecunque res eum sie attinget, ut sit visum illud
otMibile neque ulla re inpeditum, movebitur. Derselbe Gedanke,
i abermals auf Kleitomachos zurückgeführt, findet sich 104: ne-
9 tarnen omnia ejus modi (s. über diese Worte S. 165, 1} visa ad-
>bari, sed ea quae nnlla re inpedirentur. Die flrklärung für diese
rttellnng Ciceros liegt wohl in dem was uns Seztos dogm. I 184
Hirx«l, Unternnchmigen. KI. 12
178 I^ie verschiedenen Formen des Skepticismiis.
Karneades ist der Erste, der das Jtid-avov in die akademisclie
Skepsis eingeführt hat, Arkesilaos sagte dafür Bvloyov.
Diess ergibt sich aus der Darstellung bei Sextos (vgl dazu
S. 150 ff.). Bedürfte es dafür noch einer Bestätigung, so
würde dieselbe darin liegen dass erst seit Kameades die
Mitglieder der skeptischen Akademie sich auch als Rhetoren
einen Namen gemacht haben :^) denn diess erklärt sich yoD-
sagt. Hiernach wäre es die Meinung des Karneades gewesen, dus
man nur . bei gleichgiltigen Dingen {iv roTg tvxovai UQayfAaai) lieh
der Tti&av^ fiovov (pavraala bedienen sollte. Von diesen gleiek-
giltigen Dingen sah Cicero ab, wie wir vermuthen dürfen. Es blie-
ben ühri^ die Dinge von Belang (6ia(piQovta ngayfiaxa) and die
welche sich auf unsere Glückseligkeit beziehen (ra n^hq evöcu/iovkv
awrelvovra); für jene war die dneQlanaaxoq, für diese nur die x^
QiioÖBvfihri bestimmt. Cicero konnte daher sagen, in wichtigen An-
gelegenheiten überhaupt lasse Karneades nur die dn^Qianaaxoq oDd
niQKüSsvftevrj gelten, und auf diese Weise leicht zu. einer Yerweclis>
lung beider, wenigstens in der Darstellung, geführt werden.
^) Die Beredsamkeit des Karneades war berühmt, ebenso die
seines Schülers Charmidas. Dass von den Vorträgen des ICameadei
die Rhetoren angezogen wurden, bemerkt Diog. IV 62: roaoikavi^
('(f^vaev iv (piXoaoipifc , warf xal rovg ^ijzoQaq dnoXvaat^ag ix w'
axoXwv TcaQ* avtbv iivai xal aiuiov dxovsiv. Ausdrücklich ein Bhe-
tor wird Metrodor von Skepsis genannt bei Cicero de erat III 7^
(vgl. dazu Strabon XIII 1, 55. Ebenda 66 wird von einem Diodor,
Zeitgenossen des Mithridates, gesagt dass er aus der akademischen
Philosophie, dem Processiren und der Rhetorik Profession machte).
Philon wechselte zwischen rhetorischen und philosophischen Yortr^eB
ab. Wenn daher Kleitomachos Charmidas und Hagnon gegen die
Rhetoren polemisirt haben, so würde diese Polemik, so weit sie nicht
bloss das Complement zur Vertheidigung war und lediglich der Be*
gründung des skeptischen Zweifels auch nach dieser Richtung dieate,
wohl ebenso aufzufassen sein wie die der Platoniker und insbeMa*
dere des Aristoteles gegen Isokrates. Auch was aus dieser Foleaih
Sextos math. II 20 ff. mittheilt, kann uns in dieser Meinung nieht
irre machen, da für diese Vorwürfe nach Sextos* eigener Aagth«
Kritolaos, also ein Peripatetiker, ebenso verantwortlich ist wie Kleito-
Entwickelung der akademischen Skepsis. 179
komm^ nur dann wenn wir annehmen dass erst seit ihm
das Ziel der akademischen Skepsis mit demjenigen zusammen-
fiel welches die Rhetoren dem Redner steckten, dem xid-opov.
Was bedeutet nun Jtid-avov? Die Stoiker (Diog. VII 75)
definirten es durch ro ayov elg ovyxardd'eoiv ; und dass
sie in diesem Fall sich an den geltenden Sprachgebrauch
anflchlossen, zeigen Piaton und Aristoteles, die mit jtid'apov
sowohl als jtsld'Biv die do^a als Wirkung verknüpfen.^) Die
nächste durch den Sprachgebrauch gegebene AufiEassung des
Xi^avov war also diejenige, wonach es die oxr/xarad-ECiq
oder öo^a bewirkte. Es ist aber nicht wahrscheinlich, dass
Kameades das Wort jtid-ai'ov neu einführte und gleichzeitig
seme ursprüngliche Bedeutung änderte: denn wozu wählte
er dann dieses Wort vor anderen aus wenn ihm doch dessen
eigenthümliche Bedeutung nicht zusagte? Vielmehr wird wie
überall so auch hier das Natürliche das Erste, das Künst-
liche das Zweite gewesen sein; die künstliche Erklärung aber
ist diejenige welche die Zustimmung oder Meinung als Wir-
kung von dem Jtiß-avov abtrennt, sie wird daher wohl nichts
sein als eine Ausflucht deren man sich bediente um Kar-
neades vor solchen Angriffen zu retten wie Lucullus-Antiochos
bei Cicero Acad. pr. 59 (vgl. S. 173, 1) einen gegen ihn
richtet
Behält so wie es hiernach scheint Metrodoros mit seiner
aachos und Charmidas. Der gemeinen Rhetorik insofern sie eine
s^ttndige Knnst, unabhängig von der Philosophie sein will, gal-
ten solche Anklagen, nicht deijenigen welche eine Disciplin der Phi-
loiophie ist. Diess bestätigt Cicero de orat. I 84 : Charmadas — cum
Bixime tarnen hoc significabat, eos, qui rhetores nominarentur et qui
<licendi praecepta traderent, nihil plane tenere neque posse quem-
qoam facultatem adsequi dicendi nisi qui philosophorum inventa di-
^Inet.
«) Bei Plat. Theaitet p. 201 B fragt Sokrates rb mtaai 6' ovy)
^Ücai kiyeK: noitjaai; was Theaitet bejaht.
12*
180 I^io verschiedenen Formen des Skepticisrnns.
Auffassung Recht, dann ist es überflüssig noch ein Woi
weiter darüber zu verlieren, dass die Aenderung, weld
Karneades mit der Skepsis des Arkesilaos vomahm, ein
Annäherung an den Dogmatismus bedeutet Aber auch de
Fall gesetzt dass die Auffassung des Kleitomachos ricbti
wäre, so würde doch auch dann, mit der Einführung lediglic
des jttd-avov, ein erster Schritt auf der Bahn des Dogmatil
mus gethan sein, da dieses Wort seiner Natur nach, wie wi
eben sahen, die Zustimmung und Meinung im Gefolge hat uni
deshalb nur zeitweilig davon losgerissen werden konnte.^)
') Bedeutungsvoll und charakteristisch für Kameades ist di(
Einführung des ni^avbv noch aus einem anderen Grunde. Wir hab«
schon gesehen (S. 150, 3 Schi.), dass das fvXoyov ein Wahrscbeio
liches ist dessen Inhalt Vemunftgebote sind und das sich nicht loi
den Sinneseindrücken ableiten lässt Bei dem Ttid^avbv dagegen ii
der Sinneseindruck wenn auch nicht immer das Entscheideode, i
doch das Erste und Grundlegende. Zur Erläuterung des mHvh
wird in den pyrrhonischen Grundzügen (I 228) Folgendes beigebracht
olov iv oixo) oxoTfivw TToawg xeifuvov oyotvlov ^aneiQafilvov m^Hm
ankwq (pavraaia ylvstai dno rovrov (bg diib Oipscag nji d&QOWQ imtö
ek&ovTi' Tai /ibwoi 7if(ßioxo7i/jaavTi dxQißcjg xal Sieqodtvaxyti tt
Tiegl avTo, oiov ozi ov xiveizai, ort xb ^(iixi^a toXov iavi, xal w
ä).kü)v txaoTov, (paivsrai oyoiviov xaza it^v (favraalav rtfv mBavii
xal 7tsQi(ü6ev/jibV7iv. Hier ist es ein Sinneseiudruck, von dem ans
gegangen wird; allerdings bemächtigt sich desselben nachher dii
vernünftige Ueberlegung, aber doch auch nur um ihn durch ander
Sinneseindrücke zu bestätigen. Demselben Beispiel begegnen wir ii
der Schrift gegen die Dogmatiker (187 f ). Auch in den Beispielt
des Herakles (.Pyrrh. I 228) und des Menelaos (dogm. I 180) finde
es beide lediglich auf Grund sinnlicher Eindrücke wahrscheinlich, de
Eine dass er die Alkestis, der Andere dass er die Helena vor sich ba^
Das Gleiche gilt von den übrigen Beispielen, dogm. I 170. 178. 18i
Dass nur Beispiele ausgewählt wurden welche einen ^nneseindrofi
voraussetzen könnte man indessen für zufällig halten. Nicht znOUli
aber kann es sein dass auch da, wo die Erläuterung nicht durch ei
einzelnes Beispiel gegeben wird sondern sich mehr im Allgemeine
£ntwickelung der akademischen Skepsis. 181
Es liegt im Wesen des Dogmatismus dass derselbe seine
ihren genauer bestimmt und mehr ins Einzelne durchführt
J diess der Skepticismus thut und thun kann. Wenn daher
imeades wirklich nicht bloss im Allgemeinen das Wahr-
leinlicho oder jiid^avov als den Grund unseres Handelns
igestellt sondern es seinem Hauptinhalte nach näher be-
dmet hätte, so wäre diess ein weiterer Schiitt auf der
hn des Dogmatismus gewesen. Dass aber Karneades diess
;haü, ist die Ansicht von Zellcr. Nach ihm (S. 517 fif.)
;e eine solche nähere Bestimmung darin dass Karneades
t, das Tti^avbv immer nur als Etwas gedacht wird das wir aus
i Sinnen schöpfen. So wird das Wesen der (pavtaoLa neQKoSsv-
'9 in der Schrift gegen die Dogmatikcr (183) folgendermaassen er-
tert: oiov ovivDV xatä tbv t^g XQiaecDi; xonov rov ts xglvovxoq
1 xov xQivofiivov xetl rov Si^ ov ?/ XQlaig, dTiooT^fiarog re xal
ni^ßarog, xonov xQovov XQonov SiaS-iaswg ivsQyeiag, txaaxov xciv
fmatv bnoiov iaxi ipvXoxQivovfiev (wohl <piXoxQivovfiev zu sehr.),
fihv XQivov, firj ri oipig tifiß},vxai {xoiavxtj yaQ ovaa a^sxog ^ozi
»C Xfiv XQlaiv), xb 6h xQiv6(nvov, fiti fuxQbv äyav xa&saxrjxe , xb
A' ov jy xQlaig, fit^ b dr^Q ^Oipegbg vnaQx^i, xb öl- djioaxtjfia, firj
fa Uav vnoxBixat, xb Sh dtdaxrjficc, /irj axyxt-yvxai, xbv 6h xonov,
^ttv>ig iaxt, xbv 6h XQ^^^^» f^^i ^«X^^ iaxi, xr/v 6h 6idS'faiv, fi^
fuoSrjg &e(OQ€Txat, xfjv 6h ivtQysiav, firj dnQ6a6txx6g loxiv. Vgl.
■erdem 188: xal ndliv, wg ngoelnov xxX. 171. 176 f. Was schon
fiQs sich ergibt dass die Vorstellungen um die es sich handelt
ht dorch irgend welche innere Tbätigkeit des Geistes heryor-
iifen sondern durch die Sinne uns von aussen zugeführt sind, wird
BÜich deutlich ausgesprochen dogm. 167: rj xoivvv <pavxaaia xivbg
naaia iaxiv, olov xov xb dtp ov ylvexai xal xov iv m yivsxat,
d<p* ov fihv yivexai <ag xov ixxbg vnoxnfikvov aioS^rfxov, xov tv
ß yivexai xa^dneQ dv^Qtonov. Diese Einschränkung des ni^avbv
' das Gebiet des Sinnlichen mag zunächst Bedenken erregen. Die-
^Km müssen aber schwinden vor der Ueberlcgung dass auch niaxig,
i doch denselben Begriff, nur in einem anderen grammatischen Ver-
ttaiss darstellt (vgl. dazu S. 150, 3 Schi.), von Piaton (Rep. VI 511 £,
I 534 A., Tim. 29 C) vorzugsweise gebraucht wurde um den durch
182 1)^6 venchiedenen Formen des Skepticismiu.
die Glückseligkeit dem Handeln als Ziel steckte und die»
wiederum in die Befriedigung der ersten Naturtriebe setite
Allerdings weist er selber darauf hin (S. 518) dass Kldto
machos versichert habe die wahre Meinung des Kameade
über diesen Punkt nicht zu kennen; hebt sich selber abe
dieses Bedenken durch die Bemerkung (S. 520), dass dl
Angabe des Klcitomachos insofern richtig sei als es sich ni
eine bestimmte Entscheidung über das höchste Gut handd
Aber auch wenn wir Klcitomachos' Angabe anders und 8
verstehen dass Kanieades über den fraglichen Punkt nidi
einmal eine auf Wahi'schcinlichkeitsgründe gestützte üeber
Zeugung hatte, ^) hat dieselbe, wie namentlich die eben an
die Sinneseindrücke erreichbareD Grad der Gewissheit zn bezeichnei
Das Verhältniss zwischen Eameades und ArkesUaos lässt sich dah«
was das Kriterion betrifft — dieses Wort im weiteren Sinne genoa
men — so fassen: Arkesilaos, für den das Entscheidende das Bvlop
war, wählte dazu die Vernunft, Kameades, der vom nidurov ansgini
die sinnliche Wahrnehmung. Sollte es ein Zufall sein, daas di
Skepsis hierin die treue Begleiterin des stoischen Dogmatismus if
in dem anfangs der loyog als Kriterien galt und erst bei Chiynp
wie es scheint durch jiQoXrjtpig und aicS^aig verdrängt wurde (if
Unters. II S. 197 f.)? Niemand wird diess annehmen wollen, sobm
wenn er bedenkt, dass der Einfluss der älteren Stoiker auf ArkeaÜM
sich im Gebrauche des Wortes xazoQ&offia kund gibt (Seztoa dogi
I 158) und dass die dialektischen Argumente des Eameades sm
Theil von Chrysipp entlehnt waren (Cicero Acad. pr. 87. ZeUerHI
S. 41, l\
^) Diess ist die richtige Erklärung. Die betreffenden Werte!
Ciceros Acad. pr. 139 lauten so: Calliphontem sequar, ci\ju8 qoidei
sententiam Carneades ita studiose defensitabat, ut eam probare etiai
videretur — quamquam Clitomachus adfirmabat numquam se inteOc
gere potuisse quid Carneadi probaretur. Damit kann aber Kletti
machos nicht haben sagen wollen, Kameades habe sich Ober di
höchste Gut keine wissenschaftliche sondern nur eine auf WahrscliefB
lichkeitsgründe gestützte Ueberzeugung gebildet. Denn offenbar ^
seine Ansicht dieselbe die wir noch anderwärts, z. B. Acad. pr. 1^
Entwickelung der akademischen Skepsis. 183
gestellte Erörterung gezeigt hat, kein genügendes Gewicht
um alle entgegenstehenden Gründe und insbesondere ab-«
weichende Angaben anderer Schüler des Kameades zu über-
wiegen. Zu jenem negativen hat aber Zellcr noch zwei po-
sttire Gründe gefügt, aus denen sich ergeben soll dass die er-
wähnte Bestimmung des höchsten Gutes wirklich der Ueber-
zeugung des Kameades entsprach. Es werde nämlich sagt er
(8. 518) die Sache doch auch wieder so dargestellt als habe
Kameades jene Behauptung, dass das höchste Gut in der
Befriedigung der Naturtriebe bestehe, in eigenem Namen
forgetrageu und sie nicht bloss den Stoikern gegenüber ver-
theidigt Von den ciceronischen Stellen, auf die sich Zeller
bemflt, scheinen diess allerdings zwei, wenn man sie für sich
»Dein betrachtet, zu beweisen.^) Man könnte dieselben noch
durch andere vermehren.*) Diess Alles sind solche Stellen,
finden: introducebat etiam Carneades, noo quo probaret, sed ut oppo-
oeret Stoicis. Dasselbe lesen wir de fin. Y 20: fruendi rebus eis,
qns primas secundum naturam esse diximus, Cameades uon ille
^nidem anctor, sed defensor disserendi causa fuit. Weun aber Ear-
neades wirklich nach Kleitomachos* Meinung eine auf Wahrscheinlich-
Mtigrftnde gestQtzte Ueberzeugung über das höchste Gut hatte, so
bnn er nicht nach der Ansicht desselben Philosophen diese Ueber-
Kngong bloss Disputirens halber und um den Stoikern Opposition zu
sacken ausgesprochen haben. Beides schliesst sich aus: wenn ich
dne bestimmte Ueberzeugung habe und sei sie auch nur auf Wahr-
Kheinlichkeitsgrflndc gestützt, so ist diess eben mehr als eine Be-
haoptong die ich bloss um zu streiten aufstelle, und umgekehrt wenn
^ etwas nur um Anderen zu widersprechen sage so liegt darin dass
^k» nicht meiner wirklichen Ueberzeugung entspricht. Zeller hat
ibo diese ciceronischen Worte in derselben Weise missyerstanden
wie die anderen mit Bezug auf welche ich diess S. 170, 1 nach-
SBwieten habe.
') De fin. II 35: ita tres sunt fines expertes honestatis, unus
^fittippi vel Epicori, alter Hieron jmi, Cameadis tertius. Y 22: nee
voo aha sunt quaerenda contra Cameadiam illam sententiam.
*) De fin. II 35 (nach den bereits ausgeschriebenen Worten):
184 ^^6 verschiedenen Formen des Skepticismus.
an deneu die betreffende Bestimmung des höchsten Gutes
als die Ansicht des Kameades bezeichnet und behandelt
wird. Wie diess aber zu verstehen ist, um das zu erkennoi,
muss man einen Blick auf den Zusanmienhang jener Stellen
werfen. Schon Zeller hat, aber fälschlich, angeführt fin.
V 20 d. h. eine Stelle in der es von Karneades heisst dass
derselbe die fragliche Ansicht nur Disputirens halber auf-
gestellt habe.^) Wenn daher bald darauf (22) dieselbe An-
sicht ohne Weiteres als die des Karneades bezeichnet wird,
so wissen wir jetzt wie wir diess zu verstehen haben und
dass wir darin nicht eine andere, von der des Kleitomachos
abweichende Auffassung finden dürfen. Aus demsdben
Grunde ist auch die Beweiskraft der anderen Stellen keme.^
Und nicht bloss bei Cicero sondern überhaupt fehlt es an
irgend einer Uoberlieferung, der zufolge das höchste Ghit in
reliqui sibi constiterunt, ut extrema cum initiis convenirent, at Ari-
stippo voluptas, Hieronymo doloris vacuitas, Carneadi frui principüi
naturalibus esset extremum. 38: de vacuitate doloris eadem sententU
erit; reicietur etiam Carneades, nee ulla de summo bono ratio va^
voluptatis non dolendive particeps aut honestatis expers probabitor.
Tusc. ¥87: si qui sunt qui desertum illud Cameadeum curent
defendere.
^) Fruendi rebus eis, quas primas secundum naturam esse dixi-
mus, Cameades non ille quidem auctor, sed defensor disaerendi
causa fuit.
') So wird zwar de fin. II 35 und 38 die betreffende Anackt
als die des Karneades behandelt. Wie diess aber zu versteheD ist
und dass wir hierin nicht eine von der des Kleitomachos abweicheode
Auffassung erblicken dürfen, lehrt was wir bald darauf (42) leses:
quae possunt eadem contra Carneadeum illud summum bonom difii»
quod is non tarn, ut probaret, protulit, quam ut Stoicis, quiboiciUB
bellum gerebat, opponeret. Ebenso war einem Missverst&ndniss tob
Täscul. y 87 vorgebeugt durch das was wir ebenda 84 lesen: nSH^
bonum nisi naturae primis aut omnibus aut maxumis frui, ut Caneads*
contra Stoicos disserebat.
Entwickelang der akademischen Skepsis. 185
lie Befnediguug der ersten Naturtriebe zu setzen einer
KÄÜven Ueberzeugung des Karneades entsprochen hätte.')
b scheint dass über diesen Punkt Metrodor und seine An-
linger mit Kleitomachos vollkommen übereinstimmten. Um
0 weniger sind wir daher berechtigt ihnen zu widersprechen.
Is müssten denn in der Sache selbst liegende Gründe sein,
ie uns dazu nöthigten. Einen solchen scheint Zeller (S. 517)
Dzudeuten. „Unter die Fragen", sagt er, „hinsichtlich deren
ine möglichst begründete Ueberzeugung für uns Bedürfniss
st» musste imn Karneades seiner ganzen Richtung nach vor
Dem die sittlichen Grundsätze rechnen; das Leben und
landein war es ja gerade, dem seine Lehi-e von der Wahr-
cheinlichkeit dienen sollte. So hören wir denn auch,
ass er die Grundfrage der Ethik, die Frage über
as höchste Gut eingehend besprochen hatte," Und
Uerdings scheint es ja consequent zu sein dass, wer einmal
as Handeln auf die Wahrscheinlichkeit gründen wollte,
och die einzelnen Fragen der Ethik und insbesondere die
nichtigste derselben, die Frage nach dem höchsten Gut, mit
Ifahrscheinlichkeit zu beantworten suchte. Aber diese Con-
öquenz scheint Karneades eben nicht gezogen zu haben.
^) Clemens Alex. Strom. II 179 Sylb. erwähnt Mitglieder der
^eren Akademie die das höchste Gut in die £poche setzten; damit
t aber, wie Sext. Pyrrh. I 232 zeigt, Arkesilaos gemeint (vgl. Cicero
<^ III 31). Auch die Späteren, müssen wir daher schliessen, stimmten
leitomachos bei, wenn derselbe es für unmöglich erklärte anzugeben
u Karneades für das höchste Gut gehalten habe. — Yarro in den
^ Menipp. Sesqueulix. fr. 24 f. (od. Riese) freilich scheint dem Kar-
ges die betreffende Ansicht zuzuschreiben, da er ihm aus der
Qerkennung leiblicher Güter einen Vorwurf macht. Abgesehen davon
^ dass wir den Zusammenhang der Worte nicht kennen so ist
cht zu übersehen dass auch er die Ansicht des Karneades der
'iMms gegenüberstellt: denn daraus ist zu schliossen dass er sie nur
^ der Polemik gegen die Stoiker kannte.
186 I^ic verschiedenen Formen des Skepticismiu.
Unter den drei Classen des Wahrscheinlichen (Sext. Pyrrl
I 227 S. dogm. I 166 ff.) könnte die Antwort, welche Kar
noadea auf die Frage nach dem höchsten Gut gegeben habei
soll, doch nur derjenigen zugerechnet werden, in der d«
Wahrscheinliche nicht bloss auf einem einzelnen Sinnesein-
druck für sich oder der Ueberoinstimmung desselben mit
anderen beruht sondern ausserdem noch durch die vernünf-
tige Erwägung bestätigt wird. Wie nun aber Kameades
das Wahrscheinliche überhaupt nur im Hinblick auf die
Glückseligkeit des Menschen zugelassen haben soU,^) so
scheint er insbesondere das Wahrscheinliche der erwähnten
Art ausschliesslich für diesen Zweck bestimmt zu haben. ^
Die Frage ist daher die, ob Karneades von der Art das
höchste Gut zu bestimmen die Glückseligkeit abhängen liess:
denn nur wenn diese Frage zu bejahen ist, sind wir zu der
Annahme berechtigt dass er versucht habe das Problem des
höchsten Gutes mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit M
lösen. Diese Frage muss aber verneint werden. Während
die Stoiker behaupteten, nur bei ihrer Auffassung des höch-
sten Gutes köime der Weise glücklich werden, vertheidigte
Kameades ihnen gegenüber die Ansicht dass die Tugend
*) Sext. dogm. I 106: dnairovfievog Sk (Karneades) xal ovro? n
xQirriQiov nQO(; re ryv toi ßlov dif^aywyyjv xal n^hg r^v t^q «Jäm-
fiovlag TtfQlxTfiaiv, Svvdfiei tnavayxaC^exai xal xa&* avxhv %tf^
rovTov ötaxarreod^ai, nQoaXa^ißdvotv rijv re niS'avrjv yarrcta/erv *»
Tjyv nid-avTfv afxa xal dnBQlanaarov xal Sit^vjSsvfxivfjv.
*) Sext. dogm. I 184: naQ^ tjv nlxlav ov xQonov iv x<3 ßlip, ofW
ßhv TifQl fxixQov TtQayfjiaxog ^fjXMfiev, sva fiaQXVQa dvax^vofif^t
oxav 6h tisqI ßel^ovog, Tckflovaq, oxav rf* sxi fiäXXov tisqI dvayxttto-
xiQOv, xal h'xaaxov xwv fiaQXVQOvvxtov t^fxd^^oftev ix xijq tmv SlO^^
di'^oftoXoyi^aeoßg , oi'xof, (paalv oi ttsqI xov KaQvedSriVy iv /ihr TO^
xvxovoi TtQay/naai xy mS^av^ fiovov (pavxaoia xgixrjQia) x9^f*^^'
Sh xotg Siatpigovai xy dnsQiaTidaxM , iv 6h roTg Tt^dg B^datfia/^'^
avvxeivovai ry 7t€Qi(o6evfiivy.
Entwickelnng der akademischen Skepsis. 187
Weisen immer glücklich machen werde ob er nun in
Bezug auf das höchste Gut die Meinung der Stoiker theile
oder einer anderen Philosophie sich anschlösse, selbst wenn
diese andere die epikureische wäre.^) Mit anderen Wor-
ten, die Art, wie wir die Frage nach dem höchsten Gut be-
antworten, ist für unsere Glückseligkeit vollkommen gleich-
giltig: Kameades würde daher sich selbst widersprochen
haben wenn er sich bemüht hätte gerade von diesem Problem
eine wahrscheinliche Lösung zu finden. Aber, wird man
einwenden, auch Karneades hatte doch eine Bestimmung des
Guten und seines Gegentheils gegeben und dieselbe als eine
wahrscheinliche bezeichnet.*) Ist nun unter diesem Guten
nidit die Befriedigung der ersten Naturtriebe zu verstehen,
die er doch das einzige Gut genannt haben soll?^) Oder
wenn diess nach dem Gesagten nicht angeht, was ist dann
das für ein Gut, das er glaubte mit Wahrscheinlichkeit für
ein solches ausgeben zu dürfen? Bei der Beantwortung dieser
M Cicero Tusc. V 83: et quoniam videris hoc velle, ut, quae-
cumque dissentientium phUosophorum seotentia sit de finibus, tarnen
viitos satis habeat ad vitam beatam praesidii, quod quidem Camea-
dem disputare solitum accepimus; sed is ut contra Stoicos, quos
itudiosissime semper refellebat et contra quorum disciplinam ingcnium
^ exarserat; nos quidem illud cum pace agemus. Auch das Fol-
f^de kann wenigstens theilweise zur Eenntniss von Karneades'
Verfahren benutzt werden.
") Sext. Pyrrh. I 226: öiaiplgovai 61 (die Mitglieder der neuen
Akademie, unter denen vor Allen Karneades zu verstehen ist) ij^nov
^Qo^loog iv xy rwv dya(^cjv xal twv xaxwv xqIobl' dyaS'bv yccQ xi
ffxaiv slvai ol kxaSij/jidixol xal xaxov ov/ (JifQ hß^^Q* dXXa fjiexä xov
J^ffu^ffi oxi Tti^avov iaxi fiäXXov o keyovaiv elvai dyaS'öv vnd()/stv
V to iyayxlov, xal inl xov xaxov ofioiatg, iifjuov dyaS-ov xi f} xaxov
'***' ktyovxcttv ovShv /uisxä xov md-avov elvat vofJ^siv ö <f>a/jitv d).V
^^daxtog knofiivwv X(p ßl(p, "va fji^ dvev^Qyr^xot (ofiev.
') Cicero Tusc. Y 84: nihil bonum nisi naturae primis aut om-
^vQs aut maxumis frui, ut Carneades contra Stoicos disserebat.
188 ^^6 verschiedenen Formen des Skepticismos.
Frage lässt uns die UeberliefcruDg im Stich; wir sind daher
genöthigt diesen Mangel durch einen Analogieschluss zu
ersetzen. Eine ähnliche Stelle wie in der Theorie des Ar-
kesilaos die Epoche, nimmt in der des Karneades, wenn wir
wenigstens der Auffassung Metrodors und der Meisten folgen,
das jtid-avov und die diesem ertheilte Zustimmung ein; Ar-
kesilaos forderte, dass wir überall die Epoche, Kameades,
dass wir das jiid-avor festhalten sollten. Arkesilaos hatte
deshalb, wie ausdrücklich überliefert wird (Sext. Pyrrh. 1 232)
das Wesen des Guten in die Epoche gesetzt: es war also
eine nahe liegende Consequenz, dass Karneades es ebenso in
das jtid-ai^op oder in die Anerkennung desselben setzte.
Und dass Karneades wirklich diese Consequenz zog, sind
wir um so eher berechtigt anzunehmen, als bereits Sokrates,
das Vorbild Beider, sich begnügt hatte das Wesen des Guten
in dieser rein formalen Weise zu bestimmen, indem er es
mit dem Wissen schlechthin, abgesehen von seinem beson-
deren Inhalt, identificirte (Zeller II 1 S. 123 f.). Mit dem Er-
gebniss dieses Analogieschlusses steht die üeberlieferung
wenigstens im Einklang, wenn sie dasselbe auch nicht mit
voller Bestimmtheit ausspricht. Bei Sextos Pyrrh. I 231
lesen wir: dXXa xai iv rolg tcqoq t6 xtXoq öia^tQOfUV tfji;
viaq [Axaöfjfiiag' ol /ilv yccQ xar^ avrijr xoö(itlö&-(U Xiyovxi^
ävÖQeq rrp jiiß-avo) jiQoöXQCoprai xara top ßiov, t/fiBlq (ß
TOlg lofioig xäi rolg ii^toi xn) rolg (pvOtxolg Tcad-BOiv 6^0-
(iBvoL ßiovfihP ddo^dörmg. Wenn der Unterschied, der zwischen
der Akademie des Karneades und dem Pyrrhonismus in der
Auffassung des Guten bestand, nicht bloss formaler Art war,
wenn er auch den Inhalt berührte — und das wäre der Fall
gewesen wenn Karneades das Gute in der Befriedigung der
ersten Naturtriebe erblickt hätte — , warum wird diess hier,
wo es doch darauf ankam diesen Unterschied zu bestimmen,
ganz übergangen? warum lesen wir nicht etwas wie ol fi^
Entwickelang der akademischen Skepsis. 189
— avÖQSc reo jii&^avtp jrQOöxQoifisvoi xata rov ßlor
XQcixwv xara g)vöiv oQeyorrai? Noch auflfallender
iass in dem zweiten Bericht den Sextos dogm. I 166 ff.
die Ethik des Karneades gibt und der ausführlich
l ist, nicht bloss im Allgemeinen das jitd-avoi^ schlechthin,
Rücksicht auf einen besonderen Inhalt desselben, als
Kriterien bezeichnet wird das uns zur Glückseligkeit
[ft (166 und 184), sondern dass auch unter den ein-
Q Fällen, die als Beispiele des jtiß-avov namhaft gemacht
3n, kein einziger sich auf die nähere Bestimmung des
d bezieht. Hatte wirklich Kameades eine solche Be-
unng gegeben, dann musste diese doch vor allen anderen
Beispiel eines Wahrscheinlichen angeführt werden von
die menschliche Glückseligkeit abhängt. Auch hier ver-
indet das Auffallende sobald wir annehmen dass nach
eades nicht das Wahrscheinliche, insofern es auf einen
simten Inhalt sich bezieht, die Grundlage unserer Glück-
?eit ist sondern das Wahrscheinliche als solches: wir
1, war seine Meinung, uns im Urtheilen und Handeln
as Wahrscheinliche halten wie es uns in den einzelnen
n des Lebens mit dem verschiedensten Inhalt erfüllt
igentritt, so werden wir unsere Glückseligkeit am Besten
m, während ein Befolgen des djtifhavor uns mehr oder
er darin stören muss. — Der Annahme dieser Ver-
lang, dass Kameades, ähnlich wie Arkesilaos in die
he, das Gute in das jtLd-avov oder dessen Anerkennung
zt habe, scheint sich indessen ein Umstand entgegen-
Uen. Arkesilaos, kann man sagen, hatte die Epoche
^(Xoc; bezeichnet:^) entsprach also in der Ethik des
*) Wenigstens gibt Sextos Pyrrh. I 232 als Ansicht des Arkesi-
xihx; fdv e'ivai Tr)v ^noyj}v. Dazu stimmt Cicero de fin. III 31:
lidam Academici constituisse dicuntur, extremum bonorum et
190 ^^^ verschiedenen Formen des Skepticiunns.
Karneades der Epoche das Ttid-avoVy so hätte Kameadi
dieses als das xtXoq auerkannt Somit schiene auch diei
Annahme in Widerspruch zu kommen mit der Stelle di
Tusculanen, aus der wir entnahmen dass Kameades di
Iiöchste Gut überhaupt nicht näher bestimmt habe. Ab
zwischen riXoq und riXoq ist offenbar ein Unterschied. Od
woher käme es denn, dass Karneades, wenn er die verschi
denen Ansichten über das höchste Gut besprach, die d
Arkesilaos überging? ^) Das höchste Gut, das Karneades i
Sinne hatte, wenn er die nähere Bestimmung desselben fi
unnütz erklärte, ist offenbar der höchste Gegenstand unser
Strebens, das letzte Ziel auf das wir alle unsere Handlung)
richten. Als solches kann die Epoche nicht angesehen werde
da sie nicht der Inbegriff der Glückseligkeit sondern m
das Mittel sie zu erlangen ist; wenn sie trotzdem gelten
lieh als riXoq bezeichnet wurde, so kann diess nur in de
Sinne geschehen sein, dass sie die höchste Aufgabe d
Weisen (summum munus sapientis Cicero fin. III 31) ee
sollte. Das riXoq oder dyaO-ov dieser letzteren Art näh
zu bestimmen konnte aber Karneades unmöglich für übe
flüssig halten, da er dann auf jede Normirung der Hau*
lungen behufs unserer Glückseligkeit hätte yerzichten müsse
Daher bestimmte er selber es näher als das jtiB-ccPov od
dessen Anerkennung d. h. or gab das Mittel an das i
Glückseligkeit führt, das eigentliche Wesen dieser letzttfi
aber zu bestimmen hielt er für uiinöthig.*)
summum munus esse sapientis obBistere visis assensasque suos In
sustinere. Vgl. S. 185, 1.
') Diess müssen wir daraus schliessen, dass ihrer bei Cice
Tusc. V 83 ff. nicht gedacht wird. Vgl. auch de fin. II 35. V 16
Acad. pr. 138 ff.
^) Die gegebene Darstellung ruht auf der Voraussetxang, di
Karneades zwischen der Glückseligkeit die wir erstreben and de:
EntwickeluDg der akademischen Skepsis. 191
Die in der Skepsis des Kameades wahruehmbaren Keime
Dogmatismus wurden von seinen Nachfolgern weiter
Mittel wodurch wir sie uns verschaffen genau unterschied. Unter
Amithme derselben Unterscheidung erklärt sich noch etwas Anderes
du man bisher auffallend gefunden hat, und das ist, dass Karoeades
ie Tugend vom höchsten Gut ausgeschlossen haben soll. Zeller
(S. 531) will dafür nur die ungenaue Darstellung Ciceros verantwort-
iidi machen, da nach Karneades eigentlicher Meinung die Tugend
vom höchsten Gut d. i. dem ersten Naturgemässen nicht zu trennen
lei. Er beruft sich deshalb (S. 521,1) besonders auf de fin. Y 18 f.:
hier werde von der Ansicht, welche das bonum und honestum (denn
M moss man Zellers Worte nach dem Zusammenhange verstehen,
obgleich Cicero nicht von bonum und honestum sondern vom höchsten
6at oder der Glückseligkeit spricht) in den Besitz des Naturgemässen
tttst, gesagt, nach ihr seien die prima secundum naturam die prima
ift ftDimis, quasi virtutum igniculi et semina. Diese Worte enthalten
tlaeii Irrthnm. Nicht das sagt Cicero, dass die prima secundum natu-
mn und die quasi virtutum igniculi et semina zusammenfallen, son-
to dass zu den enteren auch die letzteren mit gehören. Ich setze
nun Beweise Ciceros Worte her: ab eis alii, quae prima secundum
Mtoram nominant, proficiscuntur, in quibus numerant incolumitatem
ttoiervationemque omnium partium, valetudinem, sensus integres, do-
loris vacoitatem, viris, pulchritudinem, cetera generis ejusdem, quo-
nuB aimilia sunt prima in animis, quasi virtutum igniculi et semina.
Ergibt sich nun hieraus wirklich, dass auch Karneades ein solches
^tes Naturgem&sses im Geiste angenommen und dafür die Keime
der Tugenden gehalten habe? Diese Folgerung nicht zu rasch zu
lieben, muss uns warnen was wir bald darauf lesen. Denn hier wird
^e Ansicht des Karneades als eine, welche die Tugend vom höchsten
C^Qt aosschliesst, denen des Aristipp und Hieronymos an die Seite
gestellt (20), davon aber die der alten Akademie, die die Tugend mit
IQ das höchste Gut aufnimmt und nach Zeller (S. 520) mit der des
Kirneades identisch sein soll, unterschieden und mit denen des
Killiphon und Deinomachos verbunden (21). Und dasselbe wird uns
i'wdrQcklich gesagt in diesen Worten (22): nee vero alia sunt quae-
'^da contra Cameadiam illam sententiam: quocumque enim modo
m&mam bonum sie exponitur ut id vacet honestate, nee officia nee
virtates in ea ratione nee amicitiae constare possunt. So bestimmt
192 I^ie verschiedenen Fonnen des SkepticismoB.
entwickelt. Wie die Schüler des Sokrates so gingen »
die des Karneades in der Auffassung der Grundgedanl
sprechen diese beiden Stellen, dass sie nns wenigstens nöthigen
Worte, welche Kameades eine andere Ansicht zuzaschreiben schia
noch einmal genauer anzusehen. Hierbei stellt sich heraoi, (
streng genommen das was die „alii'S d. i. Kameades, nun er
Naturgemässen zählen nicht über die incolumitas nnd derglik
hinausgeht. Denn nur mit Bezug auf dieses Natorgem&sse heln
„nnmerant*^ Was dagegen Ober das Naturgem&sse im Geeiste ben
wird, hat keineswegs eine Form die uns zwänge es aofrafuMo
im Sinne des Karneades gesagt: es wird nämlich nur gesagt (
auch im Geiste sich finde was dem Yorhergenannten ähnlieh
dass die „alii^* schon diese Aehnlichkeit heryorgehoben hättra y
mit keiner Silbe angedeutet. Wir können daher ebenso gut
Worte „quorum similia — semina'* für einen freien Zusatz CSe
halten, der damit aussprechen wollte nicht was Karneades soBi
was er selbst Alles zum ^rsten Naturgemässen rechnete. Und
werden und müssen diess thun, da wir nur so Cicero von eil
Widersprach befreien wie er sich ihm kaum zutrauen lässt: d
auch bei seiner Flüchtigkeit ist es doch nicht denkbar dass er
einem Philosophen eine Ansicht zuspricht die er ihm gleich dai
mit dürren Worten wieder abspricht Besser hatte Ober jene 8t
Madvig zu de fin. S. 819^ geurtheilt: in libroY denique 18 cum Cm
„prima in animo*^ vult e&e „quasi virtutum igniculos et semii
incaute aliquid admiscuit ex illo fönte, de quo dicam paalo f
Eine andere Stelle, auf die sich Zeller stützen könnte, ist fin. I?
Hier glaubt man zunächst in den Worten „omnibus aut maxi
rebus eis, quae secundum naturam sint, fruentem vivere*' die Bail
mung vor sich zu haben, die Kameades vom höchsten Gut gege
haben soll. Zur näheren Erklämng dieser Worte dient aber was
unmittelbar darauf lesen: hoc non est positum in nostra actk
conpletur enim et ex eo genere vitae, quod virtute fruitur, et ez
rebus, quae sunt secundum naturam neque sunt in nostra potMt
Ausdrücklich wird hier in das höchste Gut die Tugend mit aa
nommen. Zellers Auffassung scheint also Recht zu behalten, i
doch nur unter der Voraussetzung, dass das höchste Gut, von i
hier gesprochen wird, wirklich das des Kameades ist und g€
diese Annahme muss uns bedenklich machen, dass Karneades in <
Entwickelang der akademischen Skepsis. 193
Bod letzten Ziele ihres Meisters auseinander. Die Einen,
ab deren Vertreter wir schon Kleitomachos, den Haupt-
Zoaimmenhang der fraglichen Worte nirgends genannt wird. Statt
Niner treffen wir nelmehr vorher auf den Namen Polemons und
McUier auf Xenokrates und Aristoteles. Kein Zweifel daher, dass
X lieh hier um das höchste Gut der alten, von Antiochos erneuerten
üodemie handelt. Von diesem ist aber das des Kameades wohl zu
Dtfltscheiden. Das zeigt deutlich Cicero de fin. II 34 f. Auch hier
iiid aiudrQcklich Kameades denen beigezählt, die die Tugend vom
lOchiten Gut ausschlössen, und dasselbe in seinem Sinne auf das
fnl principiis naturalibus'^ eingeschränkt; von Polemon und Aristo-
^ dagegen wird gesagt, dass sie das höchste Gut in das „secun-
lom natnram vivere*' setzten, und dieses dann erklärt durch „virtute
lAibita frui primis a natura datis*'. Wenn nun trotzdem die frag-
ickeo Worte des vierten Buches das höchste Gut in der Weise
witimmen, wie diess Kameades gethan hatte, nur das erste Natur-
{CBlMe erwähnen von der Tugend aber schweigen, so trägt daran
limbar nur Giceros Flüchtigkeit die Schuld. Auch hier handelt es
deh wie im zweiten Buche um eine Erklärung des „secundum natu-
timvivere*' (vgl. 14: cum enim superiores, e quibus planissime Polemo,
weondom naturam vivere summum bonum esse dixlssent, his verbis
lia lignificari Stoici dicunt) und zwar ebenfalls im Sinne der alten
Akademie. Dass dazu auch das „adhibita virtute" gehört, haben wir
ichon gesehen; wenn daher Cicero dasselbe hier fortlässt, so ist diess
ib blosser FlAchtigkeitsfehler. Das beweisen zum Ueberfluss die
naittelbar folgenden, schon angeführten Worte. Denn hätte Cicero
Btt bewusster Absicht den Inhalt des höchsten Gutes auf den Genuss
^ Katnrgemässen eingeschränkt, so hätte er auch die Tugend mit
i>ter das Naturgemässe rechnen müssen, während er sie doch gleich
Itt&of dem Natnrgemässen entgegensetzt und so von ihm ausschlicsst.
^ auf diese zweite Stelle kann sich daher Zeller nicht mehr be-
"oieQ, and es wird daher wohl bei Ciceros ausdrücklicher Erklämng
^ Bewenden haben dass Kameades die Tugend vom höchsten Gut
^ttgescUoesen habe. Man braucht hieran nicht mehr Anstoss zu
t^Iunen als daran dass der ebenfalls der Akademie angehörige
^^undriner Eudoros In seiner Eintheilung der Ethik den Tugenden
^9ftal) und den Gutem {dyaOd) je ein besonderes Kapitel zuwies
^b. ekl. II 50). Uebrigens hatte Kameades mit dieser ünter-
Hirsel, UnUrsaclianffen. HI. 13
194 IHe verschiedenen Formen des Skepticismos.
Schriftsteller der Schule, kennen gelernt haben, erklärten
ihn für einen Yollkommenen Skeptiker. Diesen trat Metrodor
gegenüber, und zwar, wie wir bereits gesehen haben, in dar
Frage wie weit Kameades die Urtheilsenthaltung ausgedehnt,
ob er ein Meinen des Weisen zugelassen habe. Metrodor
hatte diese Frage bejaht. Dabei war er aber nicht stehen
geblieben. Er leugnete überhaupt, dass Kameades die Mög-
lichkeit des Begreifens und Erkennens schlechthin bestritten
habe; nur dem Wissen, das die Stoiker allein dieses Nanos
für würdig hielten, habe seine Polemik gegolten.^) Mit dieser
Scheidung, die er zwischen der Tugend und den Bestandtheilen der
Glückseligkeit machte, schwerlich die Absicht die Mond auf eigene
Füsse zu stellen und von dem Streben nach Glückseligkeit onab-
h&ngig zu machen. Was er wollte war offenbar nur eine begrüFliche
Scheidung: der Begriff der Tugeud, behauptete er, sei ein anderer
als der der Glückseligkeit. Dass diese beiden in der Wirklichkeit
des Lebens eng zusammengehören, hat er gewiss nicht geleugnet:
yielmehr wird er die Tugend als das geeignetste Mittel beieichBet
haben uns in den Besitz aller der Güter zu setzen, deren Genoff
die Glückseligkeit ausmachen sollte. Nur um den Stoikern in wid6^
sprechen, wie überliefert wird, stellte Karneades diese Ansicht tob
höchsten Gut auf. Und dieser Zweck giebt sich auch deutlich in ihr
zu erkennen. Den Stoikern ging das Wesen der Glückseligkeit in
der Tugend auf, der Genuss {tjdov^) war davon ausgeschlossen und
galt ihnen nur für etwas Accidentelles. Dem gegenüber behauptete
nun Kameades, dass gerade im Genuss das Wesen der Glückseligkeit
bestehe, die Tugend aber davon auszuschliessen sei da sie nnrelB
Weg zur Glückseligkeit, nicht diese selber sei. In keinem anderes
Sinne nahm er sich wohl auch der Ansicht Kalliphons gegenüber den
Stoikern an (Cicero Acad. pr. 139) als weil dieser den Genoss (fo*
luptas, T^Sovt'i) mit in das höchste Gut aufgenommen hatte. .
') Augnstin contra Acad. III 18, 41: qui (Philo) jam veluti
aperire cedentibus hostibus portas coeperat et ad Piatonis anctoß*
tatem Academiam legesque revocare; quamquam et Metrodon» id
antea facere tentaverat, qui primus dicitur esse confessus non decreto
placuisse Academicis nihil posse comprehendi sed necessario contn
Stoicos hiyusmodi eos arma sumpsisse.
Entwickelang der akademischen Skepsis. 195
iDsicht scheint er indessen unter seinen Zeitgenossen ziem-
ffih allein gestanden zu haben. ^) Erst Philon der Schüler
AB Eleitomachos nahm sie wieder auf und scheint sie näher
ertimmt sowie mit grösserem Nachdruck voi^etragen zu
aben.^) Auch seine Ansicht war es nicht von jeher ge-
^VKXL^ Allerdings war er von Anfang an Eameadeer und
lieb es bis zuletzt insofern auch mit der eben erwähnten
Lüsicht er nicht eine neue ihm eigenthümliche Meinung
Qssprechen sondern lediglich die des Karneades ausdrücken
rollte.^) Aber die Worte des Karneades Hessen eine ver-
diiedene Earklärung zu, und wie wir schon sahen, stritten
') Diess darf man daraus schliessen, dass er behauptete Alle
Itten den Karneades missverstanden (KaQveaöov nagaxrjxoivai
mag) nach Ind. Herc. col. 26, 4.
*) Sonst hätte sie Antiochos nicht als eine bis dahin in der
bdenüschen Schule unerhörte bezeichnen und Herakleitos der Schüler
V Eleitomachos und Philon ihm darin zustimmen können, wie diess
oeh geschieht bei Cicero Acad. pr. 11: at ille (Antiochus), Heracliti
umoriam inplorans, quaerere ex eo, viderentume illa Philonis aut
I nun Tel e Philone yel ex ullo Academico audivisset aliquando?
egtbtt. Noch eine Möglichkeit darf ins Auge gefasst werden. Wir
liMi nicht ob Metrodor auch als Schriftsteller thätig gewesen ist.
to daraus dass er im Ind. Herc. col. 26, 4 fiiyag xal ßl(p xal Xoyqf
eninnt wird, ergibt es sich noch nicht. In der Charakteristik aber,
^ Lncnllns bei Cicero Acad. pr. 16 von den einzelnen Akademikern
IM, wird an Metrodor nur seine genaue Bekanntschaft mit Kar-
ges herrorgehoben. Die Vermuthung ist daher wohl erlaubt dass
r dem Beispiel des Arkesilaos und Karneades folgend sich auf den
ländlichen Vortrag beschränkte. In diesem Falle ist es aber denkbar,
tts erst auB Philons Schrift dessen jüngere Zeitgenossen etwas von
inor Ansicht Metrodors erfuhren, und dann vollkommen erklärt wes-
^b dieselbe ihnen als eine bis dahin in der Akademie unerhörte
nehien.
*) Vgl. die in der yorigen Anmerkung angeführte Stelle.
*) Wenigstens hatte Metrodor den S. 194, 1 angeführten Worten
^^HPutins zufolge sie nicht für eine ihm allein angehörende sondern
IS*
196 Die verschiedenen Formen des Skepticismns.
Metxodor und Kleitomachos daiüber ob die Epoche absolut
zu fassen oder ob sie zu beschränken und dem Weisen das
Meinen gestattet sei. Indessen auf diese Verschiedenheit der
Auslegung kann sich der Wandel in Philons Ansichten nicbt
bezogen, Philon kann nicht bis dahin die absolute Epoche
vertheidigt und erst danach sich zu Metrodor bekehrt haben.
Denn wie hätte der Uebergang zu dieser Ansicht eine solcbe
Entrüstung bei Antiochos und Catulus hervorrufen können,
da es dieselbe Auffassung der karneadeischen Skepsis war
zu der auch diese sich bekannten?^) Das Neue, den Wider-
spruch der Genannten Herausfordernde kann also nur in
der Einfuhrung des Namens xarahjjcrop liegen. Dieses
Wort wollte Philon in einem weiteren Sinne brauchen als
die Stoiker thaten, die es auf solche wahre Vorstellungöi
einschränkten denen keine falsche jemals gleich sein könnte:
Philon entfernte dieses Merkmal aus dem Begriff, da er die
Möglichkeit derartiger Vorstellungen leugnete. Das war es,
wogegen sich die Polemik des Antiochos richtete. Er konnte
nicht zugeben, dass man nach Aussonderung jenes Merkmals
noch von einem xarakrjjcTov sprach, dass man mit diesem
Wort, das auf ein Erkennen und Wissen hindeutete, Vo^
Stellungen bezeichnete, die nur den Namen von wahrschein-
lichen verdienten und die auch Philon selber bis dahin niAt
anders benamit hatte. ^) Dass hierin, in der Verwendung
für die der Akademiker ausgegeben, unter denen in diesem Zosam*
menhange zuerst an Karneades zu denken ist. An Metrodor schktf
sich aber Philon an.
^) Ueber Antiochos* Auffassung der Karneadeischen Skepsis
s. S. 172 ff.. Ueber Catulus s. Cicero Acad. pr. 148. Dass der letstere
ebenso wie Antiochos Philon bestritten hatte, ergibt sich ans Cicero
a. a. 0. 12.
*) Bei Cicero Acad. pr. 18 sagt Lucullus: Philo autem, dam
nova quaedam commovet, quod ea sustinere vix poterat, quae cootrs
Academicorum pertinaciam dicebantur, et aperte mentitur, ot est
Entwickelung der akademischen Skepsis. 197
es Wortes xataXfjjtrov, Philons eigenthümliche, ihn von
linen Vorgängern in der Akademie scheidende Neuerung
sroht, bestätigt auch Soxtos Empeirikos, wenn er die Eigen-
tümlichkeit Philons darein setzt dass dieser die Unerkenn-
uleit der Dinge nur mit Bezug auf die stoische xara-
IXTtxri g>avracla, nicht aber hinsichtlich der Natur der
inge selber behauptet habe.^)
prehensus a patre Catulo, et, ut docuit Antiochus, in id ipsum se
iait, quod timebat. cum enim ita negaret quicqaam esse, quod
aprehendi posset — id enim volumus esse xaraXijnzov — , si illud
let, sicut Zeno definiret, tale visum — jam enim hoc pro tpavtaala
rbom satis hestemo sermone trivimos — , visum igitur inpressum
Setomque ex eo, unde esset, quäle esse non posset ex eo, unde non
let: — id nos a Zenone definitum rectissime dicimus; qui enim
4est qnicquam conprehendi, ut plane confidas perceptum id cogni-
nque esse, quod est tale, quäle yel falsnm esse possit? — hoc cum
finnat toUitque Philo, Judicium tollit incogniti et cogniti; ex quo
iicitar nihil posse conprehendi: ita inprudens eo, quo minime volt,
rolntor. qua re omnis oratio contra Academiam suscipitur a nobis,
retineamus eam definitionem, quam Philo voluit evertere; quam
R obtinemus, percipi nihil posse concedimus. Da den Anlass zu
Beer Neuerung in der Terminologie Philon offenbar von der Un-
)glichkeit genommen hatte Vorstellungen zu finden die wahr und
^dch von jeder falschen deutlich unterschieden sind, so konnte
itiochos in seiner Polemik die Erörterung dieses Punktes nicht
igehen. Wenn daher ein anderes Bruchstück, das uns aus dieser
>Iemik erhalten ist, sich gerade hierauf bezieht, so kann diess nur
r Bestätigung dafür dienen, dass die wesentliche und Aufsehen
behende Neuerung Philons in der Einführung des xaraXrjnxdv be-
uid. Jenes Bruchstück finden wir bei Cicero Acad. pr. 111: Ne
un quidem praetermisisti, Luculle, reprehensionem Antlochi — nee
fam, inprimis enim est nobilis — , qua solebat dicere Philonem
ttlme pertnrbatum: cum enim sumeretur unum, esse quaedam falsa
H^ alterum, nihil ea differre a veris, non attendere superius illud
re a se esse concessum, quod videretur esse quaedam in visis
fferentia; eam tolli altero, quo neget visa a falsis vera differre:
Ml tarn repugnare.
*) Pyrrh. I 235: ol 6h neQl ^Ikwvd ipaaiv oaov fiev inl r(f
198 ^ie verschiedenen Formen des Skepticismiu.
Diese Neuerung scheint indessen zu unbedeutend m
sein als dass wir in sie die wissenschaftliche Eigenthümlicbr
keit Philons setzen dürften , eine Eigenthümlichkeit die so
gross war dass sie ihm das Recht erwarb der Stifter der
vierten Akademie zu heissen. Ein blosser Unterschied in
der Terminologie, meint man vielleicht, würde diees nicht
bewirkt haben. Und doch wie viel hängt bisweilen in der
Philosophie am Unterschied der Worte 1 Wie wichtig war
es dass Karnc^es an die Stelle des evjLoyop das xiS-avip
setzte! Und so ist es auch keineswegs gleichgiltig dass
Philon das letztere oder wenigstens die höchste Art desselben
mit dem Namen des xaraZTjjtrov belegte. Damit war ih
Gegensatz, in dem die akademische Skepsis sich zum Dog-
matismus befand, zum Theil beseitigt und auf einen Gegen-
satz zu einer einzelnen dogmatischen Philosophie, der stoi-
schen, eingeschränkt. Nicht jedes Begreifen und Erkennen
hielt Philon für unmöglich, sondern nur das Begreifen und
Erkennen in dem Sinne den die Stoiker damit verbanden.
In einem weiteren Sinne dagegen, in dem es auch die Waluv
scheinlichkeit wenigstens des höchsten Grades bezeichnen
konnte, hielt er Beides für möglich. Und es mochte dieser
Sinn sein, in dem nach seiner Meinung dergleichen Worte
azü}i9e(jt xQiTTjQlip, rovriau xy xatalrjnTixfj (pavxaala, axaxah(iiW
elvai T« TtQaYfjiaxa, oaov 6b inl ty (pvaei x6)v nQuyiiatmv a^^
xaxaXrjnxd. D. h. unsere Vorstellungen vermögen aUerdings das wirk-
liche Wesen der Dinge ausser uns wiederzugeben, nur fehlt Qineo
ein Kennzeichen woran wir m jedem einzelnen Falle sehen könneo
ob sie Yon etwas Wirklichem oder Unwirklichem hervorgerafen sind.
Mit anderen Worten, Philon gab zu dass eine VorsteUung sein könne
dnb r7rd();covro$ xal xax^ avxb xö vnaQx^v ivanofiSfjiayfUvti xd
ivansoipQayiofjiivTj (Sextos dogm. I 248) und beanspruchte für eine
solche den Namen des xaxaXTjnxov; was er bestritt war nur die Be-
rechtigung des Zusatzes bnola ovx av yivoixo dnb (ir^ v7id(fxovt(fi,
den zu dieser Definition die Stoiker machten.
Entwickelung der akademischen Skepsis. 199
mk von anderen Philosophen genommen wurden. So hatte
PlatoD das, was den Inhalt der Naturphilosophie ausmacht,
m in der Form des Wahrscheinlichen {elxog) gegeben:
rotzdem coordinirten seine Schüler diese Disciplin der
Kalektik und Ethik und bezeichneten sie dadurch ebenfalls
b eine Art des Wissens. Und auch Aristoteles, obgleich
r sich des schwankenden Bodens, den alle ethisch-politischen
Irortenmgen unter sich haben, wohl bewusst war, hatte
aram doch den Ergebnissen derselben den Namen einer
Wissenschaft nicht versagen wollen.^) Auf sie mochte sich
aber Philon berufen wenn es zu beweisen galt dass auch
as nur das Wahrscheinliche umfassende Meinen den Namen
nes Wissens und Erkennens wenigstens unter Umständen
)rdiene, und er hatte dazu um so mehr Veranlassung da
') Die Annahme, dass Philon sich gerade auf die aristotelische
äiik berufen habe, wird einmal dadurch nahe gelegt, weil ja für
liilon die Philosophie fast nur Ethik war (vgl. Stob. ekl. II p. 40 f.).
an kommt aber noch dass die skeptische Akademie in der Beur-
leHoBg des wissenschaftlichen Werthes ethischer Betrachtungen aufs
eniaeste mit Aristoteles zusammentrifft. Man lese im Anfangskapitel
V Nikomachischen Ethik (p. 1094 b 10 ff.) Folgendes: 17 fihv ovv
^.Moq TovTwv i<pierai, noXiuxij tig ovoa' Xtyoito d* av Ixavwq,
xtnk XTiv vTC0xsifi4vt]v vXtjv Staaafprj&elrj' rb yaQ dxQißhg odx
«o/©9 iv Snaai roig Xoyoig int^^rjrriThv, oloneQ ovS* ev roig öedf}-
otf/yfißhotq. xa 61 xaka xal ror Slxaia, ne^l wv // nohrixri oxo-
^rr«, toöavTrjv ^x^t öiatpogäv xal n)MVTjv wars öoxelv vofxto fiovov
wri, tpvaei 6% firi. TOiavtrjv 6i xiva nXdvriv t/fi xal xdya&a Sid ro
^Ig avfißaivstv ßldßag an' adruiv rjSij yaQ rtveg dTftoXovro öia
«VToVy €t€QOi Sh St* dvÖQelav dyanijtbv ovv tibqI xoiovtwv xal ^x
tonwv Xiyovxag naxvlwg xal rvnip xdk^&hg ivöfixvva&ai, xal
gl xwv üßg ^nl xh nolv xal ix xoiovxmv )Jyovxag xoi-
xa xal avfjtneQalvea&ai. Hiermit vergleiche man Sext. dogm.
74 f.: o&ev xb xqixijqiov faxai fxlv 7) tpatvofjiivfi dXrj^g <pavxaala,
xal m^avrjv nQoatjyoQevov ol dnb xfjg ÄxaörjfAlag, i/inlnxei 6h
i' oxe xal tpfv6i}g, äaxt dvdyxriv l/,etv xal xj xoivy noxl xov
200 I^ie verschiedenen Formen des Skepticismus.
zwischen ihm und Autiochos doch auch darum gestritten
wurde wer von ihnen die altakademische Lehre vertrat*)
dXrj&ovg xal if^fvöovg (pavzaaia XQ^<^^^^' ^^ fiivroi 6ta ztjv cjuviof
ravrijv naQHfinrütaiv, Xt-ym 61 t//«»* fUfÄOVfiivrjg rtlkrjd^ii;, dmcTf[tiw
iarl zy vi q {InVi) to nolv d?,tj0^svovoy' z(jf yaQ atg inl to nolv
rag re XQi'atig xal tag TiQa^fig xavovl^sa&ai avfißißr^xn.
') Dass Philou wirklich, um seinen Gebrauch des Wortes arora-
Xrinzov zu rechtfertigen, auf die älteren Schüler Piatons zurückgingt
wird um einen Grad wahrscheinlicher durch Folgendes was Cicero
Acad. pr. 112 f. gegen Lucullus vorbringt: si — mihi cum Peripi-
tetico res esset, qui id percipi posse diceret, „quod inpressum esset
e vero^S neque adderet illam magnam accessioncm „quo modo in-
primi non posset a falso**, cum simplici homine simpliciter ageran
nee magno opere contenderem, atque etiam si, cum ego nihil dicerem
posse conprehendi, diceret ille sapientem interdum opiuari, non re-
pugnarem, praesertim ne Carneade quidem huic loco valde repugnante:
nunc quid facero possumV quaero cnim quid sit quod conpreheDdi
possit. respondet mihi non Aristoteles aut Theophrastus, ne Xenocrates
quidem aut Polemo, sed his minores: tale verum, qnale falsom ease
non possit, nihil ejus modi invenio; itaque incognito nimirom id-
sentiar, id est, opinabor. hoc mihi et Peripatetici et vetus Academift
concedit: vos negatis, Antiochus in primis etc. Vgl. auch was de fin.
y 76 Cicero, wir dürfen sagen von Philons Standpunkt aus, äussert:
nonne meministi (Worte Ciceros an Piso gerichtet) llcere mihi isU
probare quae sunt a te dicta? quis enim potest ea, quae probtbilU
videantur ei, non probare V „an vcro'^ inquit „quisquam potest probaie
quod perceptum quod conprehensum quod cognitum non habet?'* ,|1MB
est ita," inquam „Piso, magna dissensio: nihil est enim aliud qoiD
ob rem mihi percipi nihil posse videatur nisi quod percipiendi vi>
ita definitur a Stoicis ut negent quicquam posse percipi nisi tale
verum quäle falsum esse non possit. itaque haec cum illisest
dissensio, cum Peripateticis nulla sane. sed haec omittaDiB;
habent enim et bene longam et satis litigiosam disputationem. Dtf*
Philon in derselben Schrift, in der er seine Definition des xaxahi%^^^
zuerst aufstellte und vertheidigte, auch an die alte Akademie wieder
anzuknüpfen suchte, wird in hohem Grade wahrscheinlich durch
Cicero Acad. post. 13: „Antiochi magister Philo, magnus vir, ot tu
oxistimas ipse, negat in libris, quod coram etiam ex ipso audiebamos«
Entwickelong der akademischen Skepsis. 201
Diese Auffassung der Lehre Philous wird aber erst
dann auf volle Zustimmung rechnen kömien, wenn sich ge-
zeigt hat dass die abweichenden Ansichten Anderer nicht
Such halten. Eine solche hat E. Fr. Hermann aufgestellt
[in zwei göttinger Programmen de Philone Larissaeo, 1851
md 1855). Nach ihm bestünde die Eigenthümlichkeit Phi-
ons g^enüber seinen akademischen Vorgängern darin dass
ir nicht wie diese die Skepsis gegen jede Erkenntniss rieh-
efte sondern nur gegen die aus den Sinnen geschöpfte.
)agegen habe er wie Piaton eine Erkenntniss für möglich
(ehalten, die das wahre Wesen der Dinge jenseits der
linneseindrücke erfasste. Wenn er daher so heftig gegen
lie Stoiker stritt, so sei der Grund hiervon nicht gewesen,
buB diese überhaupt ein sicheres Wissen annahmen, sondern
rar dass sie dasselbe einzig und allein aus den Sinnen ab-
eiteten. Wir brauchen nicht auf alle einzelnen Gründe
einzugehen mit denen Hermann seine Ansicht zu stützen
'wsueht hat Die Hauptsache ist ob sich dieselbe an dem
)ewährt was uns Cicero Acad. pr. 18 (s. o. S. 196, 2) über
?hilons Lehre mittheilt: denn diess ist unstreitig das wich-
igBte Zeugniss, von dem jede Untersuchung über Philon
nsgehen muss, das auch vor dem des Sextos (Pyrrh. I 235)
len Vorzug vordient weil es nicht wie dieses verschiedener
Regung fähig ist. Hermann freilich hat ihm eine ver-
ichiedene Auslegung gegeben, von der es indessen fraglich
8t ob sie sich wirklich mit Ciceros Worten verträgt. Nach
Jennann nämlich hätten wir in diesen die Ueberlieferung
lass Philon nicht einmal für den Fall das Wissen der Stoiker
^ solches anerkennen wollte wenn es wirklich Vorstellungen
Inas Academias esse erroremque eorum, qui ita putarunt, coarguit/*
«est» inqnit, ut dicis; sed ignorare te non arbitror, quae contra Phi-
ionia Antiochus scripsit"
202 ^^6 verschiedenen Formen des Skepticismos.
der Art gäbe wie sie nach ihnen allem Wissen zu Grunde
liegen sollten, d. h. Abdrücke und Bilder von dem was ist
wie sie nicht entstehen können von dem was nicht ist (visom
inpressum effictumque ex eo unde esset, qaale esse non
posset ex eo unde non esset). Durch eine solche Behaup-
tung würde sich Philon allerdings, wie auch Hermann her-
vorhebt, wesentlich von Kameades unterschieden haben, der
unter der Voraussetzung dass Vorstellungen jener Art nach-
gewiesen würden auch ein Wissen nicht mehr leugnen wollte
(Sext. dogm. I 402): denn selbst diese Voraussetzung, die
Kameades noch übrig gelassen hatte, würde hiernach Phflon
aufgehoben haben, weil Vorstellungen dieser Art doch immer
aus den Sinnen abgeleitet sind, Philon aber eine durch die
Sinne vermittelte Erkenntniss für schlechthin unmöglich hielt
Von hier aus war dann nur ein kleiner Schritt bis zu der
Annahme dass Philon ganz wie Piaton kein anderes Wissen
gelten liess als das durch Anschauen der Ideen gewonnene.
Aber dieser höchst wichtige Schluss hängt eigentlich nur
an zwei Wörtchon, die den Anfang der Folgerung bilden.
Was Hermann von Cicero für bezeugt hält, ist, dass Philon
nicht einmal für den Fall dass sich Vorstellungen der
erwähnten Art nachweisen liessen, gestattet habe auf die-
selben ein Wissen zu gründen.^) Von diesem „nicht- einmal*}
an dem doch Alles hängt, ist nim aber bei Cicero nicht die
geringste Spur zu entdecken. Vielmehr lesen wir dort:
Philon habe nur unter der Voraussetzimg geleugnet da»
etwas Begreifbares existire wenn man dasselbe in der Wei»
*) Vgl. im zweiten der angeführten Progranune S. 11: PWJ®
autcm quomodo hac in causa vol ultra Cameadem progressus sit,
haud scimus an jam priorum Academicorum testimonio probetor (1^
ubi ne ita quidem comprehensionem concessisse traditur, si tile
Visum esset, quäle Zeno definlerat, „impressum effictumque ex eo vsA^
esset, quäle esse non posset ex eo unde non esset"
EntwiGkelung der akademischen Skepsis. 203
rieZenon gethan hatte definire.^) Uud dass, woran Philon
D der zenonischen Definition Anstoss nalim, nicht etwa der
Jmstand war, dass dieselbe diese allem Wissen zu Grande
legenden Vorstellungen aus den Sinneseindrücken ableitete,
ahren ebenfalls Ciceros Worte: denn deutlich wird hier der
losatz „wie sie nicht entstehen können von dem was nicht
^ als das bezeichnet worauf es ankommt und wogegen
ich Philons Polemik richtete.') Philon also statt über
laraeades hinauszugehen bleibt vielmehr, wenn man aufs
feeentliche sieht, auf dessen Standpunkt stehen.^) — Un-
edeutend ist was Hermann sonst noch zur Bestätigung
3iner Ansicht beigebracht hat So findet er z. B., dass
nter Annahme derselben sich besser erkläre weshalb An-
^08 gerade gegen Philon mit solcher Heftigkeit aufge-
reten sei: denn den Grund hiervon köime man jetzt darin
') Die Worte sind: cum enim ita negaret quicquam esse quod
onprehendl posset, si illud esset sicut Zeno definiret.
*) Es heisst nach Anführung der zenonischen Definition: id nos
Zenone definitum rectissime dicimus; qui enim potest quicquam
Dnprehendi, ut plane confidas perceptum id cognitumque esse, quod
st tale quäle vel falsum esse possit? Hierauf wird hinzugefügt: hoc
um hfirmat toUitque Philo, Judicium tollit incogniti et cogniti. Das
18 PhUon „entkräftet und aufhebt'S ist somit nicht die gesammte
'dfinition sondern nur der fragliche Zusatz. Dass es dieser war an
Bn Philon sich vorzüglich oder allein stiess, zeigen auch Ciceros
^orte Acad. pr. 112 (s. o. S. 200, 1), in denen er denselben als „illa
■Agni accessio** bezeichnet ohne die man sich wohl verständigen
tonnte. Zur Eenntniss von Philons Ansicht dürfen diese Worte
^nun benutzt werden, weil Cicero, der spricht, dort seine Ansicht
udrücklich von der des Kameades noch unterscheidet (praesertim
B Cameade quidem huic loco valde repugnante): wollen wir daher
icht annehmen, Cicero habe sich eine Ansicht ganz für sich gebil-
^ 80 wird dieselbe wohl diejenige Philons sein.
*) Auf Hermanns Irrthum in der Erklärung der ciceronischon
^orte hatte schon Zeller S. 592, 1 hingewiesen.
204 ^^6 verschiedenen Formen des Skepticismiu.
sehen dass Philon in der Bestreitung der stoischen Erkeimt-
nisstheorie noch mehr in die Tiefe ging als Kameades und
deshalb auch der von Antiochos erstrebten Versöhnrmg
zwischen Akademie und Stoa noch mehr im Wege war.*)
Und allerdings Hess sich im Allgemeinen unter Voraussetznng
von Hermanns Ansicht die Heftigkeit wohl erklären» mit der
Antiochos seinem Lehrer Philon entgegentrat Nicht genügend
aber erklärt sich die besondere Art in der sich diese Heftig-
keit äusserte: denn würde Antiochos wohl die Ansicht Philons
eine bis dahin in der Akademie unerhörte genannt haben
(Acad. pr. 11), wenn wirklich Philon einfach zur Lehre Pia-
tons zurückgekehrt wäre? Wie sich diese Aeussemng mit
unserer Auffassung Philons vereinigen lässt, ist früher (S. 195 t)
erörtert worden. Aber auch im Allgemeinen der Aerger, döi
Antiochos über Philons Neuerung empfand, wird bei derselben
voUkoDMnen begreiflich. Das Recht sich von seinem Lehrer
Philon loszusagen und eine Sonderstellung in der Akademie
einzunehmen hatte Antiochos darauf gegründet, dass er nicht
wie Kameades und bis dahin auch Philon zum Handeln und
zui' Sittlichkeit das Wahrscheinliche für genügend hielt son-
dern dazu das Wissen erforderte. Jetzt wurde ihm auf ein
Mal dieses Recht von Philon bestritten. Ein Wissen, sagte
dieser, ist auch was wir zur Grundlage des Handelns machen;
nur freilich nicht ein Wissen im Sinne der Stoiker. Und
wenn Philon nun, was ich zu zeigen versucht habe, weiter hin-
zufügte „aber ein Wissen im Sinne der älteren Schüler Piatons,
der Akademiker und Peripatetiker**, so berührte er abermab
Antiochos an einer empfindlichen Stolle: denn auf niAt»
') Im zweiten Programm S. 11: Atque sie etiam clarios intelH-
gitur, cur tanta illum acerbitate Antiochus insectatus sit adeoqo«
rationem ejus ab Academia alienam existimaverit, qoia id ipsom i**
dicitus sustulerat, quo invento semper spes fuerat fore nt Acadenuci
Stoicis manus dare cogerentur.
Entwickelung der akademischen Skepsis. 205
hat sich dieser so viel zu gut als dass er im Gegensatz zu
er skeptischen Akademie die echte, die alte akademische
«ehre wieder erneuert habe.
Die Auffassung Hermanns,*) wie sie bei schärferer Be-
lichtung nicht auf Beifall rechnen kann, hat deshalb auch
en Yon Zeller nicht gefunden. Aber auch was dieser an
ffen Stelle setzt, weicht von der unsrigen ab. Nach ihm
1594 f.) hätte Philon zwar ein voUkommnes Wissen, ein
egreifen geleugnet, darum aber doch nicht auf alle Sicher-
3it der Ueberzeugung verzichtet und nicht eingeräumt „dass
it der Begreiflichkeit der Dinge alles Wissen überhaupt
ehe und falle"; vielmehr hätte er eine Augenscheinlichkeit
igegeben, „die doch noch etwas anderes sei, als ein Be-
reifen, eine der Seele eingeprägte Wahrheit, an die wir uns
Uten, wenn wir sie auch nicht zu begreifen im Stande
den**. Zellers Ansicht gründet sich hauptsächlich auf Cicero
cad. pr. 34: simili in errore versantur, cum convitio veri-
itis coacti perspicua a perceptis volunt distmguere et co-
mtor ostendere esse aliquid perspicui, verum illud quidem
i*) inpressum in animo atque mente, neque tamen id per-
pi ac conprendi posse. „Karneades imd Klitomachus",
emerkt Zeller S. 595, 1, „welche unserem Wissen im besten
all einen hohen Grad von Wahrscheinlichkeit zugestehen,
^) Mit der im Wesentlichen auch Krische zusammentrifft, wenn
rOött. Stud. 1845, 2 S. 148 sagt: „Das Neue, was Philon abweichend
A seiner früheren kameadeischen Lehre mitten in der Analyse der
sumischen Definition der <pavtaala xaxaXrinxixfi aufgestellt, bestand
iftde in der Annahme einer wirklichen Erkenn toiss der Dinge, die
*« wie uns Sextos* Zeugniss (Pyrrh. I 235) bedeutet, der durch sinn*
cbe Anschauung bedingten stoischen entgegenstellend als eine auf
» innere Sein der Dinge gerichtete Yernunfterkenntniss festgehalten
iben muss.**
*) Dieses et wird wohl hinzuzufügen sein. Keinesfalls kann
^^un hier die Adversativpartikel sondern muss das Adjectivum sein.
206 I^ie yerschiedenen Formen des Skepticismus.
können sich noch nicht so ausgesprochen haben.^ Aber
sehen wir uns doch einmal genauer an, was Cicero vom
Augenscheinlichen (perspicuum) sagt. Vor Allem sind es zwei
Eigenschaften die er Vorstellungen dieser Art zuschreibt:
dass sie wahr und dass sie unserem Geiste eingeprägt seien.
Hat nun Vorstellungen, denen diese beiden Merkmale an-
hängen, nicht auch Kameades angenommen? So fragen wir
um so mehr als was Cicero ausserdem hinzufügt, dass aie
nicht Gegenstand einer begreifenden Erkenntniss sind, diesen
Vorstellungen ohnediess mit den wahrscheinlichen des Ea^
neades gemein ist. Was unterscheidet sie nun von den
letzteren? Etwa dass sie wahr sind? Aber dass es wahr sei
rechnet auch Eameades zu den wesentlichen Kennzeichen
seines Wahrscheinlichen und imterscheidet es eben hierdnrdi
von dem was bloss den täuschenden Schein der Wahrheit
an sich trägt. ^) Man darf nicht einwenden, dass das Wahr-
^) Bei Sextos dogm. I 174 unterscheidet er drei Bedeutungen
des Wortes mS-avov: ro 6h TuS-avdv wg ngbq xh naQÖv Xiysxat t(H'
X<Ji(;, xa&^ i'va filv XQonov xb aXri^iq xe Sv xal ^aivofievov ak^^
xa^^ i'xe^ov 6h xb tpev6hg fjihv xa&soxrixofg (paivoßsvov 6h «Ajy^fc
xaza 6h xqLzov xb xoivbv dfi(poxiQo)v. Nur das niS'avbv in der entoi
Bedeutung aber sollen wir nach Kameades unseren Handlungen m
Grunde legen, wie die auf die angeführten Worte folgenden bewei-
sen: oS-sv xb xgixiJQiov iaxai fxhv tj (paivo/xivrj dXrj^g (pavxaala, p
xal TCLy^ovriv nQoarjyoQSvav ol dnb x^g kxa6Tjfiiag, ifinlnxH 6* M
oxB xal tp6v6i^g, äaxs dvdyxTjv ^x^iv xal xy xoivj noxh xov dhi$wg
xal %i)sv6ovg tpavxaala ;^(>^(7^a£. Denn dass das mS'avbv hier nur ^
fpaivofJih'Tj dXrj^jg <p., nicht als dh^^rig xe xal <p. dl, bezeichnet wH
ist offenbar nur abgekürzte Ausdnicksweise, die beansprucht ans den
Vorhergehenden ergänzt zu werden. Das bei Sextos weiter Folgende
zeigt deutlich, dass ein Unterschied sein soll zwischen dem mOt^
als der wahren oder doch der Regel nach wahren und deijeoigea
Vorstellung, die das Wahre nur nachahmt, im Grunde aber fiJi^
ist: ov fiivxoi 6ia xr^v andviov xavxijg naQ^fjiTtxwoiv, kiyoß 6h f^Q f^'
fiovßivTig xdXi^S'ig, dmaxrjxiov iaxl xy w^ t^ noXv dXTj&evovöH- Als
Entwickelung der akademischen Skepsis. 207
scheinliche des Earneades» wenn es schon der Regel nach
das Wahre sei, doch bisweilen sich als täuschend erweise,
das Augenscheinliche dagegen niemals irre, immer wahr sei:
d^m Ciceros eigene Worte, die er den angeführten hinzu-
fügt, lehren dass dem nicht so ist, dass vielmehr auch das
Augenscheinliche trügen kann und keineswegs unbedingt
wahr ist.*) Auf das Prädicat „wahr" hat somit das Augen-
scheinliche Ciceros nicht mehr und nicht weniger Anspruch
als das Wahrscheinliche des Kameades. Aber das Augen-
scheinliche soll weiter der Seele und dem Geiste eingeprägt
sein. Dass nun Karneades in derselben Weise das Wahr-
scheinliche bezeichnet habe, dafür finde ich freilich keine
ausdrückliche Ueberlieferung, nichts desto weniger müssen
wir es schliessen weil er den verworrenen Vorstellungen die
wahrscheinlichen als die deutlich ausgeprägten gegenüber-
stellte^) und können diesen Schluss bestätigen durch eine
fi^^Ig TB xal fpaivofiBvai q>avxaalai werden die mS-aval von Sextos
in Verlaufe derselben Darstellung auch 182 bezeichnet, und kurzweg
nkr heisst eine Vorstellung der Art einmal 180. Vgl. auch Niko-
Imi fon Damaskos in Stob, fioril. von Mein. lY S. 234 Nr. 24: ol and
^^ kxadrjfäag vyieig fiiv (sc. liyovai tag ala^aeig), ou 6i' avzaiv
oforai laßeiv aXi^d-ivag tpavxaalag, o-u firiv dxQißeZg.
*) Quo enim modo perspicue dixeris album esse aliquid, cum
posBit accidere ut id, quod nigrum sit, album esse videatur? aut quo
BBodo ista ant perspicua dicemus aut menti inpressa subtiliter, cum
lit incertom, yere inanlteme moveatur?
*) Sextos dogm. I 171: xiig 6h (paivofjtivrig (sc. (pavraalag) äXt]-
^(ivq fj fjiiv rlg iaxiv dfAVÖga» wg ^ inl rdfv naga ßiXQoxrixa xov
^fi»Qov/iivov fi TtaQa Ixavov öidaxfifia tj xal naga dad-ii'Siav xrjg
ö^imq cvyxBXVfiiviog xal ovx ixxvnwg xi Xafxßavovxwv, // 6e xig /]v
<»w t^ ipalveaS'ai dXrj^g exi xal atpoSQov txovaa x6 (palvsa&ai av-
^^ dhi^. (üv ndkiv ij dfivÖQa xal ^xXvxog tpavxaala odx av etrj
*(f^^Qiov' x<p yccQ fJii]te ccvxrjv fjtrjxe xb noifjoav avxf/v xgavcjg iv-
^^Ixvva^i ov ni(pvx€v r^fiäg Tiel&etv ov6^ elg avyxaxd^saiv int-
208 ^ie verschiedenen Formen des Skepticismus.
andere ciceronische Stelle an der Kameades zwar nicht ge-
nannt wird aber doch aller Wahrscheinlichkeit nach unter
denen gemeint ist die von den Vorstellungen unserer Seele
wie von Eindrücken derselben sprachen.^) Um die Lehre
vom Augenscheinlichen erst Philon zuzusprechen könnte man
sich endlich auf den Namen •) berufen, dessen sich Kameades
zur Bezeichnung des Wahrscheinlichen noch nicht bedient
habe. Wollte man indessen als Beweis dafür NumenioB'
Worte geltend machen, wonach Philon durch die Augen-
scheinlichkeit {ivaQyetd) imd Uebereinstimmung der Eindrüdce
bewogen worden wäre von seiner Skepsis abzustehen,') w
würde diess voreilig sein; denn jedes Zugeständniss, das die
Skepsis dem Dogmatismus machte , Hess sich schliesslich als
eines bezeichnen, das die Augenscheinlichkeit und Ueberein-
stimmung der Wahrnehmungen dem zweifelnden Verstände
abgerungen hatte, auch ohne dass bei diesem Zugeständniss
der Name des Augenscheinlichen eine sonderliche Rolle
spielte. Auf der anderen Seite sprechen bestimmte Spuren
^) Acad. pr. 58: veri enim et falsi non modo cognitio, sed etiaiB
natura toUetar, si nihil erit quod intersit; nt etiam illud absardnn
Sit, quod interdum soletis dicere, cum visa in animos inpri-
mantur non vos id dicere, inter ipsas inpressiones nihil inte^
esse sed inter species et quasdam fonnas eorum. Vgl. auch dtf
„menti inpressa subtiliter" in der S. 207, 1 angeführten Stella
*) Wie Zeller richtig bemerkt, ist der griechische hagyk* ^^
Cicero durch perspicuum wiedergegeben hat. Es folgt diess aoi
Acad. pr. 17: — quod nihil esset clarius ivagysla, ut Graeci, per*
spicuitatem aut evidentiam nos, si placet, nominemus.
3) Bei Euseb. praep. ev. XIV 9, 1 (Thedinga de Numenio S. 45):
(itq 6h nQoiovToq fjthv rov XQOvov, ^^iri^Xov 6' vnd awqd'slaq w^
avxwv xr^q ^TtoxfJQ, ovöhv fikv xaxa xä avxä kavxto ivoei (sc. o ^
X(ov), ij 6s XMV nad^fiaxvDV avx6v dviaxQBipfv ivaQysid xe xal of*^
Xoyia, nokkriv 6rjx^ 1%^^ ^i^^ ^V*' 6iala^atv vneQsne&vfdSi ev M
oxi xwv iksy^ovxiov rr/f?v, 7va /m/} i66xsi fxexä vdixa ßakwv (rit^
kxüßv ipevyeiv.
Entwickelang der akademischen Skepsis. 209
r dass bereits Karneades diesen Namen auf sein Wahr-
inliches angewandt hatte. Dass er ein Augenscheinliches
kannte, ersehen wir aus dem was er bei Sextos dogm.
0 f. gegen die Dogmatiker vorbringt: denn wenn er hier
Vorhandensein eines Augenscheinlichen voraussetzt, so
er diess keineswegs nur im Sinne der Dogmatiker um
h die daraus sich ergebenden Consequenzen die Voraus-
ing selber als unmöglich zu erweisen, sondern diese
kossetzung ist der feste, von ihm nicht minder als von
m dogmatischen Gegnern anerkannte Grund, auf dem
folgende Beweis der Unmöglichkeit eines Kriterions
}) Längst bekannt war ferner was Eusebios praep. ev.
') Zuerst, wie es heisst, hatte Kameades im Allgemeinen zn
isen gesucht, dass keins von denen, die man gewöhnlich als Kri-
1 der Wahrheit aufstelle, in Wirklichkeit ein solches sei, weder
Temunft noch die sinnliche Wahrnehmung noch die Einbildung
irgend etwas Anderes, dass vielmehr alle diese Dinge uns tau-
i. Zweitens aber, wird fortgefahren, öeixvvaiv ön xal ei ean
^tt^Qiov Tovro, ov x^Q^^ '^^^ ^^ö rijg ^va^ysiag ndS'Ovg viplaxa-
insl yaQ aiad-rjrixy SvvdfAEi öiatpdQBi to ^diov tc5v ai/rv/oiv,
mq 6ia ravrtjg ^avTov re xal twv ixtbg dvrikrjTiTixbv ysv}]aexai.
ys aiaS^aig dxlvtjtog filv ovoa xal ditad^^g xal dxQsnxog ovze
neig iaxiv OVIS dvxiktinxixi] xivog, xganeiaa ös xal ntog naB-otaa
xijv XQßv ^vaQymv vnonxwatv, xoxe ivSelxvvxai xd ngdynaxtt,
Qa xm dnb xrjg ivaQyeiag 7id$-ei xrjg tpv/rjg t,r]XTjxiov ioxl xb
iifiov. xovxo 6h xb ndd-og avxov ivSsixxixbv 6<peikfi xvy/dveiv
xov ifinotijoavxog avxb (patvofA^vov, otisq ndS-og iaxlv ovx ^'^f*
T^g ifavxaalag. bd'fv xal (pavxaaiav ^tjx^ov elvai nd^^og xt negl
mv lavxov xe xal xov ^xfQov naQaaxaxixov. olov n()oaßkhpav-
xm, (fr^alv b Ävxloxog, öiaxiS^^fAeHd nwg xyv oipn', xal ovx ^^''
avxt/V öiaxBifJLkvriv laxofifv cy? tiqIv xov ßXkipai öiaxeiju^vrjv ft'xo-
xttxu fiivxoi xr^v xoiavxfiv dXXolwaiv SvoTv dvxika/bißavofjif&a,
fihv avxijg xF^g dXXoiwaewg, xovx^axt xf/g ifavxaaiag, öevxtQov
■OV XifV dkXoio)Oiv innoii^aavxog, xovr^axi xov oQaxov. xal ^nl
Mmv alaB^/jOfiov xb nagaTihfOtov. cianeQ ovv xb ifwg ^avxo
^(Ixvvai xal ndvza xd iv ccvxai, ovxm xal // (pavxaala, dgxfiybg
3irzel, UnterancliaDgen. III. 14
210 1)16 verschiedenen Formen des Skepticismns.
XIV 7, 12 (wahrscheinlich nach Numenios, s. Thcdinga S. 6)
berichtet: fiovcp 6' h^ rm jf^^Qi ij(ox?j(; Xoym 3€Qoq akov
ovaa r^g negl xb ^twov slöfjoswg, (pioxbq Sixrjv kavrijv tf i/iipaylj[,fiv
d(pfikei xal rov noirjaavTog avt^v ivagyovg ivöeixtix^ xa^fotam.
OfTenbar entspricht was in den angeführten Worten gesagt ist, d»
eigenen Ueberzeugung des Karneades. Denn das Vorhandensein der
Sinne und der Vorstellungen {ipavzaolai) konnte er nicht leugnea.
Da er nun beide an die ivd^ysia knüpft, so moss er auch dieier
eine gewisse Geltung eingeräumt haben. Das ivaQyig, wenn wir aui
Sextos* Worten schliessen dürfen, war ihm das Wirkliche ausser um,
insofern es Gegenstand qnseres Wahrnehmens und Yorstellens wird.
Für Vorstellungen dieser Art ergab sich dann von selber die Be-
zeichnung ^vttQyeTq (wie auch Epikur die Tr^oXr^ipig bald als inißolii
tnl ti ivuQylg bald als y/ ivaQyt^g rov TtQayfjiaxog inlvoia definirte
nach Clemens Alex. Strom. II 157 Sylb., wo jedoch inl vor njv ^wf^y?
als durch das vorhergehende tnl veranlasst zu streichen ist). INefl
sind darum noch keine wahren Vorstellungen. Vielmehr scUiesit
Karneades so: dass eben weil das Kriterien der Wahrheit, wenn ein
solches da sein sollte, nur in diesen Vorstellungen liegen könnte,
diese aber auch nicht immer wahr sind sondern bisweilen t&oscben,
es ein Kriterien überhaupt nicht gibt. Diess spricht sich in den snf
die angeführten Worte des Sextos folgenden aus: dkX* infl w w
xar^ d/.if&etav del noxe ivSeixvvxai, TtokXdxig 6h Stccyfsvösxm xd
ötaipcjvfi xotg dvan^fjuffaatv (xvxr/v ngay/naatv wg ol fiox^Qol r»'
dyybkwv, xax^ dvdyxtfv tjxoXovd-yae xb ^/} näaav ^avraolav 6vvao9«u
XQin'iQiov dTtoXeinetv dXrjS^elag, dXka fiovr^v, si xal d^a, rt/v dhi^
xxX. Immerhin haben die iva^yetg (pavxaalai vor anderen eioeü
Vorzug wodurch sie ihren Namen verdienen: es sind nicht leere
Himgespinnstc und Träume sondern Vorstellungen die durch etwts
Wirkliches ausser uns hervorgerufen werden, wie diess schon in det
zuletzt angeführten Worten liegt {xoXg dvan^fA^maiv adxt^v nqayf»'
aiv). Es ist derselbe Unterschied, auf den auch bei Sextos 170 hii-
gedeutet wird, also in dem Abschnitt in dem die positiven Ansichtes
des Karneades mitgetheilt werden : xovxoov de xwv tpavxaaimv i M^"
(pavBQüig ti'Bi^Srjg xal fit/ (fccivojnh'tj dXrj&^g TtaQayQaipifjiog i<ni **»
ov XQixriQiov, ^dv XB dnb imaQ^ovrog fxiv, Siaipatvwg 6h xw vndfX^^
xal /itj xax^ avxb xb vnaQji^ov, onola tjv t/ dnb ^HX^xxQag n(fO(fKf'
aovaa xäi ^Opiox^i, filav xmv ^Eqiivcov avxt^v 6o^dZovxi xxX, (IndeseeB
Entwickelang der akademischen Skepsis. 211
top ^QXBölXaov) diicxTj (sa 6 KaQVsddrjg), q>äg döi-
w slvai dvd-QfDXOV ovra jc^qX ajtdrrcov txixBiV öia-
}av d' sivai ddrjXov xal dxaraXrjjtrov, xal ütdvra
' slvai dxardXtjjtra, ov jtdvra 6b ddrjXa, Was
r der Gegensatz zu ddtjXa ist, hat man sich wie es scheint
it gefragt. Denn sonst würde man gefunden haben, dass
8 eben das Augenscheinliche {IvaQyiq) ist Stellen des
tos können diess lehren.^) Zeller durfte daher nicht
diese Worte vielleicht interpolirt. Bekker wollte, um den Zu-
nenhang herzustellen, vor Idv rs hinzufügen idv re dnb /itj
i^ovro^ ylvrixai. Diess geht aber deshalb nicht, weil dann diess
Beispiel der tpavBQwq ipsvSrjg xal /n?) tpaivoyihvri dkr^d^rlg sein
le, was es doch offenbar, wenn man sich auf Orestes* Standpunkt
t, nicht ist, vgl. auch 245 und 249). Es sind diess eben die
(tellongen, die Kameades niB^aval nannte. Auf die eigenthüm-
) Beschaffenheit derselben bezieht sich wohl auch der Name i/i-
fig (Sext. dogm. I 169, vgl. b/LKfairoftirrj 173); denn derselbe ist
1 wohl mit Bücksicht auf die stoische Terminologie getirählt wor-
. wonach diess Vorstellungen sind die auf uns den Eindruck von
lien machen die in etwas Wirklichem ihren Grund haben (Diog.
51).
^ Pyrrh. II 97 f. : xal nQodrjla /ilv sivai (paai ra i^ ^avratv elg
(ttv ff/iZv igx^/^^^^* <''''*' ^<^^' ^'' rifi^gav elvai, xad^dna^ Sl aötßa
4 niipvxsv eig rtjv jj/xsT^Qav TtlTireiv xardXfjtpiv, wg tu aQxlovg
i ravg daxtgag, ngog xaiQov rf^ äöjjXa ansQ x^v <pvaiv fjfovra
ifyri Ttagd xtvag ^Sat&ev TteQiOxdasig xaxd xaiQov fjfxtv dSijXslxai,
ifiol vvv fj k^i'aicDV nokig, (fvafi dl äSf^ka xa ^/) Xxovxa <pvatv
xifv tjfiBx^Qav ninxstv ^vägyfiav, wg oi votjxol noQoi. Offen-
sind hier ngoArilag und tvaQyrjg gleichwerthige Ausdrücke, die
le den Gegensatz zu dSijkog bezeichnen. Dasselbe erhellt aus den
inltionen beider Worte. Die von ngoSi^Xog wird a. a. 0. 99 so
edeutet: xa ixkv ovv ngoSrika fttj Seiod-ai arjfjieiov <paclv' iS ^f^^'
' yop avxa xaxaXafißdvea^at. Hiermit vergleiche man die offen-
identische des ^vagyfg dogm. I 364: xo i^ kavxov ),anßavo^ievov
fi>l6ev6g kxtQov ZQ^^ov eig naQaaraaiv. Derselbe Gegensatz zwi-
en iirilov und iva^lg tritt uns auch noch an folgenden beiden
14*
4
212 I^ie verschiedenen Formen des Skepticismus.
zwar die Ansicht, wonach nicht alle Dinge aSrjla sind,
Karneades zuschreiben, wie er diess der Ueberlieferung fol-
gend S. 515, 3 thut, diejenige aber, wonach es ein Augen-
scheijiliches gibt, fiir Philon aufsparen. Und dass auch Cicoro
unter denen, die ein perspicuum gelten liessen, nicht Philon
sondern Karneades verstand, erhellt noch besonders aus einer
an die Nachricht des Eusebios sich anschliessenden Betrach-
tung. Bei Cicero Acad. pr. 32 werden nämlich zwei Arten
der Skepsis unterschieden, eine tiefer einschneidende und
eine gelindere. Die Vertreter der letzteren werden mit fol-
genden Worten charakterisirt: alii autem elegantius, qni
etiam queruntur quod eos insimulemus omnia incerta dicere,
(luantumque intersit inter iiicertum et id quod percipi non
possit docere conantur eaque distinguere. Welches griechische
Wort Cicero durch incerta wiedergibt, sagt er selber 54:
ne hoc quidem cernnnt omnia se reddere incerta, quod
jiolunt; ea dico incerta quae a6r]Za Graeci. Wenn wirjetet
an Eusebios zurückdenken, so erkennen wir unter den Ver-
tretern der gelinderen Skepsis Karneades*) und nicht, was
die Meinung Zellers (S. 595, 1) und Hermanns (diss. II S. 13)
war, Philon und seine Anhänger.^) Mit diesen Vertretern
Stellen entgegen. Sext. dogm. I 360: ^rrel ovv ro i§ kti^ov Ajyjrror
avfupiovo)^ xfiTii navraq udtjXov ^art, Ttdrra 6h tx 7ia9^<5v tjfifjl^f
f'reQa ovza tovrwv kcx/H'^diftai, ndvta bar) r« ixroq aStfXa xd Ä«
tovro i/fitr äyvcoarcc' Sei yaQ flg rifv Toh' dtpavwv yrwaiv ivaQyk^
naQftrat, xal tovzov fit/ TCctQovtoq oi'xeTat xa) // ^xFivatv xataktfifi;-
368: «AA' htifq, "vcc yvwfiev Tflkr^H^q, dtt rt tlrai ivaQy^c, dkÖfOt^
Öl ndvra äötj/.a, ofwXoytireor äyvioarov flvai rdXri&ig. Vgl. nock
dogm. II 316.
M Diess war auch Krisches Meinung Gott. Stud. 1845, 2 8. 1^8.
*) Wollten wir annehmen dass die letzteren gemeint wären« w
würden wir Cicero in einen Widerspruch mit sich selber ?erwick«lD-
Denn in den Worten, die auf die im Texte angeführten folgen, ff*
klärt er ausdrücklich sich nur mit den Vertretern der gelindert
Entwickelong der akademischen Skepsis. 213
liner gelinderen Skepsis hält aber auch Zeller für iden-
iseh und muss man für identisch halten diejenigen, denen
»ald darauf (34) die Unterscheidung der perspicua von den
lercepta beigelegt wird: womit also aufs Neue bewiesen
fixe dass diese letzteren Karneades und seine Anhänger
kepsis befassen zu wollen: cum his Igitur agamus qui haec distin-
tuint: Ulos, qui omnia sie incerta dicunt ut stcllarum numerus par
s ifflpar Sit, quasi desperates aliquos relinquamus. Und diess Yor-
)rechen löst er auch weiterhin vollkommen ein. Wären es nun
irklich Philon und seine Anhänger mit denen er sich hier so ein-
3hend beschäftigt, wie vereinigt sich damit die 12 abgegebene Er-
linmg dass von Philons eigenthümiichen Ansichteu nicht weiter die
ede sein solle, wenigstens nicht eingehend? Eine gelegentliche
nr&hnnng und Berücksichtigung, wie sie 18 stattfindet, ist dadurch
itQrlich nicht ausgeschlossen. Und ebenso wenig widerspricht 111.
enn obgleich diese Worte sich auf 44 zurückbeziehen, so folgt doch
tnos nicht dass Lucullus an letzterer Stelle Philon im Auge hat,
i über den hier berührten Punkt Philon mit Karneades einer Mei-
lag war^ dasselbe Argument also von Lucullus gegen Karneades
ikehrt werden konnte dessen sich Antiochos Philon gegenüber be-
ent hatte. Dass Lucullus' Vortrag sich nicht gegen Philon sondern
igen Arkesilaos und Karneades richtete, wird 12 deutlich ausge-
brochen: sed ea pars, quae contra Philonem erat, praetermittcuda
t; minus enim acer est adversarius is qui ista, quae sunt hcri de-
nsa, negat Academicos omnino dicere: etsi enim mentitur, tamen
it adversarius lenior. ad Arcesilan Carneademque veniamus. An
rkesilaos und ausserdem vielleicht an die Pyrrhoneer ist bei den
ertretern der strengeren Skepsis zu denken, die Alles ohne Aus-
^e für äStjXa erklärten. Charakteristisch ist das die «dz/Acr cr-
Qtemde Beispiel: qui omnia sie incerta dicunt ut stellarum numerus
' an impar sit. Bei Sextos dogm. I 243 dient dasselbe um solche
>ntellungen zu bezeichnen, die ovte m^aval ovzs dnl^avoi sind:
rin dass er zwischen den Vorstellungen hinsichtlich ihrer nlatig
d dmaxla keinen Unterschied machte, beruht ja aber gerade die
(enthümliche Ansicht des Arkesilaos, die ihn ebenso sehr von Kar-
ides trennte wie sie ihn den Pyrrhoneern näher brachte (Sex tos
rrh. 1 232, vgl. dazu oben S. 150, 3).
214 1)^6 verschiedenen Formen des SkepticiBinus.
sind und sonach die Lehre vom Augenscheinlichen nicht für
eine Philon eigcnthümUche gelten kaun.^)
Aber wenn auch die Uebertragung des Namens xaxa-
XfjjiTov auf das Wahrscheinliche diejenige Eigenthümhdikeit
ist, die in Philons philosophischem Wirken am meisten her-
vortritt, so ist es doch keineswegs die einzige. Wenn viel-
mehr, wie wir gesehen haben, Arkesilaos und Karneades ihre
Skepsis von Sokrates ableiteten, ging Philon auf Piaton zu-
rück, so dass sich wie im Spiegelbilde dieselbe Entwickelung
wiederholt die die Philosophie schon einmal zurückgelegt
hatte. Dass nun Philon die Akademie wieder Piatons Auto-
rität und den von ihm gegebenen Bestimmungen unterwarf^
berichtet Augustin, ^) ohne dass wir Giomd hätten seiner
Angabe zu misstrauen. Da indessen ein solches Zurückgehen
auf Piaton in mehrfacher Weise erfolgen konnte, so ist die
Frage, was wir hier insbesondere darunter zu denken habcai.
Nach Hermaim (in der zweiten Dissertation) und Zeller
(S. 593 f.) hätte Philon den Inhalt der platonischen Lehre
wieder aufgenommen. Und zwar könnte dieselbe für ihn nidit
mehr eine bloss esoterische gewesen sein: denn wie sowohl
Hermaim als Zeller annimmt, hätte er bereits behauptet was
dann Spätere wiederholten, dass auch der Skepticismus des
Arkesilaos und Kanieades nur Schein gewesen sei und unter
ihm die Ueberzeugung von der Wahrheit der platonischen
Lehre sich verborgen habe; er hätte also zuerst den Schleier
') S. überdioss Excurs IL
*) C. Acad. III 18, 41: Philonis — hominis quantum arbitwr
circurospectissiroi , qui jam veluti aperire ccdentibus hostibus portal
coeperat, et ad Piatonis auctoritatem Academiam logesque re?ocare;
quamquam et Metrodorus id antea facere tentaverat, qui primos di-
citar esse confessus non decroto placuisse Academicis nihil po0^
conprehendi sed necessario contra Stoicos hujusmodi eos arma sotf*
psisse.
Entwickelung der akademischen Skepsis. 215
m Geheimniss gehoben, und konnte nun natürlich nicht
lehr ein Mysterium nennen was er soeben laut verkündet
itte. Wie verträgt sich aber hiermit die Ueberlioferung,
ie zwischen dem platonischen Dogma und der akademischen
cepsis nur die eine Versöhnung kennt dass jenes als die
oterische Lehre behandelt wird? Niemand sagt uns dass
liflon sich geradezu zur platonischen Lehre bekannt habe,
och Augustin, der Philons Platonismus am entschiedensten
arorhebt^ weiss doch zwischen ihm, der auf dem Weg zum
Monismus nur die ersten Schritte that, und Plotin, der
Sans Ende ging, sehr wohl zu unterscheiden.^) Und an-
uommen dass Philon wirklich die platonische Lehre für
ine eigene erklärt habe, wie kommt es dass Antiochos
eees Umstandes, den er doch dann vor allen hätte borück-
ihtigen müssen, in den Fragmenten seiner Polemik nie
rwähnung thut, dass er ihn vielmehr immer als blossen
^eptiker behandelt? Gilt diess gegen Zeller sowohl als
annami, so spricht gegen den Ersteren noch etwas Beson-
tres. Nach Zeller gab es für Philon nur eine Gewissheit,
e anmittelbare, nicht durch Gründe und Beweise ver-
ittelte: war also Philon von der Wahrheit der platonischen
jhre überzeugt, so muss sie ihm etwas unmittelbar Gewisses
iwesen sein das auch ohne Beweis und Schlussverfahren
^) Nachdem er nach den in der letzten Anmerkung angeführten
orten des Antiochos Erwähnung gethan, fügt er hinzu: Sed huic
reptis iterum illis armis et Philon restitit donec moreretur, et
mes ejus reliquias TuUius noster oppressit, se vivo impatiens labe-
'tari vel contaminari quicquid amavissot: adeo post illa tempora
^ longo intervallo omni pervicacia pertinaciaque dcmortua os illud
itonis, quod in philosophia purgatissimum est et lucidissimum, di-
^ nubibus erroris emicuit, maxime in Plotino, qui platonicus phi-
lophos ita ejus similis judicatus est, ut simul eos vixisse, tan tum
tem interest temporis ut in hoc ille revixisse putandus sit.
216 Die verschiedenen Formen des SkepticismuB.
durch sich selber einleuchtet. Wer wird aber für möglich
halten dass Philou sich in dieser Weise über das Wesen der
platonischen Lehre täuschte? Denn wenn auch dieselbe auf
einem unmittelbar Gewissen ruht, den Ideen die nur in der
Anschauung gegeben sind, so ist doch das eigentliche Ge-
bäude derselben nur ein daraus abgeleitetes, durch unzählige
Schlüsse und Beweise vermitteltes Wissen: Philon wäre daher
in oflfenbaren Widerspi-uch mit sich selber verfallen, wenn
er einmal von der Wahrheit der platonischen Lehre sich
bis zur Gewissheit überzeugt erklärt und dami doch wieder
nur diejenige Gewissheit anerkannt hätte die an dem Augen-
scheinlichen haftet.
Die Ansicht dass Philon platonischer Dogmatiker ge-
wesen sei unterliegt aber noch anderen Bedenken. Die bis-
herigen waren aus der Sache geschöi)ft und müssten daher
verstummen oder doch zurückstehen, wenn wirklich eine
glaubwürdige Ueberlieferung auf Philon als denjenigen hin-
wiese der den platonischen Dogmatismus als die unter dem
Schein der akademischen Skepsis verborgene esoterische
Lehre bezeichnet hätte. Prüfen wii- die angebliche Ueber-
lieferung daher genauer. Insbesondere ist es der heihge Au-
gustin auf den man sich beruft (Zeller S. 594, 1. Hermann
II 15 f.). Zeller verweist auf c. Acad. III 17, 38 und 18,40.
Und allerdings spricht hier Augustin als seine Ueberzeugung
ausj dass wie das Wahrscheinliche (eixog, verisimilo) ein
Wahres voraussetze so auch die akademische Skepsis einen
dogmatischen Inhalt zum Hintergrund habe, und dieser sei
kein anderer als die platonische Lehre gewesen, m deren
Dienste die akademische Skepsis überhaupt gestanden unJ
schon Arkesilaos seine Polemik gegen die Stoiker gefuhrl
habe. Diesem Zeugniss des Kirchenvaters legt Zeller namen^
lieh darum Gewicht bei weil es zunächst auf Cicero, übei
diesen hinaus aber auf Philon als den letzten Gewährsmaon
Entwickelung der akademischen Skepsis. 217
h zurückfübreu lasse. Es fragt sich ob bei schärferer
trachtuug diese Aufifassung sich bewährt. Zeller beruft
ii auf Augustins Worte a. a. 0. 20, 43, iii denen allerdings
ler, der an die akademische Geheimlehre nicht glauben
I, einfach an Cicero verwiesen wird. Lassen wir indess
36 Stelle vor der Hand bei Seite und sehen uns einmal
Abschnitt an der den die Gcheimlehro der Akademiker
engenden Worten vorausgeht. Hier (17, 37) ist vom
iprung der platonischen Philosophie aus der pythagore-
ieu und sokratischen und sodann von deren Eigenthüm-
ikeit die Rede die namentlich in die Scheidung einer
ipelten Welt gesetzt wird, einer Welt des Wahren an die
i das Wissen knüpft und einer Welt des Wahrschein-
len die nur ein Meinen duldet. Dieser Auseinandersetzung
len folgende Worte voraus: quid igitur placuit tantis viris
tt den skeptischen Akademikern ist die Rede) perpetuis
pertinacibus contentionibus agere, ne in quemquam caderc
i scientia videretur? Audite jam paulo attentius, non
id sciam sed quid existimein: hoc enim ad ultimum
ßnabam ut explicarem si possem quäle mihi videatur esse
am Academicorum consilium. Also nicht was er weiss
idern nur was seine Ansicht ist will Augustiu uns mit-
üen. Damit stehen in Einklang die Anfangsworte des
jenden Abschnitts (38): haec et alia hujusmodi mihi
lentur inter successores ejus quantum poterant esse ser^
a et pro mysteriis custodita. Würde Augustin sich so
U ausgedrückt haben, wenn er den Inhalt seiner Mit-
ilung aus einer älteren Ueberlieferung schöpfte? Gewiss
ht; vielmehr weist die Form der Worte darauf hin dass
' hier lediglich eine Vermuthung des Kirchenvaters vor
J haben mit der er die Ueberlieferung ergänzen wollte,
i überliefert fand er vor dass der akademischen Skepsis
e Geheimlehre zu Grunde lag; von sich aus fügte er
218 ^^6 verschiedenen Formen des SkepticismoB.
hinzu dass diese Geheimlehre mit der platonischen Lehie
identisch war. Aber, wird man nun einwenden, Augustin
weist uns ja selber an der schon angeführten Stelle an Cicero
als denjenigen der über die Mysterien der Akademiker Aus-
kunft geben könne. Die betreffenden Worte sind diese: hoc
mihi de Acadomicis interim probabiliter ut potui persuasL
Quod si falsum est, nihil ad me, cui satis est jam non ar-
bitrari non posse ab homine invejiiri veritatem. Quisquis au-
tem putat hoc sensisse Academicos, ipsum Ciceronem audiat
Ait enim illis morem fuisse occultandi sententiam suam nee
eam cuiquam nisi qui secum ad senectutem usque viiisset
aperire consuessc. Quae sit autcm ista, Dens viderit; oam
tarnen arbitror Piatonis fuisse. Hier finden wir zunächst
abermals unsere Meinung bestätigt, dass Augustin was er
über die Identität der Geheimlehre mit der platonischen
Lehre bemerkt nur als Ausfluss seiner eigenen persönlichea
Ansicht betrachtet wissen will (mihi — persuasi; eam — ar-
bitror Piatonis fuisse). Hiermit steht die Berufung auf Ciceros
Zeugniss (s. darüber Krische Gott. Stud. 1845, 2 S. 186)
keineswegs in Widerspruch. Denn dieses, wie die Worte
„ait enim illis" etc. zeigen, beschränkte sich auf das Vo^
handensein einer Gehoimlehro, Hess dagegen allem Vermuthen
über die nähere Beschaffenheit derselben freien Spielraum.
Was wir schon hieraus entnehmen dass eine alte Ueber-
lieferung über die Identität der Geheimlehre mit der pl**
tonischen nicht existirte, wird überdiess durch folgende Wortö
des Lucullus bei Cicero Acad. pr. 60 bestätigt: restat illttd
quod dicunt veri inveniundi causa contra omnia dici oportere
et pro Omnibus, volo igitur videre quid invenerint. „non 80-
lemus" inquit „osteudere". quae sunt tandem ista my*
steria? aut cur celatis, quasi turpe aliquid,, sententiaitt
vestram? „ut, qui andient," inquit „ratione potius qua^"^
auctoritate ducantur". quid, si utroque, num pejus est?
Entwickelnog der akademischen Skepsis. 219
m tarnen illud non celaut, iiihil csso quod percipi possit.
ffos griechische Gcwährsmäuner also, wie sich hieraus
bt, hatten ihm zwar berichtet dass auch die Akademiker
isse Wahrheiten anerkannten, dieselben aber für gewöhn-
nicht offenbarten; welches indessen diese Wahrheiten
a, darüber liessen sie ihn vollständig im Dunkeln. Ob*
3h nun Cicoros Zeugniss in diesem Punkte für sich allein
m schwer genug in die Wagschale fällt, so wird es doch
1 durch ein anderes ebenfalls eines älteren Schriftstellers
arstützt Denn auch Numenios berichtet zwar dass Kar-
ies die Skepsis als Deckmantel positiver Ueberzeugungen
atzt habe, von denen er nur dem engeren Kreise seiner
aler Mittheilung machte; welches aber diese positiven
erzeugimgen und ob es insbesondere die platonischen
pien waren, darüber sagt er uns kein Wort, wie wir
iessen müssen, weil er nichts darüber wusste.*) Ist es
m hiemach höchst unwahrscheinlich dass Piatons dog-
isches System im Hintergrunde der philonischen Skepsis
80 wird diese Ansicht vollends widerlegt dadurch dass
on in Piaton einen Skeptiker und keinen Dogmatiker
0 Euseb. praep. ev. XIV 8, 7 f. (Thedüiga S. 44): o/iwg Si, xai-
wvz6g vnb xtjq Svofixrjg tpikoveixlag eig z6 (pavEQov xvxiSv, ngog
cihg iavzov kralgovg 6i* dno^^rjtwv (u/jiokoyei ts xal tjki^S'evs xal
palvezo a xav äkXog rwv initvxovtütv. '0 öh KaQVBaSrig
dvTBOXQafifiiva tpikocoipwv xolg ipsva/iaaiv ixakXü)7ilt,Bto xal
(thoig T« dkrj^ ijipdvil^e. IlaQanetdafmaiv ovv ^XC?^^ ^^^s*
ifiaai xal f}hj&evev tvSoy kavfhdvwv xanrjkixatteQOv. ^Enaaxev
nd^ixa ocngltov wv rd fulv xevd ininoka^^si re uji vSati xal
»^fi, xd XQ^^^^ ^^^ avxwv iaxi xdxw xal iv dtptxvel. Man darf
Bsondere noch darauf hinweisen, dass wenn Numenios Piatons
re fQr diejenige gehalten hätte welche den Inhalt der positiven
eneugungen des Karncades bildete» er sich nicht so unbestimmt
[odrQckt haben würde wie er in den Worten anetpalvexo a xav
>S xwv inixvxovxatv thut.
220 1)^6 verschiedenen Formen des Skepticismus.
sah, ibm daher auch keine Dogmen abborgen konnte.*)
Wäre die Meinung, wonach die platonische Lehre fort und
fort als geheime in der Akiulemie bewahrt wurde und die
Skepsis nui* dazu diente sie gegen Angriflfe von aussen her
zu schirmen, nur durch Augustin vertreten, der sie wie wir
sahen für nichts als seine eigene Vermuthung gibt, so wäre
sie durch die bisherige Erörterung abgethan. Aber es ist
nicht bloss Augustin der sie äussert sondern auch Sextos
Empeirikos, und dieser gibt sie keineswegs als seine eigene
Vermuthung sondern beruft sich ihretwegen auf ältere Ge-
währsmänner.*) Da wir nun die Gründe, wodurch dieselben
^) Diess beweist Cicero Acad. post. 4G: hanc Academiam novan
appellant, quae mihi vetus videtur, si quldem Platonem ex illa vetere
numeramus, cujus in libris nihil adfirroatur et in utramque parteo
multa disseruntur, de omnibus quaeritur, nihil certi dicitur. (Vgl
auch Acad. pr. 74, welche Stelle dieselbe Auffassung Piatons enthilt
und wie eine spätere Untersuchung zeigen wird ebenfalls ?on Philon
genommen ist. Das Gleiche gilt von Augustin c. Acad. II 6, 14, vgl
dazu Krische Gott. Stud. 1845, 2 S. 180 f.) Mindestens ist es äossersl
unwahrscheinlich dass Cicero diesen eigen thümlichcn Gedanken, dafi
die neue Akademie eigentlich die alte hoissen müsse insofern sie di(
platonische sei, selbständig gefunden und geäussert habe. Der grie-
chische Philosoph aber, in dessen Namen er in dieser Schrift sprach
war Philon, wie er selbst in einem Briefe an Varro (ad fam. IX ^
gesteht. Und jener Gedanke verfolgt auch dieselbe Richtung wie
Phllons philosophisches Streben welches, wie wir Augustin glaubet
mussten (S. 214) der diess nicht aus Vermuthung sondern als Thatsacbf
berichtet, dahin ging die Akademie wieder unter Piatons Herrschaf
zurückzuführen. Ja wir konnten uns diesen Aufwand von Grüodtf
eigentlich sparen. Denn ein ausdrückliches Zeugniss dafür dass wirk'
lieh jener Gedanke Philon gehört liegt doch wohl in folgenden der
selben Schrift Ciceros entnommenen Worten (13): Antiochi magist^
Philo negat in libris — duas Academias esse erroremque eorufl
qui ita putarunt coarguit.
*) Pyrrh. I 234: el Sh Set xal xoU nsQl avrov (Arkesilaos) ^7^
fjitvoig moTEveir, (paolv ozi xaia [xlv xo n()6xBiQov üv^tQwveiO^ if^'
Entwiekelung der akademischen Skepsis. 221
ni einer solchen Behauptung geführt wurden, nicht erfahren,
0 sind wir verpflichtet zu erklären wie eine solche AuflFas-
fro dvat, xaxa dh rr/v dXrj^eiav öoyfxaxtxbq rjv xal iitfl twv krai'
«y dnoTifiQav i)Mf4ßave Sia ZTJg dnoQT^tixfjg ei ev(pvw^ ^x^vat HQoq
p dvttkfjipiv Twv nkaxwvixmv öoyjuaTwVf do^ai avtbv dnoQt^Tixbv
ivui, xoig fitvxot ye evtpviai xwv hxatQcov zä IlXdxwvog naQEyxfiQfXv.
v^hv xal xbv k^laxcova flnetv negi avxov
TiQüöd-s nidrcDv, oni&sv üv^^iov, fdaaog /1i6d(OQog,
r« rb 7tQoa)^Qrja&ai xy SiaXexrix^ ry xaxd top Aioöojqov, eivai 6h
nixQvg Wmtwvixov. Wer die hier mitgetbeilte MeinuDg über Ar-
esilaos in Umlauf setzte, sagt Sextos nicht und vermag ich auch
icht zu bestimmen. Möglich wäre dass Pyrrhoneer, insbesondere
ie kurz vorher (222) genannten Menodotos und Ainesidemos zu ver-
tehen sind. Denn obgleich im Allgemeinen die antiken Philosophen
lefar danach strebten das in der Lehre Anderer mit ihrer eigenen
^ebereinstimmende herauszukehren, so sehen wir doch gerade die
eiden genannten Vertreter des Pyrrhonismus a. a. 0. bemüht Piaton
in der Reihe der Skeptiker zu entfernen und als einen Dogmatiker
inziutellen: eine Auffassung, welche Arkesilaos geradezu in einen
H)ginaüker verwandelt und ihn so noch schärfer von den Pyrrho-
eern scheidet, würde daher wenigstens in ihrem Sinne sein. Pha-
orinos allerdings scheint davon dass die Geheimlehre im Platonisrous
^tand und überhaupt von einer näheren Bestimmung derselben noch
ichu gewusst zu haben: denn nach ihm erörterten die Akademiker
w das Für und Wider einer Sache indem sie es dem Nachdenken
brer Zuhörer überlicssen die Entscheidung zu treffen und einen Er-
cnntnissgewinn daraus zu ziehen, vgl. Galen tisqI dQlax. SiSaax. c. 1
•40 f., auch S. 45. — Uebrigens ist zu bemerken dass Sextos von
inem solchen hinter der Skepsis verborgenen Piatonismus nur bei
^esilaos spricht, von Karneades dagegen dergleichen nichts zu be-
ichten weiss. Wenn endlich Sextos oder vielmehr seine Gewährs-
>4nner sich zur Bestätigung ihrer Ansicht auf Ariston berufen, so
Aben sie dessen Ausspruch gründlich missverstanden. Denn Ariston
^t, Arkesilaos sei vorn {7tQoa(^fi') Piaton gewesen; das heisst doch
ffcubar, er habe sich mit dem Munde als Anhänger Piatons d. i. als
Akademiker bekannt, kann aber unmöglich bedeuten der Piatonismus
'^be im Hintergrund der Skepsis gelegen, von hinten {om^ev) soll
222 1)^6 Yerschiedenen Formen des Skepticismns.
sung der Skepsis, die Philon selber noch nicht getheilt hatte,
nach ihm von Anderen vorgebracht virerden konnte.
In demselben Maasse als die angestellte Erörterung uns
nöthigte die AufFassung des Skepticismus, wonach derselbe
lediglich die Hülle eines dogmatischen Piatonismus ist,
Philon abzusprechen, zwingt sie uns zu dem Eingeständniss
dass auch Philon die Aufgabe des theoretischen Philosophen
nicht schon durch die blosse Skepsis für erfüllt ansah son-
dern erst durch gewisse damit verbundene, zunächst geheim
gehaltene Dogmen. Denn die älteren Zeugnisse, auf die wir
uns stützten, wissen zwar von einem platonischen Dogmatis-
mus nichts, sprechen aber um so bestimmter von einem
Dogmatismus der als Mysterium hinter dem skeptisdien
Treiben der Akademie versteckt war. unter dem Wissen
und der Wahrheit, die auf diese Weise nur den tiefer Ein-
Arkesilaos vielmehr Pyrrhon gewesen sein. Richtig hat den Vers
Aristons wohl Diogenes lY 32 f. verstanden, der von Arkesilaos sagt:
it^xei öfj 9'avfjux^siv xal xov Ilkatcjva xal rä ßißXicc ixSxrtiTO ahw-
dkka xal t6v Ilv^Qiava xata rivag i^f/kwxei, Kai rijq öutXfxttx^i
sixsTO xal Tüfv ^EQSTQixtüv fjntero Xoywv. "OS'Sv xal iXiytto hC av-
Tov vn^ kQiöTwvog'
TlQoa^B nkdtwv, om&Fv IIv^^wv, fiiaaog .dtoSwQog.
Ebenso wenig hat diese Worte auf einen platonischen Dogmatismos
des Arkesilaos bezogen Numenios bei Euseb. praep. ev. XIY 5, 10 fi
(Thedinga S. 31 f.): l> Sl Äifxeallaog BeotpQactov Taxei xal Ki^f'
TOQa TOV Wmtwvixov xal JioScjqov, eiza tlv^Qitiva, c5v imo ^
KQmtOQog 7ii9-avovQytx6g, vno JioSwqov 6h aotpiöTijg, vnb d\ Üv^
^wvog iy^vBTo navroöanog xal hf^g xal ovSevog. Kai ikiyeto nf^
avTov aSofiEvov ri tnog na(}dy(oyov xal vßQiaxixov
ÜQoa&s xtL
Talg ovv JioSujqov, öiaksxxixov ovrog, XentoXoylaig rovg XayKff*^
Tovg üv^^covog xal rb axenrixov xarauXt^ag Siexoaßtjae Xoyov ^it-
voTTjxi xy nXäxQfvog ^ki]va<f6v xiva xaxeaxwfivXfjiivov.
Enjtwickelung der akademischen Skepsis. 223
weihten zugänglich sein sollten, ist natürlich nicht das nn-
blbare Wissen und die zweifellose Wahrheit zu verstehen an
flehe die Stoiker bei diesen Worten dachten. Philon würde
i dieser Annahme in den gröbsten Widerspruch verwickelt
fden. Denn wie konnte er das eine Mal auf ein Wissen
iweisen, das wenn auch geheim gehalten doch vorhanden
) und dann doch wieder die Möglichkeit eines solchen
iasens schlechthin leugnen? Auch unter dem esoterischen
lasen Philons kann daher nur ein solches gemeint sein,
3 es die älteren Platoniker verstanden d. i. eines bei
»en genauer Schätzung immer ein wenn auch noch so
inger Zusatz von Zweifel mit in Anschlag gebracht werden
188.*) Hier, wie ich nicht für unmöglich halte, wird man
') Dass der Meinungswechsel Philons, von dem die Alten spre-
>n, keineswegs ein Uebergang zum vollen d. i. stoischen Dogma-
Dos war, kann man auch aus folgenden Worten des Nnmenios bei
icb. pr. ev. XIV 9, 1 (Thedinga S. 45) entnehmen: wg Sh n^oiov-'-
ftkv rov ;f(>ovov, iS^Ttjkov 6^ vtio avvTjd-slag ovat^g avrwv r^g
^g ovShv fihv xaxa tu a^a kavrw ^vofi, rj Sh xwv na^fidtwv
^» av^axQfifBv iva^fid rs xal ttfiokoyia, Ttokkrjv S^t* tx<ov rjöi]
' Mo^oiv vnfQeTte&vfiei ev i'a^* oxi xötv iXsy^ovxojv xvxfTv 7va
idoxsi fiexä vdixa ßaküfv avxog exatv <pevysiv. Stärker als hier
chieht, wenn gesagt wird dass er später in keinem Stücke mehr
selbe dachte wie früher, kann die in Philons Ansichten vorgegangene
nderung doch nicht ausgedrückt werden. Trotzdem wird auch
r xugestanden dass Philon selbst sich nicht offen als Dogmatiker
Mnt sondern nur den Wunsch geäussert habe einen zu finden
ihn widerlegen könne (vgl. auch Augustin c. Acad. III 20, 44:
Adoqnidem isto se pacto a suis posteris vinci ipsi etiam fortasse
tdemici optanint). Dazu stimmt des Akademikers Cotta Aeusserung
Cicero nat. deor. III 95: ego vero et opto redargui me, Balbe, et
quae disputavi disserere malui quam judicare et facile me a te
ci posse certo scio. Als etwas wodurch die skeptischen Akademiker
1 von anderen Philosophen unterscheiden hebt Cicero Tusc. II 5
Iiervor dass sie leichter sich eine Widerlegung ihrer Ansichten
^Uen lassen. Was soll diess heissen? Ich zweifle dass man im
224 Die verschiedenen Formen des Skepticismus.
den Einwand erheben: wozu denn ein solches Wissen als
ein esoterisches behandeln? Denn zwischen Esoterischem
und Exotcrischem setzt man in der Regel das Verhältniss
an dass dieses auf einer oberflächlichen jenes auf einer in
die Tiefe hinabsteigenden Betrachtung der Dinge beruht:
wobei also das Esoterische der verborgene Grund sein würde
aus dem das Exotorischc hervorsteigt oder an dem es doch
seinen Halt findet. Gerade umgekehrt würde aber das Ver-
hältniss zwischen dem Wissen Philons, wie wir es oben näher
bestimmt haben, und seiner Skepsis sein. Das Wissen Philons
ist nur ein Wahrscheinliches, ist das Resultat einer das Für
und Wider abwägenden Erörterung, also die Frucht eben
der Skepsis und nicht deren tieferer Grund: wie daher das
Ergebniss zur Untersuchung so scheint es gehört auch Phi-
Lichte der bisherigen Auffassungen von Philons Lehre im Stande
sein wird diesen Wunsch zu erklären: denn wie konnte Philon wenn
er nach seiner Bekehrung an ein felsenfestes Wissen glaubte, den
Wunsch hegen in diesem Glauben erschüttert zu werden? Oder wenn
er etwa wünschte zu dem unmittelbaren auch ein mittelbares Wissen
zu besitzen, so kann doch dieser Wunsch nicht so überaus lebhift
gewesen sein {vTttQeTtsihjftsi), da von der Erfüllung desselben du
worauf es diesen späteren Philosophen vor Allem ankam die Tagend
und das Handeln nicht abhingen, beide vielmehr schon im unmittel'
baren Wissen ihren genügenden Halt hatten. Betrachten wir dagegen
Philons Lehre von unserem, von dem neu gewonnenen Standpunkt
aus, so räumt er auf der einen Seite zwar ein dass eine yollkommen
sichere Grundlage unseres Handelns nicht vorhanden und das Aens-
serste wozu wir es bringen können die Wahrscheinlichkeit ist, giM
aber, indem er diese Wahrscheinlichkeit mit dem Namen des Wissens
belegt, auf der anderen Seite das Streben nach einer möglichst voll-
kommenen Gewissheit zu erkennen : es steht daher hiermit im besten
Einklänge, wenn er, wie Numenios berichtet, den Wunsch äusserte,
es möchte ihn Jemand widerlegen d. h. davon überzeugen dass es
wirklich ein vollkommenes Wissen, ein Wissen in dem Sinne gibe
in dem die Stoiker dieses Wort brauchten.
Entwickelung der akademischen Skepsis. 225
ODs Wissen zur Skepsis, aus der es entsprungen ist, und darf
ucbt von ihr als etwas Esoterisches getrennt, muss vielmehr
ne diese zum Exoterischen gerechnet werden. Indessen
renn auch ein esoterisches im gewöhnlichen Sinne des Wortes
D heissen Philons Wissen keinen Anspruch hatte, so können
och andere Gründe Philon bestimmt haben zwar die skep-
sche Methode offen zu üben, das positive Ergebniss der-
Jben aber geheim zu halten. Dass solche Gründe vorhan-
Bn waren und welche, lernen wir von unserem ältesten
ewährsmann in diesen Dingen, von Cicero. Derselbe sagt
icht uur dass die Abwägung der für und wider etwas
)techeiiden Gründe, wie sie von den Skeptikern betrieben
urde, den Zweck habe die Wahrheit zu finden und dass
ie 80 gefundenen Wahrheiten geheim gehalten würden,
Widern er fugt auch hinzu dass diess geschähe um die
chiUer zu eigenem Nachdenken zu veranlassen und von
ntoritäten unabhängig zu machen.^) Diesem Zeugniss
') Acad. pr. 60: restat illud, quod dicunt, veri inveniundi causa
mtra omnia dici oportere et pro omnibus. volo igitur videre quid
(fenerint. „non solemus'^ inquit „ostendere*^ quae sunt tandem isla
lyiteria? aut cur Celatis, quasi turpe aliquid, sententiam vestram?
it, qoi audient,*' inquit „ratione potins quam auctoritate ducantur".
^gl. auch Cicero Tusc. Y 83; de divin. II 150.) Aus demselben didak-
lehen Grunde wird der Nutzen der skeptischen von den Akademikern
ingehtltenen Methode abgeleitet bei Galen tisqI aQlaz. öiSaax. c. 1
• 401 K: ol vewzfQoi de (unter den Akademikern), ov yag fiovoq b
^ft^ifivoq, iviote fthv elc: roaovzov nQoayovot rt^v inox^v, wq firjSh
»I' fiktov ofjtokoysTv slvai xaxaXrinTov Mors 61 elg roaovxov rz/v
^iv, iaq xal roiq fia9^tjraTq init^tTifiv avxrjv avev rov diöaxB'f]y(xi
QottQov imatrifiovtxov x()iTi^()tov. Nach demselben S. 41 lobte Pha-
<^08 die Akademiker als nQoaayoQBvovTaq fihv hxar^Qw (oder ist
icUeicbt zu schreiben TtQoayoQevoitaq fthv kxdzfQov d. i. sie machten
«itle, die für und wider sprechende Hede, bekannt) twv dvrixfifxe'
•w dX).7}Xoiq Xoywv, ^mzQhnovraq 61 roiq fiuHrixaiq aiQsTai^ai rovq
^^hattQovq. Anders allerdings wird das Verhältniss der GeHeim-
Hitzel, Uiiteraiichiing»n. IH. 15
226 I^ie verschiedenen Formen des Skepücisiniu.
müssen wir von seinem Alter abgesehen auch darum Glaaben
schenken, weil wir über positive Lehren des Kameades und
Philon, wenigstens über solche die das Ergebniss einer skep-
tischen Erörterung sind, gar nichts erfahren: und doch wenn
das Ziel jeder nach skeptischer Methode angestellten ünte^
suchung das Wahrscheinliche ist, wenn dem Finden desselben
Karneades und Philon einen so hohen Werth beilegten, so
müssen wir annehmen dass sie einen reichen Vorrath solcher
w^ahrscheinlichen Erkenntnisse besassen, den sie wenn sie
nur den Willen hatten leicht in systematischer Weise da^
stellen konnten. Trotzdem haben sie diess nicht gethan.
Sie begnügen sich damit auf die Bedeutung hinzuweisen die
dem Wahrscheinlichen namentlich für unser Handeln zukommt;
fragen wir aber was im einzelnen- Falle das Wahrscheinliche
lehre zur Skepsis von Anderen dargestellt. Sextos Pyrrh. I 234 sagt,
dass die skeptische Methode nur dazu gedient habe die Schfller m
prüfen und danach denen die die Prüfung bestanden hatten die pli-
tonische Geheimlehre eröffnet worden sei: xal ^nü rwv halifav
dnonetgav tXafißave (Arkesilaos) Sia xr^q dnoQrjuxijg ei svqwwg fxov6i
TiQbg Tfjiv uvdkrjtfuv rüiv Ilkaxmvixuiv öoyfidrcDV, öo^ai ctvTov dno^
xixov elvaiy roig fiivxoi ye sdipveoi xwv f-xalQwv xd nXaxwvog ä«^
fyxtiQ^iv. Dieselbe Ansicht über das Esoterische in der Akadenie
tritt uns entgegen bei Augustin c. Acad. II 13, 29: itaqne responde,
quaeso, utrum tibi videantur Academici habuisse certam de Teritite
sententiam, et eam temere ignotis vel non purgatis aninii
prodere noluisse; an vero ita senserint ut eorum disputationesse
habent. III 17, 38: haec et alia hujusmodi mihi videntar inter SflC'
cessores ejus, quantum poterant, esse servata et pro mysterÜB cnito*
dita. Non enim aut facile ista percipiuntur nisi ab eis qni le sb
Omnibus vitiis mundantes in aliam quandam plus quam homiiii*
consuetudinem vindicaverint aut non graviter peccat qnisquis ea sdeii
quoslibet homines docere voluerit. Itaque Zenonem principem Sin-
corum cum jam quibusdara auditis et creditis in scholam relietaa *
Piatone venisset quam tunc Polemo retinebat suspectum habita>
suspicor nee talem visum cui Platonica illa velut sacrosancta deer^
Entwickelnng der akademischen Skepsis. 227
sei, so bleiben sie stumm, d. L wie wir Cicero jetzt wohl
glauben werden, sie erwarten dass wir durch eigenes Nach-
daiken darauf geführt werden.
So gesichert das Ergebniss in dieser Hinsicht erscheint,
80 schwebt es doch in Gefahr von anderer Seite her wieder
nmgestossen zu werden. Philon soll die Resultate seines
Forschens, das was ihm als wahrscheinlich galt, nicht ver-
öffentlicht haben? Und doch finden wir bei Stobaios ekl.
n 40 flF. ein von ihm gemachtes Gerüst zu einer eingehenden
Darstellung der Ethik I Diess letztere scheint doch voraus-
zusetzen dass er eine solche Darstellung der Ethik selber
wo nicht schriftlich so doch mündlich gegeben hatte. Und
wie sollen wir uns wieder dieselbe anders vorstellen als so
dass wir annehmen er habe darin die positiven Ergebnisse
seines Nachdenkens zusammengestellt? Um diess damit zu
^e prodi coxnmittiqae deberent priusquam dedidicisset ea quae in
iUtm Bcholam ab aliis accepta detulerat. 18, 40: sed quia hoc tan-
<niain profanis nee fas nee facile erat ostendere, reliquerunt posteris
et qoibus illo tempore potiierunt Signum quoddam sententiae suae
(almllcli das Wahrscbeinlicbe anstatt des Wahren). Ebenso berichtet
Nomenios von Kameades (Euseb. pr. ev. XIY 8, 7 Thedinga S. 44):
Ö/wp^ öi, xaltot xavroq vno rrjg Srwix^g (pikovsixlag elg tu fpavsQov
«Wtoy, TiQoq yf rovq kavrov hzai^ovg Si^ anoQQrixmv wfioXoyet xs
*ri i}iljj^fvf xttl dnsipalvsto a xSv aXkog twv imrvxovrwv. Mit dem
Zengniss Ciceros stehen diese Nachrichten in offenbarem Widerspruch:
ten nach ihnen sind die Schüler die Auserwählten denen die Aka-
teiiker die erkannten Wahrheiten mittheilten, nach Cicero dagegen
hüteten sie sich diess zu thun weil jene sie selber finden sollten.
Schon wenn wir anf das Alter der einander entgegenstehenden Zeug-
liiaie sehen kann kein Zweifel sein welche Nachricht mehr Glauben
▼Ment. Aber auch darin gibt sich die von Cicero abweichende
^f^tion als eine spätere Entstellung des Ursprünglichen zu erkennen,
te sie in die Akademie dasselbe Yerhältniss des Esoterischen und
boterischen hineinträgt das uns in anderen Philosophien jener Zeit
^Kegnet
15*
228 ^^e verschiedenen Formen des Skepticismns.
vereinigen dass Philon das Veröfifentlichen des Wahren ode
vielmehr Wahrsclieinlichen, auf das er in seinem Nachdenke)
gekommen war, für unzweckmässig hielt, könnte man an
das Vorrecht hinweisen, das die Ethik überhaupt innerhal
der Skepsis geniesst: denn während die Vertreter derselbe
sonst alles Behaupten vermieden, scheuten sie sich nich
auch die Pyrrhoneer nicht, ganz bestimmte Anweisungen zu
glückseligen Leben zu geben, die doch den Inbegriff d(
antiken Ethik bilden. Wir haben aber nicht nöthig oi
hierauf zu berufen. Zwar ist bei Stobaios die Rede ?c
falschen Ansichten von denen die Seele befreit und vc
anderen, gesunden, die ihr dafür eingepflanzt werden sollen.
In welcher Weise aber diess Einpflanzen vor sich gehen 8o!
ist nicht gesagt. Es ist daher auch keineswegs nothwend
dass wir an einen dogmatischen bestimmte Resultate, au
sprechenden Vortrag zu denken haben. Vielmehr ist ebeni
wohl möglich dass Philon ein dem platonisch -sokratisdw
ähnliches Verfahren im Sinne hatte. Wie bei diesem zw
gewisse Ansichten oft aufs Entschiedenste verworfen, 4
danach übrig Bleibende aber nicht mit derselben Bestimm
heit bezeichnet wird, so könnte auch Philon beispielsweii
eine Lebensanschauung wie die epikureische zurückgewiese
unter den übrig bleibenden aber zwischen einer strengoi
und laxeren wie der stoischen und peripatetischen na(
sorgfaltiger Abwägung aller für und wider sprechend«
Gründe geschwankt und die Entscheidung dem Leser odi
Hörer überlassen haben.*) Dass Philon wirklich so verfehre
*) 42: To fihv vTce^aiQerixov xwv tpevSüiv ysyertjfiivwv SoSA
6i^ ag rä XQixriQia voaonotstiat xtjq ^'V'/^^g, TiQoadyei Xoyov (sc
imarrj/uy), rö Sh r(öv vyiuig i'/ovawv iv&enxov.
^) In dieser Weise mag die Erörterung verlaufen 9ein insbesoi
dere innerhalb des Abschnittes der von den Gütern und Uebela hu
delte (o nsQl dya&cjv xal xaxwv xonoq 42) und dem der sich w
die Glückseligkeit bezog (o neQl xelaiv ?.6yog 42 f.).
Entwickelang der akademischen Skepsis. 229
ist, wird eine spätere Untersuchung, hoflfe ich, von einer
nur möglichen Annahme zu einer sehr wahrscheinlichen
Ansicht erheben.
Kehren wir jetzt zum Anfang der zuletzt angestellten
Untersuchung zurück. Es galt den Irrthum Späterer zu
irklären die hinter dem akademischen Skepticismus den
)ktoni8chen Dogmatismus verborgen wähnten. Dass Philon
nit den Resultaten seiner Skepsis zurückhielt und dadurch
n dem Gerücht von einer esoterischen Lehre den Anlass
[eben konnte, haben wir bereits gesehen. Damit war aber
ler wichtigste Schritt gethan: denn der weitere, dass man
;U8 dieser esoterischen Lehre den platonischen Dogmatis-
Qos machte, ergab sich nun fast von selber, wenn man
^chte dass die Akademie von Platon stammte und dass
Dsbesondere Philon an diesen Ursprung wieder erinnert
latte. Es schien eine einfache Consequenz, und namentlich
Qiisste es so denen erscheinen die in den Dogmen einer
Mosophie deren Kern erblickten, dass wer einmal Platon
is seinen Meistor anerkannte nicht bloss in der Methode
ondem auch in den festen Ergebnissen derselben sich ihm
Jwchloss. Die Methode Philons sollte aber die platonische
ein. Er ging nicht wie Arkesilaos auf das sokratische Be-
lenntniss des Nichtwissens aus. Es gibt ein Wissen, nur
lass dieser Name nicht im Sinne der Stoiker verstanden
werden darf. Die ganze Fülle dieses Wissens aber vor An-
Ißren auszuschütten hielt Philon nicht für gerathen. Niemand
oDte desselben theilhaft werden als der es sich durch
'igenes Nachdenken erworben hätte. Darum begnügte er
ich die Untersuchung bis zu einem gewissen Punkt zu
uhren und überliess es danach Anderen das Resultat zu
iehen d. h. er ging von ähnlichen Grundsätzen aus wie die
liöd auf die Platon zum Schluss des Phaidros das Lob der
Jialogischen Form stützt.
230 ^^6 verschiedenen Formen des SkepticismiiB.
Um Pfailous philosophische Eigenthümlichkeit zu erkennen
liefert einen weiteren Beitrag ein Zeugniss, das längst be-
kannt war, aber bisher immer miss verstanden worden ist
Ich meine den Auszug den uns Photios in seiner Bibliothek
(cod. 212) aus Ainesidems Polemik gegen die Akademikei
hinterlassen hat. Dass diese Akademiker Antiochos und
seine Anhänger waren ist ZcUers Meinung (III 1 S. 610, 2.
2 S. 10, 1) und nur unwesentlich weicht hiervon Haas (philos
scept. succ. S. 14) ab wenn er den Gedanken an Schülei
des Antiochos zurückweist. Der einzige Grund auf den sid
jene Meinung stützt liegt in folgenden von Photios anf
bewahrten Worten Ainesidems: „Die Anhänger der Akademie
besonders der jetzigen, treffen bisweilen sogar mit stoischei:
Ansichten zusammen und die Wahrheit zu gestehen A
scheinen Stoiker obgleich sie die Stoiker bekämpfen/* ^) Er-
innerte man sich zu diesen Worten der bekannten Äen»
serungen die Antiochos als einen Stoiker innerhalb dei
Akademie bezeichnen, so schien jeder Zweifel gehoben
dass nur er unter den Akademikern Ainesidems gemein
sein könne, und man kam nicht auf den Gedanken and
das Uebrige was Ainesidem von jenen Akademikern berichte
einer näheren Prüfung zu unterwerfen. Holen wir dies
jetzt nach. Das zweite, was Ainesidem zur Charakterisirun{
jener Akademiker bemerkt, ist in Folgendem enthalten
AevTBQov jtBQi jcoXXcov doyiiarl^ovötv, ^ger/jv re yag tß^
a(fQ06vvrii> tlödyovOi xäi dya&op xal xaxov vjrotl^evta
xal dXr]d-BLav xal tpevöog xal d?} xal jitd-arov xal axl9av(^
xal ov xal fif] ov aXXa tb jtoXXd ßBßaicog oqI^ovöi, diafKft^
ßrjTBlp ÖB q)aOi jcbqI fiovrjg Tfj<; xazaXtjjcrixfjg g^atrcaol^J^
^) Ol J' «710 T^c Äxaötjfiiaq, fialiaza rfjq vvv, xal St0iX(U{
ov(A(pkQovxai ivlote doSaig xal, ei XQ^i rdhjiyhg slnelv, Stonxol ff^'
vovxai fia)^6fi6voi Stcjixolg.
Entwickelung der akademischen Skepsis. 231
Hier ist zuuächst auffallend das jtsQt jtoXX(otf öoyfiatl-
y»vciv. Warum heisst es nicht jcegi jtavrcov 6,, wenn die
Worte sich wirklich auf Antiochos beziehen? Denn dieser
war doch nicht partieller sondern totaler Dogmatiker. Und
Tollends der Schluss, 6iafiq)iößfjTelv de (paCt jtegl fiovtjq rfjq
xmalfjxtix^g q}airüaolag, wie stimmt der zu Antiochos'
Lehre? Was wir von dieser erfahren, ist nicht dass er nur
die ^^greifbare Vorstellung" der Stoiker bekämpfte sondern
im Gegentheil dass er sich gegenüber seinen CoUegen von der
Aioidemie ihrer aufs Wärmste annahm.^) Von ihm konnte
man daher unmöglich sagen, dass er abgesehen von der
j<;reifbaren Vorstellung** die er nicht gelten liess Dogmatiker
gewesen sei: vielmehr war er Dogmatiker und wollte es nur
aem auf Grund dieser Vorstellung. Dagegen ist offenbar —
80 offenbar dass man sich wundern muss wie es bisher hat
fibersehen werden können — dass in jenen Worten der
Standpunkt Philons bezeichnet wird. Philon konnte aller-
dings von der Tugend und ihrem Gegentheil, von Gut und
üebel, von Wahrheit und Irrthum u. s. w. sprechen, Defi-
nitionen aufisteilen und überhaupt alles das vornehmen was
die Möglichkeit eines Wissens zur Voraussetzung hat;*) was
*) Lucullus, der Vertreter des Antiochos, bekennt sich bei Cicero
And. pr. 18 ausdrücklich zur stoischen Auffassung der xaxaXrinxixii
fftytaala (id nos a Zenone definitum rectissime dicimus) und bewährt
dien durch den ganzen folgenden Vortrag.
*) Dass er diess wirklich that, erhellt auch aus dem was uns
^ Stobtios ekl. II 40 f. über seine Eintheilung des xcaa <piloao<plav
^oq mitgetheilt wird. Hier wird der nQoxQhnrixoq Xoyog definirt
•1« na^ogfiwv inl z^v d^errjv und ein eigener Abschnitt tibqI dya-
^y xal xaxwv bestimmt: die Wirklichkeit einer Tugend und das
Vorhandensein von Gütern und Uebeln wurde also nicht angezweifelt,
BM)chte immer die weitere auf eine nähere Bestimmung hinzielende
^rtenmg dialektisch angestellt werden und resultatlos bleiben
iS. 228),
232 I^ie verschiedenen Formen des Skepticismos.
•
er leugnete war einzig und allein dass dieses Wissen auf
einer „greifbaren Vorstellung** ruhe, so wie die Stoiker die-
selbe verstanden.*) Auf Philon, den zum Dogmatismus nei-
genden Skeptiker bezogen, gibt nun auch das jceqI xoXXmvi.
keinen Anstoss mehr. Dass wirklich an ihn und keinesfalls
an Antiochos zu denken ist, beweist aber auch was Ainesi-
dem weiter hinzufugt. Nachdem er noch einmal den Unter-
schied zwischen Pyrrhoneern und Akademikern hervorgehoben
hat, fährt er fort: To 6i fityiörov, ol iiev (die Pyrrhoncer)
jctQl Jtavroq rov jtQortd-evTog diajiOQovvrsg x6 re övCtoi-
XOP öiaTtjQovöi xal iavrolg ov (idxovrac, ol de fiaxoiiivou;
tavrolg ov owloaöi' to yaQ afia rcd-ivai ri xal (dQitv
dvafi^ißoXcog cifia re ^dvat xoivcjq vjtccQx^iv xaraifixta
/iccxf/v ofiokoyovfitvrjp elödyer Ijctl jiöjq olovza yivciöxovxa
TO&e [ibP tlvai dXi]d-iq xoöe dl tpevöog tri öcaJtoQBlv xdi
diOtdöat xal ov öaq)d)g zo (itv tXiöd^ai ro dl jcsQiOtijvai;
d (ilr yaQ dyrottrai ort rodt iötlr dyad^ov i] xaxov, fj
rode filv dXrjO^lg rode öl tpevöog, xal zoöe fxlv ov toie &
(iil ov, jtdvTcog oiioXoyrjrtov exaöxov dxardXrjJtTOV dvai'
tl ö^ IvaQymg x«r' ata9'7]öiv i] xard rotjöiv xaraXafißdvitai,
xaraXrjjcTov ixaöxov (paxtov. Auch aus diesen Worten gebt
deutlich genug hervor dass wir es mit Akademikern zu tbun
haben die, wenn sie auch in ihrem Skepticismus sich nicbt
immer consequent blieben, doch als Skeptiker gelten wollten:
man hätte sie deshalb nie mit Antiochos und seinen An-
hängern verwechseln dürfen. Wenn es trotzdem gescheben
ist, so wird diess nur dadurch cinigermaassen begreif lieb
M Davon ist früher schon die Rede gewesen. Ich setze «ff
leichteren Vergleichung mit Photios' angeführten Worten noch ^*
mal her was über Philon Sextos Pyrrh. I 235 berichtet: ol 61 tu^
'PlXüfvd ipaoiv oaov /xhv inl nö atatixio xQtrijQia), xovxbaii xy xatU'
hjTixix^ (fdvxaala, dxaxdXrinxa tivai xa. TiQcr/fxaxa, oaov 6h iid Vi
(fvoti xwv TiQayfidrwv (xvxwv xaxuhima.
^twickelung der akademischen Skepsis. 233
as8 man die Worte so las wie ich sie hergesetzt habe,
ämlich afia re tpavai xotifCDg vjiaQXf^tP xaxaXriJtTa, Nahm
lan die Worte iu dieser Form und löste sie aus dem Zu-
immenhang, so war es wenigstens möglich an Antiochos zu
mken; nöthig freilich keineswegs, denn dass auch Philon
n xaxaXrinrov anerkannte, haben wir nun zur Genüge ge-
hen. Aber nicht bloss ganz unsicher ist dieser Anhalt
i den man vielleicht die Deutung auf Antiochos knüpfen
ollte: nein! er ist in Wirklichkeit gar nicht vorhanden und
jniht lediglich auf einer durch die Ueberliefeining hervor-
irufenen Illusion, da aus dem Gedankenzusaufmenhang nicht
naXrjjtra sondern dxaxaXrj:jtTa sich als das Ursprüngliche
id allein Richtige ergibt.^) Zwischen den Akademikern
*) Den Akademikern wird in den angeführten Worten der Vor-
urf gemacht, dass sie, indem sie das eine Mal Alles in Zweifel
)hen das andere Mal ein Erkennen und Wissen für möglich halten,
)h in einen Widerspruch verwickeln: xo yaQ clfia tiS'evai zt xal
^uv dvafKpißoXwg afia te <p<xvat xoivwq vnaQXfiv xaTaXrjnrä /ua/i/v
ßkoyov/uvjjv eladyei. Es fragt sich in welchem der beiden ein-
der gegenüber gestellten Satzglleder der Zweifel an Allem und in
)lehem die Anerkennung der Möglichkeit eines Wissens ausgedrückt
- Bezieht man in den Worten afia zt^tvai n xal aiQeiv das a/i«
f xi^hai xal aigeiv und lässt das folgende afia ausser Acht, so
AD das gleichzeitige Setzen und Aufheben eines Dinges — denn
MS würde dann der Sinn sein — allerdings zur Bezeichnung der
^«piis dienen. Dadurch hat man sich wie es scheint tauschen las-
Q: denn es passte nun sehr gut dass in dem gegenüberstehenden
•tzgliede, in den Worten (pdvai xoivwg xt).., die Richtigkeit der
'berlieferung vorausgesetzt, die Möglichkeit eines Wissens anerkannt
Jd. Aber jene Worte äßa ti^ivai xi xal aiQetv als den Ausdruck
^ Skepsis zu fassen geht eben nicht an , und zwar deshalb nicht
)il a^ nicht mit dem unmittelbar Folgenden verbunden werden
ff sondern in Beziehung zu dem zweiten a/ua steht, die Gleich-
itigkeit also im Setzen und Aufheben, die betont werden muss
^on die Worte zur Bezeichnung der Skepsis dienen sollen, nicht
^ Ausdruck gebracht ist. Hierzu kommt noch ein Anderes. Von
234 I^ie verschiedenen Formen des Skepticismas.
die Ainesidem bekämpft und Antiochos besteht also keine
Gemeinschaft der Lehre. Im Gegentheil werden wir an An-
tiochos dui-ch Aiuesidems Polemik erinnert: denn das Wesent-
liche was darin den Akademikern vorgeworfen wird, ist doch
dass dieselben im Einzelnen fortwährend Wahrheit und In^
thum von einander scheiden trotzdem aber im Allgemeinen
beide für nicht unteracheidbar erklären; diess ist aber gera&
das was auch Antiochos dem Philon vorgehalten haben solL^]
dem Dogmatismus der Akademiker ist schon vorher einmal die Bedi
gewesen, und dort lesen wir: oi filv dno t^g kxad^fiiag Soyfiotixoi
xk elai xal ra fihv rfS-evrai döiaraxxwq ra dh afgovotv dvafitptßobK
Hieraus sehen wir dass auch in den Worten cifia tt^evai u xtd d
^eiv dvafji(ptß6?.(og dor Nachdruck auf dem letzten Worte liegt, da«
dadurch dem ti^hai sowohl als dem aiQhiv der dogmatische Ckft'
rakter aufgeprägt worden soll. Enthält nun aher das erste Satzgliec
den Ausdruck des Dogmatismus, so müssen wir den Skepticismos io
zweiten suchen und da dies nur hei einem Abgehen von der Ueber
lieferung möglich ist die leichte Aenderung des xatakr^nTa in dxaii
XTfTtxa vornehmen, wodurch Alles in Ordnung kommt.
') Man lese zunächst bei Photios aus Aiuesidems Polemik gegei
die Akademiker Folgendes: dQetr^v xal dtpQoavvrjv elcdywa
xal dyaSvv xal xaxbv vnotl&evtai, xal dh'i^ttav xal ^fevSog, xd A
xal nt^avbv xal dm^avov, xal ov xal firj o%' älXa xe noX?M ßeßalit
oqI^ovoi xb yd(i äfia xiS'ivai xi xal al^gett* dvafifif^
kcDg äfxa xf (pdvai xoivmg vnaQx^^^ dxaxdktjnxa (für xaxa).Tfntd) fU
Xfiv bfioXoyovfiivtjv tiadysi, inel neig olov xe yivmaxovxa xoSe /«
elvai dXrf^lg xoöe Sh tpsvdog Ixi dianoQBiv xal öiaxdaat, xal ov 0t
(föig xb fisv tkio&ai xb de ntgtoxrlvai; si fnav yaQ dyvoHxai <w
xoöe iaxlv dya&bv y/ xaxbv rj xoöe fih%' d^.tj&eg roös 6h tiffvSog *<
xode fikv ov xoSe 6s fjLf} ov, ndvxmg bfiokoyrixsov txaaxov dxardh
nxov tivai' ei 6^ ivagyeHg xax* aia^aiv // xaxa vofiotv xccxaXapfi
vexaty xaxaXijnxbv exaaxov tpax^ov. Hiermit vergleiche man irwU
cullus bei Cicero Acad. pr. 43 f. sagt: definitiones et partitioDi
et herum luminibus utens oratio, tum similitudines dissimilitadin«
que et earum tenuis et acuta distinctio fidentium est hominum iU
vera et firma et certa esse quae tutentur, non eorum qui cltmei
nihilo magis vera illa esse quam falsa, quid enim agant si cum tl
Entwickelung der akademischen Skepsis. 235
ui begreift hiernach kaum noch, wie überhaupt Jemand
i den Akademikern Ainesidems an Antiochos denken konnte,
1 es wird diess wirklich auch nur erklärlich durch die
lon S. 230, 1 angeführten Worte, in denen die Ueberein-
lUDung jener Akademiker mit den Stoikern bemerkt wird:
in man erinnerte sich hierbei der Stellen, an denen von
* stoisirenden Richtung des Antiochos die Rede ist. Da
1 aber die angestellte Untersuchung uns verbietet femer
Antiochos zu denken, so müssen wir auch den fraglichen
)rten eine andere Beziehung geben: was auch dadurch
pfohlen wird dass Ainesidems Urtheil durchaus nicht in
d definierint roget eos quispiam, num lila defiaitio possit in aliam
1 transferri quamlubet? si posse dixerint, quid dicere habeant
illa vera definitio sit? si negavoriot fatendum sit, quoniam vera
initio transferri non possit in falsum, quod ea definitione explice-
id percipi posse; quod minime illi volunt. eadem dici poterunt
Omnibus partibus. si enim dicent ea de quibus disserant se dilu-
e perspicere nee uUa commuuione visorum inpediri, conprehendere
se fatebuntur etc. Diess geht zunächst gegen Karneades. Da-
|en ist, wie die Vergleichung von 111 lehrt, Folgendes der Polemik
I Antiochos gegen Philon entnommen : maxime autem convincuntur
B haec duo pro congruentibus sumunt tam vehementer repugnantia :
mom esse quaedam falsa visa; quod cum volunt, declarant quae-
n esse vera; deinde ibidem, inter falsa visa et vera nihU Interesse,
primum sumpseras tamquam intercsset: ita priori posterius, poste-
ri Buperius non jungitur. — Zur Bestätigung dafür, dass Ainesi-
ns Bemerkungen sich gegen die skeptische Akademie richten, kann
A noch hinweisen auf das was Sextos Empeirikos über den Unter-
üed der Pyrrhoneer und Akademiker sagt Pyrrh. I 226: diatpegovat
^fuöv TiQodriXwq iv xy twv dyaO-div xal töJv xaxüiv XQiaei. dya-
V ya^ xL <faatv eivat ol kxaSrjfta'ixol xal xaxbv ovx o*Q ^ßf^^t
wt fKxa Tov nenelo^ai oxt ni&avov ^axi ftäkXov o Xtyovaiv eivai
«(^ vTtd^etv rl xb ivavxlov, xal inl xov xaxov bfnoimg xxX.
3: nUfiv et (ifi Xiyoi xiq oxi ^ßslq fitv xaxa xb tpaivofievov rifjüv
«^« Uyofuv xal ov diaßeßaiejxixcjg, ixelvog (Arkesilaos) dt iog
^ Tijv fpvaiv, Saxe xal dya&bv fitv eivat ccvx^v Xiyeiv xr^v ino-
"» Wücbv ÖS x^v avyxaxd^eaiv.
236 1^16 verschiedenen Formen des Skepticismns.
dem Miuisse wie man anzunehmen scheint mit dem ander-
wärts über Antiochos gefällten zusammeiitriflFt; denn während
die Uebereinstimmmig zwischen den Akademikern und den
Stoikern nach Aincsidem nur bisweilen (trlozs) stattfand
soll die zwischen Antiochos und den Stoikern sich auf da?
Meiste erstreckt haben. ^) Freilich fehlt es sonst an einei
ausdrücklichen Ueberlieforung dass bereits Philon allerle
aus der stoischen Lehre in die Akademie herübergenommei
habe.*) Diess würde indessen sobald die Annahme nur niditi
Unmögliches enthält noch kein Gegenbeweis sein.') Um
warum könnte denn Philon, wenn er von den Tugenden
wenn er von Gütern und Uebeln und dergleichen sprach
sich nicht die stoischen Definitionen zu Nutze gemacht haben!
Wenn derselbe nach Stob. ekl. II 40 den Beweis führte, dass dii
Tugend oder die Philosophie etwas ausserordentlich Nützliche
sei/) so klingt diess doch mehr stoisch als platonisch. Da
Gleiche gilt von seiner Aeusserung, dass die Philosophie e
ausschliesslich mit der Glückseligkeit zu thun habe.*) Feme
') Plutarch Cic. 4 sagt von Antiochos: vor Staßi'xdv ix fifw
flo?.rjg S'eQanevwv Xoyov iv totg nXeiaroig. Bei Cicero Acad. pr. 13
heisst er Stoicus perpauca balbutiens. Vgl. dazu 132: Antiocbam qa
appellabatur Academicus, erat quidem si perpauca mutavisset ger
manissimus Stoicus.
^ Doch könnte man ein Zugeständniss dass bereits Phfloi
Stoisches sich angeeignet hatte in den Worten des Sextos Pyrrh.
235 finden: d?J.a xal b kvrio/og Tr)v aroav fuettjyayev flg ^
lAxaSr'iniav. Denn vorher ist von Philon die Rede gewesen.
') Auch in Ueberwegs Grundriss S. 148* finde ich die Bemer
kung dass Philon, obgleich er die Stoiker bekämpfte, doch in ^^
Behandlung der Ethik sich ihnen bereits genähert zu haben scheine
*) ^EoTi yaQ 6 nQOXQfnrixoq b 7iaQ0(iinwv inl r//v dgerriv. tw
Tov b fisv ivdeixvvrai xb /ieyaloKpt?.hg avrijg. Unter arnj^ btfU
man sowohl die dQtxr^ wie die (fi).ooo(fia verstehen.
^) A. a. 0. 42: xal yuQ xy laxQixy onovAt) näaa negl xo tü^
xovxo 6* rjv vyieia, xal xy tpiXoaotpln negl r/)v evdai/ioytav.
Entwickelung der akademischen Skepsid. 237
ie Fragen die er erörtert hatte, ob der Weise sich am Staats-
tben betheiligen, ob er mit Fürsten verkehren, ob er eine
he schliessen solle, ^) sind doch sämmtlich solche die zuerst
id vorwiegend in der kynisch- stoischen Schule verhandelt
Orden. Was wir also aus Photios Neues über Philon lernen,
t, dass bei ihm bereits der stoische Einfluss hervortrat der
mn bei Antiochos in noch höherem Grade sich geltend
acht*) Dass der Einfluss der Stoiker auf Philon sich
mgens weiter erstreckte, nämlich nicht bloss auf einzelne
efinitionen und die Wahl der Fragen die er zu beant-
orten suchte, wird eine spätere Untersuchung lehren. Vor
3r Hand will ich noch auf einen Umstand hinweisen, der
)enfalls den Stoicismus Philons bestätigt, d. i. die stoisirende
ichtung seiner Anhänger.
Wer sind diese Anhänger Philons? Die herrschende
') A. a. 0. 44: iniaxoTisTv 6iov iavl el rdi vovv exovxi
oliTsvziov, t] Totq t^yefiovixoiq ovfißKotiov, ?/ yafttjriov xw oo(pw.
*) Einen anderen Gewinn, der aus der richtigen Deutung der
kademiker des Photios entspringt, erkennt man leicht. Es wird
idurch endlich die Frage nach der Zeit des Ainesidemos entschie-
en. Bereits Leander Haas de philos. scept. succ. S. 14 hatte die-
iibe dahin beantwortet, dass Ainesidem den älteren Skeptikern zu-
rechnen d. h. noch in die erste Hälfte des letzten Jahrhunderts
Chr. zu setzen sei, und Diels doxogr. S. 211 war ihm hierin bei-
^treten. Zeller, der früher schon Ainesidems Zeit weiter herab-
sehe, hielt auch nach der Erörterung von Haas an dieser Meinung
!8t (III 2 S. 10'), indem er unter den Akademikern nicht Antiochos
tlber sondern dessen Anhänger verstand. Dieser Einwand war nicht
iicbt abzuweisen. Viel fester steht in dieser Hinsicht die jetzt ge-
onnene Zeitbestimmung. Denn wenn unter der jetzigen Akademie
^ «J* dno rfjg kxaStifiiag, fiaXiava rTig vrv), von der Ainesidem
prieht, diejenige Philons zu verstehen ist, so kann damals, zu der
^it als Ainesidem diese Worte schrieb, dieselbe noch nicht in die
•ntwickelungsphase eingetreten sein die an den Namen des Antiochos
eknüpft ist.
238 I^ie yerschiedenen Formen des Skepticismas.
Ansicht ist, dass zu Cicoros Zeit die Lehre Philons äst all-
gemein verlassen und an ihre Stelle die des Antiochos ge-
treten war und dass die letztere das Vorbild für den Pla-
tonismus der Kaiserzeit gewesen ist.^) Der eine Grund, den
Zeller zum Beweise dieser Ansicht beibringt, das Zeugniss
Ainesidems,*) ist durch die eben (S. 230 S.) angestellte
Untersuchung beseitigt worden. Es bleiben noch zwei Gründe:
das Zeugniss Cicoros und die Behauptung dass nach Allem
was wir über die spätere Akademie erfahren der Eklektids-
mus des Antiochos sich fortwährend in ihr erhielt. Was zu-
nächst das Zeugniss Ciceros betriflPfc, so hat man demselben
eine Bedeutung gegeben, die es in Wirklichkeit nicht hat
und wohl auch im Sinne des Urhebers nicht haben sollte.
Wenn Acad. pr. 11 gesagt wird dass die fast aufgegebene
akademische Philosophie damals von Cicero wieder erneuert
wurde, so wird man diess zunächst auf römische Verhältnisse
beziehen, da auf die Griechen einen solchen Einfluss Cicero
sich weder zugetraut hat noch in Wahrheit haben konnte.
Diese Erklärung wird bestätigt durch de nat. deor. I H«
Denn warum wird hier, nachdem schon bemerkt war dass die
akademische Lehre keine Anhänger mehr hatte, noch hinzu-
gefügt „quam nunc prope modum orbam esse in ipsa Graeda
intellego"? Offenbar nur deshalb weil das Vorhergehende
allein von den Römern galt. Aber freilich sagt uns diese
Stelle auch, dass in Griechenland die akademische Lehre
ausgestorben wai*. Lidcssen ist bei Griechenland vorzugs-
weise an Athen zu denken. Dort, will Cicero sagen, hatte
^) Zeller III 1 S. 608 ff. üeberweg Grundr. S. 145*.
*) Denn Ainesidem spricht von der ihm gleichzeitigen Akademie
(tfjg vvv Äxa6ri(.daq) als wenn es nur eine des Namens gäbe: ist die*
Akademie nun, wie Zeller annimmt, die des Antiochos, dann ist da-
mit auch bewiesen dass zu Aincsidems Zeit die Philons nicht nebr
existirte.
Entwickelung der akademischen Skepsis. 239
) Lehre Philons keinen namhaften Vertreter; und hiermit
mmt auch die sonstige Ueberlieferung überein, die zwar
idifolgcr des Antiochos in der Vorstandschaft der Akademie
mt (Zeller III 1 S. 609, 1), von solchen Philons dagegen
hts weiss. Begreiflich wird dieses plötzliche Erlöschen
' akademischen Skepsis in Athen, sobald wir annehmen
B Philon seitdem er Athen in Folge des mithridatischen
ieges verlassen hatte niemals wieder dorthin zurückgekehrt
r.*) Zugegeben also dass die Vorstandschaft in der Aka-
ttie in Athen von den Skeptikern auf die Dogmatiker
L die Anhänger des Antiochos übergegangen war, so folgt
»08 doch keineswegs dass auch ausserhalb Athens die
ilonische Richtung keine Vertreter mehr hatte. Wer bürgt
\ denn, da wir von Rom absehen müssen, dafür dass es
"gleichen nicht in Alexandria gab? In der That finden
• dort den Tyrier Heraklit und die Römer P. und C. Sei ins
iTetrilius Rogus (Cicero Acad. pr. 11), die zu den eifrig-
n Anhängern Philons gehörten. Für eine Philosophie aber,
( in den folgenden Jahrzehnten und Jahrhunderten eine
De spielen sollte, war es fast wichtiger dass sie in Alexan-
en Wurzel gefasst hatte als dass sie in Athen weiter
[)fl^ wurde. Es wäre daher wolil denkbar dass über
Bxandrien der Weg ging der von der philonischen Akar
öie zum Piatonismus der Kaisorzeit führte. Dass diese
äteren ihre eigenen Bestrebungen mit Uebergehung des
itiochos an Philon anknüpften, darf man wohl aus Augu-
08 Worten schlicssen der in der Thätigkeit der Neupla-
üker nur die Vollendung des von Philon begonnenen
erkes sieht und das Auftreten des Antiochos als eine vor-
') Noch in Rom hat er die Schrift verfasst, die seine eigen-
^icbe Anffassung der Skepsis begründete und den Unwillen des
■Uochos so lebhaft erregte (.Cicero Acad. pr. 11).
240 I^ie verschiedenen Formen des Skepticismns.
übergehende, die geradlinige Entwickelung des Piatonismus
störende Phase behandelt;^) und nicht viel anders beurtheilt
den Antiochos doch auch Numenios, wenn er von ihm sagt
(bei Euseb. praep. ov. XIV 9, 2) dass er unzähliges Fremd-
artige in die Akademie gebracht habe (fivQla §tva ^pocf^fc
rij l4xa6fjfjila), Indess war diess möglicher Weise nur eine
subjective Ansicht, die weil sie auf mehr Material sich grün-
dete zwar mehr gilt als die unserige aber doch kein^wegs
den Werth einer Ueberlieferung besitzt. Ob Antiochos oder
Philon den späteren Platonikeni die Bahn gewiesen hat,
kann daher nur entschieden werden durch eine genaue Ver-
gleichung der den einen wie den anderen zugeschriebenen
Lehren, wobei unter den Piatonikern in erster Linie die
beiden berücksichtigt werden müssen die für uns den Ueber-
gang von der Akademie zum späteren Piatonismus darstellen,
Eudoros und Aroios Didymos.
Um zu zeigen dass der letztgenannte der Richtung des
Antiochos folgte hat Zeller (III 1 S. 616, 1) sich auf die bei
Stobaios erhaltene Darstellung der peripatetischen Ethik be-
*) Von Philon sagt Augustin contra Acad. III 18, 41 ,jam yelati
aperire cedentibus hostibus portas coeperat et ad Piatonis aoctorita-
tem Academiani legesque revocare'S von Antiochos „aaditis Philone
Academico et Mnesarcho Stoico in Academiam veterem, qua&i vaciuiB
defensoribus et quasi nullo hoste sccuram, velut adjutor et dvis i^
repserat, nescio quid inferens mali de Stoicorum cineribus quod PU-
tonis avita violaret". Danach fährt er fort „Sed huic arreptis iteruo
Ulis armis et Philon restitit donec moreretur et omnes ejus reliqoiiB
Tullius uoster opprcssit se vivo impaticns labefactari vel contamioari
quidquid amavisset: adeo post illa tempora non longo Intervalle omni
pervicacia pertinaciaque demortua os illud Piatonis, quod in pbilo-
sophia purgatissimum est et lucidissimum, dimotis nubibus erroris
emicuit, maxime in Plotino'' etc. Denselben Sinn hat es offeobtr
wenn Antiochos von Augustin a. a. 0. 41 feneus ille Platonicos g^
nannt wird.
EntwickeluDg der akademischen Skepsis. 241
rufen, die ganz denselben stoisirenden Charakter trage wie
iie auf Antiochos zurückgehende bei Cicero. Zugegeben nun
Wdymos spreche wirklich durch diese peripatetische Dar-
itelliing seine eigene Ansicht aus, so würde er auch dann
loch nicht für einen Antiocheer gelten können, da, wie ich
Hiher (Th. II S. 713 ff.) gezeigt habe, mehrere Punkte dieser
)ar8tellung mit sonst bekannten Ansichten des Antiochos in
Widerspruch stehen. Aber, wie ich ebenfalls schon nach-
[ewiesen habe (Th. II S. 695 ff.), es ist diese Darstellung
iberhaupt nicht der Ausdruck einer einheitlichen Ueher-
«aping, sondern zusammengesetzt aus den Excerpten ver-
chiedener peripatetischer Schriften, und kann daher nicht
ur Kenntniss der Lehre dos Didymos verwandt werden.^)
Sme in der stoisirenden Form der peripatetischen Darstel-
iing das Bestreben des Antiochos zum Vorschein diese beiden
^lulosophien mit einander auszugleichen, so müsste etwas
ilntgprechendes sich auch in dem stoischen Abschnitt be-
obachten lassen d. h. auch hier die Absicht erkennbar sein
Iie stoische Ethik durch Milderung ihrer Schroffheit der
') Wenn Zeller S. 617, 2 darin dass die Darstellung bisweilen
Uis der indirecten Rede in die direete übergeht ein Zeichen findet
liK Didymos zwischen seiner eigenen Ansicht und der peripateti-
icken keinen Unterschied mache, so setzt er voraus dass die ganze
Stellung so wie sie uns jetzt vorliegt aus den Händen des Didy-
B08 gekommen ist. Kaum aber wird Jemand, der die Beschaffenheit
ücht bloss dieser sondern auch der übrigen ethischen Darstellung
Mdenkt, dieser Voraussetzung zustimmen. Aber selbst für den Fall
1*S8 schon Didymos für die Form der Darstellung verantwortlich
^e, 80 würde auch dann der von Zeller hervorgehobene Umstand
^cht beweisend sein: denn wie leicht kann es bei einem l&ngeren
B«ferat fremder Ansichten begegnen dass man im Bestreben diesel-
^ aus dem Geiste ihres Urhebers heraus darzustellen sich mit die-
'^ wenn auch nur vorübergehend eins fühlt und daher stellenweise
den Ton der directen Rede anschlägt.
Hirxel, Untennchuiigeii. in. 16
242 l^^e verschiedenen Formen des Skepticismns.
peripatetischcn anzunähern. Diess ist aber keinesw
Fall. Ueberhaupt kann wenn es sich darum handelt E
eigene Ansicht kennen zu lernen dazu nicht eine dei
rein historischen Darstellungen die pcripatetische c
stoische benutzt werden, sondern nur die beiden Yorang
denn hier werden die Lehren anderer Philosophe
einfach niitgetheilt sondern einander gegenübcrgesfa
dadurch der Keim zu einer selbständigen Erörterung
Nun habe ich aber schon früher (Th. II S. 837 Ar
merkt dass in diesem Abschnitt vor allen Philosopl
erwähnt werden, Piaton der bevorzugte ist. Dass ein
nicht der Verfasser sein könne, habe ich hieraus sc
mals geschlossen. Aber auch zu Antiochos passt di(
fahren nicht. Denn wenn derselbe auch in letzter '
seine Lehre von Piaton ableitete, so waren doc
nächsten Autoritäten Aristoteles und noch mehr Xei
und Polemon.*) Keiner der beiden letzteren wird
M Antiochos als Mitglied der Akademie sachte natC
Piaton anzuknüpfen. Insofern sagt Sextos Pyrrh. I 235 g(
Recht von ihm: inföelxvve oit Tiaga IlXanovi xeirai ta t
xüiv doYfxaxa. Ausführlicher ist Antiochos* Verhältniss i
dargestellt in Varros Worten bei Cicero Acad. post. 16 ff.
sen ergibt sich einmal allerdings dass Antiochos die pl
Lehre vortragen wollte, ausserdem aber dass er zur Kennt
selben nicht so sehr die platonischen Schriften (aus denen
mehr die Kenntniss der eigenthümlichen Weise des SokrateB
wollte, vgl. auch Acad. pr. 15) als die Lehren seiner Schale
teles und Xenokrates benutzte. Daher erklärt sich die Qb^
Autorität, die diese beiden für ihn besassen, vgl. Cicero .
137: Aristoteles aut Xenocrates quos Antiochus sequi voleb
num quid horum probat noster Antiochus? ille vero ne migc
dem suornm: ubi enim aut Xenocraten seqnitur ai
Aristotelem ? Bedenkt man dass diesen letzteren W<
mittelbar vorausgeht die Erwähnung Piatons, dass dieser a
mit zu den Vorfahren (^majores) des Antiochos gezählt wird.
BIntwickelung der akademischen Skepsis. 243
n dem fraglichen Abschnitt auch nur genannt Dagegen
8t bemerkenswerth dass die Uehereinstimmung zwischen
iokrates Piaton und Pythagoras hervorgehoben wird:*) denn
linmal ist für die Entwickelung des späteren Piatonismus
jerade die Verbindung von Bedeutung gewesen in die man
^laton und Pythagoras brachte, 2) und ausserdem werden ge-
egentiich diese drei den von Antiochos anerkannten Autori-
äten gegenübergestellt.^) Mit der Lehre des Antiochos steht
Sin dass für Antiochos Piaton nicht viel mehr als ein blosser Name
ind in Wirklichkeit Aristoteles und Xcnokrates seine Autoritäten
raren. Auch Acad. pr. 136 bestätigt diess, wo sie als solche im
}egensatz zu Sokrates erscheinen; und keinen anderen Grund hat
I, wenn Plutarch in der Yergleichung des Kimon und Lucnllus 1
lesen letzteren, den wir als Anhänger des Antiochos kennen, einen
Verehrer des Xenokrates nennt. Dass neben Xenokrates auch Pole-
lOQ viel bei Antiochos galt und insbesondere von ihm zur Entschei-
Inng der Cardinalfrage nach dem höchsten Gut herbeigezogen wurde,
ßlurt Cicero Acad. pr. 131. de fin. V 14.
') 64: SwxQaTrjg IlXdrwv tavrä zw üv^ayoga, reXog b/uoltoaiv
hov.
*) In Plutarchs Schrift über Kindererziehung p. 2C werden eben-
aUb Pythagoras Sokrates und Piaton zusammengestellt, ebenso in der
nten Rede über das Glück Alexanders p. 331 A.
*) Von Cicero Tuscul. V 30: non igitur facile concedo neque
too meo neque communibus magistris nee veteribus illis, Aristotcli
ipensippo Xenocrati Polemoni, ut cum ea quae supra enumeravi in
oalis numerent idem dicant semper beatum esse sapientem; qnos si
itolus hie delectat insignis et pul eher, Pythagora Socrate Piatone
lignissimns, inducant animum illa quorum splendore capiuntur viris
'aletadinem palchritudinem divitias honores opes contemnere eaque
lue his contraria sunt pro nihilo ducere. Hierzu hat bereits Heine
•m im Text Gesagte bemerkt. Aehnlich wie Cicero stellt die drei
benannten auch Numenios bei Euseb. pr. cv. XIV 5, 7 zusammen;
nid dass derselbe sich hierin an Antiochos angeschlossen habe, ist
ichon deshalb nicht anzunehmen weil an der angeführten Stelle ge-
r»de die Verschiedenheit der platonischen Lehre von der des Aristo-
^les und Zenon betont wird.
16*
244 I^ie verschiedenen Formen des Skepticismos.
ferner in Widerspruch dass nicht bloss die äusseren sondern
auch die leiblichen Güter von den Bestandtheilen des höch-
sten Gutes ausgeschlossen werden (58, vgl. dazu Th. II S. 715 f.);
und nicht für ihn lässt sich anführen dass einmal (64) aus
den zwei Theilen des menschlichen Wesens auf zwei Arten
von Gütern geschlossen wird.*) Auf Grund dessen was bei
Stobaios von ihm erhalten ist wird man daher Areios Didy-
mos in Zukunft nicht mehr für einen Anhänger des Antiochos
ausgeben. Ebenso wenig darf man Eudoros dafür erklären.
Denn wenn dieser (50) die Lust ohne Weiteres unter die
Güter (zunächst unter die jtQO?jyovfi6va) rechnet, so ent-
spricht diess keineswegs der Meinung des Antiochos (vgl
Th. II S. 713), und ebenso wenig lässt es sich mit dieser
vereinigen dass die Tugenden die von Antiochos zu den um
ihrer selbst willen erstrebenswortben Dingen gezählt und in
dieser Hinsicht den leiblichen Gütern gleichgestellt wurden
(Cicero fin. V 68) bei Eudoros nur die Mittel sind durch die
wir die Güter erwerben. 2)
') Die betreffenden Worte lauten: ix yag awfiatoq xal t^W
Tov dvi^^wjiov avveaxwxoc dvayxrj xal rt/v fi'^dtfifav avrov ne^ rovr«
xal 6iä TovTwv avviataa&ai. Vorher war von den verschiedenen
Ansichten über das höchste Gut die Rede, dass die Einen dasselbe
in die Tugend, die Anderen in die Lust, wieder Andere in die ye^
bindung beider setzten. Wären nun die fraglichen Worte die Be-
gründung lediglich dieser letzten Ansicht, so hätten wir allerdings
eine Lehre vor uns die der des Antiochos sehr nahe käme. Dieselbe
aber hier ausgedrückt zu finden ist deshalb misslich, weil knn Tor
her (58) gerade die leiblichen Güter von den Bestandtheilen des
höchsten Gutes waren ausgeschlossen worden , der Verfasser alw in
jenem Falle mit sich selbst in Widerspruch treten würde. Jene Be-
gründung, was überdiess die am nächsten liegende Anffassong v^
kann daher nur erklären sollen weshalb bei aller Mannichfaltigkeit
der Ansichten über das höchste Gut dasselbe doch immer in irgend
eine Beziehung zu Seele oder Leib gesetzt wird.
") Denn 48 werden die Abschnitte unterschieden, der welcker
Entwickeltmg der akademischen Skepsis. , 245
Wenn also nicht Antiochos, dann muss wohl Philon der
Vorgänger des Arcios Didymos und Eudoros gewesen sein,
Toraosgesetzt nämlich dass Beide in irgend welchem Zu-
sammenhang mit der Schule stehen und nicht von sich aus
obno äusseren Einfluss zum Piatonismus gelangt sind. Diese
letztere Annahme ist aber sehr unwahrscheinlich und wird
noch insbesondere was Eudoros betriflft dadurch widerlögt
lass dieser bei Stobaios (46) ein Akademiker heisst. Mit
Eudoros aber scheint Areios Didymos in allem Wesentlichen
ibereingestimmt zu haben, da er sonst schwerlich dessen die
janze Philosophie umfassendes Buch ein ßißXlov a^Loxrtjxov
]8tob. a. a. 0.) genannt haben würde. Nun wird von dem-
Jclben Areios Didymos nicht bloss Eudoros sondern auch
Philon (Stob. 40) als akademischer Philosoph bezeichnet, und
iie nächste Annahme ist doch gewiss dass beidemal unter
ücsem Namen dasselbe zu verstehen ist. Der sich hieraus
Jrgebonde Schluss dass Areios Didymos und Eudoros der
Sichtung Philons folgten wird überdiess dadurch bestätigt
iass Philon von Didymos unter die gerechnet wird die die
Philosophie ein gutes Stück vorwärts gebracht haben. ^) Und
licht genug mit diesem Lobe, es wird von ihm gesagt dass
rie er alles Uebrige richtig angestellt habe, so auch die
» mit den Zwecken und Zielen {axonoi, xthj) und der andere der
« mit den dazu führenden Mitteln zu thun hat. Der letztere Ab-
«hnitt ist der welcher die Tugenden erörtert. Mit den Zwecken
md Zielen sind aber natürlich die dya^a identisch : es würde sich
l^er als Ansicht des Eudoros herausstellen dass zwar Lust und
iohm (tiöovt}, 66§a) als ein Gut zu betrachten sind, aber nicht die
laugend. Diess ist aber eine Ansicht, die ihn ebenso mit Antiochos
& Widerspruch bringt wie sie ihn mit Karneades in Uebereinstim-
J»nng zeigt (vgl. S. 190, 1).
*) Stob. 40: 4>lXwv iytvtxo AaQiaaloq, tfi?,6ao(poq dxadrjfiixog,
wovar^j KkBixofxaxov , twv ixavrjv elaevtyxafjitvQjv ngoxon^v iv
246 I^ie versehiedenen Formen des SkepticismoB.
Einthoiluug dos philosophischen Vortrags.*) Sind nun de
gleichen Lobspriiche im Mundo des Antiochos oder m
seiner Anhänger denkbai'? Antiochos, der über die Sdu
in welcher Philon zum ersten Mal seine oigenthiimlidi
Ansichten dargelegt hatte in solchen Zorn gerieth (homo i
tura lenissimus — stomachari tamen coepit, Cicero Acad. pr. 1
soll ihn nichtsdestoweniger unter die gezählt haben dei
die Philosophie einen bedeutenden Fortschritt verdankt,
nach dessen Urtheil die Akademie mit Arkesilaos den rech
ihr von Piaton gewiesenen Weg verlassen hatte und seitd
bis auf seine Zeit fortwährend in der Irre gegangen w.
Und derselbe Antiochos sollte Philon nachgerühmt halt
dass er es in allen Stücken recht gemacht habe, er, n
dessen Ansicht Philon doch gerade in der Hauptsache
Rechte verfehlt hatte? Man darf nicht einwenden, i
Jemand ein Anhänger des Antiochos sein konnte ohne i
halb in der Beurtheilung jedes anderen Philosophen mit i
übereinzustimmen: denn hier handelt es sich eben nicht
einen beliebigen Philosophen sondern um den dessen Bc
theilung über den Standpunkt des Beurtheilenden in
Akademie entschied. Wer der Meinung war, Philon h
es in allen Stücken recht gemacht und Philon habe
Philosophie ein gutes Stück vorwärts gebracht, der hi
eben damit auf ein Anhänger des Antiochos zu sein.
Die eigentliche Probe für die Richtigkeit dieser Ansi
wonach Eudoros und Didymos nicht an Antiochos send
an Philon angeknüpft haben, wird darin liegen dass ihre
bekannten Lehren mit denen Philons wo nicht zusamiD
treffen doch wenigstens sich als eine Fortbildung dcrsd
auffassen lassen. Eine eigenthümliche Ansicht des Ende
*) Stob. 40: ovzog o 4*lkiov xa ts aXla TienQayfxdtevtat Sf{
xal ötalgeaiv xov xaxa fpiXoaotplav loyov.
EntwickeluDg der akademischen Skepsis. 247
aber, durch die er mit Antiochos in Widerspruch trat, haben
wir bereits kennen gelernt, dass nämlich die Tugend kein
Gut ist sondern nur ein Mittel das uns zu den Gütern ver-
hilft. Schon allein der Umstand dass diese Ansicht auch
von Kameades verfochten wurde könnte uns berechtigen
Eudoros näher an Philon als an Antiochos zu rücken, wenn
nicht die gleiche Ansicht auch der Eintheilung von Philons
philosophischem Vortrage zu Grunde läge.^) Wichtiger ist
eine andere Eigenthümlichkeit des Eudoros weil sie uns auf
seine philosophische Grundansicht schliessen lässt. Von ihm
wird nämlich gesagt, dass er in seinem Buche die gesammte
Wissenschaft problematisch erörtert habe (Stob. 48: Iv oi'
xadttP ijte§eXi]kvO'e jtQoßhjftarixcog ttjp ljtiöti](ifjv). Wie
es scheint, hat man diesen Ausdruck bisher so verstanden,
dass man meinte, Eudoros habe eben die verschiedenen
*) Der zweite Theil des xaza <pi),oao(f>iav loyoq war der ^fQa-
Tiivtixoq und dieser wiederum idcntiscti^mit dem nfQl dya^wv xal
xaxm xonoq iif>^ wv xal di' wv y nQoxQoni] (,Stob. 42). Dass unter
den äya^a hier nicht mit an die Tugend zu denken ist, folgt daraus
weil Yon dieser und ihrem Werthc schon der erste Theil, der tcqo-
^inxixoq gesprochen hatte (Stob. 40: tan yuQ b nQOTQenrixog 6
noQOQfjidiv inl tjJv txQstijv. xovtov 6* b /nhv ivöeixvvrai xb ^leya?.-
^ff^g avt^q xxk.). Auch der Zusatz t<p* wv xal 6i' wv y nQOXQontj
macht es wahrscheinlich dass die Tugend von den dya&ä auszu-
schliessen ist. Mit Bezug auf die Tugend müsste es heissen: iip' a
*l nQoxQonij. D. h. die Tugend ist das Nächste worauf sich die Er-
iDahnung richtet (40: eaxi yaQ b itQOXQenxixbq b TiaQOQjniov inl xtjv
^QfXTiv, 42: xa S^eQanevxixa — , i<p' a xoXq TtaQOQ/irjxixolg xixQI'^^'^
^fif^g). In i(p^ wv dagegen scheinen die weiteren Zwecke und
Ziele angedeutet zu sein, im Hinblick auf welche die nQOXQonri zur
Engend antreibt, in Betreff welcher sie stattfindet (vgl. auch Sauppe
20 Plat. Protag. p. 358 B über aX tnl xovxov TrQa^eig); und nichts
Anderes bezeichnet auch 6i* wv, nämlich die Mittel durch welche die
^pOT()o;rr) ihre Wirkungen erreicht, dieses sind aber die aus dem
^gendhaften Handeln entspringenden Vortheile auf die sie hinweist.
248 I^ie verschiedenen Fonnen des Skepticismiu.
Probleme, mit denen es die Wissenschaft zu thun hat, be-
sprochen und beantwortet. Aber wozu dann dieser Zusatz?
Denn dass jede Darstellung einer Wissenschaft die verschie-
denen Probleme und ihre Beantwortungen vorführt, wussten
wir ohnediess; das war keine Eigenthümlichkeit von Eudoros'
Darstellung, die besonders bemerkt zu werden verdiente.
Es bleibt also nur die andere Erklärung übrig, dass die
Darstellung des Eudoros sich auf die Angabo der Probleme
beschränkte und auf die Lösung derselben verzichtete. Die
Richtigkeit dieser Erklärung wird durch die Worte bestä-
tigt, die der eigentlichen Darstellung vorausgingen (Stob. 54):
dgxriov de rmv jtQoßXrjfidrcop ütQorarrovxa xa yivfj xaxa
rr/v iftol g)airofth'rjV didta^u^ xrX. Eine Darstellung, derea
Zweck die Lösung der Probleme war, würde Niemand in
dieser Weise einleiten. Wüssten wir sicher dass audi das
bei Stobaios Folgende dem Eudoros entnommen ist,*) so
würden wir nicht im Zweifel sein was unter der problemar
tischen Darstellungsweise zu verstehen ist Indessen auch
so gewährt dasselbe einen Anhalt. Wenn wir nämlidi von
der entschiedenen Abweisung des Kritolaos (56 f.) absehen,
bleibt die Erörterung überall innerhalb der Grenzen des
Problematischen, und wird selbst Piatons Ansichten, so un-
verkennbar die Vorliebe für ihn ist, doch nie mit Bestimmt-
heit der Vorzug vor anderen gegeben. Es wird berichtet
über die verschiedenen Versuche die gemacht worden waren
zur Lösung der Frage nach dem höchsten Gut sowie nach
den Gütern und Uebeln und der ob das Schöne um seiner
selbst willen zu wählen sei, und obgleich das Bestreben
durchblickt die Unterschiede der einzelnen Lehren auszu-
gleichen, so bleibt doch schliesslich dici Entscheidung, welche
Lösung er billigen will, dem Leser überlassen. Hier haben
') Vgl. darüber Th. II S. 835, 2.
Entwickelang der akademischen Skepsis. 249
nr also thatsäcfalich was maii mit Fug und Recht eine
roblematische Darstellung nennen könnte. Dieselbe mag
nmerhin auf Areios Didymos zurückgehen, so dürfen wir
och annehmen dass die des Eudoros von der gleichen Art
AT, zumal das Werk desselben lobend erwähnt wird {ßißXlov
IlLOXTtjTov Stob. 48). Dass Eudoros es liebte in dieser
'eise über die Probleme und ihre Lösungen nur zu be-
chien, die Entscheidung aber Anderen zu überlassen, be-
ätigt uns auch Plutarch jisqI xfjq Iv Ttfialw tpvxoy. c. 3.
enn nachdem er die einander gegenüberstehenden Meinungen
a Xenokratos und Krantor mitgetheilt hat, fährt er fort:
Kovrmp dl xmv xaß-oXov Xtyo/itvcov 6 /itv EvdcoQog ov-
ti^vg a/ioiQBh' ohrai rov tlxorog' ifiol dt doxovöi rfjg
idrmpog dfi^orsQoi ötafiaQrdpeiv do^fjg, d xat^ovc ro)
i^avfp XQ^iOriov, ovx Idia 66y(ictra xtQcdvovxag dXX^
üvm XL ßovXo/iivovg Xtytiv 6/ioXoyovfitvoi\ Welches die
oblematische Methode des Eudoros war, wird sich hier-
•ch kaum noch zweifeln lassen. Ist nun aber diese Methode
cht dieselbe wie sie von den skeptischen Akademikern,
Äiigstens den späteren, geübt wurde? Denn auch diese
dlten zwar die Probleme auf und erörterten sie durch
Jgenüberstellung der verschiedenen Lösungen, gaben die
2te Entscheidung aber/ ihren Schülern anheim.
Nehmen wir daher an was sich uns von verschiedenen
iten her bestätigt hat dass Eudoros und Areios Didymos
Philon anknüpften, so gilt das Gleiche von dem Plato-
unns der Kaiserzeit überhaupt. Dom entspricht die durch
nselben hindurchgehende Grundrichtung (vgl. Zeller III 1
802 ff.). Denn mögen dieselben immer im Einzelnen von
aton abweichen, ihre Absicht ging jedenfalls dahin den
hten Piaton wieder ans Licht zu stellen. In gewisser Weise
alich hatte diese Absicht auch Antiochos. Der Weg aber
in er dazu einschlug war ein ganz anderer. Denn er ver-
250 ^i6 verschiedenen Formen des Skepticismus.
wies auf Xenokrates und Aristoteles als diejenigen, in de
Lehre die platonische sich am reinsten darstelle; einer je
späteren Platoniker, Taurus, dagegen hatte gerade über
Unterschied der platonischen und aristotelischen Philosof
geschrieben und hielt oflfenbar so gut wie seine Genos
die Schriften Piatons für die einzige reine Quelle zur Kei
niss seiner Lehren. Nicht anders aber wird auch Phi
verfahren sein wenn er Augustins Zeugniss zufolge die A
demie wieder zur Lehre und Autorität Piatons zurückfüh
Was will hiergegen Scnecas Zeugniss sagen? Derselbe
klärt allerdings quaest. nat. VII 32, 2: Acadomici et vet(
et minores nullum antistitem reliquerunt. Man thut a
diesen Worten keine Gewalt an, wenn man sie ledighch
die Akademie in Athen und ihre Vorstände bezieht de
Reihe damals abgebrochen war.
Auch das Stoische das sich in die Lehren der späte
Platoniker einmischt kann uns in der über ihren Urspr
gefassten Meinung nicht stören. Denn Stoisches fanden
auch bei Philon. Vielmehr wird hierdurch von Neuem
stätigt dass diejenigen Akademiker gegen welche Ainesi<
bei Photios polemisirt und deren Uebereinstimmung mit
wissen stoischen Lehren er hervorhebt Philon und »
Anhänger waren. — Damit ist die Untersuchung zu ih
Ausgangspunkt zurückgefühil.
Wir haben gesehen dass Philon keineswegs mit I
neades brechen, dass er bis zuletzt ein Skeptiker sein
heissen wollte. Trotzdem war er es, der dem Skeptids
innerhalb der Akademie den Todesstoss gab: denn er
die Möglichkeit eines Wissens zu und wies seine Schüler
Piatons Autorität hin; ob dieselben Skeptiker bleiben c
zu den Dogmatikcrn übergehen würden, hing daher ledig
von ihrer Auflfassung des Wissens und ihrer Auslegung
platonischen Schriften ab.
IL Die Academica priora.
1. LttCttUus^ Vortrag.
Nachdem im ersten Buch der früheren Bearbeitung der
Academica vorzüglich die Vertreter der Skepsis, Catulus und
Cicero, zum Wort gekommen waren und in Hortensius nur
einen schwachen Gegner gefunden hatten, wird ihnen im
zweiten eine gründliche Widerlegung duich Lucullus zu Theil,
der in längerem polemischen Vortrag die Ansichten des
Antiochos darlegt. Dass für den Inhalt desselben die Er-
innerung an mündliche Vorträge des Philosophen die Quelle
gewesen sei, ist eine Möglichkeit, die vom Standpunkt der
heutigen Quellenforschung überhaupt und der ciceronischen
insbesondere keine Beachtung mehr verdient. Vielmehr unter-
liegt es keinem Zweifel dass dieser Theil der Academica von
Cicero einer Schrift des Antiochos entnoumien ist und wohl
ebenso wonig dass diese Schrift der von Lucullus selber (12)
erwähnte Sosus ist. Krische hat diess längst genügend ins
Klare gesetzt (Ueber Ciceros Akademika in Gott. Stud.
1845, 2 S. 192 f.). In anderer Beziehung dagegen lassen
sich vermittelst einer näheren Betrachtung der ciceronischen
Worte seine Erörterungen noch ergänzen.
Wenn wir auf den Vortrag des Lucullus blicken, so
njüssen wir zugeben dass derselbe in der Hauptsache ein
gnt disponirtes, wohl zusammenhängendes Ganze bildet.
Nachdem Lucullus in einleitenden Bemerkungen gegen die
252 I^i© Academica priora.
Berufung der Skeptiker auf ältere Philosophen protestirt
hat, ^) schickt er sich zur Widerlegung ihrer Lehre an, indem
er zunächst die Definition der xardXtppK; oder xaraXrjxnxii
(pavxaola feststellt (17). Dabei stellt er sich gegenüber der
laxeren Auflfassung Philons auf die Seite der Stoiker. Das
Folgende hat daher die Aufgabe nachzuweisen, was die Skep-
tiker und auch Philon bestritten, dass eine xardXtppu; in
diesem Sinne auch wirklich vorhanden sei. Zuerst geschieht
diess hinsichtlich der durch die Sinne vermittelten (19—21).
Sodann hinsichtlich der welche durch eine über die Sinne
hinausgehende Thätigkeit zu Stande kommt und sich im
Gedächtniss (22), in den Künsten (22), in den Tugenden
(—26), in der Wissenschaft ( — 30) offenbart. Die Ordnung,
in der hier der Katalepsis durch verschiedene Gebiete des
menschlichen Lebens nachgegangen wird, ist keine willkür-
liche oder zufällige, sondern folgt den Stufen in denen die
Erkenntniss von der niedrigsten Art wie sie die Sinne ge-
währen zu immer höheren Formen aufsteigt. So ist der
Beweis geliefert dass die welche eine Erkenntniss leugnen
*) Auch hierbei folgt Lucullus dem Antiochos. Wenigstens be-
hauptet er dass die älteren Naturphilosophen und auch Platon roA
Sokrates mehr Dogmatiker als Skeptiker gewesen seien (14 f.); das-
selbe hatte aber den Anhängern der skeptischen Akademie gegenüber
auch Antiochos geltend gemacht (Augustin. c. Acad. II 6, 15). Ln-
cuUus verfolgt damit zunächst den Zweck der ciceronischen jetzt ver-
lorenen Auseinandersetzung im ersten Buch zu antworten. Diess darf
man aus den Worten des ciceronischen Berichtes (13) schliessen:
quae cum dixissct, sie rursus exorsus est: ,,primum mihi Tidemini-^
me autem nomine appellabat — , cum veteres physicos nominatiS)
facere idem, quod seditiosi cives solent." Die Vermuthaog das»
Cicero dem Vortrage des ersten Buches eine solche historische £iO'
leitung vorausgeschickt hat wird durch die Academica posteriora be-
stätigt, in denen wie das erhaltene Fragment 44 ff. zeigt dieselbe
ebenfalls nicht fehlte.
Lucullus' Vortrag. 253
sich in die ärgsten Widersprüche verwickeln, und die Noth-
wendigkeit eine solche anzunehmen muss eingeräumt werden.
Diese dialektischen Erörterungen werden 30 f. durch eine
der Psychologie entnommene Betrachtung ergänzt: denn es
wird gezeigt dass der Mensch seiner Naturanlage nach für
die Erkenntniss befähigt ist und der Weg angegeben auf
dem er zu ihr gelangt. Insofern die bisherige Bestreitung
der Skeptiker auf der Voraussetzung ruhte dass dieselben
zwischen den verschiedenen Vorstellungen hinsichtlich ihrer
Geltung keinen Unterschied machten und ihnen deshalb die
Beseitigung der Grundlagen alles Handelns und Thuns zum
Vorwurf machte, konnte sie scheinen nicht gerecht zu sein,
da sie den skeptischen Akademikern im Allgemeinen etwas
nachsagte was in Wahrheit nur einem Theil derselben eigen
war. Nur die Anhänger des Arkesilaos setzten die Vor-
stellungen in ihrem Werthe einander vollkommen gleich,
Karneades dagegen schied die wahrscheinlichen von den an-
deren und erblickte in ihnen das Surrogat das an Stelle der
nicht zu erreichenden Gewissheit als Unterlage des Handelns
nnd Thun^ dienen konnte. Lucullus oder vielmehr Antiochos
fand es daher für nöthig diese Modification der älteren
Skepsis noch einer besonderen Besprechung zu unterziehen
nnd nachzuweisen dass auch das Wahrscheinliche unserem
Handeln und Thun nicht den erforderlichen Halt zu geben
vermag. Diess geschieht 32 — 37.*) Was hinzugefügt wird,
37~-40, verhält sich zu dem Vorhergehenden als positive
Ergänzung: war dort gezeigt dass es nicht genügt etwas für
wahrscheinlich zu halten, so wird hier nachdrücklich hervor-
gehoben und ausgeführt dass der Mensch seiner Natur nach
*) Dass anter den Vertretern der milderen Skepsis Karneades
'"»d Dicht etwa Philon zu verstehen ist, wurde schon S. 205 ff. (vgl.
^«•- S. 212) gezeigt.
254 I^ie Academica priora.
gar nicht anders kann als gewisse Vorstellungen mit voller
Ueberzeugung für wahr halten oder, wie der teclinische
Ausdruck lautete, sie der Zustimmung (ötryxccrdd-ecig) wür-
digen. Die Gliederung dieses zweiten auf das Wahrschein-
liche bezüglichen Abschnittes im Vortrage des Lucullus entr
spricht also genau der des ersten: wie er in diesem auf den
Nachweis dass eine Erkenntniss anzunehmen nothwendig
sei den anderen hatte folgen lassen der die Möghchkeit
derselben aus der menschlichen Natur ableitete, ebenso ver-
fahrt er auch in jenem wenn er nicht zufrieden die Unent"
behrlichkeit einer grösseren Gewissheit als sie das Wahr-
scheinliche enthält nachgewiesen zu haben den Drang nadi
einer solchen in der menschlichen Natur und zwar als einen
ihr eigenthümlichen, für sie charakteristischen aufzeigt^)
Bis hierher nehmen wir an der Ordnung des Inhalts in
Lucullus' Vortrage nicht den geringsten Anstoss.') Alles ist
^) 37 : cum inter inanlmnm et animal hoc maxime intenit qaod
animal agil aliquid — nihil enim agens ne cogitari qaidem poteit
quäle sit — , aut ei sensus adimendns est aut ea, quae est in noitrt
potestate sita, reddenda adseosio. at vero animns quodam modo
eripitur eis quos neque sentire neque adsentiri Toinnt
ut enim necesse est lancem in libra ponderibas inpositis
deprimi, sie animum perspieuis cedere. nam qno modo
non potest animal ullum non adpetere id quod accommo-
datum ad naturam adpareat — Graeci id olxsZov appol*
lant — , sie non potest objeetam rem perspicnam non ad-
probare.
') Natürlich bezieht sich diess nur auf die HanptgedtnkeB.
Dass im Einzelnen Manches verschoben und unpassend sei, soll damit
nicht geleugnet werden und versteht sich überdiess bei so flüchtigei
Arbeiten, wie Ciceros philosophische Schriften sind, von selber, b'
dessen könnte es doch auch hier leicht einmal geschehen dass vif
dem Verfasser Schuld gäben was in Wirklichkeit den Abschreibers
zur Last fällt. Etwas der Art haben wir, glaub* ich, 35. Yorker
war die Ansicht dass es ein Augenscheinliches (perspicnam) gi^e.
Lacnllas* Vortrag. 255
80 gut disponirt dass die Polemik gegen die Skepsis abge-
schlossen scheint: denn was Hess sich noch hinzufügen,
dieies aber tod dem begrifflich Erkannten (perceptum) verschieden
sei, widerlegt and daraus der Schluss gezogen worden : ita neqae co-
lot neqae corpus nee veritas nee argumentum nee sensus neque per-
spicQom uUum relinquitur. Hieran reihen sich folgende Worte: ex
lue illad eis usn venire solet, ut quicquid dixerint a quibusdam in-
tmogentur: „ergo istuc quidem percipis?" sed qui ita interrogant
ab eis inridentor. non enim urguent ut coarguant neminem uUa de
re posse contendere nee adseverare sIuq aliqua ejus rei, quam sibi
qoisqoe placere dicit, certa et propria nota. Inwiefern können nun
diese Worte als eine Folgerung aus dem Vorhergehenden gelten?
Im Vorhergehenden hatte ein Gegner der Skeptiker, um sie ad ab-
nrdom zu führen, aus ihrer Ansicht die Conscquenz gezogen dass
hiernach weder ein Sinneseindruck noch ein Augenscheinliches mög-
lich sei. Wie können nun hiervon andere Gegner der Skeptiker den
Anlass nehmen zu der vorwurfsvollen Frage ob sie nicht also wenig-
stens diesen einen Satz für einen begrifflich erkannten gelten Hessen?
Offenbar liegt hier eine Verwechselung vor. Was in Wahrheit die
Mnctio ad absurdum der skeptischen Ansicht ist, hat man für den
Anadrack des skeptischen Satzes angesehen dass nichts begrifflich er-
hinnt werden könne. Denn von diesem konnte man den Anlass zu
ioner Frage nehmen und hat man ihn wie 28 zeigt thatsächlich ge-
nommen. Aber nicht bloss nach dieser sondern auch nach der an-
leren Seite stehen die fraglichen Worte mit ihrer Umgebung in kei-
nem rechten Zusammenhang. Denn nach ihnen fährt Lucullus mit
folgender Frage fort: „quod est igitur istuc vestrum probabile?"
Aber von dem „probabile" ist ja in den vorhergehenden Worten gar
lueht die Rede: dieselben tadeln nur die ungenügende Weise in der
Einige die Skeptiker zu widerlegen glauben. Auf die Unmöglichkeit
eines „probabile'' zu schliessen geben sie also nicht das mindeste
Becht. Denken wir uns dagegen jene Worte „ex hoc — propria
nota'* hinweg, so ist das „igitur" der Frage vollkommen an seinem
Plntze. Denn dann war im Vorhergehenden der Versuch der Skep-
^ker das „probabile" vermittelst des „perspicuum" zu retten (über
^ akademische Ansicht dass das Wahrscheinliche und Augenschein-
Mche, das m&avbv und hvuQytq, zusammenfallen, s. S. 206 fF.) ver-
eitelt worden und die Frage was denn nun eigentlich das „proba-
256 1)^6 Academica priora.
nachdem die Skepsis bestritten worden war sowohl insofern
als sie jede Erkenntniss leugnet wie insofern als sie unserem
Thun in dem Wahrscheinlichen einen Halt zu geben sucht?
Und doch fährt Lucullus 40 in seiner Polemik fort! Das
Recht dazu entnimmt er den Einwendungen, die wie er sagt
die Skeptiker gegen das Vorgetragene machen und die er
sich deshalb zu widerlegen anschickt (nunc ea videamus quae
contra ab his disputari solent). Wären diess nun wirklich
Einwendungen d. h. Gründe die die Triftigkeit der von Lu-
cullus vorgebrachten Argumente bestreiten, wären es Repliken
von Seiten der Skeptiker auf die Angriffe des Antiochos, so
könnten dieselben allerdings keinen besseren Platz haben
als der ihnen jetzt in Lucullus' Vortrage angewiesen ist
Sehen wir uns nun aber einmal den Inhalt dieser Einwen-
dungen genauer an. Die Skeptiker, sagt Lucullus, ent-
wickelten zuerst in systematischer Darstellung ihre Theorie
von den Vorstellungen (visa), indem sie das Wesen derselben
feststellten, die einzelnen Arten unterschieden. Dabei gaben
sie auch nach dem Vorgang und in der Weise der Stoiker
eine Definition der begriflflichen Vorstellung.^) Darauf wur-
bile*' sei wenn es doch auch das „perspieaam*' nicht sein kOnnc,
nahe genug gelegt. Dass Cicero selbst in dieser Weise den Zusam-
menhang der Gedanken verfehlt habe, ist kaum denkbar. Wir ve^
den die störenden Worte daher einem Interpolator zuschreiben, dcD
in der Erinnerung lag was wir 28 f. lesen: ex hoc illnd est nitiUD
quod postulabat Hortensius ut id ipsum saltem perceptnm a sapiente
diceretis, nihil posse pereipi. sed Antipatro hoc idem postolanti,
cum diceret, ei, qui adfirmaret nihil posse pereipi, nnum tarnen illad
dicere pereipi posse consentaneum esse ut alia non possent, Cun^tr
des acutius resistebat etc. etc. Dass an dieser früheren Stelle schon
Alles was wir an der späteren lesen ausführlicher und an heSÖnM^
Namen geknüpft vorgebracht war, davon deutet der InterpoUtor
nichts an und gibt sieb hierdurch um so mehr als solchen so e^
kennen.
^) Gonponunt igitur primum artem quaudam de eis quae ^i^
Lucullas* Vortrag. 257
en von ihnen die einzelnen Sätze herbeigeschafft, aus denen
er Schluss hervorgeht dass eine solche begiiflfliche Vor-
»Uung in Wirklichkeit nicht existirt (40 f.). Dabei ver-
leidigten sie eingehend die Richtigkeit der beiden Prämissen
iffi Alles was in die Vorstellung tritt entweder wahr oder
Isch sei und dass jeder wahren Vorstellung eine falsche
lUkommen gleichen könne, indem sie sich auf eine ein-
ibende Erörterung der beiden Classen von Vorstellungen
ftliessen, sowohl derer die von den Sinnen genommen sind
id anwillkürlich in uns entstehen wie der anderen die aus
rnfinftiger üeberlegung hervorgehen und dem Bedürfniss
fErkenntniss entspringen.^) Man sieht nun ohne Weiteres
188, was hier als eine Antwort der Skeptiker speciell auf
B Angriffe des Antiochos ausgegeben wird, in Wahrheit
cht dieses ist sondern eine ausfuhrliche zusammenfassende
irlegung und Begründung der gesammten skeptischen
leorie soweit sie die Unmöglichkeit des Erkennens betrifft;
d das gibt auch Lucullus selber zu mit den einleitenden
orten (40) „sed prius potestis totius eorum rationis quasi
cimns, eorumque et vim et genera definiunt; in his quäle sit id,
od percipi et conprehendi possit, totidem verbis quot Stoici.
') 41 : reliqua vero multa et varia oratione defendunt quae sunt
im dao, unum: „quae videantnr, corum alia vera esse alia falsa*^;
tarn: „omne visum, qnod sit a vero, talc esse qualc etiam a falso
ttit esse'*, haec duo proposita non praetervolant sed ita dilatant
Qon mediocrem curam adhibeant et diligentiam. dividnnt enim
p&rtis, et eas quidem magnas: primum in sensus, deinde in ea
M dncnntur a sensibus et ab omni consnetudine quae obscurare
lont. tum perveniunt ad eam partem ut ne rationc quidem et
Djectura ulla res percipi possit. haec autem universa concidunt
tm minutlns: ut enim de sensibus hestcrno sermone vidistis, item
^ont de rellquis in singulisque rebus quas in minima dispertiunt
innt efficere eis omnibus, quae visa sint, veris adjuncta esse falsa
^ & veris nihil diiferant: ea cum talia sint, non posse conpre-
Qdi.
Hirzel, üntersachnngen. lU. 17
258 I^ie Academica priora.
fundamcnta cognoscere". Wozu aber, so fragt man, wir
eine solche Darlegung der skeptischen Theorie erst hii
nachgebracht? Wenn LucuUus eine solche Erörterung fi
nöthig hielt, so musste er sie schon früher, musste sie \
Anfang seines ganzen Vortrags geben, da dieser die Kenntni
der skeptischen Theorie voraussetzt. Dass er sie erst na
Beendigung des Vortrags nachholt, muss daher als e
Mangel der Disposition erscheinen, der um so mehr aufia
je besser vorher die Gedanken geordnet waren. Noch me
tritt dieser Mangel hervor wenn wir sehen was Luculi
seinerseits auf die skeptische Erwiderung entgegnet. Er hi
ihnen vor, dass der Scharfsinn den sie bei der Darlegu
ihrer Theorie entfalten zwar der Philosophie höchst wäre
sei, streng genommen aber mit dem Skepticismus in Wid(
Spruch stehe: denn Definitionen und Eintheilungen wie i
die Skeptiker geben seien eine Inconsequenz für den i
die UnUnterscheidbarkeit aller Dinge behaupte. ^) Mit a
deren Worten, Lucullus will nicht gelten lassen dass (
Skeptiker sich der wissenschaftlich systematischen Form i
die Darstellung ihrer Ansichten bedienen. Davon aber di
die wissenschaftlichen Formen mit der Skepsis unvereinl
seien, war schon 26 f. die Rede gewesen. Zwar wird d(
^) 43: hanc cgo subtilitatem philosophia quidem dignissim
judico sed ab eorum causa qui ita disserunt remotissimam. defi
tiones enim et partitiones et horum laminibus utens oratio, tum sii
litudines dissimilitudinesque et earum tenuis et acuta distinctio fid(
tium est hominum, illa vera et firma et ccrta esse quae tutentar, i
eorum qui clament nihilo magis vera lila esse quam falsa. 4'
enim agant, si cum aliquid definierint rogat cos quispiam nun i
definitio possit in aliam rem transferri quamlubet? si posse di:
rint, quid dicere habeant cur illa vera definitio sit? si negaveri
fatendum sit, quoniam vera definitio transferri non possit in falsi
quod ea definitione explicetur id percipi posse: quod roinime
volunt.
LucuUus' Vortrag. 259
zunächst nur das Beweisverfahren genannt (djioöei^ig). Aber
da auch das Definiren und Eintheilen in den Bereich der-
Belben Disciplin, der Dialektik oder Logik, fällt, so war,
irenn Lucullus eine zusammenhängende systematische Wider-
legung der Skepsis geben wollte, es das Natürlichste vom
)cfiniren und Eintheilen sowohl wie vom Beweise an dem
Reichen Orte zu handebi, d. i. da wo die Unvereinbarkeit
ler logischen Regeln und Sätze mit der skeptischen Grund-
heorie hervorgehoben werden sollte. Wie eng Beidos, das
)efiniren und Eintheilen einerseits und der Beweis, zusammen-
lehöre, zeigt Lucullus selbst da er an der zweiten Stelle,
fimittelbar nachdem er von den Definitionen und Einthei-
mgen gehandelt hat, noch einmal auf das Schluss- und
ieweisverfahren zu sprechen kommt. ^) Diesen beiden von
er Form hergenommenen Argumenten fügt Lucullus schliess-
ch noch ein den Inhalt betreffendes hinzu, auf das wie aus
11 zu schliessen ist Antiochos besonderen Werth legte: er
reist den Skeptikern nämlich nach, dass die Prämissen aus
enen die Unmöglichkeit des Erkennens erschlossen wird mit
inander in Widerspruch stehen.^) Dieses Argument ist wie
*) Nach den in der letzten Anmerkung angeführten Worten
Üirt er fort: eadem dici potcrunt in omnibus partibus. si enim di-
BQt ea de quibus disserant sc dilucide perspicere nee ulla commu-
ione visorum inpediri, conprehendere ea se fatebuntur; si aatem
egabunt vera visa a falsis posse distingui, qui poterunt longius pro-
redi? occurretur enim, sicut occursnm est. nam concludi argu-
lentom non potest etc. Lucullus ist sich also wohl bewusst dass er
über schon Gesagtes wiederholt.
*) 44: maxime autem convincuntur, cum haec duo pro con-
nientibus sumunt, tarn vehementer repugnantia: primum, esse quae-
am falsa visa; quod cum volunt, declarant quaedam esse vera;
Mnde ibidem, inter falsa visa et vera nihil Interesse, at primum
wnpseras tamquam interesset: ita priori posterius, posteriori supe-
iw non jungitur.
17*
260 1^16 Academica priora.
bemerkt anderer Art als die beiden vorher erwähnten, h
dieser Weise aber heterogene Argumente zu verbinden und
sie von den übrigen zu isoliren, dazu war in einer systema-
tischen rein sachlich gegliederten Darstellung kein Anlass: in
einer solchen wäre der Platz für das letzte Argument da ge-
wesen, wo von der „inconstantia" der Skeptiker überhaupt
die Rede ist.^)
Zu Bedenken derselben Art gibt auch der folgende Ab-
schnitt Anlass. Zunächst wird uns angekündigt dass wir mit
der Theorie der Skeptiker bekannt gemacht werden sollen
(45).*) Diess geschieht denn auch (47 f.), nachdem vorher
(45 f.) eine Bemerkung über die bei' der Widerlegung ein-
zuhaltende Methode gemacht worden ist. Darauf folgt von
49 an diese Widerlegung, die hier noch einmal ausdrücklid
auf Antiochos zurückgeführt wird. Die skeptische Theorie
nun, mit der es dieser Abschnitt zu thun hat, bezieht sich
abermals auf die Frage nach der Möglichkeit einer Er-
kenntniss. Vorher war dieselbe geleugnet worden wegöi
der Unzulänglichkeit der Mittel die uns zu diesem Zweck
zu Gebote stehen, da sowohl die Sinne als das Denken uns
irre führen; jetzt wird dagegen die Aehnlichkeit geltend
gemacht mit der wahre und falsche Vorstellungen auf unseren
Geist wirken und die uns verhindert die einen von den an-
deren zu unterscheiden.^) Antiochos macht bei seiner Wide^
^) 29 sagt Lucullus: sed de inconstantia totius illoram sentefl-
tiae, si uUa sententia cujiisquam esse potest nihil adprobantis, eit
ut opinor dictum satis.
^) Sed progrediamur longius et ita agamus ut nihil nobis adseo*
tati esse videamur, quaeque ab eis dicuntur sie persequamnr ot nihil
in praeteritis relinquamus.
*) Und zwar berufen sich die Skeptiker zu diesem Zweck in
der Hauptsache auf drei Thatsachen. Die erste ist dass doch *nch
nach der Ansicht von Stoikern gewisse Vorstellungen, wie sie utf
Lucallas* Vortrag. 261
legung theils geltend dass der von den Skeptikern benutzte
Sorites ein unzulängliches Verfahren sei theils beruft er sich
durch Orakel und andere Mittel der Weissagung zu Theil werden,
ttoschen können. Nun sollen aber diese Vorstellungen von der Gott-
heit herrühren. Wenn dieselbe also im Stande ist uns glauben zu
nachen was doch entschieden falsch ist, warum soll dieselbe nicht
auch hervorbringen können was der Wahrheit sehr nahe kommt,
im höchsten Grade wahrscheinlich ist (denn dass die Worte „quae
Mtem plane proxume ad verum accedant efficere non posslt" so zu
erklären sind und nicht etwa aus dem Vorhergehenden „probabilia**
in efficere als Prädicat von „quae — accedant" zu ergänzen ist, lehrt
die Widerlegung des Antiochos 49 f. : „si tale visum objectum est" etc.)
und 80 schliesslich auch, wie sich aus der Durchführung des Sorites
ergibt, Vorstellungen zwischen denen gar kein Unterschied ist? Das
iwdte sind die Vorstellungen die im Geiste selber unabhängig von
äosseren Eindrücken entstehen, namentlich die Träume und die Ein-
bildoogen Wahnsinniger. Dazu kommen drittens alle die vielen Fälle
die imter den erwähnten nicht begriffen sind und in denen ebenfalls
fiüscbe Vorstellungen bei uns Glauben finden, woraus dann abermals
Termittelst des Sorites auf das Vorhandensein von Vorstellungen ge-
schlossen wird zwischen denen gar kein Unterschied stattfindet. Als
letiter Trumpf wird endlich ausgespielt, dass die Stoiker selber, da
nich ihrer Meinung der Weise sich im Wahnsinn jeder Zustimmung
enthalten wird, die Ununterscheidbarkeit gewisser Vorstellungen zu-
geben. So werden wir noch einmal daran erinnert was auch zu An-
fing ausdrücklich gesagt war dass die ganze Widerlegung den Sto-
ikern gilt. Dass hiermit aber gerade das erste Argument nicht recht
io Einklang steht scheint man bisher übersehen zu haben. Denn es
nht dasselbe auf der Voraussetzung dass die durch die verschiede-
nen Arten der Weissagung im Menschen erregten, von Gott gesand-
ten Vorstellungen auch falsch sein können, was doch keineswegs der
^gemein stoischen Ansicht entspricht. Die betreffenden Worte lau-
ten: „nam cum dicatis, inquiunt, visa quaedam mitti a deo velut ea
qnae in somnis videantur quaeque oraculis auspiciis extis declaren-
tur — haec enim ajunt probari Stoicis quos contra disputant — ,
qnaenmt qnomodo, falsa visa quae sint, ea deus efficere possit pro-
l^ilia, quae autem plane proxume ad verum accedant efficere non
P<M8it?" Man könnte nun allerdings auch so erklären: die tau-
262 ^^6 Academica priora.
auf den Augenschein (perspicuikis). Warum er aber jene
Argumentation und ihre Widerlegung erst hier mitthoilt, ist
nicht einzusehen. Denn da Beide die Frage nach der Mög-
lichkeit einer Erkenntniss betreffen, so war der Ort für sie
schon in dem Abschnitt der mit den Worten schliesst (36);
sed de perceptionc hactenus. si quis enim ea quae dicta
sunt labefactare volet, facilc etiam absentibus nobis veritas
se ipsa def endet. Klingen diese Worte nicht, als ob er die
Erörterung der erwähnten Frage damit für abgeschlossea
halte und deshalb etwaige Einwände gar nicht weiter be-
rücksichtigen werde?
Wie sollen wir uns nun diese auflfallenden Mängel der
Composition erklären? Cicero können wir sie nicht zur Last
legen: denn weder hatte er Grund, was im Original am
sehende Macht der Gottheit besteht darin dass sie die Weissagungen,
die nach den Skeptikern falsch sind, den Stoikern als wahr erschei-
nen lässt. Das „probabilia** in den Worten „ea deus efficere posai
pr/' würde dann näher erläutert werden durch die Parenthese „baec
enim ajunt probari Stoicis quos contra disputaut*'. Aber wenn vii
die Worte so erklärten, wie das ja an sich möglich wäre, so könn-
ten sie nicht die Bedeutung haben die ihnen nach dem Zusammen-
hang zukommt d. h. ein gegen die Stoiker gerichtetes Argument so
sein. Denn der Satz auf den dasselbe gebaut wäre dass die Weis-
sagungen falsch sind würde doch von den Stoikern nicht können
eingeräumt werden. Soll also das Argument überhaupt ernsthaft ge-
meint und nicht blosser Spott sein, so bleibt kaum etwas Änderet
übrig als unter den Stoikern wie sie hier allgemein genannt werden
nur eine einzelne Partei derselben zu verstehen. Und diese Partei
sind die Anhänger des Panaitios. In der That beruft sich auf ihn in
einem ganz ähnlichen Zusammenhango der Skeptiker Cicero 107: sed
illa sunt lumina duo quae maxime causam istam continent: prifflBB
enim negatis ' fieri posse ut quisquam nulli rei adsentiatur. at id
quidem perspicuum est: cum Panätius, princeps prope meo qoide*
judicio Stoicorum, ea de re dubitare se dicat, quam omnes praeter
eum Stoici certissimam putant, vera esse haruspicum responsa, an-
spicia, oracula, somnia, vaticinationes seque ab adsensa suetia^
Lucullus' Vortrag. 263
fechten Platze stand, in dieser Weise zu verstellen noch
sind wir berechtigt die Benutzung einer anderen Quelle neben
der Schrift des Antiochos anzunehmen. Wir müssen also
ireiter zurückgehen und fragen wie konnte Antiochos selber
ni einer derartigen Anordnung des Stoffes kommen. In einer
fjrstematischen nach rein sachlichen Gesichtspunkten geord-
»eten Darstellung ganz gewiss nicht. Aber in was für einer
leon? üeberblicken wir noch einmal die Folge der Abschnitte
lach ihrem Inhalt. Voran steht die wohl zusammenhängende
)aretellung, in der die skeptische Theorie widerlegt und die
les Antiochos begründet wird. Hierauf folgte im griechi-
chen Original eine ausführliche Darlegung des skeptischen
•tandpunktes, sodann die Erwiderung des Antiochos; hierauf
bermals eine Vertheidigung der skeptischen Theorie, die
Qod is potest facere Tel de eis rebus quas Uli a quibus ipse didicit
mag habuerunt cur id sapiens de reliquis rebus facere non possit?
ie Arten der Weissagungen die genannt werden sind an beiden
teUen wesentlich dieselben, da die vaticinia der zweiten in den ora-
ilt der ersten mit enthalten sein können. Bemerkenswerth dagegen
it dass auch an der ersten die Astrologie übergangen wird. Denn
tbchen dieser und den übrigen Arten der Weissagung machte, wo-
uif ich schon Th. I S. 240 f. hingewiesen habe, Panaitios den Unter-
'Jued, dass er nur die Astrologie mit voller Entschiedenheit ver-
irf, hinsichtlich der übrigen aber nur zweifelte; mehr aber als
nen Zweifel schreibt ihm die zweite Stelle nicht zu und involvirt
leh die erste nicht. Wenn Cicero an der ersten Stelle mit Bezug
if die genannten Weissagungsarten sagt „haec probari Stoicis", so
ird dadurch die gegebene Erklärung nicht umgestossen. Denn ent-
6der beruhen diese Worte auf einer Confusion, indem Cicero in
iiner griechischen Quelle den Namen des Panaitios nicht fand und
«halb glaubte es sei Ton den Stoikern überhaupt die Rede, oder,
I diese Confusion wenn nuui auf den Zusammenhang sieht selbst
^ (^cero zu stark erscheint , die Worte sind relativ zu verstehen
B Hinblick auf die gänzliche Verwerfung der Astrologie, mit der
^glichen das blosse Anzweifeln sich als eine Art von „probatio"^
'^stellen konnte.
264 ^i6 Academica priora.
wiederum eine Widerlegung durch Antiochos nach sich zieht
Nun, ich meine, wer nichts weiter über ein verlornes literari-
sches Werk des Alterthums wüsste als diess und sollte danach
die Form desselben bestimmen, der würde sagen: es war ein
Dialog, in dem Antiochos mit einem Vertreter der skeptischen
Akademie sich stritt. Und diese Vermuthung bestätigt sidi
sofort: denn ihre Richtigkeit vorausgesetzt, lösen sich di<
gegen die Disposition des Inhalts erhobenen Bedenken. Das
nachdem die Erkenntnisstheorie der Skeptiker bereits wider-
legt und eine ihr entgegenstehende dogmatische begründe
worden ist, neue Argumente vorgebracht und bestrittei
werden mit denen die Skeptiker ihre Ansicht vertheidigtei
und zwar wohl gemerkt solche die jene erste Widerlegnnj
nicht voraussetzen, diess ist in einer systematischen nad
rein sachlichen Gesichtspunkten geordneten Darstellung freilid
so ungehörig als möglich, in einer dialogischen dagegen wir»
es vollkommen begreiflich da der Fortschritt einer solche
eben dadurch bedingt ist dass die früheren Aeusserunge;
einer üesprächsperson noch ungenügend sind und erst durc
die späteren von den Antworten des Gegners veranlasste
ergänzt werden. Bei der Annahme dass die von Cicero fü
Luculis Vortrag benutzte Schrift ein Dialog war erkläre
sich nun auch die sonst auflfallcnden Worte mit denen di
Darlegung der skeptischen Theorie (40) eingeleitet wird
nunc ea videamus quae contra ab his disputari solent Den
an sich betrachtet ist diese Darlegung gar nicht speciel
gegen die Auseinandersetzung des Antiochos gerichtet, si
vertheidigt nur von Neuem den skeptischen Standpunkt; al
Antwort auf Antiochos' Angriffe konnte sie nur iufolge de
besonderen Umstände erscheinen unter denen sie verwand
wurde, dadurch dass thatsächlich ihm ein Skeptiker in eine
Disputation in der Weise erwiderte wie wir jetzt bei Cicen
lesen. Nun ist aber die Schrift, aus welcher Luculis Vor
Lucullus* Vortrag. 265
trag geschöpft ist, aller Wahrscheinlichkeit nach der Sosos
des Antiochos. Sollen wir diesen daher für einen Dialog
halten? Da die dialogische Form in der philosophischen
Literatur jener Zeit nicht mehr der Modo entsprach,^) so
jestehe ich dass wir mit einer solchen Vermuthung vor-
lichtig sein müssen. In diesem Falle aber dürfen wir sie
ragen da zu jenen dem Verhältniss und der Ordnung der
iedanken entlehnten Gründen noch ein anderer mehr äusser-
icher Art kommt. Mich wundert dass sich noch Niemand
lie Frage vorgelegt hat woher denn Cicero weiss was er den
ittcoU über seinen Aufenthalt in Alexandrien erzählen lässt
11 ff.). Die nächste Antwort ist: von Luculi selber. Wir
QQssen aber bedenken dass damals, zur Zeit da Cicero die
Icademica verfasste, Luculi bereits über zehn Jahre todt
rar. Sollte nun Cicero seit so langer Zeit her all das Detail
m Gedächtniss behalten haben das die Erzählung Luculis
tt seiner Schrift gibt? Denn Luculi erzälilt ja nicht bloss
laas Antiochos in seiner Gegenwart sich über Philons Schrift
(eäussert und gegen die Skeptiker polcmisirt habe, er nennt
luch den Tyrier Ilerakleitos als den gegen den sich Antiochos
nächst gewandt habe und ferner unter den Anwesenden
^ Anhänger des Antiochos Ariston und Dion, als solche
Mons P. und L. Selius und Tetrilius Rogus. Schwerlich
nirde Cicero dieses Detail alles im Gedächtniss behalten
Miben, wenn sich an dasselbe nicht ein ungewöhnliches In-
cresse geknüpft hätte. Ein solches Interesse hätte es aber
lur durch die damit verbundene Mittheilung der philoso-
)lii8chen Vorträge erhalten können. Und in der That ist
a auch der philosophische Inhalt mit jenem äusseren Detail,
Jaa sich auf Luculis Aufenthalt in Alexandrien bezieht, aufs
*} Ueber die Yemachlassigung der dialogischen Form za seiner
^t aach innerhalb der Akademie klagt Cicero de fin. II 2.
266 I^ie Academica priora.
Engste verflochten: denn es wird in Antiochos' Reden unter-
schieden ein Theil der sich gegen Philon speciell und ein
anderer der sich gegen die akademischen Skeptiker über-
haupt richtete (12), und es wird gelegentlich, da die Dispu-
tation in Alexandrien mehrere Tage währte, genau der einen
Tag ausfüllende Abschnitt bezeichnet (49).*) Cicero müsste
also, wenn wirklich seine Angaben auf mündlichen Erzäh-
lungen Luculis beruhten, diesen auch die Kenntniss der
philosophischen Vorträge verdankt haben oder wenigstens,
wenn er diese auch schliesslich aus einer anderen Quelle
geschöpft hätte, müsste doch auch Luculi ihm aus den
Disputationen des Antiochos und Herakleitos ausfühilicher«
Mittheilungen gemacht haben. Durch diese Annahme ge-
rathen wir aber mit Ciceros eigenen Aeusserungen in Wider-
spruch. Denn wenn der historische Lucullus in dieser Weia
im Stande war über die Disputationen der Philosophen n
berichten, so eignete er sich doch vollkommen zu der Roll(
die ihm Cicero in den Academica angewiesen hatte. Trotz-
dem wissen wir dass Cicero hierüber anders dachte, dass ei
ihn solcher subtilen Erörterungen nicht für fähig hielt*) um
deshalb in der zweiten Bearbeitung an seiner Stelle dei
VaiTo einführte. Also kann er auch nicht was er hier
^) Ad has omnis visiones inanis Antiochus quidem et pennolt
dicebat et erat de hac uoa re unius diei disputatio.
*) Ad Att. XIII 16, 1: illam Äxadii^ixiiv avvza^tv totam •
Yarrouem traduximus. primo fuit Catuli Luculli Hortensii; deind
quia naQa xo nQtnov videbatur, quod erat hominibus nota non Ul
quidem dnatöevaia sed in eis rebus dzQttpia, simul ac veni ad tU
lam, eosdem illos sermones ad Catonem Brutumque transtuli. 13, 3
ergo illam ÄxaSrjfuxijv, in qua homines, nobiles illi quidem sed nall
modo pbUologi, nimis acute loquuntur, ad Yarronem transferamitf
19, 5: baec Academica ut scis cum Catulo Lucullo Hortensie conta
leram: saue in personas non cadcbant; erant enim XoyixwzfQa qotf
ut Uli de eis somniasse umquam viderontur. Krische S. 129.
Lucullus' Vortrag. 267
LucuII berichten lässt in Wirklichkeit aus dessen Munde
gehört haben. Woher aber denn? Ich weiss hierauf keine
Antwort als dass er diess Alles in derselben Schrift des
Antiochos vorfand der er auch den Inhalt von Luculis Vor-
trage entnommen hat. Hier trifft nun das Ergebniss dieser
Untersuchung mit dem der früheren zusammen. Die Ordnung
les Inhalts wies uns nicht auf eine systematische Darstellung
les griechischen Originals sondern auf einen Dialog und zwar
{wischen Antiochos und einem Skeptiker. Jetzt sehen wir
lass dieser Skeptiker der Tyrier Herakleitos war. Antiochos
atte also im Eingang seiner Schrift von seinem Aufenthalt
n Alexandrien erzählt und dass damals die beiden Bücher
Mens dort eintrafen und den Anlass zu einer mehrtägigen
)i9atation zwischen ihm und Herakleitos in Anwesenheit
loch Anderer gaben. Dieses Werk des Antiochos war nach
len verschiedenen Tagen der Disputation eingetheilt, wie wir
loch jetzt aus der schon erwähnten Notiz (49) sehen, und
liesen Tagen entsprachen möglicher Weise eben so viele
Sicher gerade wie diess auch in Ciceros Academica der Fall
8t Wie es scheint hat aber Cicero diesem Werk noch mehr,
lämlich auch den skeptischen Vortrag des Catulus im ersten
kch entnommen. Auf diese Vermuthung führt was wir im
luszuge, wie wir jetzt sagen dürfen, aus Herakleitos' Erör-
«mngen lesen (42): haec autem uni versa concidunt etiam
ninutius: ut enim de sensibus hestenio sermone vidistis,
tem faciunt de reliquis. Das Verfahren Heraklits bei seinen
feweisen für die Unglaubwürdigkeit der Sinne war hiernach
baselbe weiches Catulus eingeschlagen hatte. Dass Heraklits
ieusserangen von Cicero für Catulas' Vortrag benutzt worden
Hnd wird auch darum wahrscheinlich weil der philosophische,
«»besondere der akademische Standpunkt beider Männer im
Wesentlichen derselbe ist Was nun Catulus betriflFt, so ist
derselbe zwar mit Philons letzter Neuerung die auch das
268 I)ie Academica priora.
xaTaXTjjiTov für die Akademiker in Anspruch nimmt nicht
einverstanden^), stellt sich aber auf seine Seite und weicht
darin von Kleitomachos ab, dass er für die Ansicht des Ka^
neades erklärt der Weise werde gelegentlich auch eine Mei-
nung haben.*) Sein Standpunkt ist daher ein modifidrt
philonischer zu nennen, wenigstens wenn man Philons letzte
Entwickelungsphase ins Auge fasst. Denselben Standpunkt
nahm aber auch Herakleitos ein: denn er wird uns als ein
Schüler Philons vorgeführt,') dem aber die in der jüngsten
Schrift seines Lehrers ausgesprochenen Ansichten ebenso
unerhört erschienen wie Antiochos.*)
^) 12: tum et illa dixit Antiochus quae heri Catulus commeno-
ravit a patre suo dicta Philoni minns enim acer est adTena-
rius is qui ista, quae sunt her! defensa, negat Academicos omniBO
dicere. 18: Philo äutem dum nova quaedam commovet quod ea sdb-
tinere vix poterat, quae contra Academicorum pertinaciam dlceb&ntor,
et aperte mentitur ut est reprehensus a patre Catulo etc.
^) 78: licebat enim nihil percipere et tamen opinari qaod a
Carneade dicitur probatnm; equldem, Clitomacho plus quam Philoni
aut Metrodoro credens, hoc magis ab eo disputatnm quam probAtnm
puto (die richtige Erklärung dieser Worte s. S. 170, 1). Mit dieseo
Worten Ciceros vgl. was Catulus sagt 148: tum Catulus „egone?" iß-
quit „ad patris revolvor sententiam quam quidem ille Caroeadeam
esse dicebat ut percipi nihil putem posse, adsensurum autem noo
percepto, id est opinaturum, sapientem existumem sed ita ut intelle
gat se opinari sciatque nihil esse quod conprehendi et percipi poBsit;
qua re inoxfjv illam omnium rerum non probans illi alteri sententiae
nihil esse quod percipi possit vehementer adsentior.
^) 11: et erat jam antea Alcxandriae familiaris Antiochi Hera-
clitus Tyrius qui et Clitomachum multos annos et Phiionem aadlerat,
homo sane in ista philosophia quae nunc prope dimissa revootor
probatus et nobilis, cum quo Antiochum saepe disputantem audieban
sed utrumque leniter.
*) 11 (nach den in der vorigen Anmerkung angeführten Wit-
ten): et quidem isti libri duo Philonis, de quibus heri dictum a Ca-
tulo est, tum erant adiati Alexandriam tumque primum in Antioelü
Lucullus' Vortrag. 269
lieber Gang und Art des Dialogs vermuthe ich nur noch
Folgendes. Den Anfang scheint, wie wir aus der Erzählung
Lucnils (11 f.) schliessen dürfen, Antiochos gemacht zu haben
mit den gegen Philons neueste Schrift gerichteten Bemer-
kungen. Heraklit, an den er sich zunächst wandte, stimmte
ihm darin bei, konnte aber nicht zugeben dass um deswillen
die gesammte ältere Theorie Philons verworfen werde. Daher
nahm Antiochos den Anlass dieselbe in eingehender Weise
zn widerlegen und gleichzeitig seinen eigenen entgegen-
gesetzten Standpunkt zu begründen. Natürlich behielt trotz
der Erwiderungen Heraklits Antiochos mit seiner Ansicht
schliesslich Recht. Diess und dass den längeren Ausführungen
des Antiochos ebenfalls längere Erwiderungen von Seiten
des Skeptikers gegenüber treten, zeigt uns deutlich dass die
Weise des Dialogs nicht die alte sokratisch-platonische son-
dern die aristotelische war, der zufolge das lebendige Ge-
qvach sich in zusammenhängende mit einander abwechselnde
Vorträge verwandelt hatte und unter den theilnehmenden
Personen der Verfasser selbst die Hauptrolle spielte.^)
Aber solche Betrachtungen über die Natur des von
Antiochos verfassten Dialogs scheinen zu früh zu kommen,
Quas venerant; et homo natura lenissimus — nihil enim poterat
^vn Ulo mitius — stomachari tarnen coepit. mirabar; nee enim nm-
^Qim ante videram. at ille Hcracliti memoriam inplorans
^naerere ex eo viderentume illa Philonis aut ea nnm vel
^ Philone vel ex nllo Aeademico andivisset aliqoando?
negabat: Philonis tarnen scriptum agnoscebat. Hiermit steht
in Ebklang dass die Skeptiker in denen wir Heraklit erkannt haben
^ xaTtdtinrav genaa so wie die Stoiker definirten (40: qoale sit id
qnod percipi et conprehendi possit totidem verbis quot Stoici sc. de-
finiant). Philons eigenthOmliche Ncuemng bestand ja gerade darin
^ er eine andere Definition anfstellte.
') Cicero ad Att. XIII 19, 4: qnae autem bis temporlbus scripsi^
^(fTottkfiov morem haben t, in quo sermo ita indncitur ceteromm
B^ penes ipsom sit principatus. ita confeci qoinqae libros nt(H tüuäv
270 I^>e Arademica priora.
da dio Thatsache selbst, dass überhaupt ein solcher Dia
des Antiochos cxistirto und die Quelle von Ciceros Academ
war, noch nicht genügend festgestellt ist Denn nach i
Art zu schliessen wie des „Sosos" Erwähnung geschieht (IS
ist dieses Werk des Antiochos Ciceros Quelle gewesen \
müsste daher wenn unsere Verniuthungen richtig sind c
logische Form gehabt haben. Damit scheint sich aber
Titel nicht vereinigen zu lassen. Denn wenn dieser So
ob es nun der bekannte Stoiker und Schüler des Panai
(Zeller III 1 S. 570 Anm.) oder ein Anderer war, dem W
den Namen gab, so scheint er doch irgendwie mit zum
halt desselben gehört zu haben sei es nun dass er als
sprächsperson betheiligt war oder der Dialog seiner Verb
lichung diente. Weder das Eine noch das Andere kön
wir nach der Vorstellung, die wir uns von ihm gebi
haben, von dem Dialog des Antiochos sagen. Sollen
deshalb den Sosos und die von Cicero für die AcadeD
benutzte Quelle für zwei verschiedene Schriften halten?
Möglichkeit dieser Verschiedenheit kann nicht ganz al
wiesen werden (vgl. auch Zeller III 1 S. 598 Anm.,
neben dem Sosos die Karovixa in Betracht zieht),
wir uns aber dieselbe unwahrscheinlich wie sie ist zu Ni
machen werden wir lieber eine andere Erwägung anstel
dass nämlich Sosos doch noch in einem anderen als
beiden bezeichneten Fällen der Schrift des Antiochos
Namen geben konnte. Dieser Fall ist wenn die Schrift
ihn gerichtet war. Man wird diess zunächst nicht glaub
finden. Aber man vereuche es doch einmal ob auf an(
ut Epirurea L. Torquato, Stoica M. Catoni, rteQiTratrjTixä M. P
darem. Dazu vgl. Bcrnays Die Dialogo des Aristoteles S. 137, I
Die verl. Schriften des Ar. S. 148.
') Nee se tcnuit quin contra suum doctorem libniro etiam e«
qui Sosus inscribitur. Vgl. dazu Kriscbe S. 193 f.
Lucullus' Vortrag. 271
Weise und auch wenn man von unserer Vennuthung über
Beschaffenheit und Inhalt dieser Schrift absieht, der Titel
dereelben sich leichter erklären lässt Was fest steht, ist
dass der Sosos eine gegen Philons neuestes Werk gerich-
tete Schrift war. Er war der Ausdruck der wissenschaft-
lidien Entrüstung des Antiochos über Philons Neuerungen
ttnd es ist daher höchst unwahrscheinlich, ja fast nicht
denkbar dass er gleichzeitig der Verherrlichung oder dem
Andenken eines Mannes Namens Sosos dienen sollte. Aber
Mch mit der anderen Annahme, die Schrift sei ein Dialog
und Sosos eine der Personen des Gesprächs gewesen, kom-
men wir ins Gedränge. Hatte darin etwa Sosos an Stelle des
Antiochos die Lehre Philons widerlegt? Das wird Niemand
annehmen wollen. Oder war Sosos derjenige an den sich
Antiochos bei seiner Widerlegung wandte? Und diesen Fall
gesetzt^ fiel Sosos etwa eine solche Rolle zu weil er ein An-
hänger Philons war? Dann müsste jedenfalls der Gedanke
an den Stoiker des Namens aufgegeben werden. Aber auch
ein uns Unbekannter konnte doch nicht als Vertreter des
philonischen Standpunktes in einer Schrift eingeführt wer-
den die Antiochos Terfasste unmittelbar nachdem er diesen
Standpunkt erst kennen gelernt hatte, zu einer Zeit da ihm
selber dieser Standpunkt noch Tollkommen unerhört war, er
daher auch von anderen Vertretern desselben ausser Pbilon
kaum etwas wissen konnte. So kommen wir also auch
wenn wir die Toi^getragenen Vermuthungen über den Dialog
des Antiochos ganz bei Seite lassen, zu dem Schlus^ Ahüh
Sosos derjenige war, dem gegenüWr Antiochos zuerst Keijier
Entrüstung über Philons Neuerungen schriftlichen Ausdruck
gab. In einer solchen Zuschrift hm es alier für .intioclMi«
sehr nahe Ton Zeit und Ort zu berichten wo ihm rueni
die Schrift Philons zu Gesir-lit gekommen war d. k da«^ zo
ei-zählcn was wir bei Cic^-ro 1 1 £. über AntkitiK.s" Aui^Uudt
272 ^16 Academica priora.
in Alexandrien und seine dortigen Disputationen mit Hera-
kleitos lesen. So werden wir durch eine neue Betrachtang
zu dem alten Ergebniss geführt, dass die von Cicero benutzte
Schrift des Antiochos ein Dialog war und zwar ein Dialog
über den dieser an Sosos berichtet hatte. Nehmen wir nun
weiter an, was doch das Wahrscheinlichste ist, dass dieser
Sosos der Schüler des Panaitios ist, so begreifen wir um so
leichter warum Antiochos der doch durch Mnesarchos eben-
falls mit Panaitios in Verbindung stand, gerade ihn sich
zum Adressaten auswählen konnte. Richten doch auch die
Einwürfe des Skeptikers welche Antiochos widerlegt sich
insbesondere gegen Stoiker von der Richtung des Panaitios
wie wir gesehen haben (vgl. S. 260, 3) und mussten deshalb
für Sosos von besonderem Interesse sein. Wir werden uns
hiernach wohl an den Gedanken gewöhnen müssen dass ein
literarisches Werk gelegentlich auch den Namen von dem
tragen konnte an den es gerichtet oder dem es gewidmet
war. Das AuflFallende was dieser Umstand für den ersten
Blick hat wird übordiess durch zwei Bemerkungen gemildert
Ich habe bei einer anderen Gelegenheit (Hermes X S. 79)
darauf hingewiesen dass zu den Eigenthümlichkeiten der
aristotelischen Dialoge auch die jedem einzelnen Buche eines
Werkes vorgesetzten Proömien gehören. Es ist daher wohl
möglich dass Antiochos der in der Form des Dialogs sich
an das aristotelische Muster hielt ihm auch in dieser Be-
ziehung gefolgt war. Dass aber der Dialog des Antiochos
in mehrere Bücher zerfiel ist deshalb wahrscheinlich weil
er über mehrere Tage sich erstreckte und der Inhalt dem
entsprechend eingetheilt war (vgl. 12 und 49) und wird
überdiess noch dadurch bestätigt dass auch Cicero in den
Academica den beiden Tagen zwei Bücher entsprechen liess.^)
*) Auch im Dialog de oratore entsprechen die verschiedenen
Bücher verschiedenen Tagen oder Tageszeiten. Sein Werk de re pu*
Lucullus' Vortrag. 273
Wenn nun jedem dieser Bücher ein besonderes Proömiura vor-
gesetzt war, so trat die Persönlichkeit des Sosos an die sich
alle diese Proömien wandten weit mehr in den Vordergrund
und sein Name konnte darum auch eher als diess bei einer
einfachen Widmung und einmaligen Anrede möglich gewesen
wäre als charakteristischer Titel des ganzen Werkes benutzt
werden. Diese rein sachlichen Momente würden es alleiu
schon begreiflich machen, wenn Antiochos seinen Dialog
nach Sosos benannt hätte. Sie werden aber überdiess noch
durch eine Art von Ueberliefeiiing unterstützt insofern als
es 80 unerhört nicht ist dass man ein literarisches Werk,
flesßen Gegenstand sich nicht wohl in ein oder zwei Worten
zusammenfassen liess, nach dem benannte an den es gerichtet
war: denn ein berühmtes Beispiel gibt des Isokrates Brief
oder Rede an Philippos, deren älterer Titel kurzweg ^UijtJtog
lautete (Blass Att. Bereds. II 287, 5).
Und doch würden diese Vermuthungen über Antiochos'
Schrift und ihren Titel dahin fallen, wenn dieselbe mit der
dem Lucilius Baibus zugeschickten (Cicero nat. deor. I 16) iden-
tisch wäre und dieses Zuschicken eine Widmung bedeutete.
Ersteres ist die Ansicht von Krische (S. 168 f.) und Zeller
(III 1 S. 597, 7), letzteres hat Schömann (zu Cicero a. a. 0.)
^wsgesprochen. Die ciceronischen Worte, auf die es hier
ankommt, sind folgende: Tum Cotta „Si" inquit „Über An-
tiochi nostri, qui ab eo nuper ad hunc Balbum missus est,
^era loquitur, nihil est quod Pisonem, familiärem tuum, desi-
^eres. Antiocho enim Stoici cum Peripateticis re concinere
^dentur, verbis discrepare: quo de libro, Balbe, velim scire
^öid sentias". „Egone?" inquit ille. „Miror Antiochum ho-
^u»em in primis acutum non vidisse interesse plurimum inter
Wica betreffend schreibt Cicero an seinen Bruder Quintus III 5, 1:
B^roQo antem in novem et dies et libros distributus. Ebenso ist es
•
^ den Tusculanen.
Ririel, UntersQchiingeii. HF. 18
274 Die Academica priora.
Stoicos qui honesta a comraodis non nomine sed genere toto
dijungerent, et Peripateticos qui honesta commiscerent cum
commodis ut ea inter se magnitudine et quasi gradibus, non
genere diflferrent. Haec enim est non verborum parva sedrerum
permagna dissensio." Die an Baibus gerichtete Schrift hatte
hiernach zur Hauptaufgabe die wesentliche Uebereinstimmung
der stoischen und peripatetischen Lehre nachzuweisen und be-
rief sich zu diesem Zwecke vorzüglich auf die Ethik. Wie passt
diess nun zu dem was wir noch über den Sosos ausmachen
können? Die Hauptaufgabe desselben war, wie uns ausdrück-
lich gesagt wird, Philon zu widerlegen; nur nebenbei konnte
auch das Verhältniss der stoischen und peripatetischen Philo-
sophie unter einander berührt werden. Diese Annahme und
jene Ueberlieferung bewähren sich an den Thatsachen: denn
LucuUus ganz mit der Vertheidigung des Dogmatismus gegen
die Skeptiker beschäftigt kommt auf jene innerhalb des
Dogmatismus erörterte Streitfrage gar nicht und Varro in
den Academica posteriora, die als aus derselben Quelle ge-
schöpft hier mit herbei gezogen werden können, nur einlei-
tungsweise (35 flf.) zu sprechen. Noch dazu tritt der in der
Schrift de natura deorum besonders hervorgehobene Punkt,
die Uebereinstimmung in der Ethik, in Varros Darstellung
am meisten zurück. Der Sosos kann daher die an Baibus
geschickte Schrift nicht gewesen sein. Welche andere Schrift
es war, darauf sind wir glücklicher Weise in den Stand
gesetzt eine Antwort zu geben: es ist dieselbe auf die uns
die Quellenuntersucliungen über die ciceronische Schrift de
finibus führen (Theil H S. 656 flf.); denn diese hatte die Ve^
söhnung der stoischen und peripatetischen Lehre zur Auf-
gabe und scheint zu diesem Zwecke sich vorwiegend au die
Ethik gehalten zu haben, genügte also aller Wahrschein-
lichkeit nach den beiden Forderungen die wir an die Baibus
zugeschickte Schrift stellen mussten.
Lucullas' Vortrag. 275
So bindert uns nichts mehr die Quelle von Lucullus'
Vortrag in einem Dialog zu erblicken und diesen mit dem
I08O8 zu identificiren: denn wenn man einwenden wollte,
iUcullus sähe ja von einer Widerlegung Philons ab (12 vgl.
lazn S. 253, 1) der Sosos aber habe es gerade damit zu thun,
0 ist zu erinnern erstens dass Lucullus nur einen Theil von
intiochos' Reden wiederholt und zweitens dass auch dieser
cheinbar nur dem Arkesilaos und Kameades geltende Theil
ich gegen Philon richtet insofern dessen Ansicht, von der
[euerung in der Terminologie abgesehen, im Wesentlichen
lit der des Kameades zusammentri£ft (vgl. auch das S. 267 f.
ber Heraklit Bemerkte). —
Diesen Bemerkungen lockt es mich noch eine hinzu-
ttßgen die ebenfalls zu Luculis Vortrag in Beziehung steht
nd ein helleres und wie ich glaube neues Licht auf An-
iochos' Stellung in der Geschichte der Philosophie wirft,
fan begnügt sich gewöhnlich in ihm einen Akademiker zu
ahen, der unter dem Einfluss stoischer Lehren vom Skep-
idsmus zum Dogmatismus bekehrt wurde. Die Frage, wie
in solcher Uebergang von einem Extrem zum anderen
möglich war, hat man sich wie es scheint nie ernsthaft
orgelegt Und doch sind wir in diesem Falle sie aufzu-
werten um so mehr genöthigt als jener Meinungswechsel
ich in Antiochos erst in späteren Jahren vollzog, zu einer
«it da er bereits auf eine längere literai-ische Thätigkeit
B Dienste der Skepsis zurückblicken konnte (Cicero Acad.
r. 69 f.). Was wir schon hiemach voraussetzen könnten
aas der Uebergang allmählich geschah und Antiochos auch
b Dogmatiker noch durch einige Fäden mit dem Skepti-
iwnus zusammenhing, wird durch eine genauere Beobach-
ang der Thatsachen bestätigt. Ich habe schon früher
rheü II S. 643 f.) darauf hingewiesen dass Antiochos das
'erfahren mit dem er die Zahl aller wirklichen und mög-
18*
276 1^16 Academica priora.
liehen ethischen Theorien zu bestimmen suchte und ebenso
den Gedanken einer wesentlichen Identität der stoischen
und peripatetischen Philosophie dem Kameades abgelernt zu
haben scheine.^) Mit dem letzteren aber war zugleich em
Grundpfeiler seines eigenen dogmatischen Lehrgebäudes auf-
gerichtet. Für dasselbe war ferner charakteristisch der auch
von Zeller (S. 603, 3) erwähnte Satz, dass die Hauptaufgaben
der Philosophie die Bestimmung des Kriterions und des
höchsten Gutes seien.*) Mit der stoischen Auffassungsweise
der Philosophie stimmt diess keineswegs zusammen, da nach
dieser die Physik den beiden anderen Disciplineu der Philo-
^) Ergänzend füge ich jetzt hinzu dass Karneades wie mit An-
derem so auch mit dem Versuch einer vollständigen Aufzählong der
philosophischen Theorien nur dem Vorgänge Chrysipps folgte. Dti
ergibt sich aus Acad. pr. 138: testatur säepe Ghrysippns tris soUi
esse sententias quae defendi possint de finibus bonorum; circomcidit
et amputat multitudinem : aut enim honestatem esse finem aut vo-
luptatem aut utrumque ; nam qui summum bonum dicunt id esse si
vacemus omni molestia, eos invidiosum nomen volaptatis fugere sed
in yicinitate versari; quod facere eos etiam qui illud idem cum ho-
nestate conjungerent, nee multo secus eos qui ad honestatem prinui
naturae commoda adjungerent: ita tris relinquit sententias quas patat
probabiliter posse defendi. Dieselben Erörterungen Chrysipps schei-
nen auch de fin. II 43 f. gemeint zu sein. Hier lesen wir: ita cete-
rorum sententiis romotis relinquitur non mihi cum Torquato sed vi^
tuti cum voluptate certatio; quam quidem certationem Chry-
sippus non contemnit totumque discrimen summi boni in eanun com-
paratione positum putat. Mit diesen Worten vergleiche man Acad.
pr. 140: unum igitur par quod depugnet reliquum est, voluptas cao
honestate; de quo Chrysippo fuit, quantum ego sentio, noo mago*
contentio: alteram si sequare, multa ruunt etc.
^) Acad. pr. 29: Antiochos wandte gegen die Skeptiker ein, doo
esse haec maxima in philosophia, Judicium veri et finem boDorao,
nee sapientem posse esse, qui aut cognoscendi initium ignoret aat
cxtremum expctendi ut aut unde proficiscatur aut quo perveniendoiB
sit nesciat: haec autcm habere dubia nee eis ita confidere ut moven
non possint^ abhorrere a sapientia plurimum.
Lucullus* Vortrag. 277
Sophie mindestens ebenbürtig war. Desto mehr erinnert es
uns an die Skeptiker die ja ihre Hauptaufgabe darin sahen
fSr das Erkennen ein Kriterien und für das Handehi ein
letztes Ziel durch ihre Polemik hinwegzuräumen. Wer daher
n ihrer Schule aufwuchs sah sich vor allen vor diese beiden
Probleme gestellt: so erklärt es sich dass auch Antiochos
lodi nach seinem Uebertritt zum Dogmatismus die For-
schung auf diese beiden Wege wies. Aber nicht bloss in
ler Stellung der Probleme schloss sich Antiochos an die
Skeptiker an sondern er liess sich von ihnen auch bei der
Äung leiten, insofern als bereits Kameades mit der blossen
ndlosen Erörterung nicht zufrieden os versucht hatte auf
ene Cardinalfragen eine gewisse Antwort und unserem
)eaken sowohl als Handeln damit einen Anhalt zu geben
ifgL S. 185 flf.). Hinsichtlich der einzelnen Probleme der
^ysik hatte sich dagegen Karneades eine solche Mühe allem
Anschein nach nicht gegeben. Es ist daher bezeichnend
läse dieselben auch in der Schätzung des Antiochos hinter
len ethischen und erkenntnisstheoretischen Fragen zurück-
tehen. Denn während es als wesentlich für die Weisheit
nichtet wird auf diese beiden Fragen eine klare und be-
tiinmte Antwort geben zu können (Acad. pr. 29 vgl. S. 276, 2),
rird die Physik mit keinem Worte erwähnt, feste Resultate
•af diesem Gebiete scheinen somit nicht unter die noth-
'eadigen Bestandtheile der Weisheit gerechnet zu werden.
Hesen Schluss bestätigt LucuUus durch folgende Worte (23):
larime vero virtutum cognitio confirmat percipi et conpre-
lendi multa posse. in quibus solis inesse etiam scien-
iam dicimus quam nos non conprchensionem modo rerum
öd eam stabilem quoque et iiunutabilem esse censemus
^que sapientiam, artem vivendi, quae ipsa ex sese habeat
oastantiam; ea autem constantia si nihil habeat porcepti et
t>gniti, quaero unde nata sit aut quo modo? Die hervor-
278 ^^^ Academica priora.
gehobenen Worte vermag ich nur so zu verstehen dass da-
durch die Möglichkeit eines vollkommenen Wissens auf die
Tugenden d. i. auf die Ethik eingeschränkt werden soll
Sie sind gesagt zunächst mit Beziehung auf das Vorher-
gehende (22) in welchem für die Künste (artes), daruntei
auch die Geometrie, nur ein Begreifen (conprehensio) erfor
dort wird; aber auch ein Wissen iimerhalb der Physik wir
dadurch selbstverständlich ausgeschlossen. Dem Antiocho
ein solches skeptisches Misstrauen den Resultaten gerad
der Physik gegenüber zuzutrauen sind wir um so mehr be
rechtigt als auch Piaton dieselben nur als wahrscheinlic
gelten Hess. Trotzdem ist es nicht überflüssig dass Lucu
an einer anderen Stelle (30) alles in den Kreis der Physi
Gehörige als dunkel und schwer ergründlich bezeichnet'
In den Academica posteriora (24 flf.) gibt Varro allerdinf
als Vertreter des Antiochos eine Darstellung auch der Physil
aber zunächst doch nur historisch die Ansichten der Aelterc
referirend; ausserdem ist mit keinem Worte angedeutet -
und brauchte auch da wo es auf das Inhaltliche am Mdste
ankam nicht angedeutet zu werden — die logische Bedei
tung dieser Lehren, ob sie den Werth eines Wahren od(
nur des Wahrscheinlichen haben. Auf diesem Gebiete «
also Antiochos wie es scheint nie zum stoischen Dogmatij
mus bekehrt worden sondern Zeitlebens Skeptiker geblieben.'
^) Sequitur disputatio copiosa iUa quidem sed paulo abstrosk
— habet enim aliqaantum a physicis — ut verear ne majorem In
giar ei qui contra dicturus est libertatem et licentiam. nam qoi
cum facturun; putem de abditis rebus et obscuris qui lucem eriper
conetur? sed disputari poterat subtiliter etc.
*) Zu vergleichen ist übrigens auch was Piso bei Cicero de &
V 9f. über die Verdienste der Peripatetiker um die NaturwiftW
Schaft sagt. Denn das Urtheil über dieselben wird schliesslich ii
folgenden Worten zusammen gofasst: qua ex cognitione üacilior fiicti
i%
• Giceros Erwiderung. 279
Dem entspricht es dass wir unter den Schriften des Philo-
sophen zwar eine Kanonik und eine über das höchste Gut
kennen lernen aber keine naturphilosophischen Inhalts.
2. Cieeros Enriderungr.
Die Aufgabe dem LucuUus zu erwidern fiel Cicero des-
halb zu weil jener in seinen Widerlegungen der Skeptiker
sich immer zunächst an ihn gewandt hatte. ^) Dass Cicero
est investigatio rerum occultissimarum. Nach Augustin c. Acad. III
17, 38 wäre es Zenons Naturphilosophie gewesen die zuerst den
Widerspruch des Arkesilaos herausgefordert hätte. — Eine solche
Geringschätzung der Naturphilosophie, wie wir sie für Antiochos an-
ninehmen berechtigt sind, würde sich auch aus der Definition der
Weisheit ableiten lassen die wir bei Augustin c. Acad. I 8, 23 lesen
^d wonach sie ist rerum humanarum divinarumque scientia earum
quae ad beatam vitam pertinent. Diese Definition erscheint hier als
die Modification der stoischen, hervorgerufen durch die Einwände des
^l^emikers Licentius: die Yermuthung, dass sie Antiochos gehört
dem die Weisheit eine „ars vivendi" war (Cicero 23), darf sich daher
^ten lassen.
^) Diess, dass Luculi bei seiner Polemik vorzüglich Cicero im
^Qge hatte, verdient darum noch besonders hervorgehoben zu werden
^eil dadurch die irrige Ansicht Krisches über die Cicero im Dialoge
des ersten Theils der Acad. priora zugefallene Rolle beseitigt wird.
Srische sagt S. 153: „Im Gegensatze zu dem Vortrage des Catulus
Qioss nun Cicero selbst es übernommen haben den Angriffen des Ear-
Qeadeers gegen den Philon schrittweise zu folgen um sie in ihrer
Gültigkeit mit Hülfe akademischer Kriterien zu prüfen und überzeu-
^d abzuwehren." Aber wenn diess richtig ist, wie konnte dann
[lucullus mit einer Polemik, die von Philons eigenthümlichen An-
ichten fast ganz absieht und in der Hauptsache seine Theorie nur
0 weit berücksichtigt als sie mit der des Karneades und zum Theil
es Arkesilaos zusammenfällt, sich gerade an Cicero wenden? In
iesem Falle war es doch vielmehr Catulus der sich allein als Ziel-
:heibe einer solchen Polemik eignete! Dass nun wirklich Lucullus
280 I^ie Academica priora •
für diese Erwiderung Philons Schriften und Vorträge stark
benutzt habe, hatte Tennemann Gesch. d. Phil. IV S. 396, 8
behauptet und damit die Beistimmung Anderer erlangt
Diese Meinung wird von Krische S. 152, 1 als eine ganz ver-
fehlte bezeichnet, weil der Sosos des Antiochos eine Gegen-
schrift Philons nicht hervorgerufen und Cicero verschiedene
Gewährsmänner benutzt habe. Solche seien Kleitomachos
und Chrysipp, jeder mit mehreren Schriften, sodann der
ungenannte Verfasser einer historischen Darstellung der An-
sichten vom TtXog und Krantor jibqI jtiv&ovq; ja auch der
Einfluss des Antiochos und Lucrez soll bemerkbar sein
mit seinem Vortrage sich an Cicero wendet unterliegt keinem Zwei-
fel sobald man die folgenden Stellen vergleicht. Luculi beginnt sei-
nen Vortrag 13 mit den Worten „primum mihi videmini" wozu Cicero
hinzufügt ,,me autem nomine appellabat'^ Liest man nach diesen Wor-
ten weiter und vergleicht Acad. post. 44 so springt in die Augen
dass Luculltts hier insbesondere an Aeusserungen Ciceros denkt die
dieser im ersten Dialog gethan hatte. Hiernach ist auf solche aach
f)4f. zu beziehen. Dass das „tu" der Anrede 22 in den Worten
„ivvoiaq enim notitias appollare tu videbare'* sich auf Cicero bezieht,
müssen wir aus 17 schliessen wo die Wiedergabe griechischer 1 1
durch lateinische als eine Eigenthümlichkeit Ciceros bezeichnet wird
{UG hie sibi — me appellabat jocaus — hoc licere soll putet). Aus
demselben Grunde müssen wir eine Hindeutung auf Ciceros früheren
Vortrag auch 18 finden wo zu den Worten „tale visum*' bemerkt
wird ,,jam enim hoc pro tfavxaaia verbum satis hesterno sennone
trivimus'*. Krische S. 148 bezieht beide Stellen auf Catulus' Vortrag.
Auf einen früheren Vortrag, den er mit dem seinigen beantworten
will, weist Luculi 19: ncc vero hoc loco exspectandum est dum de
rerao inflexo aut de collo columbae rcspondeam. Dass es der cice-
ronische ist, lehren Ciceros eigene Worte 79: quod ne facere posses,
idcirco heri non necessario loco contra sensus tam multa dixerao.
•
tu autem te negas infracto remo neque columbae collo commoven.
Femer kann Catulus es doch nicht sein den Lucullus 55 anredet and
dem er dabei folgende Worte in den Mund legt: cur enim ex illw
individuis, unde omnia Democritus gigni adfirmat, in reliquis mundis
Ciceros Erwiderung. 281
194 ff.). Man sieht, es ist eine ziemlieh bunte Gesell-
aft die Cicero bei seiner Widerlegung des Antiochos
lilflich gewesen sein soll. Zwischen den beiden Extremen,
Meinung welche nui* eine einzige Quelle und der anderen
che möglichst viele annimmt, hält Zollers Ansicht die
te, wonach für die skeptischen Ausführungen Ciceros
ser Klcitomachos auch Philon benutzt wurde (III 1
551 Anm. 3.).
Die Ansicht Krisches kann heutzutage nicht mehr auf-
ht erhalten werden. Denn wenn z. B. 93 und 96 Lehren
rysipps angeführt und zwar so angeführt werden dass
in eis quidem innümerabilibus innumerabiles Quinti Lutatii Catuli
modo poBsint esse sed etiam sint, in hoc tanto mundo Catulus
T non possit effici? An Cicero wendet sich Lucullus noch einmal
h Schluss des eigentlichen Vortrages (61) und hier ist wegen des
nigefQgten ,,me autem appellabat'* ein Zweifel nicht möglich,
llich setzen auch Catulus' Worte über den Vortrag (63) voraus
B dieser an Cicero gerichtet war. Ist diess aber richtig, dann
in Cicero im Catulus sich nicht darauf beschränkt haben gegen-
T Catulus Philons eigenthümliche Ansicht zu vertreten. Ja mehr
das, er kann überhaupt Philons eigenthümliche Ansicht nicht
theidigt haben. Denn mit Bezug auf die beiden Sätze y,id solum
cipi posse quod esset verum tale quale falsum esse non posset**
l »sapientem nihil opinari'* erklärt er 113: ego utrumque verum
0 nee dico temporis causa sed ita plane probo. Da nun aber im
igncn dieser Sätze Philons Unterschied von Eleitomachos beruht,
stellt Cicero mit den angeführten Worten sich so unumwunden als
;lich auf die Seite des letzteren. Philoneer kann er also nur in-
^ heissen als auch Philons Ansichten der grossen Masse und
^ Kerne nach mit denen seines Lehrers Kleitomachos überein-
omten. Den Kritiker von Catulus' Vortrag kann daher Cicero im
ten Buch nicht abgegeben haben. Seine Rolle kann nur gewesen
1 die von Catulus zu Gunsten der karncadeischen Skepsis vorge-
chten Argumente noch durch seinen Vortrag zu verstärken. War
Mr ausserdem die Schluss -Erörterung, so begreift man weshalb
'QUus gerade an ihn augeknüpft hat.
282 I^ie Academica priora.
ihnen dio skeptische Widerlegung auf dem Fusse folgt, so
versteht es sich nach dem heutigen Stande der Quellenfor-
schung von selber, dass Cicero aus der widerlegenden Schrift
eines Skeptikers auch die Kenntniss der widerlegten Lehren
schöpfte, und in dieser Ueberzeugung kann uns auch die
Hindeutung auf mehrere Werke Chrysipps (87) nicht irre
machen. Dieser Skeptiker könnte Kleitomachos gewesen sein.
Denn dass Cicero wenigstens eine Schrift desselben, die an
Lucilius gerichtete, selber eingesehen habe, lässt sich nach
der Art wie er das Citat aus ihr einfuhrt kaum bestreiten:
„scripsit igitur" sagt er 102 „bis fero verbis — sunt enim
mihi nota propterea quod earum ipsarum rerum de quibus
agimus prima institutio et quasi disciplina illo libro con-
tiuetur**. Und auch wenn er vorher (98) erklärt die Dar-
stellung der kai'neadeischen Theorie von Kleitomachos ge-
nommen zu haben, so wird man ihm diess zunächst glauben,
zumal da das Citat mit aller erdenklichen Genauigkeit ge-
geben wird.*) Man wird hiernach sogar geneigt sein den
gesammten Vortrag soweit er nicht Ciceros eigenes Werk ist
auf Kleitomachos zurückzuführen, falls nicht etwa bestimmte
Kennzeichen diess im Einzelnen unmöglich machen. Dm
diess letztere festzustellen darf man von der Voraussetzung
ausgehen dass zwischen Kleitomachos und Kameades Ueber-
einstimmung herrschte und sonach schliessen dass wo andere,
denen des Karneades widersprechende Ansichten geäussert
werden eine Schrift des Kleitomachos nicht die Quelle sein
kann. Jene Voraussetzung ist besonders sicher in den Falleii
in denen Kleitomachos selber uns über die betreflfende An-
sicht seines Lehrers unterrichtet. So hatte derselbe für das
^) Nee vero quicquam ita dicam ut qaisquam id fingi Suspice-
tur: a Clitomacho sumam — ; et quattuor ejus libri sunt de
sustinendis adsensionibas ; haec autem quae jam dicam sunt sumpt^
de primo.
Ciceros Erwiderung. 283
t)8t8chreibeii das or nach der Zerstörung Karthagos an
ine gefangenen Mitbürger richtete einen Vortrag des Kar-
ades verwerthet in dem dieser den Satz, der Weise werde
irch die Eroberung seiner Vaterstadt in Bekümmorniss
rathen, bestritten hatte. ^) Welches Kleitomachos' eigene
wicht war kann hiernach nicht zweifelhaft sein. Wie
jnmen nun dazu Ciceros Worte in den Academica 135:
ad? illa in quibus consontiunt (Antiochos und die Stoiker)
im pro Yoris probare possumus? sapientis animum num-
Äin nee cupiditate moveri nee laetitia ecferri. age, haec
obabilia sane sint: num etiam illa, numquam timere, num-
Am dolere? sapiensne non timeat ne patria deleatur?
m doleat si deleta sit? durum sed Zenoni necessarium
i praeter honestum nihil est in bonis, tibi vero, Antioche,
Jiime etc. Man wird vielleicht einwenden: für den Skep-
:er stimmt zusammen was bei einem anderen Philosophen
i Widerspruch sein würde. Dieser Einwand ist aber keines-
igs durchschlagend. Cicero freilich nimmt für den Skep-
cer das Privileg in Anspruch über dieselbe Sache bald so
Id anders zu urtheilen und hoflft auf diese Weise seine
jenen Gedankensprünge zu rechtfertigen; einem wissen-
baftlichen Manne wie Karneades werden wir eine so maass-
Je Ausübung dieses Rechtes um so weniger zutrauen als
r zwar sehen dass er die Stoiker aufs Entschiedenste be-
•nipfte, aber nicht erfahren dass er sie bei anderer Ge-
jenheit vertheidigt habe. Dass Cicero an der angeführten
eile sich mit Karneades nicht in Uebcreinstimmung be-
idet wird um so glaublicher als er in derselben Gegend
*) Cicero Tusc. III 54: legimus librum Clitomachi quem ille
Brsa Karthagine misit consolandi causa ad captivos civis suos: in
est disputatio scripta Cameadis quam se alt in commentarium
'telisse. cum ita positum esset videri fore in aegritndine sapien-
^ patria capta, quae Cameades contra dixerit scripta sunt.
284 I^ie Academica priora
seiner Schrift noch einmal sich von den uns bekannten
Ansichten des Akademikers entfernt. Die Meinungsverschie-
denheit tritt in diesem Falle noch mehr hervor, weil Cicero
unmittelbar nach seiner eigenen auch die hiervon abweichende
Ansicht des Karneades anführt. Auch diessmal ist, was
nach dem Gesagten ins Gewicht fallt, Kloitomachos sein
Gewährsmann. Denn aus dessen Erzählung über die Philo-
sophengesandtschaft ergab sich dass Karneades die Paradoxen
welche die Allmacht des Weisen ins Uebertriebene ausmalten
von sich ablehnte und den Stoikern als Eigenthum zuwies.*)
Cicero dagegen bekennt sich kurz vorher ausdrücklich zum
Glauben an diese Paradoxa und macht LucuUus daraus nur
deshalb einen Vorwurf weil es vom ethischen Standpunkt
des Antiochos aus eine Inconsequenz sei.*) Da indessen
dieses Bekenntniss Ciceros nicht weiter in den Zusammen-
^) 137: legi apud Ciitomachum ^ cum Carneades et Stoicus Dio-
genes ad senatum in Capitolio starent Auium Albinum qui tarn
F. Scipione M. Marcello consulibus praetor esset, eum qui com avo
tuo, Luculle, consul fuit, doctum sane hominem, ut indicat ipsius
historia scripta Graece, jocantem dixisse Carneadi' „ego tibi, Gar-
neade, praetor esse non videor quia sapiens non sum; nee haec nrbs
nee in ea civitas'*. tum ille „huic [Stoico] non videris*'.
^) 136: illa vero ferre non possum, non quo mihi dispü-
ceant — sunt enim Socratica pleraque mirabilia Stoico-
rum quae nagdSoga nominantur — , sed ubi Xenocrates, nbi
Aristoteles ista tetigit? hos enim quasi eosdem esse voltis. illi um-
quam dicerent sapientis solos reges solos divites solos formosos?
omnia quae ubique essent sapientis esse? neminem consulem pne-
torem imperatorem, nescio an ne quinquevinim qiiidom quemqnaiD
nisi sapientem? postremo solum civem solum liberum? insipientis
omnis peregrinos, exsules, servos, furioses? denique scripta Lycurgi?
Solonis, duodecim tabulas nostras non esse leges? ne urbis quidem
aut civitates nisi quae essent sapientium? haec tibi, Luculle, si es
adsensus Antiocho, familiari tue, tam sunt defendcnda quam moeoia;
mihi autem bono modo, tantum quantum videbitur.
Ciceros Erwiderung. 285
ing der Erörterung verwoben ist, so könnte man vermu-
len dass es bloss ein Selbstbekonntniss Ciceros und nicht
wa aus der griechischen Quelle herübergenommen sei. In
nem anderen Falle aber ist es nicht so leicht Ciceros Ur-
teil und das seines griechischen Gewährsmanns zu sondern,
ieser Fall tritt ein angesichts des Verhältnisses in dem die
oische Lehre einer- und die peripatetische und akademische
idererseits zu einander stehen. Kameades, hierin der Vor-
inger des Antiochos (S. 275 f.) hatte geleugnet dass zwischen
Jr peripatetischen und stoischen Moral ein wesentlicher
aterschied bestehe und somit für Zenon ein Anlass zur
iftung einer eigenen Schule gewesen sei (fin. II 41: non
se rerum Stoicis cum Peripateticis controversiam sed no-
inum; Tusc. V 120: causam esse dissidendi negabat).^)
mgekehrt betont Cicero gerade den einschneidenden Unter-
hied der die akademische und peripatetische Moral von
T stoischen trennt 132: — aut Stoicus constituetur sapiens
it veteris Academiae. utrumque non potost; est onim inter
8 non de terminis sed de tota possessione contentio; nam
inis ratio vitae definitione summi boni continetur, de qua
i dissident, de omni vitae ratione dissident: non potest
tur uterque esse sapiens, quoniam tanto opcrc dissentiunt,
i alter. An dieser DifiFercnz hält Cicero auch noch im
Agenden fest, wenn er die stoische Ansicht eine göttliche
nnt und ihre Consequenz rühmt, in der der Peripatctiker
er eine Concession an die menschliche Schwachheit sieht
34). Üass Cicero hier nicht die Ansicht des Karnejides
^ Zur Bestätigung dient noch eine früher von mir übersehene
eile, de rep. III 12, wo aus dem Vortrage des Kameades über die
irechtigkcit folgende Aeusserung angeführt wird: nam ab Chry-
>I>o nihil magnum nee mngnificum desidcravi, qui suo quodam more
initor nt omnia verborum momentis, non rerum ponderibus exa-
inet.
286 I^io Academica priora.
vertritt, ist begreiflich genug; denn Antiochos gegenüber,
der ja aus derselben die dogmatische Consequenz gezogen
hatte, war sie nicht anwendbar, gegen Antiochos richtet sich
aber hier Ciceros Polemik. Sollen wir nun Cicero zutrauen,
dass er die neuen Argumente, deren er gegen Antiochos
benöthigt war, selber gefunden habe? Diess ist schon darum
unwahrscheinlich, weil Cicero in diesem Falle die Autorität
der gesammten Akademie, nicht bloss der alten des Antiochos
sondern auch der skeptischen des Karneades, gegen sich ge-
habt haben würde: denn darüber dass zwischen der peripate-
tischen und der stoischen Moral ein wesentlicher Unterschied
nicht vorhanden sei, waren ja beide einig. Aber, kann nian
einwenden, Cicero konnte sich den Rücken mit einem spä-
teren Stoiker decken, die natürlich jenen wesentlichen Unter-
schied ebenso hartnäckig behaupten mussten wie ihn die Aka-
demiker bestritten (Lucilius Baibus bei Cicero nat. deor. 1 16.
Von dem Stoiker Diodotos sagt Cicero Acad. pr. 115 „qui
ista Antiochea contemnit"). Gegen diese Annahme spricht
indess dass Cicero im Uebrigen an jener Stelle sich keines-
wegs als Stoiker zeigt: denn um von dem abzusehen was
er zur Vertheidigung der peripatetischen Moral bemerkt so
ist nicht einmal was er zu Gunsten von Zenons Lehre in
die Waagschale wirft den Stoikern entlehnt^) und es verräth
vollends der Vorzug, den er dem skeptischen Weisen-Ideal
^) Er rühmt die Stoiker dass sie eine so erhabene Vorstellang
vom Menschen haben indem sie ihn wie ein körperloses und somit
gottgleiches Wesen behandeln und dass sie von dieser Voraussetzoog
aus ganz consequent zu Werke gehen. Würde sich mit diesem Lo^^
ein Stoiker zufrieden gegeben haben? Gewiss nicht! Denn in diesem
Lob ist zugleich der Tadel versteckt dass auf die dem Menschen tod
der Natur gesetzten Schranken keine Rücksicht genommen warde,
darauf aber dass sie sich mit der Natur in Uebereinstimmang be-
fänden legten die Stoiker bei der Aufstellung des höchsten öote«
besonderen Werth.
Ciceros Erwiderung. 287
r dem peripatetischen und stoischen ertheilt,^) das Ein-
Iten des einmal gewählten akademischen Standpunktes.
S8 Cicero, indem er die Verschiedenheit zwischen Peri-
tetikern und Stoikern so nachdrücklich hervorhebt, diess
abhängig von jeder fremden Autorität thue und darin
iglich seinem eigenen Nachdenken folge, ist auch deshalb
wahrscheinlich, weil eben jene Diflferenz der beiden Schulen
dem Abschnitt der den Skepticismus fiir die Ethik be-
inden soll ein ausserordentlich wichtiges, wo nicht das
shtigste Moment ist und mit der Annahme Cicero habe
len solchen ganzen Abschnitt wesentlich nach seinen eigenen
3en entworfen seiner Selbständigkeit zu viel zugemuthet
irde. Ja wir würden in diesem Falle noch weiter gehen
d Ciceros Selbständigkeit auch für den naturphilosophischen
ischnitt einräumen müssen. Denn in ganz ähnlicher Weise
ö hier wird auch dort (119) auf die Meinungsvcrschieden-
it der Stoiker und des Aristoteles Gewicht gelegt. Statt
ssen ist es viel wahrscheinlicher dass in der Quelle, die
cero einmal fiir seine Darstellung benutzt hatte, bereits
derselben strengen Weise zwischen Stoikern und Peri-
tetikem geschieden wurde. Eine Schrift des Kleitomachos
nn freilich hiernach diese Quelle nicht gewesen sein.*)
') Denn dass diess der Fall ist ergibt sich aus den Worten der
berliefemng 132 auch wenn wir dieselben nicht mit Lambin so
stellen: hie igitur (der skeptische Weise) neutri adscnticns, si
nqaam uter sit sapiens adparebit, nonne utroque est prudcntior?
nselben Gedanken hatte Cicero in den Academica posteriora aus-
trlicher begrQndet wie wir aus Augustin c. Acad. III 7, 15 f.
diessen müssen.
*) Für den zuletzt angeführten Abschnitt könnte man diess doch
^halten wollen. Der Punkt um den es sich handelt ist die Frage
ch der Dauer der Welt. Die Stoiker erklärten die Welt für ge-
i^D und vergänglich, Aristoteles hielt sie für ewig. Es könnte
leinea dass diess eine Thatsache sei an der Niemand etwas ändern
288 I^iP Academica priora.
Wo wir diese Quelle zu suchen haben, kann uns die
Art lehren wie Cicero sich zu den Peripatetikem steDl
„Dass ich mich auf so domige und winklige Gebiete der
Erörterung begeben habe, daran", sagt er 112, „sind nur
die Stoiker Schuld. Anders wäre es gewesen, wenn ich mit
den Peripatetikem zu thun gehabt hätte: denn mit ihnen
hätte ich nicht nöthig gehabt lange über das Wesen des
Begreifbaren zu streiten und w^ürde ihnen auch gern ein-
geräumt haben dass der Weise gelegentlich eine Meinung
haben dürfe." Seine eigenen Worte sind: si enim mihi cum
Peripatetico res esset qui id percipi posse diceret „quod in-
pressum esset e vero" neque adderet illam magnam acces-
sionem „quo modo inprimi non posset a falso" cum simpHd
homino simpliciter agerem nee magno opere contendcrem,
atque etiam, si, cum cgo nihil dicerem posse conprehendi,
diceret ille sapientem interdum opinari, non repugnarem
praesertim ne Carneade quidem huic loco valde repugnante.
Was ihm die Verständigung mit den Peripatetikem erleich-
tert, ist nach diesen Worten der Umstand dass sie eine
Definition der begreifbaren Vorstellung gaben ohne den
Zusatz den hierzu die Stoiker machten. Dieser Zusatz ist
durfte, dass diese Differenz daher auch von denen anerkannt wenleo
musste deren Bestreben war die Unterschiede der beiden streitenden
Philosophien möglichst zu beseitigen. Wir müssen aber bedeniten
dass auch die Stoiker über die Weltverbrennnng nicht alle gleich
dachten und schon zur Zeit des Kleitomachos Stimmen unter ihnen
laut geworden waren die sich gegen dieselbe erklärten. Dass Zenon
von Tarsos und Diogenes von Babylon sie bezweifelten dttrfen wir
der Ueberlicferung wohl glauben und namentlich wissen wir es wn
dem Sidonier Boethos und Panaitios. Der Autoritäten dieser Männer
hätte sich daher der Skeptiker, dem es auf eine Concordanz beider
Lehren ankam, bedienen können um die scheinbaren Verschieden-
heiten der aristotelischen und stoischen Philosophie auch in dem An-
gegebenen Punkte als nichtig zu erweisen.
CiceroB Erwiderung. 289
\ der einer Verständigung mit den Stoikern im Wege steht:
ßon lässt man ihn fort, so hraucht man nicht mehr zu
«gnen dass ein Begreifbares wie es dann noch übrig bleibt
i der Wirklichkeit existire. Cicero erhebt also gegen die
toiker denselben Vorwurf den wie wir aus 18 sehen Philon
igen sie erhoben hatte und worin gerade das Eigenthüm-
3he von dessen vielangefochtener Neuerung bestand (vgl.
195 flf.). Und nicht bloss hierdurch sondern auch mit
an anderen Zugeständniss zeigt er sich auf Philons Seite:
5nn wenn dieser behauptete, Karneades habe dem Weisen
w Meinen gestattet (78 vgl. S. 170, 1) und wenn Cicero er-
lärt die Frage das Meinen des W^ eisen betrefifend solle ihn
icht mit den Peripatetikern entzweien zumal auch Kameades
e nicht entschieden verneint habe, so läuft diess doch auf
aaselbe hinaus. Diese Uebereinstimmung mit Philon hat aber
m so mehr zu bedeuten, als Cicero gleich darauf (113) sich
ieder zu entgegengesetzten Ansichten bekennt, wenn er es
Is seine dauernde, nicht bloss momentane Ansicht bezeichnet
)wohl dass die stoische Definition der begreifbaren Vor-
Ällung die richtige sei wie dass der Weise niemals eine
leinung haben werde. ^) Diese letztere Erklärung steht in
linklang mit den schon frühei* abgegebenen, wonach er
karneades' Ansicht über das Meinen des Weisen betreffend
^eitomachos mehr als Philon und Metrodoros zu glauben
«stand und das Meinen dem Weisen geradezu absprach.^)
fachdem aber Cicero einmal mit solcher Entschiedenheit
ich auf die Seite der strengeren Skeptiker gestellt hatte.
*) Ego tarnen utrumque verum puto, nee dico temporis causa
öd ita plane probo.
*) 78 vgl. dazu S. 170, 1. Ausserdem 108: ego enim etsi maxi-
>^ actionem puto, repugnare visis, obsistcre opinionibuSf adsensus
i^bricos sustinere, credoque Clitomacho, ita scribenti, Herculi quen-
^ laborem exanclatum a Cameade quod ut feram et inmanem
Biriel, Unterttachungen. HI. 19
290 ^^^ Acaderoica priora.
konnte es nur ein äusserer Einfluss sein der ihn bestimmte
den gewählten philosophischen Standpunkt wenigstens vorüber-
gehend wieder zu verlassen. Da ihn nun dieser Einflua
auf die Seite Philons trieb, so werden wir denselben toi
einer Schrift dieses Philosophen ableiten. Einmal im Zug«
sie zu benutzen eignete er sich fast unwillkürlich aus ik
auch die Ansicht an dass man das Vorhandensein eine
begreifbaren Vorstellung sobald man nur von der stoischei
Definition absehe wohl zugeben könne und dass dem Weise
auch ein Meinen gestattet sei; gleich darauf aber macht e
die begangene Inconsequenz wieder gut indem er sich vo
Neuem zur entgegengesetzten Ansicht bekennt.
Unter der Voraussetzung dass Philon von Cicero fä
seine Darstellung benutzt wurde findet nun auch jene üntei
Scheidung zwischen stoischer und peripatetischer Philosophi
ihre Erklärung, die wir für einen Skeptiker so auffiEÜlen
fanden und doch auch nicht als die Frucht von Cicere
selbständigem Nachdenken betrachten konnten. Wir werde
dieselbe jetzt ebenfalls auf Philon zurückfuhren. Ein Red
hierzu gibt uns die früher geführte Untersuchung über de
von Areios Didymos entnommenen Abschnitt des Stobaifl
(S. 241 fiF.). Denn dass Areios die Richtung Philons vei
folgte hat sich uns dabei ergeben, für den auf ihn zurfidi
gehenden Abschnitt ist aber charakteristisch dass darin w
Peripatetikern und Stoikern gesondert die Rede ist, die ein
zelnen Lehren derselben einander und den platonischei
gegenübergestellt und damit ihre Unterschiede anerkaon
und nicht wie von Antiochos aufgehoben werden, ünte
derselben Voraussetzung erklärt sich aber auch noch Anderes
beluam sie ex animis nostris adseosionem id est opinationem ^
temeritatem extraxisset, tarnen etc. Ebenso 67: ita seqaebator etiiS
opinari; quod ta non vis et recte ut mihi videris.
Ciceros Erwiderung. 291
Von Lucullus, sagt Cicero 141, unterscheide er selber in der
Bildang der moralischen Ansichten sich nur dadurch dass
jener dieselben für unumstösslich halte er selber hingegen
sich ihrer Unsicherheit immer bewusst bleibe. Denn diess
ist doch wohl der Sinii der folgenden Worte: tantum interest
quod tu, cum es commotus, adsciscis adscntiris adprobas,
Terum illud, ceitum conprehensum perceptum firmum fixum
vis deque eo nulki ratione neque pelli neque moveri potes,
ego nihil ejusmodi esse arbitror cui si adsensus sim non
adsentiar saepe falso quoniam vera a falsis nullo discri-
mine separantur. Auch Cicero lässt sich zu einem „adsentiri"
bestinmien, hält sich aber — und darin beruht sein Unter-
schied von Lucullus — die Möglichkeit eines Irrthums immer
gegenwärtig.^) Der in diesen Worten sich aussprechende
Standpunkt ist somit der des Catulus (148): adsensurum
non percepto, id est opinatuiiim, sapientem sed ita ut in-
tellegat se opinari sciatque nihil esse quod conprehendi et
pereipi possit. Dass Catulus aber in dieser Hinsicht sich
an Philon anschloss ist schon früher bemerkt worden (S. 268,
*) Man darf die Worte nicht so verstehen als wenn sie die Be-
gründung dafür wären weshalh Cicero niemals seine Zustimmung
S^ben (adsentiri) werde. Denn worauf beruhte dann die doch so
luurhdrücklich hervorgehobene Uebereinstimmung mit Lucullus? „Tarn
niOTeor quam tu, Luculle, nee me minus hominem quam te putaveris**
»»gt Cicero unmittelbar vor den angeführten Worten. Dieses Beiden
Gemeinsame kann aber nur in dem ,,adsentiri'* liegen, und der Unter-
schied beruht nur darauf dass Cicero bei diesem Akt das Bewusstsein
^«r Unsicherheit behält, Lucullus nicht. Es ist freilich eine Un-
^nanigkeit Ciceros wenn er iu demselben Gedankenzusammenhang
Mtdsentiris*' von einer Zustimmung sagt die von keinem Gefühl der
Unsicherheit begleitet ist sondern aus voller üeberzeugung gegeben
y^ — Die fraglichen Worte in der angegebenen Weise zu verstehen
^ schon darum nöthig weil es sonst heissen müsste: cui si adsensus
*88em non adsentirer.
19*
292 I>*e Acadcmica priora.
vgl. auch S. 167). Denselben Gedanken scheint aber Cicero'
auch noch an anderen Stellen auszusprechen. So führt auf
ihn 132; denn zu etwas Falschem seine Zustimmung zu
geben, wird hier gesagt, sei nach der Ansicht des LncuUus
und derer die derselben Richtung folgten in Widersprudi
mit dem Wesen des Weisen.^) Warum aber nur nach der
Ansicht des Lucullus und der Seinigen wenn es doch auch
die Ciceros war? Dasselbe gilt auch in Bezug auf 138.')
In diesen Aeusserungen die Ciceros eigener ausdrücklich er-
klärter Ueberzcugung widersprechen werden wir jetzt eine
Spur des unwillkürlichen Einflusses erkennen den die einmal
zu Grunde gelegte Schrift Philons auf seine Darstellung übte.
Dieser Einfluss reicht aber noch weiter.
Denken wir zunächst noch oiinnal zurück an die Be-
deutung, welche nach Kameades' Theorie die Wahrschein-
lichkeit für das menschliche Leben besass (vgl. S. 178 ft).
Halten wir uns an Sextos Empeirikos so war sie bestimmt
als Grundlage für die Führung des Lebens und zur Er-
langung der Glückseligkeit zu dienen.*^) Sie hatte einen rein
praktischen Endzweck. In dieser Ansicht dürfen wir uns
auch dadurch nicht ine machen lassen dass anderwärts
Sextos auch unsere Urtheile auf die Wahrscheinlichkeit ba-
sirt:*) denn dass diese urtheile solche sind, wie sie einer
^1 Nam vos qiiidem nihil dicitis a sapiente tarn alienum esse.
-^ Vos autem mihi verenti ne labar ad opinationem et aliqnid
adsciscam et conprol)em iiicognitum, qifod minima voltis, quid con-
silii datis?
^) Dogm. I 166: dnaiTovftfvo:: fih xal avrog rt xQirtjQiov J(^
Xf T//1' zov ßiov öif^ayioyiir xal .toow' r//r zfjg svöatfioriag neQlxTt}(f'^'
Svrdfxet ^narayxa'C.ttat xal xai^^ aizov rregl Torror ötararTfO^f^''
7i()oa?MLtßava)%* Ttjr tf TtiS-ar/^i' tfarraotav xt),.
*"! A. a. 0. 175: rw yaQ wq ittI tn nokv (diess ist eben d»s
Wahrscheinliche"» rag rs XQiaetg xal rag 7i(}d^eig xavovCCfO^i f^^T
[it[itiXtV.
Ciceros Erwiderung. 293
Handlung vorausgehen, darüber lassen die von Sextos ange-
führten Beispiele kaum einen Zweifel. Was wir aus Sextos
lernen wird durch Cicero, der in diesem Falle das von
Heitomachos Gesagte wiederholt, nur bestätigt. Ohne das
Wahrscheinliche, fuhrt er aus, würde das ganze Leben um-
gestürzt werden,^) durch dasselbe lässt der Weise sich im
Leben leiten,*) nach ihm bestimmt er seine Entschlüsse zu
handehi oder nicht zu handeln.^) Lediglich um dieses un-
mittelbaren Einflusses willen den es auf unsere Handlungen
übt soll das Wahrscheinliche einen Werth haben, und wenn
Seitos auch die Glückseligkeit von ihm abhängig macht so
q)richt er ihm dadurch nicht eine neue Bedeutung zu, da
ojEFenbar die durch unsere Handlungen bedingte gemeint ist.
Diess vorauszuschicken war nöthig damit man erkenne dass
eine ganz andere Schätzung des W^ahrscheinlichen in fol-
genden Worten Ciceros ausgedrückt ist, mit denen er 127
die skeptische Erörterung der Naturphilosophie abschliesst:
»nee tarnen istas quaestiones physicorum exterminandas puto;
est cnim animorum ingeniorumquo naturale quoddam quasi
pabulum consideratio contemplatio(]ue naturae: erigimur, al-
tiores fieri videmui*, huinana despicimus cogitantesque supera
^uc caelestia haec nostra ut exigua et minuta contemnimus.
iodagatio ipsa rerum cum maximarum tum etiam occultissi-
DMffum habet oblectationem; si vero alitjuid occurrit quod
▼eri simile videatur humanissima conpletur animus voluptate.
quaeret igitur haec et vester sapiens et hie noster sed vester
ot adsentiatur credat adtirmet, noster ut vereatur temere
^inari praeclareque agi secum putet si in ejus modi rebus
') li9: Etenim contra oatiiram est probabilc nihil esse, et scqui-
^ omnis vitae ea, quam tn, Luculle. commemorabas, ever&io.
^) A. a. 0.: utetur eo sapiens ac sie omnis ratio vitae gubemabitur.
*) A.a.O. 100: bujus modi igitur visis consilia capiet et agendi
et noo agendi.
294 I^'ß Academica priora.
veri simile quod sit invenerit."^) Von dem Genuss den das
Forschen als solches und als Fruclit desselben das Wahr-
scheinliche gewährt ist an den Stellen, die uns über Kar-
neades' Wahrscheinlichkeitslehre berichten, nicht die Rede
Das Wahrscheinliche das uns dort begegnet ist von andere)
und viel geringerer Art: denn im besten Pralle ist es m
das Ergebniss reiflicher Ueberlegung, aber nicht erhabene
Speculation und tiefgehender Forschung und verräth ausser
dem zur Naturphilosophie gar keine Beziehung sondern is
ganz der Praxis des Lebens zugewandt.*) Sollen wir nni
diese Neuerung auf Cicero zurückführen? Wenn wir bedenkei
dass er sich öfter zu der strengeren Ansicht des Kleito
machos bekennt und nur wie unwillkürlich bisweilen in einei
milderen Sinne sich äussert, so ist es nicht glaublich, da*
er ohne äusseren Anlass, während er in seiner Quellenschrii
nur die Bestreitung der Naturphilosophie vorfand, von sie
aus derselben insofern ein Zugeständniss gemacht habe al
er der blossen Erforschung naturphilosoi)hischer Problenw
ganz abgesehen von den Resultaten, schon einen Werth be
legte und ausserdem das Gewinnen wahrscheinlicher Ergel
nisse nicht für unmöglich hielt. Es ist diess um so wenig«
glaublich als Cicero nirgends sonst ein besonderes Interess
an der Naturphilosophie zeigt, vielmehr vorwiegend m
Fragen der Ethik beschäftigt ist. Immerhin würde es misi
lieh sein auf Grund einer solchen vereinzelten Aeusserun
Ciceros hin von einer Abänderung zu sprechen, die man i
der Akademie mit der Skepsis des Karneades vornahm, un
zwar von einer gar nicht unbeträchtlichen: denn so da]
') Vgl. 66 wo Cicero ausruft: qui enim possum non cupere vem
invenire, cum gaudeam si simile veri quid invenerim?
') Ueberdiess sagt Diog. Laert. IV 62 von Kameades ausdrücl
lieh: (ptloTTovog S' ävd^Qmnoq y^yovev ei xal Tic aXXo(;, iv fihv foi
(pvaixolq ^Ttov (peQo/xevog iv 6h roig ijd^ixoTg fiäXXov.
Ciceros Erwiderung. 295
wohl eine Aenderung nennen der zufolge die wisseu-
iiliche Aufgabe der Skepsis nicht mehr bloss in die
ik fremder Dogmen sondern ebenso sehr oder mehr noch
üe Gewinnung positiver Resultate gesetzt wird. Aber
30 Aeusserung ist eben nicht vereinzelt und es muss
ider nehmen dass man andere derselben Art bisher nicht
igend beachtet hat. Denn ganz übersehen kann man sie
t haben, da sie an leicht zugänglichen Orten sich finden.
Augustin nämlich wird als Ansicht der Akademiker aus-
ben dass die Hauptaufgabe des Weisen im Forschen
i der Wahrheit bestehe.^) In welchem Sinne konnten
' die älteren der akademischen Skeptiker von einem
ichen nach der Wahrheit sprechen? In dem Sinne wie
Pyrrhonoer dass sie darunter das immer wieder erneute
'en fremder Ansichten verstanden gewiss nicht: denn
m dass eine Erkenntniss des Wahren unmöglich sei
m sie schon vorher überzeugt (vgl. S. 27 ff", bes. S. 29).
kann also nur ein Forschen gemeint sein das bis in
äusserste dem Menschen erreichbare Nähe der Wahr-
d. i. zum höchsten Grade des Wahrscheinlichen führt»
solches Forschen verlangt allerdings auch Kameades.
auch darin, dass er dieses Forschen auf die Dinge
Thränkt deren wir für unsere Glückseligkeit bedürftig
') C. Acad. I 8, 23 sagt der Vertreter der akademischen Skepsis
utios: etenim ut ipse jam explicem definitione quod sentio,
intia mihi videtur esse rerum humanarum divinarumque, quae
»eatam vitam pertineant, non scientia solum sod etiam diligens
isitio. quam descriptionem si partiri velis, prima pars, quae scien-
tenet, dei est; haec autem, quae inquisitione contenta est, ho-
}. Dass Licentius hiermit wirklich eine akademische Ansicht
)richt, dürfen wir nicht bezweifeln da Augustm ihn gleich darauf
i and 25) ausdrücklich als Vertreter der Akademiker bezeichnet
er selber sich auf Cicero als seinen Gewährsmann beruft.
296 I^io Academica priora.
sind,^) stimmt er mit Licentius dem Vertreter der Akade-
miker bei Augustin übercin, der die menschliche Weisheit
(sapientia humana) nicht als ein Forschen nach den mensch-
lichen und göttlichen Dingen schlechthin sondern insoweit
sie sich auf unsere Glückseligkeit beziehen definirt.*) Trotz-
dem findet zwischen beiden ein Unterschied statt: denn
das Wahrscheinliche das wir als Frucht des eifrigen For-
schens nach Licxjutius voraussetzen müssen gewährt schon
durch sich allein der Seele Befriedigung insofern es die
Erfüllung eines menschlichen Naturtriebes ist,') dasjenige
des Karaeades dagegen hat seinen Werth nur weil es die
unentbehrliche Grundlage zu gewissen Handlungen bildet*)
Um 80 mehr trifft Licentius' Ansicht mit der ciceronischen
zusammen. Nicht bloss dass beide auf das möglichst ge-
naue Forschen nach der Wahrheit an sich schon Werth
legen ist ihnen gemeinsam sondern auch dass sie dieses
Forschen bis in die dunklen Regionen der NatuqAilosophie
^) Sext. dogm. I 184: ovto), tpaolv oi nbQl xov KuQvedötjv, iv
filv xolq tvxovoi TiQayfjLaai xy niO^avj fiovov *pavxaala XQiTf^Qlat X(f^
fie9a, iv 06 xoLi; dia(pi(JOvai xy dneQUjnaaiio, iv de xolg nQO>; fr<Jff*'
/lovlav ovvxtlvovai x^ 7iF(}t(tt6tvfiivy.
«) I 8, 23 (Vgl. S. 295, i\
^) I 3, 9: quisquis ergo minus instanter quam oportet veritatem
quaerit is ad finem hominis non pervenit: quisquis autem tantum.
quantum homo potest ac debet, dat operam iuveniendae veritati, i^
etiamsi cam non inveniat beatus est; totum cnim faeit quodutfaciat
ita natus est. In?entio autem si defuerit, id deerit quod natura
non dedit.
*) Dass die evSat/novia des Karnoades mit der Seligkeit des
Forschcns nichts zu thun hat, beweist das bei Sextos a. a. 0. 18?
gegebene Beispiel: denn als eine wahrscheinliche Vorstellung des
höchsten Grades d. h. wie wir voraussetzen müssen eine die zur «^
öaifiovia in naher Beziehung steht wird dort diejenige bezeichnet die
aus der Untersuchung entsteht ob ein im Dunkeln liegender zusam-
mengerollter Gegenstand eine Schlange oder ein Seil ist.
Ciceros Erwiderung. 297
erstrecken wollen.^) Diese Uebereinstimmung Ciceros mit
Augustiii scheint ihren Werth für uns dadurch zu verlie-
ren dass Augustiu seine Kenntniss der akademischen Lehre
den ciceronischen Schriften verdankt und also sein Zeug-
niss über dieselbe nur eine Wiederholung, nicht eine Be-
stätigung des ciceronischen ist. Man muss aber andererseits
auch bedenken dass die hier fragliche Stelle Ciceros von
Angustin für seine Darstellung nicht oder doch nicht aus-
schliesslich benutzt sein kann, da Augustin viel mehr gibt
als wir bei Cicero lesen: Cicero muss also noch anderwärts
dieselben Ansichten und zwar ausführlicher vorgetragen ha-
ben; wobei es uns zunächst gleichgiltig sein kann ob diess
im Catulus oder was weitaus wahrscheinlicher ist (Krische
S. 180, 1) in der zweiten Beai'beitung der Academica ge-
schehen ist.*) Ansichten aber die Cicero für der Mühe
')*Bei Augustin wird die»8 freilich nicht direct ausgesprochen.
Aber was sollen wir uns unter den „res divinae'*. die doch mit zu
den Gegenständen der Forschung gerechnet werden, anderes denken?
Freilich scheint Licentius bei Augustin I 8, 22 unter den ,,rcs divinae**
die Tugenden zu verstehen. Aber diese Bedeutung können sie doch
dann nicht haben wenn neben ihnen auch die ,,res humanae'' als
Gegenstand der Forschung erscheinen: denn was soll man unter diesen
dann sich denken? Vielmehr wird 23 ausdrücklich dem Menschen
die Aufgabe gestellt sich von den Banden der Leidenschaften frei
>Q machen und ganz der Erkenntniss seiner selbst und Gottes nach-
mhängen. Gerade dem Göttlichen aber soll uns auch nach Cicero
die Naturbetrachtung näher bringen, vgl. Acad. pr. 127 (S. 293).
*) Dagegen kann ich die Meinung Krisches nicht theilen wenn
derselbe S. 152, 1 dem Hortensius vindicirt den Satz bei Augustin
1 3, 7: Placuit Ciceroni nostro beatum esse qui veritatem investi-
Rat etiam si ad ejus inventionem non valcat pervenire. Denn in
diesem Satz drückt sich der specifisch akademische Standpunkt aus,
^ Hortensius aber wie wohl überhaupt in den Protreptiken wurde
^ Philosophie schlechthin ermahnt (Cicero Tusc. II 4, de divin.
^ 1), abgesehen von ihrer besonderen Form. Krische begeht mit
298 I^ie Academica priora.
werth hielt au mehr als einem Orte zu entwick
doch nicht bloss ein flüchtiger Einfall seines eigei
gewesen sein sondern müssen in seinen Augeu <
Bedeutung gehabt haben wie sie ihnen der Zu»
mit der gesammten skeptischen Theorie der .
geben konnte.
Dass die begeisterte Ansicht von dem hol
der Naturphilosophie nicht in einer vorübergehe
jenen Worten noch einen anderen Irrthum Denn der
80 wie ihn Aiigustin gibt schwerlich von Cicero, ich
lieh nicht, was überflüssig zu bemerken wäre, die Vi
den Gedanken. Nach den angeführten Worten nämlich i
Trygetius gefragt hat „Ubi hoc Cicero dixit" fährt Li
quis ignoret eiun affirmasse vehementer, nihil ab ho
posse nihilque remanere sapienti nisi diligentissimam
veritatis; propterea quia si iucertis rebus esset adsent
fortasse verae forent liberari ab errore non posset? qua<
culpa sapientis. Quam ob rem si et sapientem neccssario
credendum est et veritatis sola inquisitio perfectum sapi
est, quid dubitamus existimare beatam vitam etiam pc
vestigatione veritatis posse contingere? Was nach der ai
Frage des Trygetius zunächst auffallend war dass Lice
geht die ciceronische Schrift zu nennen, ist nach dies
ganz begreiflich. Denn er hatte jenen Gedanken gar ni
bar aus einer solchen Schrift entnommen. Was er ih
hatte war nur der Satz dass die höchste Aufgabe des
möglichst genaue Erforschung der Wahrheit ist; hierzu
einen allgemein zugestandenen Satz dass der Weise glüc
so konnte ihm der aus diesen beiden Prämissen gezo
dass im Forschen nach der Wahrheit das Glück bestell
nisch gelten. Uebrigens konnte Cicero sehr wohl das F
der Wahrheit nicht bloss als die höchste Aufgabe des
dem auch als Quelle reinsten Genusses bezeichnen, ohi
geradezu auszusprechen dass die ganze Glückseligkeit (
darin enthalten sei. Ich bemerke diess deshalb dam
etwa zwischen dieser Anmerkung und dem im Text G<
Widerspruch zu finden meine.
Ciceros Erwiderung. 299
Wallung Ciceros ihren Ursprung hat oder ihm allein ange-
hört, wird auch darum wahrscheinlich weil sie auch innerhalb
Beiner Darstellung des Skepticismus nicht isolirt steht son-
dern mit den übrigen Theilcn derselben durch bestimmte
bei schärferer Betrachtung wahrnehmbare Fäden verknüpft
ist. Augustin unterscheidet in den S. 295, 1 angeführten
Worten zwei Arten der Weisheit, die eine mit der sich
ilie Menschen begnügen müssen die andere welche nur der
ßottheit eignet Letztere ist das vollkommene Wissen, der
Besitz der Wahrheit, jene das unablässige Forschen nach
derselben. Hierin den Ausdruck der echt akademischen
rheorie zu finden sind wir um so mehr berechtigt als, die-
selbe Anschauungsweise auch bei Cicero vorausgesetzt, erst
recht verständlich wird wanim dieser mit dem Entdecken
eines Wahi'scheinlichen sich eine „humanissima voluptas"*)
verbunden denkt. Um aber die Worte Augustins vollkommen
zu würdigen müssen wir bedenken d;iss er die göttliche
Weisheit in das Wissen von göttlichen und menschlichen
Dingen setzt soweit sie dc^r Glückseligkeit dienen, dass er
also im Wesentlichen auf sie die Definition anwendet welche
die Stoiker von der Weisheit überhaupt gaben.*) Nur des-
Iwilb wird die stoische Ansicht verworfen weil sie der mensch-
lichen Natur zu viel zumuthet. Dass die Glückseligkeit aus
der Quelle fliesst aus der die Stoiker sie ableiten wird ein-
geräumt, geleugnet dagegen dass es den Menschen vergönnt
>^ daraus zu schöpfen. Denselben Standpunkt nimmt aber
1er stoischen Lehre gegenüber auch Cicero 134 ein, wo er
'»e mit der des Antiocluis vergleicht. An sich hat er gegen
') A. a. O.: si Tero aliquid occorrit quod veri simile videatar
aomtnissima conpletar aDimas voluptate.
^: Dass die Modification der stoischen Definition durch den Zo-
^ M<lQae ad beatam Titam pertinent" vielleicht Antiochos gehört
'^ S. 278, 2 bemerkt worden.
300 ^ie Academica priora.
Zonons Dogma wonach auf die Tugend allein die Glückselig-
keit sich gründen soll nichts einzuwenden, doch furchtet er
dass dasselbe mag es sich auch für einen Gott ziemen doch
an die menschliche Natur Anforderungen stellt die diese
nicht zu erfüllen vermag.^) Und wie bei Augustin die
Körperhülle es ist die den Menschen hindert das von den
Stoikern aufgestellte Ideal der Weisheit zu erreichen*) so
leidet auch Zenons Forderung die Glückseligkeit nur auf die
Tugend zu gründen nach Cicero an dem Fehler dass sie den
einen Theil des menschlichen Wesens den Körper ausser
Acht liisst^) Aus dieser Uebereinstimmung dürfen wir wohl
schliessen dass die Akademiker denen Cicero bei der Beur-
theilung der stoischen Tugendlehre folgt dieselben sind mit
denen die nach Augustin die höchste Aufgabe des mensch-
lichen Weisen im ewigen Forschen nach der Wahrheit sahen.
M Zeuo iu uua virtute positam beatam vitam putat. quid An-
Uochus? ,,etiam'* inquit .,beatam; sed uon beatissunam^*. deas ille
qui nihil ceusuit dcessc virtuti, homuncio hie qui multa putat prae-
tor virtutem homini partim cara esse partim etiam necessaria. sed
ille voroor ne virtuti plus tribuat quam natura patiatur, praesertim
Theophrasto multa diserto copioseque contra dicente.
^"1 I 8, 21^: hoc ipso quo quaerit sapiens est, et quo sapiens eo
beatus, cum ab omuibus involuoris corporis mentem quantum potest
ovolvit et se ipsum in semet ipsum colligit, cum se non penoittit
cupiditatibus lauiandum sed iu se atque in deum semper tranquiUu^
intenditur: ut et hie, quml beatum esse supra inter nos coDvenitf
ratione perfruatur et extremo die vitae ad id quod concupivit adi-
piscendum reperiatur paratus fruaturquc merito divina beatitadine
qui humaua sit ante perfructus.
'^ Ki9: revocat ^vou den Ansichten Epikurs und Aristipps) vir-
tus vel potius reprehendit manu: pecudum ülos motus esse dicit,
hominem jungit dei\ pos$um esse medius ut. quoniam Aristippn^
quasi animum nullum habeamus corpus solum tuetnr, Zeoo quasi
corporis simus ex|>ertes animum solum conplecütur, Calliphontem
sequar etc.
Ciceros Erwidenmg. 301
?ennittelt gcwissennaasscn Augustin zwischen den cice-
schen Stellen und zeigt uns dass die welche die Lust
den Wcrth der Forschung preist auf dem Grunde der-
en Anschauung steht wie die anderen welche die über
Schliches Maass hinausgehende Götterhöhe der stoischen
ik halb bewundern halb tadeln. Dass aber eine solche
nehroron Orten durchbrechende Grundanschauung Ciceros
mthum sei, ist sobald man nur überhaupt eine griechische
lle seiner Darstellung annimmt äusserst unwahrscheinlich.
Suchen wir daher nach ihrem Urheber, so kann diess
»ehen von dem schon früher bemerkten Karneades auch
lalb nicht gewesen sein weil bei der Beurtheilung der
jchen Ethik der durchgreifende Unterschied derselben von
akademisch-peripatetischen betont wird (vgl. S. 285 ff.). ^)
lit ist aber zugleich ein Wink gegeben dass wir an Kar-
ies' Stelle Philon zu setzen haben (vgl. S. 290 ff.). Unsere
m gewonnenen Ansicht(m über diesen Akademiker werden
durch sowohl bestätigt als erweitc»rt. So sehen wir jetzt
einem neuen Beispiel dass wir Recht hatten bei den
demikern Ainesidems an ihn zu denken (vgl. S. 230 ff.):
1 inwiefern man diesen Ueb(?reinstimmung mit den Sto-
n zum Vorwurf machen konnte haben wir jetzt an neuen
ipielen erkannt da als eine solche Ueb<?reinstimmung
1 die relative Anerkennung gelten darf die» von den
demikeni Ciceros und Augustins sowohl der Ethik der
ker wie ihren Ansichten üIht die Weisheit gezollt wird,
h mehr aber lernen wir jetzt was der übcrliefei*U,» Pbi-
sraus Philons zu bedeuten hatte. Denn während Kar-
ies der Sokratiker (vgl. S. 35. 188) sich wenig fxler gar
') Die Vergleichung der akademisch-peripatetischen Moral mit
stoischen wird IM eingeleitet durch die Worte: ecce multo major
n dissensio
302 1^16 Academica priora.
nicht um Naturphilosophie kümmerte will Philoii auch die-
ses Gebiet nicht vernachlässigen und steht somit zu ilun
in demselben Verhältniss wie Pia ton zu seinem Lehrer.*]
Das entnehmen wir jetzt aus den behandelten Worter
Ciceros und dürfen diess um so zuversichtlicher thun als
eine solche Ausdehnung der wissenschaftlichen Forschung
auf ein von Karneades vernachlässigtes Gebiet nur natür-
lich ist vom Standpunkte des Philosophen aus der wie e
durch Anwendung des Namens xaraXfjjcrot^ auf das Wahl*
scheinliche zeigte auch die Ergebnisse der Forschung höhe
schätzte und somit bereit sein nmsste auf sie von der e
einen grösseren Lohn erwartete auch eine grössere Müh
zu verwenden. Indessen bleibt in demselben Maasse wi
die Naturphilosophie selber nur ein Aussenwerk der plato
nischen Lehre ist auch die eben bemerkte Uebereinstiminuni
Philons mit Piaton nur eine äusserliche. Viel tiefer dring
eine andere. Nach Piaton-) und ebenso nach Philon, wem
wir ihn in den Akademikern Augustins erkennen dürfen, is
der Mensch auf das Forschen beschränkt, die volle Wahr
heit und höchste Weisheit dagegen kommt nur der Gott
heit zu. Nach Beiden ist der Körper das Hinderniss da
' I Wie leicht hatte es übrigens Piaton im Timaios dadurch dai
er seine Ansichten nur als wahrscheinliche vortrug einem Skeptüc
gemacht gerade in der Naturphilosophie an ihn anzuknüpfen! Mi
darf nicht einwenden dass doch wenn Philon wirklich nach plAt(
nischer Weise Naturforschung trieb auch Cicero im naturphilo«
phischen Theil der Academica positive Ansichten über diesen Gegen
stand entwickelt haben würde. Denn letzteres mochte auch Philo
in seiner Schrift nicht gethan haben, weil dem didaktischen Grund
satz der Skeptiker es allein entsprach ihre Ansichten problematisc
vorzutragen und dem Leser die Entscheidung zu überlassen [H^
S. 235 f.l
*) Zum Schluss des Phaidros wird den Menschen nur die fi'^
ooifi'a zugestanden, die ao(fia den Göttern vorbehalten.
Ciceros Erwiderung. 303
uns nicht bis zur Erkenntniss durchdringen lässt, mit des-
sen Beseitigung durch den Tod wir daher lioffen dürfen der
Gottheit an Weisheit und Seligkeit gleich zu werden.*) Nach
Beiden endlich bleibt uns während dieses Lebens nichts wei-
ter übrig als der Vernunft, dem göttlichen Theil unserer
Seele gemäss zu leben,*) nur nach der Erkenntniss unserer
selbst sowie Gottes zu streben^) und den Geist so viel als
möglich von den Banden des Körpers, den Leidenschaften
und Begierden, zu lösen.*) Nirgends finden wir eine Spur
dass schon Karneades die Aufgabe des Menschen ähnlich ge-
fasst habe. Dagegen dürfen wir annehmen dass diess Areios
Didymos that: denn bei Stobaios ekl. II 64 wird berichtet
dass Sokratcs Piaton und Pythagoras das höchste Ziel des
Menschen darein setzten der Gottheit immer ähnlicher zu
werden, für den Urheber dieses Abschnittes des Stobaios
aber d. i. für Didymos hatte Piatons Vorgang Autorität
(TheU II S. 837 Anm.). Hierdurch bestätigt sich das Er-
gebniss einer früheren Untersuchung die uns in Areios Di-
dymos einen Anhänger nicht des Antiochos sondern Philons
erkennen Hess (S. 240 ff.), so wie umgekehrt auch die eben
ober Philon gewonnene Ansicht durch dieses Zusammen-
treffen von Neuem befestigt wird.
Aus dem Gesagten ergibt sich dass bei der Behandlung
der Naturphilosophie und Ethik Cicero in wesentlichen
Stücken auf Philon zurückgegangen ist. Dasselbe ist man
biemach geneigt auch für den dritten Theil der Philosophie,
') Aasser I 3, 7, den schon früher angeführten Worten, vgl. was
9 ebenfalls Licentius sagt: veritatem autem illam solum deum nosse
vbitror aut forte hominis animam, cum hoc corpus, hoc est tene-
brosQm carcerem, dereliquerit.
*) C. Acad. I '2, 5. 4, 11 u. ö.
») A. a. 0. 8, 23.
*) A. a. 0.
304 ^i<^ Academica priora.
die Dialektik zu vermuthen. lieber dieselbe gibt er noch
ehe er sie besprochen hat ein schlechthin verwerfendes Ur-
theil ab (141: cum judicia ista dialecticae nulla sint). Im
P^olgenden lenkt er aber wieder ein. Denn seine Polemik
richtet sich hier vorwiegend gegen die stoische Dialektik.
Und freilich musste diese Disciplin dem Skei)tiker am Meisten
zuwider sein da sie den Anspruch erhob Wahres von Fal-
schem scheiden zu können (Prantl Gesch. d. Log. I S. 413).*)
Darauf bezieht es sich, wenn 143 von den Stoikern gesagt
wird: in hoc ipso quod in elementis dialectici docent qao
modo judicare oporteat verum falsumne sit si quid ita
conexum est etc. Und eben daher ist auch das vorher an-
geführte verwerfende Urtheil zu erklären, da ihm folgende
Worte vorausgehen : ego nihil ejus modi esse arbiti*or, cui si
adsensus sim non adsentiar saepe falso, quoniam vera a fakis
nullo discrimine separantur. Gerade in diesem wichtigen
Punkte nun unterscheidet sich von den Stoikern Aristoteles,
indem er der Dialektik nicht als Aufgabe stellt das Wahre
zu finden sondern sie mit dem Wahrscheinlichen sich zu
begnügen heisst. Das ist aber eine Ansicht mit der die
skeptische Theorie sich allenfalls vereinigen liess. Und ins-
besondere dürfen wir aimchmen dass Philon einen solchen
Versuch machte der mit dem anderen, hinter dem Wissen
und der Erkenntniss der Peripatetiker die Wahrscheinlich-
keit der skeptischen Akademie zu entdecken, in voller Ueber-
einstimmung steht. Wenn daher in dem in Rede stehenden
ciccronischen Abschnitt zwar die Stoiker verworfen werden,
des Aristoteles aber mit Auszeichnung gedacht wird,*) so
*) Cicero selbst sagt Ol zu den Stoikern: dialecticam inTenttin
esse dicitis, veri et falsi quasi disceptatricem et judicem.
*) 143: ipsum Aristotelcra quo profecto nihil est acutius, nihil
politius.
Ciceros Erwidening. 305
terden wir hier abermals nicht Ciceros eigenes Urtheil
sondern eine Spur des philouischen Einflusses erkennen.
Noch bestimniter tritt derselbe in folgenden Worten hervor
mit denen Cicero (143) den Schluss zieht aus der Bemer-
kimg dass Antiochos in der Dialektik nicht an Xenokrates
und Aristoteles sondern lediglich an Chrysipp sich anlehnt:
qoid ergo Academici appellamur? an abutimur gloria no-
minis? Den gleichen Vorwurf wie hier, dass Antiochos kein
Recht habe sich einen Akademiker zu nennen, erhebt Cicero
g^n ihn auch 69 f.^) und 113.*) Dass er diess zuerst
gethan habe wird aber Niemand behaupten wollen. Viel-
mehr ist das Wahrscheinlichste dass damit Philon dem Ver-
soche des Antiochos innerhalb der Akademie sich selbständig
zn machen entgegentreten wollte.^) Darum wird an den
beiden angeführten Stellen dieser Vorwurf in die engste
Beziehung zu Philons Persönlichkeit gesetzt: an der zweiten
dadurch dass er in Verbindung mit Philons eigenthümlicher
') Excogitavit aliqaid? eadem dielt quae Stoici. paenitoit illa
KBsisse? cur non se transtalit ad alios et maxime ad Stoicos?
wmm enim erat propria ista dissensio. unde aatem
iQbito vetus Academia revocata est? nominis dignitatem videtor,
cmn a re ipsa descisceret, retinere voluisse etc.
*) A qao (sc. Antiocho) primum quaero quo tandem modo sit
^ Academiae cujus esse se profiteatur? ut omittam alia, haec
^ qnis umquam dixit aut Teteris Academiae aut Peripateticorum,
Y^l id solnm percipi posse quod esset verum tale quäle falsum esse
^ poBset Tel sapientem nihil opinari? certe nemo.
*) Auf Philon wird daher auch das bekannte Urtheil zurück-
gehen dass Antiochos nur dem Namen nach ein Akademiker, in
^thrheit Stoiker gewesen sei. Bei Cicero lesen wir es 132: qui
^Ppeliabatnr Academicus, erat quidem si perpauea mutavisset, ger-
^^Wssimos Stoiens, vgl. dazu 137. Dasselbe Urtheil führt auch Sextos
wrrii. I 235 an. Von Cicero kann es daher nicht wohl stammen.
^^ wen wir dann aber anders denken sollten als an Philon, wüsste
*H nicht (Vgl. auch S. 230, 1. 235 f.\
Hirse I, Unt6»ncli«Bgen. UI. 20
306 I^ie Academica priora.
Ansicht über die Bedeutung des xatakfjjtzov erscheint, an
der ersten insofern weil nicht der Abfall des Antiochos von
der Akademie überhaupt sondern insbesondere der von seinem
Lehrer Philon gerügt wird.*) Dasselbe ergibt sich aber
auch aus der diesem Vorwurf zu Grunde liegenden Voraus-
setzung dass die alte echte Akademie die skeptische ist:
denn dass diess der Ansicht Philons entspricht ist bereits
früher bemerkt worden (S. 220, 1).
So macht sich in den drei Disciplinen der Philosophie,
an welche sich auch Cicero behufs Bestreitung der Dogma-
tiker bindet, der Einfluss Philons geltend. Wir würden
daher ohne Weiteres in einer Schrift Philons die Quelle ffir
den Schlussabschnitt der ciceronischen Darstellung (von 116
an) erblicken wenn nicht ein Einwand sich gegen diese An-
nahme erhübe. Gegen die teleologische Weltanschauung der
Stoiker macht nämlich Cicero 120 die grosse Menge von
Schlangen und anderen giftigen Wesen geltend die über
Erde imd Meer zerstreut sind. *) Nach Zeller aber (III 1
^) 69: sed prius pauca cum Antiocho qui haec ipsa quae a ne
defendiintur et didicit apiid Philonem tarn diu ut coDStaret dlutitf
didicisse neminem etc. numquam a Philone discessit nisi
posteaquam ipse coepit qui se audirent habere. Die persönliehe
Gereiztheit die aus diesen Worten spricht wird ihnen nicht erst
Cicero gegeben haben. Auch was Cicero den S. 305, 1 angeführten
Worten hinzufügt ,,quod erant qui illum gloriae causa facere- di<^
reut cum speraret etiam fore ut ei qui se sequerentar Antiocliü
vocarentur^^ wird doch wohl auf Philon sich beziehen. Dasselbe
sagt übrigens auch Piutarch Cic. 4 : ^rfiy yäg iSiataro tffq vSa; Af-
yojuivTjg kxaörifislag 6 Ävzioxog xal t?/v KaQveaöov araaiv iyxart- ,
Xeinev, eire xa/nTizofievog vnb xijQ ivaQyeiag xal tc5v ala^Ofoif
fhs (lig (paaiv evioi (pikonjuin rivl xal öia(poQa ngog rovg KUa^-
ftd^ov xal *PiXü)vog awi^B-etg rov Srw'ixbv ix fiBtaßoXijq B-eQamvvif
loyov iv Toig nXsiatoig.
^) Er rühmt sich im Gegensatz zu den Stoikern der Freiheit
die er vom akademischen Standpunkt aus habe unbeantwortet m
Giceros Erwiderung. 307
;, 1) rührt dieser Grund von Karneades her. Diess
larum ins Gewicht weil Cicero den Kameades nicht
icklich nennt: denn man könnte diess damit erklären
dass eben Aeusserungen des Karneades, wie sie Klei-
108 mitgetheilt hatte, der gesammten Darstellung Ci-
zu Grunde liegen, dieser daher unmöglich in jedem
len Falle den Urheber namhaft machen konnte. Um
Einwand zu entkräften könnte man darauf hinweisen
ücero das Argument des Karneades sich nicht selber
et sondern zwischen ihm und der stoischen Ansicht
mittleren Standpunkt einnimmt. Doch würde diess
mehr als eine Ausflucht sein. Ich will auch das
betonen dass unmittelbar vorher Aristoteles und die
p in einen Gegensatz gebracht werden wie es nach
früher ausgeführten Vermuthung nicht der Weise des
ides entsprach. Viel triftiger ist was sich bei Betrach-
ies Grundes ergibt auf den Zeller seine Behauptung
Aus Plutarch bei Prophyr. de abstin. III 20 schliesst
SS jenes Argument dem Karneades gehört. Dort lesen
m Folgendes: OT<p rf?) ravra öoxet xi rov ütiB-avov
;c5 xgixovroq fjsxix^iv, oxoji:elt(D tl JtQoq IxBtvov iget
iyov ov KaQvedÖTjg eXsysv' „ixaörov xmv q>vOsi ysyo-
, oxav xov jiQog o Jtifpvxe xal yiyovh xtr/xdvi] xiXovq,
txai {xoiPoxsQOV 6h rFjg coq)tXslag ?}v evxQrjöxlav ovxoi
UV äxovcxiov)' ri 6e vq ^vosi yiyove JtQog xo Cfpa-
xal xaxaßQ(Dd7}vai' xal xovxo Jtdoxovöa, xvyyavu xov
i xig>vxs xal (Dg)BZerxai" Was von Karneades in Aus-
gestellt wird, ist nur eine Schlussfolgerung (xov Xoyov)
ie ist in den angeführton Worten vollständig enthalten.
lie Frage „cur deus, omnia nostra causa cum faceret
vim natricam viperarumque fecerit? cur tarn multa pestifera
larique disperserit?^*
20*
308 ^^^ Academica priora.
Das von Cicero benutzte Argument findet sich aber darin
nicht, sondern erst in folgenden an die angeführten sich an-
schliessenden Worten: xal fjyv el JtQog dvd-Qcixcov XW^
6 d^eog fiEfjfixdvrjrai xa ^(pa rl xQV^^f^^^^ (ivUug, iuxloi,
vvxreQlöi, xavd^aQOig, oxoQJtloig, Ixiövaiq; Dass diese Worte
aber, mit denen ein ganz neues Argument ein neuer ilo/og
anhebt, ebenfalls auf Kameades zurückgehen ist nach dem
Gesagten nicht bloss nicht zu beweisen sondern sogar höchst
unwahrscheinlich. Jener Einwand gegen die Zurückfuhroog
des fraglichen Abschnittes auf Philon ist somit abgewiesai
Die Frage kann nur noch sein ob wir etwa das von
Philon Entlehnte noch über den bezeichneten Abschnitt hinaas
ausdehnen dürfen. Für 112 f. muss diese Frage bejaht wer-
den, da hier Cicero den Anschauungen Philons selbst gegen
seine eigene Ueberzeugung sich anbequemt (vgL S. 288 ff.).
Dagegen scheint es nothwendig den ganzen vorausgehenden
ersten Abschnitt der ciceronischen Darstellung aus einer
Schrift des Kleitomachos abzuleiten. Dazu nöthigt uns nidt
dass Cicero in ihm sich zur Ansicht des Kleitomachos bekennt
(78. 108), denn dasselbe thut er auch in dem aus Philon ge-
schöpften Abschnitt (113). Auch dass Schriften des Kleito-
machos citirt werden (98. 102) ist an sich noch nicht be-
weisend, da es an einem solchen Citate auch im zweite
Abschnitt nicht fehlt (137). Es könnten also auch jene
Citate mit aus der Schrift Philons übernommen sein. Nun
wird freilich durch die besondere Art wie das zweite Citri
gegeben wird die Annahme einer unmittelbaren Benutwing
des Kleitomachos fast gefordert (vgl. S. 282). Daraus folgt
aber nur dass ein kleines Bruchstück des betreffenden Ab-
schnittes von Cicero selbst aus jener Schrift genommen ist,
während für das Uebrige die Frage noch unentsdiieden
bleibt. Um dieselbe zu lösen fallt ein Moment schwer ins
Gewicht. Das ist dass Cicero in dem zweiten Abschnitt
Ciceros Erwiderung. 309
iwar mit den Worten sich zu Kleitomachos bekennt, that-
8achlich aber zu Philon sei es nun bloss hinüberschwankt
oder wohl auch geradezu auf dessen Standpunkt tritt, also
eme Inconsequenz begeht deren er sich im ersten nicht schul-
dig macht. Insbesondere hält er im ersten Abschnitt streng
an der stoischen Definition des xaraXrjjcxov fest und leugnet
aus diesem Grunde das Vorhandensein eines solchen schlecht-
luD, während doch Philon bedingungsweise, unter Annahme
der peripatetischen Definition, dasselbe zugegeben hatte (18.
112). Diess scheint allerdings zu der Annahme zu fuhren
dass Cicero für die beiden Abschnitte seiner Darstellung ver-
schiedene Quellen nämlich für den ersten zwei Schriften des
Kleitomachos und zwar als Hauptquelle das grössere Werk
»de sustinendis adsensionibus^' (98), daneben für einen Theil
noch das an Lucilius gerichtete Compendium (102) benutzt
hat Dafür dass beide Abschnitte aus verschiedenen Quellen
geflossen sind spricht auch der zweimalige Nachweis von der
Nichtigkeit der Dialektik (91 ff. und 142 ff.), da doch eine
und dieselbe Schrift an einem einzigen solchen genug zu
liaben scheint. Indessen hält dieser Grund einer näheren
Betrachtung nicht Stich. Dieselbe lehrt vielmehr dass beide
Bestreitungen der Dialektik einen ganz verschiedenen Cha-
rakter tragen und daher wohl in einer und derselben Schrift
nach einander Platz haben konnten. Die erste hat es ledig-
lich mit der stoischen Dialektik zu thun und sucht die Un-
haltbarkeit der in ihr ausgesprochenen Lehren zu erweisen
wobei sie sich nur auf solche Gründe stützt die sich aus
*fer isolirten Betrachtung dieser Lehren selber gewiimen
lassen. Ganz anders ist das Verfahren im zweiten Abschnitt
Nicht sachliche Momente sind es die hier in Betracht kom-
Qieo sondern allein der Umstand dass die verschiedenen Be-
^beiter der Dialektik sowohl innerhalb als ausserhalb des
^toicismus bei der Beantwortung der einzelnen dialektischen
310 ^^^ Academica priora.
Fragen auf dio mannichfachste Weise auseinander
Dieser Punkt wird in der früheren Bestreitung g
berührt. Er genügt aber noch nicht um die Eigentl
keit der zweiten zu charakterisiren. Was dieser e
das ist dass sie nicht dio Dialektik an sich kritisirt
das Verhältniss das Antiochos zu ihr hatte: denn
ihm zum Vorwurf gemacht dass er nicht wie man
als Akademiker erwarten sollte sich an Xcnokra
Aristoteles anschloss sondern in die Fusstapfen der
trat obgleich diese unter sich selbst uneins seien un
der widersprächen. So verfolgt die Bestreitung der
tik im Wesentlichen dieselbe Richtung wie die beiden
gehenden der Ethik und Physik. Was erstere bet
soll nicht so sehr die Unmöglichkeit einer Ethik ül
nachgewiesen werden als vielmehr die Unzulänglich
besonderen Inhaltes den Antiochos ihr gegeben hat!
selbe Bestreben blickt auch in der Bestreitung dei
durch, die fortwährend auf dio besonderen Meinui
Antiochos Rücksicht nimmt und dieselben durch
gegenstehenden anderer Philosophen aufzuheben such
es wird in allen diesen drei Theilen geleistet was y
Ciceros eigener Ankündigung erwaiten durften. Dei
das macht dieser dem Antiochos 1 14 f. zum Vorw
er überhaupt an die Wirklichkeit der Weisheit glai
dem dass er seine eigene philosophische Wissensc
die Verwirklichung derselben halte. ^) Dem entsp
also dass auch die Bestreitung sich nicht gegen das
an sich sondern gegen den besonderen Inhalt ricl
^) 114 qaae tandem ea est disciplina ad quam me d
ab hac abstraxeris? vereor ne subadroganter facias si dixc
115 „non me quidem** inquit (Lucullus - Antiochos) „sed f
dico scire**. optime: nempe lata scire quae sunt in tua dis«
Ciceros Erwiderung. 311
Sun Antiochos gegeben hatte oder den er doch allein als
«Men gelten liess. Ganz anders ist aber das Verfahren
im ergten Abschnitt der dceronischen Darstellung. Zunächst
wird bei der Bestreitung der Dialektik nicht darauf Gewicht
gelegt dass es die stoische oder irgend eine andere beson-
dere Art der Dialektik ist deren sich der Gegner bedient
hat, sondern die Dialektik wird schlechthin yerworfen. Und
so handelt es sich überhaupt in diesem Abschnitt nicht um
eine besondere Art des Wissens wie sie durch den eigen-
thümlichen Inhalt bestimmt wird sondern nur um das Wissen
nadi seiner formalen Seite: dass die Weise des Vorstellens
die man Wissen nennt unmöglich sei soll aus Gründen die
in der Natur der Sache liegen nachgewiesen werden. Frei-
lich wird hierbei die Bestimmung welche die Stoiker vom
Wesen des Wissens gegeben hatten zu Grunde gelegt: aber
doch nur weil die Stoiker allein dieses Wesen in ihrer De-
finition scharf und klar zum Ausdruck gebracht hatten, nicht
als wenn es nur darauf ankäme die eigenthümliche Ansicht
der Stoiker über das Wissen zu widerlegen.^) Man sieht
hiernach dass die beiden grossen Abschnitte der ciceroni-
schen Darstellung sehr yerschiedenen Inhalts sind, erkennt
aber gleichzeitig dass sie darum einander noch nicht aus-
sdiliessen und recht wohl ursprünglich schon Theile einer
und derselben Schrift gewesen sein können. Man denke sich
eine Schrift Philons in der dieser die Absicht hatte seinen
eigenen Standpunkt gegenüber den Angriffen des Antiochos
^ rechtfertigen. Hierbei konnte er davon ausgeben dass ^
') Daher sagt Cicero 77 „recte consensit Arcesilas*^ mit Bezug
^ den Ton Zenon zur ursprünglichen Definition gemachten Zusatz,
wonach Wissen nur diejenige von einem Wirklichen ausgehende Vor-
^Unng ist die in derselben Weise nicht auch von einem Unwirk-
"ch^n kommen kann.
312 ^16 Academica priora.
sein Standpunkt der skeptische sei und bleibe: denn ein
Wissen im vollen Sinne des Wortes, in dem Sinne den die
Stoiker richtig definirt haben und den auch Antiochos mit
dem Worte verbinde, ein solches gebe es nicht und könne
schlechterdings niemals von uns erreicht werden. Indem
Philon diess betonte, hob er zugleich den Theil seiner Lehre
hervor der ihm nach wie vor mit seinem Lehrer Kleito-
machos gemeinsam blieb und konnte daher bei der Verthei-
digung desselben sich der gleichen Argumente wie dieser
bedienen. So erklärt sich nicht nur dass Cicero im ersten
Abschnitt den Standpunkt des Kleitomachos fester einhält
als im zweiten ohne dass wir deshalb diesen ausschliesslich
als die unmittelbare Quelle anzusehen brauchen sondern wir
sind nun auch zu der Annahme berechtigt dass nicht erst
Cicero sondern schon vor ihm Philon Kleitomachos' grösseres
Werk über die Zurückhaltung des Urtheils (98) für seine
Darstellung benutzt hat. Ausser dem Skepticismus hatte
aber Philon den Angriffen des Antiochos gegenüber auch
noch das Recht zu vertheidigen mit dem er sich auf seinem
Standpunkt noch einen Akademiker nannte. Diess that er
in der Weise dass er auf eine andere Definition des xccia-
jiijjcTOv, auf eine andere Auffassung dos Wissens und Erken-
nens hinwies. Er mochte mit den Stoikern übereinstimmen
was die strenge Definition dieser Begriffe betrifft, dass es
die einzig geltende sei konnte er ihnen nicht zugeben und
wies zu diesem Behuf auf die alten Peripatetiker und Akar
demiker hin die einer laxeren Auffassung des Wissens ge-
huldigt hätten. Nehme man aber einmal das Wissen in
diesem weiteren Sinne, dann, meinte er, könne auch er sich
ein solches beilegen so dass es nicht nöthig sei die Brücke
zwischen der alten und der skeptischen Akademie abzu-
brechen und auch die Vertreter der letzteren mit Fug und
Recht sich Akademiker nennen könnten. Unverkennbare
Ciceros Erwiderung. 313
poren dieser Rechtfertigung hinsichtlich des Namens sind
D8 bei Cicero 112 f. erhalten. Da dieselben nach der Ver-
leidigung des skeptischen Standpunkts ihren Platz gcfun-
&i haben, also an dem Orte der nach dem Bemerkten für
le der angemessene ist, so kann hierdurch die Vermuthung
888 Cicero sich bei seiner Darstellung an die Ordnung der
hflonischen Schrift band nur bestätigt werden. Auch das
ei ihm Folgende steht mit ihr im Einklang. Antiochos
atte sich nicht begnügt gegen Philon zu polemisiren son-
em war auch mit positiven neuen Vorschlägen für ein.e
leform der Akademie hervorgetreten. Wollte daher Philon
einen Zweck den eigenen Standpunkt gegen die AugriflFe des
mtiochos zu vertheidigen vollkommen erreichen, so musste
r auch dessen positive Neuerungen einer genauen Prüfung
nterwerfen. Diess geschieht in dem nach den drei Dis-
iplinen der Philosophie gegliederten Abschnitt, der wie
dr bereits gesehen haben sich nicht gegen das Wissen als
ölches sondern gegen den besonderen Inhalt richtet den
lim Antiochos gegeben hatte. Auch die Argumentations-
reise deren sich Cicero hier bedient ist durch den Zweck
edingt: denn was die Eigenthümlichkeit derselben ausmacht
»88 sie auf die Geschichte der philosophischen Meinungen,
ttf die Verschiedenheit unter denselben hinweist statt in
er Sache selber ihre Gründe aufzusuchen, war durch den
organg des Antiochos gegeben der gerade auf die Uebcr-
iostimmung der Hauptvertretcr des Dogmatismus unter ein-
öder den grössten Worth gelegt hatte und der gerade durch
ie8e Art der Begründung sich von anderen Dogmatikern
literschied während er die rein sachlichen Argumente im
Wesentlichen den Stoikern entlehnte. Aber mit dem Nach-
eis dass auch die neue Philosophie des Antiochos den Na-
en eines Wissens nicht verdient obgleich sie darauf An-
bruch mache, so wenig als die peripatetisch- akademische
314 I^ie Academica priora.
die diesen Anspruch nicht erhebt, konnte sich Philon nicht
begnügen sondern musste Antiochos den Vorwurf zurüdt-
geben den dieser gegen ihn erhoben hatte dass der Skep-
ticismus ein Abfall von der echt -akademischen Theorie sei.
Zu verschiedenen Malen wird daher in der Bestreitung der
Lehre des Antiochos darauf hingewiesen dass vielmehr diese
mit der echt akademischen Theorie nichts gemein habe (132 £
136 f. 143). 1)
Dass nach dem eben gezeichneten Plane der Inhalt
einer philonischen Schrift geordnet sein konnte die den phi-
losophischen Standpunkt ihres Verfassers vertheidigen und
die Neuerungen des Antiochos als unberechtigte abweisen
sollte wird Niemand leugnen wollen. Dass sie aber auch
wirklich nach diesem Plane geordnet war oder was auf das-
selbe hinausläuft dass Ciceros gesammte Darstellung wie sie
sich in einen ersten und zweiten Abschnitt sondert dem
Gange der philonischen Schrift folgt, dafür sprechen noch
bestimmte Spuren. Eine solche treffen wir 69 f. Hier fin-
den wir noch in den Anfängen der ganzen Darstellung, ja
als eigentlichen Anfang derselben, einen höchst persönlichen
Ausfall gegen Antiochos, worin demselben zweierlei zum
Vorwurf gemacht wird: einmal der unbegründete Abfall von
Philon *) und sodann die Aufstellung einer neuen Lehre unter
*) Wie sehr Philon gerade dieser Vorwurf am Herzen lag, sehen
wir auch daraus dass mit ihm der Antiochos insbesondere betreffende
Theil von Cicero 113 eröffnet wird: a quo (von Antiochos) primiun
quaero quo tandem modo sit ejus Academiae cujus esse se profiteator?
ut omittam alia, haec duo de quibus agitur quis umquam dixit txii
veteris Academiae aut Peripateticorum vel id solum percipi po^^
quod esset verum tale quäle falsum esse non posset vel sapieoteo
nihil opinari?
*) Sed prius pauca cum Antiocho qui haec ipsa quae a me de
fendnntur et didicit apud Philonem tarn diu ut constaret dintios di-
dicisse neminem et scripsit de his rebus acutissime; et idem htec
GiceroB Erwiderung. 315
ßm Namen der akademischen.^) Damit ist aber gowisser-
naassen das Programm der folgenden Darstellung gegeben.
)enn wenn dieselbe in ihrem ersten Theil es unternimmt
^hilons eigenthümlichen Standpunkt als den richtigen zu er-
weisen, so sucht sie eben dadurch Antiochos' Abfall von
lemselben als unbegründet hinzustellen; imd wenn sodann
m zweiten Theil gezeigt wird dass Antiochos' eigenthüm-
Iche Lehre unhaltbar sei und den Namen einer akademi-
schen nicht verdiene, so wird damit dem anderen Punkte
les Programms genügt. Dieser Ausfall gegen Antiochos geht
zu sehr ins Einzelne als dass es wahrscheinlich wäre er
rahrte von Cicero selber her: er wird daher wohl aus der
philonischen Schrift entnommen sein. Dann aber ist auch
wahrscheinlich, dass diese Schrift bereits in dieselben beiden
Theile zerfiel wie die ciceronische Darstellung, und hier-
nach weiter, dass sie die Quelle nicht bloss eines Theils der-
selben sondern des Ganzen war. — Dass auch im ersten
Abschnitte seiner Darstellung, der scheinen könnte von Klei-
tomachos genommen zu sein und lediglich dessen Auffassung
der Skepsis zu vertreten, Cicero sich bewusst ist im Namen
Philons zu sprechen lehren seine Worte 111: ne illam qui-
dem praotermisisti, Luculle, rcprehensionem Antiochi — nee
non acrias accusavit in senectute quam antea defensitaverat. quam-
vis igitor fuerit acutus, ut fuit, tarnen inconstantia levatur auctoritas;
^nis enim iste dies inluxerit, quaero, qui Uli ostenderit
eam quam multos annos esse negitavisset veri et falsi
Qotam.
') Nach den in der vorigen Anmerkung angeführten Worten
Ihrt Cicero fort: excogitavit aliquid? eadem dielt quae Stoici. pae-
lituit iUa sensisse? cur non se transtulit ad alios et maxime ad
Itoicos? eorum enim erat propria ista dissensio. num-
oam a Philone discessit nisi posteaquam ipse coepit qui sc audirent
abere. nnde autem subito vetus Academia revocata est? nominis
ignitatem videtur cum a re ipsa descisceret retinere voluisse etc.
316 I^ie Academica priora.
mirum; inprimis enim est nobilis — , qua solebat dicere Phi-
lonem maxime perturbatum: cum enim sumeretur unum, esse
quaedam falsa visa, altenim, nihil ea diflferre a veris, non
attendere superius illud ea re a se esse concessum quod yide-
retur esse quaedam in visis differentia; eam tolli altero, quo
neget visa a falsis vera differre: nihil tarn repugnare. id ita
esset si nos verum omnino tollerem us: non facimus; nam tarn
Vera quam falsa cernimus: sed probandi species est, perci-
piendi signum nullum habemus. Worauf sich hier Angriff
sowohl als Vertheidigung beziehen ist dasjenige Stück der
akademischen Skepsis mit dem Kleitomachos nicht minder als
Philon einverstanden war: denn darüber waren Beide einig
dass das Wahre nicht vom Falschen unterschieden und des-
halb auch von uns nicht in vollem Maasse erkannt werden
könne. Trotzdem wird diese Theorie hier als eine philonische
behandelt. Diess ist darum so auffallend, weil Cicero sonst in
diesem Abschnitt sich zu Kleitomachos bekennt und Gelegen-
heit nimmt seine Uebereinstimmung mit ihm sogar im Gegen-
satz zu Philon zu erklären (78), und wird es noch mehr da
auch LucuUus in seinem Vortrage Philon zunächst nicht be-
rücksichtigen wollte (12). Begreiflich wird es nur unter der
Annahme dass eben der ganzen Darstellung Ciceros die
Schrift Philons zu Grunde lag: denn in diesem Falle konnte
es leicht geschehen dass Cicero Philon als den Vertreter
jener Theorie behandelte, weil er ihn als solchen zunächst
vor Augen hatte. — Ferner lässt es sich unter der Voraus-
setzung dass der erste Abschnitt von Kleitomachos genom-
men ist zwar erklären dass 78 in einer Streitfrage dem
Kleitomachos Philon und Metrodor gegenübergestellt wer-
den:^) man würde dann eben annehmen dass den Metrodor
^) Licebat enim nihil percipere et tamon opinari, qaod a Ctf*
neade dicitur probatum; equidem, Glitomacho plus qaam Philoni ^
Metrodoro credens, hoc magis ab eo disputatum quam probatum put^-
Ciceros Erwiderung. 317
^on Kleitomachos genannt hatte und Cicero von sich aus
Dch den Philon hinzufügte. Leichter aber erklärt sich un-
reitig dieser Umstand wenn wir für die Quelle Philons
3hrift ansehen. Denn ob Kleitomachos überhaupt in seinen
:Juiften auf jene Controverse mit Metrodor eingegangen
ar wissen ynr nicht, ja es wird diess dadurch unwahr-
beinlich weil Cicero an den beiden Stellen, die notorisch
ittelbar oder unmittelbar von Kleitomachos genommen sind
18 ff. und 102 ff.), jener mit keiner Silbe gedenkt; von Phi-
n dagegen müssen wir annehmen dass, wenn er in jener
rage anderer Ansicht war als Kleitomachos, er sich darüber
ich in seinen Schriften gerechtfertigt haben wird und hier
0 die Glaubwürdigkeit des Berichterstatters Alles entschied
kirnte er dann nicht anders verfahren sein als indem er
BT Autorität des Kleitomachos diejenige Metrodors gegen-
berstellte. Cicero freilich stellt sich bei der Beantwortung
er Frage auf die Seite des Kleitomachos. Aber diess be-
eist noch nicht gegen eine Benutzung Philons: denn ebenso
erfahrt er überhaupt in seiner Darstellung d. h. er wahrt
ich auch da wo die Benutzung Philons viel offener vorliegt
we 112 f.) die Unabhängigkeit seines Urtheils indem er
nf die Seite des strengeren durch Kleitomachos repräsen-
irten Skepticismus tritt. — Endlich kommt noch in Betracht
ass in dem ersten Abschnitt Panaitios, und die Art wie er
rwahnt wird. Von den beiden Behauptungen auf die sich
ach Cicero die Dogmatikcr im Kampfe gegen die Skeptiker
onüglich stützen ist die eine dass niemand zu gar nichts
fiine Zustimmung geben könne. Cicero widerlegt sie ver-
üttelst eines dem Sorites ähnlichen Verfahrens: er weist
arauf hin dass einer der namhaftesten Stoiker, Panaitios,
er Wahrsagerei nicht den unbedingten Glauben geschenkt
*be wie die übrigen Mitglieder der Schule, vielmehr in Be-
Qg auf sie sich der Zustimmung enthalten habe, dass also
318 I^iG Academica priora.
kein Grund sei weshalb nicht der vollkommene Skeptiker in
allen übrigen Fällen dasselbe thun solle was man dem Fa-
naitios in jenem einen gestatte. *) Dass nun Cit«ro die bei-
den Behauptungen, deren Wichtigkeit er selber so nachdrück-
lich hervorhebt, nicht schon in seiner griechischen Quelle
berücksichtigt gefunden habe, ist nicht anzunehmen. Non
bringt er aber zur Widerlegung der hier in Frage kommeii-
den nur ein einziges Argument bei. Rührte dieses Argu-
ment aber von ihm selber her, so würde er die ihm vor-
liegende Widerlegung des griechischen Skeptikers sich gar
nicht zu Nutze gemacht haben, was wiederum nicht anzu-
nehmen ist. Schon der griechische Skeptiker muss also auf
die zwischen Panaitios und der grossen Masse der Stoiker
bestehende Meinungsverschiedenheit hingewiesen und daraus
die ihm dienlichen Consequenzen gezogen haben. Diess setet
aber voraus dass Panaitios schon als einer der bedeutendsten
Vertreter der Stoa anerkannt war, und schwerlich hat er
diese Anerkennung schon zur Zeit des Kleitomachos gefun-
den. Sonach dürfen wir in seiner Erwähnung abermals eine
Spur erkennen dass bereits für den ersten Abschnitt von
Cicero die Schrift Philons benutzt worden ist.
Lassen wir daher eine Schrift Philons als die Quelle
der ciceronischen Darstellung gelten, so ist zunächst wah^
scheinlich dass aus derselben auch die Citate von Schriften
') 107: sed illa sunt lumina duo quae maxime causam isUn
continent: primum enim negatis fieri posse ut quisquam nulU rei ad-
sentiatur. at id quidem perspicuum est: cum Panaetius, princeps
prope meo quidem judicio Stoicorum, ea de re dabitare se dicat,
quam omnes praeter eum Stoici certissimam putant, vera esse han-
spicum respoDsa, auspicia, oracula, somnia, vaticinationes, seqne ab
adsensu sustineat, quod is potest facere vel de eis rebus qaas illi a
quibiis ipse didicit certas habuerunt, cur id sapiens de reliqois rebus
facere non possit? an est aliquid quod positum vel inprobare vel
adprobare possit, dubitaro non possit?
Ciceros Erwiderang. 319
68 Kleitomachos genommen sind die sich sowohl im ersten
Is im zweiten Abschnitt finden. Eine Ausnahme muss je-
och für die an Lucilius gerichtete gemacht werden: denn
ie Art wie diese 102 erwähnt wird setzt worauf schon
roher hingewiesen wurde schlechterdings voraus dass Cicero
ie selber eingesehen hat. Auf der anderen Seite kann man
her auch daraus, dass Cicero wenn er einmal eine Schrift
es Kleitomachos aus eigener Leetüre kennt diess nöthig
udet an die grosse Glocke zu hängen, den Schluss ziehen
m wo er diess nicht thut er das betreffende Citat seinem
littelsmann verdankt. Auch dass das Excerpt aus der
chrift an Lucilius unmittelbar auf das andere aus der
chrift „de sustinendis adsensionibus" (98) folgt, obgleich
och beide Excerpte wesentlich denselben Inhalt haben, das
ine daher überflüssig ist, erklärt sich jetzt: denn das erste
icerpt wurde ihm durch Philon aufgedrungen und das
^eite mochte er nicht aufgeben weil es ihm Gelegenheit
Hb seine Leetüre zu verwerthen und eine gewisse Selbst-
ändigkeit in der Quellenbenutzung zu zeigen. Aus der-
)lben Schrift des Kleitomachos an Lucilius ist sodann aller
Wahrscheinlichkeit nach auch genommen was er nach Kloi-
•rnachos über das Auftreten des Kameades und Diogenes
»r dem römischen Senat erzählt (137). Denn auch hier
(ginnt er mit „legi apud Clitomachum" also der Vei'siche-
Dg es selbst gelesen zu haben, und ausserdem ist das Er-
hlte der Art dass es gerade einen Römer an den Kleito-
ächos sich in jener Schrift wandte interessiren musste. —
Sehen wir von dem eben bezeichneten Stück ab, so ist
ch dem Gesagten die Annahme wohl begründet dass der
sammten Darstellung Ciceros eine Schrift Philons zu Grunde
5. Welches war diese Schrift? Da der V^ortrag des Lu-
llus dem Sosos des Antiochos entnommen war, so liegt es
he dass man die Erwiderung Ciceros aus der Schrift ab-
320 I)ie Academica priora.
leitet in welcher Philon dem Antiochos geantwortet hatte.
Aber gab es denn überhaupt eine solche Schrift? Zeller
freilich (III 1 S. 597, 7) vormuthet dioss. Was er aber zum
Beweise seiner Ansicht beibringt, genügt nicht. Denn die
Stellen Ciceros und Augustins auf die er sich beruft spre-
chen zwar davon dass Philon die skeptische Akademie gegen
die Angriffe des Antiochos vertheidigt habe, sagen aber kein
Wort dass diess in einer Schrift geschehen sei:^) es bliebe
daher die Möglichkeit dass mündliche Vorträge Philons zu
verstehen seien; oder wenn wir auch an schriftliche Aeusse-
rungen denken wollten, könnte denn Philon nicht schon Tor
dem Erscheinen des Sosos gegen seinen ehemaligen Schuld
polemisirt haben? Wenigstens erfahren wir aus dem was uns
Cicero Acad. pr. 1 1 f. über Antiochos' Disputationen mit Phi-
lons Schüler, dem Tyrier Herakleitos, erzählt, dass Antiochos
schon damals von seinem Lehrer abgefallen war und den ihm
eigenthümlichen Standpunkt innerhalb der Akademie einge-
nommen hatte. Zellers Meinung uns anzuschliessen müssen
wir um so mehr Bedenken tragen als Cicero Acad. post 13»
wo er der Controverse zwischen Philon und Antiochos ge-
denkt, nur solcher Schriften Philons Erwähnung thut gegen
die Antiochos geschrieben hatte, von Repliken Philons aber
die hierauf erfolgt wären gänzlich schweigt*) Dass der Sosos
') Hierher gehören folgende von Zeller S. 592, 3 angeführten Stel-
len. Cicero Acad. post. 13: Antiochi magister Philo neg«t
in libris, quod coram etiam ex ipso audiebamus, duas Acadeinitf
esse erroremque eorum qui ita putarunt coarguit. Acad. pr. 17: Pki'
lone autem vivo patrocinium Academiae non dofuit. Augnstin. c. Acsd-
III 18, 41 : huic (dem Antiochos) arreptis iterum Ulis armis et PhiioD
restitit donec moreretur et omnes ejus reliquias Tullius noster op-
pressit. An der ersten Stelle ist zwar von Schriften Philons die B^^
dass er aber darin seine Lehre gegen die Angriffe des Antiochos Te^
theidigt habe wird nicht gesagt.
*) Cicero sagt: „Antiochi magister Philo negat io librii
CiceroB Erwiderung. 321
geschichtlich keine Gegenschrift des Philon hervorrief' hatte
chon Krische (S. 194) ausgesprochen.^) Doch lassen wir
liese Frage bei Seite so sprechen noch andere Griinde da-
iir dass Cicero wenigstens eine solche Schrift Philons mit
er dieser auf den Sosos geantwortet hatte bei seiner Dar-
tellong nicht benutzt hat.
Der Anfang der ciceronischen Darstellung scheint aller-
ings eine Kritik zu versprechen die dem Vortrage des Lu-
uUus Schritt auf Schritt folgt LucuUus hatte den Skep-
ikera vorgeworfen dass sie mit der Autorität der alten
Philosophen Missbrauch trieben, dass dieselben nicht ihre
^or^nger sondern Dogmatiker gewesen seien (13 — 17).
)ie8en Vorwurf zu widerlegen schickt sich daher Cicero an
72 ff.). Aber wie thut er diess? Man sollte erwarten dass
ar die von Luculi vorgebrachten Argumente entkräften würde,
keineswegs: vielmehr begnügt er sich in positiver Weise zu
leigen dass die alten Philosophen Skeptiker gewesen seien.
^Qcoll hatte einen partiellen Skepticismus der Naturphilo-
K>plien eingeräumt, nichtsdestoweniger sei der Dogmatismus
la« Ueber wiegende (14).^) Hierauf antwortet Cicero mit
lern Nachweis dass jene Philosophen Skeptiker gewesen seien
iQod coram etiam ex ipso audiebamus duas Academias esse errorem-
iQe eomm qai ita putarunt coarguit". ,,Est" inquit (Varro) „ut dicis ;
^ ignorare te non arbitror quae contra Philonia Antiochus scripsit".
^) K. Fr. Hermann de Philone Larissaeo diss. I glaubt diese
^nerkang durch den Hmweis auf Augustins S. 320, 1 angeführte
^orte widerlegen zu können.
*) Nee Arcesilae calumnia con ferenda est cum Democriti vcre-
^dia. et tarnen isti physici raro admodum, cum haerent aliquo
^, exclamant quasi mente incitati, Empedocies quidem ut interdum
^M furere videatur, abstrusa esse omnia, nihil nos sentire nihil cer-
'Ore nihil omnino quäle sit posse reperire: majorem autem partem
)ihi quidem omnes isti videntur nimis etiam quaedam adfirmare
»losque profiteri se scire quam sciant.
Hirzel, Unienucliaiigen. UI. 21
322 l^ie Academica priora.
d. h. er beweist was schliesslich auch Lucullus nicht geleug-
net hatte. Worauf dagegen dieser sich berufen hatte, die
zahlreichen dogmatischen Aeusserungen, berücksichtigt er
gar nicht und doch musste er gerade hierüber sich aus-
sprechen wenn seine Widerlegung eine wirkliche Widerlegung,
nicht bloss die Wiederholung der angegriflfenen Behauptungen
sein sollte. Lucullus hatte femer aus der Reihe der Skep-
tiker Sokrates und Piaton entfernt. Die Gründe auf die er
sich hierbei stützt sind bemerkenswcrth. Aus Piatons Schrif-
ten den Dogmatismus zu beweisen scheint er für unmöglich
zu halten und beruft sich deshalb auf die in der alten Aka-
demie enthaltene Tradition der Lehre;') ebenso wenig ver-
mag er natürlich die Thatsache zu leugnen dass Sokrates
von sich das Bekenntniss des Nichtwissens abgelegt habe,
was er leugnet ist nur dass man die Aeusserungen des So-
krates ohne Weiteres ernst nehmen dürfe und ohne die sie
begleitende Ironie in Abzug zu bringen.*) Und was ant-
wortet Cicero hierauf? Sokrates und Piaton müssten zu den
Skeptikern gezählt werden; jener weil er das Bekenntnl«
des Nichtwissens abgelegt habe, dieser weil es sich aus sei-
nen Schriften ergebe.^) In der That, betrachten wir das
^) Es ist diess, beiläufig gesagt, für Antiochos ebenso charakte-
ristisch als es für Philon der Umstand ist dass sein Vertreter, Cicero»
lediglich die Autorität der platonischen Schriften gelten lässt. Vgl-
hierzu was über die späteren Platoniker und ihren Anschluss ib
Philon bemerkt wurde S. 249 f.
*) 15: quorum (der Skeptiker) e numero tollendos est et Plato
et Socrates: alter, quia reliquit perfectissimam disciplinam, Peript*
teticos et Academicos, nominibus differentis re congruentis, a quibm
Stoici ipsi verbis magis quam sententiis dissensenint ; Socrates aatem
de se ipse detrahens in disputatione plus tribuebat eis quos volebat
refellerc; ita cum aliud diceret atque sentiret, libeuter uti soUtoi
est ea dissimulatione quam Graeci elgwvslav vocant.
•) 74: et ab eis (den Skeptikern) ajebas removendum Socrtte«
Ciceros Erwiderung. 323
Verhältinss der Aeusserungen Luculis und Ciceros zu ein-
ander wie es wirklich ist ohne Rücksicht, auf die Art wie
Cicero es uns darzustellen liebt, so scheint vielmehr Luculi
den Cicero zu widerlegen und nicht umgekehrt. — Zu dem-
selben Schluss fuhrt auch die Vergleichung zweier anderer
denselben Abschnitten der beiden Vorträge entnommenen
Stellen. Luculi hatte die Meinung ausgesprochen, Arkesilaos
sei dem Zenon nur aus Rivalität entgegengetreten (16).
Hiergegen vertheidigt ihn Cicero indem er das Motiv seines
Auftretens in den reinen Trieb nach Wahrheit setzt (77).
Wie beweist er diess nun? Zunächst hebt er die Ueberein-
stimmung hervor, die zwischen Zenon und Arkesilaos dar-
über bestand dass das Meinen etwas des Weisen Unwür-
diges sei; erst hiemach habe die Diflferenz zwischen Beiden
begonnen infolge davon dass Zenon an die Stelle des Mei-
nens, das er dem Weisen absprach, das Wissen setzte und
dann durch immer neue Fragen des Arkesilaos schrittweise
genöthigt wurde dieses Wissen näher zu bestimmen.^) Ist
diess nun aber auch wirklich was es sein soll, ein Beweis
^fiir dass Arkesilaos bei seinem Auftreten gegen Zenon
et Platonem. cur? an de ullis certius possum dicere? yixisse cum
eis equidem videor: ita multi sermones perscripti sunt e quibus du-
bitaii non possit quin Socrati nihil sit visum sciri posse; cxcepit
onnm tantum „scire se nihil se scire^S nihil amplius. quid dicam
de Piatone? qui certe tarn multis libris haec persecutus non esset
^iBi probavisset. ironiam enim alter! us, perpetuam praesertim, nulla
^t ratio persequi.
') Arcesilan vero non obtrectandi causa cum Zenone pugnavisse
^ Temm invenire voluisse sie intellegitur: nemo umquam superio-
'^ non modo expresserat sed ne dixerat quidem posse hominem
^Üiil opinari nee solum posse sed ita necesse esse sapienti: visa
^ Arcesilae cum vera sententia tum honesta et digna sapiente;
9Qte8i?it de Zenone fortasse, quid futurum esset si nee percipere
^uicquam posset sapiens nee opinari sapientis esset, ille, credo,
21*
324 1^16 Academica priora.
lediglich durch Wahrheitsliebe, nicht durch Rivalitätsgelüste
bestimmt wurde? Dass er in einem Stücke seine Ueber-
einstimmung mit den Stoikern bekannte, kann als solcher
jedenfalls nicht gelten: denn dieses Stück ist ein miwesent-
liches, da es den Stoikern nicht so sehr darauf ankam
dass der Weise keine Meinung sondern dass er ein Wissen
haben werde. Ausserdem gibt diese Uebereinstinmiuug nur
den Ausgangspunkt für das folgende maieutische Verfahren
durch das Arkesilaos dem Zenon die nähere Bestimmung
des Wissens abgewinnt. Nun scheint ja allerdings wer die-
ses Verfahren übt Belehrung bei dem Andern zu suchen
und insofern nach Wahrheit zu streben. Aber konnte denn
durch diesen Schein in jener Zeit, so lauge nach Sokrates,
sich noch Jemand täuschen lassen, zumal hier wo Arkesi-
laos damit seinen Gegner ad absurdum führt? Es würde
diess eine höchst oberflächliche Kenntniss der Geschichte
der Philosophie voraussetzen, auf die wenigstens Ciceros
griechischer Gewährsmann bei seinen Lesern nicht rechnen
konnte. Aber dass Arkesilaos zu seiner Polemik lediglich
durch Rivalität geführt worden sei, ist ja in Luculis Wortöi
nur ein Nebenpunkt, den erst Cicero in seiner Erwiderung
zu einer Wichtigkeit aufgeblasen hat die er ursprünglich gar
nicht besass. Nur als eine bestehende Meinung und nur in
Parenthese bemerkt es Luculi. *) Beseitigen wir es, so bleibt
nihil opinaturum quoniam esset quod percipi posset. quid er^ i»
esset? Visum, credo. quäle igitur visum? tum illum ita definiss^
ex 60 quod esset sicut esset inpressum et signatum et effictom. po^
requisitum etc.
*) Seine Worte sind: sed fuerint illa veteribus si voltis io*
cognita: nihilne est igitur actum, quod investigata sunt posttt*
quam Arcesilas, Zenoni ut putatur obtrectans nihil novi rep6-
rienti sed emendanti superiores inmutatione verborum, dum hiU^
definitiones labefactare volt conatus est clarissimis rebus teoebrtf
obducere?
Ciceros Erwiderang. 325
Is Hauptgedanke seiner Worte übrig, dass gewisse Lehren
icht schon darum verwerflich sind weil sie den Alten noch
nbekannt waren und erst bei den Stoikern infolge der Po-
jmik des Arkesilaos hervorgetreten sind. Wird diese Be-
ierkung Luculis nun durch Ciceros Worte widerlegt? Kei-
eswegs: sie wird nicht einmal berücksichtigt. Denn was
lese Bemerkuug schon voraussetzt, dass nämlich die zeno-
lische Theorie eine Frucht der von Arkesilaos geführten Po-
emik ist, das fuhren jene uns nur noch deutlicher vor Augen,
bch hier also haben wir wieder dasselbe Verhältniss: wenn
rir den wirklichen Werth der Argumente, nicht den den
hnen Cicero geben möchte, ins Auge fassen, so widerlegen
acht Ciceros Worte den Luculi sondern umgekehrt Luculis
fforte den Cicero. Ja in diesem Falle, könnte man sagen,
;e8teht es Luculi sogar ausdrücklich ein. Denn wenn er
»ine Bemerkung mit den Worten einleitet „sed fuerint illa
reteribus, si voltis, incognita" so zeigt er durch „si voltis"
la88 er eben die Voraussetzung gelten lässt der Cicero so
jroesen Werth beilegt und die er eingehend zu begründen
»cht Und noch mehr. Luculis angeführte Worte sind in
iem Zusammenhang in dem sie jetzt stehen vollkommen un-
verständlich. Was das „illa" bedeutet lernen wir erst aus
folgenden Worten in Ciceros Widerlegung: nemo umquam
»periorum non modo expresserat sed ne dixerat quidem
!H)68e hominem nihil opinari nee solum posse sed ita necesse
Äse sapienti. Für gewöhnlich aber ist es doch die Wider-
egung die erst nach Kenntnissnahme der bestrittenen Be-
Umptung verständlich wird und nicht wie hier umgekehrt. —
h» bisher Erwähnte war dem Abschnitt entnomnvBn der
nf Grund der Geschichte der Philosophie die Ansprüche
es Skepticismus und Dogmatismus prüft. Hiemach wird
ie Frage erörtert ob und in wie weit die Sinne zuverlässig
ad. Ausdrücklich knüpft Cicero (79) an die Worte Luculis
326 I^ie Academica priora.
(19) an. Hatte dieser das Zeugniss der Sinne nur unter
der Bedingung gelten lassen dass sie gesund sind/) so be-
streitet Cicero dass sie selbst in dieser Beschränkung zuver-
lässig seien. *) So scheint er sich streng an die Worte Lu-
Gulls zu halten. Doch thut er diess nur in dem angegebe-
nen Punkte. Denn in einem anderen vernachlässigt er sie
desto mehr, wenn er die Unzuverlässigkeit der Sinne aus
unserem Unvermögen auf grosse Entfernungen etwas zu er-
kennen beweist. Oder ist diesem Einwurf nicht schon durch
Luculis Erklärung die Spitze abgebrochen, dass die Sinne
nur in sofern die Wahrheit enthielten als sie nicht bloss
gesund sondern auch in ihrer Thätigkeit nicht behindertj
insbesondere durch räumliche Verhältnisse nicht behindert
seien? ^) Cicero fügt freilich noch ein anderes Argument
hinzu und w^eist auf diejenigen hin denen während sie selber
in einem Schiffe fahren die Dinge am Ufer sich zu bewegen
scheinen (81). Aber dass Luculi auch hierdurch nicht ge-
^) 19: ordiamur igitur a sensibus quorum ita clara jadicia et cerU
sunt at si optio naturae nostrae detur et ab ea deus aliqui requirtt»
coDtentane sit suis integris incorrnptisque sensibus an postulet me-
lius aliquid y non videam quid quaerat ampllus meo au-
tem judicio ita est maxima in sensibus veritas, si et sani sunt ic
valentes etc.
*) 80: si, inquis, deus te interroget, sanis modo et integris sen-
sibus num amplius quid desideres, quid respondeas? ntinam qaideiD
roget! audiet quam nobiscum male egerit. ut enim vera videamos,
quam longa videmus? etc.
') 19: non enim is sum qul quicquld videtur tale dicam esse
quäle videatur: Epicurus hoc viderit et alia multa. meo autem judi-
cio ita est maxima in sensibus veritas si et sani sunt ac valentes et
omnia removentur quae obstant et inpediunt. itaque et lumen niQ*
tari saepe volumus et situs earum rerum quas intuemur et iotervaUa
aut contrahimus aut diducimus multaque facimus usque eo dorn aspe-
ctus ipse fidem faciat sui judicii.
Ciceros Erwiderung. 327
)ffen wird, muss er selber eingestehen (82).^) Lucullus
ite femer die Meinung geäussert dass der Mensch mit
n Sinnen die ihm die Natur verliehen zufrieden sein könne
9, 8. S. 326, 1). Cicero bestreitet diess: denn nicht bloss
be es einzelne Menschen deren Sinnesschärfe das gewöhn-
be und natürliche Maass überschreite, sondern ganze Thier-
;en seien hierin den Menschen überlegen. Scheinbar wird
irdurch allerdings Luculis Behauptung widerlegt Aber
2h nur scheinbar: denn das Wesentliche an derselben ist
sh offenbar dass die von der Natur den Menschen ver-
bene Sinnesschärfe richtig benutzt für unser Bedürfniss
Ikommen ausreichend sei, und hiergegen bringt Cicero
hu vor; woran er sich hält ist allein der Satz dass die
tar bereits den Menschen mit einer Siiinesschärfe ausge-
ttet habe wie er sie nur wünschen könne und auch diesen
te muss er, um ihn durch den Hinweis auf eine grössere
rfectibilität der Sinne widerlegen zu können, erst dahin
degen als ob dadurch nicht vernünftige sondern ins Gren-
ilose ausschweifende Wünsche gemeint wären. Auch hier
0 bemerken wir wie schon vorhin (S. 324) dass Cicero
er um eine triftige Antwort auf Luculis Behauptungen
•legen ist die Polemik auf Nebenpunkte hinüberspielt —
diesem letzteren Falle vielleicht nur auf eine Kedefloskel
) er selbst erst hinzugethan hatte und der möglicher Weise
griechischen Originale gar nichts entsprach. Noch einen
Itten Weg sich aus der Verlegenheit zu ziehen hat Cicero
igeschlagen, indem er nicht Luculi sondern Epikur wider-
;t gegen den sich thatsächlich seine Polemik 79 — 83
') Sed quid ego de nave? vidi enim a te remum contemni.
)tt bezieht sich auf folgende den in der vorigen Anmerkung citir-
vorausgehende Worte Luculls (19): nee vero hoc loco exspectan-
Q est dum de remo inflexo aut de collo columbae respondeam.
328 I^ie Academica priora.
richtet. Damit musste er aber auf sehr vergessliche oder
blöde Leser rechnen: denn aufs ausdrücklichste hatte Luculi
a. a. 0. einer Verwechselung seiner Theorie mit derjenigen
Epikurs vorgebeugt. Auch hier stellt sich somit als das
wirkliche Verhältniss der beiden Vorträge heraus dass Cicero
durch Luculi und nicht umgekehrt widerlegt wird. — Folgen
wir weiter der Polemik Ciceros. LucuUus hatte behauptet,
dass niemals in der Natur zwei Dinge sich vollkommen gleich
seien (56), und dabei auf das Beispiel von Zwillingen, der
Brüder P. und Q. Servilius Geminus, hingewiesen die zwar
von Fremden, aber nicht von ihren Angehörigen verwechselt
wurden. Nun könnte aber ja gerade unter den Fremden
der Weise sein: Luculi bemerkt deshalb dass derselbe in
solchen Fällen seine Zustimmung zurückhalten werde. Was
sagt hiergegen Cicero? Er verhöhnt Luculis und der Stoiker
Behauptung dass jedes Ding sein eigen thümliches von allen
anderen verschiedenes Wesen habe: denn das werde ja durch
das Beispiel der genannten Zwillinge widerlegt (84 f.). Dass
Luculi eine solche Verwerthung dieses Beispiels abgewiesen
und dasselbe vielmehr zur Bestätigung seiner Ansicht be-
nutzt hatte, seheint Cicero nicht mehr zu wissen. Aber mag
auch der hierauf gegründete Schluss zusammenfallen, Cicero
hat einen neuen Einwand bereit: es handelt sich, sagt er,
hier nicht um die Dingo selber die immerhin verscbiedeß
sein mögen sondern um die Art wie sie erscheinen durch
die uns wenigstens eine sichere Entscheidung unmöglich
wird.*) Auch hier kann Cicero der Vorwurf nicht erspart
') 84: ne sit sane (sc. tanta simUitudo in rerum natura): Tiden
carte potest: fallet igitur sensum, et si una fefellerit similitudo, du-
bia omnia reddiderit. sublato enim judicio illo quo oportet agnoscit
etiam si ipse erit quem videris qui tibi videbitur, tarnen noo et oo^
judicabis qua dicis oportero ut non possit esse ejusdem modi ff^
85: haec (die stoische Behauptung dass kein Haar dem andern toI^'
Ciceros Erwiderung. 329
»erden dass er gegen iiucull mit einer bereits gebrauchten
ind abgestumpften Waflfe kämpft. Denn ausdrücklich hatte
üeser nicht nur erklärt dass wer die Unterscheidbarkeit der
Vorstellungsbilder leugne damit auch die Grenzen der Dinge
»Iber verwische sondern auch hinzugefugt dass es absurd
»i wie die Skeptiker bisweilen thäten einen Unterschied zu
Dachen zwischen den Eindrücken an sich, d. i. den Dingen
reiche die Eindrücke hervorbringen, und deren Aussehen
md Gestalt, d. i. der Art wie sie uns erscheinen. *) Cicero
commen gleich sei und ebenso kein Korn) refelli possunt, sed pu-
(oare noio. ad id enim quod agitur nihU interest omnibusne parti-
ms Yisa res nihil differat an internosci non possit etiam si differat.
') 58: Yen enim et falsi non modo cognitio sed etiam natura
olletor si nihil erit quod intersit; ut etiam illud absurdum sit quod
Bterdum soletis dicere, cum visa in animos inprimantur non tos id
licere inter ipsas inpressiones nihil Interesse sed inter species et
[oasdam formas eorum. quasi vero non specie visa judicentur! quae
idem nullam habebunt sublata veri et falsi uota. Die von den Wor-
ni „ipsas inpressiones*^ gegebene Erklärung ist offenbar die richtige.
He Eindrücke an sich, ist der Sinn, sind nicht identisch, man kann
Itthalb von einem ersten, zweiten Eindruck u. s. w. sprechen, aber
üe BUder die durch sie entstehen sind nicht zu unterscheiden da
ie in Bezug auf Aussehen und Gestalt vollkommen übereinstimmen.
hn sind freilich nicht -identische auch solche Eindrücke die von
inem und demselben Objecte ausgehen; die Nicht-Identität von sel-
ben Eindrücken und die Nicht -Identität des betreffenden Objects
Q behaupten wäre daher keineswegs dasselbe. Wir müssen aber
•^denken dass in dem Zusammenhang sowohl der Worte Luculis wie
lerjenigen Ciceros immer nur von Eindrücken die Rede ist die wenn
^ schon die gleiche Beschaffenheit haben doch von verscliiedenen
Hngen (Eiern, Zwillingen) ausgehen. Zu sagen aber dass dergleichen
^drücke nicht identisch sind und dass es die zu ihnen gehörenden
^ge nicht sind, läuft thatsächlich auf dasselbe hinaus. Hierdurch
it die im Texte gegebene Erläuterung von „ipsas inpressiones" ge-
Bchtfertigt. Dass Luculi dieselbe Ansicht im Sinne hat die Cicero
>&n in der Widerlegung vorbringt bestätigen auch die ersten der
itirten Worte „veri enim — quod intersit"; denn hier wird eben
330 I^io Academica priora.
mag also immer triumpbiren und dcn^von Luculi bereits ab-
gethanen Gedanken der Skeptiker von Neuem vorbringen, in
Wahrheit ist nicht er sondern Luculi derjenige der den An-
deren kritisirt. Denn das auf die eventuelle Ununterscheid-
barkeit von Siegelabdrücken und Werken der Bildhauerei
gegründete Argument (85 f.) wird zwar von Cicero wie etwas
Neues vorgetragen, ist aber in Wahrheit ganz dasselbe wie
das von der Aehnlichkeit der Eier und Zwillinge hergenom-
mene und kann also schon deshalb als von Lucullus bereits
erledigt gelten. Letzterer kommt uns aber ausserdem noch
durch ein ausdrückliches Zeugniss zu Hilfe, wenn er 54 die
Ansicht der Gegner die er sich anschickt zu widerlegen fol-
gendermaassen zusammenfa^st: similitudines vero aut gemi-
norum aut signorum anulis inpressorum puerihter oon-
sectantur. — Gleich nach dem eben Besprochenen trägt Ci-
cero allerdings einen Einwand vor (27, 86), den LueuDus
noch nicht berücksichtigt hatte. Der letztere hatte sich zum
Beweis für die Tüchtigkeit der Sinne auch auf die grössere
Schärfe berufen, die dieselben bei kunstmässiger Ausbildung
und Uebung erlangen (20). Was Cicero hierauf erwidert ist
dass dieses Argument vielmehr gegen Lucullus spreche: denn
dass es erst dieser Mühe bedürfe um mittels der Sinne
etwas zu erkennen, darin zeige sich gerade dass sie an sidi
für die Erkenntniss nichts werth seien. So konnte Cicero
geleugnet dass wir berechtigt sind zwischen den Dingen wie wir sie
erkennen und wie sie wirklich und von Natur sind einen Unterschi^
zu machen. — Früher hatte ich die behauptete Ungleichheit der
Eindrücke an sich auf die verschiedene Stärke bezogen mit der die-
selben bei überdiess gleicher Beschaffenheit nach der Ansicht der
Skeptiker (vgl. Sext. dogm. I 173 und dazu Acad. pr. 52 nach wel-
cher letzteren Stelle Traumgesichte und wache Vorstellungen tw*^
dieselbe „species'^ haben trotzdem aber nicht die gleiche „ftdpro*
batio^' erzwingen) auf uns wirken, muss indessen diese Yermutbofl^
jetzt aufgeben.
Giceros Erwiderung. 331
. Lucullus nur antworten wenn er ihm einen Gedanken
irschpb den dieser gar nicht geäussert hatte. Luculhis
e gesagt, die Sinne, die von Natur schon höchst zuver-
Lge Zeugen seien, würden diess in noch höherem Grade
kunstmässiger Ausbildung; an die Stelle dieses Gedan-
i setzt Cicero einen andern dass erst die Ausbildung die
le zu zuverlässigen Zeugen mache. Es ist bezeichnend
I hier wo einmal eine von Luculi noch nicht berücksich-
3 Widerlegung versucht wird dieselbe durch solche Mittel
Stande kommt und als innerlich hohl in sich selber zer-
;. Den nahe liegenden Schluss dass Cicero sie selbstän-
fSBj}ricirt hat, dass aus ihr also für das Verhältniss das
jcheu der Quelle von Luculis Vortrag und der von Ciceros
lerlogung besteht nichts gefolgert werden darf, brauchte
nicht erst ausdrücklich zu ziehen. — Es folgen bei Cicero
Ausfalle gegen die naturphilosophische Disciplin (86 f.).
selben setzen voraus dass Lucullus auch über diese Dinge
ifise Dogmen aus voller Ueberzeugung vorgetragen habe,
gleichen wir nun die betreffende Stelle in Luculis Vor-
[ (30) so finden wir in ihr keineswegs einen entschiede-
Dogmatismus. Man lese doch Folgendes: nam quid eum
urum putem de abditis rebus et obscuris qui lucem eri-
) conetur? sed disputari poterat subtiliter quanto quasi
Scio natura fabricata esset primum animal omue etc.
borgen und dunkel nennt er was in den Bereich der
orphilosophie fällt und das Aousserste was er einräumt
int zu sein dass man scharfsinnig darüber reden könne.
ist aber nicht der Ausdruck eines seiner Unfehlbarkeit
isscn Dogmatismus sondern eines gemässigten Skepticis-
, der wie wir schon früher (S. 277) gesehen haben Au-
tos in der Naturphilosophie eigen war. So erscheinen
inals Luculis Aeusserungeu, indem sie dem Skepticismus
Concession machen, als eine Antwort auf dessen An-
332 Die Academica priora.
griffe, während andererseits Ciceros Erwiderung dadurcli
gegenstandslos geworden ist. ^) — Cicero geht sodann dazu
über von den Vorstellungen zu sprechen, die den Menschen
im Traume und während des Wahnsinns kommen (87—91).
Da diese Vorstellungen zugestandenermaasson falsch sind und
doch auf den Geist mit der Kraft von wahren wirken, so
schienen sie die Theorie der Skeptiker zu unterstützen und
gehörten deshalb mit zum Inventar der gegen die Dogma-
tiker geführten Polemik. Darum hatte sie auch Lucullus
und, wie uns in diesem Falle noch ausdrücklich gesagt wird,
schon Antiochos einer eingehenden Erörterung gewürdigt
(49 flf.). Bringt nun Ciceros Widerlegung dieser Widerlegung
etwas Neues? Lucullus hatte bemerkt dass die Vorstellungen
der Schlafenden u. s. w. schwächer seien als die der Wachen-
den u. s. w. und zum Beweise sich auf die Urtheile der Er-
wachten über ihre früheren Träume und der wieder zur
Vernunft Gekommenen über ihre Phantasien während des
Wahnsinns berufen. Cicero findet (88) diese Bemerkung so-
wie ihre Begründung unzutreffend: „quasi quisquam neget
et qui experrectus sit eum somnia sua visa putare et cujus
furor consederit putare non fuisse ea vera quae essent sibi
visa in furore. Sed non id agitur: tum cum videban-
tur quo modo viderentur, id quaeritur. nisi vero En-
nium" etc. Da er auf dasselbe Argument noch einmal zum
Schluss zurückkommt,*) so dürfen wir annehmen dass er
*) Wenn Luculi a. a. 0. Ciceros Polemik gegen die Naturphilo-
sophie voraussagt, so hat diess möglicherweise seinen Grund im
griechischen Original in dem auf solche bereits erfolgte AngrÜ^
Rücksicht genommen wurde.
^) 90: vos autem nihil agitis cum illa falsa vel furlosorum ▼^^
somniantium recordatione ipsorum refellitis; non enim id quaentof
qualis recordatio fieri soleat eorum qui experrecti sint aut eorum
qui furere destiterint, sed qualis visio fucrit aut furentium aut soiU'
niantium tum cum movcbantur.
GiceroB Erwiderung. 333
hm eine grosse Bedeutung beilegte und dass er hoffte mit
lemselben gegen Lucullus einen unvorhergesehenen Schlag zu
Shren. Aber auch diessmal wird unsere an Ciceros Worte
»ch knüpfende Erwartung getäuscht. Denn unmittelbar nach
ler Bemerkung gegen welche sich Ciceros Widerlegung rich-
tet macht Luculi sich selber (52) den Einwand: „at enim
ium videntur, eadem est in somnis species eorumque quae
rigilantes videmus". Es ist dieser selbe Einwand den Cicero
ilann wie einen ganz neuen dem Luculi entgegenhält, und
zwar was noch auffallender ist ohne der Widerlegung die
LuculP) ihm bereits hatte zu Theil werden lassen auch nur
mit einer Silbe zu gedenken. — Es folgt in Ciceros Wider-
legung der Abschnitt dessen Aufgabe die Kritik der stoischen
Dialektik ist (91 ff.). Auch hier weist Cicero zwar auf Lu-
culis Ausfuhrungen hin*) ohne sie jedoch thatsächlich zu
berücksichtigen. Und doch ist es keineswegs die Kürze der
Darstellung die ihn hiervon abhält. Denn namentlich was
äen Sorites betrifft spart er die Worte nicht um die Be-
rechtigung dieses dialektischen Verfahrens zu erweisen (92 ff.).
Trotzdem kommt er hier nicht über Chrysipp hinaus und
D^ügt sich das Verkehrte der Methode zu zeigen mit der
dieser Stoiker sich den Schlingen dieses Schlusses zu ent-
') A. a. 0.: primum interest, sed id omittamus: illud enim dlci-
■nos noD eandem esse vlm neque integritatem dormientium et vigi-
lantium nee mente nee sensu, ne vinulenti quidem quae faciunt,
^em adprobatione faciunt qua sobrii: dubitant haesitant revocant
^ interdum eisque, quae videntur, inbecillius adsentiuntur, cumque
^ormiverunt illa vlsa quam le?ia fuerlnt iutellegunt. quod idem
cootingit insanis ut et incipientes furere sentiant et dicant aliquid
ivod non sit id videri sibi et cum relaxentur sentiant atque illa di-
^t Alcmaeonls etc.
*) 92: tum paucis additis venit (^sc. dialectica) ad soritas, lubri-
cam 8ane et periculosum locum, quod tu modo dicebas esse vitiosum
^nterrogandi genus.
334 I)ie Academica priora.
ziehen versucht hatte. Als ob Lucullus Chrysipps Verthei-
digung zu seiner eigenen gemacht hätte, der dieselbe viel-
mehr gar nicht erwähnt! Statt dessen hatte Luculi den
Sorites in einer besonderen Anwendung getadelt und ad ab-
surdum zu fuhren gesucht (49 f.). Hierauf musste Cicero
erwideni wenn er wirklich Luculis Vortrag widerlegen wollte.
Da er es nicht gethan hat, so müssen wir abermals schUessen
dass ihn sein griechisches Original im Stich Hess und er
untehig war von sich aus eine Widerlegung zu finden. —
Dasselbe Verhältniss beider Darstellungen kommt nun ausser
in den angeführten auch noch in anderen Fällen zum Vo^
schein. Nirgends ist mir in Ciceros Kritik ein eigenthüm-
liches Argument von wirklicher Bedeutung begegnet, das nur
durch die Beziehung auf Luculis Vortrag seine Erklärung
fände und daher einem gegen die dort benutzte Schrift des
Antiochos polemisirenden Werk entnommen sein müsste. Nnr
eine Ausnahme scheint stattzufinden. Lucullus hatte (22)
behauptet dass mit der lieugnung des Wissens auch das Ge-
dächtniss aufgehoben würde. Dem gegenüber weist Cicero
(166) auf den Epikureer Polyainos hin, der früher Mathe-
matiker gewesen war und erst später in die epikureische
Schule eintrat. Wäre nun, meint Cicero, die Behauptung
Luculis richtig d. h. gäbe es ein Gedächtniss nur so weit
auch ein Wissen vorhanden ist, so müsste Polyain mit seiner
Bekehrung zum Epikureismus die ganze Mathematik, da diese
ja den Epikureern nicht als Wissen galt, vergessen haben.
Das Argument sieht nicht danach aus als ob Cicero selbst
es gefunden habe. Dass es aber einer Schrift entnommen
sei die den Vortrag des Lucullus oder vielmehr das diesem
zu Grunde liegende Werk des Antiochos bekämpfte, folg*
hieraus keineswegs. Denn auch die Behauptung gegen die
es sich richtet war in Wirklichkeit wohl weder Luculi noch
auch Antiochos eigenthümlich sondern fand sich auch bei
Giceros ErwideraDg. 335
Stoikern. Dieses eine Argument ist daher nicht genü-
1 ein Resultat umzustossen das sich uns aus der Be-
htang einer grösseren Zahl von Fällen ergeben hat und
schliesslich noch durch einen bestätigt werden mag.
hdem Cicero des Vorwurfs gedacht hat den man gegen
Skeptiker erhoben hatte weil sie jede Möglichkeit eines
ennens leugneten und damit die Grundlage des mensch-
en Handelns und Lebens zerstörten, spricht er seine Ver-
iderung darüber aus dass gerade Antiochos in dieser
ise sich äussern konnte: denn ihm sei doch nicht unbe-
nt gewesen in welcher Weise die Skeptiker den schlim-
i Consequenzen ihrer Theorie vorbeugten, dass sie näm-
ein Wahrscheinliches übrig Hessen oder doch wenigstens
Augenscheinliches nicht leugneten.^) Dass Cicero mit
wr Klage über das Unrecht das den Skeptikern geschehen
sich nicht an LucuUus sondern an Antiochos wendet,
dit jedenfalls dafür wenn es auch selbstverständlich nicht
"eisend ist, dass er etwas Derartiges schon in seiner grie-
dien Quelle fand. Und nun denke man an Luculis Worte
ick in denen dieser zwei Classen von Skeptikern sondert.
Eben welche Alles für unsicher erklären ohne dessen
od welchen Hehl zu haben und die Anderen die diess
it Wort haben wollen. Diese Anderen, wie er ausdrück-
aagt, beklagten sich dass man sie mit jenen verwechsele;
irend doch ein wesentlicher Unterschied zwischen ihnen
len bestehe; für jene habe jede Vorstellung gleichen
^ 102: quainquain nihil mihi tarn minim videtor quam ita diel
Utiocho qaidem maxime, cui erant ca quae paulo ante dizi no-
na. licet eDim hoc quivis arbitrato suo reprehendat quod Dege-
I rem nllam percipi posse, carte levior reprehensio est qnod tamen
luu esse qoaedam probabilia. noo videtor hoc satis esse vobis.
ilt: UU certe debemus effogere quae a te vel maxime agitata
1: ),iiihil igitor cemis? nihil andis? nihil tibi est perspicnom?*'
336 I^ic Academica priora.
Werth wohingegen sie um einen Anhalt für unsere Hand-
lungen zu gewinnen den wahrscheinlichen Vorstellungen vor
anderen einen Vorzug einräumton. *) Und diese selben sind
es auch, die wie uns gleich darauf gesagt wird wenigstens
ein Augenscheinliches festhalten wollten.*) Die Skeptiker
gegen die sich Lucullus wendet beklagen sich also wie Ci-
cero über die falschen Consequenzen die man aus ihrer
Theorie gezogen hat und machen um jene aufzuheben auch
dieselben beiden Momente geltend wie er. Nun haben wir
zwar früher gesehen dass bei den milderen Skeptikern Lu-
culis an Karneades zu denken ist (oben S. 212 f.); Cicero
dagegen, wie eine andere Untersuchung wahrscheinlich ge-
macht hat, schöpfte aus einer Schrift Philons. Die Skep-
tiker Luculis, scheint es daher, können nicht mit denen iden-
tisch sein deren Aeusserungen Cicero wiedergibt Dieser
Schluss wird indessen dadurch widerlegt dass Philon in dem
Abschnitte seiner Schrift dem die fraglichen Worte Ciceros
entnommen sind sich ganz auf den Standpunkt des Kameades
stellte und von hier aus das Recht der Skepsis vertheidigte,
die ihm eigenthümlichen Concessionen dagegen erst in einem
späteren Theile machte (vgl. S. 308 flf.). Nichts kann uns also
hindern die Beschwerden, welche Cicero im Namen der
Skepsis gegen Antiochos erhebt, für dieselben zu halten die
^) 32: alii autem elegantius, qui etiam queruntur quod eos in-
simulemus omnia incei^ dicere, quantumque intersit inter incertoo
et id quod percipi non possit docere conantur eaqae distingaere.
Yolunt enim probabile aliquid esse et quasi ven
simile eaque se uti rcgula et in agenda vita et in quaerendo ac dis-
serendo.
*) 34: simill in errore versantur cum coovitio veritatis coicü
perspicua a perceptis volunt distinguere et conaotur ostendere ^
aliquid perspicui , verum illud quidem et inpressum in animo »^^^
mente, neque tameo id percipi ac conprehendi posse.
GiceroB Erwiderung. 337
reits Lucullus in seinem Vortrage berücksichtigt hatte.
) tritt hier noch einmal und wie mir scheint in besonders
Balliger Weise das schon in anderen Fällen beobachtete
irhältniss der Vorträge Luculis und Ciceros uns entgegen:
8B nämlich Cicero den Luculi zu widerlegen vorgibt, that-
düich aber diese Widerlegung von Luculi schon ver-
ffthet war.
Für dieses Verhältniss weiss ich keine andere Erkla-
ng als dass Ciceros Vortrag aus eben der Schrift Philons
inommen ist gegen welche die von Luculi benutzte Schrift
8 Antiochos, der Sosos, sich richtete. Die Beschaffenheit
18 dceronischen Vortrags und die Schlüsse, die wir hieraus
if den Inhalt der philonischen Schrift ziehen können, stehen
eeer Annahme nicht im Woge. Wie Cicero in seinem Vor-
ig 80 muss hiemach auch Philon in seiner Schrift eine
ritik der Lehre des Antiochos gegeben haben. Diess setzt
lerdings voraus dass Antiochos schon damals, beim Er-
beinen jener Schrift, sich innerhalb der Akademie von sei-
m Lehrer unabhängig gemacht und den bekannten ihm
{enthümlichen Standpimkt eingenommen hatte. Zu dieser
nranssetzung sind wir aber vollkommen berechtigt da die-
Ibe auch der Erzählung des Lucullus über seinen Aufent-
It in Alexandria und die Disputation zwischen Heraklit
A Antiochos zu Grunde liegt (Acad. pr. 11 f.): denn den
ilass zu dieser Disputation gab das Eintreffen der philo-
wshen Schrift, eben der gegen welche später der Sosos
lemisirte, und in dieser Disputation vertritt Antiochos
lon ganz nicht nur überhaupt den dogmatischen sondern
dl den ihm eigenthümlichen Standpunkt, auf den er na-
rlich nicht durch eine plötzliche Offenbarung oder vor-
ige einer angeborenen Lust am Widerspruch durch Philons
igstes Werk gedrängt worden war. Ja erst bei der An-
hme dass diese Schrift Philons sich gegen Antiochos rich-
Hiriel, ünteraiiehiiiigen. lU. 22
338 I^ie Academica priora.
tete begreifen wir vollkommen den Aerger den dieser dar-
über empfand und dass er wie LucuUus sagt sich über sie mit
einer Heftigkeit äusserte die mit der sonstigen Milde seines
Wesens nicht im Einklang stand. Aber die Schrift Philons
wenn wir sie im Spiegel dos ciceronischen Vortrags schaueu
enthielt nicht bloss eine Polemik gegen Antiochos sondeiii
suchte auch Philons eigenen Standpunkt zu vertheidigen
(S. 311 f.). Sie scheint also vorauszusetzen dass Antiochos
bereits begonnen hatte gegen seinen Lehrer zu polemisiren.
Bei strenger Erklärung der Worte Luculis freilich wäre der
Sosos die erste Schrift gewesen mit der Antiochos gegen
Philon auftrat. ^) Aber auch wenn wir diese strenge Er-
klärung für die richtige halten, so kömite doch Antiochos
in seinen mündlichen Vorträgen die Ansichten Philons be-
stritten haben. Dass indessen gegen solche sich Philons
Schrift wandte ist deshalb unwahrscheinlich weil eine so
genaue Kenntniss der eigenthümlichen Lehre des Antiochos
als sich in ihr kund gibt viel leichter aus der Benutzung
einer schriftlichen Darstellung sich erklärt. Nun ist es aber
auch denkbar dass Antiochos seine eigenthümliche Au££assang
der akademischen Lehre in einer Schrift niederlegte ohne des-
halb gerade gegen Philon zu polemisiren. Wogegen er pole-
misirte und wogegen er polemisiren musste, war nur über-
haupt die skeptische Richtung innerhalb der Akademie; diess
konnte er aber thun auch wenn er seinen Lehrer nicht per-
sönlich angriff. Erst als dieser dann mit der ihm ganz allein
gehörenden Erklärung des xaxaXrjTtrov hervorgetreten war,
musste natürlich auch Antiochos seine Polemik speziell gegen
ihn richten. Nicht mehr als eine allgemein gehaltene Pole-
M 12: nee se tenuit quin contra suum doctorem Hbram etiim
ederet qui Sosus inscribitur. Erst dann war diess ein Zeichen für
den hohen Grad der Entrüstung welche Philons Schrift in ihm e^
regte wenn er vorher etwas der Art noch nicht gethan hatte.
Giceros ErwideniDg. 339
Dik gegen die akademische Skepsis setzt denn auch die
techtfertigimg der letzteren im ersten Theil des ciceronischen
Vortrags voraus in welcher wie wir gesehen haben Philon
ich zunächst ganz auf den Standpunkt des Kleitomachos
teilt So ist die Annahme, wonach die von Cicero benutzte
kiirift eine Schrift Philons, aber nicht eine Antwort auf
len Sosos war, durch die Voraussetzungen zu denen sie führt
icht erschüttert sondern von Neuem bestätigt worden. —
ie hat sich aber noch in einer anderen Prüfung zu be-
währen. Ihr zufolge soll die von Cicero benutzte Schrift
^hilons dieselbe sein gegen welche Antiochos den Sosos
shrieb. lieber den Inhalt und die Beschaflfenheit dieser
hilonischen Schrift haben wir nun allerdings nur wenige,
afiir aber desto bestimmtere Nachrichten. Wir wissen dass
hilon in dieser Schrift eine neue ihm eigenthümliche Auf-
Lssung des xaraXTjjtrov vorgebracht hatte und dass die
chrift in zwei Bücher getheilt war. Stimmt nun zu diesen
oiden Merkmalen was uns Cicero aus der fraglichen Schrift
rhalten hat? Das ist die Frage die wir aufwerfen müssen
ad sofort mit Jal beantworten können. Deim dass Cicero
ch Philons eigenthümliche Auffassung des xcctaXrjjtrov zu
utze macht (112 f.) haben wir schon früher (S. 288 f.) ge-
lben und es fällt dieser Umstand um so mehr ins Gewicht
Is Cicero selbst mit dieser Auffassung Philons sich keines-
egs einverstanden erklärt, die Benutzung derselben also
ium anders erklärt werden kann als dadurch dass sie ihm
orch eine besonders ausfuhrliche und nachdrückliche Dar-
ellung im griechischen Original gewissormaassen aufgenöthigt
urde; den zwei Büchern der philonischen Schrift aber ent-
>rechen die beiden Thoile des ciceronischen Vortrags deren
rster die Rechtfertigung des philonischen Standpunkts, der
reite den Angriff gegen Antiochos enthält Fast ebenso
eher femer ist es dass es diese Schrift Philons war in der
22*
340 ^^6 Academica priora.
er die Identität der verschiedenen Akademien, der skep-
tischen und der älteren, behauptet und die entgegengesetzte
Meinung Anderer zurückgewiesen hatte. Denn Beides soll
er in einer Schrift gethan haben gegen die Antiochos pole-
misirt hatte (Acad. post. 13, vgl. dazu S. 200, 1). Und iii
der That lässt die neue und etwas gezwungene Erklärung
des xaraXrjJtrov auf einen bestimmten Zweck den Philon
damit verfolgte schliesseu und dieser kann kein anderer ge-
wesen sein als dadurch eine Brücke vom Dogmatismus der
alten zum Skepticismus der jüngeren Akademie zu schlar
gen, jene ebenso als skeptisch wie diese als dogmatisch
erscheinen zu lassen. So wird denn wirklich auf Grund
jener laxeren Auffassung des xaxaXrjjcrov von Cicero Acad.
pr. 112 f. eine Versöhnung der Skepsis mit den Peripate-
tikern und der alten Akademie für möglich erklärt. Die
eben angeführte ciceronische Stelle beweist aber noch mehr:
sie zeigt dass auch dieses dritte Merkmal das der philo-
nischen im Sosos bekämpften Schrift eigen ist in der von
Cicero für seinen Vortrag benutzten Schrift wiederkehrte.
So auffallend auf den ersten Anblick die Ansicht erschiea
dass Cicero zur Bestreitung eines philosophischen Vortrages
eine Schrift benutzt habe deren Inhalt in diesem schon
widerlegt war, so ist sie doch jetzt hinreichend begründet-
Sie lässt sich überdiess noch mehr bestätigen. Denn Cicero
und Varro berühren in ihrem einleitenden Gespräch diö
zwischen den verschiedenen Akademien obwaltenden Diffe-
renzen (Acad. post. 13), Cicero bemerkt dass Antiochos' An-
sicht von Philon widerlegt worden sei und Varro weist auf
die Erwiderung des Antiochos hin worunter natürlich der
Sosos zu verstehen ist; ^) dass aber auf den Sosos hin Phüon
*) Dass Antiochos mehrere Schriften gegen Philon verfasst habe,
wird durch die Art wie Luculi sich über den Sosos ausspricht, sehr
unwahrscheinlich. Vgl. die betreffenden Worte S. 338, 1. Wären dem
CiceroB Erwiderung. 341
ler mit einer Replik hervorgetreten sei, wird mit keinem
te gesagt. Wir müssen daher wohl schliessen dass mit
Sosos der literarische Streit zwischen Lehrer und Schü-
al^ethan war. ^) Oder will man diess nicht zugeben
?ird man es doch kaum glaublich finden dass Cicero
Q ihm eine schriftliche Replik Philons bekannt war, wenn
BS war die er bereits für die skeptische Darstellung der
3D Redaktion der Akademica benutzt hatte, dass er die-
3 dann gar nicht erwähnt haben sollte. Das viel gemiss-
ichte argumentum ex silentio ist hier einmal an seinem
ze. Seine Wirkung wird noch durch eine andere Er-
ang unterstützt. Cicero bekennt sich fortwährend mit
Munde zu Philon, Philon ist ihm der Hauptvertreter
akademischen Skepsis. Wie kommt es nun dass er ge-
das Eigenthümlichste in Philons Lehre, die neue Er-
img des xaraXfjjtrov sich nicht angeeignet hat, sondern
geradezu widerspricht (vgl. S. 289)? Freilich konnte er
hier auf den Vorgang eines andern Schülers Philons,
Heraklit, berufen. Aber diess genügt doch kaum um
1 solchen Abfall von dem verehrten Lehrer zu recht-
gen. Unter der Annahme dass Philon auf den Sosos
b mehr geantwortet hatte ist die Erklärung dagegen ein-
: Cicero wusste nicht wie er die von Antiochos gegen
Auffassung des xarahjjtrov vorgebrachten Gründe wi-
egen sollte; denn selbst eine solche Widerlegung zu fin-
war er nicht im Stande und von Philon wurde er in
m Falle im Stich gelassen.
noch andere Streitschriften gefolgt, so hätte Luculi sich anders
'Qcken müssen.
>) Durch die von Zeller III 1 S. 592, 3 (vgl. S. 598 Anm.) ange-
3n Stellen wird das GegentheU nicht bewiesen. Vgl. ob. S. 320 f.
in. Die Tusculanen.
1. Das erste Bneh.
Keine ciceronische Schrift macht es dem Quellenforscher
so bequem oder wenn man will setzt ihn in solche Verlegen-
heit als die unter dem Namen der Tusculanen bekannte: denn
ist man im Stande sich bei der Annahme zu beruhigen
Cicero habe die Werke der verschiedensten Philosophen,
stoischer und nicht -stoischer, ja epikureischer, erst gelesen
und dann zu einem neuen Ganzen selbständig verarbeitet,
so hat man natürlich leichtes Spiel; anderenfalls aber er-
scheint es fast unmöglich in den nach den verschiedensten
Gegenden der alten Philosophie weisenden Spuren eine ein-
heitliche Richtung zu entdecken. Von den neueren Bear-
beitern dieser Frage hat Otto Heine (de fontibus Tuscula-
narum disputationum Weimar 1863) Panaitios Chrysipp und
Piaton als die Quellenschriftsteller namhaft gemacht denen
Cicero das von ihm in freier Weise verarbeitete Material
entnommen habe. Kühneren Schwunges, getragen von der
Freude über den wiederentdeckten Poseidonios, erhob sich
Peter Corssen zu dem Gedanken dass eine Schrift dieses
Philosophen die Quelle der ciceronischen Darstellung sei;^)
') In seiner Dissertation de Posidonio Rhodio M. Tallii Cicero-
nis in libro I. Tusc. disp. et in Somnio Scipionis auctore (Bonn 1878)
hatte er diess für den ersten Theil der ciceronischen Darstellung <o
zeigen versucht; den Beweis für den zweiten und das Ganze holt er
Die Tnsculaoen. — Das erste Buch. 343
ber die Schwierigkeit die dieser Annahme der gerade das
nste Buch durchdringende Skepticismus zu bereiten schien
un er leicht hinweg, indem er denselben ohne Weiteres
ir Ciceros eigene Zuthat erklärte. Eine nähere Prüfung
u* von Heine aufgestellten Behauptung kann ich mir des-
db ersparen, weil der Grund, auf den der wichtigste Theil
»rselben, die Annahme einer Benutzung des Panaitios, sich
ützt, von Zeller (III 1 S. 563, 1) zur Genüge als unhaltbar
tchgewiesen worden ist. Es bleibt sonach die Meinung von
>r8sen; und diese darf um so mehr eine Untersuchung be-
Lspruchen als sie das Ergebniss einer gewiss für Manche
«techenden Methode der Forschung ist und in der That
ich den Beifall von Diels (Rhein. Mus. 34 S. 487 f.) und
)ller (III 1 S. 559, 2») gefunden hat.
Corssen (Dissertation S. 37) beruft sich z. B. darauf dass
icero das Verbot des Selbstmordes (74) zurückführe auf
sn „dominans in nobis deus" und findet hierin ein untrüg-
^es Zeichen der Benutzung Posidons dessen im Innern
des Menschen lebender Gott (öalficov iv avrolg) bekannt
t (vgl. Corssen a. a. 0. S. 30). Aber ebenso bekannt ist
)ch auch, und Corssen selber (a. a. 0. S. 30) hat darauf
ngewiesen, dass dieselbe Anschauungsweise sich schon bei
laton findet, angedeutet auch im Phaidon, bestimmter aus-
sprechen im Timaios (p. 90 A). Warum könnte sie also
cht Cicero unmittelbar daher entnommen haben? Oder hat
' dieses Werk Piatons etwa erst später gelesen, zu der Zeit
i er das uns erhaltene Bruchstück daraus übersetzte? Und
Ibst diess zugegeben dass Cicero nicht im Stande war in
Rhein. Mus. 36 S. 506 ff. nach. Etwas Aehnliches hatte übrigens
ion Wyttenbach Animadv. in Plut. I 699 ausgesprochen: sunt Tu-
^ae Quaestiones opus plane divüiuni, totum in genere consolato-
censendum, et, ut nobis quidem videtur, descriptum ad ratlonem
tot) TtuQUfiv^uxov a Posidonio designatam.
344 1^16 Tusculanen.
diesem Falle aus eigener Lektüre zu schöpfen (obgleich er
doch gerade im ersten Buch der Tusculanen, wenigstens nach
der gewöhnlichen Annahme, mit einer gewissen selbständigen
Belesenheit im Piaton zu prunken scheint), könnte ihm dieses
Citat nicht ein anderer griechischer Platoniker an die Hand
gegeben haben, musste es gerade der Stoiker Posidon sein?
Für diese Möglichkeit hätte Corssen Raum lassen soUen
Und er hätte diess auch gewiss gethan wenn er nicht durch
andere, wie es ihm schien, unwiderstehliche Gründe in die
Richtung auf Posidon gedrängt worden wäre. In der That
ist es ihm geglückt Gedanken bei Cicero nachzuweisen die
in letzter Hinsicht wohl auf Poseidonios zurückgehen; diese
Gedanken beziehen sich auf die Verherrlichung der Philo-
sophie, die am Ende darin gipfelt dass dieselbe die Mutter
aller Künste (omnium mater artium) genannt wird vgl 62 £
Nimmt man hierzu noch die Lobsprüche die der Philosophie
im fünften Buche 55 ertheilt werden und hält damit den
Anfang von Senecas neunzigstem Briefe zusammen, so kommt
man fast nothwendig zu dem Schluss den Corssen S. 23 t
gezogen hat dass die beiden ciceronischen Stellen ihren Inhalt
derselben von Seneca benutzten Schrift des Poseidonios ver-
danken, und dieser Schluss wird wenn man die Vergleichung
noch über die von Corssen zusammengestellten Aeusserungen
hinauserstreckt nur bestätigt.^) Was folgt nun hieraus?
^) Diese weiter fortgeführte Yergleichung hätte Corssen ausser-
dem vor einem Irrthum bewahren können. Ein Anzeichen stoischen
Ursprungs erblickt er nämlich auch darin dass Cicero im Wider
Spruch gegen Piaton der die Philosophie ein Geschenk der Götter
genannt hatte sie vielmehr für eine Erfindung derselben (inventaiD
deorum) erklärt (64): demi dasselbe, was nach Persaios den Erfindem
nützlicher Dinge überhaupt, sei der Ansicht des Poseidonios zufolge
auch den ersten Philosophen widerfahren, dass sie nämlich von den
Menschen göttlicher Ehren gewürdigt wurden und insofern kdnne
Das erste Buch. 345
Itwa, dass Cicero jene Schrift des Poseidonios seiner ganzen
Erstellung zu Grunde gelegt hat? Für das fünfte Buch
lesen Schluss zu ziehen würde sehr unbesonnen sein, da
ier die Gedanken des Poseidonios der Einleitung angehören
ad dergleichen Einleitungen von Cicero in der Regel selbst-
ändig gearbeitet wurden oder doch bei dem lockeren und
ierdings die Philosophie eine Erfindung von Göttern d. i. von Men-
'iien die später zu Göttern erhoben wurden genannt werden. Dass
lese Erklärung der ciceronischen Worte das Richtige treffe kann
h Corssen nicht zugeben. Denn auf diese Weise wäre die Fhilo-
»pliie in Posidons Augen doch immer nur eine menschliche Erfin-
ing geblieben; wer aber der Philosophie eine so weit reichende
edeatung gab wie Poseidonios, wer sie als die Mutter aller KOnste,
ich der handwerksmässigen pries, als die Erfinderin aller Erfin-
ingen, der kann sie nicht selbst wieder für eine menschliche Er-
ndimg gehalten sondern muss in ihr einen auf Erkenntniss und Er-
^hnrng gerichteten Grundtrieb, den Quell aller geistigen Thätigkeit
Eid somit etwas von Natur dem Menschen Eingepflanztes d. i. eben
io Geschenk der Götter gesehen haben. Die Richtigkeit dieses
shlusses bestätigt Seneca der zu Anfang des angeführten 90. Briefes
^ibt: quis dubitare, mi Lucili, potest quin deorum immortalium
QQQ8 Sit quod vivimus, philosophiae quod bene vivimus? itaque
Ato plus huic nos debere quam dis, quanto majus beneficium est
)na Tita quam vita, pro certo haberetur nisi ipsam philoso-
hiam di tribuissent cujus scientiam nulli dederunt, fa-
Dltatem omnibus. Aber wie sollen wir nun die ciceronischen
^orte erklären? Denn dass sie einer Erklärung bedürfen, muss ich
i^en einräumen. Eine solche zu geben scheint mir auch ohne
ofwand von Gelehrsamkeit möglich. Cicero bemüht sich vor Allem
^e Philosophie als etwas Göttliches darzustellen : in gewissem Sinne
tt sie diess auch wenn sie nur als eine Gabe der Götter galt; wie
«1 mehr aber, folgerte Cicero, wird diess der Fall sein, wenn sie
>Q den Göttern nicht bloss gegeben sondern auch geschaffen wurde,
i6 Tiel mehr des göttlichen Wesens ist dann auf sie übergegangen,
i® Richtigkeit dieser Folgerung zu vertreten fällt mir natürlich
^^i ein; dass aber Cicero so schliessen konnte, wird Niemand be-
bten wollen.
346 I>io Tusculanen.
äusserlichen Zusammenhange in dem sie mit der Hauptdar-
stellung stehen die Voraussetzung nicht ohne Weiteres ge-
statten dass sie aus derselben Quelle wie das Uebrige ge-
schöpft sind. Aber auch für das erste Buch kann ich die
Berechtigung eines solchen Schlusses nicht zugeben: denn
obgleich hier die an Poseidonios erinnernde VerherrUchung
der Philosophie mitten in die übrige Darstellung eingeschaltet
ist, so gibt sie sich auch so noch als ein fremdartiger Be-
standtheil zu erkennen der sich ohne Schaden für den Zu-
sammenhang entfernen Hesse. ^) Also hat Cicero die be-
^) Nachdem Cicero die Philosophie gepriesen hat, fährt er 65
fort: prorsus haec divina mihi videtur vis quae tot res efficiat et
tantas. Jeder wird unter ,,haec — vis*^ zunächst an die Philosophie
denken, die im Vorhergehenden in der That als eine göttliche Macht
im Leben der Menschen geschildert war. Ciceros Meinung ist dieu
aber keineswegs. Die göttliche Macht ist die Kraft des menschlichen
Geistes, von der die Philosophie mit ihren Wirkungen nur eine ein-
zelne Offenbarung ist. Die Worte „haec — vis" weisen daher auf 61
zurück: quid? illa vis quae tandem est quae investigat occulta, qiue
inventio atque excogitatio dicitur? ex hacne tibi terrena mortaliqne
natura et caduca concreta ea videtur? Denken wir uns sie hieran
angeschlossen so würden sie nicht den geringsten Anstoss geben. Ja
der Zusammenhang würde besser werden : denn jetzt folgt auf jene
Worte „aut qui primus, quod summae sapientiae Pythagorae Vi-
sum est, Omnibus rebus inposuit nomina? etc." und die Erklärer geben
zu dass diess an das Vorhergehende nur einen sehr losen gramma-
tischen Anschluss hat. So entsteht die Vermuthung dass der ganxe
zwischen 65 und dem Schluss von 61 inneliegende Abschnitt ein
nachträglicher Zusatz ist, nicht von einem Späteren sondern to»
Cicero selber herrührend. Auch darin ist dieser Abschnitt der
übrigen Darstellung ungleich dass in ihm der Dogmatismus riel
unverhüllter hervortritt als in anderen Theilen dieser Schrift: denn
wenn (64) von der Philosophie gesagt wird „eadem ab anino tan-
quam ab oculis caliginem dispulit ut omnia, supera infera prina
ultima media, videremus" so ist damit allem Skepticismus der Ab-
schied gegeben.
Das erste Bach. 347
reffende Schrift Posidons vielleicht nur für diese einzelnen
bschnitte benutzt? Nicht einmal so viel kann ich zugeben,
I es nicht nöthig ist immer eine unmittelbare Benutzung
är griechischen Quelle anzunehmen und vielfach die Ueber-
nstimmung sich schon aus der Erinnerung an eine frühere
aktüre erklärt. Das Letztere gerade in diesem Falle anzu-
ihmen empfiehlt sich darum weil Cicero in der Wiedergabe
«idonscher Gedanken im Wesentlichen beim Allgemeinen
ßhen bleibt und bei Weitem nicht in das Detail geht das
ir bei Seneca lesen d. i. nur so viel gibt als er von einem
äheren Lesen her im Gedächtniss behalten konnte und
cht gerade abzuschreiben brauchte. Auch den Anlass aus
an er jene Schrift des Poseidonios gelesen hatte können wir
Tmuthungs weise noch bestimmen. Denn jene Schrift war
Ki wohl die IIqotqbtitixoI betitelte, da man in einer solchen
iturgemäss zuerst den Platz für eine so eingehende Lob-
eisung der Philosophie sucht, ^) bei der Verehrung aber
e Cicero für diesen Stoiker hegte ist es fast selbstverständ-
ih dass als er selber einen Protreptikos schrieb er auch
e Schrift Posidons über den gleichen Gegenstand zu Rathe
g.*) Von der Zeit her also da er am Hortensius arbeitete
erden Cicero jene Gedanken geläufig gewesen sein.^) Da-
^) Dieser schon von Bake geäusserten Yermuthung stimmt auch
tuen zu Diss. S. 9.
*) Auf die Benutzung von Posidons Schrift für den Hortensius
ist noch ein besonderer Umstand. Im Anschluss an Poseidonios
isst es bei Seneca a. a. 0. 5: herum (sapientium) prüden tia, ne
td deesset suis, providebat. Hiermit steht in auffallender Ueber-
stimmung Hortensius fr. 23 Or.: Id enim est sapientis, providere;
quo sapientia est appellata prudentia.
*) An den Hortensius erinnert er selber HI 6. — Ja man meint
n betreffenden Abschnitte noch anzumerken dass zur Zeit seiner
bssung sich in Ciceros Geiste die Erinnerung an verschiedene
'treptische Schriften mit einander vermischte. Einmal nämlich er-
348 I^io Tasculanen.
gegen ist es schwer denkbar wie der Inhalt des ersten Buches
der Tusculaiien aus einem Protreptikos geschöpft werden
konnte d. i. einer Schrift deren ausgesprochener Zweck war
zur Philosophie zu ermahnen; denn eine Empfehlung der
Philosophie involvirt jenes nur insofern die Philosophie es
ist die UDS von der Todesfurcht befreit, spricht sie aber
scheint die Philosophie als die höchste Blüthe der geistigen Entwicke-
lang des Menschengeschlechts: denn erst nachdem er die mannich-
fachen Erfindungen, die Handwerke, die Künste nnd die Anfänge der
Wissenschaft angeführt und daraus auf die Göttlichkeit des sie he^
vorbringenden Geistos geschlossen hat, nennt er die Philosophie in
den Worten „philosophia vero, omnium mater artium, quid est aliod
nisi ut Plato donum, ut ego inventum deorum?'* und schildert sie
hierauf als die Quelle aller moralischen und höheren inteilectaeUeD
Bildung. Allem Anschein nach wird bei dieser Auffassung der Phi*
losophie in der Geschichte des Menschengeschlechts derselbe Piiti
angewiesen den sie im Anfang der aristotelischen Metaphysik ein-
nimmt, im wesentlichen derselbe Platz auch den Seneca a. a. 0.26 ff-
für sie in Anspruch nimmt. Der letztere Umstand ist ¥richtig, da
Seneca diess im Gegensatz zu Poseidonios thut. Diess macht wob «of
den Widerspruch aufmerksam in dem Cicero sich mit sich selber be*
findet: denn auf der einen Seite hält er sich zu den Peripatetiken
und weicht von Posidon ab wenn er das Menschengeschlecht eist
durch eine gewisse Entwickelung hindurchgehen 'lässt bevor es zur
Philosophie gelangt, auf der andern Seite aber spricht er gerade den
Hauptgedanken des genannten Stoikers aus dass die Philosophie die
Mutter der Künste sei und verlegt dadurch in sie den Keim dff
Entwickelung als deren Frucht er sie doch eben geschildert zu haben
schien. Dass nun Cicero für den Hortensius theilweise eine peript-
tetische Quelle, den Protreptikos des Aristoteles, benutzt hat, ist sehr
wahrscheinlich, sobald man diese Annahme nur in den von mir (He^
mes X 81 ff. 95) gezogenen Schranken hält. Dass er aber auch m
Posidon sich anschloss, kann man ausser aus dem S. 347, 2 Bemerkten
auch aus fr. 22 vermuthen: praeterea illud quoque argumentum con*
tra philosophiam valet plurimum quo idem est usus Hortensios: »^
eo posse intellegi philosophiam non esse sapientiam quod principioii
et origo ejus appareat. Quando*' inquit „phiiosophi esse coeperont?
Das erste Buch. 349
licht geradeza aus wie doch der Protrcptikos soll. Und
loch fuhrt zu jener Annahme Corssens Meinung dass der
»etreffende Abschnitt aus derselben Schrift Posidons genom-
len ist die Seneca benutzt hat und die kaum eine andere
b der Protrcptikos dieses Philosophen gewesen sein kann
ä.347).^)
Iiaies ut opinor primus. Recens haec qaidem aetas. Ubi ergo apud
Qtiquiores latuit amor iste investigandae veritatis?'^ Denn aus die-
sn Worten darf man doch entnehmen, dass ein Anderer die ent-
egengesetzte Ansicht ausgesprochen d. i. Philosophie und Weisheit
\t identisch erklärt und damit jene in ein eben so frühes Alter der
(enschheit ¥rie diese, die Weisheit oder was man so zu nennen
flegte, versetzt hatte; dass diess aber die Ansicht Posidons ist,
dirt Seneca. Es ist daher wohl denkbar dass Cicero in der Erinne-
ong die Gedanken des Aristoteles und des Poseidon ios zusammen-
loBsen und so den hervorgehobenen Widerspruch ergaben.
^) Denn wie Corssen Diss. S. 39 auch nur für möglich halten
:onnte dass der Inhalt des ersten Buchs der Tusculanen aus einer
tehrift TtBQl ^vx^JQ geschöpft sei, begreife ich nicht. — Dass die pro-
reptische Schrift des Poseidonios von den anderen ähnlichen Namens
resentlich verschieden war, kann man aus der geringen Abweichung
n Titel, nQoxQsnxixol statt ngQXQBnxixoq (denn darauf führt doch
M. Wahrscheinlichsten das zweimalige iv xolq nQoxQenxixoiq bei
Hog. YII 91 und 129, wenn man die nQoxgenxixol im Yerzeichniss
^t Schriften des Persaios bei Diog. YII 36 vergleicht, vgl. auch
Mog. YI 8. Ich bemerke diess wegen Bake Posidon. rel. S. 245, der
Hfotgentixä für den Titel hält), nicht schliessen, da dieselbe sich
^>6iuo erklärt wie der Ausdruck ol naQafjivS^xtxol Xoyoi dessen sich
^tarch consol. ad ApoUon. c. 2 zur Bezeichnung seines naQafiv^ri'
'^q bedient. Und auch aus Seneca ep. 95, 61 folgt nicht dass in
^ protreptischen Schrift Posidons die Consolatio mit enthalten
^: denn wenn auch Manches dafür spricht die von Seneca ange-
führten Aeussemngen Posidons aus jener Schrift abzuleiten, so lässt
ick doch auch Anderes dafür geltend machen dass sie der Schrift
^^ xov xa^xovxoq (vgl. Seneca 45) entnommen sind, und überdiess
^ lie nun den einen oder anderen Ursprung haben so führen sie
^^ nur auf Bemerkungen über die Consolatio, beweisen aber keines-
350 I^ie TuBculanen.
Corssen glaubt aber auch ein äusseres Zeugniss entdeckt
zu haben, das auf eine Schrift des Poseidonios als die Quelle
des ersten Buches der Tusculanen hinweist (Rhein. Mus.
36, 523). Dasselbe soll in folgenden Worten des heiligen
Hieronymus aus dem epitaphium Nepotiani (epist 60, 5) ent-
halten sein: legimus Crantorem, cujus volumen ad confoven-
dum dolorem suum secutus est Cicero; Piatonis Dic^enis
Clitomachi Cameadis Posidonii ad scdandos luctus opuscuh
percurrimus, qui diversis aetatibus diversorura luctum Tel
libris vel epistolis miimere sunt conati ut etiam si nostrum
averet ingenium de illorum posset fontibus irrigari. Dieses
Zeugniss soll zunächst freilich imr für die Consolatio gelten;
mittelbar aber auch für die Tusculanen, da nach Corssen
das erste Buch derselben aus derselben Quelle wie die Trost-
schrift geschöpft ist (S. 522). Von den Gründen mit denen
Corssen letztere Behauptung stützt will ich absehen. Aber
beweist denn jenes Zeugniss auch nur für die CJonsolatio was
es beweisen soll? Zunächst muss ich bemerken dass ein
Zeugniss das grobe Irrthümer enthält auch da wo es wahr
sein könnte mit Vorsicht benutzt werden muss. Welch ein
wegs dass Poseidonios selbst, wenigstens in der Schrift der jene
Aeusserungen angehören (im Uebrigcn vgl. Hieronymus epist 60, 5)
eine solche ausgeführt habe. Zum besseren Yerständniss des Ge-
sagten setze ich die fraglichen Worte Senecas selber her: Posidonios
non tantum praeeeptionem , nihil enim nos hoc verbo nti prohibet«
sed etiam suasioncm et consolationem et exhortationem necessariaoi
judicat. his adicit causarum inquisitionem, etymologlam (hierfür will
Zeller III 1 S. 207 Anm. aetiologia herstellen. Vgl. indessen Cicero
Acad. post. 32: verborum etiam explicatio probabatur, id est qoa^l^
causa quaeque essen t ita nominata, quam hvfioXoylav appellabiotl
quam quare dicere nos non audeamus, cum grammatici, cnstodesLt'
tini sermonis, suo jure ita adpcllent, non video. ait utilem fatnUB
et descriptionem cugusque virtutis: hanc Posidonius ethologiam vx^
quidam characterismon adpellant etc.
Das erste Buch. 351
grober Irrthnm aber ist es wenn in den Worten des Kirchen-
Taters unter den Verfassern von Trostschriften neben Kleito-
machos Karneades genannt wirdl Hieronymus will eine Trost-
schrift desjenigen Philosophen gelesen haben von dem das
Alterthum nur Briefe kannte! *) Besser konnte in der That
die unverschämte Lüge des frommen Mannes nicht entlarvt
werden. Wie flüchtig muss er aber auch seine Quellenschrift
gelesen haben! Denn dort konnte er natürlich nur die Be-
merkung linden, dass Kleitomachos den Inhalt seiner Trost-
schrift thcilweise oder wesentlich den Vorträgen seines Lehrers
entnommen habe.^) Lidessen mögen die Worte als glaub-
würdig gelten,^) so lässt sich aus ihnen doch höchstens fol-
gern dass Cicero in der Consolatio die Schriftsteller genannt
hatte die denselben Gegenstand behandelt hatten. Dasselbe
hatte nun Cicero auch in der Einleitung zum ersten Buch
der Schrift de divinatione gethan (6). Dort hatte er nach
Quysipp, dem Babylonier Diogenes und Antipater schliesslich
noch den Poseidonios genannt und weil nun dieser zulotzt-
genannte und jüngste zugleich derjenige ist auf den die
Quellenforschung über das erste Buch der Schrift de divi-
natione geführt hat, so hat Corssen oifenbar geschlossen dass
ebenso in der Consolatio der jüngste und an letzter Stelle
aufgeführte der Quellenschriftsteller gewesen sein müsse.
Diess ist aber ein ganz schablonenhaftes Verfahren, wie wir
») Vgl. Diog. IV 65 und prooem. 16.
*) Diess gilt von der Trostschrift, welche Kleitomachos an seine
Sefangcnen Landsleute richtete (Cicero Tusc. III 54\ auf die sich also
^er Wahrscheinlichkeit nach jene Bemerkung bezog.
•) Die Frage mag noch aufgeworfen worden wer der von Hiero-
oyxnns als Verfasser einer Trostschrift genannte Diogenes ist. Etwa
der Kyniker, unter dessen angeblichen Schriften Diog. VI 80 eine
'«^ ^vatov nennt? Vgl. dazu Wyttenbach Animadv. in Plut. I
8.699.
352 Die Tusculanen.
es leider in der modernen Quellenforsclmng öfter beobachten
Wenn Cicero in der Schrift de divinatione sich ausschliess-
lich an Posidon hielt und hinsichtlich der älteren Stoiker
sich mit dem begnügte was dieser ihm über sie mittheilte,
folgt daraus ohne Weiteres dass er auch in allen anderen
Schriften es sich in derselben Weise bequem gemacht habe?
Niemand wird diess behaupten wollen, und was insbesondere
die Consolatio betriflft so wird hier eine solche Annahme auf
das Bestimmteste widerlegt Denn wir haben doch keinen
Grund Cicero der Lüge zu verdächtigen, wenn er an Atticus
schreibt (XII 14): nihil de maerore minuendo scriptum ab
ullo est quod ego non domi tuae legerim (vgl. auch 21 Schi).
Also gelesen hatte er gewiss mehr als bloss Posidons Schrift
Immerhin bleibt die Annahme übrig, dass er sich schliesslich
an diese, wo nicht allein, so doch vorzüglich hielt, weil ihm
die Schrift des jüngsten Philosophen das Meiste zu bieten
schien. Für das regelmässige Verfahren darf man aber diess
keineswegs ausgeben: denn diese Behauptung umzustossoi
würde der Hinweis auf die Schrift de officiis genügen, iß
der er notorisch nicht nach jener Schablone gearbeitet son-
dern so weit es ging die Schrift des Panaitios und nicht
diejenigen seiner Schüler Poseidonios und Hekaton zu Grunde
gelegt hat. Und dass nach jenem Verfahren insbesondere
die Consolatio nicht zu Stande gekommen ist, könnte aber-
mals die Stelle eines Briefes an Atticus (XII 21 Schi.) lehren:
neque tarnen progredior longius quam doctissimi homines
concedunt quorum scripta omnia, quaecumque sunt in eam
sententiam, non legi solum quod ipsum erat fortis aegroti,
sed in mea etiam scripta transtuli quod certe adflicti
et fracti animi non fuit (vgl. Tusc. III 76). Da es mir aber
nicht sicher scheint ob wir berechtigt sind diese Worte
ausschliesslich auf die Consolatio zu beziehen, so sehe ich
von ihnen ab. Dass die Consolatio nicht aus einer Schrift
Das erste Buch. 353
sPoseidonios geschöpft war, lässt sich auch dann noch zei-
Q. Es beweist diess einmal das Fragment das Cicero sel-
r (Tusc. I 66) daraus mittheilt und in dem wir Folgendes
en: nihil est in animis mixtum atque concretum aut quod
terra natum atque fictum esse videatur, nihil ne aut hu-
lom quidem aut flabile aut igneum. Denn der strenge Spiri-
ilismus zu dem sich der Verfasser in diesen Worten bekennt
mit dem geläuterten Materialismus der Stoiker und Posi-
\B nicht zu vereinigen (vgl. Cicero Tusc. I 42), und das
igment schlägt einen ganz bestimmten dogmatischen Ton
der nicht so wie in den Tusculanen öfter geschieht auch
ii für andere Ansichten Raum lässt. In dieselbe Richtung
I dieses Fragment weist uns beim Suchen der Quelle auch
üeberlieferung. Denn der philosophische Standpunkt
i es verräth ist einer den wir uns wohl als denjenigen
uitors denken können, die berühmte Trostschrift dieses
ademikers aber soll Cicero selber als das Vorbild seiner
ttsolatio genannt haben. Letzteres beruht auf einer Näch-
st bei Plinius n. h. praef. 22; imd es gehört ein starkes
rtrauen in die untrügliche Sicherheit der eigenen Combi-
ionen dazu um sich wie Corssen (Rh. M. 36, 522) thut
)r ein so bestimmtes Zeugniss mit einem verächtlichen
tenblick hinwegzusetzen, zumal da Plinius Ciceros eigene
)rte anführt.^) Corssen zeigt sich aber hierin auch in-
isequent. Denn wenn einmal Hieronymus nur sagen soll
3 er bei Cicero gelesen hatte, dann muss dasselbe doch
üi von folgenden Worten der augeführten Stelle gelten:
imus Crantorem cujus volumen ad confovendum dolorem
im secutus est Cicero. Hieronymus hatte hiernach bei
"ero dasselbe gelesen wie Plinius. Die äusseren Zeugnisse
Bchen somit nicht für sondern gegen die Ansicht Corssens
') In consolatione filiae „Crantorem*' inquit „sequor".
Rirxel, Untersuchimgen. lH. 23
354 ^^6 Tusculanen.
dass die Hauptquelle der Consolatio und infolge dessen auch
des ersten Buches der Tusculanen nicht Krantor sondern
eine Schrift Posidons war.
Das Hauptargument von Corssen und das er selber da-
für angesehen wissen will steht noch aus. Es ist diess die
besondere Art Psychologie die von Cicero in Tusc. I vorge-
tragen wird (Rh. M. 36, 519). Das Besondere derselben be-
ruht darin dass sie weder die gemein stoische noch die
platonische Ansicht von der Seele rein darstellt sondern aus
beiden gemischt ist, mit den Stoikern die Seele für ein
Wesen materieller Substanz hält, mit Piaton hing^en ihr
sowohl Präexistenz als Unsterblichkeit zuspricht und den
Ursprung der Leidenschaften und Begierden nicht aus der
urtheilenden Vernunft ableitet. In der That eine Psychologie
dieser Art hätte alle Wahrscheinlichkeit für sich diejenige
Posidons zu sein,^) der Nachweis daher dass sie die wissen-
schaftliche Ueberzeugung des von Cicero benutzten Quellen-
schriftstellers wiedergibt mag auch als Beweis gelten dass
dieser Quellenschriftsteller kein anderer als Posidon war.
Aber ist denn dieser Nachweis von Corssen wirklich geführt
worden? Vor allem galt es zu zeigen dass die dogmatische
Ueberzeugung welche durch die skeptische Form noch durch-
schimmern soll auf stoischer Grundlage ruht. Corssen Disa
S. 6 f. (vgl S. 8 f.) zieht deshalb jenen Abschnitt herbei in
*) Wenigstens in Verbindung mit anderen Spuren die mehr aof
Posidon deuten. Denn sonst mOsste ein vorsichtiger Forscher aoch
daran denken, dass in ähnlicher Weise Platonisches und Stoisches iQ
mischen auch zur Eigenthümlichkeit des Antiochos gehört. Und ancb
gegenüber jenen andern Spuren könnte man auf Tusc. III 59 ter-
weisen; denn diese Stelle, namentlich wenn man mit ihr Plutarch a<i
Apollon. p. 110 vergleicht, lasse vermuthen nicht nur dass auch An-
tiochos eine Trostschrift verfasst hatte sondern auch dass
Cicero bei der Abfassung seiner Tusculanen vorlag.
/
Das erste Bach. 355
icm Cicero die Annahme einer Fortdauer der Seelen nach
em Tode für unabhängig erklärt von den Ansichten über
ire Beschaffenheit und sich daher für berechtigt hält vom
tandpunkt der verschiedensten Philosophien aus eine gewisse
nsterblichkeit zu behaupten (40 ff.). Corssen freilich weiss
wschen den Zeilen zu lesen: er erkennt dass im Grunde
BT die stoische Ansicht von der Unsterblichkeit vertheidigt
ird und die anerkennende Erwähnung auch der anderen
hilosophen nur ein fremdartiger Zusatz ist den Cicero dem
Jimal eingenommenen akademischen Standpunkt zu Liebe
Mnacht hat. Zu dieser zunächst gewiss auffallenden An-
ihme bestimmt ihn der Umstand dass nach seiner Ansicht
ie vor jenem Zusatz begonnene Argumentation nach dem-
Jben (42) wieder aufgenommen und damit auch der nur
)rübergehend verlassene stoische Standpunkt von Neuem
Btreten wird. Den aus den Prämissen gezogenen Schluss
um man füglich nicht bestreiten: es fragt sich nur ob jene
ditig sind. Wird denn wirklich die Argumentation unter-
rochen? Ja, wie wird denn überhaupt argumentirt? Corssen
Igt (S. 6) „mit physischen Gründen" (rationes physicae).
er Ausdinick ist nicht ganz klar: denn in gewissem Sinne
?liört zu dieser Art von Gründen auch der von der Selbst-
swegung entnommene und doch will Corssen diesen davon
aterscheiden. Es scheint also, wir sollen unter jenen phy-
schen Gründen solche verstehen die nur in der körper-
eben materiellen Welt gelten. Mit Hilfe dieser Gründe,
18 ist die Meinung von Corssen, wird bewiesen dass die
öelen zum Himmel aufsteigen. Diese Argumentation hat
)Tiach zur Voraussetzung die körperliche materielle Natur
6r Seele, sie ruht auf dem Grunde der stoischen oder doch
iner ihr verwandten Psychologie, jedenfalls nicht der pla-
Jnischon, Und doch kündigt Cicero selber ein platonisches
'Tgument für die Unsterblichkeit anl Wenn er es trotzdem
23*
356 Die TusculaneD.
unterlässt ein solches hier zu geben und dasselbe erst viel
später nachbringt (53 f.), so schien sich diess nur aus der
Abhängigkeit zu erklären in der er sich von der einmal b^
nutzten stoischen Quelle befand. Die Frage ist nur ob die
erste Prämisse dieses Schlusses wahr ist d. i. ob wirklich
bloss in physischer Weise argumentirt wird. Diess muss
verneinen wer nicht eine petitio principii begehen will. Denn
was Cicero (41) für den Fall bemerkt dass die Seele nicht
materieller Natur, feurig oder luftig sei, kann nicht aus
Gründen die nur für die materielle Welt gelten gefolgert
sein; dass diese Bemerkung aber sich nicht schon in Ciceros
Quelle vorfand soll eben erst bewiesen werden. Wir müssen
uns daher nach einem Grunde umsehen der für den einen
wie den anderen Fall Geltung hat ob wir nun die Seele für
ein materielles oder immaterielles Wesen halten. Ein solcher
Grund ist das Gesetz der Aehnlichkeit: denn dass Aehnliches
sich zu Aehnlichem gesellt, dieser Satz bewährt sich sowohl
in der geistigen wie in der körperlichen Welt Wenigstens
gab es Philosophen die dieses Gesetz so weit ausdehnten)
und zu diesen Philosophen gehört Piaton, der jenem Geseti
die Welt der Körper unterwirft (Tim. p. 53 A. 57 B), der von
ihm auch das Verhalten der Seele abhängig macht (Tim. 90 A)
und der auf dasselbe Gesetz einen seiner Beweise für die
Unsterblichkeit gegründet hat (Phaidon 79 A flf.).*) An den-
*) Vgl. bes. 80 D : ij Sh ywx^) ä^a rb deiSiq, rh slq xotovtw to-
nov ^TSQov olxofjtevov, yevvalov xal xaSttQov xal deid^, slg ÄtS^v
ütg d?.Tfd-<Jjg xxX. 81 A: ovxovv ovto) ixhv exovaa slg tö dfioiov cf»^»
tb deiöig, dni^x^tai, rb ^elov re xal dd-dvatov xal (pQovifiOv xd.
84 A. f.: (V^'XV dvÖQoq <piXoo6<pov) knofjiivyj roi Xoyiaftif xal dsl tv
tovTO) ovoa, rb dXii^tq xal xb B^elov xal tb döo^aoxov &eaf/iivil xai
vn^ ixsivov ZQSipofjiivT] ^^v ts oiexai ovxo) Selv k'iog av 5y ^f^ ^^^^
öäv rekevti^ay etg tb ^vyyevhg xal slg tb toiovtov dtpixofiivti a^l^'
Xdx^ai twv dv&QutnlvufV xaxäiv.
Das erste Buch. 357
Iben Philosophen werden wir ferner dadurch erinnert dass
n der Ordnung der Elemente in der Welt das Gleich-
wicht derselben abgeleitet wird:*) wenigstens soll nach
m. p. 52 E vor der Ordnung der chaotisch durcheinander
Agenden Elemente auch das Gleichgewicht gefehlt haben.')
scheint sich bei schärferer Betrachtung die Argumentation
oeros aus einer stoischen, wofür sie uns Gorssen und auch
dne') ausgeben, in eine platonische zu verwandeln. Dass
oero bei dieser Auffassung des in Rede stehenden Ab-
mittes nun nicht mehr wortbrüchig wird, dass er ein pla-
usches Argument fiir das Fortleben der Seele nach dem
de wie er es mit Emphase versprochen hat nun auch
rklich mittheilt kann in den Augen eines vorurtheilslosen
trachters das Resultat der Untersuchung nur bestätigen,
nz abgesehen davon dass doch auch die gedankenlose
') 40: eam porro nataram esse quattuor omnia gignentium cor-
1UD Ol, quasi partita habeant interse ac divisa momenta,
rana et humida suopte natu et suo pondere ad pares angulos in
ram et in mare ferantor etc. Dem im Aether schwebenden Geiste
d 43 ein Gleichgewicht zugeschrieben (tarn quam paribus exami-
08 ponderibus); aus keinem andern Grunde sollen sich aber auch
Seelen, wie sie der Phaidros unter dem Bilde eines Rossegespanns
ildert, in der Höhe erhalten, vgl. p. 247 B (ra fihv ovv d-eätv dxnfJiCLra
ifonofg svijvia ovra ^aSlwq no^svsrat, r« Sh aXXa fxoytq' ßQl&si
> i r^C xdxTjg "nnoq fistix^^» ^^^ ^V** yv^ ^hcwv xe xal ßa^votv
ß^ xoAo;^ r/v Ts&Qa/jifjiivog rwv ^vtoxfov). Welche Bedeutung
lerdem Piaton dem Gleichgewicht beilegte so dass er daraus das
weben der Erde im Mittelpunkte der Welt erklärte, ist aus Phai-
1 p. 108 E bekannt.
*) Von der ungeordneten Materie heisst es: navroSan^v fisv
IV fKjdvBoQiti» 6ia 6h xo fiijd'' bfjioltov Swdfjteatv firix^ lao^^onwv
ünXaaS^ai xax* oiShv avxijg lao^^nelv «AA.* dvojfxdliog ndvx^
ttnovfidvriv aelea&ai xxl.
*) In seiner Ausgabe bemerkt er zu 40 dass bis zu c. 23 stoische
^eise folgen.
358 I^ie Tusculanen.
Flüchtigkeit die man Cicero zutrauen kann ihre Grenze hat
und diese Grenze überschritten zu werden scheint wenn man
ilm erst ein platonisches Argument aufs Bestimmteste an-
kihidigen und daim fast im selben Athem ein stoisches ?or-
tragen lässt. Trotzdem wird jenes Resultat so lange nicht
überzeugend sein als nicht der wichtigste von Corssen für
seine Ansicht beigebrachte Grund widerlegt ist. Derselbe
liegt offenbar darin dass die Seele insofern sie köq)erliclier
Natur ist von feurig luftiger Substanz sein soll: denn diesB
ist die bekannte stoische Ansicht, die auf eine stoische Quelle
um so mehr hinweisen würde wenn den anderen Fall dasB
die Seele unkörperlicher Natur sei Cicero von sich aus ohne
den Vorgang seines griechischen Gewährsmannes gesetzt hätte.
Aber entspricht denn wii'klich was Cicero über die körper-
liche Natur der Seele aussa^ der stoischen Ansicht? Corssen
nimmt es an. Bei Cicero aber lesen wir nur Folgendes (40):
quao cum constant perspicuum debet esse animos cum e
corpore excesserint, sive illi sint animales id est spirabiles
sive ignei, sublime ferri. Diess heisst doch nach dem strengen
Verstände: die Seelen sind entweder feurig oder luftig, nidit
aber: sie sind Beides zusammen. Und doch würde nur das
Letztere der gewöhnlichen Ansicht der Stoiker entsprechen
und insbesondere derjenigen stoischen Ansicht die im Fol-
genden (42) adoptirt wird.^) Die Worte aber im strengen
Verstände zu nehmen ist zunächst gewiss die Pflicht jeder
Interpretation. Hier wird sie uns noch besonders eingeschärft
durch die Betrachtung einer ähnlichen platonischen Stelle.
^) Ungenau heisst es 19: Zenoni Stoico animus ignis videtor-
Auch hier wird indessen von dieser Ansicht die andere unterschiedeD
welche die Seele für luftartiger Natur (anima) erklärt. Im üebrig«*
ist es diese frühere Stelle 18—23, auf welche die spätere zurück«-
weisen und zu der sie sich wie ein kürzerer Auszug zu veriiAl^
scheint.
Das erste Buch. 359
mn im Phaidon p. 96 B wird es als ein Problem bezeichnet
> das womit wir denken das Blut oder ob es Luft oder
juer oder endlich ob es das Gehirn sei. Da nun auch von
icero die Ansichten berücksichtigt werden, nach denen die
)ele an das Blut und das Gehirn gebunden ist, so geht
ie Aehnlichkeit zwischen beiden Stellen weit genug um uns
i nöthigen dass wir unter denen welche nach Cicero die
eele für luftig oder feurig erklärten dieselben verstehen
eiche Piaton hierbei im Auge hatte, also ältere Natnr-
bilosophen wie Heraklit und Diogenes von Apollonia und
öinesMls die Stoiker.^) Hat Corssen es in diesem Falle
dt der von Cicero gestellten Alternative zu leicht genommen
) hat er eine solche in einem anderen ganz übersehen,
•as Aufsteigen nämlich von Feuer und Luft wird nicht
ihlechthin aus einem Naturtriebe dieser Elemente abgeleitet
mdem daneben die Möglichkeit gelassen dass es auf me-
umischem Wege vor sich gehe und die Wirkung eines Ab-
fallens der leichten an den schweren Körpern sei.^) Der
^ Theil dieser Alternative, auf den Corssen wie es scheint
lein geachtet hat, entspricht nun allerdings der stoischen
nsicht, aber freilich nicht bloss dieser sondern ebenso sehr
9r platonischen und aristotelischen.^) Also nicht einmal
') In demselben Sinne sind dann anch die anderen Stellen der
Dscolanen auszulegen, 65, 66 und 70.
*) 40: hae (duae partes una ignea altera animalis) rursum rectis
Aoig in caelestem locum subvolent sive ipsa natura superiora ap-
)tente sive quod a gravioribus leviora natura repellantur.
') An Aristoteles erinnert insbesondere noch dass die Bewegung
sr schweren Körper zum Mittelpunkt unter gleichen Winkeln statt-
^en soll (ad pares augulos, vgl. S. 357, 1). Denn man vergleiche
•■ der Schrift vom Himmel II 14 p. 296^ 20: öti tä (peQOfxeva ßaQtj
•^ TCfiTJ/v (tjJv yijv) ov nag^ äkXr^ka tpigstai dXXä ngog bfiolaq
360 I^ie Tuscalanen.
wenn der erste Theil der Alternative als Behauptung fii
sich allein stünde, würde er den stoischen Ursprung beweisei
können. Noch weniger kann er diess in Verbindung mil
dem zweiten: denn dieser enthält die entgegengesetzte Be-
hauptung wie sie bekanntlich (Zeller I 754, 1, III 1 S. 410,3)
von der atomistischen Schule Demokrits und Epikurs aufge-
stellt worden war. Ein Stoiker konnte aber dieselbe der
eigenen Ansicht nicht als gleichberechtigt gegenübersteU^
Wollte man trotzdem die Hypothese des stoischen Ursprungs
festhalten, so müsste man annehmen dass der Stoiker die
Ansicht der Gegner angeführt und sodann sie widerlegt,
Cicero aber die Widerlegung fortgelassen und die Anfuhrung
so eingerichtet hätte wie sie seinem skeptischen Standpunkt
entsprach. Aber wie konnte ein Stoiker in einer Schrift der
Art wie wir uns die gesuchte Quelle vorstellen müssen An-
lass finden zu einer so eingehenden' Behandlung eines rein
physikalischen Problems die ihn sogar bis zur Kritik entgegen-
stehender Ansichten führte? Zu der Annahme aber, dass Cicero
selber diesen Zusatz gemacht, würden wir uns nur dann ver-
stehen wenn derselbe etwa sich mit der übrigen Darstellung
in Widerspruch befände. Nun ist es die Absicht dieser Da^
Stellung wie wir gesehen haben das Gesetz der Aehnlichkeit
zur Anerkennung zu bringen: bestünde daher dieses GesetJ
darin dass überall von Natur Aehnliches zum Aehnlichen
getrieben wird, so wäre durch die Anerkennung derselben
der zweite Theil der Alternative, dass auch eine bloss me-
chanisch wirkende Ursache, ein Stoss, diese Verbindung her
beiführen könne, ausgeschlossen. Es lässt sich aber diesem
Gesetz auch anders formuliren, so wie ich diess oben (S. 356)
gethan habe: hiemach beruht es darin dass Aehnliches sich
zu Aehnlichem gesellt ohne über das Wie dieser Verbindung
etwas auszusagen. Da nun in dieser allgemeineren Fassung
das Gesetz auch die Atomistiker gelten liessen, so ist der
Das erste Buch. 361
iersprnch, den man aus der Alternative hätte ableiten
inen, beseitigt und damit auch fiir uns das Rocht ge-
vrunden den zweiten Theil derselben fiir einen von Cicero
«t gemachten und nicht schon in seiner Quelle gefun-
en Zusatz anzusehen. Der Skepticismus greift also doch
ßr in die ciceronische Darstellung ein als Corssen annahm,
un wenn sie schon das platonische von der Aehnlichkeit
genommene Argument anerkennt, so lässt sie doch inner-
1) dieser Anerkennung den Gefdanken freien Spielraum
. gibt insbesondere die Vorstellungen über die eigen-
nliche Natur der Seele frei, indem sie die letzteren ein-
1 auffuhrt. Der Faden an den sie sich dabei hält scheint
chronologische zu sein. Zuerst werden die Meinungen
äcksichtigt denen zufolge die Seele feuriger oder luftiger
ur, Meinungen von denen wir schon sahen dass ihre
treter in den Reihen der alten Naturphilosophen zu
bon sind. Hieran schliessen sich die Ansichten des Xeno-
tes und Aristoteles. Diese Ansichten so verschieden sie
igens unter sich sind haben doch das mit einander ge-
Ji dass sie in der Seele ein selbständiges Wesen erblicken.
1 ihnen sind daher alle die zu trennen welche diess leugnen
es nun dass sie die Seele mit irgend einem Theile des
:pers identificiren oder dass sie in ihr den Ausdruck fiir
Verhältniss (Dikaiarchos und Aristoxenos) oder das Er-
niss einer Verbindung (die Atomistiker) materieller Theile
en. Auch was hierüber gesagt wird stört die chronolo-
5he Folge nicht. Denn aus der Phaidonstelle (s. S. 359)
en wir dass die welche die Seele fiir nichts als Gehirn
r Blut hielten *) ältere Naturphilosophen waren, und eben
') Die betreffenden Worte Giceros lauten 41: ne tarn vegeta
>8 aat in corde cerebrove aut in Empedocleo sanguine demersa
at.
362 I^ie Tusculanen.
solche oder doch Aeltere*) dürfen wir auch in denen Ter-
muthen welche sie mit dem Herz zusammenwarfen.^) Der
Zeitfolge entspricht es also wenn lüeran die Besprechung
von Dikaiarchos' und Aristoxenos' Lehre geknüpft wird. Und
auch die ei*8t hieran angeschlossene Erwähnung der Ato-
mistiker widerspricht nicht, sobald wir nur nicht vorzugs-
weise dabei an Demokrit sondern an die Cicero und seine
Zeitgenossen mehr interessirenden Epikui*eer denken — eine
Annahme die sich auch dadurch empfiehlt dass unmittelbar
nach den Atomistikem von den Stoikern und namentlich
von Panaitios d. i. von zeitgenössischen Philosophen die Rede
ist. Ja d()pi)elt passend und keineswegs willkürlich erscheint
die Erwähnung der Atomistikor gerade an dieser Stelle weil
sie darüber dass die Seele ein feuer- und luftartiges Wesen
mit den Stoikern vollkommen übereinstimmten und gewiss
nicht ohne Grund dieser Theil ihrer Ansicht von Cicero
noch besonders hervorgehoben wird.^) Da sonach die an-
gebliche Zerrissenheit und Unordnung der Darstellung in
*) Vielleicht sollte dadurch die VolksmeiuuDg bezeichnet wer-
den, vgl. Heine zu Tusc. I 18.
*) An die Stoiker darf hier deshalb nicht gedacht werden, well
diese zwar die Seele in das Herz verlegten, aber sie nicht für eio
und dasselbe mit ihm erklärten. Hierauf aber kommt es gerade an*
Denn die Frage nach dem Sitz der Seele behandelt Cicero als eine
offene (70). £r selber unterscheidet aber auch ausdrucklich die
stoische Ansicht d. i. die welche das Herz nur für den Sitz der Seele
erklärt von der andern nach der das Wesen der Seele von der Natur
des Herzens nicht getrennt werden kann, vgl. 18 f.
*) 42: illam vero funditus ejiciamus individuorum corporum le-
vium et rotundorum concursionem fortuitam; quam tamen Democritos
concalefactam et spirabilem id est animalem esse vult. Mir scheio^
sogar das einschränkende „tamen" nur dann erklärlich wenn Cicero
schon die stoische Lehre im Sinne hatte, und dadurch auf das hin-
weisen wollte was bei aller sonstigen Verschiedenheit der atomisti-
schen mit der stoischen Ansicht gemeinsam war.
Das erste Buch. 363
dichkeit nicht vorhanden ist, so lässt auch dieser 'Grund
nicht mehr geltend machen um dai*aus vorwiegende
itzung einer stoischen Quelle unterbrochen durch eigene
aten Ciceros zu beweisen. Ebenso wenig darf man
auf die Ungleichmässigkeit in der Besprechung der ver-
deneu Ansichten und insbesondere darauf berufen dass
lus am ausfühi'lichsten die stoische Lehre eröii;ert wird
l): denn diess würde sich leicht aus dem hervorragen-
Interesse erklären das Cicero und seine Lehrer gerade
lieser Philosophie nehmen mussten. — Hiermit ist der
ung Corssens über den Ursprung des ersten Buches in-
n sie auf der Annahme beruht dass die eigcnthümliche
i vorgetragene Psychologie nur die des Poseidonios sein
ihr Fundament entzogen: denn die Psychologie des
idonios muss doch vor allen Dingen eine stoische sein,
der Abschnitt aber der den Beweis für den stoischen
akter der bei Cicero vorausgesetzten Psychologie liefern
3 in Wirklichkeit diess nicht thut hat hofifentlich die
angestellte Erörterung gezeigt. Obgleich daher wenn
Stoiker der Quellenschriftsteller sein müsste die ausser-
hervortretenden Piatonismen uns weiter auf Poseidonios
m würden, so sind dieselben für sich allein doch nicht
: beweiskräftig. Ja bei näherer Betrachtung stellt sich
r heraus dass es nicht leicht, wo nicht unmöglich ist
)lben mit der sonst bekannten Lehre dieses Stoikers zu
nigen. Dahin gehört die Annahme einer Präexistenz der
m, wie sie 57 gemacht wird. Corssen freilich sucht zu
iisen dass eine solche mit Poseidonios' Ansichten überein-
oae. Aber der eine aus der Schrift de diviuatione herge-
üttene Grund, den er S. 31 anführt, ist schon von Zeller
1 S. 582, 1, 3. Aufl.) erschüttert worden und was den
ren betriflft den er S. 46 einer Stelle des Sextos Em-
kos entnimmt so darf ich denselben wohl durch meine
364 1^16 Tuscnlanen.
früheren Erörterungen (Theil II S. 144 Anm.) als beseitigt
ansehen. Auf meine eigenen Erörterungen kann ich mich
auch noch in einem anderen Falle beziehen. Von Poseido-
nios leitet nämlich Corssen S. 40 ff. auch das platooische
Argument ab welches aus der Selbstbewegung der Seele
deren Ewigkeit erschliesst. Cicero hat es sich 53 f. zu
Nutze gemacht Da er aber bemerkt dass er dasselbe schon
einmal, im sechsten Buche seines Werkes über den Staat,
verwerthet habe, so hat Corssen mit Recht vermuthet dass
es zunächst von dorther genommen sei. Dem Poseidonios
entgeht Cicero freihch auch so nicht: denn auch jene Stelle
des Werkes über den Staat, der Traum Scipios, soll einer
Schrift dieses Stoikers entnommen sein.*) Dabei hat sich
Corssen indessen eine sehr wichtige Frage gar nicht vor-
gelegt: ob nämlich und wie weit überhaupt Poseidonios
dieses platonische Argument sich aneignen konnte. Dieses
Argument will nicht nur die Unsterblichkeit der Seele son-
dern ihre Ewigkeit beweisen und zwar die Ewigkeit im strengen
Sinne des Wortes, da die Dauer eines Wesens das das Prin-
cip der Bewegung und des Lebens in sich selber trägt weder
nach vor- noch nach rückwärts beschränkt werden kann.
Nun hielt aber Poseidonios an dem stoischen Dogma von
der Weltverbrennung fest (Zeller III 1 S. 575, 3, 3. Aufl.)- ^
dem angegebenen Sinne konnte er daher das platonische
Argument nicht gelten lassen da jenem Dogma zufolge alles
Einzelne in der Welt, und somit auch die individuellen Seelen,
so gut wie es einen Anfang der Existenz hat auch ein Ende
haben muss. Wollte er also trotzdem die Uebereinstimmung
mit Piaton nicht aufgeben, so blieb ihm nur übrig sich mit
') Nach Corssen S. 40 würden wir hier sogar das wunderbare
Schauspiel haben dass Cicero ohne es recht zu wissen und im Gra-
ben sich selber auszuschreiben denselben Gewährsmann benutzte den
er sich ohnediess für die Tusculanen gewählt hatte.
Das erste Buch. 365
einer neuen Interpretation zu helfen. Und in der That hat
BT diesen Ausweg ergriffen. Denn, worauf ich schon früher
;Th. I S. 238) hingewiesen habe, er verstand unter der Seele
leren Ewigkeit bewiesen wurde nicht die individuelle son-
lem die des Universums, und konnte nun glauben die plato-
üsche und stoische Lehre mit einander ausgesöhnt zu haben
la das seelische Leben im Ganzen der Welt auch durch die
Skpyrosis der Stoiker nicht aufgehoben wurde. So verstand
i^oseidonios das platonische Argument. Und wie versteht
« Cicero? Beidemal wo er sich seiner bedient bezieht er es
mf die Ewigkeit der individuellen Seele d. h. er gebraucht
fi in einem Sinne gegen den Poseidonios mit seiner Erklä-
iing eben protestiren wollte. Dieses Stück Piatonismus in
Diceros Darstellung kann daher nicht auf Poseidonios' Rech-
nug gesetzt werden.
Neben der eigenthümlichen Psychologie, die sich im
ersten Buche der Tusculanen finden soll, kommen andere
Gründe die Corssen zur Bestätigung seiner Ansicht beibringt
veniger in Betracht. So beruft er sich S. 6 f. darauf dass
mm Beweise eines Fortlebens nach dem Tode auch der
Volksglaube an ein solches benutzt werde.*) Niemand wird
bestreiten dass ein Stoiker so argumentircn konnte oder
lass wirklich Stoiker so argumentirt haben. Falsch ist nur
Üe für die Giltigkeit des Beweises nöthige Voraussetzung
to nicht auch andere Philosophen so argumeutiren konnten.
Wissen wir doch dass in derselben Weise schon Aristoteles
im Eudemos den Glauben an die Unsterblichkeit begründet
hatte.') Und in derselben Weise war der Stifter der peri-
patetischen Schule, der überhaupt in der Volksmeinung eine
') Vgl. bes. 35: quodsi omnium consensns naturae vox est omnes-
<|ae qoi ubique sunt coDsentiunt esse aUquid qnod ad eos pertmeat
V^ Yita cesserint, nobis quoque idem existimandtim est.
*) Vgl. fr. 33 der akadem. Ausg. mit Tusc. I 27.
366 I>ie TuscnlaDen.
gewisse Bürgschaft der Wahrheit sah,*) auch sonst verfahn
namentlich auch wo es sich darum handelte die Existe:
von Göttern zu beweisen.*) Eben hierauf hat das gleid
Argument auch Cicero angewandt (36). Aber weder in diese
noch in jenem Falle werden wir uns jetzt für genöthigt ha
ten hierin eine Spur stoischen Einflusses zu sehen: denn wer
Aristoteles sich solcher Argumente bediente, warum sollt<
dasselbe nicht auch noch andere Philosophen nach sein*
Zeit gethan haben ohne deshalb gerade der Stoa anzogt
hören? — Noch weniger als die Verwendung dieses Argumen
gestattet der Gebrauch eines stoischen Kunstwortes den Schlu
auf eine stoische Quelle, da die stoische Kunstsprache n
der Zeit, fast kann man sagen, die allgemeine Sprache d«
Philosophie geworden war. Wenn also Cicero erwähnt da
man zur Bezeichnung der platonischen Ideen sich des Wort
Ivvoiai bediene (57), so folgt daraus nicht wie Corssen S.5
meint ^) dass er hier aus stoischer Quelle schöpfte: zumal (
ivvoia um einen Gedanken, eine Vorstellung zu bezeichni
gar kein specifisch stoischer Ausdruck ist und die Uebe
lieferung Zenon habe die Ideen so genannt uns kein Rec
gibt zu leugnen dass jemals ein Anderer sie ebenso hal
nennen können.*) Corssen hat aber hier noch etwas Ander
^) Vgl. bes. Eucken Die Methode der arifitotelischen Fonchn
S. 12 £F.
«) Zeller II 2 S. 792 ff.
°) Dasselbe behaupten Tischer und Heine in den Anmerk. s. i
*) Die Prolcpseis, die' noch dazu ein Analogon zu den Ide
sind, nannten auch die Epikureer so (Diog. X 33). Ja es ist nie
einzusehen weshalb nicht selbst ein Platoniker sich dieses Aasdroc
bedient haben könne. Denn Piaton selber hat es gethan. Im B
lebos p. 59 D werden die auf das wirklich Seiende bezüglichen Vo
Stellungen , also eben die Ideen von denen auch hier die Rede ii
mit diesem Namen bezeichnet (^r zaTq nfgl ro ov ovrwq iwoitui
und um die Uebereinstimmung mit der ciceronischen Stelle Tolleoc
Das erste Buch. 367
übersehen oder doch nicht genügend beachtet. Der Beweis
dass alles Wissen eine Wiedererinnerung sei zerfällt bei Cicero
in zwei Theile. Der erste beruht darauf dass thatsächlich
der Mensch ohne vorher unterrichtet zu sein die Kenntniss
einer Menge von Dingen in sich trägt und auf dahin ge-
riditete Fragen zu antworten weiss. ^) Das ist derjenige Thcil
der im Menon ausgeführt wird, aber auch im Phaidon
(p. 73 A ff.) nicht vergessen ist. Der andere folgert dass
weil die Ideen in der sinnlichen Erfixhrung nicht gegeben
sind der Geist sie aus einer früheren Existenz mitgebracht
haben muss.*) Diesen Theil finden wir im Phuidon (p. 74 A ff.),
angedeutet auch im Phaidros (vgl. p. 247 D f., 249 B f.,
dorchzu führen wird im Phaidon derselbe oder das ihm stammver-
wandte Zeitwort (^vvoetv) zur Bezeichnung eben solcher Vorstellungen
S^nacht die auf der Wiedererinnerung beruhen (p. 74 A ff. 75 A ff.
76A). Vgl. auch Sympos. p. 'JlOB tovto d' ivvojjaavza wo das zovro
Wif ro inl näai Tolg owfiaai xuU.oq zurückweist. — Es braucht hier-
Dtch die Möglichkeit nicht mehr berücksichtigt zu werden die sonst
ond namentlich für Corssen gegeben war, dass nämlich die Worte
n()aa8 iwolag vocant" nicht eine Andeutung sind über den in der
piechiflcben Quelle gebrauchten Ausdruck sondern dem Gedanken
nach bereits in dieser enthalten waren und vom Standpunkt des Pla-
tonikers aus auf die von den Stoikern beliebte Bezeichnung der Ideen
binweisen sollten.
') 57: docet enim (Socrates") quemvis, qui omnium rerum rudis
^tte videatur, bene interroganti respondentem declarare se non tum
Ula discere sed reminiscendo cognoscere; nee vero fieri ullo modo
Po>se ut a pueris tot rerum atque tantarum insitas et quasi consigna-
^ in animis notiones quas ivt'oicc^ vocant, haberemus nisi animus,
tntequam in corpus intravisset, in rerum cognitione vignisset.
*'\ Nach den in der letzten Anmerkung angeführten Worten
wt Cicero fort: Quumque nihil esset, ut omnibns loris a Platone
disseritur, — nihil enim ille putat esse quod oriatur et intereat id-
l^e solum esse quod semper tale sit quäle est; iducr appellat ille,
^ speciem — non potuit animus haec in corpore inclusus adgno-
■c^, cognita attulit.
368 Die TuBculaDen.
250 A f.), er fehlt aber im Menou. Beide Theile sind also
nicht identisch sondern haben jeder seine besondere Bedeu-
tung vormöge deren sie einander ergänzen und dürfen daher
von uns nicht aus der Verbindung gerissen werden in die
sie Cicero und schon vor ihm Piaton im Phaidon gesetzt
hat, d. h. wir sind ohne einen besonderen hinzukommenden
Grund nicht berechtigt nur den einen von ihnen der grie-
chischen Quelle Ciceros zuzuweisen und den anderen für ;
einen von Cicero unmittelbar von Piaton genommenen Zusatz
zu betrachten. Auch die Ansicht Corssens scheint diess ]
nicht zu sein oder wenigstens hat er es nicht ausgesprochen
dass nur derjenige Theil innerhalb dessen das Wort Ivvoia
zur Verwendung kommt auf Pöseidonios zurückgeht Abör
freilich die nothwendige Consequenz die sich von diesem
Standpunkt aus ergibt hat er nicht gezogen. Was nämlich
den zweiten Theil betrifft, so kann dessen Giltigkeit kein
Stoiker und auch Pöseidonios nicht anerkannt haben, da er
auf dem schroffen Gegensatz der Ideen als des rein Seienden
und der Welt der Sinne als des bloss Werdenden beruht
und somit eine mit der stoischen schlechthin unvereinbare
Lehre enthält. Da nun aber an sein Schicksal auch das des
ersten Theilos geknüpft ist, so folgt dass auch dieser dem
Pöseidonios abgesprochen werden muss d. h. der ganze Ab-
schnitt nicht auf ihn zurückgeführt werden kann.
Schon diese letzte Erörterung hat uns zu solchen Ein-
wänden geführt die sich nicht zunächst gegen die von Core-
sen eingehaltene Weise der Argumentation richten sondern
gegen die Behauptung selber dass der Ursprung der cicero-
nischen Darstellung bei Pöseidonios zu suchen sei. Solcher
Einwände mache ich hier noch zwei namhaft. Der eine
gründet sich darauf dass in dieser Darstellung die gemein
stoische Ansicht von der Unsterblichkeit ausdrücklich ve^
werfen wird. Nun wird aber diese Ansicht ab diejenige
Das erste Bucli. 369
)e8tiimnt nach welcher die Seelen zwar mit dem Tode des
Jähes nicht aufhören zu oxistiren, aber auch nicht ewig
öndem in ihrer Fortdauer durch das Weitende beschränkt
md. Die Ansicht "ist also genau dieselbe die wir genöthi^t
ind auch für Poseidonios vorauszusetzen solange Wir ihm
icht die Lehre von der Ekpyrosis absprechen. Soll daher
Nytzdfem Cicero auch hier wo er eine Ansicht des Poseidö-
äö9 bestreitet sich an denselben angeschlossen haben, so
oilbste dieser Anschluss doch durch die Selbständigkfeit mit
1* Cicero das von der Quelle gebotene Material bearbeitete
ehf gelockert worden sein. Denn nur die Kenntniss der
rasbhen Ansicht über die Unsterblichkeit könnte Cicefb
tJii Poseidoiiios entnommen, die Widerlegung derselben da-
BpÄi müsste er von sich aus hinzugefügt haben. Diöss
ötitöre wird indessen durch einen besonderen Umstand uti-
MlirsefaeJnlich. Sehen wir uns nämlich die Widerlegung näher
Bi,'8o stellt sich heraus dass dieselbe sehr leicht von den
teikeni zurückgewiesen werden konnte, so leicht dass siö
igeritlich gar nicht als Widerlegung gelten kann. Cicerb
iPttidet den Stolkern ein dass wenn sie einmal eine Fort-
lat^r äer Seele nach dem Tode zugäben kein Gnmd für
iö' vorhanden sei dieselbe zu beschränken und nicht ins Un-
fndHcbe auszudehnen. ') W^as die Stoiker hierauf ohne Zweifel
flNfidert haben würden war dass der vermisstc Grund in der
SkRfrosis gegeben iei die wie sie der Existenz aller einzel-
<te Dinge^ sö auch der der einzelnen Seelen ein Ende mache.
^ 'iSi M. Numquid igitür est cäussae qoin äüiicos nostros Stoi-
^ dimitUmii«^ eos dico qni ajunt animos manere cum e corpore
vneaseridl $ed non lemper. A. Istoa vero: qui qnod tota ia hac
^!|NR dif^illüpum est suscipiant posse anlmum mauere corpore va-
U^j illud autem quod non modo facile ad credeDdum est Bcd eo
ooQesso quod volunt consequens, id vero non dant ut quura diu per-
üÜuerit ne intereat. A. Bene reprehendis et se isto modo res habet.
Hiriel, ünt^mnchuiiff«!. HI. ^'»
370 I>ie Tiisculanen.
Selbst ein oberflächlicher Kenner der griechischen Phili
Sophie musste diese Antwort voraussetzen. Um es dahi
überhaupt zu erklären wie ein solcher Einwand erhoben wei
den konnte ist es nöthig anzunehmen dass wer diess th
auf dem Boden einer anderen Weltanschauung stand und di
Ekpyrosis der Stoiker leugnete. Poseidonios kann diess frei
lieh nicht gewesen sein, wohl aber Panaitios auf den ui
das unmittelbar Folgende führt und so uns alles unnöthig
Rathen erspart. Denn es ist nicht bloss der Name die«
Philosophen den es uns ins Gedächtniss ruft, sondern auc
der Zusammenhang in den es Cicero mit dem Vorhergehe»
den gesetzt hat findet erst unter der Aimahme dass beide
die Meinung des Panaitios wiedergibt seine volle Erkläruni
Cicero fahrt nämlich nachdem er in der angegebenen Weis
die stoische Unsterblichkeitslehre bestritten hat folgender
maassen fort (79): credamus igitur Panaetio a Piatone so
dissentienti? Diese Worte bilden den Uebergang zu den beide
Gründen aus denen Panaitios sich gegen Piatons Annahm
der UnVergänglichkeit der Seele erklärt hatte. Wie kann nu
Cicero den Glauben an diese Gründe, d. i. den Glauben an di
Vergänglichkeit der Seele als eine Consequenz (igitur) desVoi
hergehenden d. i. der Widerlegung der stoischen Ansicht bc
zeichnen? Denn die Absicht der ganzen Erörterung in dere
Zusammenhang auch die Widerlegung der stoischen Ansid
gehört geht doch, wie sich namentlich 81 herausstellt, dahi
den gewonnenen Glauben an die Unsterblichkeit noch nad
träglich durch einige neue Argumente zu befestigen, l
also in diesem Siime auch die Widerlegung der Stoiker gc
meint und ist dieselbe wie Cicero selbst ausdrücklich ein
räumt („bene reprehendis" sagt er zu A. der die Widerlegnni
gegeben hat „et se isto modo res habet") gelungen, so kani
die Consequenz nur die Stärkung des Glaubens an die Ün-
sterbliclikeit und nicht ein Hinneigen auf die Seite ein«
Das erste Buch. 371
gners sein wie doch Pauaitios war. Die Frage wo denn
durch „igitur*' angedeutete Consequenz liege, hat auch
on Andere beschäftigt. Unter diesen brauche ich Heine
fontibus Tuscul. disp. S. 9) nicht zu berücksichtigen da
le Erklärung des fraglichen Wortes zur Voraussetzung hat
is Panaitios in Betreff der Unsterblichkeit mit den übrigen
ikern übereinstimmte — eine Voraussetzung die von Zeller
1 1 S. 563, 1) genügend widerlegt worden ist und schwer-
1 noch von jemand gebilligt wird. ^) Dagegen ist über
rssens Meinung (Diss. S. 3 f.) noch ein Wort zu sagen,
es sich, meint er, hier um diejenigen handele welche
itons Ansicht von der Unsterblichkeit bekämpfen, alle die
»iker aber welche der Seele nur eine beschränkte Dauer
lestehen bereits abgethan seien, so blieben nur noch die
rig die schlechtweg jede Fortdauer leugneten d. i. Panai-
8, und die Besprechung von dessen Ansicht sei somit aller-
igs eine aus der vorangehenden Erörterung entspringende
asequenz. ^) Dieser Schluss so bündig er scheint ist es
A oflFenbar nur dann wenn die welche Piatons Ansicht
') Die Frage „credamus igitur'^ etc. könnte übrigens in diesem
De nur eine solche sein, die eine verneinende Antwort erwartet,
an im Vorhergehenden war ja die Ansicht der Stoiker d. i. nach
ine die des Panaitios abgethan worden, Cicero konnte daher emst-
t nicht im Zweifel sein ob er derselben zustimmen solle oder
ht Wenn er trotzdem solche Zweifel durchblicken lässt da er ja
Folgenden die Argumente des Panaitios in verhältnissmässig ein-
tender Erörterung zu entkräften sucht, so beweist diess eben dass
Ines Auffassung des igitur nicht richtig sein kann.
*) Corssens eigene Worte sind: Quid autem est cur in particula
itor*' ofifendamur? Nam cum de eis agatur qui Piatonis de im-
rtalitate animorum sententiam impugnent, adulescens autem eos
icos qui semper eos manere negent dimittendos esse censeat, restat
de eis disputetur qui animos post mortem statim interire judicent.
leronis igitur intcrrogatio sie excipit adulescentis responsum ut
ÜGulam consecutivam adhibere necesse fuerit.
24*
372 I>ie TuBculaoen.
«
bekämpfien fiir Cicero hier mit den Stoikern znsammen&Uea
Diess ist aber keineswegs der Fall: denn kurz vorher (77]
nennt er ausser ihnen noch die Epikureer und besonder«
Dikaiarohos als Gegner der Unsterblichkeit Wenn dabei
die Stoiker abgethan waren soweit sie eine beschränkte Fort-
dauer zugaben, so folgte noch nicht dass nun Panaitios so
die Beihe käme sondern insofern Cicero auch an sie bei den
Gegnern der Unsterblichkeit dachte hatten dasselbe Recht
dai^u auch die Epikureer und namentlich Dikaiarchos, ja
insofern Cicero nur diese und nicht den Panaitios als Gegner
deir Unsterblichkeit genannt hatte, war ihr Recht sogar das
beissera So stellt i^ich näher betrachtet der scheinbar bäfl-
dige Bohlnss Corssens als ein Paralogismos dar. Wir sind
daheü genöthigt uns nach einer neuen Erklärung umzus^ieD.
Eine solche hat eine etwas veränderte Basis, da es nad
denx vorher Bemerkten wahrscheinlich ist dass nicht erst die
Widerlegung, der platonischen sondern schon die der stoisdefi
Ansicht von Panaitios herrührt. Hiernach wäre Panaitios io
seiner Erörterung der Unsteiblichkeitsfrage über die stoisdie
Ansicht rasch hinweggeschritten, da die in derselben be-
hauptete Beschränkung der Unsterblichkeit mit dem Wegfiall
der Schranke selbex* d. i. des W^eltuntorgangs für ihn nicht
mejbir vorhanden war, und hätte nun mit desto grösserer
Kraft sich gegen die platonische^) gewandt die wenn inao
überhaiipt eine Fortdauer der Seele annahm nach seiner
Möinung allein in Frage kommen konnte. Wer dem Panai-
tios in dieser Erörterung folgte, der sah allerdings nadi
Beseitigung der gemein stoischen Ansicht die Consequenz als
möglich vor sich dass er nun sich zur Meinung des Paiiaito
bekehren werde Wofern nämlich die von diösenl gegen die
^) Die platonische nennt sie übrigens nur Cicero. Ich bemerln
diess, damit man mich nicht ohies Widerspruchs beschuldige. ^
Nähere s. Theil II S. 886, 1.
Das erste Bach. 373
fi noch übrige platonischo Lehre vorgebrachten Argu-
e Stich halten würden. Die Möglichkeit dieser Conse-
E ist es aber gerade die durch die Frage „credamus
r" eta bezeichnet zu werden scheint. — Dass die Wi-
gnng der gemein stoischen Ansicht nicht von Poseidonios
ihren könne, verstand sich schon vorher von selber;
da auch die sich hieran knüpfende Vermuthung dass
)iceros eigenes Werk sei durch den gegebenen Nachweis
Ostens erschüttert worden ist, so kehrt gewisserinaassen
srste Möglichkeit zurück, natürlich nur in dem Sinne
Poseidonios in dem von Cicero benutzten Werk die
mentation des Panaitios, insbesondere jene Widerlegung
3theilt hatte. Ein Bedenken freilich regt sich von vom
n gegen diese Annahme, weshalb nämlich Cicero zwar
itios' kritische Bemerkung über die stoische Lohi^, aber
die doch bei Posidonios gewiss nicht fehlende Antwort
Stoiker darauf angiebi Man wird sagen dass nur <1ie
degung der Stoiker und nicht deren Vertheidigung in
m Interesse lag. Obgleich nun hierdurch sich erklären
e weshalb er unterdrückte was in seiner Quelle zu
ten der stoischen Ansicht gesagt war, so würde trotz-
die Annahme einer Quelle den Vorzug verdienen die
«0 willkürliches Umspringen mit der griechischen Ori-
Schrift voraussetzte. Doch diess hier weiter zu fuhren
nicht an da es der späteren Untcrsuehimg vorgreifen
e. Ob Cicero die Mittheilung und Kritik der stoischen
)ht bei Poseidonios vorfand, diess zu entscheiden wird
1 abhängen wie wir die Frage beantworten von was
einem Philosophen die gleich folgende Vertheidigung
ns gegen die Angriffe desselben Panaitios genommen
ienn den engen logischen Zusammenhang der zwischen
n beiden Stücken der ciceronischeu Darstellung besteht
iie so eben angestellte Erörterung zur Genüge darger
374 Dio Tusculanen.
than. Hören wir nun Corsscn (Diss. S. 25 fif. 31 f.) so zeigte
gerade diese Vertheidigung in deutlichen Spuren dass kein
anderer als Poseidonios ihr Urheber ist: denn erstens werde
in derselben die Nothwendigkeit betont zwischen einem höhe-
ren und niederen Theile der Seele zu unterscheiden und
ausserdem auf die Abhängigkeit hingewiesen in der die Na-
tur des Geistes von der Beschaffenheit des Körpers stdit
Dass Beides den Ansichten des Poseidonios entspricht will
ich nicht bestreiten. Folgt aber daraus dass es gerade von
ihm genommen sein muss? Diess würde doch nur dann der
Fall sein wenn kein anderer Philosoph den man überhaupt
hier als Quellenschriftsteller in Betracht ziehen darf die-
selben Ansichten getheilt oder doch sich derselben zur Ver-
theidigung Piatons bedient haben könnte. Was mm das
erste Argument der Vertheidigung betrifft, so besteht es in
dem einfachen Hinweis auf Piatons wirkliche Psychologie
und sucht mit Hilfe dei'selben Panaitios' Einwand auf ein
Missverständniss zurückzuführen. Wesentlich gleichartig ist
das zweite, da es ebenfalls die Vertheidigung aus Platons
eigenen Mitteln bestreitet: denn wenn vielleicht auch der
Gedanke dass die Beschaffenheit des individuellen Körpers
die Natur des Geistes bedinge sich mit diesen Worten in
den platonischen Schriften nicht ausgesprochen findet, so er-
gab er sich doch als Consequenz aus den zahlreichen SteOen
an denen von dem befleckenden Einfluss die Rede ist den
die Seele seit ihrem Eintritt in den Körper von diesem er-
fährt so wie aus denen welche sich auf die Unterschiede
des Temperaments bei den verschiedenen Völkern beziehen;^)
^) Insbesondere muss noch bemerkt werden dass die bei Cicero
(80) ausgesprochene Behauptung „multa e corpore existunt qo^
acuant mentem, multa quae obtundant^' dem Gedanken nach im Ti-
maios wiederkehrt p. 86 B ff. 87 C ff. — Ausserdem zeigt auch die
Schilderung der beiden Seelenrosse im Phaidros p. 253 D f , osment-
Das erste Buch. 375
▼on anderen als Unterschieden des Temperaments spricht aber
znnächst wenigstens auch Poseidonios nicht in den von Cors-
maa angeführten Worten. ^) Diese beiden Argumente weisen
daher keineswegs insbesondere auf Poseidonios, sondern konn-
ten Yon Jedem und namentlich von einem Akademiker ge-
braucht werden dem daran gelegen war die Vertheidigung
Piatons möglichst in dessen eigenem Sinne zu führen. ^) Aber
nicht bloss dass die von Corssen beigebrachten Gründe seine
Hypothese nicht beweisen, es steht dieselbe auch mit an-
deren von ihm nicht beachteten Thatsachen in Widerspruch.
Worum es sich nämlich bei Cicero handelt, ist zunächst nicht
eine Widerlegung der positiven Ansicht des Panaitios son-
dern eine Widerlegung der Gründe mit denen er Piatons
Lehre bekämpft hatte; das nächste Ergebniss derselben ist
daher auch nicht die Beseitigung von Panaitios' Ansicht son-
dern eine Bestätigung derjenigen Piatons. Nur aber wenn
Uch wenn man dazu die von Stallbaom angeführten Stellen vorgleicht,
dass Piaton im Wesentlichen auf dem Boden der antiken Physiogno-
nük stand. Eine gewisse Anerkennung derselben liegt doch auch
dirin dass er in der Seelenwanderung nicht beliebige Seelen in be-
liebige Leiber eingehen lässt sondern die Seele eines Mannes in den
Körper eines Weibes oder gar einer niederen Thiergattung erst dann
wenn dieselbe bis zu einem gewissen Grade entartet ist (Tim. p.OOEff.).
^) Galen de plac. Hipp, et Plat. p. 464 K: xal yäg xwv ^(poßv
xtd rdh dv^QioTKov, oaa fjihv ev^vats^vd te xal ^EQfioxsga, ^vfuxm-
^fp« Trovd* vnd^jiv tpvasi, öaa de nkatvlaxtd xe xal xpvxpoxepa,
^fi^tBQa. üebrigens scheinen mir die Worte xal xdiv dv&Qcinwv
S<^chen werden zu müssen, da man wenn sie von Anfang im Texte
*^den erwarten sollte dass das Folgende lautete oaoi fxhv edpvaxeg-
^i XB xxk. und nicht die neutralen Formen an die Stelle der mascu-
finen getreten wären.
*) Auch dass die Hilfe des Aristoteles in Anspruch genommen
^ifd (80) ist nicht gegen die Weise der späteren Platoniker obgleich
^^^''^n auch diesen Umstand zu Gunsten seiner Ansicht geltend ge-
dacht hat.
376 ^^9 Tusculanen.
man das Resultat und Ziel dieser Widerleguug in der Be-
seitigung von Panaitios' Ansicht erblickte konnite man wie
Corssen für ihren Urheber Foseidonios halten. Demi an der
Yertheidigung und Bestätigung der platonischen Lehre koimte
derselbe, da diese die Anfangs- oder doch wenigstens End-
losigkeit der Seelcnexistenz behauptete und sonach mit der
seinigen nicht übereinstimmte, ein dogmatisches Interesse nicht
nehmen.*) Es bliebe daher nur die Möglichkeit dass er Toa
^) Dio beiden Gründe welche Panaitios vorbringt konnte Powi-
donios und jeder andere Stoiker wenn es ihnen lediglich um das Ün-
Sterblichkeitsdogma zu thnn war ruhig gelten lassen. Denn was dsr*
aus folgt ist nur dass die individuelle Seele wie sie einmal entstan-
den ist auch wieder einmal vergehen wird, und das eine wie dal
andere entsprach vollkommen der Ansicht des Poseidonios and der
übrigen Stoiker. Man darf auch nicht sagen, Panaitios habe durch
jene Gründe nicht überhaupt die Vergänglichkeit der Seele sondern
das Eintreten ihrer Vernichtung im Moment des Todes bewetwa
wollen und dieser von den anderen Stoikern nicht geth eilten Ansicht
habe Poseidonios durch die Kritik der von Panaitios beigebrachtea
Gründe ihre Stütze entziehen wollen. Denn abgesehen davon dass
diese Gründe das nicht beweisen würden was sie sollten, ja dass sie
nicht einmal auch nur einen Schein von Beweiskraft hätten, so eat*
spricht es auch nicht der Ansicht des Panaitios dass im Moment des
Todes selber die Seele vernichtet werden soll. Vielmehr wie an-
erkannt wird (Zeller III 1 S. 563, 1) ündcn wir dio Ansicht dieses
Philosophen in dem ersten Glied der folgenden Alternative wieder
(42): Ita, sive dissipantur, procul a terris id evenit; sive permanent
et conservant habltum suum, hoc etiam magis necesse est ferantor
ad caelum etc. Panaitios Uess hiernach die Auflösung nicht mit dem
Tode selber vor sich gehen sondern erst nachdem sie sich in höhere
Regionen erhoben hatte und wurde zu dieser Ansicht vermuthlich
dadurch geführt weil er nur in einer der Seele gleichartigen Sab-,
stanz eine Auflösung derselben für möglich hielt. Seine Ansicht
unterschied sich hiernach wesentlich von der des Dikaiarchos nnd
Aristoxenos die wenn sie nicht inconsequent sein wollten eine Ver-
nichtung der Seele im Moment des Todes annehmen mussten, ebenso
aber auch von der der Atomistiker vdenen zufolge dio Seele nach
Das erste Buch. 377
eincor besonderen Verehrung für Piaton oder von einem all-
emcineren Bedürfnis» nach historischer Gerechtigkeit geleitet
ui gegen ungerechte Angriffe auch dann in Schutz nehmen
olHe, wenn er die Richtung derselben billigte und nur die
[ittel verwerflich jEaind. Dass indessen seine Verehrung die
)ch auf dem Boden gemeinschaftlicher Uoberzeugungen er*
icbsea war sich auch da geäussert haben sollte wo dieser
rund fehlte» ist wenigstens von vorn herein nicht wahrscheiu-
'h; und das Gefühl für historische Gerechtigkeit konnte sich
)cb nur bei dein zweiten Argument empören, welches offen-
mdige Aeusserungen Piatons über die Verschiedenheit der
»elontbeile unberücksichtigt gelassen hatte, ^) nicht aber bei
m Tode nicht bloss „dissipatur'S wie an unserer Stelle gesagt wird,
ndern „statim dissipatur** wenn nämlich 18 auf jene Philosophen
i beziehen ist woran füglich nicht gezweifelt werden kann); sie be-
ihrt sich in dieser Beziehung mit der stoischen nnd weicht von
^nelben nur darin ab dass sie das Eintreffen der Seele in den
nmliBchen Begionen nicht für den Beginn eines neuen sondern für
u Ende des kurzen der Seele nach dem Tode noch verstatteten
ebens hält. Ein Stoiker hatte also keinen Anlass über die beiden
on Panaitios gegen das platonische Unsterblichkeititdogroa vorge-
rwbten Gründe in den Harnisch zu gerathen, da sie den zwischen
"knaitios und seiner Schule in dieser Frage bestehenden Diif(>renz-
iBokt gar nicht berührten idiess bemerkt richtig auch Ueine de fon-
ibsg Tnscidan. S. 9). Es wäre dies» in der That am so weniger ge-
Bdbtfertigt gewesen als dieselben Gründe zu einem ähnlichen Zwecke
n« es scheint schon von einem der älteren Stoiker, von Kleanthes,
•euntzt wurden waren. Zwar hatte derselbe, deissen Argumentation
IBS Tertuilian de anima c. 5 und Nemesius de nat. hom. e. 2 p. 4^>
Wachsmath fr. phys. 19 u. 20, vgl. dazu Theil II S. 1K 1' aufbe-
nto haben, zunächst darans nur auf die Körperlichkeit der Seele
IMehloesen, damit aber war die Vergänglichkeit ders^llK'n wenigstens
^ Piaton gegeben ond das Wahrscheinlichste ist doch daw el»en
(egan diesen als den namhaftesten Verfechter der immateriellen Na-
Q der Seele sich die Argumentation des Kieanthes richtete.
''; Wie dieselben ein Kenner Piatons wie Panaitios d<>ch war
378 I^ie Tusculanen.
dem ersten das nicht gegen klare Aussprüche des Philo-
sophen verstiess die Niemand übei'sehen durfte sondern nur
gegen Folgerungen aus seiner Lehre die Einer auch wenn
sie nahe genug lagen doch vergessen konnte zu ziehra.
Nachdem auch diese Möglichkeit abgeschnitten ist, muss die
Annahme aufgegeben werden dass Ciceros Vertheidigung des
platonischen ünsterblichkeitsdogmas auf Poseidonios zurück-
geht. Da nun diese Vertheidigung mit der vorausgehenden
Widerlegung der gemein stoischen Ansicht im engsten Zu-
sammenhang steht, so kommen wir auf die Vermuthung dass
der von Cicero benutzte Philosoph ein Interesse daran hatte
ebenso sehr seine gegen die Stoiker gerichtete Polemik zu
verwerthen wie die auf Piaton zielenden Angriffe zurückzu-
weisen. Wo anders aber werden wir diesen Philosophen mit
grösserer Wahrscheinlichkeit suchen als unter den späteren
Mitgliedern der platonischen Schule, den Akademikern?
Um die Quelle einer philosophischen Darstellung zu
finden ist es vor Allem nöthig zu wissen zu welcher Philo-
sophie der Darstellende sich bekennt. Diesem Winke zu-
nächst zu glauben und sich von ihm leiten zu lassen ist die
erste Pflicht jeder methodischen Forschung. Sie wird des-
übersehen konnte ist mir unverständlich. Ich meine daher dass H-
naitios sie nicht übersehen sondern absichtlich ignorirt hat mid sich
hierzu berechtigt hielt weil er nicht im Allgemeinen Piatons ün-
Sterblichkeitslehre sondern nur die Darstellung im Phaidon bek&m-
pfen wollte: denn dieser Darstellung ist es eigenthümlich dass sie
die Seele als ein einheitliches Wesen schildert, sie nicht wie die des
Phaidros, des Timaios und der Republik in mehrere Theile zerfiUlt,
und nur sie wird deshalb durch die von Panaitios gegen die Unsterb-
lichkeit hervorgehobenen Bedenken berührt. Diese isolirte Bekim-
pfung des Phaidon findet aber ihre einfachste Erklärung in dem be-
kannten Yerdammungsurtheil und die Ueberlieferung über dasselbe
statt durch unsere Stelle erschüttert zu werden wird durch dieselbe
vielmehr bestätigt. Vgl. auch S. 372, 1.
Das erste Buch. 379
hslh in der Regel gar nicht ausdrücklich anerkannt sondern
stillschweigend vorausgesetzt und befolgt. So hat bisher,
glaube ich, jeder angenommen ohne ein Wort darüber zu
verlieren dass die Quelle von VcUejus' (de natura deorum I)
und Torquatus' (de finib. I) oder von Baibus' (de nat. deor.
II) und Catos (de fin. III) Vorträgen die der einen bei einem
Epikureer die der anderen bei einem Stoiker zu suchen ist,
oder endlich dass die Kritik des Akademikers Cotta (de nat.
deor. I und III) aus dem Werke eines Skeptikers abgeleitet
werden d. h. wenigstens zunächst der Versuch dazu gemacht
werden muss. Dieser Regel entsprechend hat daher auch
die Untersuchung über die Quelle aus denen das erste Buch
der Tusculanen geschöpft ist mit der Frage zu beginnen auf
welchen philosophischen Standpunkt sich denn Cicero seinen
eigenen Worten zufolge in diesem Theil des Werkes stellt.
Diese Frage hat man ernsthaft bisher gar nicht aufgeworfen
oder vielmehr man hat die selbstverständliche Antwort dar-
auf bei der Quellenuntersuchung nicht mit in Rechnung ge-
zogen. Den philosophischen Standpunkt Ciceros nun erken-
nen wir sowohl am Inhalt seiner Lehre wie in der Form
der Mittheilung: denn der Inhalt wird nicht für wahr und
gewiss sondern nur für wahrscheinlich ausgegeben (9, 17, vgl
auch V 11) und die Form beansprucht die sokratische zu sein
(7 f.), das Eine wie das Andere aber ist im Sinne der skep-
tischen Akademie.*) Wenn man diesen Winken nicht weiter
*) Der zweite Punkt verlangt noch ein Wort der Erläuterung.
Von der in den Tnscolanen eingehaltenen Methode berichtet Cicero
a.a.O.: Ponere jubebam, de quo quis audire vellet; ad id aut sedens
aat ambulans dispntabam. Itaque dierum quinque scholas, ut Graeci
appellant, in totidem libros contnli. Fiebat autem ita ut, cum is qui
audire vellet dlxisset quid sibi videretur, tum ego contra dicerem.
Haec est enim ut scis vetus et Socratica ratio contra alterius opinio-
nem disserendi; nam ita facillime quid veri simUlimum esset inveniri
380 I)ie Tusculanen.
nachgegangen ist, sie so gut wie ignorirt hat, so rührt (liesa
wohl von der Beobachtung her dass Cicero in anderen sei-
ner Schleiften zwar ebenfalls als Skeptiker auftritt, trotzdem
aber den Inhalt seiner Vorträge aus nichtskeptischen Quel-
posse Socrates arbitrabatur. Dass die hier als sokratisch bezeichnete
Methode die in der skeptischen Akademie geübte war, ergibt sich
aus Tusc. III 54 wo mit Bezng auf eine Sclirifc des Kleitomachos
bemerkt wird: cum ita positam esset videri fore iu aegrltndine sa-
pientem patrla capta, quae Cameades contra dixerit sodpta sunt
Dasselbe bestätigt überdiess ausdrücklich Cicero de fin. II 2: qaod
quidem jam fit ctiam in Academia: ubi enim is qui audfre ?olt iU
dixit ,,voluptas mihi videtur esse summum bonum*' perpetua oratione
contra disputatnr etc. Man darf in diesen Worten nicht auf das
„perpetua oratione'^ einen ungebOhrlichen Nachdruck legen, als wenn
der Unterschied zwischen der von Cicero in den Tusculanen befolg-
ten und der akademischen Methode darin liege dass jener zunächst
die aufgestellte Behauptung in einem Dialog erschüttert und nicht
sogleich in zusammenhängendem Vortrage angreift: denn die dialo-
gische Form herrscht doch nur in der Einleitung und fiLlIt spiter
von wenigen unbedeutenden Ueberresten abgesehen ganz weg, üod
Cicero kann in ihr auch um deswillen nicht das Wesen der sokn-
tischen Methode gesehen haben weil er ganz derselben Methode auch
in den übrigen Büchern sich bedienen will in diesen aber das dia-
logische Element noch mehr zurücktritt. Cicero hält also — das
wird sich nicht bestreiten lassen — in den Tusculanen diejenige Me-
thode der Erörterung, die in der Akademie üblich war und die na-
mentlich Kameades eingeführt hatte, für die sokratische. Diess ver-
dient auch deshalb bemerkt zu werden weil er in der Schrift de
finibus eine andere und richtigere Einsicht in die Eigenthümlichkeit
des sokratischen Verfahrens zeigt. Während dieselbe den Tuscula-
nen zufolge in der principiellen Widerlegung jeder fremden Behaup-
tung besteht und somit von der skeptischen Methode überhaupt nicht
weiter verschieden ist, wird in der anderen genannten Sdirift tli
wesentlich hervorgehoben dass Sokrates durch Fragen ans Anderen
deren wirkliche Meinung hervorzulocken suchte und dann wenn es
nöthig schien hiergegen etwas sagte (Socrates percontando atque in*
terrogando elicere solebat eorum opiniones quibuscum disserebat ot
ad ea quae ei respondissont si quid videretur diceretX Der Gegen-
Das erste Buch. 381
II geschöpft hat So hat er im zweiten und dritten Buch
r Schrift de finibns sich nicht wie Andere meinten an
16. Schrift Philons sondern wie ich glaube nachgewiesen
haben (Th. U S. 620 ff.) an eine des Antiochos gehalten.
s der beiden Schriften tritt ferner darin za Tage dass in den
Bculanen die Weise der griechischen Philosophen in zusammen-
igetaden Yorträgen (scholae) den von Anderen aufgestellten Be-
iptoagen zu antworten ausdrücklich nicht bloss fOr sokratisch
dem auch für das Muster der vorliegenden Darstellung erklärt,
4er Sciurift de finibus dagegen ganz dasselbe verworfen und als
e Sitte der Sophisten bezeichnet wird über die sich bereits So-
.tea und Piaton lustig gemacht hätten (a. a. 0.: primum deprecor
me tamqnam philosophum pntetis scholam vobis aliquam explica-
cuDy quod ne in ipsis quidom philosophis magno opere umquam
iMivi. quando enim Socrates quicquam tale fedt? etc.). Wie
len wir nun diesen Widerspruch schlichten? Dass Cicero in den
icalanen wieder zu der verkehrten, von ihm selbst verworfenen,
1 der akademischen Schule aber gebilligten Auffassung zurück-
irt, diess wird sich am einfachsten doch daraus erklären dass er
der genannten Schrift sich an das Werk eben eines Akademikers
geschlossen und, sei es nun um sich die Bearbeitung zu erleich-
1 sei es weil er seine eigenen früheren Aeusserungen vergessen
te, sich auch in der Form der Darstellung von demselben ab-
igig gemacht hatte. Ob er sich nun freilich zu dem andern
ndpunkt, den wir ihn in der Schrift de finibus einnehmen sahen,
ch eigenes Nachdenken erhoben bat, ist noch die Frage. Die
mothnng wenigstens liegt nahe, dass er auch dort nur seinem
^chischen Gewährsmann folgte: zumal wenn dieser Gewähi^mann
dochos war (s. darüber Theil II S. 637 ff.), der, je mehr die skcp<
hen Akademiker ihre Methode als die allein echt sokratische und
Umisehe anpriesen, ein um so stärkeres Interesse daran haben
wte die Unwahrheit dieser Behauptung darzuthun und wie diess
h m der Schrift de finibus a. a. 0. geschieht (man beachte in
t Worten „ut ad ea quae ei respondisscnt si quid videretur dice-
' das „si quid videretur'' das doch die Möglichkeit einer Billigung
;Ton Andoren geäuBserten Meinungen offen lässt) zu zeigen dass
zates aieJU in dem Maasso wie die Anderen vorgaben Skepti«
war.
382 I>ie Tasculanen.
Dass er aber ebenso auch bei der Abfassung des ersten
Buches der Tusculauen verfahren sei, wird gerade mit Hufe
des angeführten Beispiels durch eine nähere Betrachtung
äusserst unwahrscheinlich. Während nämlich in den genann-
ten Büchern der Schrift de finibus Cicero sich nicht anf
dem skeptischen Standpunkt zu halten vermag sondern Ton
seiner Quellenschi-ift gezogen fortwährend in einen dogma-
tischen Ton verfallt und eben dadurch dem Quellenforscher
sein Geschäft überaus erleichtert hat, bleibt er in den Tu-
sculauen sich in seinem Skepticismus consequent Den skep-
tischen Zweifeln wird er vor Allem in der Anordnung der
ganzen Erörterung gerecht, da er dieselbe nicht einfach über
die Annahme der Unsterblichkeit zu der Behauptung dass
der Tod kein üebel sei führt sondern auch die entgegen-
gesetzte Möglichkeit, die Vernichtung der Seele im Tode, in
Erwägung zieht und unter dieser Voraussetzung das näm-
liche Resultat gewinnt. Oder sollte ihm diess, dass er beide-
mal zu dem gleichen Resultat geführt wird und daher schliess-
lich bei derselben Behauptung dass der Tod kein üebel sei
stehen bleibt, Jemand als einen Abfall von der Skepsis zum
Vorwurf machen, deren Consequenz erfordert haben würde
dass der Behauptung der Tod sei kein Uebel die andere
gegenübergestellt wurde er sei ein Uebel? Die äusserste
Consequenz wäre diess allerdings gewesen; aber bis zu die-
sem äussersten Ende ist selbst Kameades nicht vorgeschrit-
ten, wenn er z. B. den Satz dass die Tugend zur Glück-
seligkeit sich selbst genüge gelten Hess gleichviel welcher
der verschiedenen Ansichten über das höchste Gut und die
Glückseligkeit wir uns anschliessen. *) Dieses selbe vorsich-
*) Cicero Tuscul. V 83: Et quoniam videris hoc velle ut, qnfte-
cunque dissentientiam philosophorum scntentia sit de finibus, tarnen
virtus satis habeat ad vitam beatam praesidii, qnod quidem Caroea-
dem disputaro solitum accepimus etc.
Das erste Buch. 383
t^ Abwägen der verschiedenen Möglichkeiten, das ihn bei
1er Eintheilung der ganzen Erörterung in zwei grosse Hälf-
ien geleitet hat, hält nun Cicero auch im Einzelnen fest.
Me für den ersten Theil seiner Erörterung nothwendige
Annahme der Unsterblichkeit beweist er mit Hilfe des Go-
etzes der Aehnlichkeit (s. darüber oben S. 356 flf.) und ver-
ährt dabei so dass dem Skepticismus innerhalb der einmal
lurch die Disposition gezogenen Schranken möglichst wenig
^ergeben wird. Denn solche Fragen, deren Beantwortung
ridit durch die gestellte Aufgabe gefordert wird, lässt er
mentschieden, sowohl diejenige ob das Aufsteigen der leich-
;eren Elemente aus einem innewohnenden Naturtriebe er-
Uärt oder als mechanische Wirkung eines Stosses aufgefasst
werden müsse (vgl. oben S. 359 ff.) wie die andere von welcher
Beschaflfenheit denn näher betrachtet die Seele, ob sie kör-
perUch oder unkörperlich, ob sie in jenem Falle feurig oder
luftig oder wie die Stoiker behaupteten beides zusammen,
in diesem eine Zahl oder das geheimnissvolle fünfte Element
sei (40 flf., vgl. dazu oben S. 358 S. 361 flf.). Die Art wie
er sich zu dieser letzteren Frage stellt ist für seinen Skep-
ticismus noch besonders charakteristisch, da sie uns vor
Augen stellt wie besonnen und überlegt derselbe ist und
somit keineswegs die Ansicht derer begünstigt die darin nur
eine nachträglich hastig und äusserlich der Darstellung auf-
gezwungene Form erblicken. Zwei Umstände sind es auf
die man hierbei achten muss. Der eine ist, dass Cicero
jener Frage gegenüber auch noch an späteren Stellen als
der angeführten sich in der gleichen Weise äussert *) — eine
Üebereinstimmung und Consequenz die um so mehr bemerkt
^) G5: Ergo animus, at ego dico, divinus est, ut Euripides di-
cere audet, deus; et quidem, si deus aut anima aut ignis est, idem
^ animus hominis. Nam ut illa natura caclcstis et terra vacat et
bnmore, sie utriusque harura renim humanus animus est cxpers. Sin
384 I>i6 Tuscnlanen.
zu werden verdient als in der ein ähnliches ThemÄ behan-
dehidon Consolatio er über diesen Punkt sich anders aus-
gesprochen hatte*) und zwar im Sinne der in dieser Schrift
von ihm benutzten Quelle, eines Werkes von Erantor,^) so-
dass der Schluss nahe liegt, auch derverandertfe Standpunkt
der Tuöculanen werde durch das zu Grunde liegende gri^
ohische Original bedingt gewesen sein. Zweitens köinnit in
Betracht doss Cicero indem er verschiedene Ansichten über
die Natur der Seele bestehen lässt damit keinei^wegs eiB^m
beliebigen Meinen über diesen PunW Thür mid Thor geöff-
net haben will sondern demselben bestiniimt^ Schratikki tidtt
und doshalb der Psychologie des Dikaiäi*chöS, Aiistolfeüos
und Anderer das Recht 'beriüöksichtigt zu "werden ^fcspricht
Man wird vielleicht hierin einen Akt d&t Willkür; eine
petitio principii erblicken und der Meihuiig seiii, Öicero liabe
dife Gekannten blosfe deshalb ausgeschlossen weil ^ilö die'Ün-
fifterbliehkeit leugneten. Will man aber Cicöh) feiiimal eiö
etwas schärferes Nachdenken zuwenden, so "Wird miaü uä^
schwer eineii andern und ganz raisoniiäblen Grund eiiltfecäi^:
denii die Genannten sind durchweg solche diö atiöh schon
während des Lebenis der* Seele ein einheitlich^ Üi sieh ot-
sammenhängendes Wesen und eine selbständige Eiistenz ab-
sprechen (vgl. darüber S. 361' f.); es war daher methodisch
wohl zu rechtfertigen dass sie bei der Fl^agfe bäch dar Na-
! 1
autem est gumta auaedam natura, , ab Aristotele indueta primnni,
haec et deorum est et animorum. Vgl. auch 60.
») Die Stelle' gehört dein Wörtlich Von ihm seAe^ ' ikitg'eöiiBilteD
((36) Bniohstück an und lantet bot nihil -^ etil ia Mii«is> imixlani'tt^
que concretum aut quod ex terra natum atque fictum esse ?ideatar;
nihil n^ aut liütiiidnhi quidem autfläbile aut fgn^üm: ^ — ^^ — sin-
gulatis est igituif quäedkm natui^a atque vüs^nd, i^^Jdnctit üb Bis
nsitatiö notisque natliriis. ' . iu.,' .: . ^
*) S. darflbei* S 853. ' ' • ; = • '
Das erste Bach. 385
or der Seele nicht weiter berückBichtigt wurden da sie ja
treng genommen nicht einmal das Vorhandensein einer Seele
igaben. ^) Je planvoller hiernach der Skepticismus Ciceros
rscheint, desto mehr wächst die Wahrscheinlichkeit dass er
im nicht erst während des Schreibens entstanden sondern
3r reifen Ueberlegung des griechischen von ihm benutzten
hilosophen entsprungen ist. Dem gleichen Skepticismus be-
Bgnen wir nun aber auch noch auf einem anderen, wenn
ach angrenzenden Gebiete, in der Frage nach dem Sitze
er Seele. Als eine welche nicht entschieden werden kann
ird dieselbe 50 und 67 erwähnt, und wenn sie 70 doch
ine Antwort findet so ist diess kein Widerspruch da der
nhalt derselben nur im Glauben und nicht im Wissen be-
•nhen soll. *) In analoger Weise wie die Fi'agcn welche
lie Seele betreffen werden von Cicero diejenigen beantwortet
irelche sich auf das WescMi und den Sitz der Gottheit be-
ziehen: denn wie dort will er zwar die Existenz nicht in
Abrede stellen, enthält sich aber jedes bestimmten Urtheils
über die Natur der Gottheit sowie über den Ort den sie
im Welträume einnimmt. ') Er scheint hierbei dem allge-
') Dass diess die Ansicht des Dikaiarchos war, wird noch dent-
licher als an unserer Stelle ausgesprochen 21, 24 nnd Aristoxenos
vu diesem Grunde mit ihm zusammen genannt 51. Vgl. auch Acad.
Pr. 124.
*) Die Worte sind: In quo igitur loco est? Credo equidem in
^ite et, cur crcdam, afferre possum. Sed alias, ubi sit animus;
^^ite qiüdem in te est. Dass die letzten Worte dieser Stelle auf
^e ausführlichere Erörterung des griechischen Originals deuten ist
^oe nahe liegende Vermuthung; dass diese Erörterung aber dogma-
^h mit einem positiven Ergebniss abschloss folgt daraus keines-
') 70: haec igitur et alia innumerabilia cum cernimus, possu-
^'i&sne dubitare quin eis praesit aliquis vel effector, si haec nata
'^nt ut Piatoni videtur, vel si semper fuorunt ut Aristoteli placet
Hirzel, UnieranebiiDgeii. HI. 25
386 Die Toscalanen.
meinen Grundsatz zu folgen, dass wenn auch das Dasein
eines Dinges insofern es unserem natürlichen Empfinden sich
aufdrängt nicht abgeleugnet werden kann doch die nähere
Bestimmung seiner Verhältnisse und insbesondere seiner Qua-
lität immer zweifelhaft bleiben muss. *) Nun wird zwar an-
derwärts die Vernunft (ratio) als das Mittel bezeichnet durch
das wir zur Erkenntniss der Qualitäten gelangen. *) Zu einem
Widerspruch gegen das Gesagte berechtigt diess indessen
nicht, da auch sonst die Vernunft als die Quelle nicht der
gewissen sondern der wahrscheinlichen Erkenntniss bezeich-
net und aus diesem Grunde der Wahrheit (veritas) und dem
Augenschein (perspicuum) sogar entgegengesetzt wird. *) Man
darf deshalb auch darin dass zwischen der Erkenntniss die
das Dasein der Götter und der welche die Nsitur derselben
zum Inhalt hat unterschieden wird nicht ohne Weiteres eine
moderator tanti operis et muneris? lUud modo ?ideto,
ut deiim noris etsi ejus ignores et locum et faciem, sie aniinnm tibi
tuum notum esse oportere etiam si ignores et locum et fonnam. 65:
et quidem, si deus aut anima aut ignis est, idem est animus hominis.
Nam ut illa natura caelestis et terra vacat et humore, sie utriusque
harum rerum humanus animus est expers. Sin autem est quinta
quaedam natura, ab Aristotele inducta primum, haec et deonim est
et animorum.
^) Nachdem er auseinandergesetzt hat dass die Sinne nicht so-
wohl Organe des Geistes als vielmehr Hindernisse seiner auf die Er-
kenntniss gerichteten Thätigkeit sind, fährt er 47 fort: cum aotem
nihil erit praeter animum, nulla res objecta impediet quominus per-
cipiat quäle quidque est. Wenigstens wenn man in diesen Worten
das ,,quale'^ betont, kann man darin die Anerkennung jenes allge-
meinen Grundsatzes finden.
'^) 36: Sed ut deos esse natura opinamur qualesque sint ratione
cognoscimus: sie permanere animos arbitramur conscnsu nationaD
omnium; qua in sede raaneant qualesque sint ratione discendum est
2) Seneca de benef. IV 33, 2. Cicero de fin. IV 55. Vgl. dtro
das Wort evXoyog und über dasselbe Theil 11 S. 342 f. Anm.
Das erste Buch. 387
inlehnung an die Stoiker erblicken (Corssen de Posidonio
Sbodio S. 5 fif.): denn wenn auch Baibus in Ciceros Schrift
le natura deorum die allen Menschen angeborne Ueberzeugung
om Dasein der Götter getrennt hält von den schwankenden
nd abweichenden Meinungen über ihre Natur ^) so soll mit
ieser Unterscheidung des Ursprungs der beiden Erkennt-
iase doch keineswegs der einen von beiden ein höherer
rrad von Sicherheit zugesprochen und die andere auf die
tnfe der blossen Wahrscheinlichkeit herabgedrückt werden.*)
on den Stoikern kann also Cicero es nicht gelernt haben
Bfschiedene Grade der Gewissheit in der Erkenntniss anzu-
ehmen je nachdem der Gegenstand derselben das blosse
toein eines Dinges oder dessen eigen thümliche Natur ist.
Ibenso sehr aber, scheint es, müssen wir Bedenken haben
lese Unterscheidung den Skeptikern zuzutrauen, wenigstens
enn dieselbe die Anerkennung einer ganz sicheren Er-
enntniss voraussetzt. Und allerdings scheint das letztere
^) II 12: Omnibus innatum est et in animo quasi insculptum esse
SOS. quales sint varium est, esse nemo negat. Vgl. 44 f.
*) Eher als mit der stoischen lässt sich die im ersten Buche
er Tusculanen geäusserte Ansicht über die Götter mit derjenigen
;rgleichen welche der Vertreter der skeptischen Akademie, Cotta,
si Cicero de nat. dcor. I 61 ff. und III 5 ff. ausspricht: denn derselbe
skennt sich zu dem Glauben an die Existenz von Göttern, nur dass
: diesen nicht auf die Vernunft (ratio) und ihre Gründe sondern auf
ie Autorität alter Ueberlicferung stützen will und deshalb denen,
ie wie die Epikureer und Stoiker sich hiermit nicht zufrieden geben,
iess zum Vorwurf macht. Auf der anderen Seite muss ich mich
\)er dagegen verwahren dass man aus etwaigen Differenzen die sich
irischen Cottas Aeusscrungcn und denen im ersten Buche der Tuscu-
inen auffinden liessen den Schluss ziehe, das letztere könne nicht
18 der Schrift eines Skeptikers geschöpft sein. Wer so urtheilte
ürde übersehen dass der akademische Skepticismus der Schrift de
ftt. deor. auf Kleitomachos zurückgeht, derjenige der Tusculanen
ber wie sich zeigen wird einen anderen Ursprung hat.
25*
388 Die Tusculanen.
der Fall zu sein, da Cicero die Ueberzeugung des Geistes
von seinem eigenen Dasein geradezu als ein Wissen bezeich-
net. ^) Ist unter diesem Wissen ein vollkommenes über jeden
Zweifel erhabenes gemeint, so konnte ein Skeptiker ein solches
nicht gelten lassen — das dürfen wir nicht bloss aus allge-
meinen Gründen behaupten sondern können wir insbesondere
noch aus den ciceronischen Academica bestätigen wo dem
skeptischen Zweifel nicht bloss die Natur und der Ort son-
dern auch das Dasein des Geistes unterliegt. *) Sollen wir
deshalb an der Annahme dass ein Skeptiker Ciceros griechi-
scher Gewährsmann war irre werden? Davor behüten uns,
glaub* ich, die Ergebnisse früherer Untersuchungen (vgl. oben
S. 196 flf.). Denn diese haben uns innerhalb der Akademie
Skeptiker kennen gelehrt, die zwar ein vollkommenes Wissen
in dem Sinne wie die Stoiker dieses Wort verstanden leug-
neten, hingegen ein annäherndes gelten Hessen, dem wenn es
auch thatsächlich nur den Werth eines Wahrscheinlichen dar-
stellte sie doch den Namen eines Wissens nicht versagen
mochten. Nehmen wir nun an dass ein Skeptiker dieser Art
Ciceros Gewährsmann war, so konnte ein solcher innerhalb
einer Polemik gegen stoische Dogmatiker, in der er bis zu
einem gewissen Grade auf den Standpunkt der bestrittenen
Philosophen treten musste und deshalb auch mit dem Namen
des Wissens den stoischen Begriff verband, die Möglichkeit eines
Wissens in Bezug auf einen bestimmten Gegenstand schlecht-
hin verneinen, anderwärts aber in Bezug auf den gleichen
Gegenstand dieselbe zugeben weil er hier von seinem eigenen
Standpunkt aus sprach und daher auch nicht genöthigt war
sich an die Terminologie einer fremden Philosophie zu binden.
') 53: sed si qualis sit animus, ipse animus nesciet: die qoaeso,
ne esse quidem se seiet? ne moveri quidem se?
^) Acad. pr. 124: tenemusne quid sit animus? ubi sit? deniqae
sitne au ut Dicaearcho visum est ue sit quidem uUus?
Das erste Buch. 3g9
Ifenn daher in den Tusculanen die üeberzeugung des Geistes
on seinem eigenen Dasein ein Wissen genannt wird so steht
iess mit der Annahme dass die Schi*ift eines Skeptikers die
)n Cicero benutzte Quelle war nicht in Widerspruch: denn
iesor Skeptiker falls er einer von der angegebenen Art war
)nnte mit jenem Wissen nur den höchsten Grad der Wahr-
heinlichkeit meinen und musste daher ein anderes Mal
3nn er den stoischen Begriff als Maassstab anlegte auch
iedcr bestreiten dass vom Dasein des Geistes ein Wissen
i>glich sei. Hiermit ist nun aber nicht bloss die aufge-
sUte Quellenhypothese gerettet sondern auch eine Spur ge-
)nnen die uns den gesuchten Quellenschriftstoller noch ge-
bier kennen lehrt, da der Urheber und wohl auch einzige,
»nigstens uns allein bekannte Vertreter jenes Skepticismus
T Akademiker Philon war. Ihn werden wir sonach für
ceros griechischen Gewährsmann ansehen. Diesem Resul-
te der bisherigen Untersuchung Glauben zu versagen kön-
u wir um so weniger geneigt sein als dasselbe noch von
derer Seite her Bestätigung findet.
Unter der Voraussetzung nämlich dass der wesentliche
halt des ersten Buches der Tusculanen auf Philon zurück-
ht haben wir nicht nöthig solche Stellen an denen das
klürfniss und der Trieb des Menschen nach Wahrheit und
issen sehr stark hervorgehoben wird') als Zusätze zu be-
ichten die Cicero entweder selbständig von sich aus machte
er einer anderen Quelle entnahm. Denn wie uns frühere
»trachtimgen gelehrt haben (vgl. oben S. 292 ff.) konnte
^) Vgl. bes. 44 folgendes Stück aus der Schilderung des künf-
en Lebens im Jenseits: quodque nunc facimus cum laxati curis
nus ut spectare aliquid volimus et viscre, id multo tum faciemus
erius totosque nos in contemplandls rebus perspiciendisque pone-
18 propterea quod et natura inest in mentibus nostris insatiabilis
acdam cupiditas veri videndi et orae ipsac locorum illorum, quo
390 I^^e Tusculanen.
Pliilon dieses Streben nach Wissen und Erkenntniss,
dem die früheren Akademiker eher abmahnen mussten
seiner Berechtigung und Bedeutung für das menschUche L
vollkommen würdigen. Und auch er hatte wie Cicero dii
Streben die Befriedigung die es während des irdischen
bens niemals vollkommen findet für em anderes Daseii
Aussicht gestellt (vgl. a. a. 0.). Diess leitet uns nod
einem anderen Punkte hinüber der abermals die Uebei
Stimmung der ciceronischen mit den uns bekannt gewo
nen Anschauungen Philons in hellem Lichte zeigt,
während dieses Lebens mit dem Wahrscheinlichen begnii
auf die ganze Wahrheit aber verzichten zu müssen ist :
dem Skeptiker Augustins, unter dessen Hülle wir Philon
deckt haben (a. a. 0.), gemeines Menschenloos, die gk
Ansicht aber ist es auf die hin auch Cicero sich beschi
nur Wahrscheinliches vorzutragen;') nur die Kehrseite d
Ansicht ist es, was ebenfalls bei beiden wiederkehrt,
die volle Erkenntniss und Weisheit der Gottheit vorbelw
bleibt *) Da ferner der Besitz der Wahrheit auch dem 1
sehen nicht für alle Zeiten versagt sondern nur für ein I
pervenerimos, quo faciliorem nobis cogDitionem rerum caelestio
majorem cognoscendi cupiditatem dabunt. Ilaec enim pulchi
etiam in terris patritam illam et avitam (ut alt Theophrastiu) ]
sophiam cognitioDis cupiditate incensam excitavit. Praecipue
fruentur ea qui tum etiam cum has terras incolentes circumfosi
caligine tamen acio mentis dispicere cupicbant.
') 17: quae vis at potero explicabo nee tamen quasi F)
Apollo certa ut sint et fixa quae dixero, sed ut homunculus oi
muitis, probabilia conjectura sequens. Ultra enim quo progr
quam ut veri similia videam non habeo; certa dicent ei qui et
cipi ea posse dicunt et se sapientes esse profitentur.
^) Was Cicero betrifft vgl. ausser a. a. 0. noch 23: hanun
tentiarum quae vera sit deus aliqui viderit; quae veri Bimili
magna quaestio est.
Das erste Buch. 391
tiges Leben aufgespart ist, so folgt schon aus dieser Fähig-
keit die Wahrheit in sich aufzunehmen dass der mensch-
liche Geist göttlichen Wesens sei. Es ist daher bemerkons-
werth und darf ebenfalls auf Philons Vorgang zurückgeführt
werden, dass Cicero so skeptisch er sich übrigens über die
Natur des Geistes äussert ihm gerade die Göttlichkeit mit
einiger Zuversicht zuspricht. ^) — Zu dieser einer Ueberein-
stimmung der Lehren entnommenen Bestätigung der An-
nahme dass eine Schrift Philons der ciceronischen Darstel-
lung zu Grunde liegt kommt sodann eine andere die weil
sie auf einer äusseren und desluüb vielleicht zufälligen Aohn-
lichkeit beruht von geringerem Gewicht ist. In dem skep-
tischen Vortrage der Academica priora, dessen Inhalt wie
ich früher gezeigt habe einer Schrift Philons entlehnt ist,
wird zweimal auf Panaitios Bezug genommen und beidemal
seinem ürtheil ein besonderer Werth beigelegt; *) hierzu kom-
men noch die Aeusserungen der Skeptiker — und zunächst
sind dai'unter Philons Anhänger zu verstehen — die Luculi
in seinem Vortrage mitthcilt (47) und die zwar im Allge-
Daeinen die stoische Lehre erwähnen, wie aber eine schär-
fere Betrachtung gezeigt hat (s. oben S. 262 f. Ainn.) nur
die des Panaitios meinen können. Die Vermuthung dass
Philon dem Panaitios vor anderen Stoikern einen Vorzug
') Mit Bezug auf die Gedächtiiisskraft des Geistes sagt er 60:
Qi^ Sit lila vis et unde sit sie intollegendum puto. Non est certe
^^ cordis nee cerebri noc sanguinis nee atomorum; anima sit ignisne
nescio; nee me pudet ut istos fateri noscire quod nesciam; illud, si
^a Elia de re obscura affirmare possem, sive anima sive ignis sit
•"^us eum jurarem esse divinum.
^) 107: at it quidem perspicuum est: cum Panaetius princeps prope
^^ quidem judicio Stoieorum ea de re dubitare se dicat quam omnes
P^ter eum Stoiei certissimam putant etc. 135: legimus omnes Cran-
^^ Teteris Academici de luctu; est enim non magnus verum aurco-
*^ et ut Tuberoni Panaetius praecipit ad verbum ediscendus libellus
392 ^^® Tusculanen.
zugestand darf daher wohl ausgesprochen werden und zwa
um so mehr als eine solche Bevorzugung theils in dem Zeit
verhältniss beider Männer theils in der ilmen gemeiusamei
Hinneigung zum Piatonismus nicht nur sondern auch zu
Skepsis wohl ihre Erklänmg finden würde. Es ist ab
ein Umstand der Beachtung verdient dass im ersten Bod
der Tusculanen, einer Darstellung deren wesentlichen Inhal
wir aus anderen Gründen Philon zuweisen konnten, abermal
Panaitios in auffallender Weise vor allen übrigen Stoik«!
hervortritt (42. 79. vgl. dazu S. 370).
Freilich was würden alle diese Gründe und noch meb
rere helfen, wenn Einer bei der Meinung bliebe dass de
nachgewiesene Skepticismus nur der äussere Anstrich sei de
Cicero dem aus einer dogmatischen Schrift geschöpften In
halt gegeben habe? Aber ist man denn zu einer solche
Meinung überhaupt berechtigt? Das Verfahren das ma
Cicero in diesem Falle zutraut würde soweit unsere Kennt
niss seiner philosophischen Schrifbstellerei reicht einzig da
stehen; es ginge dasselbe auch über die Grenzen der Selbsl
ständigkeit hinaus die Cicero für sich den Griechen gogOE
über in der Schrift de finibus^) in Anspruch nimmt, gat
abgesehen davon dass es sich mit dem bescheidenen Urtbe
des Briefes an Atticus wonach er seine eigenen Schrifte
') I 6: quod si nos non interpretum fungimur muoere sed tai
mur ea quae dicta sunt ab eis quos probamus eisqae nostrum jnd
ciam et nostrum scribendi ordinem adjuDgimus, quid habent a
Graeca anteponant eis quae et spleudide dicta neque sint con?en
de Graecis? Was unter ,,nostrum Judicium** zu verstehen sei seig<
die von Cicero nach diesen Worten angeführten Beispiele griechischi
Philosophen die angeblich in derselben Weise wie er gearbeit*
hätten. Dieselben sind durchweg Mitglieder einer und derselbe
Philosophenschule, wie Diogenes Antipater u. A. die das bereits tc
Chrysipp Gesagte wiederholten oder Theophrast der dieselben Gegei
stände wie Aristoteles behandelte oder endlich die Epikureer dJ
Das erste Bach. 393
r Abschriften erklärt nicht vereinigen Hesse.*) Indessen
0 keine Regel ohne Ausnahme ist, so könnte man auch
oken dass diejenige welche Cicero gewöhnlich bei der
isarbeitung seiner Schriften befolgte einmal durchbrochen
rde imd zwar gerade durch die Tusculanen. Ich will nun
neswegs behaupten dass der ganze Inhalt des ersten
chcs aus einer philonischen Schrift herübergenommen ist,
idem gebe die Möglichkeit zu, ja halte es für wahrschoin-
1 dass ganze Partieen darin aus einer andern Quelle stam-
q: nur das mu88 ich festhalten dass diese Quelle nicht
liwendig die Schrift eines anderen Philosophen zu sein
kucht sondern ebenso gut Ciceros eigenes Gedächtniss ge-
36n sein kann das Manche freilich sich als ganz leer vor-
teilen scheinen. Ein höheres Ma^iss von Selbständigkeit
JT als dieses Cicero im ersten Buche der Tusculanen ein-
üumen, dazu scheinen mir bis jetzt die Anhaltspunkte zu
len. Allerdings hat Corssen Spuren davon zu entdecken
;laubt dass Cicero die zusammenhängende Darstellung eines
echischen Philosophen auseiiiandergerissen und diese Bruch-
cke auf ganz getrennte Abschnitte seiner eigenen Dar-
Uung vertheilt hat — Spuren die dann natürlich zu dem
ÜUßse führen mussten dass Cicero mit dem vom griechi-
en Original dargebotenen Material in der freiesten Weise
g^angen sei. Wenn nur solche Spuren vorhanden wären!
rasen (Rh. Mus. 36 S. 507 f ) weist auf den Abschnitt
i — 108) hin in dem zuerst eine Anzahl Aussprüche
uiderer Weise immer wieder von Neuem dasselbe vortrugen was
)n üi den Schriften Epikurs zu lesen war. Ein Verfahren wie das
die Tusculanen angenommene d. 1. das Hineintragen eines ganz
nden, ja entgegengesetzten philosophischen Standpunkts ist offen-
noch etwas Anderes.
') Ad Att. XII 52: dnoyQOKpa sunt: minore labore fiunt, verba
um adfero quibus abundo.
394 ^ie Tusculauen.
von Philosophen angeführt würden die der herkömmUchen
Ansicht dass die Schicksale des Köqjers nach dem Tode
noch das Individuum selbst berühren widersprechen und so-
dann eben dieser Irrthum in mythologischen Erzählungen
und eigenthümlichen Bestattungsweisen verschiedener Völker
nachgewiesen werde. Dieser Abschnitt in sich zusammen-
hängend sei doch mit dem Vorhergehenden äiussci'st lose
und ungeschickt verbunden, während ähnliche Gedanken über
die Bestattung zu Anfang des Buches wo sie dazu dienen
die Allgeraeinheit des Glaubens an die Unsterblichkeit zu
beweisen sich weit besser in den Zusammenhang fügten.
Corssen schliesst hieraus dass der fragliche Abschnitt erst
von Cicero aus dem ursprünglichen Zusammenhang gerissen
und an unrechter Stelle eingeschaltet worden ist Dabei
hat er sich indessen die Consequenzen seiner Annahme nicht
ganz khu- gemacht, da er sonst die Widersprüche, in die er
sich verwickelt, hätte wahrnehmen müssen. Cicero nennt
nämlich da wo er von den vei*schiedenen Bestattungsarten
spricht als seinen Gewährsmann den Chrysippos (108) und
schloss sich damit aller Wahrscheinlichkeit nach nur dem
Vorgange seines griechischen QucUenschriftstellers an; die
am nächsten liegende Annahme ist aber dass dieser die No-
tizen die er Chrysipp entnahm auch zu demselben Zwecke
wie dieser verwandte: da nun nach Corssens Meinung dieser
Zweck war die Allgemeinheit des Unsterblichkeitsglaubens
zu beweisen so würde schon Chrysipp sich denselben Zweck
vorgesetzt haben. Das ist es aber was sich mit der sonst
bekannten Lehre dieses Philosophen schwer vereinigen lässt:
denn hätte Chrysipp was in dem gesetzten Falle angenom-
men werden müsste den Unsterblichkeitsglauben für einen
allgemeinen gehalten, so wäre die Unsterblichkeit Inhalt
einer Prolepsis und bei der Bedeutung die die Prolepsis für
seine Erkenntnisstheorie besass er selber verpflichtet gewesen
Das erste Bach. 395
enselben Glauben zu thoilen, d. i. den Glauben au die Un-
terblichkeit aller Menschen; und doch wissen wir duich
Sogenes (VII 157) dass Chrysipp im Gegensatze zu Klean-
les die Unsterblichkeit nicht idler Menschen sondern nur
er Weisen behauptete. Indessen wird man um diesem Wi-
BTspruch zu entgehen vielleicht die Ausflucht ergreifen dass
hrysipp nui* den Glauben überhaupt an eine unsterblich-
st als Inhalt der Prolepsis, die Umwandlung desselben da-
ngen in den Glauben an eine Unsterblichkeit aller Menschen
8 eine spätere Verirrung des menschlichen Meinens ange-
ihen habe. Aber wäre hierdurch auch der eine Wider-
HTUch beseitigt, so bliebe immer noch der andere übrig,
«ch Corssens Ansicht und nach der jedes Unbefangenen
eht nämlich der Abschnitt, der die volksthümlichen An-
liaaungen über die Bcstattmig und alles was den todten
örper betriflft behandelt, im engsten Zusammenhange mit
dmjenigen der solche Urtheile von Philosophen aufzählt in
enen sich deren Gleichgiltigkeit gegen alles ausspricht was
era Leichnam widerfährt. Beide bilden ein Ganzes, sodass
enn der eine den Zweck haben soll das Vorhandensein
ner Prolepsis über die Fortdauer der Seele nach dem Tode
1 beweisen dasselbe auch von dem anderen gelten muss.
ass nun eine Aufzählung von Urtheilen wie die angegebe-
än sind unmittelbar wenigstens diesem Zweck nicht nur
icht entspricht sondern geradezu mit ihm streitet, bedarf
ar dieses Hinweises. Sehr oberflächlich wüide es sein,
oUte mau dem gegenüber sich auf die frühere Darstellung
ärufen in der zwar ebenfalls die volksthümlichen Anschau-
igen nicht ohne Kritik hingehen (36 f.) trotzdem aber zu
-na angegebenen positiven Ergebniss verwandt werden. Denn
riechen beiden Darstellungen besteht ein wesentlicher Unter-
iied dass nämlich in der früheren die Kritik sich eine
istimmte Grenze zieht und das Haltbare in den Volksvor-
896 Die Tasculanen.
Stellungen verschont, in der späteren dagegen dieselbe die
herrschenden Ansichten überhaupt verwirft ohne den gesun-
den Kern darin hervorzuheben. Erhält schon hierdurch die
Kritik an der zweiten Stelle das Uebergewicht über das po-
sitive Element der Erörterung, so wird dieses Uebergewicht
dadurch nicht unbeträchtlich verstärkt dass nur an der zweiten
Stelle die Kritik gewissermaassen öfter wiederholt und jedesmal
an den Namen eines berühmten Philosophen geknüpft wird.
Sollte nichtsdestoweniger diese Aufzählung der UrtoUe des
Theodor und anderer, mit ihm über den Werth der Bestat-
tung gleich denkenden Philosophen einer Darstellung zuge-
rechnet werden deren Absicht war die Allgemeinheit des
Unsterblichkeitsglaubens darzuthun, so könnte diess nur unter
der Bedingung geschehen dass man darin das in den ange-
fiihrten Beisi)ielen rcpräsentii-te Urtheil der Philosophen durch
die verbreiteten Volksvorstellungen widerlegt werden liesse:
würde diess aber nicht einen Respekt vor der Volksmeiiiung
voraussetzen der aus den von Chrysipp entlehnten und bei
Cicero mitgetheilten Proben derselben keineswegs durch-
blickt? ja würde diess nicht voraussetzen dass Cicero die
Gedanken des griechischen Originals in einem ganz anderen
Sinne verwandt habe, somit voraussetzen was eben erst be-
wiesen werden sollte und daher eine petitio principü sein?
In solche Schwierigkeiten fiihrt uns die Annahme dass der
fragliche Abschnitt bei Cicero nicht seinen rechten Platz
habe und von Rechts wegen in einen früheren Theil der
Darstellung gehöre. Nachdrücklich erhebt sich daher die
Frage ob denn jene Annahme überhaupt zulässig sei. Cors-
sen hat sie allerdings zu begründen gesucht Er macht gel-
tend dass beide denselben Gegenstand behandeln, wobei der
verschiedene Sinn in dem diess beide thun auf Ciceros Rech-
nung zu setzen wäre. Prüfen wir nun diese Behauptung
genauer, so zeigt sich dass von der Bestattung in dem frühe-
Dfts erste Bach. 397
»schnitt nur einmal die Rede ist (36) u^d aus einer
lerselben, der Beerdigung, erklärt wird weshalb man
jlen der Verstorbenen sich unter der Erde fortlebend
Denn eine andere Stelle die Einer hierherziehen
und an der der Gräber- Ceremonien (caeremoniae
3rum) gedacht wird (27) hat doch offenbar mit der
ang nichts zu thun sondern bezieht sich auf das was
r hinaus liegt, den Todtoncultus. Aus diesem wird
cht auf den Glauben an eine Fortdauer der Seele
em Tode geschlossen, jene Art der Bestattung aber
nur soweit in Betracht als sich mit Hilfe derselben
anderen Vorstellungen über das Schicksal der fort-
len Seelen ableiten lassen. Man sieht hieraus, dass
itattung soweit sie überhaupt in Frage kommt in dem
n Abschnitt eine ganz andere Rolle spielt als in dem
ri. Was an diesem letzteren von Bestattungsgebräuchen
jdener Völker namhaft gemacht wird ist nicht gei'ade
t das Vorhandensein des Unsterblichkeitsglaubons bei
en zu bestätigen, wie man denn aus der Sorgfalt welche
3r und Perser auf die Erhaltung der Leichname ver-
eher auf ein Verzweifeln an der Fortdauer der See-
liessen könnte. Dagegen lag es nahe sich durch den
Eitz, in dem die verschiedenen Bestattungsweisen zu
ir stehen indem die einen auf möglichst lange Con-
ig der Körper die anderen auf deren Vernichtung
m, daran erinnern zu lassen dass überhaupt die Be-
j etwas Gleichgiltiges sei und so oder so vorgenom-
erden könne. D. h. die nähere Betrachtung dessen
3r die Bestattung gesagt wird führt darauf dass das-
chon ursprünglich in dem Zusammenhang stand in
r es bei Cicero finden und den Zweck hatte aus den
;hen und der Erfahrung heraus die wegwerfenden
e zu bestätigen mit denen die Philosophen sich über
398 ^ie Tnsculanen.
diese Dinge geäussert hatten. Bei dieser Auffassung erklärt
sich auch weshalb gerade das Widerwärtige und Lächerliche
in den Bestattungsgebräuchen hervorgekehrt wird: denn dass
nicht erst Cicero diese Auswahl getroffen hat sondern be-
reits Chrysipp dürfen wir doch aus folgenden Worten (108)
entnehmen „Permulta alia colligit Chrysippus ut est in omni
historia curiosus; sed ita tetra sunt quaedam ut ea fagiat
et reformidet oratio".^) Wenn Chrysippos auf diese Weise
das Bestatten überhaupt und den Werth den Manche darauf
legten als thöricht hinzustellen suchte, so trat er damit nur
auf den kynischen Standpunkt, den er wie wir wissen (Zeller
III 1 S. 281) auch sonst bestehenden Sitten und Gebräuchen
gegenüber eingenommen hat. Die Betrachtung der Sache
führt also zu derselben Auffassung des fraglichen Abschnittes
die auch Cicero vertritt d. i. zu einer Auffassung durch welche
die Versetzung an eine frühere Stelle unmöglich wird. Darin
also dass Cicero nicht dort schon die Dinge vorgetragen hat
die wir jetzt an späterer Stelle finden wäre derselbe gerecht-
fertigt. Eine andere Frage ist ob der Platz den er ihnen
angewiesen hat der rechte ist. Corssen verneint diess (Rh.
') In dieser Hinsicht könnte man daher der Vermuthung Comens
(Rh. M. 36 S. 514) zustimmen dass aus derselben Quelle wie die cice-
ronischen Notizen über die Bestattnngsarten auch diejenigen bei
Sextos Pyrrh. III 226 ff. geflossen sind. Im Uebrigen aber muss ich
gegen ein Verfahren protestiren wie es in unserer Zeit nur allzu
häufig wiederkehrt, dass man nämlich aus der Uebereinstimmaog
rein historischer Nachrichten schon auf gemeinschaftlichen Ursprung
schliesst: und doch liegt es auf der Hand dass derartige Nachrichten,
an deren factischem Inhalt der Einzelne nichts weiter ändern konnte
und auf die Jeder der das gleiche Thema behandelte geführt werden
musste, von den verschiedensten Schriftstellern in derselben Weise
wiederholt werden durften ohne dass man deshalb ein Recht hätte
die Mehrzahl derselben des an Einem von ihnen begangenen Plagiats
zu verdächtigen.
Das erste Bnch. 399
[ns. 36 S. 508) und zwar nur deshalb weil die Anknüpfung
J8 ganzen Abschnittes an das Vorhergehende ihm zu locker
id äusserlich ist. ^) Offenbar genügt aber dieser Grund
cht, da wenn Cicero es unterliess den engeren Zusammen-
ng bestimmter anzugeben derselbe darum noch nicht gänz-
h zu fehlen braucht Und in der-That fehlt er auch
Jit: denn die vorhergehende Betrachtung mit der an sie
geknüpften Ermahnung, dass man dem Tode ruhig ent-
;engehen solle selbst auf Gefahr ins Nichts daliin zu iliessen,
SS doch noch oder konnte doch wenigstens bei Vielen den
nwand übrig lassen dass aber doch wenn auch das Leben
t dem Tode entfliehe noch ein Theil des menschlichen
38ens, der Körper, übrig bleibe durch dessen Schicksale
r Mensch gewissermaassen mitbetroffen werde; die Ant-
rt auf diesen Einwand und damit die Ergänzung des Vor-
rgehenden gibt der fragliche Abschnitt, dessen passender
itz sonach da ist wo Cicero ihm denselben angewiesen hat.
Man kann hieran sogleich noch eine andere Bemerkung
üpfen, die sich auf den Ruhm und die ihm von Cicero
Biridmete Erörtenmg bezieht. Zunächst verdient Beachtung
98 eine solche unmittelbar nach dem Abschnitt über die
stattung einsetzt (109): denn hierdurch wird wahrschein-
h dass wir den Grund weshalb dieser Abschnitt von Cicero
rade an diese Stelle gerückt worden ist richtig bestimmt
ben, da auch der Ruhm zu den Dingen gehört die über
*) Seine Worte sind: „Die Aufzählung von Beispielen helden-
Ster Todesverachtung führt Cicero nämlich auf einen Ausspruch
I Philosophen Theodoros: Theodori qnidem nihil interest humine
Buhlime putescat (102). Und dieses dictum ist es, welches ihm
Veranlassung zu der ganzen Digression gibt (cujus hoc dicto ad-
ncor, ut aliquid etiam de humatione et sepultura dicendum existi-
m). Eine Einführung, die wie mir scheint an gewisse Anekdoten-
ähler erinnert."
400 I^ie TuBculanen.
das Leben des Menschen hinausreichen und trotzdem sein
Interesse in Anspruch nehmen. Sodann aber ist bemerkens-
werth und geeignet auf Cicero als Verfasser ein günstigeres
Licht zu werfen dass er auch den Ruhm nicht bloss im
zweiten Theile seiner Darstellung sondern auch im ersten
besprochen hat, beidemale aber dabei verschieden und so
verfahren ist wie es dem jedesmaligen Zusammenhange ent-
sprach, also ähnlich wie wir es schon an seinen Bemerkun-
gen über die Bestattung beobachtet haben. Im ersten Theü
wird der Ruhm als das bezeichnet was Gegenstand des Stre-
bens für die ausgezeichnetsten Männer auf den verschieden-
sten Gebieten menschlicher Thätigkeit ist, ja was allein uns
für unsere Mühen zu belohnen vermag (32 ff.). Dieselben
Beispiele welche die Wahrheit dieses Gedankens bestätigen
sollen kehren zum Theil (Themistokles und Epameinondas)
auch in der späteren Erörterung wieder. Im Uebrigen aber
unterscheidet sich dieselbe von der früheren wesentlich da-
durch dass in ihr der Ruhm als etwas erscheint das uro
seiner selbst willen nicht erstrebt zu werden verdient und
lediglich darum Werth hat weil es der Schatten ist der der
Tugend folgt (109). Der Grund dieser Verschiedenheit ist
klar: im ersten Theil handelt es sich darum den Beweis für
die Allgemeinheit des Unsterblichkeitsglaubens zu liefern und
diesem Zweck konnte der Ruhm nur dienen wenn er als das
Ziel des Strobeiis gerade der besten Männer hingestellt
wurde; vom Standpunkt des zweiten Theils dagegen der die
Vernichtung des Menschen im Tode voraussetzt konnte ein
derartiges Streben nach dem Ruhm als solchem keinen Sinn
haben und derselbe nur insofern Werth besitzen als er der
stete Begleiter der Tugend ist. Hieraus ergab sich noch
eine andere Verschiedenheit, dass nämlich während im ersten
Theil vom Ruhm schlechthin die Rede ist im zweiten der-
selbe genauer als das Lob welches die Guten ertheilen de-
Das erste Buch. 401
finirt wird — denn nur dieser Ruhm ist der stete Begleiter
ler Tagend — und dass im zweiten der Ruhm nicht so
»lir als Nachruhm, als welcher er im ersten ausschliesslich
;e&sst wird, wie als dasjenige erscheint was dem Menschen
chon bei Lebzeiten zu Theil wird und den Tugendhaften
Tst seiner Tugend gewiss macht — denn nur so kann vom
Standpunkt des zweiten Theils aus der Ruhm leisten was er
oll ein Mittel gegen die Todesfurcht zu sein. Eine Ver-
chiedenheit die so fein und zweckentsprechend erdacht ist
lat nicht das Aussehen von Cicero herzurühren sondern wird
ait grösserer Wahrscheinlichkeit auf die griechische Quelle
urückgefuhrt: wodurch wir zu dem das Resultat der frühem
Jntersuchung bestätigenden Schlüsse kämen dass bereits in
icr Quelle die Erörtening dilemmatisch war und dem ent-
prechend der Ruhm jedes Mal von einer anderen Seite ge-
iommen wurde. Dass Cicero in diesem Falle nicht etwa
ine dogmatische Darstellung Posidons in die Formen der
keptischen Methode gezwängt habe, ist überdiess noch da-
um schwer glaublich weil dann doch aller Wahrscheinlich-
eit nach eine der beiden Auffassungen des Ruhms diejenige
^esidons repräsentiren würde. Diess gilt indessen von kei-
er: denn Posidon konnte nicht leugnen dass der Ruhm an
ich Gegenstand unseres Strebens sei, da dieses Streben nach
einer Ansicht im Wesen der menschlichen Seele wurzelte
». darüber Theil II S. 589), ebenso wenig aber in diesem
treben eine Prolepsis der Unsterblichkeit erblicken wenn
r dasselbe doch ausschliesslich aus der Natur des mittleren
eelenvermögens ableitete (s. a. a. 0.). ^)
^) Dagegen verdient dass die Auffassung des Ruhms an der
reiten Stelle mit derjenigen Chrysipps übereinstimmt — wenigstens
sofern als auch er leugnete dass der Ruhm um seiner selbst willen
i begehren sei (Cicero fin. III 57 s. dazu Th. II S. 252) — deshalb
Hirxel, ünUrsnchungen. TU. 26
402 I)ie Tuscolaoen.
Noch in einer anderen Hinsicht könnte die Darstellung
so schlecht disponirt zu sein scheinen dass man die Ordnung
lediglich auf Ciceros Rechnung setzen und nur die Gedanken
aus der griechischen Quelle ableiten möchte, wenn man näm-
lich auf die im ersten Theil für die Unsterblichkeit geführ-
ten Beweise blickt. Zwar was Corssen behauptet (Diss. S. 6)
die Unsterblichkeit werde 40 f. nur vorausgesetzt, nicht wie
erforderlich war bewiesen, halte ich durch eine frühere Er-
örterung (S. 355 fiF.) für widerlegt. Aber wenn Cicero hier-
nach vor dem Vorwurf, er habe zu wenig oder zu spät be-
wiesen, geschützt ist, so scheint er damit nur dem anderen
zu verfallen dass er im Beweisen des Guten zu viel gethan
oder doch die Beweise für die Unsterblichkeit nicht in der
gehörigen Weise zusammengestellt habe. Denn nachdem 40
die Unsterblichkeit mit Hilfe des Gesetzes der Aehnlichkeit
bewiesen worden war und auf Grund dieses Beweises das
Folgende, namentlich von 43 an, mit den Zuständen der
Seele nach dem Tode sich beschäftigt hatte, wird wider alles
Erwarten der Beweis der Unsterblichkeit den das Vorher-
gehende als erledigt voraussetzte von 53 an aufs Neue und
zwar mit mehr und stärkeren Argumenten geführt Sollen
wir daher annehmen dass Cicero auch hier zwar die Argu-
mente selber seiner griechischen Quelle entnommen, deren
Ordnung aber verändert d. i. verkehrt habe? Eine schärfere
Betrachtung nöthigt uns diese Frage zu verneinen. Sehen
wir nämlich genauer zu, so stellt sich heraus dass der erste
Beweis der Unsterblichkeit zwar das Fortleben der Seele
nach dem Tode begründet, keineswegs aber die unbegrenzte
Dauer desselben in sich schliesst: denn wenn mit der Tren-
nung vom Leibe die Seele zu den ihr verwandten Elementen
ßeachtung weil dieser Philosoph onmittelb&r vorher, wie wir geteheo
haben, in dem Abschnitt über das Bestatten genannt und benotit
worden war.
Das erste Buch. 403
und Regionen zurückkehren soll so ist zwar ein gewisses
Fortleben der Seele dadurch gesetzt, gleichzeitig aber die
Möglichkeit offen gelassen dass dieses Leben in dem Augen-
blick wo jene Vereinigung der Seele mit den ihr. ähnlichen
Elementen vollzogen ist oder auch einige Zeit nachher doch
noch erlischt; weshalb auch 42 für die Ansicht des Pa-
naitios (Ita sive dissipantur, procul a terris id evenit) Raum
bleibt, was nicht der Fall gewesen wäre wenn das Vorher-
gehende bereits den Beweis für die Unsterblichkeit im Sinne
einer unbegrenzten Fortdauer geliefert hätte. An dem Be-
weis bloss einer Fortdauer überhaupt lässt Cicero es sich
vorläufig genügen und deutet diess dadurch an dass er auf
Srund desselben die Zustände der den Leib überdauernden
Seelen schildert. Erst hiemach, vielleicht gemahnt durch die
Einwürfe der Gegner (50 f.), entschliesst er sich abermals
jinen Beweis für die Unsterblichkeit anzutreten, der aber
licht mehr bloss die Fortdauer sondern auch deren Unbe-
prenztheit betrifft.') Insofern also dieser neue Beweis eine
Steigerung des früheren ist, steht er hier ganz an seinem
?latzö. Als eine solche gibt er sich aber auch noch darin
lu erkennen dass während der frühere nur die Existenz der
Jeele nach dem Tode ins Auge fasste, er auch die Präexi-
itenz berücksichtigt und somit den Beweis der Unsterblich-
ceit zu einem der Ewigkeit erweitert. *) Um jeden Verdacht
;egen diese Annahme als sei sie zu künstlich zu beseitigen
') Diess gilt sowohl von der Argumentation die auf die Seele
Ja das Princip aller Bewegung hinweist wie von der hierauf folgen-
loD die ihr eine göttliche Natur zu vindiciren sucht.
*) Eben darum ist auch die Widerlegung der Stoiker und des
'anaitios 77 ff. besser an ihrem Platze als sie etwa 42 ff. sein würde :
lenn obgleich hier ebenfalls von Beiden die Rede ist so steht doch
lier Cicero selber noch auf dem Standpunkt dass er überhaupt nur
»ine Fortdauer der Seele behauptet und konnte deshalb gegen die
Insichten der Stoiker oder des Panaitios nichts einzuwenden haben.
26*
404 Die Tuscalanen.
weise ich darauf hin dass ein solches vorläufiges Ausraheii
auf einem Beweise und darauf folgendes weiteres Fortschreiten
und zwar bei Erörterung desselben Problems sein Vorbild
im platonischen Phaidon hat. Denn nachdem hier die vul-
gäre Meinung als ob die Seele mit dem Tode sich auflöse
widerlegt und bewiesen ist dass die Seele den Körper ge-
raume Zeit überdauert, ^) verweilt Sokrates bei der Betrach-
tung der Schicksale welche die Seelen nach dem Tode er-
warten (81 A ff.) und wird erst durch die Bedenken des
Simmias und namentlich des Kebes bestimmt einen neuen
Anlauf zu nehmen der ihn dazu führt die Ewigkeit der Seele
endgiltig festzustellen. *) Ob eine solche Anordnung der Gfr-
^) Dass nur diess und nicht mehr das Ergebniss der vorangehenden
Untersuchung ist, kann man schon p. 80B angedeutet finden in den
Worten: Ti ovv; tovtojv ovratg i^^ovnov dg* ov^l acaficctt fihv ra/i
öiaXvsaO^ai nQ00t}xei, V'^/J? ^^ ^^ ^^ nocQcinav dSiaXvzü) eivai ij If-
yvg xt xovxov; Bestimmter ergibt es sich aus dem Einwand des
Kebes (86 E): dass man noch immer auf demselben Flecke stehe QDd
des Fortlebens nach dem Tode nicht gewiss sei; denn bewiesen m
höchstens dass die Seele mehrere Körper, nicht aber dass sie tlle
und gerade den gegenwärtigen überdauere.
*) Nicht bloss die Stufen über welche die Untersuchung auf-
steigt, sondern auch die Mittel durch welche dieselben erreicht wer
den sind bei Cicero und Piaton ähnliche. Bei Beiden kommt inner-
halb der Untersuchung die sich auf die Fortdauer der Seele über die
Verbindung mit dem Körper hinaus bezieht das Gesetz der Aehnlich-
keit zur Verwendung (Phaidon p. 80 D. 81 A) und nur der Unterschied
besteht dass dasselbe bei Cicero den ganzen Beweis ausfüllt während
es bei Piaton nur neben einem anderen Grunde hergeht Dies«
andere Grund ist die Einfachheit der Seele vermöge deren sie nifht
wie der zusammengesetzte Körper sich in ihre Elemente auflösea
kann. Bei Cicero wird derselbe zwar nicht besonders hervorgehoben,
scheint aber doch auch nicht gänzlich zu fehlen da 42 gegen die
Atomistiker die die Seele aus Atomen zusammensetzten protestirt
wird. Was sodann die zweite Stufe der Untersuchung betrifft, so
wird die Ewigkeit der Seele bei Piaton daraus gefolgert dass von
Das erste Buch. 405
danken in einer derartigen Untersucliung sich jedem von
»Ibst ergeben würde ist mir fraglich und darum wahrschein-
ich dass wir es mit einer Nachbildung des Phaidon zu thun
aben wie wir sie dem Platoniker Philon wohl zutrauen
Ifirfen. Dass Cicero selbst den Piaton in dieser Beziehung
achgeahmt habe, ist deshalb nicht glaublich weil er dann
en bezeichneten Gedankengang in seiner Darstellung wohl
3utlicher hätte hervortreten lassen. Statt dessen trägt er
elmehr selber die Schuld wenn derselbe bisher seinen Er-
ärem verborgen blieb: denn obgleich er die Gedanken
ich dem angegebenen Princip geordnet hat, so hat er selber
Kjh nicht nur nirgends dieses Princip als das maassgebende
zeichnet, sondern es noch mehr verdunkelt wenn er ein-
ü durch das Gesetz der Aehnlichkeit die Ewigkeit der
ele (aetemitas 39) für bewiesen hält
Der Gang der bisherigen Untersuchung ist der gewesen
SS wir zuerst die Anspiniche des Poseidonios als Quellen-
briftsteller zu gelten zurückgewiesen, sodann diejenigen
lilons begründet und endlich es unwahrscheinlich gemacht
ben dass Cicero selbständig eine nicht- skeptische Schrift
. skeptischen Sinne verarbeitet habe. Wenn wir uns nun
ch anderen Mitteln umsehen um die gefundenen Resultate
befestigen so können wir dieselben imr von den folgen-
n Büchern der Tusculanen erwarten: denn mag auch die
itersuchung bisweilen zu anderen Ergebnissen führen, die
chste Aimahme bleibt doch dass die einzelnen Theile eines
erkes die denselben philosophischen SUindpunkt zeigen und
rwandten Inhalt haben nicht aus verschiedenen sondern
8 derselben Quelle geschöpft sind.
n Begriffe der Seele die Idee des Lebens unzertrennlich ist: zu
n gleichen Schlüsse kommt Cicero indem er in der Seele das
incip aller Bewegung erkennt, d. h. von demselben Gedanken nur
anderer Fassung ausgeht.
406 I^ie TusculaDen.
2. Das zweite Baeh.
Durch die zum Schluss der letzten Abhandlung ausge-
sprochene Vermuthung dass die folgenden Bücher der Tus-
culanen aus derselben Quelle geschöpft seien wie das eiste
und indem man fiir letzteres die Resultate der Corssenschen
Untersuchung anerkannte hat man sich in neuester Zeit ver-
leiten lassen ^) Poseidonios als Giceros Gewährsmann für das
zweite Buch anzusehen. Mit dieser neusten stimmen die
früheren Meinungen die die Quelle die einen in einer Schriit
des Antiochos*) die anderen in einer des Chrysippos*) sucb-
ten insofern überein als sie ebenfalls daran festhalten dass
Cicero den Inhalt seiner Darstellung einem dogmatischen
Philosophen vordanke. Lassen wir diese letztere Voraus-
setzung gelten,, so müssen wir von vornherein geneigt sein
dem Ergebnisse der neusten Untersuchung ein grösseres Zu-
trauen zu schenken eben weil sie die neuste ist und nicht —
und zumal nicht in derselben Richtung, auf einen dogma-
tischen Philosophen hin — unternommen werden durfte wenn
ihr Urheber nicht in dem Glauben gestanden hätte au die
Stelle der nicht vollkommen befriedigenden Resultate seiner
Vorgänger endlich ein sicheres und abschliessendes setzen
zu können. Auf der anderen Seite freilich, da eben diese
Untersuchung an die Abhandlung Corssens anknüpft und
deren Ergebniss über die Quellen des ersten Buches uns
keineswegs so sicher erschienen ist um als Fundament wei-
terer Forschungen zu dienen, erregt sie auch wieder Zweifel
M Poppelreuter Quae ratio intercedat inter Posidonü ne^ xtt-
^wv TiQayfiazelaq et Tusculanas disputationes CiceroDis. Bonn. Diss.
1883.
^ Heinze Stoic. de affect. doctr. Berlin 1860. S. 2.
') Bake Posidon. Bbod. rel. S. 196. Herne de fontib. Ttisc. disp.
Zietzschmann de Tusc. disp. fönt.
Das zweite Buch. 407
sich und fordert somit ans einem doppelten Grunde
2ar näheren Prüfung auf.
Ein Umstand scheint sich der Hypothese die in einer
Schrift des Poseidonios Ciccros Quelle findet entgegenzu-
stellen, dass nämlich zweimal Lehren vorgetragen werden
die wenigstens zunächst mit den sonst bekannten Ansichten
des Stoikers sich nicht vereinigen lassen. Die eine Lehre
ist die wonach der Affekt in Folge dessen wir dem Schmerze
zu viel nachgeben im Wesentlichen nur auf einer verkehrten
Meinung (opinio) beruht (52); gerade gegen diese Ansicht
aber hatte sich Poseidonios erklärt und zwar ebenso gegen
Chrysipps Nuancirung derselben welche den Affekt mit der
Meinung identifi^irte wie gegen die Zenons wonach die Affekte
aus gewissen Meinungen entspringen (Zeller III 1 S. 580, 4).
Die andere Lehre betrifft den Begriff von Gut uud Uobel,
den die Stoiker auf das Psychische und Moralische beschränk-
ten, den aber Cicero in peripatetisch- akademischer Weise
weiter ausgedehnt hat sodass er Leibliches und Aeusseres
zu umfassen vermag (30). Halten wir uns zuerst an diesen
letzteren Widerspruch, so scheint er sich dadurch zu lösen,
dass auch Poseidonios mit den Namen Gut und Uebcl es
nicht zu genau nahm und gelegentlich solche Dinge damit
bezeichnete die nach streng stoischer Vorstellung es nicht
verdienten (s. darüber Theil II S. 261 ff.). Wer hiernach
glauben wollte dass Ciceros laxere Auffassung von Gut und
Uebel keine andere als die des Poseidonios sei würde sich
indessen eines Missverständnisses schuldig machen. Während
Cicero nämlich den Unterschied von Gütern und sogenannten
Proegmena als einen begrifflichen und wesentlichen über-
haupt nicht anerkannte sondern ihn nur als einen graduellen
gelten lioss, hatte Poseidonios denselben keineswegs geleugnet
und war nur hin und wieder in populärer Darstellung von
der stoischen Terminologie abgewichen. Dicss habe ich
408 ^^6 TuBCulanen.
früher ausführlicher nachgewieseu. Hier genügt es daran
zu erinnern dass Cicero selber und zwar in unserem zweiten
Buche den Poseidonios sich zur gemein stoischen Lehre be-
kennen lässt die den Schmerz nicht etwa zu einem geringeu
Uebel herabdrückte sondern gar nicht als solches anerkannte
(61). Und doch soll Cicero gleichzeitig eine Schrift dieses
Philosophen vorgelegen haben, in der dieser die Wahrheit
jener stoischen Lehre so nachdrücklich bestritten hatte! Nicht
viel besser steht es mit der Lösung des anderen Wider-
spruchs die man versucht hat^) Derselbe, hat man gesagt,
verschwindet sobald man nur „opinio", nicht in der Bedeu-
tung von Meinung oder Urtheil nimmt in welcher es dem
griechischen xglöig entspricht sondeni allgemeiner als Vor-
stellung fasst; denn dass die Aflfekte durch Vorstellungen
erregt werden und daher bis zu einem gewissen Grade mit
ihnen identisch sind habe Poseidonios nicht leugnen wollen.
Welcher Art diese Vorstellungen sind, sollen wir aus Cicero
de div. I 60 lernen wo wir unter anderem Folgendes lesen:
,4taque huic omnia visa obiciuntur a mente ac ratione vacua,
ut aut cum matre corpus miscere videatur aut cum quovis
alio vel homine vel deo, saepe belua, atcjue etiam trucidare
aliquem et impie cruentari multaque facere impui'e atque
taetre cum temeritate et impudentia". Dass nun Poseidonios
von derartigen Vorstellungen oder Bildern die niederen Seeleu-
kräfte erregt werden liess, will ich nicht bestreiten wenn
auch der mich bestimmende Grund nicht die cicoronischen
Worte sondern die für Jeden oflfen liegende Natur der Sache
ist; bestreiten muss ich dagegen dass um solche Vorstellungen
zu bezeichnen Cicero das Wort „opinio" wählen konnte und
nicht ein Wort wie visura, imago oder ein ähnliches gesetzt
haben würde. Zwar wird wer diess zu bestreiten wagt auf
') Poppelreuter a. a. 0. S. 13 f.
Das zweite Buch. 409
Cioero de fin. 11 13 und die dort sich findenden Worte
«animi sine ratione opinantis" verwiesen. Aber mit Unrecht.
Denn der Geist ,^ine ratione'' ist keineswegs ein solcher
dem das höchste Seelenvermögen und damit auch die Ur-
theilskraft fehlt in welchem Falle allerdhigs das „opinari"
auf Vorstellungen bezogen werden niüsste deren auch die
niederen Seelenkräfte fähig sind: sondern er ist einer dessen
höchstes Seclenvcrmögen entartet ist, der wohl urthoilt aber
falsch und unvernünftig urtheilt; ratio darf also nicht im
psychologischen sondern muss im moralischen Sinne genom-
men werden. *) Aber auch zugegeben dass „opinio" die ange-
nommene Bedeutung haben könne, so wird dieselbe doch an
unserer Stelle durch den Zusammenhang ausgeschlossen, der
jeden aufmerksamen Leser lehrt dass „opinio" nicht ein von
der Einbildungskraft hervorgerufenes Bild sondern eine Mei-
nung bedeutet der zufolge der Schmerz ein uueiirägliches
Uebel ist. Der Widerspruch in dem die ciceronische Stelle
mit den sonst bekannten Ansichten Posidons steht behält
^) Dieser Hinweis auf die richtige Auffassung würde genügen,
auch für den der sich nicht die Mühe nähme die Worte in ihrem
Zusammenhang nachzulesen. Wer diess aber thut der wird erstau-
nen dass man überhaupt dieselben so missverstehon konnte. In ihrem
Zosammenhang stellen sie nämlich eine Definition der ,,voluptas** vor
die folgendermassen lautet: sublatio animi sine ratione opinantis se
magno bono frui. Hier wird ausdrücklich der Inhalt des ,,opinari''
angegeben und wir sehen daraus dass derselbe nicht in der Vorstel-
lung eines Bildes besteht die zu erzeugen auch die niederen Seelen-
kräfte für sich allein im Stande sind sondern in einem Urtheil dass
diess oder jenes ein grosses Gut sei, also in etwas das nicht aus der
Einbildungskraft oder gar aus Begierden und Leidenschaften sondern
nur aus dem denkenden Theil der Seele abgeleitet werden kann.
Zur Kenntniss der eigenthümlichen Lehre Posidons durfte jene Stolle
auch darum nicht benutzt werden, weil sie vielmehr auf der ent-
gegengesetzten chrysippischen Anschauung beruht. Diess erkennt
man wenn man de fin. lll 35 vergleicht.
410 I^ie Tusculanen.
daher seine volle Kraft uud hindert uns in Vorbindung mit
dem vorher besprochenen in dem genannten Stoiker Ciceros
griechischen Gewährsmann für das zweite Buch der Tuscu-
lanen zu sehen.*) — Ist hiermit der Anspruch Posidons
zurückgewiesen so treten gleichzeitig die der Uebrigen wie-
der hervor. Unter diesen muss Chrysipp gleich von der
Schwelle abgewiesen werden, da eine solche Kritik wio sie
an der stoischen Lehre vom Uebel geübt wird (30 und 42)
und die damit zusammenhängende Bevorzugung der peripa-
tetisch-akademischen Ansicht (45) methodischer Weise eben-
falls aus der griechischen Quelle abgeleitet werden muss,
diese aber dann nicht eine Schrift jenes Stoikers gewesen
sein kann. So bleibt nur noch Antiochos übrig, dessen An-
sprüche durch die eben hervorgehobenen Punkte der Lehre
ebenso sehr unterstützt werden als diejenigen Chrysipps da-
durch vernichtet wurden. Und allerdings wird eine Schrift
dieses Akademikers solange als die Quelle gelten müssen als
man an der Voraussetzung festhält dass diese Quelle die
Schrift eines dogmatischen Philosophen war. Was nöthigt
uns aber zu dieser letzteren Annahme?
Schon bei der Untersuchung über das erste Buch haben
wir uns durch die Winke leiten lassen die Cicero selbst über
seinen philosophischen Standpunkt gibt und hieraus auf den
philosophischen Standpunkt auch seiner Quelle geschlossen.
Verfahren wir nun nach dieser bewährten Methode auch
jetzt, so kommen wir zu dem gleichen Ergebniss dass näm-
lich die Quelle die Schrift eines akademischen Skeptikers
^) Aus demselben Grunde kann auch Panaitios nicht als Ge-
währsmann Ciceros gelten und kann deshalb Zietzschmanns Yerthei-
digung dieser Ansicht (de Tuscul. disp. fönt. S. 11) zurückgewiesen
werden ohne dass es nöthig wäre auf dessen positive Argumente hier
noch besonders einzugehen, über welche übrigens zu vergleichen ut
TheU II S. 631 f.
Das zweite Buch. 411
'ar (1, 4. 2, 4). Ja die ausdrücklichen Hindeutungen Ci-
aro6 auf seine Quelle reichen sogar im zweiten Buche noch
eiter: denn während sie im ersten nicht über die Bezeich-
nng eines akademischen Skeptikers hinausgingen, weisen sie
1 zweiten bestimmter auf Philon, auf den im ersten Buche
tdere Indicien nur vermittelst eines Schlusses hinführten,
a aber im zweiten Cicero nicht nur bei der Verlegung der
jputationen auf die Nachmittage^) sondern auch bei der
ufugung von Versen in die philosophische Darstellung*)
1 seinen Vorgänger und sein Vorbild nennt. Diese Hin-
atungen werden aber wie beim ersten Buche so auch diess-
1 durch die Beschaffenheit der Darstellung selber voll-
tnmen bestätigt, da dieselbe in der Hauptsache den an-
cfindigten skeptischen Standpunkt streng festhält In echt
idemischer Weise lässt Cicero zunächst eine Behauptung
stellen um diese sodann zu bestreiten (14). Diese Be-
iptung ist dass der Schmerz das grösste Ucbel sei. In
* Bekämpfung stösst er vor Allem mit Epikur zusammen
I ff^.), den er besondei*s dadurch widerlegt dass er ihn eines
^) 9: Nostra autem memoria Philo quem nos frequenter audl-
lus instituit alio tempore rhetorum praecepta tradere alio philoso-
trum. Ad quam nos consuetudinem a famUiaribus nostris adducti
Tusculano quod datum est temporis nobis in eo cousumpsimus.
jue cum ante meridiem dictioni operam dedlsscmus sicut pridie
Bramus, post meridiem in Academiam descendimus.
^) 26: (A.) Interea unde ist! versus? non enim adgnosco. M. Di-
a hercle; etenim rocto requiris. Videsne abundare me otio?
Quid tum? M. Fuisti saepe, credo, cum Athenis esses, in scholis
losophorum. A. Yero ac libenter quidem. M. Animadvertebas
;ur, etsi tum nemo erat admodum copiosus, verumtamen versus ab
admisceri orationi. A. Ac multos quidem a Dionysio Stoico.
Probe dicis. Sed is quasi dlctata, nullo delectu, nulla elegantia;
io et proprium numerum et lecta poemata et loco adjungebat.
^ae postquam adamavi baue quasi senilem declamationem studiose
ddem utor nostris poetis etc.
412 1^16 Tusculanen.
Widerspruchs mit sich selber überführt (vgl. 44 f. 28): denn
auch dieser Philosoph hatte zugegeben dass der Schmerz er-
tragen werden könne und infolge dessen unserer Glückselig-
keit nicht hinderlich sei. Indem Cicero so sich von der
epikurischen Moral abwendet, fällt er doch keineswegs einem
Dogmatiker in die Arme sondern bewahrt sich seine skep-
tische Unpartheilichkeit. Dass er hierbei die strengere stoi-
sche Auffassung der Güter und Uebel als eitle Wortklauberei
verwirft (29 f. 42), bringt ihn mit der Skepsis, wenigstens
wie sie historisch innerhalb der Akademie einmal geworden
war, nicht in Widerspruch da dasselbe Urtheil über den
Unterschied der stoischen und peripatetischen Moral schon
Kameades gefällt hatte (Theil II 643, 1). Aber auch von
diesem letzteren Umstand abgesehen vergibt Cicero durch
diese Bevorzugung der peripatetischen Moral seinem Skepti-
cismus Nichts. Diess würde erst dann der Fall sein wenn
er mit Entschiedenheit erklärt hätte dass der Schmerz ein
Uebel sei. Statt dessen tadelt er an den Stoikern lücht
dass sie diess leugneten — denn ob sie damit Recht oder
Unrecht haben, will er unentschieden lassen^) — sondern
^) 42: sitne igitur malum dolere uecne, Stoici viderint qui coo-
tortulis quibusdum et minutis conclusiunculis nee ad sensus perma-
nantibus effici voliint non esse malum dolorem. Ego illud quicqaid
Bit tantum esse quantum videatur non puto falsaque ejus visione et
specie moveri homines dico vehementius doloremque omnem esse
tolerabilem. Dieselbe Meinung wird auch in folgenden Worten (46)
angedeutet: volo autem dicere illud homini longo Optimum esse quod
ipsum sit optandum per se, a virtutc profectum vel in ipsa virtate
situm, sua sponte laudabile; quod quidem citius dixerim solum
quam non summum bonum. Noch zum Schluss (GG) bleibt er di-
bei zwischen der stoischen und peripatetischen Ansicht die Wahl zu
lassen: debeas existimare aut non esse malum dolorem aut etiam si
quicquid aspcrum alienumque natura sit id appellari placeat malum,
tantulum tamen esse ut a virtute ita obruatur ut nusquam appareat
Das zweite Buch. 413
dass sie überhaupt eine solche Frage aufgeworfen hätten
deren Beantwortung fiir die praktische Moral ganz gleich-
Siltig sei. ^) Es ist ihm überhaupt nicht so sehr um die
Erforschung der Wahrheit als um die Erzielung praktischer
Elesultate in der Moral zu thun^): dahin gehört es dass die
S^othwendigkeit den Schmerz zu ertragen aus der Unmög-
ichkeit anderenfalls die Tugend aufrechtzuhalten gefolgert
¥ird (31 f.). Was er zu zeigen versucht ist dass der Schmerz
jrtragen werden müsse und wie er ertragen werden könne:
las Dogmatischen bedarf er um diesen Zweck zu erreichen
lur sehr wenig. Er spricht von Forderungen unserer Na-
ur und erkennt dieselben an, insbesondere die welche auf
iin tugend- und ehrenhaftes Verhalten dringt (46. 58): auf
lie Forderungen der Natur hatte aber auch Karneades ge-
lört und ihre Rechtmässigkeit nicht bezweifelt, wenn er die
•Vage nach dem Naturgemässen (xara g>vaiv) erörterte. Er
chliesst sich der in der akademisch -peripatetischen Schule
ind bis in die stoische hinein verbreiteten Eintheilung der
Jeelc in eine vernünftige und vernunftlose an (47); vergibt
.ber dadurch seinem Skepticismus um so weniger weil er
liese Eintheilung in der Hauptsache nur für eine im In-
eresse der praktischen Moral gemachte erklärt und deshalb
on jeder näheren Bestimmung der beiden Theile absieht.^)
^) Von diesem Standpunkt war es daher noch besonders nicht
nconsequent, wenn er nntcr den moralischen Vorbildern auch Stoiker
jiführte (GOf.). Eine andere Frage ist ob er auch diese Beispiele
einer griechischen Quelle entnommen hat; was wenigstens Posidon
«trifft so wird er was er über ihn erzählt wohl aus seinem Gedächt-
iBS genommen haben.
*) 28: hoc ipsum (majus esse malum dedecus quam dolorem) si
Bnebis, intellegcs quam sit obsistendum dolor!; nee tam quaerendum
st, dolor malnmne sit, quam firmandus animus ad dolorem ferendum.
^) A. a. 0.: quamquam hoc nescio quomodo dicatur, quasi duo
imus ut alter imperet alter pareat; non inscite tamen dicitur.
414 1)^6 Tusculanen.
•
Endlich setzt die verkehrte Meinung (opinio) die uns gegen
den Schmerz zu nachgiebig macht (52) zwar ein Gegentheil
voraus, dieses Gegentheil muss aber nicht eine wahre Mei-
nung sein sondern ist zunächst nur eine solche die die ge-
wünschte moralische Wirkung hat, d. h. die Meinung dass
der Schmerz ertragen werden kann wird deshalb empfohlen
weil sie zweckentsprechend ist und uns im Ertragen von
Schmerzen stärkt, nicht weil sie als absolut und objektiT
richtig gilt.
Aus dem Gesagten ergibt sich von selber der Schluss
dass eine Schrift Philons die Quelle des zweiten Buches ist
Erleichtert wird derselbe dadurch dass auf das enge Band
hingewiesen wird welches den Inhalt des zweiten Buches mit
dem des ersten verknüpft: denn die Verachtung des Todes
die das letztere zu begründen suchte wird für eine Wirkung
der nämlichen Tugend, der Tapferkeit, erklärt aus der auch
die Verachtung des Schmerzes entspringt (43). Eine weitere
Bestätigung dieses Resultats können wir nur von den Unte^
suchungen über die folgenden Bücher erwarten.
3. Das dritte Bach.
Wenn wir nach der Quelle dieses Buches fragen, so
tritt uns abermals zunächst Poseidonios entgegen weil seine
Ansprüche zuletzt einen Vertheidiger gefunden haben. ^) Aber
als wenn es gegolten hätte diesem einmal in Mode gekom-
menen Philosophen auch hier einen Platz zu verschaffen, ist
diese Vertheidigung aufs Gewaltsamste und so zu Werke ge-
gangen dass sie die Zustimmung eines unpartheiischen Rich-
ters schwerlich finden wird. Eine Schrift des Poseidonios,
*) Poppelreuter Quae ratio intercedat inter Posidonii ne^ »«•
S^ojv TigayfiatelaQ et Tusculanas disputationes Ciceronis. Bonn 1883.
Das dritte Bach. 415
^ man erstaunt, soll die Quelle einer Darstellung ge-
sen sein, die zum guten Theil auf dem Satze ruht dass
ar Kummer (aegritudo) nicht in der Natur oder den
Igen sondern lediglich in einer gewissen Meinung (opinio)
pündet ist, — einem Satze den nach Galens Mittheilungen
rysipp aufgestellt Posidon aber aufs Heftigste bekämpft
te? Und man wird mit der Gegenfrage abgespeist: Warum
in nicht, wenn der eine Stoiker doch unter „Meinung** etwas
leres verstand als der andere? Nun wäre es aber gewiss
fallend wenn Posidon erst die Lehre Chrysipps bekämpft
I dann doch seine eigene abweichende Ansicht in dieselben
rte gefasst hätte so dass sie äusserlich betrachtet der von
I bekämpften vollkommen gleich war, doppelt auffallend
m er diess in einer und derselben Schrift (pt&Ql jiad-d^v)
lian hätte. Man könnte darin nur entweder eine Arroganz
en die es verschmäht dem Leser das Verständniss irgend-
zu erleichtern oder eine pä^lagogischc Absicht wittern
seine Aufmerksamkeit auf ein äusserstes gar nicht zu
laugendes Maass spannen möchte. Statt aber hiemach
Allgemeinen über die erwähnte Hypothese abzuurtheilen
fen wir sie lieber etwas näher. Posidon soll sich ihr
)lge hinter Cicero verstecken: die Auffassung vom Wesen
Kummers (aegritudo Xvjctj 61) die wir bei diesem fin-
wird daher dieselbe sein die schon der Stoiker vertreten
te, da sie durch die ganze Darstellung festgehalten wird.')
) Elemente dieser Auffassung finden wir am vollständig-
I in folgender Definition zusammengefasst (25): aegritudo
opinio magni mali praoscntis et quidem recens opinio
3 mali ut in eo rectum videatur esse angi; id autcm est
s qui doleat oportere opinetur se dolere. Wie nun Chry-
») 2. 23 ff. 26. 61. 62. 64. 65. 28, 66. 68. 70. 28, 71. 72. 30, 73
ja). 31, 74. 75. 80. 82.
416 Die TuscalaDen.
sipp den Kummer definirt hatte, sagt uns Galen de placii
Hipp, et Plat p. 416 K, nämlich als rfoga jtgoögxxtoq tov
xaxov jcaQstvai, Gegen diese Definition hatte aber Posidon
wie uns derselbe Gewährsmann sagt polemisirt Sollte er
nichtsdestoweniger der Urheber der aus Cicero angeführten
Definition sein, so müsste man auf den zweiten Theil der-
selben „talis mali ut in eo" etc. besonderes Gewicht legen
und hierin einen für Posidons Ansicht charakteristischen Zu-
satz erblicken; denn dieser Zusatz fehle in der von Galen
mitgetheilten Definition Chrysipps. Bestätigt könnte man
sich in dieser Vormuthung dadurch finden dass Cicero an
einer anderen Stelle (61) auf Chrysipp zunächst nur die De-
finition des Kummers als „opinio et Judicium magni prae-
sentis atque urgentis mali" zurückzuführen und was er so-
dann (62) hinzufügt „sed ad hanc opinionem magni mali
cum illa etiara opinio accessit oportere, rectum esse, ad offi-
cium pertinere ferro illud aegro quod accidcrit" aus einer
anderen Quelle zu schöpfen scheint. Dass indessen diese
beiden Argumente trügerischer Schein sind und jener Zusatz
schon von Chrysipp gemacht war, lehrt deutlich folgende
Bemerkung Ciceros (76): Chrj'sippus caput esse censet in
consolando detrahere illam opinionem maerenti si se officio
fungi putet justo atque debito. Ciceros Definition des Kum-
mers stimmt also mit derjenigen Chrysipps nicht bloss darin
überein dass sie beide ihn als eine blosse Meinung bezeich-
nen sondern auch darin dass sie den Inhalt dieser Meinung
in derselben Weise bestimmen. Daran also dass jene Defi-
nition von Posidon herrühre oder dessen Auffassung wieder-
gebe, kann hiernach nicht mehr gedacht werden. Selbst die
Ausflucht ist jetzt abgeschnitten, dass Posidon zwar nicht
das Wesen des Kummers in ein Meinen gesetzt, ihn aber
für die Wirkung oder Folge eines solchen erklärt habe:
denn die ciceronischen Worte setzen eben die Identität bei-
Das dritte Buch. 417
der voraus. Und überdies ist zu dieser Ausflucht zu greifen
schon darum nicht erlaubt weil ja Posidou mit der chry-
sippischen zugleich auch die Ansicht Zenons verworfen hatte
deren Eigenthümlichkoit im Gegensatz zu jener eben darin
bestand dass sie die Leidenschaften nicht mit gewissen Mei-
nungen für identisch sondern nur als die Folgen derselben
ansah. ^) Posidon hielt nicht die Leidenschaften für eine
Folge gewisser Meinungen sondern umgekehrt diese für eine
Wirkung jener.*) — Aus diesem stoischen Gioinddogma, das
*) Galen de plac. Ilipp. et Plat. p. 429 K: XQvamnoq fiev
Ziqvoiv 6h ov xaq xQlaetg avräg dXXa rag iTCiyivofxtvag cevrceig
avatoXag xal Sia^yaeig inagoeig re xal nzwasig rrjg tpv/^i^S iv6fAtt,6v
üvai xa TidS'tf.
^ Diess ergibt sich aus Galen a. a. 0. p. 463 E: ö noaeiSm-
vtog Setxvvvai netQärai naaeüv rwv xpsvSiov vTtoktjtf'Swv rag
aixlaq tv fikv xw S'eafQtjxtxoi öta xrjg nad-tfxixijg blxrjg ylvea&at,
n^ioriysIaB'ai 6h ccvxf^g xäg yfsvSetg So^ag daS^evfjaavxog neQl xt^v xgl-
atv xov Xoytaxtxov' yerväad-ai yccQ xw ^woj x^v oQfAtjv ivloxe fjihv
inl xy xov koytaxixov xQt'ost, noXkdxig 6b inl xy xivtjoei xov naB^i-
xtxov. Hier wird zuerst behauptet dass alle falschen Meinungen
durch den Einfluss der niederen Seelenkräfte auf das Urtheilsver-
mögen entstehen, danach aber auch den Meinungen ein Einfluss auf
die niederen Seelenkräfte eingeräumt. Beides steht mit einander
nicht in Widerspruch sodass wir deswegen nöthig hätten zwischen
(fofa und vnoktixpig einen feineren technischen Unterschied anzuneh-
men — eine Annahme die sich überdiess mit Posidons Bestreben sich
von einer engen Terminologie möglichst frei zu machen (s. Theil II
S. 382 ff.) schwer vereinigen lässt und durch den sonst bei Galen
a. a. 0. (S. 394, 9. 15. ed. Müller. 395, 2. 398, 10. Vgl. auch 435,
11. 403, 2) eingehaltenen Sprachgebrauch geradezu widerlegt wird.
Der Sinn ist vielmehr dass das urtheilende Vermögen im Menschen,
die Vernunft, zwar durch die niederen Seelenkräftc zu falschen Mei-
nungen verführt und somit verderbt wlrd^ dass es aber auch in die-
ser Verderbniss und mit diesen falschen Meinungen nicht ganz auf-
hört sein ursprüngliches Herrscherrecht an den niederen Seelenkräf-
ten auszuüben: denn, wie ausdrücklich hervorgehoben wird, bisweilen
entsteht das Streben {joQfxi]) dos Menschen infolge eines Beschlusses
Uirsol, Untersucbuogon. III. 27
418 1^16 TnsculaDen.
die Leidenschaften sei es für wesensgleich mit gewissen Mei-
nungen sei es für eine Folge derselben erklärte und somit
auf jeden Fall in der engsten Weise von ihnen abhängig
machte, ergaben sich nun weitere Consequenzen die die
Schule nicht verfehlt hat zu ziehen. Ist die Natur der Lei-
denschaften nämlich die angegebene, so folgt dass dieselben
nicht dem Menschen angeboren sein und dem Keime nach
von Anfang in ihm liegen können sondern in derselben Weise
wie andere Meinungen in ihm entstanden d. h. entweder von
anderen Menschen fertig auf ihn übertragen oder aus selbst-
ständiger Betrachtung der Dinge geschöpft sein, unter allen
Umständen also von aussen stammen müssen. Diese beiden
wurden in der That als die Quellen aller Sittenverderbniss
von den Stoikern bezeichnet, ^) und dass den Keim des Bösen
des artheilenden Vermögens. Offenbar hat hierbei Posidon verderbte
Menschen im Auge, deren Leben zwar im Ganzen seine Moti?e aas
den niederen Seelenkräften schöpft, die aber nichtsdestoweniger in
Einzelnen oft eine grosse Selbstbeherrschung zeigen; Menschen die
zwar die Hauptziele ihres Handelns unter dem Einfluss der niederen
Seelenkräfte wählen, beim Streben dieselben zu erreichen aber sich
lediglich an das Urtheilsvermögen und seine Entscheidungen binden
und nach Maassgabe derselben die sinnlichen Neigungen und Leiden-
schaften oftmals unterdrücken. Dass diess der wahre Sinn der Worte
Galens ist, kann auch so nicht verkannt werden; noch deutlicher
würde derselbe freilich hervortreten wenn vor dem da&evijüavto;
TifQl rtjv xqIöiv ein xal stünde. Diese Erklärung reinigt nicht bloss
die Ueberlieferung über Posidon von einem scheinbaren Widersprach
sondern macht auch die fraglichen Worte zu einem klaren Zeagniss
dafür dass der genannte Stoiker die öo^a für eine Aeusserung aos-
schliesslich der höchsten Seelenkraft und nicht wie man behauptet
hat (vgl. S. 408 ff.) auch der niederen Vermögen hi«lt Hiermit er-
ledigen sich die Bedenken die ich selber früher (Theil l\ S. 591, 1)
gegen die Ueberlieferung der Galenschen Worte geäussert habe.
*) Diogenes L. VH 89 theilt als stoische Ansicht mit: diaoi^-
(fhoB^ai 61 xo koyixov t^ioov nozh fAev 6ta rag raiv ^^wS-fv Ti^yfia-
Tfiojv TTi^avoTfjtag noze Sh öia Zfjv xaztjXfiGtv rctiv avvovtwv i:ffi
Das dritte Bncb. 419
der Mensch nicht von der Natur sondern erst von seiner
Umgebung empfangen hat, diesen Gedanken spricht auch
Cicero zu Anfang des uns hier interessirenden Buches sehr
nachdrücklich aus. ^) Man muss sich recht klar machen
Worin die Uebereinstimmung Ciceros mit den Stoikern be-
ruht Wäre sie nämlich auf die Meinung beschränkt dass
die Umgebungen eines Menschen der Sittlichkeit desselben
schaden können, so würde sie für uns bedeutungslos sein da
diess eine offenbare Wahrheit ist die keinem Philosophen
entgehen konnte und über die daher die verschiedensten
einig sein mussten. Nun erstreckt sich aber jene Ueberein-
stimmung weiter darauf dass die Ursachen der Sittenvcrderb-
niss nicht bloss bisweilen oder meistens sondern immer und
ausschliesslich ausser uns, niemals aber in der inneren ur-
sprünglichen Natur des Menschen liegen sollen. Erst so wird
sie für die Erkenntniss eines eigen thümlichen philosophischen
Standpunktes brauchbar: denn dass die Verderbniss dem
Menschen bloss von aussen komme wollten durchaus nicht
alle Philosophen und wollte insbesondere Posidon nicht zu-
geben, der deshalb ebenso wie über das Grunddogma von
der Natur aller Leidenschaft so auch über diesen daraus
herfliessenden Satz gegen Chrysipp gestritten hatte. ^) So-
mit hätten wir eine neue Spur gefunden die indem sie uns
y/ ifvaig ntfo^fiag Sldwoiv (cSiaazQotf'ov^. Vgl. dazu Stobaios ccl. II 212.
Dasselbe lernen wir als Ansicht Chrysipps kennen durch Galen 402 K.
^) Vgl. bes. 2: Sunt enim ingeniis nostris semina innata virtu-
tum, quao si adolcscero liccret ipsa nos ad beatam vitam natura
perduccret. Nunc autem simul atque editi in luccm et suscepti su-
mas, in omni continuo pravitate et in summa opinionum perversitate
Tersamur; ut paenc cum lacte nutricis errorem suxisHO videamur.
Cum vero parentibus redditi dein magistris traditi sumus, tum ita
Tariis imbuimur crroribus ut vanitati veritas et opinioni confirmatae
natura ipsa cedat.
^) Bei Galen 462 K wird zunächst als Lehre Chrysipps Toran-
27*
420 I>ie TuBculaneD.
auf Ciceros griechischen Gewährsmann leiten kann uns gleich-
zeitig von Posidon abfiihii;. — Die Natur des Kununers zu
bestimmen hatte Cicero nur deshalb für wichtig gehalten
weil er hierin den einzigen Weg sah die Mittel seiner Hei-
lung zu finden (23). Es ist daher begreiflich dass beide
einander entsprechen und dass wie der Kummer sein Wesen
in einer gewissen Meinung hat auch die Beseitigung dieser
letzteren den besten Trost bildet. Kummer ist die Meinung
dass uns ein grosses Uebel betroffen hat und dass es iu der
Ordnung ist über dasselbe Schmerz zu empfinden (25), er
besteht also eigentlich aus zwei Meinungen; die dagegen vor-
geschlagenen Mittel, von denen die beiden zuerst zu nennen-
den sich vorzüglich gegen die erste das dritte gegen die
gestellt „SiTTtiv flvai rijg 6iaaxQ0ip(jq t?)v alzlav, httQuv /uihv ix xax-
?jX^'joeü)>; xwv 7io)J.d*v dvS-Qionwv iyyivofjiivijv, Ixtgav 6h tf aviit;
idjv TtQccy/xdTCDv TTJg ipvofüx;^'' und darauf dieser Satz folgender-
maassen widerlegt: iym 6h vtiIq hxartQaq avrwv dnoQw xal ngwui;
ys riji; ix twv niXag yivo/nivijq. xal yccQ 6ia xl d-eaadftsvd le xm
dxovauvxa na(jd6eiyfia xaxlag ovxl fnosl xovxo xal (pevysi xi5 iiifii-
fjuav olxelwaiv t^ftv TiQoq aiixo, d^avfid^eiv iTii^^exal fxoi xal no).v
ötj fiä),),ov, inn6av fxT]xe d-eaad/ieva fJtTJxe dxovaavxa TiQog avi&v
Xiuv TiQayixdxmv i^anaxtiS-y. xlq yaQ dvdyxt^ xovg nal6aq vnb filv
xT^q yäovfjq wq dyaS^ov 6eXsd^ea^ai firj6e/jUav oixeifooiv sxovzaq n^
avxf}v, d7ioax()i<fiea&ai 6s xal (pevysiv xbv novov tintQ ft^ xal ?[Qbq
xovxov i]lXoTQliovxai (pvoei; An einer anderen Stelle (p. 412 K) wird
über Chrysipps Meinung dass die Leidenschaften dem Menschen
durch eine fremde äussere Gewalt aufgenöthigt werden und nicht
schon ursprünglich in ihm angelegt sind Folgendes bemerkt: b^oloyil
{6 XQvomnoq) ßiav xivd xt)v xivovaav slvai iv näot xoTg ifina^iatv
üQfxdq dQ^oxaxa yivwaxwv, nltiv oxi xr^v ßiav ^^w^ev avxiov ^<pti0(f
fiyai, 6kov ovx t^wS-ev «A>.a iv xoTq dv&QWTiotq vTcaQx^^^ (inetv. or
yccQ 6i^ avxo liyofJLSv avxovq kavxwv t^w xad'soxijxivat xal fiti iv
havxotq tivai 6i6xi xb ftta^ofzsvov avxovq oQfxav xaxä xb nd&oq l|»-
^iv iaxiv d).Xa ilxi naQa <pvaiv tyovoiv, et ye xb Xoyixbv x^q ipvxij;,
o) XQaxtlv xal «(>;ffii' xviv d),),u)V r}v xatd (pvatv, ov XQfntl viv akka
xor/TfiT(ci xal a(j/fT«£ TiQoq xmv dXoywv xf^q y^vx^q övvufiewv.
Das dritte Buch. 421
sweite zu richten scheint, sind theils der Hinweis auf das
gemeine Menschenschicksal (58 f.) theils die im Laufe der
Seit sich mehr und mehr befestigende Ueberzeugung dass
n Wahrheit kein Uebel ist was uns unter dem frischen
ilindrucke als solches erschien (54. 74) theils endlich die
Jlmählig uns aufgehende Einsicht dass all unser Härmen
ind Klagen doch zu nichts führt (66 f.). Das ganze Heil-
erfahren oder der Trost im Kummer besteht also nach
Scero darin dass eine unter dem ersten überwältigenden
Eindruck gefasste falsche Meinung durch die richtige ersetzt
rerdo. Obgleich nun die Wahl der Trostmittel nur eine
lonsequcnz aus der Ansicht über das Wesen des Kummers
jt und obgleich diese Ansicht auch Chrysipp theilte, so hat
erselbe doch jene Consequenz nicht gezogen da er in Wor-
3n die uns Galen aufbewahrt hat die Frage ob die Lin-
erung des Kummers mit einem Wechsel der Meinung zu-
ammenhänge verneinend beantwortet. ^) Beiläufig ergibt sich
ioraus dass nicht wie man noch neuerdings vermuthet hat*)
ine Schrift Chrysipps die Quelle Ciceros gewesen sein kann.
Jm so mehr drängt sich infolge dessen noch einmal Posidon
lervor, wobei ich ausser Acht lassen will dass er durch das
orher über Ciceros Auffassung der Leidenschaften bemerkte
*) Galen a. a. 0. 419 K: on dh ^v tm xQ^^^P fJLa),atxtrat rä
:d^, xav al 66^ai fikvwai xov xaxov xi avtoTg yByovtvai, xal b
^QvaiTcnoq iv reo öevreQua neQl nai^üiv fiaQTVQeZ ygonfivov (bSs' „^V"
ijaai Sh äv tig xal tifqI rijg dytaeojg trjg IvTirjg Ttwg ylvezai, note-
ov SogTjg Tivbc (iezixxtvovfJLkvt}q i} naaon* ötccfiFvovawv, xal 6ia xi
ovxo taxai." elxa innpbQtov (prjai ,jSoxsT öt fioi rj filv xoiavxr} öoqa
MfJLbvetv öxi xaxov avzo o öri nagfoxtv, ^y/jtovit^Ofi^vrjg <^h avlead-at
0vaxo}j} xal wg olfiai ?} ^nl tj]v ovoToXrjv oQfJLi]. xvyor rff xal
(xvxfjg Sia^evovarig ovy^ vTiaxovaexai xä k^r^g öicc noiav ä?,?.rjv Imyi-
ofiivriv öidO-saiv davXXoytoxov xovxwv yivo^lvotv xxL^^
^) Zietzschmann de Tuscul. disp. fönt. S. 2. Heine Einl. zu s.
.asg. der Tuscul. S. XXI.
422 Die Tusculanen.
eigentlich schou ausgeschlossen ist. Und allerdings hat mau
geglaubt unzweideutige Zeugnisse in den Händen zu haben
dass dieser Stoiker füi* die Linderung des Kummers dieselben
Mittel vorschlug wie Cicero, und zwar sollen diess die Macht
der Zeit und der Gewöhnung gewesen sein. ^) Dass nun diese
beiden von Posidon und Cicero übereinstimmend als Linde-
rungsmittel anerkannt wurden will ich und kann ich nicht
leugnen, bestreiten muss ich nur das Recht aus dieser
Uebereinstimmung auf Posidon als Ciceros Gewährsmann zu
schliessen. Denn in dem einen wie in dem anderen Falle
betrifft dieselbe eine noch von mehreren getheilte Ueber-
zeugung. Namentlich die Zeit wird so allgemein als ein
Linderungsmittel im Kummer betrachtet dass Cicero über
den vereinzelten Widerspruch der Epikureer (32. 35) hin-
weggehen und jenen Satz als eine feststehende Thatsache
behandeln kann *), über die Stoiker und Peripatetiker (73 f.)
und unter den Stoikern Chrysipp und Posidon einig waren. ^)
Erst bei der Frage, wie man sich nun die geheimnissvolle
Macht der Zeit zu erklären habe, gingen die Ansichten aus-
einander. Nicht anders steht es mit der Gewöhnung. Denn
auch diess ist noch ein sehr unbestimmter Begriff, der zu-
nächst nur so viel besagt dass jedes längere Zusammensein
mit etwas uns für das Widrige an demselben weniger em-
pfindlich macht und daher immer noch die Frage offen lässt
welche besonderen Momente es im Einzelnen sind die diese
Minderung der Empfindlichkeit herbeiführen. Beispielsweise
setzt Cicero den Werth der Gewöhnung in die durch sie
uns aufgehende Erkenntniss dass etwas was Anfangs ein
Uebel schien in Wahrheit keines ist;*) nach seiner Auffassung
M Poppelreutcr a. a. 0. S. 26 f.
^) 74: cum constet acgritudinem vetustatc toUi.
^) Vgl. über Chrysipp die S. 421, 1 angeführten Worte Galeüs.
^) 54: sensim enim et pedetentim progrediens exteuuatur dolor;
Das dritte Bach. 423
jt also die Gewöhnung eine Art von Belehrung während
'osidon indem er mehr ihren Einfluss auf die niederen
eolenkräfto ins Auge fasst sie der Belehrung gerade ent-
egensetzt. ^) Alles kommt also darauf an in welcher Weise
äher betrachtet Posidon sich die Wirkung der Zeit und
er Gewohnheit vorgestellt hat und ob er auch hierin mit
icero zusammentrifft was zum Theil schon durch die zu-
itzt ei-wähnte Differenz verneint wird. Genauer sagt uns
alen dass nach Posidons Ansicht die im Laufe der Zeit
ntretende Linderung des Kummers auf einem doppelten
r^o vor sich geht, nämlich theils durch eine Art von Sät-
gung theils durch eine Ermattung des leidenschaftlichen
ermögens der Seele.*) Hier ist nun zunächst bemerkens-
erth dass gerade das was Cicero für die Linderung des
ummers besondere wichtig findet bei Posidon mit keiner
übe erwähnt wird: es ist diess der beständige Gedanke
iran dass das Uebel das uns betroffen zu haben scheint in
Wahrheit diesen Namen nicht verdient*) Diess für Zufall
»n quo ipsa res immatari soleat aut possit sed id quod ratio de-
lerat usus docet mioora esse ea quae sint visa majora.
^) Galen 467 K; ^v ycc(j raig d?,6yoig rijq y'v//j(; dvva^eaiv im-
lifiag ovx ^yyhead'ai xa^antQ ovöh iv xoTq mnotg, dXkä rovzoig
•v r?/v oixsiav aQerrjv i^ iS-iOfiov xivoq dXoyov naQtxylvtad-ai xolq
rivioyoiq ix öiöaaxaUaq Xoyixijq.
*) Galen 475 K: ro xolvvv naOt^ixbv xtjg tpvx^jg iv xw XQOVif/
vzo /ihv ifjtnlnXaxai xwv oixelwv inid^viiiiwv xovxo de xdfivsL xalg
}kvxQovloig xivriotatv aiaxe öi^ d(npo) xaO^riavydaavxog avxov xal
T(>/a xivovfiivov XQUxtlv 6 ),oyiofxog t^jöij övvaxai, waneQ xal d
nov xivog ixipoQOv xov inißdxrjv k^tveyxovxog ßialtog eixa xdfivov-
g xt cl/Lia X(j} ÖQOfiM xal TiQookxi xal ifjinXrjafhbvxog wv intO^vfJitiaev
^d-ig 6 rivlo^og iyxQaxtjg xaxaaxalrf. (paivexat yaQ xovxo 7io),).dxig
vofievov xal ol ye naidevovxeg xd via xätv t^iomv iniXQtipavxeg av-
Tg xdfivfiv xe afxa xal ifinXria^rjvai xaxd xdg ixipoQovg xivrjatig
^xegov inixiS-evxai.
^) 74: Sed nimirum hoc maximum est experimentum , cum con-
424 Die TuBCulaDen.
zu halten sind wir um so weniger berechtigt als das von
Cicero empfohlene Heilmittel in einer MeinungsändeniDg be-
steht^) Posidon aber gerade es als eine Thatsache betrachtet
dass eine Linderung des Kummers auch bei unveränderter
Meinung stattfinden kann.*) Ebenso wie bei Poseidonios
stet aegritudinem vetustate toUi, hanc vim Don esse in die positam
sed in cogitatione diuturna. Kam si et eadem res est et idem est
homo: qiii potest quicquam de dolore miitari si neque de eo propter
quod dolet quicquam est mutatum neque de eo qui dolet? Cogitatio
igitur diuturna nihil esse in re mali dolori medetur, non ipsa dintur-
nitas. Freilich meint Poppclreuter a. a. 0. S. 28 dass derselbe Ge-
danke auch in folgenden Worten Posidons, die er deshalb als paral-
lele neben die ciceronischen stellt, enthalten sei (Galen 399 K): Svolv
re trjv avTTjv dad^eveiav ^yovxwv xccl tfjv ofiolav Xaf4ßav6vt<ov
(pavtaalav dya&ov // xaxov b fihv iv Ttdd-Fi yivezai b 6^ <ro xal
b fikv tjTZov b Se fiäU.ov xcd iviots b do&svbOveQog jHfit,ov vnoXaft-
ßdvcjv tb TtQoansTiTwxbg ov xivflxai xal b avrbg inl zoig avrou oii
fjLBv fcV nd^fi ylvexai touv bzh de ov xal bzh fihv fxä),),ov bü 6f
^Tzov. OL yovv djjO^ttg fiüllov nday,ovaiv iv (poßoig Iv Iviiaiz hv
iniy^vfjdatq ^v tiüovaXq xal ol xaxwzsQOt ovvaQTidt^orzai zayjatg vno
zmv TtaS^wv. Aber das üebereinstimmende zwischen beiden be-
schränkt sich auch hier darauf dass beide die Macht der Gewohnheit
anerkennen. Ausserdem aber besteht zwischen beiden der bedeutende
Unterschied, dass während Posidon die Macht der Gewohnheit von
der hinzukommenden Vorstellung eines Gutes oder Ucbels {(pavtaaia
dya^ov t} xaxov) unabhängig macht Cicero umgekehrt was man ge-
wöhnlich bloss für die Wirkung der Zeit hält für die Folge einer
gewissen Vorstellung erklärt.
*) Der anfänglichen Meinung vom Dasein eines Uebels, welche
die Schmerzempfindung hervorrief, soll die andere welche diess leug-
net gegenübergestellt und durch anhaltendes Denken befestigt wer-
den. Der Heilungsprocess ist also ein siegreicher Kampf der besse-
ren gegen die verkehrte Meinung.
*) Galen 426 K: al 6b Xoytxal yvioaeiq zs xal xglasiq xal oAo;
iTciorijjbiai näaai xal zlyyai 6id zbv yQovov avzbv /iiovov tpiXbv orrf
övakvToi (falvovzai ylvsoS-ai xaS^dneQ ol xaza ndO-og iS^ta/nol ovu
fiezazld^foS-al ze xal Tiavea&ai xa^ansQ y) Ivnri xal d^Jia ndS-rj. rlg
yccQ zov xd ölq ovo ztaaaQa elvai 6id zbv %qovov Ipinhrio^elz a.if'tjrj?
Das dritte Buch. 425
twas fehlt was wir bei Cicero finden, so bat nun aber auch
BS Umgekehrte statt dass die beiden von Posidon bezeich-
eten Ursachen der Linderung des Kummers von Cicero nicht
rwähnt worden. Was die zuerst genannte, die Sättigung
ör Begierden, betrifft, so wird Niemand in Frage stellen
iss von derselben in den Tusculanen nicht die Rede ist.
agegen könnten in betreff der zweiten, d. i. der EJrmüdung,
ch Zweifel erheben, da derselben einmal wenigstens auch
icero gedenkt.^) Aber schon dass diess nur einmal ge-
bieht muss uns stutzig machen und daran erinnern dass
if den Gebrauch eines und desselben Wortes nicht zu viel
baut werden darf sondern auch dessen Bedeutung zu be-
cksichtigen ist wie sie durch den Zusammenhang näher
stimmt wird. Posidon versteht unter Ermüdung (xdfii^eiv)
s auf die zu lange Anspannung der niederen Seelenver-
ägen folgende Nachlassen von deren Thätigkeit. Einen
nterschied von Cicero macht diess schon darum weil dor-
Ibe die Ermüdung sich als einen Zustand des ganzen Mcn-
hcn und nicht bloss einzelner Seelcnvermögcn denkt. So-
.nn aber wenn wir das bei Cicero Vorausgehende betrach-
n, erscheint die Ermüdung als die Ursache der Geduld
it der manche Menschen ihr Unglück tragen, die Geduld
•er soll als Beweis dafür dienen (idque indicatur eorum
tientia) dass der Kummer lediglich im freien Willen und
mken des Menschen seinen Ursprung hat: so dass also die
müdung eine Art von Meinung sein müsste, und zwar
l fiexedo^aofv; ^ rlg zov naoa^ Xaaq sivai ra^' ^x rov xtvxQov xov
kXov; xaO'^ txaazov re rwv uD.mv S'SWQtjfjifxTcjv ovSsl^ hoxiv oaxtg
nXtiaO^flg dnb^exo t/}v naXatav öo^av äanfQ dnoxiS^fxai xb xlmeiv
xal kvTifiaO'ai xal oxkvsiv olfioj^ftv xe xal O-Qr^vetv öaa xe u),).a
crvxa, xav ai tieqI xiov yfyevi}fdvwv wq xaxcov o/noiat dtafitvwoiv
^) 67: defetigatio igitur miscriarum aegritndincs cum faciat le-
res etc.
426 I^iß Tusculanen.
könute es nach dem ZusammeiikMDg nur die Erkenntniss
sein dass aller Kummer doch vergebUch ist. ^) An Stelle
der angeblichen Uebereiustimmung zwischen Cicero und Po-
sidon ist daher vielmehr ein Gegensatz anzuerkennen, der
es weiter auch erklärt dass die Ermüdung, deren Bedeutung
für die Linderung des Kummers von beiden zugegeben wird,
doch bei beiden ganz verschiedenen Absichten dient, bei
Posidon zur Widerlegung der Annahme dass das Wesen des
Kummers in einer gewissen Meinung bestehe, bei Cicero zur
Bestätigung derselben. — Nur eine Stütze scheint noch zu
stehen durch welche die Vermuthung dass Posidon von Ci-
cero benutzt worden ist gehalten werden könnte, und diese
besteht in der Art wie beide die iunere Vorbereitung auf
ein künftiges oder mögliches Uebel, das Sich darauf gefasst
machen für ein wesentliches Mittel zur Linderung des Kum-
mers erklären und darin dass sie diess theilweise mit Be-
rufung auf dieselben Beispiele und Dichterworte thun (Galen
418 K und Cicero 29). Halten wir uns zunächst an diesen
^) Zur Controle setze ich die gauze ciceronische Stelle (66 f)
her: Quid est autem quod plus valeat ad ponendum dolorem, qouD
cum est intellectum nihil profici et frustra esse suseeptum? Si igitor
deponi potest, ctiam neu suscipi potest. Yoluntate igitur et judicio
suscipi acgritudioem conti tendum est. Idque indicatur eorum patien-
tia qui, cum multa sint saepe perpessi, facilius ferunt quicquid ac-
cidit obduniisseque jam sese contra fortunam arbitrantur ut ille apod
Euripidem :
Si mihi nunc tristis primum illuxisset dies
Nee tam acrumnoso navigavissem salo,
Esset dolendi caussa, ut iujecto equulei
Freno repentc tactu exagitantur novo;
Sed jam subactus miseriis obtorpui.
Defetigatio igitur miseriarum aegritudines cum faciat leniores, in*
tellegi necesse est non rem ipsam caussam atque fontem esse mae-
roris.
Das dritte Bach. 427
tereu Umstand, so ist klar dass er für sich allein nichts
eisen kann, da derartige Citato aus der Geschichte oder
Dichtungen zum Inventar eines rhetorischen oder philo-
lischen Themas gehörten und deshalb auch in solchen
landlungen desselben die von einander unabhängig waren
shmässig wiederkehren konnten: wenn daher Cicero und
don beide auf Anaxagoras hingewiesen und ausserdem
.6 in Versen des Euripides eine Anspielung auf ihn ge-
len hatten, so folgt daraus noch keineswegs dass der
j vom Andern d. h. in diesem Falle Cicero von Posidon
sschrieben hatte, da dieselben Citate auch Chrysipp und
1 viele Andere für ihre Zwecke benutzt haben können.
einigen dieser öfter wiederkehrenden Dichterstellen ist
gewiss nicht zu viel behauptet, wenn mau sagt dass es
igelte Worte waren und dass sie daher zwar die Ab-
;igkeit des Einzelnen von seiner Zeit und der ihr eige-
Literaturkenntniss, aber nicht die Abhängigkeit von einem
einen Literaturwerk beweisen. Indess eine bestätigende
El kommt der Wiederkehr solcher Citate allerdings zu,
dd sich in anderer Beziehung eine Uebereinstimmung
ier Schriftsteller nachweisen lässt. Diess scheint nun
der Fall zu sein, da Posidon sowohl als Cicero sich
r Citate bedienen um den Nutzen zu beweisen den es
gt sich auf ein künftiges Uebel gefasst zu halten und
e auf diese besondere Erörterung geführt werden durch
allgemeine über die Linderung des Kummers überhaupt,
will nun davon für jetzt absehen dass man die Stelle
ms, aus welcher sich eine solche Uebereinstimmung Pe-
ns mit Cicero ergeben würde, mit triftigen Gründen viel-
r auf Chrysipp bezogen hat^) und die jüngst wieder
Tnommene Verthcidigung des überlieferten Textes gelten
*) So Valckenaer und Bake, s. Poppelreuter a. a. 0. S. 30.
428 I^iö Tusculanen.
lassen, so ist doch auch dann die Uebereinstimmung nicht
so rein als man geglaubt hat sondern wird durch eine er-
hebliche Differenz getrübt. Der Zusammenhang der Ge-
danken ist nämlich in diesem Falle bei Galen folgender:
Posidon, wird gesagt, richtet an Chrysipp die Frage was
denn die Ursache sei dass der Kummer nicht bloss über-
haupt die Meinung vom Dasein eines üebels sondern ins-
besondere die noch frische Meinung (jtQoögyctrog rfog«) sei,
und da Chiysipp ihm hierauf die Antwort schuldig bleibt
beantwortet er selber die Frage dahin dass eben alles Un-
geheure ^) und Fremdartige das uns plötzlich (dd^Qocog) be-
trifft uns aus der Fassung bringe und in Leidenschaft ver-
setze während hingegen das worauf wir vorbereitet und woran
wir gewöhnt sind uns ruhig lasse. ^) Dass es nun nicht richtig
ist so wie Posidon in dieser Antwort thun würde die frische
Meinung oder überhaupt jeden frischen Eindruck unter die
plötzlichen neuen zu subsumiren während doch offenbar auch
^) hfitTQTjTov steht im Griechischen. Vielleicht bezeichnet die-
ses aber nicht das sehr Grosse sondern dasjenige dessen Grösse sich
nicht gleich übersehen oder messen lässt. So zählt Cicero 52 zu deo
Gründen, weshalb alles Plötzliche auf uns einen stärkeren Eindnick
macht, auch den „quod quanta slnt quac accidunt considerandi spa-
tium non datur'^
*) Galen 417 K: iQwra (sc. o UoafiSütvioq) rr^v alrlav 6ut ^r
ovx y tijg zov xaxov naQovalaq öo^a ttjv Xvnrjv dXX^ »/ TiQoaipato;
i()ycc}^etat fiovi}. xal (ptjoi Aiori mcv to dfittQtjtov xal ^tvov d^Qo&;
nQoomnxov ^xnhJTtei re xal tö)v TtccXaiwv ^^iartjot XQiatwv, dcxf}-
S-lv öh xal avvsd-iod^sv xal xQOvloav // ov6t olwg i^iarrjaiv c^c ^crrc
Tidi^oc xivetv tj tnl fxtxQov xofiiöy' öto xal nQoevSri^eTi' öeiv (fri(fi
Tolg jiQayfiaai fifJTtof re naQovaiv oiov naQOvoi /()//<Jt>nr£. — Die
Worte xal (prjai vor öiori als die Bezeichnung der Antwort zu fassen
welche sodann in den folgenden Worten enthalten sein würde gibt
insbesondere eine andere Stelle Galens das Recht (42510 wo wir
lesen: Ttjv alrlav iQwTa xdvxavd-a o llooetömnoq Si* //V tioUjoI y^
ßov?Mfxevoi xxX. ylvead-ai de fprjoi dtä rag naS-f^Tixag xivrjafig.
Das dritte Buch. 429
ein lauge erwarteter Eindruck nachdem er wirklich einge-
treten ist eine Zeit hiudurch ein frischer bleibt, will ich
nicht weiter betonen da man erwidern könnte Posidou habe
hierdurch andeuten wollen dass ein frischer Eindruck nur
dann den Kummer oder überhaupt die Leidenschaft errege
wenn er zugleich ein plötzlicher sei: in welchem Falle aller-
dings Galens Ausdrucksweise von dem Vorwurf grosser Dun-
kelheit nicht befreit werden könnte. Aber mag nun Posidon
den plötzlichen Eindruck mit dem frischen verwechselt oder
auch nur behufs ihrer Wirkung die Verbindung beider zur
Bedingung gemacht haben, so befindet er sich weder in dem
einen noch in dem anderen Falle mit Cicero in Einklang.
Die Ansicht welche Posidon bei Galen verfechten soll ist
nämlich keine andere als die welche bei Cicero die Cyre-
naiker vertreten denen zufolge nicht aus jedem Uebel son-
dern nur aus dem überraschend und wider Erwarten ein-
tretenden der Kummer entspringt, und so kehren deim auch
gerade in diesem Zusammenhange bei Cicero das Beispiel
des Anaxagoras und dieselben Verse des Euripides wieder
(28 f.); diese Ansicht wird aber von Cicero bekämpft so dass
er in dem Ueberraschenden des Eindmcks zwar ein Moment
erblickt welches den Kummer erhöht aber nicht eines das
ihn eigentlich hervorbringt welches letztere dagegen von der
Frische des Eindruöks gilt. ^) Immer noch unter der Voraus-
^) Schon 28 hatte er mit Bezug auf das „inspcratum et neco-
pinatam malum" den Kyrenaikern eingeräumt: ,,est id quidem non
mediocre ad aegritudinem augcndam; videntur enim omuia repentina
graviora*S Aehnlich 30. Deutlicher und ausführlicher polemisirt er
gegen sie 52: Cyrcnaicorum restat sententia qui tum aegritudinem
censent exsistcre, si necopinato quid evenerit. Est id quidem ma-
gnom ut supra dixi; etiam Chrysippo ita videri scio, quod provisum
ante non sit id ferire vehementius; sed non sunt in hoc omnia.
Quamquam hostium repcus advcntus magis aliquanto conturbat quam
exspcctatns et maris subita tompostas quam ante provisa terrot na-
430 Die Tusculanen.
Setzung dass Posidons Ansicht in den fraglichen Worten
Galens vorliegt so ist es nicht dieser mit dem Cicero überein-
stimmt sondern Chrysippos indem der letztere ebenfalls zu den
wesentlichen Erfordernissen des Eindrucks der uns Kummer
bereiten soll die Frische rechnet, der Plötzlichkeit dagegen
vigantes vehementius et ejusmodi sunt pleraque. Scd cum diligenter
necopinatorum naturam consideres, nihil aliud reperias nisi onnia
vidcri subita majora et quidem ob duas caussas: primum qnod qnanta
sint quae accidunt considcrandi spatium non datur, deinde, cum vi-
detur praecaveri potuisse si provisum esset, quasi culpa contractiim
malum aegritudinem acriorem facit. Diese letzten Worte in denen
in doppelter Weise zu erklären versucht wird weshalb alles UnTer-
muthete uns härter trifft müssen uns noch besonders abhalten in
Poseidonios den Urheber der ciceronischen Argumentation zu er-
blicken, da es gewiss nicht im Sinne dieses Philosophen ist so wie
hier geschieht das Plötzliche des Eindrucks auch bloss als ein den
Kummer steigerndes Moment nur insofern gelten zu lassen als ge-
wisse Meinungen sich damit verknüpfen und auf diese Weise seinem
Gegner Chrysippos in die Hände zu arbeiten. Ausserdem fasst Ci-
cero den Unterschied seiner von der kyrenaischen Ansicht (55) aoch
in folgenden Worten zusammen: Ergo ista necopinata non habent
tantam vim ut aegritudo ex eis omnis oriatur; feriunt enim fortasse
gravius; non id efficiunt ut ea quae accidant majora videantnr; ma-
jora videntur quia recentia sunt, non quia repentina. So lautet we-
nigstens die Ueberlieferung, die aber wie schon Andere erkannt
haben unhaltbar ist: dafür etwas Sicheres vorzuschlagen bin ich
nicht im Stande, doch ist mir nicht unwahrscheinlich dass „mala**
statt ,, majora** zu schreiben und die letzten in den besten Hand-
schriften fehlenden Worte von majora videntur quia an zu streichen
seien. Denselben Gedanken übrigens wie in diesen Worten spricht
Cicero noch 59 aus: Hoc igitur efficitur ut ex illo necopinato plag»
major sit, non ut illi putant ut cum duobus pares casus evenerint is
modo aegritudine afficiatur cui ille necopinato casus evenerit. —
Dass zu den wesentlichen Eigenschaften der den Kummer bewirken-
den Eindrücke von denen den angeführten Stellen zufolge die Plöti-
lichkeit ausgeschlossen ist die Frische gerechnet wird, ergibt sich
theils aus der Definition des Kummers die 25 aufgestellt wird (vgl
Das dritte Buch. 431
ur eine steigernde Wirkung beimisst.^) Dieser letztere
instand kann uns gleichzeitig daran erinnern dass die Yor-
issetzung auf der wir bisher fussten keineswegs ganz fest
cht. Denn wenn dieser zufolge die fraglichen Worte Ga-
ns (vgl. S. 428, 2) die Ansicht Posidons aussprechen, so
iben wir eben gesehen dass der Kemgedanke derselben
1er die Bedeutung welche dem Ueberraschenden eines Ein-
ucks für die Erregung unserer Leidenschaften zugeschrie-
n wird auch Chrysipp nicht fremd ist. Ist es also nicht
illeicht die Ansicht dieses Stoikers die wir in jenen Worten
den? Freilich könnten die Worte in diesem Falle nicht
5 Antwort auf die von Posidon gestellte Frage sein, in
p vielmehr offenbar vorausgesetzt wird dass Chrysipp eine
che Antwort nicht gegeben hatte. Anzunehmen aber dass
) Worte keine Antwort auf die vorausgehende Frage sind
It uns darum nicht schwer weil wie ich schon früher an-
115) theils und besonders aus dem Nachdruck mit dem Cicero ge*
e dieses Merkmal 75 heraushebt wo er sagt: additur ad hanc de-
tionem a Zenone recte ut illa opinio praesentis mall sit recens.
c antem verbum sie interpretantur ut non tantum illud rcccns esse
int qnod paullo ante acciderit sed quam diu in illo opinato malo
quaedam insit, ut vigeat et habeat quandam viriditatem, tarn diu
»elletur recens etc.
^) Nicht mehr als diess liegt in den folgenden bereits S. 429, 1
;efahrten Worten ausgesprochen (52): Cyrenaicorum rcstat senten-
qui tum aegritudinom ccnsent cxistere si necopinato quid evenerit.
id quidem magnum ut supra dixi; etiam Chrysippo ita vi-
ri scio, quod provisum ante non sit id ferire vehemcn-
8; sed non sunt in hoc omnia. Die in ,,etiam'^ angedeutete Ueber*
itimmung Chrysipps bezieht sich nicht nothwcndig auf die kyre*
iche Ansicht sondern kann sich auch auf die in ,,est id quidem
'* ausgesprochene Ciccros bezichen, oder wenn sie sich doch auf
kyrenaische beziehen sollte so geht sie hier nicht über das All-
leine hinaus dass Alles was uns unvermuthct trifft einen stärkeren
druck macht.
432 Die Tusculancn.
gedeutet habe (S. 428 f.) der Inhalt der Worte durchaus nicht
so ist wie wir ihn von einer solchen Antwort verlangen
sollten. Dagegen steht derselbe nicht im Wege wenn wir
die Worte als die von dem Vorhergehenden unabhängige
Mittheilung einer neuen Ansicht Chi7sipps fassen und ebenso
wenig hindert uns an dieser Auffassung der sprachliche Aus-
druck da dtoTt wie in diesem Falle nöthig ist in der Be-
deutung des einfachen ori genommen werden kann. Diese
neue Ansicht Chrysipps würde dann diejenige sein auf welche
Cicero in den angeführten Worten (S. 431, 1) hinweist Da-
für dass wii' bei Galen Chrysipps Ansicht vor uns haben
spricht auch die Phrase „i^lörrjöi xmv xqIoscov^' von der
ausdrücklich bezeugt wird dass jener Stoiker sich ihrer oft
bedient hat (Galen 388, 13 Müller. 389, 1. 390, 12. vgl. 380,
16. 381, 9. 382, 4 u. 7. 388, 6) und die daher wahrschein-
licher ihm als wegen der Inconsequenz die man in ihrem
Gebrauch vom Standpunkt der chrysippischen Theorie aus
finden wollte einem anderen Philosophen zugeschrieben wiid.
Auch noch aus einem andern Grunde vermag ich mich nicht
darein zu finden dass die fraglichen Worte einem anderen
Philosophen und insbesondere Posidon gehören sollen. Denn
dann müssten sie doch eine Widerlegung von Chrysipps An-
sicht sein. Es ist aber kaum denkbar dass wer eine solche
Absicht hatte sich einer sprachlichen Wendung wie die eben
erwähnte bediente in der sich gerade die Abhängigkeit der
einzelnen Leidenschaften von bestimmten Urtheilen ausspricht
und die somit den Widerlegenden in den Verdacht bringen
musste dieselbe Ansicht zu theilen die er bestreiten wollte.*)
M Folgende AcusscraDg Galens 426 K dürfen wir ihrem Inbtlt
nach ebenfalls auf Posidon zurückführen: xa^^ txaoxov n xwv ii^'
Xatar 66^av oiaiiiQ dTiori^fvat to x).aleiv xe xai kvTfEia^i xtd oxf*
vftr otitoJZ^fiv xe xai ^(itjrflv [loa xf dXXa xoictvxa xav a\ ziiifi täif
Das dritte Buch. 433
Das Gleiche was von dieser einzelnen Wendung gilt aber
aach von allem Uebrigen was nach der neuesten Auffassung
m der Widerlegung Chrysipps durch Posidon gerechnet wird.
Denn wenn ich auch nicht leugnen will dass Posidon die
Gedanken äussern konnte die wir jetzt bei Galen losen, so
ist doch äusserst unwahi*scheinlich dass er dieselben gelegent-
lich einer Widerlegung Chrysipps vorgetragen habe, da das
Beispiel des Anaxagoras und die euripideischen Verse sowie
die dadurch illustrirte Wichtigkeit des Vorherbedenkens eines
Uebels für die Linderung des letzteren doch mindestens
ebenso gut benutzt werden können um die Ansicht zu unter-
stützen welche die Leidenschaften des Menschen lediglich
von seinem Denken und Meinen abhängig macht und wie
Cicero (58) lehrt thatsächlich so benutzt worden sind. ^)
Dem Schlüsse, zu dem wir durch das Bemerkte gedrängt
werden dass Galens Worte eine neue Ansicht Chrysipps mit-
theilen und nicht die Widerlegung einer schon angeführten
dieses Philosophen durch Posidon, setzen sich eigentlich nur
die Worte entgegen die wir nach den S. 428, 2 bereits aus-
geschriebenen lesen: ßovkerai de t6 jtQotvötjfihtv Qfjfia to5
Iloöeiöayplcp ro olov Jigoarajikarreiv rs xai jtQorvjcovv ro
XQoyiia jcag^ tavrm to (liXXov yspriOsoO^ai xal cog JCQog
ijdfj ysvofievov Id-i0(i6v xiva noulcd-aL xarä ßQaxv, Hier-
nach scheint es zunächst dass das Subjekt zu den beiden
yeyivijfiivfüv <bg xaxwv ofioiai dia/xevwaiv vTioX/npeig. Ibt es nun
wahrscheinlich dass ein Philosoph der so dachte unsere Leidenschaf-
ten ableitete aus einem i^laraaOai naiv naXaimv xqIcbcjvI
*) Wie der wirkliche Posidon Chrysipp widerlegt hat, scheint
mir in der Frage angedeutet ob denn die frische Meinung allein
[lAOvri) den Kummer erzeuge: denn hiernach erwartet man den Hin-
weis auf solche Fälle in denen ein vor langer Zeit eingetretenes
Unglück noch mit der Gewalt eines gegenwärtigen oder kürzlich
vergangenen auf uns wirkt, also einen Einwurf wie er bei Cicero 75
bereits berücksichtigt scheint.
Eirzol, Untersuchungen. IH. 2S
434 I>»e Tiisculanen.
vorhergehenden q)7jal Posidon sein müsse. Indessen ist die-
ser Zwang nicht der Art dass wir uns von ihm nicht frei
machen könnten. Entweder nämlich woran schon früher ge-
dacht worden ist wir bezweifeln die Treue der Ueberhefe-
runff und nehmen an dass tc5 IIoO£i6(dvIc9 wenn nicht ein-
fach gastrichon so doch in rm XQvöljtJtm verwandelt werden
müsse oder aber wir bestreiten die Richtigkeit der gewöhn-
lichen Erklärung. Im letzteren Falle eröflnen sich uns zwei
Wege: nehmen wir an dass Galen die Erläuterung des Wor-
tes jtQoeröf]/ittv von sich aus gab, so würde allerdings xQoev-
d7/iitlv als ein Wort Posidons bezeichnet werden, als solches
konnte aber dem Galen wenigstens bei flüchtigem Schreiben
allenfalls auch das Wort eines anderen Philosophen gelten
weil er es nur aus der Mittheilung Posidons kannte; oder
weim uns dieser Ausweg nicht zusagt, so bleibt noch die
andere Möglichkeit dass die Redensart ßovJierai rm Iloosidcih
vlo} sich nicht auf den Sinn bezieht den Posidon mit einem
von ihm selber gebmuchten Wort verband sondern auf die
Erkläi-uug die er von dem Wort eines andern Philosophen,
des Chrj'sipp, gab, denn dass er seinen Citaten gelegenüidi
die Erklärung einzelner Worte hinzufügte sehen wir z. B.
aus Galen 391, 11 Müller. Alles in Allem also ist es wahr-
scheinlicher dass die besprochenen Worte Galens gar nicht
die Gedanken Posidons sondern Chrysipps wiedergeben, und
dann zerfällt selbstverständlich jeder Schluss der aus der
Uebercinstimmung mit ihnen auf Posidon als Quelle Ciceros
gezogen werden könnte; oder wenn wir daran festhalten in
Galens Worten ein Zeugniss für Posidons eigene Meinung
zu sehen so hat die frühere Untersuchung gezeigt, dass diese
Meinung von derjenigen Ciceros wesentlich abweicht. — Hat
die schärfere Betrachtung uns so eben ein scheinbar für
Posidon sprechendes Argument in sein Gegentheil verwan-
delt, so leistet sie dasselbe auch noch in einem anderen
Das dritte Buch. 435
Falle. Um Cbrysipps Ansicht dass der Grund aller Leiden-
schaften in gewissen Meinungen vom Dasein eines grossen
Gutes oder eines grossen Uebels zu suchen ist zu widerlegen
hatte Posidon darauf hingewiesen, dass dann gerade die
Weisen und Fortschreitenden von der heftigsten Leidenschaft
ergriffen werden müssten, die Einen infolge der Ueberzeugung
dass ihnen das höchste Gut zu Theil geworden sei, die An-
deren weil sie sich bewusst wären mit dem grössten Uebel
behaftet zu sein. ^) Eine Spur dieses Gedankens und damit
ein Zeichen dass Posidon von Cicero benutzt worden ist er-
blickt man*) nun in folgenden Worten des Letzteren (68):
philosophi summi nequedum tamen sapientiam consecuti nonne
intellegunt in sumrao se malo esse? Sunt enim insipientes
nequo insipientia ullum majus raalum est, neque tamen lu-
*) Galen 397 K: xoiovrmv 6^ vno tov XQvalnnov Xeyofitvwv
Si€t7tO()ijaetev av nq tcqwtov fi^v, nwg ot ao<pol fiiyiöTtx xal dvvTt6(}'
ßXtita vofjdtfOvtBq elvat dya&a ra xa?M ndvra ovx ifinad'wg xivovv-
rat VTT* avTüfv ^ni^vfiovvxkq re ibv oQtyovrai xal TtfQixciQeTg ysvo-
fifvoi tnl roTg avroTg dtav rvxfoaiv aviwv. el yaQ xo fi^ye&og XiJjv
^atvofievwv dyad^wv ?} xaxwv xivsl xo vofil^siv xad'fjxov xal xax^
äSiav elvai nagovxiov avxuiv rj naQayivopihwv f.iriöiva ),6yov ngoa-
(eaBai tibqI xov dXlwg Seiv vtt' avxwv xivsTo^ai, xovg dvvnsQßXijxa
vofit^ovxag fivai xa nsgl avxovg xovxo tSft Tido^siv, onsQ ovx oQa-
vai yivofifvov. bfioltog 61 xal xovg nQoxonxovxag fisydXag ßXdßag
vnb xtig xaxlag vnoXafißdvovxag naQfivai eösi xal v7io<piQsa&at <p6-
ßoig xal XvTiatg nsQininxsiv fz?) fiexQlaig, ottsq ovöh avxö avfißal-
i^fi. 417 K: Ol fihv yaQ (sc. ol aotpol) ^v fieylaxoig dya^oig, ot öh
^sc. ol TiQoxonxovxfg) tv fieylaxoig xaxoig eavroifg vnoXafißdvovxsg
flvai ofJLutg ov ylvovxat 6id xovxo tv nd^ei. Während diese That-
lache der Theorie Chrysipps widerspricht, so zeigt dagegen Posidon
class sie in seiner Anschauungsweise ihre Erklärung findet bei Galen
174 K : xal /nrjv ot UQoxonxovxeg fieydXa xaxä öoxovvxeg kavxolg
ftapeivai tj ijitip^Qfa^at ov Xvnovvxat' tp^QOvxai yaQ od xaxa xo
iXayov xtjg y^v^fig ovzwg dXXa xaxa xo Xoyixov,
') Poppelreuter a. a. 0. S. 20.
28*
436 I^ie Tusculanen.
gent. Aber statt hierdurch zu beweisen was man will lehrt
man nur durch ein neues Beispiel wie leicht über dem
Wunsch überall nur Aehnliches zu entdecken die daneben
obwaltenden und bisweilen überwiegenden Unterschiede un-
beachtet bleiben. Auch hier rächt es sich dass man eine
Aeusserung isolirt und ohne Rücksicht auf den Zusammen-
hang der ihr erst die volle Bedeutung gibt betrachtet hat
Denn sonst würde man erkannt haben dass dieser allerdings
sowohl bei Cicero wie bei Posidon erscheinende Emwurf
gegen Chiysipps Theorie doch nur von Letzterem als gütig
anerkannt von jenem dagegen verworfen wird. Nach den
angeführten Worten fügt nämlich Cicero Folgendes hinzu:
Quid ita? Quia huic generi malorum non affingitur illa
opinio rectum esse et aequum et ad officium pertinere aegre
ferro quod sapiens non sit, quod idem affingimus huic aegri-
tudini in qua luctus inest quae omnium maxima est
— — Quid? ex ceteris philosophis (Aristoteles und Theo-
phrast waren vorher genaimt) nonne optimus et gravissimus
quisque confitctur multa se ignorare et multa sibi etiam
atque etiam esse discenda? neque tamen, cum sc in media
stultitia, qua nihil est pejus, haerere intellegant, aegritudine
premuntur. NuUa enim admiscetur opinio officiosi doloris.*)
Freilich, so dürfen wir Ciceros Worte erläutern, empfinden
es gerade die besten unter den Philosophen als ein Unglück
dass sie nicht bis zur vollkommenen Weisheit gelangt sind
und haben insofern die Meinung von einem sehr grossen
^) Hiermit steht nicht in Widerspruch 77 f., obgleich hier die
Möglichkeit eines Kummers der aus dem Bewusstsein geistiger Un-
Vollkommenheit entspringt zugegeben wird; denn diese Unvollkommen-
heit ist eine die nur eben zur Einsicht ihrer selbst gekommen iit
ohne schon die eigentliche Wendung zum Besseren genommen m
haben, jene dagegen eignet auch den grössten Philosophen sofeni
sie noch nicht die Stufe vollendeter Weisheit erreicht haben.
Das dritte Buch. 437
ihnen beiwohnenden üebel: wenn nun trotzdem ihr Kummer
darüber nicht so heftig ist dass sie in lautes Klagen aus-
brechen, 80 wird hierdurch Chrysipps Theorie des Kummers
nicht widerlegt, da dieselbe für einen heftigen Kummer
ausser der Vorstellung eines grossen Üebels auch noch die
Meinung von der Pflichtmässigkeit des Schmerzes und der
Klage erforderte,^) diese letztere Bedingung aber von den
Philosophen eben nicht erfüllt wird. *) So führt die genauere
Vergleichung der ciceronischen Stelle mit Posidons Worten
zu dem entgegengesetzten Resultat als das ist das man aus
der oberflächlichen entnommen hatte, dass nämlich die Be-
nutzung Posidons durch Cicero dadurch nicht bewiesen son-
dern ausgeschlossen wird. Zwar dass Cicero indem er den
gegen die Stoiker gerichteten Einwurf zurückweist Posidon
persönlich im Sinne hat will ich nicht behaupten; vielmehr
ist mir wahrscheinlich dass er au ältere Gegner der Stoa
denkt und insbesondere darf man vermuthen dass diess die
Peripatetiker sind wofür nicht bloss die Wahl des Aristo-
teles und Theophrast zu Beispielen sondern auch die Polemik
^) 25: aegritudo est opinio magni mali praesontis et quidem
recens opinio talis mali, ut in eo rectum videatur esse angi id au-
tem est ut is qui doleat oportere opinetur se dolore. 61: ex quo
ipsam aegritudinem Xi^nriv Chrysippus quasi solutionem totius hominis
appellatam pntat. est enim (sc. aegritudo) nulla alia nisi
opinio et Judicium magnl praesentis atque urgentis mali. Sed
ad hanc opinionem magni mali cum illa etiam opinio accessit opor-
tere, rectum esse, ad officium pertincre fcrre illud aegre quod ac-
eiderit, tum deniquc efficitur illa gravis aegritudinis perturbatio.
76: Chrysippus caput esse censet in consolando detrahere illam opi-
nionem maerenti, si se officio fungi putet justo atque debito.
*) Wie wonig Cicero gemeint ist die chrysippische Theorie um
jenes Einwurfs willen preis zu geben, zeigt sich auch darin, dass er
bald nach den im Text angeführten Worten und im Fluss derselben
Erörterung sie noch einmal nachdrücklich ausspricht (71): ex quo
intellegitur non in natura sed in opinione esse aegritudinem.
438 Die Tusculanen.
spricht die er gleich nachher (71 fif.) gegen diese Philoso-
phenschulo führt.
In der bisherigen Untersuchung ist wiederholt auf die
bei Cicero hervoiixetende Ansicht, dass alle Leidenschaft in
einer gewissen Meinung beruht, hingewiesen worden. Aber
nicht bloss um die Ansprüche Posidons sondern auch um
diejenigen seines Lehrers Panaitios zu vernichten kann uns
jene nützlich sein, da dieser in ganz ähnlicher Weise die
sinnlichen und leidenschaftlichen Regungen des Menschen
nicht für eine blosse Ausartung des Intellects ansah sondern
die Anlage dazu schon in der ursprünglichen Natur des
Menschen fand. Insbesondere beobachten wir zwischen ihm
und Cicero folgende Widersprüche: dass während Panaitios
auch eine naturgemässe Lust anerkennt (Theil 11 S. 438 ff.)
Cicero die Lust schlechthin weil durchweg auf einer falschen
Meinung beruhend als unnatürlich verwirft (24), und dass
während Cicero aufs Entschiedenste die peripatetische Mäs-
sigung der Leidenschaften bestreitet und für die strengere
Lehre der Stoiker eintritt (22. 74) Panaitios umgekehrt sich
gerade gegen die Apathie der letzteren gewandt hatte
(Theil II S. 452 flF.).
Gegen die bisher genannten Philosophen ist was das
Recht für Ciceros Gewährsmann zu gelten betrifft Antiochos
schon darum im Vortheil weil er einmal ausdrücklich als
solcher citirt wird. „Quocirca" sagt Cicero (59) „Cameades,
ut video nostrum scribere Antiochum, reprendere Chrysippum
solebat laudantem Euripideum carmen illud" etc. Dass der
Weg den uns dieser Hinweis zeigt wirklich zu Ciceros Quelle
führt, scheint sich dann sofort durch andere in derselben
Richtung leitende Spuren zu bestätigen. In welchem Um-
fange der genannte Philosoph sich die Lehren der Stoa an-
geeignet hatte, ist bekannt: es würde daher mit seinem
sonstigen Verfahren nicht in Widerspruch stehen wenn er
Das dritte Buch. 439
auch in stoischer Weise die Leideuscbaften nicht von eigen-
thümlichcn Vermögen der Seele hergeleitet sondern auf ver-
kehrte Meinungen und ürtheile zurückgeführt hätte; vielmehr
würde diess besonders gut dazu passen dass dem Antiochos
der engste Anschluss gerade an Chrysipp zum Vorwurf ge-
macht wird (a Chrysippo pedem numquam Cicero Acad. pr. 143),
dieser Stoiker es aber namentlich war der jene Theorie der
Leidenschaften ausgebildet hatte. Beruhte in diesem Falle
die Uebereinstimmung der Lehre des Antiochos mit der-
jenigen welche Cicero vorträgt nur auf einer Vermutung, so
ist dieselbe dagegen in einem anderen nicht unwichtigen
Punkte auf sichere Ueberlieferung gegründet; denn dass An-
tiochos ebenso wie diess Cicero (22) thut die peripatetische
Mässigung der Leidenschaften missbilligte und statt dessen
nach stoischer Weise ihre gänzliche Ausrottung forderte,
erfahren wir durch Cicero Acad. pr. 135.^) Zu diesen Haupt-
stützen kommt nun noch Einzelnes das uns ebenfalls in der
Ueberzeugung dass eine Schrift des Antiochos die Quelle
war befestigen könnte. So wird von Cicero die Auffassung
der Freundschaft verworfen, nach der wir den Freund mehr
als uns selber lieben sollen^), und, da hiermit unverholen die
Selbstliebe des Menschen als dessen stärkster Trieb bezeichnet
ißt, einer Ansicht das Wort geredet die auch Antiochos ver-
^) Hierzu kommt dass dieselbe Ansicht im zweiten Buch der
Schrift de finibus (27) wiederkehrt, und ich habe diesen Umstand
schon frQher (Theil II S. 641) benutzt um die Abhängigkeit dieses
Buches von Antiochos zu bestätigen.
') 72 f.: Quasi fieri uUo modo possit quod in amatorio sermone
die! solet ut quisquam plus alterum diligat quam se. Fracclarum
illud est et, si quacris, rectum quoque et verum ut eos qui nobis
carissimi esse debeant aeque ac nosmet ipsos amemus; ut vcro plus,
fieri nullo pacto potest. Ne optandum quidcm est in amicitia ut me
Ule plus quam se, ego illum plus quam me; perturbatio vitae, si ita
sit, atque officiorum omnium consequatur.
440 ^io Tuscalanen.
theidigt hatte (de fin. V 30 S. vgl. II 33 f.). Und ferner
wenn wir schon hier die Wahrscheinlichkeit die sich aach
Andern aufgedrängt hat dass nämlich die sämmtlichen Biiclier
der Tusculanen einer und derselben Quelle entstammen anti-
cipiren dürfen, so fällt es für Antiochos und dessen zum
dritten Buche angenommenes Verhältniss ins Gewicht das
gewisse Aeusscrungen des ersten Buches ähnlich im fünften
der Schrift de finibus wiederkehren,*) also von Antioclios
gethan worden sind. Indessen da wir bei der Quellenunter-
suchung des ersten Buches bereits auf eine andere Fährte ge-
kommen sind so müssen wir gegen die Triftigkeit eines Grun-
des der uns davon wieder ablenken würde bedenklich werden
und können wenn diess einmal der Fall ist nicht verkennen
dass zur Erklärung jener Uebereinstimmung uns ein doppelter
Weg oflFen steht, entweder nändich die Annahme dass Cicero
sich bei Abfassung der Tusculanen an seine eigene der Zeit
nach kurz voraus gehende Darstellung im fünften Buche de
finibus erinnerte oder die Vermuthung dass dieselben Aeus-
scrungen da sie in unseren Augen durch Nichts ausschlies»-
^) Tusc. I 52 wird von dem delphischen Spruche „Erkenne dich
selbst*^ gesagt dass derselbe um seiner Göttlichkeit Willen auf eine
Gottheit zurückgeführt worden sei. Dass diese Ansicht die auch de
fin. Y 44 (und do legib. I 58 f.) ausgesprochen wird, nicht die allge-
meine war lehrt Bernays Die Dialoge des Aristoteles S. 96: denn
dieser erwähnt zwei Variationen die eine welche jenen Spruch dem
Chilon die andere welche ihn dem pythischen Gotte zuweist, und
zwischen diesen beiden Extremen würde die Ansicht der Tusculanen
und des Antiochos die Mitte halten da sie bei Annahme eines mensch-
lichen Ursprungs doch auch die Ableitung von einem göttlichen U^
hebcr zu erklären sucht. — Ausserdem berührt sich Tusc. I 92 mit
de fin. Y 54 f., weil an beiden Stellen davon die Rede ist dass die
Scheu des Menschen vorm Tode bleibt auch wenn er sich diesen als
einen Schlaf vorstellt und beidemal der Schlaf an dem mythischen
Bilde des Endymion zur Anschauung gebracht wird.
Das dritte Buch. 441
lieh an Antiochos geknüpft sind auch noch von anderen
Philosophen gethan worden sind. Das Gleiche gilt nun aber
tuch gegen die anderen zu Gunsten des Antiochos hervor-
^hobenen Gründe soweit sie der Uebereinstimmung gewisser
^.nsichten entnommen sind: dass sie unserem Yermuthen
mmer noch einen gewissen Spielraum lassen und uns keines-
^egß mit positiver Bestimmtheit auf Antiochos leiten. Nur
las eine noch übrige Argument das in dem namentlichen
Jitat besteht scheint nicht in dieser Weise bemängelt werden
lu können. Aber wenn wir noch einmal über die eigent^
ichen Grenzen dieser Untersuchung hinausblicken dürfen,
10 finden wir dass im fünften Buche ebenfalls auf Schriften
les Antiochos Bezug genommen wird (22) und zwar dort
im gegen die darin enthaltenen Ansichten zu polemisiren:
ne also dort das Citat entweder aus Ciceros eigener selbst-
tändiger Eenntniss oder doch jedenfalls nicht aus einer
ichrift des Antiochos sondeni aus der eines anderen Philo-
ophen hineingekommen ist so ist dieselbe Alternative auch
bigesichts der Stelle des dritten Buches möglich und wird
n dem Augenblicke nothwendig wo eine weitere Betrachtung
len Gedanken dass Antiochos Ciceros Gewährsmann war
Lusschliesst Das thut sie aber sobald wir sie auf folgende
?ankte hinlenken. Da Antiochos vielfach sich an die Stoiker
angeschlossen hat, in manchen Stücken aber doch auch von
hnen abgewichen ist, so ist es zwar möglich dass er auch
lie Theorie der Leidenschaften von ihnen entnahm und so
vie Cicero thut das Wesen der letzteren in eine gewisse
if einung setzte, darum aber noch nicht wahrscheinlich son-
lem bedarf um diess zu werden einer genaueren Unter-
uchung die vielmehr zu dem entgegengesetzten Resultat
ührt: denn hätte er in dieser Hinsicht die stoischen An-
;cbauungen getheilt so würden wir ihnen doch auch in der
wif ihn zurückgehenden (vgl. Theil II S. 638 S.) Darstellung
442 I^ie Tusculanen.
des zweiten Buches de fiuibus begegfieu, wo er sich statt
dessen damit begnügt die Lust (voluptas) als eine ange-
nehme sinnliche Bewegung (jucundus motus in sensu) zu de-
finiren (75) und ebenso wie im fünften Budie (45) noch in
Zweifel ist ob er sie nicht doch zum ersten Naturgemässen
rechnen soll (34) wovon er sie die stoische Theorie bei ihm
vorausgesetzt aufs eutschiedenste ausschliessen müsste.^) Fer-
ner ist die Lehre des Antiochos der stoischen gegenüber
hauptsächlich durch den Satz charakterisirt dass es neben
dem moralischen üebel noch andere gibt, gerade dieses
Hauptcharakteristicum fehlt aber in den Tusculanen die sich
im Gegentheil vorwiegend auf den streng stoischen Stand-
punkt stellen; *) und wenn dieselben auch der milderen peri-
patetischen Güterlehre nicht alle Berechtigung abstreiten
wollen so ist doch das Verhältniss in das dieselbe auf diese
Weise zur stoischen gebracht wird ein ganz anderes als wie
es Antiochos festzusetzen liebte.^)* Endlich muss allen denen
') Man bedenke die Auffassung der voluptas in den Tusculanen
wie sie sich theils in der Bemerkung II 52 theils in den Definitionen
III 23 f. oder in den Eintheilungen IV 20 kund gibt. Vgl. auch den
Stoiker bei Cicero de fin. III 17. 35.
^) Unter anderen Trostmitteln des Menschen wird 34 angefahrt:
quod videt malum nuUum esse nisi cuipam. In Worten die sich an
Epikur richten lesen wir 37 : obliviscor etiam malorum ut jubes eo-
que facilius quod ea ne in maus quidem ponenda censeo. 74: cogi-
tatio igitur diuturua nihil esse in re mali dolori medetur, non ipsa
diuturnitas.
^) In den Tusculanen lesen wir 77: erit igitur in consohitioni-
bus prima medicina, docere aut nullum malum esse aut admodom
parvum. 80: cui (sc. sapienti) aut malum videri nullum potest quod
vacet turpitudine aut ita parvum malum ut id obruatur sapienti»
vixque appareat. Während hier nicht bloss die Wahl zwischen der
stoischen und peripatetischen Ansicht gelassen sondern auch die Be-
vorzugung der stoischen angedeutet ist und die peripatetische nur
durch eine Art von Coucession an zweiter Stelle Erwähnung gefun-
Das dritte Buch. 443
welche wissen dass Antiochos die wesentliche Ueberein-
sUmmung der peripatctischon akademischen und stoischen
Philosophie behauptete auffallen dass nichtsdestoweniger in
einer Darstellung die auf ihn zurückgehen soll gewisse An-
sichten der Peripatetiker so entschieden bekämpft werden,
wie diess bei Erörterung der Frage geschieht ob der Keim
zu den Leidenschaften schon von Natur in uns liegt oder
sie nur die Folge einer falschen Meinung sind, ob sie also
nur gemässigt oder gänzlich ausgerottet werden sollen (22.
71 — 75). Unsere Verwunderung über diese Polemik wird
noch gesteigert da wir sehen dass von derselben auch ein
angesehenes Mitglied der alten Akademie, Erantor, betroffen
wird (12. 71), also derjenigen Schule deren Erneuerung An-
tiochos sich ganz eigentlich zur Aufgabe gemacht hatte.
Wollte man dieses Bedenken durch die Bemerkung heben
dass in dem fraglichen Falle die Differenz zwischen der
akademisch-peripatetischcn Richtung einer- und der stoischen
andererseits zu bedeutend sei als dass selbst Antiochos ver-
mögend gewesen wäre sie zu verdecken so wäre zu erwidern
dass im zweiten Buche de finibus thatsächlich ein solcher
Ausgleichsversuch gemacht wird und zwar dort zu Gunsten
Epikurs um dessen Lehre mit der eigenen in Einklang zu
bringen,^) dass ein solcher also noch viel eher zu Gunsten
den zu haben scheiot was noch mehr hervortritt wenn wir bedenken
dass erst gegen den Schluss seiner Darstellung wo er überhaupt den
Yerschiedenen Philosophen gegenüber sich liberaler zeigt Cicero der
peripatetischen Güterlehre gedenkt (76) und sodann sie neben der
stoischen bis zu einem gewissen Grade gelten lässt — hat Antiochos
dagegen wo er die beiden Moralen einander gegenüber stellt sich
stets 80 weit ich seh» mit voller Entschiedenheit auf die Seite der
peripatetischen gestellt und der stoischen neben ihr nicht einmal so.
viel Raum gelassen als Cicero neben dieser der peripatetischen. Vgl.
de fin. IV 57. V 71 f. 90. 91 flf.
') 27: equidem illud ipsnm non nimium probo et tantum patior,
444 ^1® Tuscalanen.
der Peripatetiker und Akademiker von Antiochos zu erwarten
war. ^) und dass wirklich Antiochos so verfahren ist, dass
er indem er die stoische Lehre von der Ausrottung der Lei-
denschaften billigte der akademisch -peripatetischen Schule
nicht untreu zu werden glaubte und nicht etwa wie in den
Tusculanen geschieht polemisirend die weite Kluft zwischen
den beiden Schulen erst recht vor Augen gestellt habe,
müssen wir wohl daraus schliessen dass Cicero sonst nicht
nöthig gehabt hätte wie er Acad. pr. 135 thut*) ihm jene
philosophum loqui de cupiditatibus finiendis. an potest capiditas
finiri? tollenda est atquc extrahenda radicitus. quis est enim in
quo sit cupiditas, quin recte cupidus dici possit? ergo et avarus erit
sed finite, et adulter verum habebit modum, et luxariosus eodem
modo, qualls ista philosopbia est quae Don interitam adferat prari-
tatis sed sit contenta mediocritate vitiorum? quamquam in hac din-
sione rem ipsam prorsus probe, elegantiam desidero. appellet haec
desideria naturae : cupiditatis nomen servet alio, ut eam cum de ava-
ritia cum de intemperantia cum de maximis vitiis loquetur tamqoam
capitis accuset. Vgl. auch Tuscul. V 93.
^) Einen Anlauf über jenen Gegensatz der stoischen and peri-
patetischen Schale hinwegzukommen macht freilich auch das dritte
Buch der Tuscalanen 83: Hoc detracto quod totum est volantariom
aegritudo erit sublata illa maerens; morsus tarnen et contractioncn-
lae quaedam animi relinquentur. Hanc dicant sane naturalem, dam
aegritudinis nomen absit grave taetrum funestum quod cum sapientia
esse atque ut ita dlcam habitare nuUo modo possit. Aber eben dass
es bei einem blossen Anlauf sein Bewenden hat und die eingesclüa-
gene Richtung nicht weiter verfolgt wird zeigt dass wer immer Gi-
ceros Gewährsmann war kein Interesse hatte dless zu thon, dass also
Antiochos bei dem wie wir wissen ein solches Interesse vorhandoi
war jener nicht gewesen sein kann.
') Sed quaero quando ista fuerint ab Academia vetere decreta
ut animnm saplentis commoveii et conturbari^negarent? mediocri-
iates Uli probabant et in omni permotione naturalem volebant esse
qnendam modum. legimus omnes Crantoris, veteris Academici, de
luctu; est enim non magnus verum aureolus et ut Tuberoni Panae-
tins praecipit ad verbum ediscendus libellus. atque Uli quldem eüam
Das dritte Buch. 445
zwischen beiden Schulen bestehende Differenz erst noch vor-
Eohalten und ihn auf Grund derselben eines Widerspruchs
oüt sich selber zu zeihen.
Da von den Dogmatikern soweit sie überhaupt in Frage
(ommeu sich keiner hergibt Ciceros Gewährsmann zu sein,
süssen wir uns wohl bei den Skeptikern umsehen und wer-
ten da durch die Untersuchungen über die beiden voran-
i;ehenden Bücher natüi*lich zuerst auf Philon geführt. Die
i*orm der Darstellung bestätigt diess, indem sie diejenige
äner Polemik ist die sich gegen eine auf Verlangen aus-
^prochene Behauptung richtet (7. 12) und daher mit der-
enigen übereinstimmt die uns schon früher als die der skep-
ischeu Akademie vorgekommen ist (vgl. S. 379, 1. 411 f.); auch
erinnert uns Cicero gelegentlich an seinen philosophischen
Standpunkt wie durch das „verisimile" 14 und 16 und dar
lurch dass er wenigstens 77 und 80 es unterlässt sich in
logmatischer Weise für eine der beiden zur Wahl gestellten
iforaleu die stoische oder die peripatetischo zu entscheiden.
Su den formalen Elementen der Darstellung gehört ferner
1er Schmuck der Dichtercitate der auch über dieses Buch
'eichlich ausgestreut ist, ein Schmuck den zwar auch andere
?hilosophen nicht yei*schmähten, den anzubringen aber Ci-
»ro nach seinem eigenen Geständniss (vgl. S. 411, 1) durch
?hilon8 Vorgang veranlasst worden war. Aber freilich mit
loldien von der Oberfläche geschöpften Argumenten dürfen
irir nicht hoffen die fest gewurzelte Ansicht auszurotten dass
üne dogmatische Schrift Ciceros Quelle war. Im Kampfe
nit derselben macht sich namentlich ein Uebelstand geltend
itiliter a natura dicebant permotiones istas animis nostris datas, me-
om cavendi causa, miserlcordiam aegritudinemque clementiae; ipsam
ncondiam fortitudiois quasi cotcm esse dicebant: recte secusne aüas
'iderimus, atrocitas quidem ista tua quomodo in voterem Academiam
nruperit nescio.
446 ^16 Tuscnlanen.
dass wir über Philons Theorie so wenig durch ausdrückliche
Ueberlieferung erfahren. Denn in Folge dessen wird man
es für unmöglich erklären dass ein Skeptiker welches doch
Philon gewesen sein soll sich in so nachdrücklicher Weise
wie Cicero thut zu Gunsten der stoischen Moral ausge-
sprochen habe. Wenn nur nicht der Skepticismus auch
innerhalb der Akademie sehr verschiedene Formen angenom-
men hätte! Zur Eigenthümlichkeit des philonischen Skep-
ticismus gehörte aber eine starke Hinneigung zum Stoicis-
mus. Dass man ihm diese zum Vorwurf machte hat eine
frühere Untersuchung gelehrt (vgl. oben S. 236 flf.) und zu-
gleich angedeutet auf welche Punkte man etwa dabei ge-
achtet habe, insbesondere auch darauf hingewiesen dass an
die Benutzung stoischer Definitionen zu denken sei.^) So
könnten also mit anderen auch die stoischen Definitionen
der Leidenschaften die wir in den Tuscnlanen finden zu
Philon gekommen sein. Indessen ist es mit diesen Defini-
tionen nicht wie mit anderen die gewisse Thatsachen oder
Objekte rein darstellen und deshalb gleichviel wer ihr Ur-
heber ist von den verschiedensten Philosophen benutzt wer-
den können: vielmehr haben sie ein subjektives Gepräge
und geben ein Objekt in der besonderen Auffassung wieder
die ihr Urheber davon hatte und die jeder theilen muss der
sich ihrer bedienen will. Es fragt sich daher ob zu den
Letzteren Philon gehörte. Diess könnte man auf Grund
seines Piatonismus leugnen wollen, wie es ja gerade der
Piatonismus war dem der Stoiker Poseidonios die Mittel ent-
nahm um jene stoische, insbesondere chrysippische Theorie
der Leidenschaften zu bekämpfen. Aber was Posidon un-
') Nachträglich kann auf die Anerkennung hingewiesen werden
welche der zenonischen Definition des Wissens unter der Vortw-
setznng dass dieser Begriff streng zu nehmen sei Cicero za Theil
werden lässt Acad. pr. 113.
Das dritte Buch. 447
ereinbar fand, den Piatonismus der ein vernünftiges und ein
nvemünftiges Seelcnverraögen unterscheidet und die stoische
Luffassung der Leidenschaften, rauss nicht auch Anderen und
raucht insbesondere nicht Philon so erschienen zu sein.
)enn warum kann ich nicht die Leidenschaft in geschärftem
lUsdruck als eine Meinung bezeichnen wenn ich darunter
ach nur die Wirkung einer solchen verstehe, wie das die
benfalls von Posidon bestrittene Ansicht Zenons gewesen
'ar? Und bin ich einmal so weit, warum soll ich dann
icht auch die Meinung und die Leidenschaft, als deren Wir-
ung und somit von ihr verschieden, jede einem besonderen
eelentheil zuweisen, die eine dem vernünftigen die andere
cm unvernünftigen? Dass er eine solche Vorstellung von
er Seele in seiner Ausdrucksweise durchschimmern lasse,
atte ja eben Posidon dem Chrysipp zum Vorwurf gemacht,
^ir haben daher nicht nöthig es als einen erst von Cicero
1 die Darstellung hineingetragenen Widerspruch zu betrach-
m wenn in derselben nicht bloss die Ursache sondern ge-
idezu das Wesen der Leidenschaft in einer Meinung gesucht
J4 f.) und dann doch in einer erläuternden Bemerkung jene
af eine Widerspänstigkeit des niederen Seelenverraögens
Bgenüber der Vernunft zurückgeführt wird,') sondern kön-
') 24: Nam cum omnis perturbatio sit animi motus vel rationis
cpers vel rationem adspemans vel rationi non obcdiens isque motus
it boni aut mali opinione citetur etc. Hiermit steht was die zu
runde liegende Psychologie betrifft im Einklänge 11: Itaque nihil
elins quam quod est in consuotudine sermonis Latini cnm exisse ex
»testate dicimus eos qui effrenati feruntur aut libidine aut iracun-
a; quamquam ipsa iracundia libidinis est pars. Sic enim definitur:
acundia ulciscendi libido. Qui igitur exisse ex potcstate dicuntur
Circo dicuntur, quia non sint in potestate mcntis cui regnum totius
limi a natura tributum est. Mit diesen letzten Worten stimmt
lerein was Galen a. a. 0. p. 413 K in der aus Posidon geschöpften
''iderlegung Chrysipps bemerkt: ov yaQ di* avu) Xbyofufv avrovi;
448 I^ie Tusculanen.
nen diesen Widerspruch schon Philon zutrauen der indem
er sich, durch den Vorgang der Stoiker selber dazu aufge-
muntert, über ihn hinwegsetzte obenein noch den Vortheil
hatte die stoischen Definitionen der Leidenschaften ohne
Weiteres für sich verwerthen zu können. ^) — Konnten wir
in diesem Falle nur bis zu dem Nachweis gelangen dass
eine bei Cicero veiixetene Theorie mit dem sonst bekannten
philosophischen Standpunkt Philous nicht in Widersprach
steht, so haben wir in einem anderen eine Art von Ueber-
lieferung auf unserer Seite dass die von Cicero vorgetragene
Lehre schon von Philon getheilt wurde: wodurch dann da
diese Lehre wie sich zeigen wird mit der eben besproche-
nen Theorie aufs Engste zusammenhängt auch die Zurück-
führung dieser auf Philon als richtig bestätigt wird. Die
Lehre um die es sich handelt ist der Satz dass die Leiden-
schaften ausgerottet werden müssen; Cicero spricht ihn 22
aus um ihn den Peripatetikeni die sich mit einer Mässigong
der Leidenschaften begnügten entgegenzuhalten. Da nun die
Ausrottung der Leidenschaften nur gefordert werden kann
wenn man dieselben als etwas ansieht das von Aussen in
den Menschen hineingekonunen ist und daher auch wieder
kavtüiv t§w sca&scxtjxevai xal ftq iv kovroTg elvai dtott xb ßiaCjh
fievov avTovg oQfA&v xccta tb TtdOog t^wS-iv iativ dXk* oti naga fv-
oiv ^/ot;(j<v €iye rb loyixbv t^$ V^'X^Qf ^ xQccteiv xal ä^etv w
akXofy ijy xazd ipvaiv, ov xqoxbI vvv dXXa xQctzeixai xal a^nui
n^bq twv dXoywv xtjg ^vx'jg öwdfuwy. Da aber diese Ueberein-
stimmuDg eine platonische Lehre betrifft so kann sie ebenso gat wie
dadurch dass Posidon für die Qaelle der ciceronischen Worte ange-
sehen wird auch durch die Annahme erklärt werden dass ^Cicero
einen anderen Platoniker, eben PhUon, benatzt habe.
^) Damit man io der PhUon zugeschriebenen Eintheilong der
Seele in einen veroOnftigen und einen anvemOnftlgcn Seelentheil
nicht einen Verstoss gegen dessen Skepticismos erblicke, ist die Be-
merkong S. 413 zu vergleichen.
Das dritte Buch. 449
>e8eitigt werden kann, nicht aber als etwas das mit der
aenschlichen Natur selber gegeben ist, so zeigt sich wie eng
liese stoische Forderung mit der Auffassung der Leiden-
chaften als blosser Meinungen zusammenhängt und dass
renn sich wahrscheinlich machen Hesse Philon habe die peri-
»atetische Mässigung der Leidenschaften verworfen diess den
Schluss erlauben würde er habe die stoische Theorie der-
elben gebilligt. Wie aber Philon über jenen Punkt urtheilte,
larüber empfangen wir durch Cicero Academ. pr. 135 einen
Nink. Denn nachdem er dort es Antiochos vorgehalten hat
lass derselbe zwar sich zur alten Akademie rechne trotzdem
iber die Ausrottung der Leidenschaften fordere und nicht die
ifässigung, fügt er hinzu dass er damit die peripatetisch-
ikademische Ansicht keineswegs als die richtige empfehlen
volle. *) Dass wir Ciceros Urtheil welches sich in diesen
Porten ausspricht mit demjenigen Philoiis bis auf Weiteres
dentifiziren dürfen haben frühere Untersuchungen (vgl. oben
J. 288 S.) gelehrt. Welches dieses Urtheil war, das zu be-
itimmen hängt von der Beantwortung der Frage ab ob Ci-
»ro es für nöthig befunden haben würde sich gegen die
Meinung als billige er die peripatetische Mässigung aua-
Irücklich zu verwahren wenn er dieselbe wirklich gebilligt
lätte. *) Ich glaube nicht dass Jemand diese Frage bejahen
>) Siehe S. 444, 2.
*) Man darf nicht sagen, er habe dadurch den skeptischen
itandpnnkt wahren wollen. Denn sonst hätte er eine ähnliche Be-
oerkung wohl schon vorher gemacht wo er die entgegengesetzte An-
Icht Zenons zwar hart findet, aber um ihrer Folgerichtigkeit willen
ühmt (durum, sed Zcnoni necessarium), und überdiess verstand es
ich ja von selber dass er als Skeptiker nicht die Absicht haben
connte etwas als absolut gewisse Wahrheit hinzustellen zumal er
dch unmittelbar vorher hierüber ausdrücklich erklärt hatte (illa in
inibus consentiunt num pro veris probare possumus?). Vielmehr
ipricht der Zusammenhang (age, haec probabilia sint etc.) dafür dass
Hirxel, üntersaclmiigeii. HI. 29
450 I>ie Tusculanen.
wird. Doch ist es wenn diess trotzdem der Fall sein soDte
gut, dass wir noch von einer anderen Seite her zu demselben
Resultat gelangen können. Dass nämlich Philon das Aus-
rotten der Leidenschaften forderte ergibt sich sobald wir ans
sonst bekannten seiner Lehren die Consequenz ziehen. Ich
denke hierbei an die Lehre dass ausser der Tugend es kein
Gut, wenigstens im strengen Sinne dieses Wortes, gibt Dass
er dieser Ansicht war, kann man zunächst aus seiner Billi-
gung der stoischen Paradoxa folgern, ^) nicht bloss weil sich
er der Lehre Zenons die grössere Probabilität zugestand und dass
er sonach in demselben Sinne die Leidenschaften für ansrottbar er-
klärte wie Kameades (Tusc. V 83) behauptet hatte dass die Tugend
zur Glückseligkeit genüge.
^) Und dass er die stoischen Paradoxa billigte wird mindestens
äusserst wahrscheinlich dadurch dass Cicero diess thut in seiner wie
sich früher gezeigt hat (vgl. oben S. 288 flf.) einer philonischen Schrift
entnommenen Polemik gegen Antiochos Acad. pr. 136, Die betreffen-
den Worte sind folgende: illa vero ferre non possum, non quo mihi
displiceant — sunt enim Socratica pleraque mirabilia Stoicorom
quae na^döo^a nominantur — sed ubi Xenocrates ubi Aristoteles istt
tetigit? hos enim quasi eosdem esse voltis. illi umquam dicerent
sapientis solos reges solos divites solos formosos? Omnia quae abi-
que essent sapientis esse? neminem consulem praetorem impento-
rem nescio an nc quinquevirum quidem quemquam nisi sapientem?
postremo solum civem solum liberum? insipientis omnis peregrinos
exsules servos furiosos? denique scripta Lycurgi Solonis duodecim
tabulas nostras non esse leges? ne nrbis quidem aut civitates nisi
quae essent sapientium? haec tibi Luculle, si es adseosns Antiocho
familiär! tuo, tam sunt defendenda quam moenia; mihi autem bono
modo, tantum quantum videbitur. In den letzten Worten ist
nur ausgesprochen dass Cicero die Paradoxa nicht in dem Mause
für sicher und wahr hält als diess Antiochos und die Stoiker thnn:
keineswegs wird aber durch dieselben ausgeschlossen dass er ihnen
die auch dem Akademiker gestattete und von Cicero ausdrücklich
zu Anfang zugestandene Billigung ertheilte. Bemerkenswertb ist
femer dass die Paradoxa um den Beifall des Akademikers zu ver-
Das dritte Buch. 451
hierin im Allgemeinen eine Hinneigung zur schrofifon und
änseitigon Ethik der Stoiker verräth sondern vorzüglich weil
zu diesen Paradoxen auch der Satz gehört ort fioi^ov ro
talov ayad-ov dieser aher wie Philon selber durch Ciceros
Mund erklärt*) die Consequenz nach sich zieht dass in der
Seele des Weisen keine Spur einer Leidenschaft übrig bleibt
Wollte man aber hiergegen einwenden dass jene Billigung
sich zunächst nur auf diejenigen Paradoxa beziehe die
lern Weisen ein bestimmtes Prädicat wie dass er schön
■eich u. 8. w. sei beilegen, so wäre zu erwidern dass alle
üese Paradoxen ohne die Tugend als das einzige Gut anzu-
orkennen nicht denkbar sind. Ueberdiess lässt sich dass
Mon in der Güterlchre auf Seiten der Stoiker stand auch
ladurch wahrscheinlich machen dass in derselben Hinsicht
8 auch Piaton zu thun schien (Theil H 336 ff.) und dass
ler gleichen strengeren Ansicht auch die Akademiker der
ienen ans stoischen in sokratischo verwandelt werden: denn da das-
ßlbe im dritten Buch der Tusculanen geschieht (10, Tgl. 8) und auch
en paradoxen Meinungen, oder wenigstens einer derselben, aber
iner besonders hervorstechenden (omnes insipientes insanos esse),
ier dieselbe Anerkennung gezollt wird, so ist diess wieder ein Bei-
piel der Uebereinstimmung die zwischen den Ansichten dieses Buches
nd den philonischen besteht. Indem übrigens Philon diese Paradoxa
illigte und als sokratischo anerkannte bezeugte er nur von Neuem
dine Abhängigkeit von Piaton, da dieser bereits gegen den Schluss
es Phaidros p. 279 C den Sokrates beten lässt: nXovaiov vofd^oifii
bv aotf'uv.
') Acad. pr. 135: agc, haec probabilia sanc sint (sc. sapientis
nimum nnmquam ncc cupiditate moveri nee laetitia ecferrih num
tiam illa, numquam timere numqnam dolore? sapiensne non timeat
e patria deleatur? non doleat si dcleta sit? durum sed Zenoni
ecessarium cui praeter honestum nihil est in bonis, tibi vero An-
ioche minime cui praeter honestatem multa bona praeter turpitudi-
em multa mala videntur quae et venientia metuat sapiens necesso
8t et venisse doleat.
29*
452 Die Tusculaoen.
Kaiserzeit huldigten in denen wir früher Nachfolger Philons
erkannt haben (vgl. S. 243 f.). — Es ist nun selbstveratänd-
lich dass solche Behauptungen wie dass die Tugend alleiii
ein Gut sei in Philons Munde nur etwas Wahrscheinliches
aussprechen wollen und es daher kein Hinüberschwanken in
den Dogmatismus ist wenn Cicero im dritten Buche der
Tusculanen sich zu derselben Ansicht bekennt. Der letztere
hat überdiess dadurch dass er gegen den Schluss seiner Dar-
stellung wiederholt (77. 80) die Berechtigung der peripateti-
schen Güterlehre neben der stoischen hervorhebt jeden An-
lass eines Missverständnisses im angegebenen Sinne beseitigt
und damit gleichzeitig die Uebereinstimmung zwischen den
Tusculanen und Philons Ansichten in ein neues und helleres
Licht gesetzt. Denn noch mehr tritt hierdurch hervor dass
Cicero nicht jeder beliebigen Ethik die gleiche Geltung zu-
gesteht sondern aus allen möglichen nur zwischen den ge-
nannten zwei die Wahl lässt, und diess wiederum ist der-
selbe Gedanke den Cicero als Vertreter Philons Acad. pr.
134 ausspricht.^) Aber ist die Vorliebe für die stoisdie
Ansicht in den Tusculanen nicht grösser als in den Acade-
mica? Dass ihr der stärkere Ausdruck geliehen wird kann
man zugeben. An der Sache wird dadui'ch nichts geändert:
denn wenn in den Academica 134 die stoische Güterlehre
als eine göttliche bezeichnet wird ^) so bedeutet diess in ge-
wöhnliche Prosa übertragen eine die an den Menschen ausser-
ordentlich hohe, vielleicht zu hohe Anforderungen stellt (vgl.
auch das „durum sed Zenoni necessarium" 135), nichts an-
') Nachdem er der zenonischen sowie der theophrastischen
Güterlehre gedacht and beider Werth gegen einander abgewogen hat
fährt er fort: distrahor: tum hoc mihi probabilius tum illud videtar
et tamen nisi alterutrum sit virtutem jacere plane puto.
') Zeno in uua virtute positam beatam vitam putat. deos
nie qui nihil censuit deesse virtuti.
Das dritte Bach. 453
deres aber besagt es wenn in den Tusculanen der stoischen
Ansicht das Prädicat der tapfersten und männlichsten er-
theilt wird;*) und was den Tadel betrifft den die AcademicÄ
in das Bedenken kleiden ob nicht die stoische Theorie der
Tugend mehr zumutho als die Natur vertrage (sed ille vereor
ne virtuti plus tribuat quam natura patiatur) so wird ein
solcher in den Tusculanen zwar nicht ausgesprochen ist aber
auch durch das ihr gespendete Lob nicht ausgeschlossen da
etwas zwar tapfer und männlich gedacht trotzdem aber un-
ausführbar sein kann. — Mit der Bevorzugung der stoischen
Ansicht vergibt Cicero seiner Skepsis um so weniger etwas
als jene ihren Grund nicht in einer vermeintlichen grösseren
üebereinstimmung mit den Verhältnissen der Wirklichkeit
und damit in einer grösseren Annäherung an die Wahrheit
hat sondern allem Anschein nach hervorgerufen ist durch
die Erwägung dass man die sittlichen Forderungen über das
dem Menschen mögliche hinauss2)annen muss wenn auch nur
dieses erreicht werden soll. Es ist wahrscheinlich nicht so
sehr der innere theoretische Werth als die äussere praktische
Brauchbarkeit gewesen die Cicero veranlasste die stoische
Lehre auf Kosten der peripatetischen so stark hervorzu-
heben.*) Diesen Gesichtspunkt festgehalten sind wir im
Stande einen Einwand zu beseitigen den man gegen die
Ableitung des dritten Buches von Philon deshalb erheben
könnte weil eine solche sich mit der Ansicht dass derselbe
Ciceros Gewährsmann im zweiten gewesen sei nicht zu
*) 22: scntentiis tarnen utcndum eorum potissimum qui maxime
fort! et ut ita dicam viril! utontur ratioDe atquo scnteDtia (sc. Stoi-
comm).
*) Dieselbe Rücksicht veranlasst ihn 76 ff. und 79 die Frage
welches Trostmittel man wählen solle unentschieden zu lassen und
ihre Beantwortung im einzelnen Falle von Zeit und Personen ab-
h&n^ig zu machen.
454 ^^ Tusculanen.
vertragen scheint. Denn ebenso wie im dritten der stoischen
wird im zweiten der peripatetischen Schule, wenigstens was
die Güterlehre betriflft, der Vorzug gegeben.*) Dieser schein-
bare Widerspruch löst sich jetzt dadurch dass es sich im
zweiten Buche imi das Ertragen körperlichen Schmerzes
handelt, dieser aber derselbe bleibt auch wenn wir ihn für
kein Uebel halten;*) ferner dadurch dass der Nachweis den
das zweite Buch beabsichtigt der Schmerz könne ertragen
werden um so bündiger ist wenn er auch den schlimmsten
Fall dass der Schmerz ein Uobel ist in Rechnung zieht
Dass übrigens eine wesentliche theoretische Differenz zwi-
schen den beiden Büchern nicht besteht ergibt sich aus den
S. 412, 1 angeführten Stellen des zweiten an denen gerade
so wie im dritten zwischen der peripatetischen und stoischen
Güterlehro die Wahl gelassen ist. — Was sich ausser dem
Gesagten zur Beantwortung der uns hier beschäftigenden
Frage theils an Einwänden beseitigen theils an bestätigen-
den Momenten vorbringen lässt ist zwar verglichen mit ihm
von untergeordnetem Werthe, soll indessen hier doch noch
eine Stätte finden. So könnte man gegen die Vormuthung
dass Philon Ciceros Quelle war darum Bedenken hegen weil
Cicero behufs einer Aeusserung des Karneades zimächst An-
tiochos als Gewährsmann anführt (59) und sodami gegen
jene Aeusserung polemisirt:^) welches beides man mit Phi-
') 29 f. bes. die Worte: Nihil bonum nisi quod honestom; nihil
malum nisi quod turpe. Optare hoc quidem est, non docere. Illnd
et melius et verius: omnia quae natura aspernetur in xnalis esse;
quae adsciscat, in bonis. Vgl. noch 42.
') A. a. 0.: definis tu mihi, non toUis dolorem, cum dicis aspe-
rum, contra naturam, vix quod ferri tolerarique possit; nee mentiiis;
sed re succumbere non oportebat verbis gloriantem.
^) Die Schärfe dieser Polemik wird übrigens durch eine sp&tere
Aeusserung (79) gemildert, welche zugesteht dass der ¥on Ejirneades
getadelte Trostgrund nur nicht immer und für Alle passend sei.
Das dritte Buch. 455
Ions Verhältniss zu Karneades unvereinbar finden könnte.
Aber um abzusehen von der Möglichkeit dass Cicero hier
etwas aus eigener Lektüre eingeschaltet habe (vgl. S. 441)
80 könnte was den ersten Punkt betrifft Philon den An-
tiochos citirt haben nicht um durch ihn die Aeussorung des
Karneades als echt beglaubigen zu lassen sondern um ihn
dessen Ansicht mit der des Karneades übereinstimmen mochte
ebenfalls seines Irrthums zu überfuhren; noch weniger hat
der zweite Punkt zu bedeuten, da die Möglichkeit einer
Polemik Philons gegen Karneades in einem einzelnen Falle
theils durch seine Stellung in der Entwickelung der akade-
mischen Skepsis nicht ausgeschlossen ist theils insbesondere
noch aus Cicero Acad. pr. 137 und 139 erhellt. Zu den
bestätigenden Momenten rechne ich den Wunsch welchen
Cicero äussert widerlegt zu werden (cupio refelli 46) womit
ausser im zweiten Buche 4 zu vergleichen ist das S. 223, 1
Bemerkte, femer die Zusammenstellung von Pythagoras So-
krates imd Piaton (vgl. dazu S. 243), sodann wenn ich an
Cicero nat. deor. III 59 denke das Lob das 38 dem Epi-
kureer Zenon ertheilt wird, und endlich dass die Darstellung
ebenso wie der skeptische Vortrag in den Academica hin-
sichtlich der Methode in zwei Theile geschieden wird den
ersten in dem sie nach stoischer Weise dialektisch straff an-
gezogen sein und den zweiten in dem sie sich in breiterem
Flusse ergehen soll. ^)
') Tusc. 13: et prlmo si placet Stoicorum more agamus qui bre-
viter adstriogere solcnt argumenta; deinde nostro instituto vagabi-
mur. 22: Uaec sie dlcuntur a Stoicis concludunturquc contortius.
Sed latius aliquanto diceoda sunt et dlffusius; sententiis tarnen uten-
dum eorum potissimum qui maxime fort! et ut ita dicam virill utun-
tur ratione atque sententia. Nam Peripatetici etc. Hiermit vergleiche
man Acad. pr. 112: Ac mihi videor nimis etiam agere jejunc; cum
sit enim campus in quo exsultare possit oratio, cur eam tantas in
454 ^® Tusculanen.
vertragen scheint. Denn ebenso wie iir ./
wird im zweiton der peripatetischei»
die Güterlehro betriflft, der Vorzug ). ' >r das dritte
bare Widerspruch löst sich jet ' is vierte be-
zweitcn Buche um das Ert' ' iissbaren Zu-
handelt, dieser aber derselh / ^ ; ii Einheit der
kein Uebel halten; *) fern . > ' ~ ' t zunächst dar-
das zweite Buch beabß- // .' istand behandelt
worden um so bündifr V-- ' ochaften (;r«% per-
Fall dass der Sehr ' ' - unterschied besteht dass
PI
Dass übrigens eir-/ ^ers interessirende, der Kum-
scheu den beidi», "^ ^.iffen ist während im vierten die
S. 412, 1 aof^ ^öU zu mehr oder minder ausführücher
so wie im d' , *) und Cicero selbst gibt, indem er im
Güterlehrr ,ei Beginn der Erörterung über den Kummer
Gesagte* ^ch nicht auf die Besprechung. dieser Leidenschaft
Frag^ ^«^ sondern auch die übrigen behandehi zu wollen,*)
den .^^n deutlichen Wink dass die auf zwei Bücher ver-
yt/^ Xtoi'S^^llui^g im Grunde eine einheitliche Reihe bildet
it^ dm*ch dieses innerliche Biind das die Identität des
^J^gflstandcs knüpft werden die beiden Bücher aber auch
-^rlich dm'ch die üboreinstinunende Form zusammenge-
^ten, da wir im vierten dieselbe Anhäufung von poetischen
(Jitaten bemerken die uns schon im dritten auffiel und ein
angustias et Stoicorum in dumcta conpollimus? si enim mihi com
Peripatctlco res esset etc. Auf denselben Wechsel in der Methode
der Darstellung deutet auch Tusc. IV 9.
') Das vierte Buch trägt die Ueberschrift de reliquis animi per-
turbationibus. Von den „perturbationes" im Allgemeinen war aber
auch schon im dritten Buch 7 ff. die Rede.
*) 13: Et progrediar quidem longius: non enim de aegritudine
solum quamquam id quidem primum, sed de omni animi ut ego po-
sui perturbatione (morbo ut Graeci volunt) explicabo.
Das vierte Bach. 457
Kennzeichen des philonischcn Ursprungs war. Hierzu kommt
dass auch in diesem Buche Cicero an verschiedenen Orten
mehr oder minder deutlich uns seinen akademischen Skepti-
cismus zu verstehen gibt*) und was die Methode der Dar-
stellung betrifft auf den in stoische Dialektik eingeschnürten
Theil einen anderen bequemer sich ausbreitenden folgen lässt.*)
Diese theilweise Verwendung der stoischen Dialektik ist ein
Zeugniss der hohen Anerkennung, die der Verfasser in die-
sem Buche 80 wonig als im dritten den Stoikern versagen
kann.') Daher macht er sich die stoischen Definitionen der
Leidenschaften zu Nutze, obschon er gleichzeitig an der pla-
') 7: Sed defendat quod quisque sentit; sunt enim judicia libera;
DOS institutum tcnebimus nullisque unius disciplinac legibus adstricti,
quibus in philosophia necessario pareamus, quid sit in quaque re
maxime probabile sempcr exquiremus. 47: Videsne quanta fuerit
apud Academicos verecundia? Plane enim dicunt quod ad rem per-
tineat. Peripateticis respondetur a Stoicis. Digladientur Uli per me
licet cui nihil est necesse nisi ubi sit illud quod veri simillimum videa-
tur anquirere. Quid est igitur quod occurrat in hac quaestlone, quo
possit attingi aliquid veri simile? quo longius mens humana progredi
non potest. 53: Quamvis licet insectemur istos (die Stoiker) ut Car-
neades solebat etc. 82: cognitis quoad possunt ab homino cognosci
boDorum et malorum finibus.
*) Darauf macht er uns selber aufmerksam 9 und 33. Zu die-
sem Wechsel der Methode ist schon früher (S. 455, 1} eine Stolle aus
den Academica verglichen worden. Erläuternd mag hier noch be-
merkt werden dass wie in den Tusculanen dem ersten Theil die Ver-
wendung stoischer Definitionen eigenthümlich ist auch in den Aca-
demica derselbe die stoische Begriffsbestimmung des Wissens zur
Voraossetzang hat. Vgl. oben S. 311.
') Quamvis licet insectemur istos (die Stoiker) ut Cameades
solebat, metuo ne soll philosophi sint. Quae enim istarum definitio-
num (die angeführten des Sphairos und Chrysipp) non aperit notio-
nem nostram, quam habemus omnes de fortitudine tectam atque in-
volutam?
458 1^16 Tusculanen.
tonischen Psychologie festhält/) und beantwortet die Frage
wie der Schmerz eines Menschen über moralische ihm an-
haftende Uebel zu beurtheilen und zu beseitigen sei in einem
Sinne der ihr die gegen die Stoiker gerichtete Spitze ab-
bricht, wie ebenfalls schon im dritten Buch geschehen war.*)
Hat er sich schon hierin als einen Anhänger Chrysipps ge-
zeigt,^) so tritt dasselbe auch noch da hervor wo er für
eine Ansicht dieses Stoikers gegenüber Karncades in der-
selben Weise in die Schranken tritt die wir schon aus dem
vorangehenden Buche kennen.*) Es ist hiernach fast selbst-
verständlich dass auch im vierten Buch die Polemik gegen
die Peripatetiker und deren auf Mässigung der Leidenschaf-
ten dringende Lehre wiederkehrt;^) nur dass dieselbe hier
noch mehr ausgeführt und vielleicht noch heftiger ist, noch
weniger also was beiläufig mit bemerkt werden mag auf
Antiochos zurückgeführt werden kami.^) Dabei weiss Cicero
den Dogmatismus im Einzelnen zu nutzen ohne ihm im
Ganzen anheim zu fallen und erreicht diess auch hier wie
schon im dritten Buche unter anderem dadurch dass er den
') 10 f. (vgl. S. 447 f.). 77 ff. (vgl. S. 447, 1).
*) Vgl. 61 mit 59 f. dazu III 68 und S. 435 f.
^) Und zwar im Gegensatz zu Kleanthes wie sich aus einer Ver-
gleichung der in vor. Anmkg. angeführten Stellen mit III 76 ergibt.
Auch über die Tragweite des von Chrysipp empfohlenen Trostmittels
gibt er sich keiner Täuschung hin, so wenig als das vierte Buch, ja
so wenig als Chrysipp selber, vgl. 63 und III 79.
*) 63, vgl. 111 59.
^) 38 ff.
^ Vgl. bes. 48: Quid ad has definitiones (des Stoikers Zenon)
possint dicere? Atque haec pleraque sunt prudenter acuteque disse-
rentium; illa quidom ex rhetorum pompa: „ardores animorum cotes-
que virtutum^S Letzteres geht auf 43 mitgetheilte Aeusserungen der
Peripatetiker. Gegen die 44 angefahrten richtet sich 55: Libidioem
vcro laudare ccgus est libidinis! Vgl. dazu S. 444.
Das yierte Buch. 459
Vorzug den er gewissen Ansichten gibt nicht so wohl auf
ihre theoretische Wahrheit als auf die praktische Brauch-
barkeit gründet.^)
Folgt nun aus dieser Uebereinstimmung dass Philou als
der Gewährsmann Ciceros auch für das vierte Buch zu gelten
hat, so wird dieses Resultat bestätigt durch die Verbindung
in der Pythagoras mid Piaton erscheinen als die beiden
Autoritäten nach deren Vorgang zwei Theile in der Seele
geschieden werden.^) Zu Philon passt sodann die stoische
Güterlehre der wir auch im vierten Buche wieder begegnen,
da sie wie früher (S. 451) bemerkt wurde von der plato-
nischen nicht wesentlich diflferirt. ^) Da ferner die Art wie
Cicero die Heilung der Leidenschaften von jeder besonderen
Philosophie unabhängig zu machen sucht in offenbarer Pa-
raUelo ist zu der Gleichgiltigkeit mit der Kameades bei Er-
^) 14: sed omnes pcrturbationes judicio ccnsent fieri et opinioDe.
Itaque eas definiunt pressius ut intellegatur non modo quam
vitiosae sed etiam quam in nostra sint potestate. Est ergo
aegritudo opinio recens etc. 59: est etiam in omnibus quatuor per-
turbationibus lila distinctio ut si quis aegre ferat so
pauperem esse idne disputes paupertatem malum non esse an bomi-
nem aegre ferre nihil oportere. Nimirum hoc melius, ne si forte de
paupertate non persuaseris sit aegritudini concedendum. 60: lUa au-
tem altera ratio et oratio quae simul et opinionem falsam tolllt et
aegritudinem detrahit est oa quidem utilior sed raro proficit neque
est ad Tulgus adhibenda. Vgl. dazu S. 453 f.
') 10. Vgl. S. 455. Dass Posidon nach Galen de plac. Hipp,
et Plat. p. 425 K dieselbe Ansicht ausgesprochen hatte, schliesst na-
türlich nicht aus dass nicht schon vor ihm Andere und insbesondere
Philon das Gleiche gethan hatten.
^) An die Xeyofxeva dya&d Piatons erinnert 66: sint sane ista
bona quae putantur, honores divitiae voluptates cetera. Dadurch dass
Cicero ebenda die stoische Güterlehro nicht schlechthin als die wahre
hinstellt sondern nur bezeichnet als die ,,ratio quae maxime proba-
tur de bonis et malis^* salvirt er sein skeptisches Gewissen.
460 ^^6 Tascolanen.
örtening der Frage ob die Tugend zur Glückseligkeit geoüge
die Unterschiede der einzelnen Philosophien behandelte,*) so
werden wir von Neuem darauf hingewiesen Ciceros Gewährs-
mann bei den skeptischen Akademikern zu suchen unter denen
dami neben Philon kein Anderer das Recht hat berücksicli-
tigt zu werden. Dagegen kann der Tadel der 71 Piaton
trifft weil er die Liebe verherrlicht habe uns ebenso wenig
abhalten Ciceros Darstellung auf Philon zurückzunihren als
er uns abhalten würde an Posidon oder Antiochos zu den-
ken; denn da derselbe im Grunde sich auf den Zweifel be-
schränkt ob es eine hohe und reine Liebe wie die welche
Piaton verherrlicht hatte überhaupt gebe,*) also sehr leicht
ist,^) so lässt er sich auch einem Anhänger und Verehrer
^) 62: Quare omnium philosophomm ut ante dixi una ratio est
mcdendi, ut nihil qaale sit illud quod perturbot animum sed de ipsa
Sit perturbatione dlcendum. Itaquc primum in ipsa cupiditate, cum
id solum agitur ut ea toUatur, non est quaerendum, bonnm Ulud
necno sit quod libidlnem moveat, sed libido ipsa tolleoda est ut, sive
quod honestum est id sit summum bonum sive voluptas sive horum
utrumque conjunctum sive tria illa gencra bonorum, tarnen etiam si
virtutis ipsius vehementior appetitus sit cadem sit omnibus ad deter-
reudum adhibenda oratio. Hiermit vgl. Y S'd: Et quoniam videris
hoc vello ut, quaecumque dissentientium philosophomm sententia sit
de finibus, tarnen virtus satis habeat ad vitam beatam praesldii, qood
quidem Cameadem disputare solitum accepimus.
^) 71: philosophi sumus exorti (et auctore quidem nostro Piatone
quem non injuria Dicaearchus accusat) qui amori auctoritatem triba-
eremuB. Qui (^sc. amor) si quis est in rerum natura sine solli-
citudine sine desiderio sine cura sine suspirio, sit sane; vacat enim
omni libidine; haec autem de libidine oratio est. In diesen Worten
ist „rerum natura" zu verstehen nach Maassgabe von V 4 wo es dem
„error noster" entgegengesetzt ist Die Bemerkung Th. II S. 403, 1
beruht also auf einem Missverständniss.
') Man kann diess auch daraus schliessen dass Cicero, indem
er sagt sumus und tribueremus, sich seibat mit zu denen rechnet die
von jenem Tadel betroffen werden.
Das vierte Bach. 461
des attischen Philosophen zutrauen.^) Noch weniger darf man
endlich gegen Philon geltend machen dass Cicero wenn er
gelegentlich von dem Weisen spricht dem „alle Ewigkeit und
der ganzen Welt Umfang bekannt sei"*) ein anderes als das
skeptische Menschenideal im Sinne habe. Stichhaltig würde
dieser Einwand nur sein wenn es sicher wäre, dass mit dem
Wort „bekannt" (nota) Cicero genau den griechischen Aus-
druck wiedergegeben hat, und nicht ebenso leicht denkbar
dass derselbe an die Stelle einer Wendung des Originals ge-
treten ist wodurch die Ewigkeit und die Grösse des Uni-
versums als Gegenstand der Betrachtung für den Weisen be-
zeichnet wurden. Letztere Verrauthung wird dadurch em-
pfohlen, weil bei ihrer Annahme die Stelle der Tusculanen
denselben Gedanken enthält den wir auch Acad. pr. 127
finden insofern beide Mal die Betrachtung der grossen Ver-
hältnisse des Weltganzen als geeignetes Mittel anerkannt wird
um uns über die niederen irdischen Leiden und Freuden em-
porzuheben (vgl. oben S. 293 ff.).
Suchen wir dieses für Philon günstige Ergebniss noch
weiter dadurch zu befestigen dass wir die Ansprüche seiner
beiden Rivalen Poseidonios und Antiochos — denn nur diese
Beiden können ernsthaft in Frage kommen — als unbegrün-
dete darthun.
Mit Poseidonios' Ansprüchen ist es auch in diesem Buche
nicht besser bestellt als im vorhergehenden, da dieselben
wiederum durch die Ableitung der Leidenschaften von ge-
') In dieser Hinsicht ist es interessant auch Panaitios* Urtheil
über die Liebe zu vergleichen von dorn Th. II S. 311 die Bede war.
*) 37: is est sapiens quem quaerimus, is est beatus; cui
nihil humanarum rerum aut intolerabile ad demittendnm animum aut
nimis laetabile ad efferendum videri potest. Quid enim videatur ei
magnum in rebus humanis cui aeternitas omnis totiusque mundi nota
sit magnitudo?
462 Die Toscalanen.
wissen Meinungen zerstört werden (7, 14 f. 65. 76. 79 f.
81 ff.)*) und auch die Definition der Weisheit die wir 57
') Um Posidons Auffassung der Leidenschaften mit der die wir
im vierten Buche finden in Uebereinstimmung zu bringen hat »
sich Poppelreuter Quae ratio intercedat inter Posidonii nsgl Tca^-
ngayiiarslaq et Tusculanas disputationes Giceronis doch etwas za
leicht gemacht wenn er S. 14 f. Folgendes sagt: „Galenus e Posi-
donii sententia contra Chrysippnm hoc defendit 369, 10 a^^arf
(Jtaxa yivea^ai xaxa ttjv V^'X^v ankütg t<p xpEvöäfg insilriiphai
negl xivotv atq dyaS-wv rj xaxwv ... v. 12 d^^ataxfifAa tjJv m^
xwv /()J7/uaTa^v elvai So^av dg dya^wv. Cf. Cic. IV 26: est aatem
avaritia opinatio vehemens de pecunia quasi valde expetenda sit m-
haerens et penitus insita". Durch diese Zusammenstellung kann nur
getäuscht werden wer sich der Mühe überhebt Galens Worte selbst
nachzusehen. Galen nämlich oder wie wir sagen dürfen Posidon hat
daraus dass Chrysipp eine Leidenschaft als fiavla bezeichnet den
Schluss gezogen dass er dieselbe aus dem yemunftlosen Seelen-
theil hervorgehen lasse (p. 396 K). Hierauf macht er sich selber
folgenden Einwand: dXXa vrj /tla lawg äv xig (pi^aeie x6 fiavitödfi;
od diä xr]v aXoyov ylvsaS-ai övva/uv dkXa öiä xo inl Ttkiov ^ ngaa-
rjxev ^fr/x^a« tri/v xe xgLaiv xal x^v öo^av, wg el xal ovxcog tkf-
yev d^Qwaxijfiaxa yivsa&ai xaxä xtjv V^p/v ovx ctTiXäig xw yffv-
Swg vnsiXrjipevai negl xivotv mg dya^wv ^ xaxwv dXXa ry
fiiyiaxa rofil^eiv avxd' firjöiTCü) yuQ d^^waxrifia rr/v nfQl liöv
•/QflfjLaxwv elvcti öo^av wg dya^wv dXV insiddv xig avxcc fiiyioxof
dyad-ov elvat vo/nlt,y xal fxrföh g/y*' «l'ov vnoXafißdvy X(p axegri^hri
XQrifidxmv xxX. Daraus dass in diesen Worten der Ansicht Chrysipps
welche den Ursprung der Leidenschaft aus der Vorstellung eines sehr
grossen Gutes oder Uebels ableitet die andere entgegengesetzt wird
welche nur die Vorstellung eines Gutes oder Uebels überhaupt für
erforderlich hält, hat Poppelreuter offenbar geschlossen dass die letz-
tere die Ansicht Posidons sein müsse. Der Schluss beruht daraaf
dass weil Posidons Ansicht derjenigen Chrysipps entgegengesetzt wir
nun jede einer chrysippischen entgegengesetzte Ansicht jenem Stoiker
zu gehören schien. Dass dieser Schluss nicht bündig, vielmehr eb
Paralogismos ist, liegt auf der Hand. Hier lehrt überdiess der Zu-
sammenhang wie jener Gegensatz zu verstehen ist. Der Einwand
der im Sinne eines Anhängers der chrysippischen Lehre vorgetragen
Das vierte Buch. 463
finden^) obschon sie von ihm gebilligt wurde doch ihm nicht
ausschliesslich angehört, also auch nicht nöthigt an ihn zu
denken. Ja wenn man bedenkt dass ein gegen Posidon spre-
chendes Argument zwar schon im dritten Buche angedeutet
ist, in voller Stärke aber erst im vierten hervortritt, so
möchte man sagen dass an die Autorschaft dieses Stoikers
zu denken im vierten Buche noch weniger erlaubt ist als
im vorhergehenden. Zu den Dingen nämlich welche Posidon
dem Chrysipp zum Vorwurf machte gehört auch die Vor-
gleichung die der letztere nicht nur zwischen der Krankheit
des Körpers und des Geistes sondern auch zwischen der
Gesundheit beider angestellt hatte: denn nach Posidon sollte
die Gesundheit des Geistes dadurch wesentlich von der
des Körpers unterschieden sein dass sie nicht wie diese
die Disposition zur Krankheit in sich trägt (Galen a. a. 0.
p. 432flf. K.). Hierauf, dass zwar Chrysipp, aber nicht Po-
sidon die Gesundheit des Geistes zu der des Körpers in
wird will dieselbe näher erläutern: wenn Chrysipp gewöhnlich die
Vorstellung eines Gutes oder Uebels als die Ursache der Leidenschaft
bezeichne so sei nicht an die Vorstellung eines Gutes oder Uebels
schlechthin zu denken {odx ccTiXotg) sondern an die Vorstellung eines
sehr grossen Gutes oder Uebels. Es wird also von Galen nicht Chry-
sipps Ansicht einer fremden sondern der ungenau ausgedr(\ckten An-
sicht Chrysipps die schärfer gefassto entgegengesetzt. — Aber auch
wenn Poppelreuters Auffassung der Worte Galens die richtige wäre
so würde keineswegs folgen dass Posidon Ciccros Quelle war. Denn
nach dieser Auffassung bliebe als die Chrysipp eigenthümliche und
von Posidon bestrittene Ansicht diejenige übrig welche zur Erregung
der Leidenschaft die Vorstellung eines grossen Gutes oder Uebels
erfordert, diess entspricht aber Ciceros Ueberzeugung wie sich die-
selbe theils in den von Poppelreuter angeführten Worten (valde ex-
petenda, nicht expetenda) theils in zahlreichen anderen Stellen des
in. und IV. Buches (opinio magni boni, mall) ausspricht.
') Sapientiam esse rerum diTinarum et humanarum scientiam
Cognitionen] que quae ccgusque rei caussa sit.
464 Die Tusculanen.
Parallele stellte, beruht beider DiflFerenz. *) Die Frage ist
also auf wessen Seite sich Cicero stellt, oder eigentlich es
kann keine Frage sein da er ebenso wie die Krankheiten
des Körpers und des Geistes auch die gesunden Zustände
beider mit einander vergleicht.*) Davon dass Cicero ebenso
') Diess hat Poppelreuter a. a. 0. S. 16 Qbersehen wenn er
daraus dass Cicero die Leidenschaften mit Krankheiten des Körpen
vergleicht eine Benutzung Posidons erscbliesst. Denn diess ist ge-
rade der Punkt über den zwischen Posidon und Chrysipp die voll-
kommenstc Uebereinstimmung herrschte (Galen 433 E). Ja nicht ein-
mal diess begründet eine Eigenthümlichkeit Posidons dass dieser
die Krankheiten des Geistes nicht direkt mit Krankheiten des Kör-
pers sondern nur mit der Disposition zu gewissen Krankheiten Te^
glichen hatte. Poppelreuter a. a. 0. legt zwar hierauf Gewicht und
schliesst daraus dass die Yergleichung in derselben Weise von Cicero
vollzogen wird auf Posidon als dessen Gewährsmann. Wie sehr er
Indessen damit Unrecht hat lehren folgende Worte Galens 433 K:
oixovv oQd-ütg elxd^ea^al (prjaiv vno xov XQvalnnov rrfv fihv vyiftav
xijq ^vxÜQ ^y '^ov awfxaxoq vyisla, zrjv öh voaov rj ^qSiotg fl;
voarjfia Ifxnmxovay xaxaaxdaei xov aw/iaxog. Dieselben
zeigen dass der gleichen Ansicht schon Chrysipp huldigte. — Noch
in einem anderen Falle begreift man kaum wie Poppelreuter eine
Ciceronische Aeusserung mit Chrjsipps Ansichten nicht in Ueberein-
stimmung finden konnte. A. a. 0. S. 17 sagt er nämlich: Similiter
Cicero animi sanitatem adesse dicit IV 30 „cum ejus judicia opinio-
nesque concordant". Certe nihil simile Chrysippos scripserat Wenn
nun aber etwas der Art Chrysipp nicht geschrieben hatte, wanun
hätte sich dann Galen oder Posidon so viel Mühe gegeben die An-
sicht Chrysipps zu widerlegen dass alle Leidenschaft aus einem Streit
der Meinungen unter sich herrühre? Und doch thut er dies p. 456f.K:
eiTiBQ ya(i iv x<p f^axfoS-ai ovo x^laeiq dXXijlaig tj xmv naSxov ictt
yivsaiq, dvdyxri xwv ovo xovxudv xqIoswv fjxoi xijv kxiQav fikv t»a^
X€iv dXri^Ti ri/r hxt^av 6e \p6v&^ tj dfitpoxiQag ipsvdeig, bT xig xd
xovTo avyxttfQfjoeiev, t^si yaQ xiva ^t^xr^aiv Xoyixr^v, bXxe 6e dfjupo-
xigaq tpsvösTg sixe xt^v kxt(}av adxwv d^.rjS-^ (fcUrjfxev vndgxfiy* w-
dafjiwq rj fiaxt tcüv xqIübwv eaxai xo nd^oq xxX. Vgl. noch 457 f.
') 30: Ut enim corporis temperatio cum ea congraunt inter se,
Das vierte Buch. 465
wie Posidon diese Vergleichung verworfen habe, kann hier-
nach nicht mehr die Rede sein und die Stelle in der man
trotzdem diesen Gedanken hat finden wollen kann nicht als
eine Verwerfung derselben wie sie Posidon ausgesprochen
hatte betrachtet werden sondern nur als eine Einschränkung
derselben die etwaigen Missverständnissen und verkehrten
Folgerungen vorbeugen sollte.*) Nicht anders aber als im
vierten hatte Cicero die Aehnlichkeit von geistiger und kör-
perlicher Gesundheit schon im dritten Buche beurtheilt, *) so
dass schon hierdurch für beide Bücher die Yermuthung eine
Schrift Posidons sei die Quelle gewesen ausgeschlossen ist^)
Um zu zeigen dass der Inhalt des vierten Buches nicht
e qaibus constamas, sanitas sie animi dicitur cum ejus judicia opi-
nionesque concordant caque est animi virtus etc. 23: Quemadmodum,
cum sanguis corruptus est aut pituita redundat aut bilis, in corpore
morbi aegrotationesque nascuntur sie pravarum opinionum conturba-
tio et ipsarum inter se repugnantia sanitate spoliat animum morbis*
que pcrturbat.
^) Nach der wie auch ich glaube richtigen handschriftlichen
Ueberlieferung sagt Cicero 31 : Illud animorum corponimque dissimile
qnod animi valentes morbo temptari non possunt, corpora possunt.
Auf denselben Gedanken beruft sich auch Posidon bei Galen 433 K.
Der Unterschied zwischen beiden ist nur dass sie von dem gleichen
Gedanken eine verschiedene im Texte näher bezeichnete Anwendung
machen. Vgl. dazu Poppelreuter S. 15.
*) 10: Ita fit ut sapientia sanitas sit animi etc. Vgl. 9: Sani-
tätern enim animorum positam in tranquillitate quadam constantiaque
censebant. 22: nam ut corpus etiam si mediocriter aegrum est Sa-
num non est, sie in animo ista medioeritas caret sanitate.
*) An Philon aber zu denken hindert nicht nur nichts da in
diesem Protest gegen die Vergleichung körperlicher und geistiger
Gesundheit Posidon nicht einmal Galen auf seiner Seite hat (p. 434)
und also damit allein gestanden zu haben scheint, sondern im Gegen-
theil spricht für ihn schon der Umstand dass derselben Vergleichung
sich bereits Piaton bedient hatte und vollends beseitigt jeden ver-
nünftigen Zweifel das Excerpt bei Stobaios ecl. 11 p. 42 f.
Hirxel, Untersnchungfen. Ul. 30
466 I^ie Tuscalanen.
von Antiochos genommen sein kann bedürfen wir nur der
Voraussetzung dass die Ansichten dieses Philosophen im
fünften Buch de finibus wiedergegeben sind, eine Voraus-
setzung zu der man sich die Erlaubniss nicht erst zu er-
bitten braucht (vgl. Theil II S. 691 ff.). Nun lesen wir im
fünften Buch de finibus 48 ff. Folgendes: quid vero? qui in-
genuis studiis atque artibus delectantur nonne videmus m
nee valetudinis nee rei familiaris habere rationem omniaque
perpeti ipsa cognitione et scientia captos et cum maximis
curis et laboribus compensare eam quam ex discendo ca-
plant voluptatem? mihi quidem Homerus hujus modi quid-
dam vidisse videtur in eis quae de Sirenum cantibus finxit;
neque enim vocum suavitate videntur aut novitate quadam
et varietate cantandi revocare eos solitae qui praetervehe-
bantur sed quia multa se scire profitebantur ut homines ad
earum saxa discendi cupiditate adhaerescerent. ita enim
invitant Ulixem — — — — vidit Homerus probari
fabulam non posse si cantiunculis tantus vir inretitus tene-
retur: scientiam poUicentur quam non erat mirum sapien-
tiae cupido patria cariorem esse, atque omnia quidem scire
cujuscumque modi sint cupere curiosorum, duci vero majo-
rum rerum contemplatione ad cupiditatem scientiae sum-
morum virorum est putandum. quem enim ardorem stadii
censetis fuisse in Archimede qui, dum in pulvere quaedam
describit attentius, ne patriam quidem captam esse senserit?
quantum Aristoxeni ingenium consumptum videmus in musi-
cis? quo studio Aristophanem putamus aetatem in Utteris
duxisse? quid de Pythagora? quid de Piatone aut De-
mocrito loquar? a quibus propter discendi cupidi-
tatem videmus ultimas terras esse peragratas. Hie^
mit vergleiche man aus dem vierten Buche der Tusculaiien
44: Nee vero solum hanc libidinem laudant sed ipsum
illud genus vel libidinis vel cupiditatis ad summam utilita-
Das Tierte Bach. 467
$m esse dicunt a natura datum; nihil enim quemquam nisi
dod libeat praeclare facere posse. Noctu ambulabat in pu-
lioo Themistocles ~ — — — Cui non sunt auditae De-
lOsthenis vigiliae? — — — — — — — Philosophiae
snique ipsius principcs numquam in suis studiis tantos pro-
ressns sine flagranti cupiditatc facere potuissent. Ul-
mas terras lustrasse Pythagoram Democritum Pla-
>nein accepimus; ubi enim quicquid esset quod disci
wset eo veniendum judicaverunt. Num putamus haec fieri
ne summo cupiditatis ardore potuisse? Die Verglei-
wing beider Stellen ergibt ohne Weiteres die vollkommene
ebereinstimmimg hinsichtlich der darin ausgesprochenen An-
ihauungs weise; und diesem Ergebniss dürfen wir um so
ehr trauen als Cicero in den Tusculanen nur die Ansicht
MT Peripatetiker referiren will, auf peripatetischen Ursprung
jer auch de finibus die bald nach den angeführten Worten
Igende Benutzimg einer aristotelischen Vorstellung (53) so-
ie die Erwähnung des Demetrios von Phaleron und des Theo-
iirast (54) deutet. Diese peripatetische Ansicht aber die im
erten Buch der Tusculanen vorgetragen wird ist keineswegs
iejenige des Verfassers der vielmehr wie die peripatetische
ehre überhaupt so besonders diesen Punkt derselben in den
Igenden Worten aufs Heftigste angreift (55): Libidinem vero
.udare cujus est libidinis! Themistoclem mihi et Demosthe-
3m profertis, additis Pythagoram Democritum Platonem. Quid?
>8 studia libidinem vocatis? quae vel optimarum rorum ut
i sunt quae profertis sedata tamen et tranquilla esse de-
ent. ^) Von Antiochos kann nach dem Bemerkten diese
olemik nicht herrühren, «da dieselbe aber mit der übrigen
*) Vgl. 62: etiam si virtutis ipsius vehomentior appetitus sit etc.
ass diess der stoischen Lehre entspricht, zeigt zum Ueberfluss noch
öraz epist. I 6, 15 f.
30*
468 I^ie Tusculanen.
Polemik gegen die Peripatetiker im engsten ZusammenhaDge
steht und diese wiederum den Hauptinhalt des ganzen Baches
bildet so kann er überhaupt für dieses als Quellenschrift-
steller nicht mehr in Frage kommen.
Ist somit noch mit besonderen Gründen nachgewiesen
worden dass Posidons und Antiochos' Ansprüche für das
vierte Buch keine Geltung haben, so ist damit zugleich eine
Bestätigung der für das dritte Buch gefundenen Resultate
gewonnen insofern dazu die aus anderen Umständen abge-
leitete Unmöglichkeit gehörte in den genannten beiden Phi-
losophen Ciceros Gewährsmänner zu erblicken.
5. Bas fflnfte Baeh.
Den Inhalt dieses Buches hat man aus nicht weniger
als drei verschiedenen Quellen abgeleitet. Den ersten Theil
c. 5 — 26 hat man auf Posidon, den zweiten c. 29—31 auf
Antiochos, den dritten endlich von 88 an auf einen späteren
Epikureer zurückgeführt. ^) Was zunächst den letzten Punkt
betrifft, so könnte man gegen die Benutzung einer epiku-
reischen Quelle Einspruch erheben auf Grund von 118 wo
die wörtliche Uebereinstimmung Epikurs mit Hieronymos
constatirt wird ^) — eine Bemerkung die sich schwerlich in
der Schrift eines Epikureers fand, andererseits aber auch
nicht das Ansehen trägt Ciceros eigenem Urtheil zu ent-
stammen. Auch den für Posidon sprechenden Gründen lassen
sich andere gegenüber stellen die von ihm abrathen. Für
ihn spricht dass Cicero in dem fraglichen Theil seiner Dar-
stellung die schroffe Ethik der Stoiker vertritt: ob aber be-
reits Posidon diess gethan habe um damit wie bei Cicero
^) Zietzschmann S. 51.
') Haec eadem quae Epicurus totidem verbis dicit Hieronyinat-
Das fünfte Buch. 469
geschieht (vgl. bes. 22) gegen Antiochos zu polemisiron ist
wenigstens nirgends überliefert und muss daher dahingestellt
bleiben. Dass Posidon den Anschluss an Piaton gesucht hat,
ist bekannt und es ist daher insofern in seinem Sinne wenn
Cicero die stoische Moral auch bei Piaton wiederfindet (34 f.):
la indessen Posidon der doch immer Stoiker war und bleiben
wollte hierin unmöglich so weit gegangen sein kann dass er
Qeben der Autorität Piatons diejenige Zenons gänzlich ver-
schwinden liess ^) so müssten wenigstens die Worte in denen
letzteres geschieht Ciceros eigener Zusatz sein. Wollte man
endlich auf das Lob der Philosophie verweisen das nach
uorssens Nachweis von Posidon genommen sei, so wäre zu
wiederholen was schon früher (S. 344 f.) erwidert worden ist,
lass jenes Lob dem Proömium angehört, diese Proömien
iber da sie bekanntlich mit der eigentlichen Darstellung in
jehr lockerem Zusammenhange stehen auch bei der Quellcn-
Torschung von derselben getrennt zu halten sind. Dass man
schliesslich auch noch auf Antiochos verfallen ist und dass
[uan ihm gerade den angegebenen Theil als Eigenthum zuge-
wiesen hat, darüber darf man sich billig wundem: denn
iieser Theil steht unter der Herrschaft des karneadeischen
Satzes dass welches auch immer die Ansicht über das höchste
ßut sei die Tugend auf jeden Fall zur Glückseligkeit gc-
i^üge, *) und unter dem Schutze desselben findet sogai' die
*) 34: Et si Zeno Citieos, advcna quidam et ignobilis verborum
opifex, insinuasse se in antiquam philosophiam videtur, hujus senten-
tiae gravitas a Piatonis auctoritate repctatur. 37: ex hoc igitur Pia-
tonis quasi quodam sancto aagustoque fönte nostra omnis manabit
oratio.
*) 83: Et qnoniam videris hoc velle ut quaecumque dissentien-
Liam philosophorum sententia sit de finibus tarnen virtus satis habeat
ad vitam beatam praesidii quod quidem Cameadem disputare solitum
accepimus.
470 I^ie Tusculanen.
epikureische Doctrin eine gewisse Anerkennung.^) Von einer
solchen wenn auch nur bedingten Anerkennung ist aber An-
tiochos weit entfernt wie wir aus de finibus V ersehen
wo nach einer ähnlichen Aufisählimg der verschiedenen An-
sichten über das höchste Gut, wie sie die Tusculanen (84 ff.)
bieten, diejenigen des Epikur Hieronymos und Karneades als
unvereinbar mit der Sittlichkeit (und was wir im Sinne des
Antiochos hinzufügen dürfen, daher mit der GlückseUgkeit)
von vornherein bei Seite geschoben werden.*) Diese Stelle
aus de finibus weist uns noch auf einen andern Punkt hin
der sich mit der Annahme von Antiochos' Urheberschaft
nicht verträgt: dass nämlich in den Tusculanen die stoische
von der peripatetischen Ansicht streng geschieden wird und
die letztere eigentlich nur nachträglich Berücksichtigung
findet; während in der Schrift de finibus die peripatetische
Lehre in den Vordergrund gerückt, die stoische dagegen
kaum erwähnt und eine nähere Besprechung derselben für
überflüssig erklärt wird. ^)
^) 87: reliqui habere se videntur angustius; enatant tarnen: Epi-
cums Hieronymus et si qui sunt qui desertum illud Cameadeum cn-
rent defendere.
*) 21: sed quoniam non poBsunt onmia simul dici, haec in prte-
sentia nota esse debebunt voluptatem removendam esse, quando sd
majora quaedam ut jam adparebit nati sumus; de vacuitate doloris
eadem fere dici solent quae de voluptate; nee vero alia sunt quae-
renda contra Cameadeam illam sententiam. Quocumque enim modo
summum bonum sie exponitur ut id vacet honestate, nee officia nee
virtutes in ea ratione nee amicitiae constare possunt. Ck)njunctio aa-
tem cum honestate vel voluptatis vel non dolendi id ipsum honestaiOt
quod amplecti volt, id efficit turpe: ad eas enim res referre quae
agas, quarum una si quis malo careat in summo eum bono dicat
esse, altera versatur in levissima parte naturae, obscurantis est
omnem splendorem honestatis, ne dicam inquinantis.
') Tusc. 83: Si enim Stoici fines bonorum recte posuerunt, cod-
fecta res est: necesse est semper beatum esse sapientem. Sed qaae-
Das fünfte Buch. 471
Aber auch abgesehen von den Bedenken die sich gegen
jede einzelne dieser Annahmen erheben wird man sich zu
der allen dreien zu Grunde liegenden Voraussetzung dass
Cicero im Laufe derselben Darstellung von der stoischen
Lehre deren Standpunkt er zuerst einnahm zu derjenigen
des Antiochos und schliesslich zur epikui^eischen hinübergo-
schwankt sei nur dann entschliessen wenn es ganz unmöglich
ist in dem allerdings etwas bunten Inhalt seiner Darstellung
den zusammenhängenden Faden einer consequent entwickel-
ten philosophischen Ueberzeugung zu erkennen. Warum wir
aber einen solchen nicht anerkennen sollen sehe ich nicht
ein. Wenn Cicero sich zunächst auf den Standpunkt der
stoischen Lehre stellt so geschieht diess keineswegs weil er
denselben als den wahren zu verfechten dächte sondern weil
auf demselben die ethische Theorie deren er für die Praxis
bedarf^) dass die Tugend zur Glückseligkeit genüge allein
ramus anamquamque reliquorum seDtentiam etc. 85: Hi quid possint
obtinere videamus omissis Stoicis quorum satis videor defendisse sen-
tentiam. Dagegen beschränkt sich de fin. V 22 was über die Lehre
der Stoiker gesagt wird auf Folgendes : restant Stoici qui, cum a Fe-
ripateticis et Academicis omnia transtulissent, nominibus aliis easdem
res secuti sunt Vielleicht darf auch darauf noch hingewiesen wer-
den dass in den Tusculanen nicht die gänzliche Identität der peripa-
tetischen und akademischen Lehre behauptet sondern nach Erwäh-
nung der peripatetischon Ansicht (85) nur hinzugefügt wird: nee
multo veteres Academici secus. Diess klingt doch anders als was
wir de fin. 21 lesen: antiquis quos eosdem Academicos et Pcripate-
ticos nominamus.
^) Diess setze ich deshalb hinzu weil man sonst einwenden
könnte dass das Lob der Consequenz von Cicero auch der theophra-
stischen Theorie ertheilt werde (24). Da er aber diese letztere zur
Praxis untauglich findet und sie infolge dessen sogar von der An-
erkennung ausnimmt die er doch nicht bloss derjenigen der übrigen
■Peripatetiker sondern selbst der epikureischen nicht versagt (85:
praeter Theophrastum et si qui illum secuti imbecillius horrent do-
472 I^ie Tusculanen.
consequent entwickelt ist.*) Er musste daher natürlich den
Wunsch hegen diesen Satz der ihm für die Praxis der Moral
unentbehi'lich schien auf ein festeres Fundament zu stellen
als derselbe dadurch besass dass er bei strenger Consequenz
allein aus der stoischen Güterlehrc sich ableiten liess: denn
die Wahrheit dieser Güterlehre selber war es ja die noch
im Zweifel stand. Diess ist der Grund weshalb er sich be-
müht das Genügen der Tugend zur Glückseligkeit ak etwas
zu erweisen das sobald man nur die Bande der Dialektik
nicht zu straff anzieht und es mit der Consequenz nicht all-
zu genau nimmt sich mit jeder ethischen Theorie oder Lehre
Tom höchsten Gut verträgt ob diess nun die peripatetisch-
akademische oder gar die epikureische ist.*) Sonach er-
scheint jener Satz als etwas das inmitten des sonstigen
Schwankens der ethischen Theorien beharrt und davon un-
abhängig ist, mithin als eine Thatsache die auch ein Skep-
tiker anerkennen konnte ohne sich selber untreu zu werden
lorem et reformidant, reliquis qoidem licet facere id qaod fere fa-
ciaot ut gravitatem dignitateinque virtutis exaggerent) so ist durch
doD obigen Zusatz jenem £inwand die Spitze abgebrochen.
^) Vgl. bes. 33: verum tamen quoniam de conatantia paullo aote
diximus, non ego hoc loco id quaerendum puto, verumne ait quod
Zenoni placnerit quodque ejus auditori Aristoni bonum esse soloin
quod honestum esset, sed si ita esset tum ut totum hoc beate vivere
in una virtute poneret.
*) 75: Me quidem auctore etiam Peripatetici veteresque Aca-
demici balbutire aliquando desinant aperteque et clara voce andeant
dicere bcatam vitam in Phalaridis taurum descensuram. Sint enim
tria genera bonorum (ut jam a laqueis Stoieorum, qnibus usum me
pluribus quam soleo intellego, recedamus) smt sane illa genera bono-
rum, dum corporis et externa jaceant humi et tantummodo qoia
sumenda sint appellentur bona, alia autem illa divina longe lateqae
se pandant caelumque contingant ut ea qui adeptus sit cor eum bea-
tum modo et non beatissimum etiam dixerim? Das Urtheil über die
Epikureer vgl. 8. 470, 1.
Das fünfte Buch. 473
und die wirklich als solche auch Karneades anerkannt zu
haben scheint (vgl. die betreflfenden Worte S. 469, 2); und
die bald stoisch bald peripatetisch bald epikureisch gefärbten
Theile der Darstellung sind aus Zeugnissen, die Ciceros Un-
beständigkeit sei es nun in der philosophischen Ueberzeugung
sei es in der Benutzung der Quellen zu beweisen schienen,
zu ebenso viel Stadien seines Skepticismus geworden die die
Schrift eines Philosophen derselben Richtung als die Haupt-
^ quelle des Ganzen vermuthen lassen.
Welches dieser Skeptiker war darüber hat uns Cicero
selbst einen Wink gegeben, wenn er eingesteht zwar im All-
gemeinen das gleiche Verfahren wie Karneades aber nicht
ganz in demselben Sinne anzuwenden, d. h. es nicht wie
dieser vorzugsweise gegen die Stoiker zu kehren. ^) Die auch
hier sich nicht verleugnende Vorliebe gerade für diese Phi-
losophenschule charakterisirt aber wie wir schon öfter ge-
sehen haben den Skeptiker auf den uns schon die Quellen-
forschungen über die früheren Bücher geführt haben und
die Bemerkung Ciceros ist daher ein erster Hinweis dass
wir auch hier wieder in Philon seinen griechischen Gewährs-
mann erkennen sollen. Aber nicht bloss insofern als die
Stoiker bevorzugt werden mid neben ihnen besonders die
Peripatetiker in Betracht kommen*) besteht zwischen dem
fünften und den früheren Büchern Uebereinstimmung son-
dern dieselbe erstreckt sich auch auf die Methode, da ebenso
') Nach doD S. 469, 2 angeführten Worten heisst es nämlich:
sed is ut contra Stoieos quos studiosissime semper refellebat et con-
tra quorum disciplinam Ingenium ejus exarserat; nos illu/1 idem cum
pace agemus. Si enim Stoici etc. (vgl. S. 470, 3).
*) 119: Quod si ei philosophi, quorum ea sententia est ut virtus
per se ipsa nihil valeat omneque quod honestum nos et laudabile
esse dicamus Id üli cassum quiddam et inani vocis sono decoratum
esse dicant, tarnen semper boatum consent esse sapientem: quid tan-
474 Die Tasculanen.
wie wir diess früher beobachtet haben (S. 455. 457) auch
im fiinftou Buche ein U ebergang von der streng begrifis-
mässigen Weise der Stoiker zu der mehr populären der
Peripatctiker stattfindet/) und gibt uns so, weil das gleiche
Verfahren auch in den Academica innerhalb einer auf Philon
zurückgehenden Darstellung gehandhabt wird (S. 455), ein
neues Kennzeichen des philonischen Ursprungs. Hierzu könnte
man noch Kleinigkeiten fügen die dasselbe bestätigen,') wenn
es nicht wichtiger wäre auch einen Einwand nicht zu ver-
schweigen der sich gegen die Ableitung von Philon erheben
lässt und hergenommen ist von der Uebersicht die 68 £
von dem Inbegriff der Weisheit gegeben wird.') Derselbe
dem a Socrate ot Piatone prof actis philosophis faciendom patas?
quorum all! tantam praestantiam in bonis aDimi esse dicoot ut ab
eis corporis et externa obscurentur; alü autem haec ne bona quidem
ducunt, in animo reponunt omnia.
») 75 (vgl. S. 472, 2).
*) Dazu gehört die Concordanz die zwischen der stoischen und
platonischen Ethik hergestellt oder richtiger die Weise wie Zenon
climinirt und Piaton an seine Stelle gesetzt wird 34 (S. 469, 1), 37
(a. a. 0.). Ferner die Berufung auf Pythagoras Sokrates und Platon
30, womit vgl. S. 459, 2. Auch die früher (S. 459, 1) besprochene
Rücksicht auf das Practische als das allein auch bei der Wahl der
Theorie Entscheidende macht sich wieder geltend nicht bloss in der
Verwerfung von Theophrasts Ethik (S. 471, 1) sondern auch in der
Anerkennung die 82 der stoischen Lehre mit folgenden Worten za
Theil wird: habcs quac fortissime de beata vita dici putem et quo
modo mens est nisi quid tu melius attuleris etiam verissime. In die-
sen Worten könnte selbst das „verissime" auf Philon corQckgehen,
wenn derselbe nämlich gesagt hätte dass die tapferste Theorie bis
auf Weiteres so lange sie nicht durch eine andere in dieser Hin-
sicht übertrofifen würde auch als die wahre zu gelten habe.
') Ex quo (aus den vorher dem Weisen zugesprochenen Eigen-
schaften) triplex ille animi fetus exsistet: unus in cognitione rerum
positus et in explicatione naturae; alter in descriptione expetendft-
rum fugiendarumve rerum arteque bene vivendi; tertius in judlcando
Das fünfte Buch. 475
könnte den Schein erregen als ob unter der Weisheit ein
System der dogmatischen Wissenschaft verstanden werde.*)
Ich wiD nun von der Möglichkeit absehen dass Cicero recht
wohl aus der Eriunerimg etwas Dogmatisches eingeschaltet
haben könnte das in den Zusammenhang des aus seiner der-
maligen Quelle Geschöpften nicht recht passte: so lässt sich
doch immer denken dass Cicero auch für diesen Theil seiner
Darstellung den Anlass bei Philon fand und nur die zu
starke dogmatische Betonung die er hin und wieder den
Gredanken gegeben hat auf seine Rechimng kommt. ^) Denn
als das Resultat früherer Untersuchungen (vgl. S. 196 ff.)
hat sich uns ergeben dass auch Philon eine Wissenschaft im
laxeren Sinne dieses Wortes gelten liess, und dass er dann
qnid cuiqae rei sit consequeus quid repugnans, in quo inest omnis
cum Bubtilitas dissorendi tarn vcritas judicandi. Dieser Entwurf wird
sodann im Folgenden noch mehr ins Einzelne ausgeführt.
') Insbesondere wenn man bedenkt dass der Dialektik zuge-
schrieben wird „omnis cum subtilitas dissorendi tum veritas judi-
candi'' und damit aus dem skeptischen Theil der Academica priora
141 die Worte „praesertim cum judicia ista dialecticae nulla sint"
vergleicht.
^) So in dem Urtheil über die Dialektik. Dass aber irgend eine
Theorie der Dialektik auch Philon anerkannte, muss schon daraus
angenommen werden weil er bei der Kritik der Philosophien auf
deren Consequenz so viel Werth legte (vgl. noch Tusc. V 24. 26. 28.
31 f. 33) diess aber ein Punkt ist über den zu entscheiden der Dia-
lektik zufällt und über den die Entscheidung auch Cicero a. a. 0. ihr
übertragen hat. Man vergleiche auch was früher über die im skep-
tischen Theil der Academica an der Dialektik geübte Kritik bemerkt
worden ist, oben S. 303 flF. — Dogmatisch klingt es femer wenn 70
von der Naturphilosophie gesagt wird: rerum caussas vi-
det. So lange er sich dagegen darauf beschränkt von einer „inda-
gatio** oder „cogitatio^^ zu sprechen lässt sich was er über diese Dis-
ciplin sagt ganz wohl vereinigen mit dem was wir Acad. pr. 127 f.
lesen. Was die Bemerkung über die Gottverwandtschaft des mensch-
lichen Geistes (70) betrifft so vgl. S. 390 f.
476 I^c Tuscalanen.
bei der Eintheilung derselben sich an die im Alterthum Pia-
ton zugeschriebene Dreitheilung in Physik Ethik und Dia-
lektik hielt ist eine kaum zu umgehende Annahme.^) In-
dessen mag es sich hiermit verhalten wie es wolle so wird
dieser gegen Philon sprechende Einwand zum Schweigen ge-
bracht durch die stärkeren Argumente welche noch ausser
den vorgebrachten zu seinen Gunsten in die Waagschale fallen.
Denn die Uebereinstimmung der Tusculanen mit der skep-
tischen Darstellung der Academica auf die wir uns schon
für die früheren Bücher beziehen konnten tritt doch in
diesem noch mehr hervor: denn es ist nicht bloss im All-
gemeinen das den Stoikern um ihrer Consoquenz Willen er-
theilte Lob worin dieselbe zur Erscheinung kommt sondern
auch die Identität der Lehre auf die sich jenes Lob zu-
nächst bezieht sowie der Umstand dass dem Lob an beiden
Stellen der gleiche Tadel gegen Antiochos gegenübersteht*)
Bestätigend und ergänzend kommt liierzu die Kritik welche
') Bemerken 8 werth ist auch dass die Reihenfolge in der die
Disciplinen in den Tusculanen vorgeführt werden dieselbe ist in der
sie auch in den Acad. pr. 116 fif. zur Erörterung kommen, nach der
Physik die Ethik und zuletzt die Dialektik.
^) Die ,,constantia*' Zenons wird bes. 32 f. erwähnt; die Lehre
des Antiochos wird 22 f. kritisirt. Was an letzterer Stelle über An-
tiochos* Lehre bemerkt wird „non constantissime dici mihi videntur*^
entspricht genau dem Urtheil das Acad. pr. 134 über sie geMt
wird: et hie (Antiochos) metuo ne vix sibi constet qui cum dicat
esse quaedam et corporis et fortunae mala, tamen eum qui in his
Omnibus sit beatum fore censeat si sapiens sit. Nun wird allerdings
in dem was diesen Worten in den Academica vorausgeht auf die
schwache Seite auch der stoischen Ansicht hingewiesen: deus ille
(Zenon) qui nihil censuit deesse virtuti, homuncio hie (Antiochos"! qni
multa putat praeter virtutem homini partim cara esse partim etiam
necessaria. sed ille vereor ne virtuti plus tribaat quam na-
tura patiatur, praesertim Theophrasto multa diserte co-
pioseque contra dicente. Ein solcher Tadel wird unmittelbar in
Das fünfte Buch. 477
Cicero im letzten Buche de finibus am Vortrage Pisos d. i.
an der Lehre des Antiochos übt: denn dass wir diese Kritik
nicht als eine anzusehen haben behufs deren Cicero sich
willkürlich auf den stoischen Standpunkt gesteUt hat son-
dern dass er dabei auf akademischem und bestimmter philo-
nischem Grunde steht, dass also diese Kritik auch zur Kennt-
niss der philonischen Ansichten benutzt werden darf, lehrt
deuthch was er dort 76 zur Erkenntnisstheorie bemerkt „non
est ita, Piso, magna dissensio: nihil est enim aliud quam ob
rem mihi percipi nihil posse videatur nisi quod percipiendi
Yis ita definitur a Stoicis ut negent quicquam posse percipi
nisi tale verum quäle fialsum esse non possit. itaque haec
cum illis est dissensio, cum Peripateticis nulla sane/'^) Be-
den angeführten Stellen der Tusculanen nicht ausgesprochen, leicht
aber kann man ihn mittelbar angedeutet finden da doch nur die
Consequenz der zenonischen Theorie und keineswegs die vollkommene
Sicherheit der Prämisse auf der sie ruht behauptet wird, diese Prä-
misse aber eben der in den Academica angefochtene Satz ist dass
der Mensch die sogenannten äusseren und leiblichen Güter zu seiner
Glückseligkeit nicht nöthig habe. Noch näher kommt dagegen Cicero
dem in den Academica gegen die stoische Lehre erhobenen Beden-
ken im Proömium des fünften Buches 2 ff. wenn er nach Erwähnung
der Ansicht dass die Tugend zur Glückseligkeit genüge fortfährt:
Equidem eos casus, in quibus me fortuna vehementer exercuit, me-
cum ipse considerans huic incipio sententiae diffidere interdum et
humani generis imbecillitatem fragilitatemque extimescere. Yereor
enim ne natura, cum corpora nobis infirma dedisset eisque et morbos
insanabiles et dolores intolerabiles adjunxisset, animos quoque dcderit
et corporum doloribus congruentes et separatim suis angoribus et
molestiis implicatos. Von solchen Worten eines ciccronischen Pro-
ömiums bei der Quellenforschung über die nachfolgende Darstellung
auszugehen würde freilich verkehrt sein (vgl. S. 469), erlaubt aber
ist es sie zur Bestätigung schon anderweit wahrscheinlicher Resul-
tate zu benutzen.
') Man vgl. hierzu aus den früheren Untersuchungen S. 196 ff.
und S. 288 f.
478 Die TuBculanen.
stätigend ist diese Kritik nun insofern als sie dieselben
Punkte wie die Academica berührt, die dann auch in den
Tusculanen wiederkehren: denn ebenso wie wir es dort schon
gefunden haben wird auch hier hinsichtlich der Auffassung
des höchsten Gutes den Stoikern die Consequenz nachge-
rühmt, ^) das Gegentheil davon an Antiochos getadelt^
Femer aber liefert diese EjHitik auch eine Ergänzung, weil
sie Punkte zur Sprache bringt die in den Academica über-
gangen sind in den Tusculanen dagegen sich finden. Hierzu
rechne ich das ürtheil über Theophrast der in den Acade-
mica nur beiläufig erwähnt wird an dessen Theorie aber
Cicero in der Schrift de finiljus die Folgerichtigkeit ebenso
anerkennt^) wie in den Tusculanen während er doch an
^) Cicero sagt de fin. V 79: „respondebo me non quaerere'S in-
quam, „hoc tempore quid virtus efficere possit sed quid constanter di-
catar, quid ipsum a se dissentiat'S „Quo" inquit (Piso) „modo**. „Qnia
cum a Zenone" inquam „hoc maguifice tamquam ex oraculo editor:
, virtus ad beate vivendum se ipsa contenta est*, qua re? iuquit, re-
spondet: ,quia nisi quod honestum est nullum est aliud bonum*. non
quaero jam yerumne sit: illud dlco ea quae dicat praeclare inter
se cohaerere.** Die Uebereinstimmung dieser Worte mit Tusc. Y 33
(8. 472, 1) wird noch auffallender wenn man auch das Vorhergehende
Tusc. 32 so wie die Bemerkung über Epikur 31 mit de fin. 78 und 80
vergleicht. — Von der Consequenz der stoischen Lehre und dass ihr
dieselbe zugestanden werden müsse auch wenn man an ihrer Wahr-
heit Zweifel habe ist ausserdem noch 83 f. mehrfach die Rede.
*) Vgl. 77. 80 f. 84. 85 an welcher letzteren Stelle Cicero sagt:
si ad prudentis (sc. me vocas), alterum fortasse dubitabunt sitne tan-
tum in virtute ut ea praediti vel in Phalaridis tauro beati sint, al-
terum non dubitabunt quin et Stoici convenientia sibi dicant et tos
repugnantia.
*) 77: quod nisi ita efficitur (sc. sapientis omnis semper esse
beatos), quae Theophrastns de fortuna de dolore de cruciatu corporis
dixit cum quibus conjungi vitam beatam nullo modo posse putant
vereor ne vera sint. nam illud vehementer repugnat eundem beatam
esse et multis malis oppressum. haec quo modo conveniant non sane
Endergebniss. 479
beiden Stellen sie für die Praxis unbrauchbar findet ^) Aus-
serdem wird in den Tusculanen hervorgehoben und gegen
Antiochos geltend gemacht dass die Glückseligkeit einer wei-
teren Steigerung nicht fähig und daher die Unterscheidung
die dieser Philosoph zwischen einem glücklichen und dem
glücklichsten Leben (beata und beatissima vita) machte nicht
zulässig sei') Diesen selben Gedanken der in den Acade-
mica fehlt treffen wir aber auch in der Schrift de finibus
wieder. *)
Diess sind die Gründe die mich bestimmen das Wesent>-
liehe auch im Inhalt des fünften Buches aus einer Schrift
Philons abzuleiten.
6. Endergebniss.
Die Untersuchungen über die verschiedenen Bücher der
Tusculanen sind, in der Hauptsache unabhängig von einan-
der, in dem einen Ergebniss zusammengetroffen dass eine
Schrift Philons die Quelle sein müsse. Welches diese Schrift
intellego. Hiermit vgl. man Tusc. 24 f. Ebenso wie an dieser letz-
teren Stelle wird aucb de fin. 85 eine Aeusserung welche Theophrast
in der Schrift „Vom glückseligen Leben'* gethan hatte gegen die
Angriffe anderer Philosophen verth eidigt.
^) In der Schrift de finibus geschieht diess zwar nicht direkt,
kann aber daraas entnommen werden dass Cicero nach einer durch
seine Aeusserungen über Theophrast hervorgerufenen Bemerkung
Pisos sagt (77): ego voro volo in virtute vim esse quam maximam.
*) Gegen Antiochos wird 23 eingewandt: nam et qui beatus est
non intellego quid requirat nt sit beatior (si est enim quod desit ne
beatos quidem est) . Aehnlich 50.
*) 81 : scio ab Antiocho nostro dici sie solere (sc. sapientem esse
ad beatissime Tivendum parum esse, ad beate satis); sed quid minus
probandum quam esse aliquem beatum nee satis beatum? quod au*
tem satis est eo quicquid accesserit nimium est; et nemo nimium
beatus est; ergo nemo bcato beatior Vgl. dazu 83 und 84.
480 Die ToBcuhuien.
sei und ob es überhaupt eine einzige, ist damit fireilich noch
nicht beantwortet. Dass indessen die zweite Frage zu be-
jahen sei wii'd theils dadurch wahrscheinlich dass die einzel-
nen Bücher nicht bloss im Inhalt sondern auch in der Me-
thode so viel Gemeinschaftliches zeigen ab nur yersdiiede-
nen Theilen eines und desselben Werkes zuzukommen pflegt
theils dadurch dass Cicero selbst auf einen solchen Zusam-
menhang hinzudeuten scheint wenn er neben der Befreiung
von der Gewalt der Leidenschaften, also dem was den In-
halt der vier ersten Bücher bildet, die Erkenntniss des höch-
sten Gutes d. i. was den Inhalt des fünften Buches aus-
macht als die Hauptaufgabe der Philosophie bezeichnet')
^) Gegen den Schlass des vierten Baches sagt er die bisherigen
ErörteruDgen zusammenfasseud 82: sed cognita jam caussa pertorba*
tionam, qnae omnes oriuntor ex judiciis opinionum et Yolantatibas,
sit jam higus disputationis modus. Scire autem nos oportet, cogni-
tis quoad posaunt ab homine cognosci bonorum et malorum fini-
bus nihU a philosophia posse aut majus ant utilius optari quam haec
quae a nobis hoc quatriduo disputata sunt. Auf die hervorgehobenen
Worte kommt es an. Diesen legen die neueren firklärcr die Beden-
tung unter dass sie auf Ciceros vor den Tusculanen herausgegebene
Schrift über diesen Gegenstand hinweisen sollen. Aber davon dass
er über diesen Gegenstand geschrieben sagt Cicero hier kein Wort,
obgleich er doch sonst wenn er auf seine Leistungen zu sprechen
kommt die Worte nicht zu sparen pflegt und sich keineswegs mit
blossen Anspielungen begnügt. Statt dessen wird hier nur im Allge-
meinen der Wichtigkeit gedacht die dieser Gegenstand für den Men-
schen besitzt, nicht aber der besonderen Beziehungen die ihn mit
Ciceros Persönlichkeit verknüpfen und des Verdienstes das dieser
durch die Erörterung desselben in lateinischer Sprache sich um das
Seelenheil seiner Landsleute erworben hatte. Viel natürlicher ist es
daher die Hervorhebung der Wichtigkeit dieses Gegenstandes als
eine vorl&ufige Rechtfertigung anzusehen weshalb demselben das fol-
gende Buch gewidmet ist. Die absoluten Ablative (cognitis — finibos)
brauchen uns an dieser Auffassung nicht zu hindern: denn es ist
nicht nöthig dieselben zu erklären durch „nachdem erkannt sind*',
Endergebniss. 481
und ein andermal den Satz dass die Tugend zur Glückselig-
keit genüge als die reife Frucht behandelt die schon aus den
vorangehenden Erörterungen uns von selber zufallen sollte. *)
Freilich die in den Academica priora benutzte Schrift kann
88 nicht gewesen sein da dieselbe mehr theoretischer Natur
war und ausserdem eine polemische Absicht gegen den Dog-
matismus, insbesondere in der Gestalt die ihm Antiochos
g^eliten, verfolgte, während umgekehrt gerade aus der prak-
tisch-ethischen Tendenz des den Tusculanen zu Grunde lie-
genden Originals sich vielleicht der etwas stärkere dogma-
tische Ton erklärt den man in dieser Schrift verglichen mit
ien Academica bemerken kann. Es bleibt sonach bei der
Dürftigkeit imsorer Ueberlieferung über Philon nur noch
ein Werk dieses Philosophen übrig mit dem wir den Ver-
such machen könnten, das ist der bei Stobaios ecl. eth. 40 flf.
Bxcerpirte Xoyog xara q)iXoOoq)lav, und dieser nimmt schon
iarum für sich ein weil er ebenso wie die Tusculanen nur
äie Sittlichkeit und die hierauf gebaute Glückseligkeit des
Menschen im Auge hat. Wichtiger aber als diese Ueberein-
stimmung in der allgemeinen Tendenz ist diejenige welche
in Bezug auf den Inhalt beider im Einzelnen uns entgegen-
tritt Wie ein Buch der Tusculanen sich mit der Frage
rielmehr können sie auch hedeaten ,,wenn erkannt sind"; dann aber
sprechen sie nur aus dass wenn die in der Erkcnntniss des höchsten
Grutes bestehende Aufgabe der Philosophie erfüllt sei die andere noch
Ibrig bleibende die wichtigste sei, keineswegs aber dass jene Auf-
^be schon wirklich erfüllt sei.
*) V 15: M. Sed quaero utrum aliquid actum snpcrioribus dio-
iins an nihil arbitremur? A. Actum vero et aliqnantum quidem.
M. Atquif si ita est, profligata jam haec et paene ad exitum adducta
quaestio est. A. Quo tandem modo? Die Antwort auf diese Frage
ist die nähere Ausführung in wie fem die für das fünfte Buch vor-
genommene Erörterung eigentlich durch diejenigen der früheren
Bücher schon erledigt sei.
Biriol, üntersachnngen. III. 31
482 I)ie Tusculanen.
nach dem höchsten Gut beschäftigt, so war der Erörterang
desselben Problems auch in Philons Schrift ein besonderer
Abschnitt gewidmet;*) und zwar war dieser Abschnitt der
letzte des allgemeinen Theils während die folgenden es mit
den speziellen Lebensregeln zu thun hatten,*) woran erin-
nern könnte dass bei Cicero jene Erörterung am Schluss des
ganzen Werkes steht. Nun beschäftigen sich aber die Tüs-
culanen ihrem grössten Theile nach mit den menschlichen
Leidenschaften, während doch ein Abschnitt, wenigstens dieses
Titels (jtsQi jtad^mtf)y sich in der Inhaltsangabe des Stobaios
nicht findet. Hier kommt uns indessen eine andere Beobach-
tung zu Hilfe, dass nämlich sämmtliche vier auf die Befrei-
ung von den Leidenschaften gerichtete Bücher der Tuscu-
lanen ebenso sehr auf die Beseitigung gewisser falscher
Meinungen ausgehen in denen nach der in dieser ciceroni-
schen Schrift durchweg festgehaltenen Auffassung alle Lei-
denschaften wurzeln, und die Beseitigung falscher Meinungen
bildete den Inhalt eines besonderen Abschnittes auch der
philonischen Schrift.') Ehe wir aber die Inhaltsgleichheit
dieses Absclinittes mit den vier Büchern der Tusculanen
proclamiren, müssen wir uns noch die Frage vorlegen was
*) Der dritte, wie Stob. 42 bemerkt wird, xal yccQ ty iatgixi,
heisst es dann weiter, anovS^ näoa neql xo xikoq, xovxo 6* ^v vyifi^
xal xy <pikoao(plff negl xifv evSaifioviav.
*) Stob. 44 nach den in der letzten Anmerkung citirten Worten:
avvdnxsxai Sh xtp negl xeXäiv Xoyo} koyog negl ßitoy, inl y&Q «
xfiq laxQiXTJq ovx aQxsl xr^v vyletccv ifoioiijaai, XQ^^^ ^^ ^^ ^^^ naifa-
axsTv Tiagayy ix flava tisqI x^g vyislag, oig nQoaixorxeg xov vcvv xp
eve^lav xov acafiaxog öia(pvXa^ovai, xal rf// xdnl xov ßlov ^fttt^ftii-
x(üv xivwv iaxi XQ^^^ 6i^ wv rj ^vXaxtj ysv^aexat xov xiXovg.
') Von den beiden Abschnitten des zweiten Haupttheils oder
der Therapeutik {xa O^eganevxixd) wird nämlich der erste bezeichnet
(42) als xö vnsQ^aiQexixov xwv tpBvddiv yfysvtf/jiivwv do^civ 6i^ a;
xä XQixijgia voaonoitixai xrjg tf^i-x^g.
Eodergebniss. 483
denn unter jenen falschen Meinungen bei .Philon zu ver-
stehen sei: denn an sich könnte man darunter auch an die
abweichenden Meinungen anderer Philosophen denken deren
Widerlegung Philon für erforderlich gehalten hätte, und in
diesem Falle würde gerade das charakteristische Kennzeichen
fehlen das uns ein Recht gab jene Identification vorzuneh-
men. Nun lehrt eine nur etwas geschärfte Betrachtung ein-
mal dass von Meinungen in dem eben bezeichneten Sinne
Philon nicht spreche da eine Beseitigung solcher nicht auf
den fraglichen Theil seiner Schrift beschränkt sein konnte
sondern ebenso gut in den übrigen wie namentlich in dem
über das so viel umstrittene höchste Gut (jcsqI tiXovg) wie-
derkehren musste, sodann aber dass doch irgendwo eine die
Ethik nach allen Richtungen behandelnde Schrift wie die-
jenige Philons war auch auf das Capitel von den Leiden-
schaften eingehen musste und dass dann hierfür nur der
therapeutische Theil den geeigneten Platz bot da dieser
Name auch sonst dazu diente um Schriften zu bezeichnen
deren Gegenstand die Heilung der Leidenschaften war (Galen
de plac. Hipp, et Plat. p. 493 K); da aber eben dieser Theil
sich mit der Beseitigung falscher Meinungen beschäftigte, so
lässt sich diese Thatsache mit jener Forderung nur durch
die Annahme in Einklang bringen dass Philon in falschen
Meinungen den Ui*sprung aller Leidenschaften sah und ihm
deshalb die Beseitigung von jenen mit der Heilung von diesen
zusammenfiel.^) Je charakteristischer aber gerade die Auf-
fassung der Leidenschaften für die Tusculanen ist,*) desto
') Was sich hieraus von selbst ergibt dass Philon als Gegen-
stand jener Meinungen das Gute und Uebele ansah gerade wie Cicero
in den Tusculanen, das wird überdiess noch durch Stobaios bestätigt,
der (42) den gesammten therapeutischen Theil, also auch den Ab-
schnitt von den falschen Meinungen, zusammenfasst unter dem Titel
b tcbqI dya^div xal xaxwv ronog.
*) Wird sie doch nicht bloss in den frAheren Büchern fest-
31*
484 I)ie Tusculanen.
mehr gibt uns die hierin mit ihnen statt habende Ueberein-
stimmnng der philonischen Schrift eine Gewähr dafür dass
wir Recht haben diese für die Hauptquelle des ciceronischen
Werkes zu erklären.
Von dem so gewonnenen festen Punkte aus erübrigt es
nun durch Streifzüge in das bereits eroberte Land dessen
Besitz noch mehi' zu sichern. Zunächst mag noch ein Rück-
blick auf die eben constatirte Ucbereinstinmiung geworfen
werden, da vor einem solchen dieselbe sich noch weiter aus-
dehnt, nämlich über den Inhalt und die Verbindung beider
Theile in einem und demselben Werke auch auf die Ord-
nung derselben: demi wie in den Tusculanen den Büchern
von den Leidenschaften dasjenige folgt welches die Selbst-
genügsamkeit der Tugend erörtert so geht auch bei Philon
der therapeutische Abschnitt dem über das höchste Gut vor-
aus. Freilich scheint diese neue Bestätigung des gefunde-
nen Resultates durch einen neuen Einwand wieder wett ge-
macht zu werden, da in den Tusculanen der Abschnitt vom
höchsten Gut sich unmittelbar an den von den Leidenschaf-
ten anschliesst, bei Philon dagegen zwischen beide sich noch
derjenige einschiebt der nach Ausrottung der falschen die
richtigen Meinungen in die Seele pflanzt (42 ro t(5p ir/tm;
ixovo(ov 6o§(öv Ivd^txixor), Indessen lässt sich diesem Ein-
wand leicht durch die Vormuthung begegnen dass Cicero
als er Philons Schrift für die Tusculanen benutzte es vor-
ziehen mochte den zwischen den beiden Capiteln von deu
Leidenschaften und dem höchsten Gut in der Mitte liegen-
den Abschnitt zu überspringen, und wir werden ein solches
gehalten sondorn taucht selbst noch im fünften gelegentlich auf wie
43: Atque cum perturbationes animi miseriam, sedationes autem fi-
tarn efficiant beatam duplcxque ratio perturbationis ait quod aegd-
tudo et metus in malis opinatis, in bonorum autem errore laetltia
gesticns libidoque versetur etc.
EodergebnisB. 485
Verfahren um so wahi-scheinlicher finden je sicherer wir
noch im Stande sind das Interesse nachzuweisen das ihn
dabei leiten mochte. Denn wenn man bedenkt dass doch
bei Erörterung der falschen die Leidenschaften erregenden
Meinungen über das Gute und Uebele öfter auch auf die
richtigen Rücksicht genommen wird^) und weiter dass die
Glückseligkeit als die Summe aller Güter erseheint,*) so be-
greift man dass durch die beiden Theilo seines Werkes
Cicero auch den dritten den er noch in seiner griechischen
Quelle fand^) für erledigt halten konnte. — Was aber den
negativen Abschnitt des therapeutischen Theils, die Besei-
tigung der falschen Meinungen betrifft, so hat Cicero in ihm
sich auch darin an Philon angeschlossen dass er die aus
jenen entspringenden Leidenschaften als Krankheiten der
^) Vgl. solche Stellen wie III 80: cui (sc. sapienti) aut malum
yideri nullam potest quod vacet turpitudine aut ita parvum malum
at id obmatur sapientia vixqae adpareat. 77 f lY 62. 66 n. ö.
«) V 29.
*) Dass diess der Fall war, davon gibt er uns vielleicht noch
y 19 eine Andeutung, wenn er bemerkt dass die Fragen nach dem
„honestum" und dem „summum bonum*^ eigentlich zusammenfallen,
nichtsdestoweniger aber von den griechischen Philosophen getrennt
behandelt werden. — Obgleich Cicero hier das honestum und sum-
mnm bonum begrifflich auseinander hält so wirft er doch anderwärts
beide zusammen (Y 67: hac [sc. virtute] beatam vitara contineri ne-
cesse est), was da sie in der Wirklichkeit unzertrennlich sind ganz
verzeihlich ist. Ich hebe diess deshalb hervor weil in ähnlicher
Weise Cicero die Tugend zwar öfter als das höchste, ja einzige Gut
behandelt, dann aber doch wieder sie von den eigentlichen Gütern
des Geistes (worunter die einzelnen Aeusserungen der Tugend, die
pulchra honesta praeclara a. a. 0 , und die sie begleitenden Stim-
mungen, gaudia, zu verstehen sind) als deren Quell und Ursprung
unterscheidet; aus letzterem aber sich ergibt dass die begriffliche
Scheidung der Tugend von den Gütern die wir früher bei Philon
fanden (vgl. S. 247, 1) auch ihm nicht fremd ist.
486 Die Tusciilanen.
0
Seele behandelt — eine Uebereinstimmuug die besonders
auffallend hervortritt wenn man bei Stob. 42 liest xm
tpevöwg yeyBvrinivmv öo§ßv öt^ ag xa XQCTfJQia voöo-
noulxai xf/g tpv^^/^^ ^^d damit vergleicht Tusc lU 1 „ita
fit (nämlich wenn der Mensch von Leidenschaften befangen
ist) ut animus de so ipse tum judicet cum id ipsum quo
judicatur (d. i. das xqcxtjqiov) aegrotet^^; denn da falsche
Meinungen und Leidenschaften hier dasselbe bedeuten, so
wird beidemal die Krankheit des urtheilenden Vermögens
aus der gleichen Ursache abgeleitet. Hiermit nicht zufrie-
den hatte Philon die Vergleichung des Körpers und des
Geistes auch auf die gesunden Zustände beider ausgedehnt^)
und damit einen Punkt berührt, über den wie wir sahen
(S. 463 ff.) nicht alle Philosophen einverstanden waren, hin-
sichtlich dessen aber der Verfasser der Tusculanen abermals
denselben Standpunkt einnimmt wie Philon. Nur ein wei-
terer Schritt in dieser Richtung war es sodann wemi auch
die einzehien Aufgaben und Geschäfte der Philosophie inso-
fern dieselbe die geistige Gesundheit des Menschen herstellen
wollte zu denen der Heilkunst in genaue Parallele gesetzt
wurden. Eine solche hat Philon gegeben und darauf sogar
die Disposition seiner ganzen Schrift gebaut; dieselbe tritt
uns aber auch bei Cicero so oft entgegen^) dass wir kaoio
*) Stob. 42 f. (S 482, 1 und 2).
^) II 11: nam efficit hoc philosopbia: medetur animis. 43. 45.
III Iff.: quidnam esse, Brüte, caussae putem cur, cum constemus ex
animo et corpore, corporis curandi tuendique caussa quaesita sit
ars , animi autem medicina nee tarn desiderata sit ? An
quod corporis gravitatem et dolorem animo judicamos, animi morbnm
corpore non sentimus? Ita fit ut animus de so ipse tum judicet com
id ipsum quo judicatur aegrotet Quid? qui peconite
cupiditate, qui voluptatum libidine feruntur quorumque ita pertorban-
tur animi ut non multum absint ab insauia quod insipientibus c<m-
tingit Omnibus, eis nuUane est adhibenda curatio? utrum quod miinis
Endergebniss. 4S7
anders können als die Anregung dazu dem griechischen
Original zuzuschreiben, ja zum Theil lässt uns der Grad der
üebereinstimmung ohne Weiteres auf Entlehnung von Philon
schliessen. ^)
Die letzte Bestätigung einer Hypothese ist die, dass sie
ausser der Frage um deretwillen man sie aufgestellt hat
auch solche beantwortet die nicht eigentlich an sie gerichtet
waren. Und auch der Vermuthiuig die in Philons genannter
Schrift die Quelle der Tusculanen sieht fehlt jene nicht.
Auffallend musste es nämlich schon immer sein dass Cicero,
der doch bei der Eile mit der er bestrebt war seinen Rö-
mern ein lesbares Compendium der Philosophie herzustellen
keinen Anlass hatte dieselbe Materie öfter zu behandeln,
trotzdem er in dem ersten Buch der Tusculanen einen schon
noceant animi aegrotationes quam corporis? etc. etc. Est profecto
animi medlcina, philosophia etc. 23: ut medici caussa morbi in-
venta carationem esse inventam putant sie nos caussa aegritudinis
reperta medendi facultatem reperiemus. 40. 81 (remedia). 82: nt me-
dici toto corpore curando minimae etiam parti si condoluit medentur,
sie philosophia etc. IV 9. 58. Ob auch andere Philosophen die Yer-
gleichung der Philosophie mit der Heilkunst so bis ins Einzelne
durchführten wie diess an den angeführten Stellen geschieht und
dass speciell Chrysipp diess gethan habe wie Heine Einl. zu den
Tose. S. XXI meint, ergibt sich aus Galen de plac. Hipp, et Fiat,
p. 437 E noch nicht. Dass Philon dagegen es gethan hatte, sehen
wir aus Stobaios.
^) Denn wenn III 84 als Vorbedingung damit die Philosophie
an uns ihre Wirkung thun könne erfordert wird dass wir ihre Hei-
lung nicht zurückweisen sondern annehmen (sed tarnen id se effectu-
ram philosophia profitetur; nos modo curationem ejus recipia-
mus) so erinnert diess doch daran dass auch bei Stobaios als erste
Aufgabe des Arztes und analog dazu auch des Philosophen bezeich-
net wird den Kranken zu überreden dass er die Kur Ober sich er-
gehen lasse inetoai xhv xdfivovra naQaö^^aa^ai trjv B^sga-
nelav).
488 ^^6 Toscalanen.
iu der Consolatio traktirten Stoff und ebenso im fünften das
bereits in der Schrift de finibus erschöpfte Thema wieder
vorgenommen hat; denn wenn man auch jenes dadurch recht-
fertigen mochte dass die Trostschrift noch nicht eigentUch
zur Reihe der Schriften gehörte die bestimmt waren die
Römer in die Philosophie einzuführen so blieb doch das
zweite Bedenken in seiner vollen Kraft bestehen. Jetzt aber
hat auch dieses, und auch das erste wie ich denke auf be-
friedigende Weise, seine Lösung dadurch gefunden dass
Cicero nachdem er einmal um das Capitel von den Leiden-
schaften zu erledigen die Schrift Philons zur Hand genom-
men hatte in der Benutzung derselben weiter gefuhrt wurde
als seinem ursprünglichen Plane entsprach und daher nicht
bloss die tröstenden Betrachtungen über den Tod sondern
auch die Erörterungen über das höchste Gut seinen römi-
schen Lesern noch einmal zumüthete. Er selber mochte
hierbei um so weniger etwas Arges finden als er in den
beiden früheren Werken einen wesentlich anderen Standpunkt
eingenommen hatte, wie wir wenigstens noch an der Schrift
de finibus beobachten können in der neben Epikureern Stoi-
kern und Antiochos Philon kaum, nämlich nur in der im
fünften Buche an Pisos Vortrage geübten Kritik, also in ver-
schwindendem Maasse zu Worte kommt. — Ausser dieser
gibt uns aber die neue Hypothese noch eine andere von ihr
nicht verlangte Aufklärung. Wie kommt es — hätte mau
sich wenigstens von jeher fragen sollen — dass Cicero der
doch in der Periode da er den Cyclus seiner philosophischen
Schriften vcrfasste ein erklärter Anhänger Philons war^)
') Ueber diesen Punkt mag hier noch eine kurze Bemerkung
stehen. Cicero ist nicht immer ein Anhänger Philons gewesen. Nach-
dem er in früher Jugend dessen Unterricht genossen, hat er während
seines ersten athenischen Aufenthalts (79) unter Antiochos' Leitung
das Studium der Philosophie wieder aufgenommen. So Erzählt er
EndergebnisB. 489
.rotzdem zwar zahlreiche Schriften anderer Philosophen aber
ceine einzige seines Lehrers oder doch — wenn wir das
Resultat unserer eigenen Untersuchungen anticipiren wollen
— nur für den skeptischen Theil der Academica eine er-
lelbst im Brutus 315 und Plutarchs Behauptung (Cic. 4) er habe
üch damals nur mit Rhetorik abgegeben kann hiergegen nicht in
Betracht kommen. Von dieser Zeit an scheint er Antiochos treu
geblieben zu sein bis er sich anschickte die Früchte seiner philoso-
phischen Bestrebungen in einer grösseren Reihe von Schriften seinen
Landsleuten vorzusetzen. Damals kehrte er zu Philons Standpunkt
enrück. In der Verwunderung die er selbst hierüber den Varro
lossem l&sst (Acad. post. 13 sed de te ipso quid est quod audio?
relictam a te voterem Academiam — tractari autem novam)
ist deutlich bezeugt dass er zu Beginn seiner philosophischen Schrift-
Btellerei bei seinen Bekannten als Antiocheer galt. Dass diese An-
sicht für die vorangehenden Jahre vollkommen berechtigt war, er-
sehen wir noch aus seinen Briefen, wenn er an Atticus (V 10) im
Jahre 51 schreibt dass er damals in Athen philosophischen Verkehr
mit Aristos dem Bruder des Antiochos unterhalten habe und in einem
Schreiben an Gato vom folgenden Jahre (ad fam XV 4, 16) sich zur
„philosophia vera et antiqua^* bekennt unter welcher kaum an eine
andere als die des Antiochos gedacht werden kann. Doch muss schon
damals ein gewisses Schwanken in ihm gewesen sein, worauf eine
Spur in der Schrift von den Gesetzen leitet. Dort gesteht er näm-
lich (I 39) zwar die Lehren der neuen Akademie nicht berücksich-
tigen zu wollen, da er fürchtet ihre Skepsis könne das kunstreiche
Geb&ude seiner Gesetzgebung zerstören, ist also noch keineswegs ein
Anhänger derselben, auf der anderen Seite lässt er ihr aber doch
zum Schluss durch die Worte „quam quidem ego placare cupio, sub-
movere non audeo^^ eine halb widerwillige Anerkennung zu Theil
werden: so dass sich in dieser, aller Wahrscheinlichkeit nach dem
Jahre 52 oder 51 angehörenden, Aeusserung schon die spätere Be-
kehrung zur akademischen Skepsis ankündigt. Dass er diese Skepsis
wesentlich nach dem Vorgange Philons betrieb, ist schon bemerkt
worden und bekannt; doch hat uns eine frühere Betrachtung (vgl.
S. 289. 339. 341) gelehrt dass er auch damals keineswegs gewillt war
seinem Lehrer durch Dick und Dünn zu folgen.
490 I^ie Tasculanen.
kenntnisstheoretische benutzt hat? Wie kommt es dass er
gerade diejenige ignorirt hat die ihm ihrer ganzen Tendenz
nach am nächsten lag da sie ähnlich wie er es mit den Rö-
mern vorhatte die Philosophie nicht bloss darstellen sondern
zugleich zu ihr anleiten und für sie gewinnen wollte? Zu-
mal da diese Schrift wenn diess daraus dass sie bei Stobaios
eines Excerpts gewürdigt wird geschlossen werden darf die
berühmteste des Philosophen war. Auch diese Frage hat
jetzt ihre Antwort gefunden oder richtiger sie ist gegen-
standslos geworden seit wir erkannt haben dass allerdmgs
wie man erwarten musste Cicero jene Schrift und zwar für
die Tusculanen benutzt hat Vollkommen freilich wird die
Erwartung dass jene Schrift Philons einen weitgreifenden
Einfluss auf Ciceros philosophische Schriflstellerei geübt habe
erst dann befriedigt wenn wir bedenken einmal dass Cicero
mit den Tusculanen den Hortensius in Verbindung setzt und
ein Protreptikos wie ihn dieser vorstellte auch in den Plan
des philonischen Werkes eingeschlossen war,^) sodann aber
dass auch der Schlusstheil von Pnilons Schrift der die spe-
ciellen Lebensregeln enthielt in den Büchern de ofüdis sein
') Auf einen Zusammenhang zwischen den Tusculanen und dem
Hortensius deuten ausser den protreptischen Einleitungen der ein-
zelnen Bücher die ausdrücklichen Erwähnungen der letzteren Sohriit
II 4 (nos autem universae philosophiae vituperatoribus respondimos
in Hortensie) und III 6 (Est profecto animi medicina, philosophii,
cujus auxilium non ut in corporis morbis petendum est foris; omni-
busque opibus viribus, ut nosmet ipsi nobis mederi possimus, elabo-
randum est. Quam quam de uni versa philosophia, quanto opere et
expetenda esset et colenda, satis ut arbitror dictum est in Hortensie).
Hierzu vgl. Stob. 40: ioixivai öi ^r^ai (sc. o ^IXwv) xov ipiloaofof
laxQw. xa&dnfQ ovv ^Qyov laxQOv tcqwxov filv nsToai rov xaftyovxü
nagaSi^aaO^ai trjv &€Qanelav, Ssvregov 6h tovg rtov dvxiavfißov-
ksvovTwv loyovg vipeXiaS^at, ovrcog xal rov <piXoa6fpov. xfttat
xoivvv kxdtEQOv Tovtwv iv x^ itQoaayoQBvofJihi^ nQoxQsnxtx^ ^^'f'
EndergebDiss. 491
GegenbiM hatte:') denn da wir so die früheste und die
späteste Schrift Ciceros an deu ersten und letzten Theil des
philonischen Werkes, die zeitlich zwischen beiden liegenden
TusGulanen aber an den mittleren geknüpft sehen, so drängt
sich von selber die Vermuthung auf dass Cicero mit der
Folge in der er diejenigen seiner philosophischen Schriften
in denen er selber in längerem Vortrage positive Ansichten
entwickelte — und diess gilt von den drei genannten, aber
z. B. nicht von de finibus — den Gang nachahmen wollte
den Philon in seiner Schrift eingehalten und für die sitt-
liche Wirkung der Philosophie als geeignetsten empfohlen
hatte.
Fällt hiernach durch die zwischen Philons Schrift und
den Tusculancn entdeckte Beziehung ein neues Licht auf
Cicero und seine Schriften, so kommt dieselbe in etwas doch
auch Philon und seiner Schrift zu Gute. Davon ist schon
öfter gelegentlich die Rede gewesen. Hier mag nur noch
darauf hingewiesen werden dass wir jetzt mit Hilfe der Tus-
culancn uns auch ein Bild der Methode machen können die
Philon in seiner Schrift befolgt hatte. Dass dieselbe näm-
lich in ähnlicher Weise wie die ciceronische in einzelne gegen
eine bestimmte Behauptung gehaltene Vorträge zerfiel und
dem entsprechend auch in Bücher eingetheilt war, dürfen
wir doch wohl schliessen aus Tusc. HI 81: Tractatum est
iazi yäg b nQoxQtntixbq o naQOQfivHv inl rr/v dgeii^v. xovxov 6* o
fihv ^vSeixvvtai xo fxeyaXwipsXhg avxijg o 6h xovg dvaaxevd^ovxag 1}
xaxTjyoQOvvxag ly ncog dXXcjg xaxotjS-i^ofiivov^ tjyv (piXoao-
iplav (philosophiae vituperatores) dnek^yx^^'
^) Dass Cicero in dieser Schrift aus stoischen Quellen geschöpft
hat kann gegen eine Annahme wie die im Text behauptete um so
weniger etwas beweisen als in der Beantwortung solcher Detailfragen
der praktischen Ethik zwischen einem platonisirenden Stoiker wie
bekanntlich Panaitios war und einem stoisirenden Platoniker als den
wir Philon erkannt haben schwerlich ein grosser Unterschied bestand.
492 Di© Tu8CQlanen. — Endergebniss.
autem a nobis id genns aegritudinis quod unum est omnium
maximum ut eo sublato reliquorum remedia ne magno opere
quaeronda arbitraremui\ Sunt enim certa quae de pauper-
tate, certa quae de vita inhonorata et ingloria dici solcant;
separatim certae scholae sunt de exsilio de interitu patriae
de Servitute de debilitate de caecitate de omni casu in quo
nomen poni solet calamitatis. Haec Graeci in singulas
scholas et in singulos libros dispertiunt; opus enim
quaerunt; quamquam plenae disputationcs delccta-
tionis sunt. Denn das Nächste scheint mir doch diese
Worte auf die Cicero eben vorliegende griechische Schrift zu
beziehen. Dann aber geben sie uns auch einen Aufschluss
über den Inhalt derselben, der hiernach worauf auch II 58
und 60 deuten könnte sehr tief ins Einzelne gegangen zu
sein scheint.
Excurs I
(zu S. 79, 2).
Diesen Philosophen mit Sicherheit zu bestimmen bin
ich nicht im Stande. Es eröfifnen sich hier zwei Wege, von
denen der eine zu Poseidonios der andere zu Antiochos
führt. Denn beide werden von Sextos als Gewährsmänner
genannt, und zwar Posidon noch in dem Abschnitt um den
es sich hier handelt und der die Geschichte der Erkennt-
nisstheorie bei den Naturphilosophen gibt (93), Antiochos
erst später (162 und 201), aber doch ebenfalls noch in der
historischen Darstellung. Die Erkenntnisstheorie beider ist
der Art dass sie ein Interesse haben konnten den Xoyoq als
Princip der Erkenntniss schon von den älteren Philosophen
anerkannt zu sehen (über Posidon vgl. Theil II S. 532. über
Antiochos vgl. Zeller 603, 6). Wären wir nun zu der An-
nahme genöthigt, dass die gesammte historische Darstellung
aus einer Quelle geflossen ist, dann könnten wir dieselbe
nur in einer Schrift des Antiochos suchen. Diese Schrift
würden die 201 genannten xavovcxa sein, von denen dort
das zweite Buch citirt wird. Wenn in einer solchen Schrift
auch die Ansichten der älteren Philosophen über das Kri-
terium besprochen wurden, so kann man diess nur sach-
gemäss finden. Ja was wir über die Weise des Antiochos
in wissenschaftlichen Untei*8uchungen zu verfaliren wissen,
dass er nämlich um seine Darstellung der Lehre vom höch-
sten Gut einzuleiten alle aufgestellten und aufstellbaren An-
494 Excars I.
sichten aufgeführt hatte (Cicero fin. V 16), macht es noch
besonders wahrscheinlich, dass gerade in einer von ihm ver-
fassten Schrift eine solche historische Darstellung nicht ge-
fehlt haben wird. Hiergegen streitet nicht der Umstand, dass
in dieser Darstellung Posidon citirt wird; denn nach dem
Altersverhältniss beider Männer ist es wohl möglich, dass
auch Antiochos auf ihn sich beziehen konnte. Dagegen kann
Poseidonios nicht als der Urheber der gesammten Darstellung
gel ton, da wir in diesem Falle von ihm auch die Polemik
gegen die Stoiker (227 ff.) ableiten müssten. Diess ist aber
aus einem einfachen Grunde unmöglich. Denn wenn auch
Poseidonios, zugegeben dass er den Xoyog als Kriterium auf-
gestellt hatte, von der Lehre anderer Stoiker abwidi und
daher gegen dieselbe streiten konnte, so konnte er doch
diese Polemik nicht gegen die Stoiker insgesammt richten,
da ja nach seiner eigenen bei Diogenes 54 (über die Zuver-
lässigkeit dieser Mittheilung des Diogenes s. Theil II S. llff.
194 f) vorliegenden Angabe ältere Stoiker ebenfalls den Xoyoc
als Kriterium anerkannt hatten. Nun polemisirt aber SextoB
gegen die Stoiker überhaupt und scheint von älteren, die
etwas anderes als die xaraXijJtrixfj fpavracla als Kriterium
aufgestellt hatten, nichts zu wissen (227: djtoXeutofiivfig d*
tri TTJg OxoDtxfjq öo^yjg jragaxeifiivcog xal jtSQl ravTf/g Xiytxh
fiBV, XQtrriQLOv xolvw gpaöh' dXTjd^tlag eivac ol avögeg ovvot
T71V xaraXfjjcrixfjv (pavxaclav, 253: dXXa yaQ ol fisv oq-
Xaioregoi t(5v orooixöv xqitijqiov q>aCtv elvai rf^g aJlij^ciac
T^p xavaXtjJtTix^v ravTrjt* q>avra6lav, ol de vbwtbqol xqüö-
etld-BOav xal ro fitiöhf s^ovcav evörr^fia). Er kann daher die
Grundlage dieser Polemik, die Kenntniss der stoischen Lehre,
nicht aus einer Schrift Posidons geschöpft haben. ^) Gegen Pu-
^) Ich muss daher meine Theil II S. 16 geäusserte, noch nicht
auf genauere Untersuchung gestützte Yermuthung zurücknehmen.
Excurs I. 495
sidoil spricht ausserdem, dass von seinen Schriften doch hier
nur die allein citirte Erklärung des platonischen Timaios (93)
in Betracht kommen kann. Denn wollen wir nicht annehmen
dass diese Erklärung alle ihr von der Sache gezogeneu Grenzen
überschritt, so ist nur glaublich dass sie aus Anlass der pla-
tonischen Erkenntnisstheorie die dieselbe vorbereitenden An-
sichten seiner Vorgänger besprach, nicht aber dass sie auch
die erst nach Plato hervorgetretenen Lohren berücksichtigte.
Es ist daher möglich, dass der ein selbständiges Ganze bil-
dende die Naturphilosophie behandelnde Abschnitt (89 — 141)
auf Posidon zurückgeht. Dafür dass das Folgende Antiochos
gehört, lassen sich noch positive Gründe beibringen, zuerst
der welcher in der Art besteht wie Antiochos citirt wird.
Diess geschieht zuerst in der Erläuterung von Kameades'
Theorie (162) und zwar bei einem Nebengedanken (od-sv
xal ipavraclav QTjriov elvai üiad-oq xt üibqI x6 ^(pov eav-
Tov re xal rov ar^gov jtaQaörarcxov. oloif jtQoößXitpavr^g
XLVc, q>rjOlv b ^vxloxog, öiarid^ifik&d Jtoog rrjv otpiv, xal ovx
ovTa}g avTfjP öiaxtifiivrjv loxofiev (Dg jtglv rov ßXiipai öia-
xei/iit^v dxo(ibv), Dass aber Jemand nur für diesen einen
Punkt eine Schrift des Antiochos zu Rathe gezogen haben
sollte ist kaum denkbar, sehr wahrscheinlich daher dass
die ganze Karneades betreffende Darstellung auf ihn zurück-
geht und dass Sextos selber sie aus einer seiner Schriften
genommen hat. Denn Poseidonios wenigstens kann sie nicht
vermittelt liaben, da ein Qelehrter wie dieser seine Kennt-
niss des Karneades sich mehr an der Quelle und nicht erst
bei seinem Zeitgenossen Antiochos geholt haben würde. Zu
demselben Ergebniss führt die Betrachtung der zweiten Stelle,
an der Antiochos citirt wird (201).^) Denn Poseidonios hatte
') 0-dx änoS^sv 6h xijq xoirwv (der Eyrenaikcr) cJofiy^ iolxaaiv
flvai xal Ol anoipaivofievoi xgittJQiov vnaQXftv tijq dXrjS^siag rag
496 £xcar8 I.
nicht erst nöthig, wenn er die Lehre seines Zeitgenossen
Asklepiades kennen lernen wollte, sich mit der Erklärung
dunkeler Worte des Antiochos abzumühen. Diese Stelle be-
weist aber ausserdem, dass Sextos von Antiochos nicht bloss
das betreffende Citat genommen hat Hiergegen spricht der
Charakter dieses Citates. Denn diese Worte, die an sich
dunkel sind und erst vermittelst einer anderwärts gewonne-
nen Kenntniss auf Asklepiades sich beziehen Hessen, können
doch unmöglich der Zweck gewesen sein um dessentwillen
Sextos oder wenn man will sein Gewährsmann die Eanonik
des Antiochos nachgeschlagen hatte. Für Sextos können
wir diess um so weniger annehmen, da er über Asklepiades
in seinen medizinischen Schriften ausfuhrlich gehandelt hatte ^)
und daher eine genauere Kenntniss von ihm besitzen musste
als sie die dunkeln Worte des Antiochos gewähren konnten.
Wenn er also dieselben trotzdem benutzt um mit ihrer Hilfe
die Ansicht des Asklepiades in seiner historischen Darstel-
lung einzuführen, so ist diess nur unter der Annahme er-
klärlich dass er von dem einmal gewählten Führer, dem er
bisher in seiner Darstellung gefolgt war, auch in diesem
Fall nicht lassen wollte. Der zweite für Antiochos als den
Urheber der historischen Darstellung sprechende Grund liegt
ala^asiq, ort yaQ iyirovro rivsg zb rotovro dSiovvrsg, itQOvvnw
nenolrjxev kvTloxog b dnb tijg Äxaörifilaq, iv öevrtQip rwv xarovi-
xaiv ^T^twg YQaxpag ravxa „allog Se tig, iv iaxQixy fikv odösvbq Sfv-
rsQoq, amofjLSvoq 6b xal (ptkoaoiplag , ineiS^eto tag fikv ala^tjofi;
ovxtog xal dlTjB^wg dvtiki^ipeig shai, Xoyif) 6h fxrföhv ok(og ^fjiäg xara-
XafißdvBtv^^. 601X8 yaQ Sia xovxwv b lAvrloxog t?/v nQoet^fitvtjr
xMvai axdaiv xal kaxXr^nidÖTfv xbv laxQbv aivlxxsa^i, dvaiQavvTit
/nhv xb fjyefiovixov, xaxa 6h xbv avxbv ;f()ovov ai^X(p yevo/ifvov,
*) Wie er selber im Anscbluss an die in der vorigen ADme^
kung angeführten Worte sagt: dkXa Tie^l fdv xtjg rovxov ipoQag Ttoi-
xiXwxBQOv xal xax* I6iav iv xoTg laxQixoTg tTtofivtjfÄaat SiB^yX^fav,
waxB (jui ^x^*^ dvdyxTiv nakivw6Biv.
Excurs I. 497
darin, dass dessen eigenthümliche Erkenntnisstheorie auch
in dieseiti historischen Abschnitt zum Vorschein kommt. Für
Antiochos nun ist charakteristisch, dass nach demselben eine
Erkenntniss nur vermittelst der Sinne möglich, die Wahrheit
aber noch nicht in den Sinneseindrücken gegeben ist son-
dern nur vermittelst des Geistes oder der Vernunft, des
Logos, daraus gewonnen werden kann^) und dass zweitens
diese wesentlich stoische Theorie von ihm für die platonisch-
aristotelische ausgegeben wurde. Es wird sich daher vor
Allem fragen, ob die Darstellung, die bei Sextos von der
platonischen und aristotelischen Lehre gegeben wird mit
dieser Theorie des Antiochos übereinstimmt.
Als das Wesentliche der platonischen Erkenntnisstheorie
wird nun bei Soxtos 141 ff. bezeichnet, dass die Entschei-
dung über die Wahrheit von den Sinnen abhängt ohne doch
in ihnen schon gegeben zu sein: ösT xov Xoyov iv roj xqI-
VBtv Tfjv dX7i&eiai> cbto rfjg tvaQyelag oQfiäöd^ac, ttjcsg dt'
Ivagycov tj xglötg ylvtxai xc^f dXrjB-cov. dXX" ij re ivccQyeia
ovx iöTiv avraQXfjg jiQoq yvöiotv dXtj^ovq' ov yag sl ri
xcrr' ivccQyeiav q)alvtxat, xovxo xal xax' dkijO-tiav vjtaQXfi'
dXXa dtl jcaQttvai xb xqIvov xl xe (palvexac fiorop xal xi
Cvv x(p q)ahköd-ai exi xal xar' dXi]{h8cav vjioxeixat, xov-
xiöxi xov Xoyov. dfi^oxtQa xohwv 6vveX{^ttp dtijOtL, xi(v
xe Ivagyeiav, (bg av atpexriQiov ovöav xm Xoyoj JtQoq xi/v
xqIöiv xyg dXijd^slag, xal avxov xov Xoyov Jigog ötdxQiöiv
Xfjg hmgyslag, elg (iivxoi xb ijrißdXXstv xfj ivagyela xal xb
ip xavx)] dXfiO-lg diaxQlveip JtdXip övrtQyov ötlxai b Xoyog
xfjg alöd^/jOsmg' öia xaixfjg yag xijP ^avxaolap jcagadexo-
liBVog Jtoulxai x?jp votjötp xal r/^r kjiiöxf'j(i?jp xdXrjß-ovg,
^) Antiochos unterschied sich durch diese Theorie auch von
Posidon, da derselbe, wie ich Theil II S. 532 zu beweisen gesucht
habe, auch eine Erkenntniss, die sich nur aus dem Logos ableitete,
für möglich hielt.
Hiriel, Unienncbnngen. HI. 32
498 Excurs I.
Die Uebereinstimmung mit Antiochos ist offenbar. Idi habe
auch die letzten Worte von etg fiaprot an hinzugefügt, weil
aus ihnen namentlich erhellt, dass wir hier nicht die echt
platonische Theorie vor uns haben. Denn Hesse sich mit
dieser auch die Ansicht voreinigen, wonach unser Denken
von der sinnlichen Wahrnehmung ausgeht, so widerspricht
ihr doch die in den angeführten Worten enthaltene, dass
unser Geist auch die Fähigkeit die Sinneseindrücke zu be-
urtheilen nur den Sinnen verdanken oder dass das Denken
aus der sinnlichen Wahrnehmung stammen solle. Diess ist
also eine Entstellung der platonischen Lehre und zwar eine
solche, die wir nicht auf Poseidonios zurückfuhren können;
denn dieser, wie ich (Theil II S. 532) gezeigt habe, nahm
ein Wirken des Geistes an, das nicht von der sinnlichen
Wahrnehmung abhängen sollte. Dagegen können wir eine
solche Entstellung von Antiochos erwarten, da durch die-
selbe die platonische Lehre seiner eigenen gleich wurde.
Denn nach Antiochos ist ein Denken ohne Begrifife nicht
möglich, diese selber aber sind sämmtlich aus der sinnlichen
Wahrnehmung geschöpft. ^) Was wir hieraus schliessen kön-
nen, dass ebenso, wie die Lehre Piatons von Sextos darge-
stellt wird, sie auch von Antiochos aufgefasst wurde, wird
uns unmittelbar vor Augen geführt durch Cicero, wenn der-
') Cicero Acad. pr. 21 (nachdem or von den Vorstellungen ür-
theilen und Schlüssen gesprochen hat, die sich aus der sinnlichen
Wahrnehmung entwickeln) quo e genere nobis notitiac rerum inpri-
muntur, sine quibus nee intellegi quicquam nee quaeri disputarife
potest. Vgl. 2S f. 30 f. Antiochos' Auffassung des Logos scheint die-
selbe gewesen zu sein, die wir durch Galen de plac. Hipp, et Pitt.
S. 439 ff. K als chrysippisch kennen und nach der er eine Summe von
Begriffen und Vorstellungen {iwoiwv xt tivvdv xa\ 7r(}ohjti*fijitv a^Qot-
CfjLa) ist (vgl. auch Cicero Acad. pr. 30). Das a Chrysippo pedem
nusquam machten aber nach Cicero Acad. pr. 142 dem Antiochos
seine Gegner zum Vorwurf.
Excurs I. 499
selbe (Acad. post. 30) im Sinne des Antiochos Folgendes
als akademisch-peripatetisclie d. h. i)latonische ^) Lehre gibt:
quamquam oreretiu' a sensibus, tarnen non esse Judicium
yeritatis in sensibus; mentem volebant esse rerum judicem. *)
^) Cicero a. a. 0. 17: Piatonis autem auctoritate, qui varius et
maltiplex et copiosus fuit, una et consentiens duobos vocabulis phi-
losophiae forma instituta est, Academicorum et Peripateticorum , qui
rebus congruentes nominibus differebant.
^ Die hierauf folgenden Worte lauten: solam censebant ido-
neam cui crederetur, quia sola cemeret id quod semper esset Sim-
plex et unius modi et tale qualo esset, hanc illi lömv appellant,
jam a Piatone ita nominatam, nos recte speciem possumus dicere.
Man darf diese Worte nicht als Anzeichen einer zwischen Cicero
und Sextos bestehenden Verschiedenheit benutzen, da bei letzterem
Yon den Ideen nicht die Rede sei. Denn wenn dieselben auch nicht
genannt werden, so sind sie doch in den von Sextos (142) aus dem
Timaios citirten Worten th ov aü ybveaiv dh ovx f/ov gemeint. Da
sich nun auf diese Timaiosstelle die ganze bei Sextos folgende Er-
klärung bezieht, so kann auch unter dem d?,rj(^eg, dkrj&eia, xat' dkij-
&eiav vnaQxov, das den Gegenstand des Xoyoq, der vof^aig und ini-
axripLii bildet, nur die Idee gemeint sein. Wenn auf der anderen Seite
als Gegenstand der Sinnesempfindung und der Meinung {öo^d) von
Sextos das yiyvofievov fitv, ov de ovöenore bezeichnet und hervor-
gehoben wird dass die Sinne ungenügend sind zur Erkenntniss der
Wahrheit (// ^vaQyeta ovx eoriv avxaQxtiq uQoq yvcHatv dXijOovg), so
stimmt hiermit überein was wir bei Cicero in den auf das Angeführte
folgenden Worten lesen: sensus autem omnis hebetes et tardos esse
arbitrabantur, nee percipi ullo modo res ullas, quae subjectae sensi-
bus viderentur, quod aut ita essent parvae, ut sub sensum cadere
non possent, aut ita mobiles et concitatae, ut nihil umquam unum
esset et constans, ne idem quidem, quia continenter laberentur et
fluerent omnia. itaque hanc omnem partem rerum opinabilem ap-
pellabant. Da ich bisher angenommen habe, dass die platonisclie
Lehre, wie sie Antiochos auffasste, die eigene Lehre des Antiochos
war, so könnte man nun einwenden, dass derselbe aber doch die
Ideenlehre habe fallen lassen. Das Letztere ist wenigstens die An-
sicht von Zeller (004, 1). Ich muss indessen bestreiten, dass dieselbe
durch Cicero Acad. post. 30 und 33 genügend begründet ist. Cicero
32*
500 Excurs I.
Endlich mag noch auf die Bedeutung hingewiesen werden, die
will 30 ff. PlatoDs Lehre geben. Diess liegt deatlich ausgesprochen
in den auf diese Darstellung bezüglichen Worten (33): haec erat illis
forma a Piatone tradita. cujus quas acceperim dissupationes, si voltis
exponam. Es ist ein ungenauer Ausdruck, wenn er trotzdem jene
Darstellung mit den Worten einleitet: tertia deinde philosophiae
pars, quae erat in ratione et in disserendo, sie tractabatur ab utris-
que. Denn unter „beiden'' können wir nach dem Yorhergehenden
nur an Akademiker und Peripatetiker denken, nun sagt er selbst
aber (33), dass einen Theil jener Darstellung, die Ideenlehre, Aristo-
teles erschüttert habe (labefactavit): Akademiker und Peripatetiker
können also nicht die Vertreter der in jener Darstellung Yorgetrage-
nen Lehre sein. Auffallend ist femer dass Cicero sich darin treu
bleibt die Vertreter der angeblich nur platonischen Lehre stets in
der Mehrzahl zu bezeichnen (mentem volebant — censebant — ap-
pellant u. s. w.). Hierfür liefert aber die Erklärung was wir 33 f.
über die Schüler Piatons lesen. Davon werden zwei Classen unter-
schieden: solche die wenn auch im Wesentlichen mit Piaton über-
einstimmend doch in Nebenpunkten von ihm abwichen, die Peripate-
tiker, namentlich Aristoteles Theophrast und Strabo, und Andere,
die streng an der überlieferten Lehre festhielten. Das sind die älte-
ren Akademiker, die deshalb mit folgenden Worten den Peripateti-
kern entgegengesetzt werden: Speusippus autem et Xenocrates, qai
primi Piatonis rationem auctoritatemque susceperant, et post eos
Polemo et Grates unaque Crantor, in Academia congregati, dili-
genter ea, quac a superioribus acceperant, tuebantur.
Deutlicher kann doch nicht ausgesprochen werden, dass die vorher
als platonisch bezeichnete Lehre die der alten Akademiker war.
Mit Rücksicht hierauf hat Cicero die Mehrzahl in der Bezeichnung
der Vertreter dieser Lehre festgehalten. Und die scheinbare Unge-
nauigkeit des Ausdrucks in den Eingangsworten (ab utrisque) erklärt
sich jetzt vielleicht dadurch, dass Cicero im Vorhergehenden sich
gewöhnt hatte Akademiker und Peripatetiker in Bezug auf die Lehre
immer zusammenzuwerfen. Vielleicht aber ist der Ausdruck doch
richtig, und Cicero hatte ausser der nächsten auch die von 33 an
folgende Darstellung im Sinne, in der neben den Akademikern aack
die Peripatetiker berücksichtigt werden. Daran dass hiemach die
Peripatetiker Aristoteles an der Spitze von Antiochos zu den dissen-
Excurs I. 501
in dem Platou betreffonden Abschnitte des Sextos das Offen-
tirenden Philosophen gezählt wurden, braucht man keinen Anstoss
zu nehmen. Denn dass Antiochos den Akademikern näher stand als
den Peripatetikcrn liegt auch darin, dass er sich der akademischen
und nicht der peripatetischen Schule zuzählte, und zwischen den
Peripatetikern und Stoikern blieb hinsichtlich der Abweichung von
der Akademie immer noch eine solche Verschiedenheit des Grades,
das» man Peripatetiker und Akademiker als unter sich übereinstim-
mende Philosophen den Stoikern gegenüberstellen konnte. Ist diese
Auffassung der ciceronischen Stelle richtig, so folgt daraus, dass die
alten Akademiker und dann auch Antiochos die Ideenlehre festhiel-
ten. Die transcendentale Existenz der Ideen freilich mussten sie
aufgeben. Darum konnten sie aber doch in dem Glauben stehen von
Piaton sich nicht zu entfernen, sobald sie sich in der Auffassung
der Ideenlehre durch solche Werke wie den Philobos und die Ge-
setze leiten Hessen. Es ist ganz wohl denkbar, dass die Akademiker
und auch Antiochos, je mehr sie von der echt platonischen Ideen-
lehre abwichen, desto ängstlicher sich an den Namen löiai klam-
merten. Wenn Zeller ausserdem seine Behauptung, dass Antiochos
die Ideenlehre habe fallen lassen, durch Hinweis auf Cicero Acad.
pr. 142 (Plato autem omnc Judicium veritatis veritatemque ipsam,
abductam ab opinionibus et a sensibus, cogitationis ipsius et roentis
esse voluit. numquid horum probat noster Antiochus? ille vero ne
majorum quidcm suorum, ubi enim aut Xenocratem sequitur . . . aut
ipsum Aristotelem . . V a Chrysippo pedem nusquam) zu stützen meint,
so verwechselt er was eine gegnerische Kritik des Verhältnisses ist,
in dem Antiochos zu Piaton stand, mit der Auffassung, die Antiochos
selber von diesem Verhältniss hatte (vgl. S. 511, 2). Dafür dass in der
durch Antiochos reformirten alten Akademie die Ideenlehre, wenn
auch beschnitten und entstellt, doch noch ein gewisses Dasein fristete,
spricht auch ein sehr auffallender und doch noch gar nicht beachteter
Umstand. Wie uns nämlich Augustin De civ. doi VII 28 berichtet, hatte
Varro, als er in seiner Umdeutung der Götter der Volksreligion auf
die samothrakischen Mysterien zu sprechen kam, den Jupiter auf
den Himmel, die Juno auf die Erde und die Minerva auf die Ideen
bezogen und zwar, worauf Augustin noch besonders hinweist, auf die
Ideen im platonischen Sinn. Vom stoischen oder gar kynischen
Standpunkt aus kann er diess nicht gethan haben: es bleibt also
502 Excurs I.
bare {IraQytq) hat, insofern es mit dem in der sinnlichen
Wahrnehmung Gegebenen zusammenfallt. Bei Piaton finden
nur Varro der Anhänger der alten Akademie übrig, derselbe Yarro,
der bei Cicero das Wort führt. — Dagegen scheint allerdings die
Identificirung der platonischen mit der Lehre des Antiochos verboten
zu werden durch Acad. pr. 19fif. Die Lobsprüche, die hier den
Sinnen als Mitteln des Erkennens ertheilt werden, ihre Klu'heit und
Sicherheit die gerühmt und namentlich dass ein „sensibus percipi''
(21) überhaupt anerkannt wird, scheint mit dem was Acad. post 31
als platonische Lehre angeführt wird „sensus omnis hebetes et tar-
dos esse nee percipi ullo modo res uUas quae subjectae sensibus
Yiderentur*^ sich nicht zu vertragen. Dieser Widerspruch erweist
sich aber als ein blosser Schein durch das was wir Acad. pr. dO als
Lehre des Antiochos lesen: mens ipsa, quae sensuum fons est atqoe
etiam ipse sensus est (Sext. dogm. 1 305\ naturalem vim habet quam
intendit ad ca, quibus movetur. Hieraus dürfen wir schliessen, dass
nach Antiochos die Sinne die Fähigkeit etwas zu erkennen nur durch
Mitwirken des Geistes haben. Nur unter dieser Voraussetzung wird
daher auch das Lob gelten, das ihnen 19 f. ertheilt wird. Besonders
deutlich zeigt sich diess darin, dass dieses Lob auch auf das w»s
Künstler durch sie leisten gegründet wird: adhibita vero exercita*
tione et arte quis est quin cornat quanta vis sit in sensibus? quam
multa vident pictores in umbris et in eminentia, quae nos non vide-
mus! quam multa quae nos fugiunt in cantu, exaudiunt in eo genere
exercitati! qui primo inflatu tibicinis Antiopem esse ajunt aut Andro-
macham, cum id nos ne suspicomur quidem. nihil necesse est de gustatu
et odoratu loqui, in quibus inte liegen tia, etsi vilior, est quaedam tameu.
Schon dass den Sinnen hier eine intellegentia zugeschrieben wird,
lässt auf ein Mitwirken des Geistos schliessen. Ausserdem wird, dass
Antiochos an ein solches hierbei dachte, ausdrücklich ausgesprochen
31, wenn es von dem Geiste heisst: quocirca et sensibus utitur et
artis efficit, quasi sensus älteres. Der Betrachtung der Sinne und der
Schätzung ihres Werthes boten sich aber zwei Seiten dar. Entweder
man sah in ihnen nur die Werkzeuge des Geistes, und dann musstcn
sie für unsere Erkenntniss höchst werthvoll erscheinen, oder man
betrachtete sie isolirt von der Thätigkeit des Geistes, insofern sie nur
die die äusseren Eindrücke aufnehmenden Organe sind, dann mussten
sie, wie jedes Werkzeug in einem ähnlichen Falle, stumpf und un-
Excurs I. 503
wir diese Bedeutung noch nicht; ^) und von den späteren
brauchbar werden. Dieser letztere Gesichtspunkt ist in dem über
Piatons Lehre gegebenen Bericht angelegt worden, und musste angelegt
werden da es hier nicht so sehr darauf ankam überhaupt die Mög-
lichkeit und den Weg des Erkennens gegenüber den Zweifeln der
Skeptiker nachzuweisen als vielmehr das Maass dessen was der Geist
und was die Sinne jeder für sich dazu beitragen festzustellen. Es
ist daher kein Widerspruch mehr, wenn in diesem Falle den Sinnen
das „percipere'' gänzlich abgesprochen wird, das ihnen der anderen
Darstellung zufolge doch in so hohem Grade eigen ist. So wird auch
bei Cicero de fin. II 36, an einer Stelle die wir auf Antiochos zurück-
führen dürfen (vgl. Th. II S. 655 f.), die Bedeutung der Sinne für die
Erkenntniss dahin eingeschränkt dass sie den Urtheilen und Schlüssen
des vernünftigen Geistes das Material liefern: quod ait (^Epikur) sen-
sibus ipsis judicari voluptatem bonum esse, dolorem malum, plus tri-
boit sensibusm, qua nobis leges permittunt, cum privatarum litium
judices sumus; nihil enim possumus judicare nisi quod est nostri ju-
dicii quid judicant sensus? dulce amarum, leve asperum, prope
longe, Stare movere, quadratum rotundum. aequam igitur pronuntia-
bit sententiam ratio etc. — Antiochos entfernte sich hiernach von
Piaton darin dass er eine Transcendenz der Ideen nicht zugab. Nur
auf diese gründet sich aber bei Piaton die zweite höhere Art der
Erkenntniss, die aus der Anschauung der Ideen entspringt. Eine
solche zweite höhere Erkenntniss, die von den Sinnen unabhängig ist,
konnte daher Antiochos nicht annehmen, so dass in seinem Sinne
der Tadel ist der gegen Piaton bei Cicero de fin. IV 42 ausgespro-
chen wird: ut quidam philosophi, cum a sonsibus profecti majora
qnacdam et diviniora vidissent, sensus rcliquerunt, sie isti, cum ex
adpetitione rerum virtutis pulchritudinem aspexissent, omnia, quae
praeter virtutem ipsam viderant, abjecerunt, obliti naturam omnem
adpetendarum rerum ita late patere, ut a principiis permanaret ad
finis, neque iutellegunt se rerum illarum pulchrarum atque admira-
bilium fundamenta subducere. Denn dass die Worte „quidam philo-
sophi'* auf Piaton deuten, lehrt Acad. post. 30 ff., besonders wenn
man 33 vergleicht: quas [die Ideen) mirifice Plato erat amplexatus
ut in eis qulddam divinum esse diceret.
^) Die Ansicht derer, die die Eigenschaft der ivd^yeta den
Sinneseindrücken beilegen, gehört zu denen, die sich bei näherer
504 Excurs I.
Philo80i)hen haben die Epikureer die IvaQyua ausser den
Simieseindrücken auch den jiQoZrjtpstq zugesprochen (Di(^.
X 33), die Stoiker dagegen, wie ihre Schilderung der xata-
Xrjjtrtxfj q)avTaola (z. B. bei Diog. VTI 46) voittussetzen
lässt, nur dieser und nicht jeder aus den Sinnen entsprin-
genden Vorstellung. ^) Ausserdem wird von den Stoikern s(h
Prüfung nicht bewähren. Die Vertreter derselben werden im Theaitet
p. 179 C genannt ol (pdaxovteg aiütag (sc. tag ala&ijaetg) ivapytiq xf
elvai xal iniotijfÄag. Wie Platons Auffassung der ivagyeia sich too
der seines Auslegers bei Sextos unterscheidet, tritt namentlich he^
vor Phaid. p. 83 C. Hier wird von Sokrates als Gegenstand der £r
wägung für die Seele des ächten Philosophen {^ xov lag dkrj^iliq fpi-
Xoootpov ipvxi'i) bezeichnet, ort, ineMv r/g atpoSga ^a^ ^ fo^^
tj Xvntjd^jj tj iml>vfirjoy, ovdh' roaovrov xaxbv tna^ev an' aiiwr,
öaov UV xtg olrj&ei^f, olov // voai^aag ly r/ dvaXcicag Sia rag imdv-
fiiag, dV.' o ndvtwv fjiSyiarov te xaxbv xal ^axavov iaxi, xovxo
Ttdaxei xal ov koyD^ezai avto. Ti tovro, ci SwxQareg; €<pii o Khß^-
"Ort xpvxy navxbg dvd^Qwnov dvayxdt^sxai clfia xf ijaB'TJvai ^ Ivnij-
Bfvai Gipodga inl xtp xal yytixai, ne^l o av fidXiaia xovxo ndaxs>
xovxo ivagyiaxaxov xe elvai xal dXrj&iaxaxov, or/ ovxwg fx^^- ^^^
Sh fxdhaxa xä bgaxd. In diesen Worten ist bemerkenswerth erstens,
dass diejenige Ansicht, welche den Sinneseindrücken (denn was XQ-
nächst nur von den Eindrücken des edelsten Sinnes, den bgatä, ge-
sagt wird, dürfen wir auf die übrigen übertragen) tvagyeia beilegt,
als ein Erzeugniss der körperlichen Begierden und Leidenschafteo
hingestellt, und ausserdem das ivaQyhg als ein halbes Synonymoo
von dhjS-hg oder doch als Eigenschaft eines und desselben DiDges
behandelt wird. In der Darstellung, die Sextos von Platons Lehre
gibt, werden ivd^yeia und dkij&eia streng getrennt gehalten und
jene der sinnlichen Erscheinung diese dem zu Grunde liegenden
Realen zugesprochen.
') Dass die Stoiker der xaxaXrjnztx^ (pavxaala die ivagyna bei-
legten, ergibt sich auch aus Cicero Acad. pr. 17: sed quod nos facere
nunc ingredimur, ut contra Academicos disseramus, id quidam e phi-
losophis, et ei quidem non mediocres, faciundum omnino non pntft-
bant; nee vero esse uUam rationem disputare cum eis qui nihil pro-
barent; Antipatrumque Stoicum, qui multus in eo fuisset, repreheo-
Excurs I. 505
s den Epikureern die IvaQyeia mit der dXrjd-sia ver-
die eine reicht so weit als die andere und von einer
Qg beider, wie sie bei Sextos vollzogen wird/) ist
ie Rede. Dagegen wird in der auf Antiochos zurück-
3n ciceronischen Darstellung (Acad. pr. 19 fif.) die
[ihemlichk(iit{ivaQyeia) nicht bloss den Sinneseiudrücken
ochen sondern auf sie eingeschränkt. Dass Cicero
igyeia der griechischen Quelle mit perspicuitas oder
ia wiedergibt, hat er uns (17) selber gesägt. Nun
ber bei Cicero a. a. 0. 18 f. diese perspicuitas (46
ie evideutia) den Sinneseindrücken beigelegt und zwar
wenn diese Eigenschaft ihnen allein zukäme, für sie
öristisch wäre; denn nur unter dieser Voraussetzung
n anderes Augenscheinliches nicht anerkannt wurde,
es sich, dass mit perspicua und perspicuitas schlccht-
I Sinneseindrücko bezeichnet werden.*) Was ferner
nee definiri ajebant necesse esse, quid esset cognitio aut per-
ut, si verbum e verbo volumus, conpreliensio, quam xatahi-
vocant; eosque, qui persuadere vellent, esse aliquid quod
mdi et percipi posset, inscienter faccre d icebaut, propterea
lil esset clarius ivagysicc, ut Graeci, perspicuitatem aut evi-
nos, si placct, uomiuemus etc. Denn bei dleseu non medio-
JoBophi, die Autipater tadelten, können wir füglich nur an
denken.
Vgl. bes. 143: Ol' yuQ st n xar* iva^yeiav (paivEtcct, xovxo
* dhj&€iav vndfjyst'
Wie diess doch offenbar 41 geschieht in den Worten „ad-
enim primum quod parum defigunt animos et intendunt in
I perspicua sunt, ut quanta luce ea circumfusa sint, posslnt
re" und „oportet igitur et ea, quae pro perspicuitate respon-
»ant, in promptu habere, de quibus jam diximus'^ Mit die-
len Worten bezieht sich Cicero auf 19 ff. und ebendarauf be-
ch auch (45) perspicuitas illa quam diximus, dort ist aber
Augeuscheinlichkeit der Sinneseindrücke (ordiamur igitur a
quorum ita clara judicia et certa sunt) die Bede, wodurch
506 Exeu« I.
für die Darstellung des Sextos charakteristisch war, dass ihr
zufolge zwischen dem Augenscheinlichen und dem Wahren
unterschieden werden muss, das scheint allerdings in der
Lehre des Antiochos zu fehlen. Wenigstens lässt Cicero
dieselben geeignet werden die Gmndlage alles Wissens und Erkeo-
nens zu bilden. Wir werden daher nur eine ungenaue Ausdracks-
weise Ciceros annehmen, wenn wir 44 lesen: cumque ipsa natura
accuratae orationis hoc profiteatur, se aliquid pateüacturam, quod non
adpareat et, quo id facilius adsequatur, adhibituram et sensus et
ea quae perspicua sint, qualis est istorum oratio, qui onrnia non
tarn esse quam Tiden Tolunt? Denn streng genommen würde aus den
henrorgehobenen Worten allerdings folgen, dass neben dem welches
die Sinne darbieten noch ein anderes Augenscheinliches anerkannt
wurde. Dasselbe lässt sich tou 34 sagen: ita neque color neque cor-
pus nee Teritas nee argumentum nee sensus neque perspicuum ullam
relinquitur. Aber wer wird Cicero beim Worte nehmen? Höchstens
könnte man vermuthen, Antiochos habe neben dem ursprünglichen
und eigentlichen Augenscheinlichen, das in den Sinnescindrücken ent-
halten ist, noch ein Abgeleitetes anerkannt und die Augenscheinlich-
keit in diesem Sinne den Begriffen zugesprochen. Davon aber dass
er ein gleich ursprüngliches nur auf geistigen Vorstellungen Beruhen-
des habe gelten lassen, kann nicht die Rede sein. Diese Annahme
wird schon durch die Erkenntnisstheorie, wie sie 19 ff. auseinander
gesetzt ist, ausgeschlossen, da in derselben für ein solches Augen-
scheinliches kein Raum bleibt. Ausserdem wird dieser Annahme aber
auch ausdrücklich widersprochen. Denn 48 werden zwar rein geistige
nicht durch Sinneseindrücke Teranlasste Vorstellungen anerkannt
vcum mens moveatur ipsa per sese, ut et ea declarant, quae cogita-
tione depingimus, et ea, quae vel dormientibus vel furiosis videntor
non numquam^i ihre Augenscheinlichkeit aber wird 51 auf das Be-
stimmteste geleugnet: omnium deinde inanium visonun una depolsio
est, siTO illa cogitatione informantur, quod fieri solere concedimos,
si?e in quiete sive per Tinnm sixe per insaniam; nam ab omnibos
ejusmodi visis perspicuitatem, quam mordicus teuere debemus, abesse
dicemus. quis enim, cum sibi fingit aliquid et cogitatione depingit,
non, simul ac se ipse commorit atque ad se reYCcavit, sentit quid
intorsit inter perspicua et inania?
Excurs I. 507
seinen Antiocheer von einer Wahrheit der Sinneseindrücke
sprechen, die mehr oder minder gross ist je nach den Um-
ständen unter denen wir ^diese Eindrücke empfangen. ^) Ab-
gesehen davon dass wir es hier mit Worten Ciceros zu thun
haben, so tritt doch auch in seiner Darstellung der Unter-
schied von Epikur hervor. Denn während dieser jeden Sin-
neseindruck für wahr erklärte und die sogenannten Sinnes-
täuschungen aus einem Irrthum nicht der Sinne sondern des
menschlichen Moincns ableitete, so lässt der Antiocheer nur
die Eindrücke solcher Sinne für wahr gelten, die gesund
und in ihrer Function nicht irgendwie gehindert sind.*)
Und doch scheint der Antiocheer die Augenscheinlichkeit
den Sinneseindrücken schlechthin zuzusprechen I Die Wahr-
heit dagegen soll ihnen nur zukommen unter Bedingungen,
die ohne das Mitwirken des Geistes nicht denkbar sind.
Aus derselben ciceronischcn Stelle erhellt aber auch, in wie-
') Acad. pr. 19: mco autem judicio ita est maxima in sensibus
veritas, si et sani sunt ac valentcs et omnia removenturi quae ob-
stant et inpediunt.
^ Nachdem er die Klarheit und Zuverlässigkeit der Sinne ge-
rühmt hat, fährt Cicero a. a. 0. fort: nee vero hoc loco exspectan-
dam est, dum de remo inflexo aut de collo columbae respondcam;
non enim is sum, qui quicquid videtur tale dicam esse quäle videa-
tur: Epicurus hoc viderit et alia multa. meo autem judicio ita est
maxima in sensibus veritas, si et sani sunt ac valentos et omnia
removentur, quae obstant et inpediunt. itaque et lumen mutari saepe
Yolumus et situs earum rerum, quas intuemur, et intervalla aut con-
trahimus aut diducimus^ multaque facimus usque eo dum aspectus
ipse fidem faciat sui judicii. Hiermit vergleiche man was ohne Nen-
nung Epikurs von ihm gesagt wird 45: nam qui voluit subvenire
erroribus eis qui videntur conturbare veri cognitionem, dixitque sa-
pientis esse opinionem a perspicuitate sejungere, nihil fecit. Die-
selbe von Epikur abweichende Ansicht spricht sich auch de fin. II 36
aus, welche Stelle wir ein Recht haben als den Ausdruck von An-
tiochos' Meinung zu behandeln (Theil II S. 655 f.).
508 Excurs 1.
fern Antiochos' Lehre von der der Stoiker verschieden ist.
Denn während den Epikureern gegenüber beide darin über-
einstimmten, dass sie nicht jede sinnliche Wahrnehmung als
solche schon für wahr hielten, so trennten sich doch ihre
Ansichten, weil die Stoiker, wenn sie wirklich nur den xara-
XrjJixixal (pavxaoiat die IvaQytta zusprachen, in demselben
Maasse wie die Wahrheit auch die Augenscheinlichkeit der
Sinneseindrücke beschränkten, die nach Antiochos jedem
Sinneseindruck als solchem zukam. So entspricht auch der
Gebrauch, den Sextos von dem Wort ItmgyTjg macht, ganz
der Weise des Antiochos und bestätigt sich von Neuem dass
er der Urheber der betreffenden Darstellung ist. Wenn daher
Sextos sich auf Platoniker beruft, die jene Erklärung der
platonischen Lehre gegeben hätten,') so sind wir berechtigt
darunter an Antiochos und seine Anhänger zu denkeu.
Da nun aber Antiochos seine eigene Lehre nicht bloss
mit der platonischen identifizirte sondern sie für wesentlich
übereinstimmend auch mit der aristotelischen hielt, so dürfen
wir erwarten wenn wirklich Sextos aus einer Schrift des An-
tiochos geschöpft hat, dass auch die Darstellung der aristo-
telischen Erkenntnisstheorie im Wesentlichen nur diejenige
des Antiochos wiedergibt. Indessen scheint gleich der An-
fang des betrefifonden Abschnittes dieser Erwartung zu wider-
sprechen, da hier dem eben festgestellten Gebrauch des An-
tiochos zuwider die Augenscheinlichkeit ebenso an eine Thä-
tigkeit des Geistes wie der Sinne geknüpft wird.*) Dieser
Widerspruch wird aber durch den weiteren Verlauf der Dar-
stellung fast wieder aufgehoben. Denn hier ist von einer
*) 143: neQilT^mixöv Sh xaXeiad^al (paot ?,6yov noQ* arrw cm
IDMTwvtxol rbv xoivov trjq iva^yelag xal v^q dkriB-flag.
') 218: öirtov xal avrol rb XQixriQiov anoXslnovatv, aia^^oiv
fjilv xwv ala&i]tdtv, vorjaiv öh räiv votjtwv, xoivbv Öh d(ji<poxB(mv, oy;
eXfyev b ßeoifQaaxoq, xb ivaQytq.
Excurs I. 509
auch den rein geistigen Vorstellungen anhaftenden Augen-
scheinlichkeit nicht mehr die Rede^) und wird eine solche
nur den Eindrücken der Sinne zugesprochen.*) Diese Dar-
stellung hat femer das Eigenthümliche, dass sie die ge-
sammte geistige Thätigkeit an die Sinne knüpft, indem sie
das Wirken des vovg in ein Erzeugen von Phantasiebildem
setzt, das Zustandekommen dieser Bilder aber nur unter
Voraussetzung der Sinneseindrücke für möglich hält,^) und
alle Wissenschaft und Erkenntniss nur als eine Sammlung
solcher Phantasiebilder und eine Verallgemeinerung der Ein-
*) Ausser 222 wo tiberliefert ist: ol TtsQinazTjtixol twv (piXoao-
(fwv Stdvotdv TS xal vovv dvofiaC,ovai, xatd fihv ro ^vaad-cci Sid-
voiaVf xavd 6h ivagyetav vovv. Hier hat man aber längst das
durch den Zusammenhang geforderte ivsQyeiccv hergestellt.
*) 219: aTio fihv yccQ rwv aladn^taiv xivsTxai ^ aVafhjoig, and 6h
rrjg xatd ivd^yetav nsQl t^v aia&rfOtv xivfjaecDq iniylvBral tt xatä
tlrvx^iv xhtjfjia roig xQfixToai xal i^ cevrcSv 6vvafihoiq xivetaS-ai ^(ooig.
221: ovav xiq nQoansaovioq xat* ^vaQyeiav Jltovog ndS-y moq ri/v
aia^ffoiv xal XQany, vno 6h xov nsQl x^v aiad^tiOtv nd^ovg iyyevtj-
xal xtg avxov xy tpvxy (pavxaala.
■) 221 : xovxo 6h 7id?.tv xb xlvrifxa (das eine von den Sinnen sich
in die Seele fortpflanzende Wirkung äusserer Eindrücke ist), oneg
fivrifiri XB xal (pavxaala xaXuxai, slx^v iv kavxo) xqIxov iniytvofjievov
akXo xlvrifia xb xfjg Xoytxrjg (pavxaalag, xaxä xqIoiv loinbv xal tiqo-
alQfCiv Tjjv lifjLBXbQav avfißalvov, otisq xlvrifia 6tdvmd xe xal vovg
7i(ioaayoQevexai, olov oxav xig nQoansaovxog xax^ ivagysiav Mwvog
TidOy nmg xriv ataS-r^atv xal xQany, vnb 6h xov negl xijv aiaS-fjaiv
nd&ovg iyy^vrjxal xig adxov xy tpvxy (pavxaala, i]v xal /xvtjfxrjv tiqo-
XBQOv iXiyofiev xal txvsi nagankijatov imd^x^^K «^^ ^^ xavxijg r/ye
(pavxaalag hxovaliog (lva^u)yQa(py avxw xal dvanXdaay (pdvxaa/na
xa^dneQ xbv ytvixbv äv&Qwnov. xb yccQ 6rj xoiovxo xlvrjfia x^g \pv-
///<; xaxd 6ia*p6QOvg iTtißoXdg ol nsQinaxtixtxol rc5v (pikoa6(p(ov 6td-
voidv xe xal vovv (^vo/ad^ovai^ xaxd (Ttv xb 6vvaa^ai 6idvoiav, xaxd
6h ivhQyetav vovv oxav fihv yaQ 6vvrjxai xovxov notsiaO-ai xbv dva-
7i).aa^ibv tpvxij> xovxiaxiv oxav ne(pvxy, 6tdvoia xakeixai, oxav 6h
tveQyr^Tixiüg T]6ti noiy, vovg ovofid^sxai.
510 Excurs I.
zelvorstellungen fasst.^) Dem entsprechend wird zum Schluss
das Vcrhältniss der beiden Kriterien, der Sinne und des
Geistes, durch eine Vergleichung erläutert, die die Sinne als
das Werkzeug, den Geist als den dasselbe benutzenden Künst-
ler bezeichnet. *) In dieser Darstellung ist ebenso auffaUend
das Fehlen einer für die aristotelische Erkenntnisstheorie
wichtigen Bestimmung, wonach der vovg einer unmittelbaren
Erkenntniss fähig, ein intuitives Vermögen ist, als die üebcr-
einstimmung mit der platonischen Lehre, wie sie bei Sextoß
aufgefasst wird. Dass beides für die Ableitung von Antiochos
spricht, versteht sich von selber.^) Der hiermit streitende
Anfang, in dem die echt aristotelische Theorie erhalten zu
sein und eine doppelte Anschauung, der Sinne und des Geistes,
unterschieden zu werden scheint, lässt zwei Erklärungen zu.
Entweder wir nehmen an, dass das ivagyeg auch das be-
zeichnet dessen Evidenz eine abgeleitete ist wie die der
wissenschaftlichen Erkenntniss von der der sinnlichen Wahr-
nehmung, oder wir legen Gewicht darauf, dass für die An-
sicht, wonach das IvaQyhg dem Geiste mit den Sinnen ge-
') 224: dXV b fihv dd'QotOfjidg r(Sv toiovtcdv tov vov <pcn^aafia-
TCDV xal f) ai^yxetpakaiwaig xwv inl fit^ovg eig rb xa9-6lov twoia
xalBirai, iv Sh xto dd-QoiOfjiw tovro) xal rj avyxsfpakaKaoet relev'
xaXov v(f'laTaTai ? xs inian^fnj xal Tt)^vij.
*) 226: (palverai ovv ix rwv eigrjfjitvwv n^wra XQinjQia t»/:
TiSv ngayfjidTwv yvwaecitg ^ rs aXo^oig xal b vovg, »/ fjilv opyoror
tgoTtov bxovaa b ob re/vttov. (oCTteg yag tj/Jislg ov övvdfjifdix x*^Q^^
Si'yov Tfjv Tfäv ßaQtiov xal xovfputv i^tiaaiv 7ioista9-at, ovöh arfff
xavovog X7iv xmv ev9-S(ov xal argeßkäiv diatpOQav ?.aßsTv, ovrwg oiMf
o vovg XfxiQlg aia^rja etog Soxifjidaai ntfpvxe rd nQdyfiaza.
') Wenn Antiochos den intuitiven Nus des Aristoteles in ein
von den Sinnen abhängiges, nur einer mittelbaren Erkenntniss fähiges
Vermögen verwandelte, so war diess dasselbe Verfahren, wie wenn
er die Ideen von Objecten der Anschauung zu Ergebnissen der Re-
flexion herabdrückte, die durch Bearbeitung der sinnlichen Erfahning
gewonnen werden.
Excurs I. 511
meinsam ist, als Gewährsmann nur Theophrast genannt wird.
In dem ersten Falle würden wir eine Verwendung des Wortes
ivaQyhg annehmen, die dem Antiochos zuzusprechen uns
schon früher (S. 506 Anm.) eine Stelle Ciceros Anlass gab.
Im zweiten müssten wir uns daran erinnern, dass Antiochos
auch in der Ethik Theophrast keineswegs für einen durchaus
treuen und zuverlässigen Interpreten der aristotelischen Lehre
hielt, ^) und könnten vermuthen, dass eine in der Original-
schrift des Antiochos auch gegen die Erkenntnisstheorie dipses
Peripatetikers gerichtete Polemik von Sextos oder, wer nun
der Excerptor sein mag, unterdrückt worden ist.
Aber wenn auch die Auffassung der platonischen und
aristotelischen Lehre, die wir bei Sextos fanden, der An-
nahme günstig ist, dass der zweite Theil von Sextos' histo-
rischer Darstellung auf Antiochos zurückgeht, so scheint sich
dafür die Behandlung, die 227 ff. der stoischen Erkenntniss-
theorie ^u Theil wird, mit dieser Annahme um so weniger
zu vertragen. Denn dass sich Antiochos in der Erkenntniss-
theorie an die Stoiker anschloss, unterliegt keinem Zweifel,*)
und ebenso wenig, dass er diess auch da that wo er sel-
ber glaubte nicht von der akademischen Lehre sondern nur
*) Cicero de fin. V 12. 75.
*) Zeller S. 603 beruft sich dafttr auf Cicero Acad. pr. 143: num
quid herum probat noster Antiochus? ille vero ne majorum quidem
saorum: ubi enim aut Xenocratem sequitur aut Ari-
stotelem ? a Chrysippo pedem nusquam. Das sind aber Worte
eines Gegners, der das Thatsächlicbe übertrieben haben kann. Die-
ses Thatsächliche beschränkt sich vieUeicht darauf, dass Antiochos
in dem Theile seiner erkenntnisstheoretischen Darstellung, welcher
die Angriffe der Skeptiker zurückwies, und das war möglicherweise
ein sehr umfangreicher, die dialektischen Schriften des genannten
Stoikers benutzt hatte. Denn da es sich um die Bestreitung des
damaligen Skcpticismus handelte, so hätte er die Mittel dazu weder
bei Piaton noch bei Aristoteles finden können.
512 ExcQTs I.
von der akademischen Ausdrucksweise abzuweichen.^) Für
uns ist wichtig, dass er insbesondere die „greifbare Vorstel-
lung**^) zum Grund alles Erkennens machte und ihr so die-
selbe Bedeutung gab, die sie auch bei den Stoikern hatte.
Denn gerade gegen diesen Punkt der stoischen Elrkenntniss-
theorie scheint bei Sextos polemisirt zu werden.^) Denn
*) So erkennt sein Vertreter Lacullus bei Cicero Acad. pr. 37
die Bedeutung der Zustimmung {avyxaxa^eaiq) an, darch welche die
Walimehmung erst zur Wahrnehmung wird. Die Zustimmung wird
aber Acad. post. 40 f. als Bestandtbeil der zenonischen Lehre ge-
nannt, und zwar an einem Orte, an dem nicht die gesammte Theorie
des Stoikers sondern niu: was er an der akademisch - peripatetischeo
geneuert hatte, zusammengestellt werden sollte.
^ Denn diess ist nach dem, was ich Th. n S. 185 f. ausgeführt
habe, die richtige üebersetzung von xataXt^nrixt) (pavxaala.
') Dass Antiochos wenigstens im Wesentlichen der greifbaren
Vorstellung dieselbe Bedeutung zuerkannte wie die Stoiker l&sst sich
nicht bezweifeln, da sein Vertreter LucuUus bei Cicero Acad. pr. 18
in diejenige Vorstellung, die die Stoiker mit dem Namen des xerra-
Xtjnrdv bezeichneten, ausdrücklich den Anfang aller Erkenntniss setzt
Vgl. auch a. a. 0. 31. Nur darüber kann man streiten, ob Antiochos
zugleich mit dem Wesen auch den Namen der xaTa?.ijnTixrj ipavtacia
festgehalten hat. Aus 18 folgt es nicht, sondern nur dass er eine
Vorstellung der Art wie die von den Stoikern xataktjTtTov oder xa-
rahinxixti (favxaala genannte war (ein visum inpressum effictumqae
ex eo unde esset, quäle esse non posset ex eo unde non esset) als
Grund der Erkenntniss annahm. Dagegen ist auffallend, dass 19 wo
von dem was das Wesen der greifbaren Vorstellung ausmacht die
Rede ist diese in einer Weise bezeichnet wird, die nicht auf ein
xaraXrjTiTov oder xatakrjTiTixrj ipavtaaia sondern auf ein iva^lq oder
kvagyeia im griechischen Original schliessen l&sst. Dasselbe gilt von
37 f., namentlich wenn man diese Stelle mit Acad. post. 40 f. ver-
gleicht. Man kann freilich einwenden, dass gerade an dieser Stelle
ein „conprehendl sensibus^' begegnet dem ein xaxakafißdveo^nt des
griechischen Originals entsprechen würde. Hier muss man sich aber
darüber klar werden dass wenn die Worte xatah^itrov, xtnakrlnxix^
ipavxaala und xaxdXrjipig (Acad. pr. 145) als eigenthümliche erst von
Excars I. 513
227 — 242 wird der Nachweis versucht, dass die Definition,
welche Zeuon von der q)avxacLa gab und wonach sie eine
Tvxcoöig iv y>vxS ist, weder durch die Erklärungen von
Eleanthes und Chrysipp noch durch das von Anderen zur
Vertheidigung vorgebrachte gegen die Einwürfe der Gegner
sicher gestellt worden ist. Hieraus wird der Schluss gezogen,
dass schwer zu sagen ist was die Stoiker eigentlich unter
der Phantasia verstanden (241: aXX^ ?j fih> tpavraöla xara
Tovg ojto Tf/g öroäg ovrco övöajioöorog iöri). Von einem
Stoiker wie Posidon kann eine Kritik in dieser Form natür-
lich nicht herrühren. Aber auch Sextos selber kann nicht
ihr Urheber sein, da dieser was er gegen die Erkenntniss-
theorie der Stoiker und überhaupt der Dogmatiker einzu-
ZenoD gebildete Ausdrücke bezeichnet werden sich diess nur auf die
engere Bedeutung beziehen kann die er diesen Worten gab. Nicht
aber kann die EigenthUmlichkeit Zonons darin bestanden haben, dass
er die ursprüngliche Bedeutung von xaialafjißdvfiv als einen bild-
lichen Ausdruck zur Bezeichnung des Wahrnehmens benutzte. Denn
in dieser Weise hat das Wort schon Piaton Phaidr. 250 D übertra-
gen. Nicht mehr aber als dass er das Wort in dieser Weise über-
tragen hat, lässt sich so viel ich sehe für Antiochos nachweisen.
Darauf weist, dass Acad. pr. 21 die animo conprehensa von den sen-
slbus c. unterschieden werden, dass ebenda von einer quasi expleta
rernm conprchensio die Rede ist; und auch was 31 über die xaia-
XritpiQ gesagt wird lässt sich aus dieser allgemeinen Bedeutung er-
klären. Es ist bemerkenswcrth , dass auch bei Sextos dogm. I 144
das Wort xaraXrjjiTtxog in dieser Bedeutung erscheint: 6t ä xuvxnq
{xijg alo^ostog) yäg rrjv (pavxaalav naQaSexofjisvog notelrai trv v6-
Tjaiv xal r/}v imar/jfii]v tdh^S'Ovg, waxf nsQtXriTcvixov avzbv vTtdgxf^iv
xrjg xs ivagyetag xal xfjg d?.Ti9^eiag, ontQ Iloov iazl r«^ xaxaXfjnzixov.
Dadurch scheint die schon mit anderen Gründen unterstützte Vcr-
muthung, dass der Abschnitt dem die angeführten Worte angehören
auf Antiochos zurückgeht, von Neuem bestätigt zu werden, und zwar
um so mehr als das Wesen des xaxaX^nxtxdv darein gesetzt zu wer-
den scheint dass es nicht bloss die Sinneseindrücke sondern auch
das darüber Hinausliegende umfasst. Denn hierdurch scheint die
Hirzel, Untorsiieliiingen. TU. 33
514 Excurs I.
wenden hat erst von 261 an vorbringen will. ^) Es bleibt
also nichts übrig als die Polemik auf die von Sextos benutzte
Quelle zurückzuführen. Man könnte nun dieselbe in der
Schrift eines Skeptikers suchen. Dom widerspricht aber die
Polemik die im Zusammenhang mit der weiteren Darlegung
der stoischen Ansicht gegen die Skeptiker 259 f. gefuhrt
wird.*) Hiemach muss der Verfasser der Quellenschrift ein
engere Bedeutung welche die Stoiker dem Worte gaben geradezu
ausgeschlossen zu werden. Diess zu bemerken ist aber wichtig, da
der Umstand, dass das Wort auch in der allgemeinen Bedeutung ge-
braucht wird, f(ir sich allein noch nicht gegen stoischen Ursprung
beweisen würde, wenn man wenigstens aus den verdorbenen Worten
bei Diog. YII 45 schliessen darf.
') Er sagt hier: xotovto fihv xal to rwv armixatv iorl Soyfta'
naarjg 6h axf^ov r^g nsgi XQirrjgiov 6ia<ptoviaq vit* otpiv xftfihi^;
xaiQoq av e^rj tfjq dvrt^^fj<jS(og iipanrea^ai xal inl xb xQit^^or
inavdyetv.
') Nachdem Sextos bemerkt hat, dass eine greifbare Yorstellong
gegen die sich kein Einwand erheben lässt (xazakrpirixfj tpavtack
/jiijöhv exovaa ^varrj/aa) die Bürgschaft der Zuverlässigkeit (r^v nf;
xaraXfjtpscDg nlativ) in sich trägt, f&hrt er a. a. 0. der handschrift-
lichen Ueberlieferung zufolge fort: xal yag älXioq rovvavriov d^vva-
xov iaxt }Jy6iv, xax* dvdyxrjv xdv dtpioxd/jievov rov d^iovr on
tpavxaala xQixtJQiov iaxi, xad'^ kxi^ag <pavxaalag vnoaxaaiv xovio
ndaxovxa ßtßaiovv x6 <pavxaalav eivai xqix^qiov, tf^g ipvaet»;
oiovel (piyyog rj/nTv UQog ^nlyvtoatv x^g dXrjd-elag r^ ala^xtxtiv &P'
vafJLiv dvaöovarjg xal xt)v 6i^ avxijg yivo/ih^v ^avxaalav. dronor
ovv iaxl xooccvxrjv övvafjLiv d^sxsTv xal xo alaneg tpwg avxviv dfat-
QsTa&ai, Dass diese Stelle sich gegen die Skeptiker richtet, wird
namentlich durch die Schlussworte ausser Zweifel gesetzt. Doch wird
diese richtige Auffassung durch die Ueberlieferung erschwert Schon
Bekker erkannte, dass dieselbe fehlerhaft sei und wollte statt xat'
dvdyxriv schreiben «AA* dvdyxri. Einfacher scheint mir aber xtti
dvdyxrj. In diesem Falle würde der Sinn sein, dass sowohl aus an-
deren Gründen es unmöglich ist das Gegentheil (n&mlich von der
aufgestellten Behauptung dass in den Sinnen und der auf sie gegr&n-
deten Phantasia das Kriterien gegeben sei) zu sagen and ausserdem
Excars I. 515
dogmatischer Philosoph gewesen sein, der die greifbare Vor-
stellung namentlich diejenige gegen die sich nichts einwen-
den lässt (xaraXrjjrriXTj q>avra(ila fjfjdiv l^ovöa h'OTfjfid)
als Kriterion anerkannte. Ein solcher Philosoph war aber
(und das ist der besondere Grund) wer diess thut genöthigt ist u. s. w.
Was hierauf in der Ueberlieferung folgt ist ein baarer Widerspruch.
Dor Gedanke ist klar: wer ?on der ausgesprochenen Meinung dass
die Phantasia ein Kriterion ist abgeht kann nur auf Grund einer
anderen Phantasia zu dieser Ansicht (denn so verstehe ich nach
einem bekannten Sprachgebranch späterer Philosophen ndaxoyta)
und Behauptung kommen; da also seine Bestreitung der Phantasia
diese selber voraussetzt, so hebt sie sich selber auf. Nach der Ueber-
lieferung aber würde wer von jener Meinung dass die Phantasia ein
Kriterion ist abgeht auf Grund einer andern Phantasia zu der An-
sicht und Behauptung kommen dass die Pbantasia ein Kriterion ist.
Das ist offenbarer Unsinn und daher klar dass die Worte tb (pavta-
alav fhai xqitijqiov zu streichen sind. Man könnte sie erhalten
wollen, indem man ^^ vor elvai einsetzte. Dann wäre zwar der
Widerspruch gehoben aber ein müssiger Zusatz geschaffen, da die
Rückbeziehung des tovto auf den in dipiord/nevov tov d^iovv liegen-
den Gedanken zur Genüge klar ist. Dass Sextos denselben Gedanken
aussprechen wollte, den ich eben in seine Worte gelegt habe, ergibt
sich auch aus dem was auf die angeführte Stelle folgt: ov yd^ tq6-
nov b x^QütfAoxa fihv dnoXtlnutv xal tag iv xovtoiq 6ta<poQdg, zrjv 6i
OQaoiv d%'atQwv (hg dvvnufixxov fj dmavov, xal (ptovdg fjilv sivai Xe-
ywv, dxofiv 61 fiti vndQX^'^ d^idiv, aipoö^a iotlv dionog (rfi* wv yaQ
ivoi^aafifv ;f()aJ/MaTa xal ifiavdg, ixetvwv dnovrwv o^^öh j[Qi]a9^ai öv-
varol XQio/iaaiv rj <pwvatg), ovxo) xal xd nQayfjiaxa fihv bfioXo-
y<5v, xt^v 6h (pavraaiav xfjg alaS^ijaecDg, 6i^ r^g xt5v nQayfxdxiov dvxt-
lafJißdvBTat, 6iaßdlXo)V xektatg iaxlv ijußQovxrjxog, xal toTg dtpv)^otg
taov avibv notaiv. Denn man wird die Worte xd nQdy/iiaxa filv
b/jioXoywv nicht missverstehen. Unter iiQdyfiaxa kann nach dem Zu-
sammenhang nur an den Satz gedacht werden dass die Phantasie
das Kriterion ist, der ein iumyixa genannt werden kann insofern er
Gegenstand des Denkens ist. Diesen Satz geben die Ungenannten
zu {^bfjLoXoyo)v\ wenigstens thats&chlich , obgleich sie im Gegentheil
behaupten dass die Phantasia kein Kriterion sei; denn eben dass sie
etwas behaupten und eine positive Meinung aussprechen, setzt eine
83*
516 Excurs I.
Antiochos.^) Es fragt sich daher, ob nicht bei näherer Be-
trachtung die bei Sextos an dem stoischen Kriterion geübte
Kritik sich als eine herausstellt die auch die Billigung des
Antiochos finden konnte. Hier ist nun zu beachtoii, dass
diese Kritik den logischen Werth der greifbaren Vorstellung
nicht im Geringsten autastet Nirgends wird bestritten, dass
von einem Realen ausgehende und demselben entsprechende
Vorstellungen solcher Art wie sie von einem Nicht-Realen
nicht ausgehen würden d. h. solche Vorstellungen wie nach
der Lehre der Stoiker die greifbaren sein sollten (Sextos
248: xaTaXr]j€TiX7j öi iöxiv ij ajto vjtaQXOvrog xal xcci
avTO t6 vjraQXOv ivajtofiefjtoYfievr] xal lvajtEOg)QaYiO(iivtj,
ojtola ovx av yipoiro ajio fxrj vjtaQxovTO(i) in Wahrheit
Phantasia als Grund voraus. — Man kann übrigens noch Sext. dogm.
II 360 vergleichen, wo die hier vertheidigte Ansicht, dass die That-
sachen der Phantasia das sicherste £riterion abgeben und dass ein
dieselben bestreitendes Denken sich selber zerstört, ausdrücklich den
Dogmatikern zugeschrieben wird: dkXa ta <paiv6fjLiva, tpaalv ol SoyftO'
rixoi, ndvTcjg Sei tiO'ivai, ngdirov ort ovöhv s^OfASv tiioxotsqov av-
Tcwv, fZ^' 6x1 b xiv6)V avrd Xoyoq avxbq v(p^ kccvxov nsQiXQhiexai.
^) Bei Sex tos wird, nachdem im Sinne jüngerer Stoiker die
greifbare Vorstellung, gegen die sich nichts einwenden lässt, als
Kriterien bezeichnet worden ist, hieraus erklärt, dass die Menschen
alles thun um solche Einwände zu beseitigen; denn da solche Ein-
wände sich darauf gründen können dass wir um etwas genau zu er-
kennen zu weit entfernt oder dass unsere Sinnesorgane getrübt sind,
so treten die Menschen dem Gegenstand der Wahrnehmung näher
oder reiben sich die Augen (p. 258: öib 6^ xal nag avS-Qtanog, öiav
XI OTiovödZv fjiexä dxQtßeiaq xatakafjißdveaß^ai, x^v xoiavx^v tpavia-
alav i^ kavxov (xexaöiwxnv ipalveiat, oiov inl xwv oqoxwv, oxav
dfxvÖQov XafJißdvy xov vnoxetfjiivov ipavxaaLav, ivtelvei yaQ xtjv otpiv
xal avvsyyvg eg^exai xov bgwfiivov wg xikeov fit^ nkaväa&ai, naQa-
xglßii ydg xovg 6(p^alfxovg, xal xa&okov ndvxa noiei (xhxQ^i ^v xqu-
vtiv xal nhjxxixf^v anday xov XQivofjiivov (pavxaolav, dtg iv xaviji
xBifxivtfv ^eoiQiHv xr^v xijg xaxah}tpea)g nloxiv). Dass wir aber, ehe
wir einem Sinneseindruck volles Vertrauen schenken, erst alle die
Excurs I. 517
existiren oder das Kriterion sind. Die Bestreitung richtet
sich nicht gegen die Bedeutung, die diesen Vorstellungen für
die Erkenntnisstheorie sondern gegen diejenige die ihnen für
die Psychologie zukommt, und es werden nur solche stoische
Definitionen berücksichtigt, die von der Wahrheit oder Un-
wahrheit dieser Voi*stellungen absehen und ihr Wesen ledig-
lich bezeichnen insofern sie Vorgänge unseres Seelenlebens
sind. Daher werden bestritten die zenonische Definition,
wonach die Phantasia ein Abdruck in der Seele (rvjtmOig
iv yrvxv) ist und die verschiedenen Erklärungen, die hier-
von die Späteren, insbesondere Kleanthes und Chrysipp, ge-
geben hatten. Nichts nöthigt uns zu der Annahme, dass
Autiochos das Wesen der Phantasia in derselben Weise auf-
gefasst habe; daraus dass er den Werth derselben für die
Erkenntniss ebenso hoch schätzte wie die Stoiker ergibt es
sich noch nicht. Viel näher liegt die Annahme, dass An-
tiochos sich auch hier an die akademisch - peripatetische
Schule angeschlossen habe. Die Definition, welche Aristo-
teles von der Phantasia gibt, lautet in der Schrift von der
HiDdemisse beseitigen die sich seiner Reinheit möglicherweise ent-
gegenstellen, forderte auch Antiochos nach Cicero Acad. pr. 19: meo
autem judicio ita est maxima in sensibas veritas, si et sani sunt ac
valentes et omnia removentur, quae obstant et inpediunt. itaque et
lumen mutari saepe volumus et situs earuni rerum, quas intuemur,
et intervalla aut contrahimus aut diducimus, multaque facimus usque
eo dorn aspectus ipse fidem faciat sui judicii Gm^/p«? av rgavyv xal
nXrjxTixfiV onaay tov xQivofi^vov <pccvraalav). 46: quamobrem cum
duae causae perspicuis et evidentibus rebus adversentur, auxilia to-
tidem sunt contra conparanda. adversatur enim primum, quod parum
defigunt animos et intendunt in ea quae perspicua sunt (ivrelvet xtiv
ö\piv\ ut, quanta luce ea circumfusa sint, possint agnoscere. — Auch
was wir bei Soxtos 257 als Ansicht jüngerer Stoiker lesen , dass die
greifbare keinen Einwand zulassende Vorstellung sich die Zustim-
mung {avy^atd^eatq) erzwingt, kehrt als Ansicht des Antiochos bei
Cicero Acad. pr. 38 wieder.
518 Excurs I.
Seele (III 4 p. 429* 1): // q)avraOla av tltj xlvr/oig vjro rffi
aloB^t}(jeo)g Tijq xar^ IvtQyeiav yiyvoy.hvrig. Hiermit stimmt
die Auffassung der Phantasia, die Sextos den Peripatetikeni
zuschreibt, überein. ^) Vorthoilhaft unterscheidet sich diese
von der stoischen dadurch dass sie von den bei Sextos er-
wähnten Einwürfen nicht betroffen wird. Hinsichtlich der
von Chrysipp gegen Kleanthes gerichteten versteht es sich
von selbst, da dieselben die Körperlichkeit der Vorstellungen
zur Voraussetzung haben (229 f.). Sie leidet aber auch nicht
an der Unbestimmtheit, die man sowohl der ursprünglichen
Definition Chrysipps wie der modificirten zum Vorwurf
machen konnte.^) Vom Standpunkt dieser Definition aus
konnte daher Antiochos recht wohl mit der Kritik einver-
standen sein, wie sie bei Sextos an der stoischen Auffassmig
der Phantasia geübt wird. Legt man darauf Gewicht (wie
diess Zeller II 2 S. 546 Anm. thut), dass die Phantasia eine
Bewegung (xlvTjöcg, xlvtjfid) sei, so kann man die Vermuthung,
*) A. a. 0. 219: diib fihv yäg xwv ala^ixwv xivsttai fj aio^ti'
Ctg, dnh ös rfjg xazä ivagyfiav itfQl rtjv aia&rjotv xtvf^aeatg irnyl-
vetal XI xaxa ipvx^v xlvjjßa .... otisq ßvi^ßti xe xal <pavxaala xa-
?.elxai naQ^ avxotg.
^) Die modificlrte Definition Chrysipps lautet (236), dass die
Phantasia sei hxsQolisjOLq ne^l xb ^yefxovtxov. Dieselbe Definition,
sagten die Gegner, würde auch auf oQfjijj, ovyxcadO^eaig und xata-
lri\\)iq passen. Fassen wir nun mit den Peripatetikem bei Seztos die
Phantasia als eine Seelenbewegung, die zwar von der sinnlichen
Wahrnehmung ausgeht aber nicht die Sinnesafi'ection als solche dar-
stellt sondern den Gegenstand durch den dieselbe hervorgerufen wor-
den ist (Sextos 219: /wWi"'7 t^^^ "^^^ ^^Q^ ^^i^ ata^aiv Jid9i>vg, fov-
xaaia 6h xov ifxnoiTJaavxog xy aloBi^aec x6 nd^g ala^xov, vgl. dazn
161 ff.), so können die drei genannten Seelen vorg&nge nicht mehr mit
ihr verwechselt werden. Diese Definition ist auch gegen den Ein-
wurf geschützt, den man gegen Chrysipps ursprüngliche Definition
geltend machen konnte, dass ihr zufolge jede Verletzung des Fingers
oder ein Jucken an der Hand schon eine Phantasia hervorrufe (232).
Excurs I. 519
dass Antiochos in der Auffassung der Phautasia auf Aristo-
teles und nicht auf die Stoiker zurückgegangen sei, auch
durch Stellen wie Cicero Acad. pr. 30. 34. 48 bestätigen, in
denen das einzelne Phantasiebild (visum) aus einer Bewegung
(moveri) des Geistes abgeleitet wird. ^) Ein sehr nahe lie-
gender Einwand ist noch zurückzuweisen. Da wo Lucul-
lus im Namen des Antiochos die stoische Definition der
greifbaren Vorstellung billigt (Cicero Acad. pr. 18) definirt
er dieselbe als visum inpressum effictumque ex eo etc. Hier-
aus scheint zu folgen, dass Antiochos ebenso wie die Stoiker
die Phantasia als eine rvjtcoöig fasste. Uebereilt würde es
aber sein, wollte man daraus schliessen, dass Antiochos das
Wesen der Phantasia anders bestimmt habe als Aristoteles;
denn auch dieser hat die Phantasiebilder den Abdrücken
verglichen die das Siegel im Wachs* macht (de mem. 1
p. 450* 27 fif.) und im Grunde dasselbe thun die Peripate-
tiker bei Sextos, wenn sie das Phantasiebild eine von der
sinnlichen Wahrnehmung in der Seele zurückgelassene Spur
(Ix^og) nennen (220).
Dass der philosophische Standpunkt dessen von dem
Sextos seine historische Darstellung genommen hat, so weit
wir ihn noch erkennen können, kein anderer ist als derjenige
auf den die Ueberlieferung Antiochos stellt, ist durch das
Gesagte bewiesen. Dieses Resultat wird dadurch bestätigt
dass in einem einzelnen Falle auch die Form in der die
Polemik gegen die Skeptiker geführt wird dieselbe ist bei
Sextos und bei Cicero. Bei Sextos heisst es (260) von dem
Skeptiker der die greifbare keinem Einwand ausgesetzte Vor-
stellung nicht als Kriterion gelten lassen will: ra jigayfiara
^) Bei Sextos 162 scheint freilich Antiochos die Phautasia für
d^olwaiq zu erklären. Es darf aber nicht abersehen werden, dass
Antiochos dort zunächst nur Referent über die Lehre des Kamea-
des ist.
520 ExcuTB I.
fiiv oiioXoywv rrjv de (pavraolat^ r//^ alö&ijöscag, 6i^ jJc
r<DV jtQayfxdrcor dvriXa^ßavirai , diaßdXXcov rtXicoq ^orlv
kfißQOVTfjTog, xal rotg dxpvxoig löov avxov jtoi(5p (vgl
160). Gegen dieselben Skeptiker bemerkt Lucullas bei Ci-
cero Acad. pr. 31 Folgendes: ergo ei qui negant quicquam
posso conprehendi, haec ipsa eripiunt vel instrumenta ycI
ornamenta vitae, vel potius etiam totam vitam evertuut fun-
ditus ipsumque animal orbant animo, ut difficile sit de
temoritate eorum perinde ut causa postulat dicere (vgl. 38).
Bcmerkcnswerth ist ferner dass in dem gleichen gegen die
Skeptiker polemisirenden Abschnitt bei Sextos die greifbare
Vorstellung dem Lichte verglichen wird/) dieselbe Verglei-
chung aber in einem früheren Abschnitt wiederkehrt, für
den als Gewährsmann Antiochos ausdrücklich genannt wird.*)
Soll aber einmal* eine Schrift des Antiochos die Quelle
sein, dann kann auch keine andere in Betracht kommen als
die Kavovixd betitelte, da diess die einzige ist, die von
Sextos genannt wird (201). Auf dieselbe Schrift scheint
*) 259: xal yaQ akXcjg xovvavxlov ddvvarov iazi Xiyeiv xal
dvdyxTj (über diese Schreibart st. des überlieferten xat* dvdyxtiv b.
S. 514, 2 Tov d(piazdfjLfvov tov d^iovr, ort (pavvaala XQiziJQiov iau,
xa^^ kriQag <pavxaaiaq inoaraaiv xovxo ndaxovxa ßeßaiovv (darüber
dass die hierauf folgenden Worte x6 <pavxaalav slvai xQtx^Qtov la
streichen sind, s. o.), x^g ipvaevDq oiovel <piyyog ijiuv nQhq inlyvoh
aiv xijg dhi^elaq xr^v ala&rjxixrjv dvva/xiv dvaöovat^g xal t/)v <5i' av-
xfjg yivofitvrjv (pavxaalav. dxonov ovv iaxl xoaavxfjv övvafuv a^f-
xeTv xal xb cdotieq (pdig avxiSv d^aiQetaS-ai,
*) 163: SoTiEQ ovv x6 (pdig havxo xe öeixvvai xal ndvra xa h
avx^, ovxü) xal y <pavxaala, aQxvy^^ ovaa xfjg ne^l xb l^(pov «ÄJrJ-
aFQ)g, (pwxog ölxtjv havxt/V xe ^fx<favlt,etv d<pelXei xal xov Ttoii^ücnnog
avxT^v ivaQyovg ivSeixxix^ xad-eaxdvai. Auch hier darf man aber
nicht vergessen, worauf ich schon S. 519, 1 hingewiesen habe, das«
Antiochos zunächst nur als Referent über die Lehre des Eameades
citirt wird.
Excurs I. 521
auch der Ausdruck xavovl^ead'ai *) und die Vergleichung der
sinnlichen Wahrnehmung als des Kriterions mit dem xapcop^)
zu deuten. Es ist bemerkenswerth, dass des entsprechenden
lateinischen Wortes regula sich der Antiocheer bei Cicero
mehrmals^) bedient. —
Wollte man aus der historischen Darstellung des Sextos
einen Abschnitt für Ainesidemos retten, so könnte diess nur
derjenige sein, der die älteren Philosophen aufzählt, welche
das Vorhandensein eines Kriterions leugneten d. h. die Vor-
läufer der späteren Skeptiker (47 — 89). Dass der Urheber
dessen was dieser Abschnitt enthält ein anderer ist als der
dem die Geschichte der dogmatischen Philosophen gehört,
habe ich schon angedeutet, als ich (S. 77 ff.) auf die ver-
schiedene Auslegung hinwies, die dieselben Verse des Xeno-
phanes in den beiden Abschnitten finden. Die Auslegung
des zweiten auf einen Dogmatiker zurückgehenden Abschnit-
tes weiss dem eleatischen Philosophen das Geständniss ab-
zupressen, dass wenn auch nicht der Logos so doch eine
*) 175: T(p (ig inl xb noXv xdq xe x glasig xal xag nQa^eig xa-
vovt^^eaS'ai avfißißrjxev, vgl. 158.
*) 226 wird erst das Yerhältniss zwischen Sinneswahrnehmang
und Vernunft (vovg) dem zwischen oQyavov und xsxvlxrjg gleichgestellt
and dann so fortgefahren: aSansQ yccQ ^fxsZg ov dvvdfjie&a x^Q^^ i^'
yov T^v Twv ßaQStov xal xovipwv i^itaaiv TioieiaS'ai, ovdh axsQ xa-
vovog TTjv Twv edS^^ojv xal az^eßXcüv öiatpoQav Xaßelv, ovrwg ovöh
b vovg x^Q^^ alo&TJaeojg Soxifidaai niipvxe xa ngayfiaxa. Vgl. hier-
mit 29 ff. und bes. 36 ; ausserdem II 3.
') Acad. pr. 29. 32. 33. Namentlich die zweite dieser Stellen
muss beachtet werden: volunt enim probabile aliquid esse et quasi
veri simile, eaque se uti regula et in agenda vita et in quaerendo
ac disserendo. Bedenken wir dass die skeptischen Akademiker ge-
meint sind, so ist frappant die Uebereinstimmung der clceronischen
Worte mit den ebenfalls auf die Akademiker bezüglichen bei Sextos
175: r^ yaQ (bg inl xb noXv (das probabile) xdg xe xglaeig xal zag
n^S^ig xavovllC,sad'ai avfjißißfjxsv.
522 Excurs I.
Art von Logos (do^aörog Xoyoq) das Kriterion sei, dass
nicht jedes Erfassen der Wahrheit sondern nur das wissen-
schaftliche unmöglich sei {q)alv8rai fi^ Jtäöap xaxaXrppiv
dvaiQBlv äXXa xifV ijiiöTTjfiopix^v re xal d6icüixanov)\ im
ersten dagegen wird er den Skeptikern boigezäMt, denen
die jedes Erfassen der Wahrheit, nicht bloss das wissen-
schaftliche für unmöglich erklärten. Da nun wie wir aus
Diog. IX 72 ersehen die Pyrrhoneer Xenophanes unter ihre
Vorgänger rechneten, so liegt die Vermuthung nahe dass der
erste Abschnitt des Sextos von einem Skeptiker dieser Rich-
tung stamme, also von Ainesidem. Ehe wir aber diesen
Schluss wirklich ziehen, wird es gut sein die ganze bezüg-
liche Stelle herzusetzen und näher zu prüfen (49 ff.): cor
(diejenigen die jedes Kriterion aufhoben sind gemeint) &-
voq>dvrjg (ikv xard rivag eljtwv Jtdvra dxcctdXrjjtta ixl
ravrtjg iötl rf/g q>OQäg, Iv olg YQdq>ei
xal x6 fJBV ovv öaq>Bg ot rig dvtjQ iöev oväd rig eCtai
elömg dfxq)l d-ecov re xal dooa Xiym üibqI jtdvrcov
el ycLQ xal xd fidXiöra xvjpi rereXeöfxavov aljtcop,
avTog ofxog ovx ol6e, öoxog 6^ inl jcäöi rsTVXTai,
öid Tovtcov ydg Oa^eg fiev. toixe keyeiv rdXfjd-eg xal ro
yvcigifiov, xad^o xal Xiyexat
djcXovg 6 /ivd-og rfjg dXfiß-slag eq)v,
dvÖQa 6e top dv&Qmjtop, rm eldixm xaTaxQ(O(i£P0g dvr)
xov ytpovg' sidog ydg dpd'Qcijtov xa^iöxrjxtp 6 dptiQ, övr-
rid^eg cf' tört xomco ;f()^ö^«t reo XQOJicp xF^g q>Qdöea>g xal
^InnoxQdxu, oxap Xiyxi ^^yvp?] d(i^i6i§tx>g ov ylptxai^, xov-
xiöxi d^TjXua kv xotg de^iolg (legeoi xfjg fiTJxgag ov cwi-
öxaxai, dfx^l ^ecor 6e vjtoöeiyfiaxix(og jibqI xipog x(5p «AJ-
Xa>p, öoxop Sh X7]P öoxfjoip xal xtjv cfogar. woxb xoiovxov
eipai xaxd e^djtXa^öip x6 vjt^ avxov Xsyo/ispop „ro (lep ovv
Excurs I. 523
dXfi&eg xal yvciQifiOP ovösig avB^QCojcog olös, x6 ye iv rolq
ddi^Zoig JtQayfiaOiv xiip yaQ Ix rvxfjg ijtißdXXjj rovrco,
o(i(oq ovx oldtv ort IjtißißXrjXSP avtcp, dXX" oterai xal öo-
X£f." äöJtsQ ycLQ el iv C,oq)BQco olxrjfiari xal jtoXZa exovtc
x€i(ii]Xia vnod^olfiBd'a rivag xpvöoi' C^rjrovpraq, vjtojieöstrai
öiori ixaörog fjlv tovtov Zaßofiepog xivog rcov hv zw oU
xij/iari XBifiivcDV ol/iOsrai xov ;fpt;(Jot5 ÖBÖQax^cLi, ovÖBlg
öl avTCOv törai Jtsjteiöfitvog ort reo XQ^^V ^fp^^^föf, xdv
fidjUöza Ti5^^ T0WC9 JttQiJte^tzcoxcig , ciöe xal elg xovxovl
xov xoOfdov SöjtsQ XLva fiiyav olxov xaQfiXd^e nXfjd'Og 90^-
Xoö6fp(ov Inl XTjv xfjg dXrjd^dag C^ttjöiv, }}g xov Xaßofisvov
stxog löxLv djtiöxeTv oxi evöxoxfjOev. Diese Worte zeigen
bei näherer Betrachtung dass man den Stifter der eloa-
tischen Schule zum Vertreter nicht des Skepticismus über-
haupt sondern einer bosondem Art desselben machte. Ich
habe früher (S. 29, 1) von dem Unterschied der akade-
mischen und pyrrhonischen Skepsis gesprochen und den-
selben darein gesetzt, dass die Akademiker es überhaupt
für unmöglich erklärten die Wahrheit zu finden, die Pyr-
rhoneer nur bestritten dass sie bis jetzt gefunden sei. Hält
man nun diesen Unterschied fest, so erscheint Xenophancs
in der angeführten Stelle als ein Vertreter nicht der pyr-
rhonischen sondern der akademischen Skepsis. Denn, was
die letztere charakterisirt, die absolute Leugnung der Mög-
lichkeit jedes Wissens wird ihm hier zugeschrieben, und es
wird diese Leugnung auf die UnUnterscheidbarkeit der wah-
ren und falschen Vorstellungen*) d. h. auf den Grund ge-
stützt, dessen sich die Akademiker vorzüglich bedienten.*)
Wir werden daher Sextos' Gewährsmaim nicht bei den Pyr-
^) Denn auf diese bezieht sich doch 52 waneg yäg d iv ^o-
<pfg(p olxfj/xaii xiX.
«) Sext. dogm. I 164. 252. 402 ff.
524 Excure I.
rlfoneern sondern bei den Akademikern suchen, und denken
in diesem Falle natürlich an Kleitomachos (vgl. dogm. III
1. 182. math. II 20). i)
^) Dieser Excurs war schon niedergeschrieben als Natorps Ab-
handlung aber Ainesidem (Rhein. Mus. 1883 S. 28 ff.) erschien. Hier-
nach wäre der Quellenschriftsteller den wir suchten nicht Antiochos
sondern der genannte Pyrrhoneer gewesen. Nach der ausführlichen
Begründung meiner eigenen Ansicht brauche ich mich auf eine
WiderleguDg dieser abweichenden nicht noch einzulassen. Nur zwei
Punkte will ich henrorheben. Der eine ist dass Natorp selber neb
zu wesentlichen Einschränkungen seiner Hypothese genöthigt sieht
(S. 133, 1); der andere dass das Fundament seiner Untersuchung die
vorausgesetzte Identität der von Ainesidem bei Photios berücksich-
tigten theilweise stoisirenden Akademiker mit Antiochos bildet, die-
ses Fundament aber durch meine frühere Erörterung (S. 230 ff.) zer
stört worden ist.
Exenrs n
(zu S. 214, 1).
Um Philon die Lehre vom Augenscheinlichen zuzuwei-
sen und insbesondere auch um dessen Inhalt genauer zu
bestimmen hat Zeller sich auf Cicero berufen, der ein Schü-
ler Philons war und bei dem das unmittelbare Wissen eine
so grosse Rolle spiele. Zeller hat von letzterem insbeson-
dere S. 659 f. gehandelt Aber ist denn durch das was er
dort bemerkt wirklich bewiesen, dass Cicero ein solches
Wissen angenommen habe wie kein anderer Philosoph, Phi-
lon ausgenommen, vor ihm? Das unmittelbare Wissen Cice-
ros, sagt Zeller, sei ein augebornes und ein solches hätten
weder Piaton und Aristoteles noch Epikur und Zenon be-
hauptet. Nun ist es richtig, die platonischen Ideen sind
dem Menschen nicht von Anfang an mit voller Klarheit
gegenwärtig, vielmehr muss die Erimierung daran erst durch
methodisches Studium geweckt werden: insofern kann also
mit Bezug auf sie von einem angebornen Wissen nicht ge-
sprochen werden, sondern nur von angebornen Keimen des
Wissens die erst entwickelt werden müssen. Ist es aber mit
dem angebornen Wissen Cioeros etwa anders? Dass auch
dieses nicht schon in sich vollendet ist, dass es noch nicht
auf den Namen eines Wissens im strengen Sinne Anspruch
hat, zeigt vielmehr deutlich eine Stelle auf die auch Zeller
einen besonderen Werth zu legen scheint, de fin. V 59: (na-
tura homini) dedit talem mcntem, quae omnem virtutem
526 Excars n.
accipere posset, ingenuitque sine doctrina notitias
parvas rerum maximarum et quasi iiistituit docere et
induxit in ea quae inerant tanquam elementa virtutis. Hätte
Cicero sich die sittlichen Gmndbegi'iffe als vollkommen klare,
als ein Wissen gedacht, so würde er sie nicht notitias par-
vas genannt haben: denn darin liegt ausgesprochen dass sie
nur die Anfänge von Begriffen sind, nicht schon selbst eine
volle Erkenn tniss enthalten. War Ciceros Gedanke, nur we-
nige sittliche Grundbegriffe habe die Natur in unsere Seele
gepflanzt, diese aber mit vollkommner Klarheit, so hätte er
sagen müssen notitias paucas. Man sieht also dass in
dieser Hinsicht der Unterschied zwischen dem angebomen
Weissen Ciceros und den platonischen Ideen doch nicht so
bedeutend ist. Aber freilich in anderer Hinsicht ist ein
solcher nicht zu verkennen: denn während die Ideen nicht
so sehr der Anfang als das Ziel aller Forschung sind, ver-
hält es sich mit dem unmittelbaren Wissen Ciceros gerade
umgekehrt. Es ist dies diejenige Seite des ciceronischen
Wissens auf der seine Aehnlichkeit mit der epikureisch- stoi-
schen Prolepsis uns entgegentritt (s. über diese Cicero nat
deor. I 43. Sext. math. I 57. Clemens Alex. Strom. II 157 Sylb.
Diog. VII 54). Beide aber deshalb mit einander zu iden-
tificiren verbietet uns Zeller, der zwischen ihnen den wesent-
lichen Unterschied findet dass das Wissen Ciceros uns an-
geboren sein soll die Prolepsis dagegen erst aus der Erfah-
rung abstrahirt ist Sehen wir zu ob dieser Unterschied
wirklich besteht. Das ist richtig, die Prolepseis sind keine
angebomen Vorstellungen. Aber sind es diejenigen um deret-
willen Zeller Cicero die Lehre vom angebomen Wissen zu-
schieibt? Zu dieser Annahme ist er geführt worden durch
Stellen wie Tusc. III 2: sunt enim ingeniis nostris scmina
innata virtutum. Dass indessen innatus immer die Bedeu-
tung von „angeboren" haben müsse, ist von Schoemann zu
Excurs II. 527
Cicero nat. deor. I 44 bestritten worden. Nach ihm könnte
es auch bloss die naturgemässe Entstehung in der Seele be-
zeichnen. In diesem Falle würde aber was Zeller das an-
geborne Wissen nannte sich von der Prolepsis nicht mehr
unterscheiden; denn das Eigenthümliche der letzteren beruht
ja gerade darauf dass sie nicht wie andere Vorstellungen
künstlich hervorgebracht wird sondern auf natürlichem Wege,
uns unbewusst in der Seele entsteht (ewoia g>vöixfi '^^^
xad-oXov wird sie bei Diog. VII 54 definirt Plutarch. plac.
IV 11 = Diols doxogr. S. 400, 17 ff.). In derselben Weise
liesse sich dann auch das „ingenuit** in den schon angeführ-
ten Worten de fin. V 59 fassen. Ich will aber die Unzu-
lässigkeit dieser Erklärung zugeben, so bleibt die Möglich-
keit eines Missverständnisses auf die bereits Madvig zu de
fin. I 31 hingedeutet hat. Cicero konnte einen griechischen
Autor, der von Vorstellungen sprach die die Natur selber
uns eingepflanzt habe und darunter solche meinte die auf
natürlichem Wege entstanden seien, dahin missvorstehen als
ob er augebomo Vorstellungen gemeint habe und also an
die Stelle der natürlichen Vorstellungen überhaupt eine be-
sondere Art derselben setzen. Die Annalime eines solchen
Missverständnisses ist doch wohl so schwierig nicht, und wir
werden sie immer noch lieber machen ehe wir Cicero eine
so absonderliche Lehre wie die vom angebomen Wissen
sein würde zutrauen. Hat doch Zeller selber (III 1 S. 389, 2)
Cicero ein Missverständniss dieser Art Schuld gegeben I Um
so leichter ist ein solches denkbar, wenn wir uns des grie-
chischen Ausdrucks €fiq>vTog erinnern der gebraucht wurde
um natürliche aber darum noch nicht angeborne Vorstel-
lungen (die jtQoXrftpeig nannte Chrysipp so nach Plut. de rep.
Stoic. c. 17 p. 1041 E) zu bezeichnen und den es doch sehr
nahe lag durch innatus wiederzugeben. Mag es sich aber
hiermit verhalten wie es will, wir bedürfen dieser Erörte-
528 Excurs II.
rung nicht. Denn auch ohne sie ist es eine Thatsache dass
Cicero gelegentlich von angebornen Vorstellungen zu sprechen
scheint und dabei doch nichts weiter als die Prolepseis im
Sinne hat Diess sehen wir deutlich nat deor. I 44: com
enim non instituto aliquo aut more aut lege sit opinio con-
stituta maneatque ad unum omnium firma consensio, intel-
legi necesse est esse deos, quoniam insitas eorum vel potius
innatas cognitiones habemus. Dass unter den innatae cogni-
tiones die Prolepseis zu verstehen sind, lehrt der Zusammen-
hang in dem die angeführten Worte stehen. Ausserdem hat
Schömann noch auf II 12 hingewiesen wo mit Bezug auf die
stoische Prolepsis gesagt wird: omnibus innatum est et in
animo quasi insculptuni esse deos. Was kann uns nun noch
hindern in Ciceros angebomem Wissen die Prolepsis zu er-
kennen? In der schon angeführten Stelle de fin. V 59 wird
hervorgehoben dass es sine doctrina entstanden sei; ebenso
sagten aber die Stoiker von der Prolepsis dass sie avev di-
öaoxaXlag zu Stande komme wie wir aus Plut. plac. IV 11
(= Diels doxogr. S. 400, 17flf.: tojp 6i hfvoiwp al fihv q>V'
Oix(og ylvoinai xara xovq elQijfiivovg ZQOJtovg xal dvexi'
TBXPf]Tcog, al öh ?jdrj 6l^ f^fisrtQag diöaOxaXlag xal ixiiit-
Xslag. avrai fiel' ovv svvocai xaXovvrai fiovov, ixBlvai 6\
xal jcQoXrf^tig) entnehmen können. Der einzige Einwand,
der sich hiernach noch gegen die Identificirung des angebor-
nen Wissens luid der Prolepsis erheben Hesse, wäre der dass
beide ihrem Inhalte nach nicht übereinstimmten. Zum In-
halte des angebornen Wissens gehören nun nach Zeller die
sittlichen Grundbegriflfe, wie dies aus Tusc III 1 (sunt enim
iugeniis nostris semina innata virtutum; quae si adolescere
liceret, ipsa nos ad 1)eatam vitam natura perduceret) und
legg. I 33 (atque hoc in omni disputatione sie intellegi volo,
jus quod dicam natura esse, tantam autem esse corruptelam
malae consuetudinis, ut ab ea tanquam igniculi exstinguan-
Excurs IL 529
tur a natura dati exorianturque et confirmentur vitia con-
traria) erhellen soll. Aber auch die Prolepsis der Stoiker
umfasste die Vorstellungen von dem was gut und was ge-
recht ist (Diog. L. VII 53: g)vöcxcog de t^oslrai ölxaiov ri
xal dyad-op, vgl. dazu die Definition der Prolepsis 54: ?r-
voia ipvOLxi] rmv xaß-oXov), und mit den Worten aus der
Schrift von den Gesetzen (jus quod dicam natura esse) lässt
sich insbesondere noch vergleichen Diog. VII 128: g>vösc x6
dlxacov elvai xal fir ß-iösi. Weiter ist uns nach Cicero
der Glaube an ein göttliches Wesen angeboren. Diess be-
weist Zeller, indem er sich auf de legg. I 24 und Tusc. I
30 und 36 beruft Allerdings spricht an diesen Stellen
Cicero selber, und das ist wohl der Grund weshalb Zeller
sie gerade ausgewählt hat. Denn ganz dieselbe Ansicht
äussert auch der Stoiker Baibus an der schon angeführten
Stelle nat. deor. II 12 (vgl. auch 5: naturae judicia) und
umschreibt damit wie schon bemerkt nur was die Griechen
Prolepsis nannten. Nun gehört aber zu diesen angeborenen
Wahrheiten nach Cicero auch die Fortdauer der Seele nach
dem Tode, vgl. Tusc. I 30 u. 36, von den Stoikern dagegen
wird meines Wissens nirgends überliefert dass sie sich zum
Beweise einer solchen Fortdauer auf einen von Natur uns
innewohnenden und deshalb bei allen Völkern wiederkehren-
den Glauben daran berufen hätten. Sonach scheint doch
zwischen der stoischen Prolepsis und Ciceros angeborenem
Wissen ein Unterschied zu bestehen, indem dieses sich wei-
ter erstreckte als jene. Indessen ist diess wohl nur ein
Schein mit dem die mangelhafte Ueberlieferung uns täuschen
möchte. Wie viel wissen wir denn überhaui)t von der stoi-
schen Lehre? In der Regel sind es doch nur die fertigen
Dogmen, während unser Fragen nach den Gründen unbeant-
wortet bleibt. So wissen wir auch dass die Stoiker zwar
an eine persönliche Fortdauer der Seele glaubten, worauf
Uirzel, Untersuchungen, lü.. 34
530 Excara H.
sie aber diesen Glauben stützten erfahren wir nicht da die
Gottverwandtschaft des menschlichen Geistes hierfür nicht
ausreicht Diese offenbare Lücke zu ergänzen bietet sich
eben Ciceros Ansicht dar. Und in der That wer einmal
wie die Stoiker den allgemeinen Glauben der Menschen an
Götter zum Beweise ihrer Existenz benutzt hatte , für den
lag es nahe genug auch die Unsterblichkeit aus der überall
verbreiteten Ueberzeugung davon zu erschliessen. Ungesucht
musste sich diese Analogie darbieten, wie sie denn attch
Cicero an den beiden angeführten Stellen hervorgehoben hat
Auch dieses Hinderniss das sich unserem Versuche das an-
geborene Wissen Ciceros auf die stoische Prolepsis zurück-
zuführen entgegensetzen wollte, ist hiermit beseitigt Und
es ist diess eigentlich das letzte Hinderniss. Denn was
Zeller ausserdem zur Bestätigung seiner Meinung beibrii^
steht doch nur in einem losen Zusammenhang mit ihr. Um
nämlich zu zeigen wie charakteristisch es für Cicero ist die
Philosophie sowohl als die Sittlichkeit auf das unmittelbare
Bewusstsein zu gründen, weist er zum Schluss noch darauf
hin dass die Freiheit des Willens von Cicero einfach als
innere Thatsache vorausgesetzt werde. Und allerdings thut
diess Cicero de fato c. 14, welche Stelle Zeller angeführt
hat: denn er billigt hier die gegen den stoischen Determi-
nismus gerichtete Schlussfolgerung des Kameades, diese aber
hat ihren Angelpunkt in dem Satze „est aliquid in nostra
potostate". Für Ciceros eigen thümliche Ansicht charakte-
ristisch ist aber diese Voraussetzung keineswegs. Vielmehr
sehen wir aus der gleichen Schrift dass auch Chrysipp die-
selbe vollkommen anerkannte, vgl. 18, 41: Chrysippus autem
cum et necessitatem inprobaret et nihil vellet sine praepo-
sitis causis evenire, causarum genera distinguit, ut et neces-
sitatem effugiat et retineat fatum. „causarum enim", inquit,
aliae sunt perfectae et principales, aliae adjuvantes et pro-
Excurs n. 531
ximae; quam ob rem cum dicimus omuia fato fieri causis
antecedeutibus, non hoc intellegi volumus, causis perfectis et
principalibus, sed causis adjuvantibus et proximis." itaque
Uli rationi, quam paulo ante conclusi, sie occurrit, si omnia
fato fiant, sequi illud quidem, ut omnia causis fiant ante-
positis, verum non principalibus causis et perfectis sed ad-
juvantibus et proximis. quae si ipsae non sunt in no-
stra potestate, non sequitur ut ne adpetitus quidem
sit in nostra potestate: at hoc sequeretur, si omnia
perfectis et principalibus causis fieri diceremus,
ut, cum eae causae non essent in nostra potestate,
ne ille quidem esset in nostra potestate. quam ob
rem qui ita fatum introducunt, ut necessitatem adjungant,
in eos valebit illa conclusio; qui autem causas antecedentis
non dicent perfectas neque principalis, in eos nihil valebit.
Nur deshalb, wie jeder sieht, giebt sich Chrysipp so viel
Mühe mit der Unterscheidung verschiedener Arten von Ur-
sachen, weil auch er von der Voraussetzung ausgeht dass
gewisse Dinge in unserer Macht stehen (in nostra potestate
sunt) und dass dazu insbesondere unsere Triebe und Willens-
rcgungen gehören. Wenn also auch Cicero derselben Mei-
nung war, so sprach er damit keineswegs eine ihm eigen-
thümlich gehörende oder nur mit Philon gemeinsame Ansicht
aus sondern befand sich in voller Uebereinstimmung mit
Kameades sowohl als Chrysippos. — Das Gesagte genügt
um das Dogma vom angeborenen Wissen in Zukunft von
Darstellimgen der philonischen und ciceronischen Lehre fem
zu halten, wenigstens von solchen die nur das Eigenthüm-
liche und für die genannten Männer Charakteristische her-
ausheben wollen. Trotzdem scheint es mir am Platze noch
gegen die Art und Weise Einspruch zu erheben, mit der
Zeller in diesem Falle sich die Mittel des Beweises verschafft
hat. Um Ciceros eigenthümliche Ansicht festzustellen bemft
532 Excors n.
er sich zum Theil auf solche Stellen, in denen wie in den
aus den Tusculanen und der Schrift über die Gesetze ge-
nommenen Cicero im eigenen Namen spricht. Auch aus diesen
Stellen ergab sich indessen nur so viel, was Cicero damals,
als er die betreffende Schrift verfasste, für seine Ueberzeu-
gung angesehen wissen wollte; dass es originale Gedanken
oder diejenigen Philons waren, liess sich doch erst dann be-
haupten wenn einigermaassen festgestellt war aus welcher
griechischen Quelle die betreffende Darstellung geflossen ist
und bis zu welchem Grade sie von ihr abhängt. Denn wenn
sich etwa alles Uebrige als stoisch erweisen sollte, so ist es
doch sehr unwahrscheinlich dass mitten darin vereinzelte
Orginalgedanken Ciceros oder Philons ausgesprochen werden
wenn dieselben nicht ausdrücklich als solche bezeichnet sind.
Doch will ich hierauf nicht so viel Gewicht legen. Aber wie
kann Zeller zur Erkenntniss von Ciceros und Philons eigen-
thümlicher Lehre das fünfte Buch der Schrift de finibus be-
nutzen, wie er doch S. 659, 4 thut? Denn hier ist es nicht
Cicero der spricht sondern Piso, mit dem jener sich durchaus
nicht einverstanden zeigt (75 ff.), und ausserdem ist noto-
risch die ganze Darstellung von Antiochos entnommen.
Ausführliches Inhaltsverzeichniss
zn allen drei Bänden.
Zum L Band.
De Natura Beorum«
I. Vorbetnerktmg über Cicero's VerhäUniss zu seinen Quellen S. 1
Die Benutzung von Philodems Schrift gibt nicht allein den
Massstab ab. Umstände die ein verschiedenes Verhältniss andeuten
und erklären. Das Timäusfragment.
II. Die Quellen des ersten Buches S. 4
1. Die Quellen der Darstellung der epikurei-
schen Lehre S. 4
Der historische Theil ein Excerpt aus Philodem neQl evaeßelag
— 9; die beiden übrigen Theile stammen aus einer einzigen Quelle
welches nicht die Schrift Philodems war — 25; auch nicht eine
Schrift des Phaidros sondern Zenons — 32.
2. Die Quellen der Kritik der epikureischen
Lehre S. 32
Dass Posidon nicht die Quelle sein kann — 36; aus der Ver-
gleichung von Sextos folgt dass es Kleitomachos war — 43; auch für
die beiden letzten Capitel gilt diess — 45.
III Erklärung einiger Stellen des ersten. Buches .... S. 46
1. 49 ist nach Maassgabe von Cottas Kritik zu behandeln; Be-
deutung des Ausdrucks ad numerum der = ;^ar' txQid'fibv — 56; die
transitio entspricht der dvxavankiqQioaiq — 59; diese und die simili-
tudo ermöglichen nach Epikur die Wahrnehmung — 61; auf dem-
selben Wege lernen wir nach ihm ein sowohl ewiges als seliges
Wesen, die Gottheit, kennen — 68; Cicero hat die Lehre Epikurs
534 AosfUhrliches Inhaltsverzeichniss
von den Göttern miss verstanden und die letzteren mit ihren Bildern
verwechselt — 85.
2. Die 50 und 109 erwähnte epikureische Lehre von der iaoro-
[xia findet sich auch bei Lucrez — 90.
3. Cicero hat 26 eine auf Anaxagoras bezügliche Stelle Philo-
dems falsch verstanden — 97.
IV. Differenzen in der epikureischen Schule S. 98
Die vorherrschende Stabilität der epikureischen Lehre und ihre
Ursachen — 107; Epikur schloss sich an Demokrit an, in der Kano-
nik — 134; in der Ethik — 154; in der Gesammtrichtung seines
Philosophirens — 160; entfernte sich von ihm zuerst in der Erkennt-
nisstheorie — 162; wurde bei den Modificationen der demokritischen
Lehre durch die Peripatetiker boeinflusst — 165; Streit zwischen
seinen Schülern Timokrates und Metrodor — 168; Fortsetzung des-
selben bei den Späteren, vorzüglich in den verschiedenen Theorien
der Freundschaft — 172; der Einfluss des Karneades führt zur wei-
teren Entwicklung der Lehre von den Göttern sowie zu einem aus-
gedehnteren Gebrauche der Dialektik — 180; Ursprung und Wesen
der epikureischen Sophisten — 185; die ursprüngliche Eanonik Epi-
kurs ist bereits von diesem, nicht erst von den Epikureern weiter aus-
gebildet worden — 187; Unterschied zwischen Esoterikem und Exo-
terikem — 190.
F. Die Quellen des zweiten und dritten Buches. Panaüios.
Poseidonios S. 191
1. Die Quellen des zweiten Buches.
Posidon TieQl &t<iiv ist von Cicero benutzt worden — 194; diess
wird für den letzten Theil der Darstellung nachgewiesen — 197; da-
neben ist für den dritten Panaitios ne^l ngovoiaq — 203; für den
ersten wahrscheinlich wiederum Posidon, für den zweiten dagegen
Apollodoros nfQl ^ewv benutzt — 220; Posidon urtheilt über die
etymologische Auslegung der Mythen ähnlich wie Piaton — 224;
Panaitios* und Poseidonios* Zweifel am Weltbrand — 230; Panaitios*
und Poseidonios* Ansichten über die Unsterblichkeit — 232; Panai-
tios* Athetese des Phaidon — 240; Piatonismus beider, Kinflnfw des
Kameades auf Panaitios — 243.
2. Die Quellen des dritten Buches.
Dass eine Schrift des Kleitomachos die Hauptqaelle war wird
durch einen besonderen Umstand aufs Neue bestätigt — 244.
zu allen drei Bänden. 535
Zum n. Band.
i. Di€ Entwicklting der stoischen Philosophie S. 1
Der Stifter der Schule schliesst sich an die Kyniker an und
übernimmt von diesen den 6g&6g koyog als Kriterien — 23 ; gebt ins-
besondere auf Antisthenes zurück — 33; weicht aber im Einzelnen
schon in der nohreia von ihm ab — 38; die heraklitisirende Natur-
philosophie ist mit dem Kynismus durch den Xoyog vermittelt — 40;
Schrift über den ?^yog — 42; allgemeine Charakteristik seiner Phi-
losophie — 43.
Abfall unter seinen Schülern, Ariston, Herillos — 58; Per-
saios sein treaester Schüler, die dissentirenden Stoiker vereinigen
sich in der Verehrung für Sokrates — 84.
Kleanthes führt Zenons Lehre in ihrem ganzen Umfange fort
— 86; seine Beschäftigung mit Dialektik und Rhetorik — 88; mit
der Ethik in der er nicht als Kyniker erscheint, seine Schätzung der
Lust — 96, Lehre von den Tugenden wonach die ^yxQaxfia an die
Stelle der (pQovtjaig tritt — 104, seine Beurtheilung des paränotischen
Theils — 105; oigenthümliche Auffassung des höchsten Gutes die
ihn ebenso wohl von Zenon wie von Chrysipp unterscheidet — 115
und ihn als Herakliteer charakterisirt — 118; das letztere bestätigt
durch seine Lehre vom Ursprung der Tugend — 119, von der Gestalt
der Gestirne -- 122, von der Ernährung der Sonne — 124, vom Ent-
stehen und Vergehen der Welt das er anders nicht nur als Chrysipp
sondern auch als Zenon und die späteren Stoiker erklärt — 133, von
den Elementen — 134, vom Sitz des Göttlichen in der Welt — 135,
vom Ursprung des vernünftigen Seelentheils der von aussen in den
menschlichen Leib eintreten soll — 158, vom tovog — 160, vom
Wesen und Ursprung unserer Vorstellungen — 169, in Heraklits
Sinne ist endlich auch die Antwort welche Kleanthes auf die von
verschiedenen Stoikern verschieden beantwortete Frage nach den
Theilen der Philosophie gab — 179; zusammenfassende Charakte-
ristik des Kleanthes — 182.
Chrysipps Verdienst um Dialektik und Erkenntnisstheorie
— 183, die xaraXijmiXTi (pavxaala — 188, durch das Hinzutreten der
avyxaxa^eaig entsteht aus ihr die xardhjtpig, aus der dxardXrjntog (p.
die öo^a — 195, die Ueberlieferung dass die älteren Stoiker im o^-
d^g Xoyog das Kriterien sahen und die Vermuthung dass erst Chry-
sipp die TiQoXijtpig eingeführt hat wird hierdurch aufs Neue bestätigt
— 196, der Inhalt des ÖQd'bg koyog und der nQokiftpEig ist verwandter
536 Ausführliches InhaltsTerzeichniss
Art — 198; einen wichtigen Schritt that Chrysipp in der stoischen
Theologie durch Weiterbildung des Pantheismus der in der Schule
verschiedene Stufen durchlaufen hat — 201, Hauptunterschied zwi-
schen ihm und Kleanthes — 206, Arat kann hiergegen nichts be-
weisen — 207, Bestätigung durch den Epikureer bei Cicero de nat
door. — 210, ein fernerer Unterschied zwischen beiden besteht darin
dass nach Chrysipp die Gottheit an das nvsv/xa nach Kleanthes an
das Feuer gebunden ist — 212, Chrysipps Lehre hat bei den späte-
ren Stoikern den Sieg davon getragen — 212, wiederum eigenthüm-
lich ist Zenons Ansicht der nur den Keim des Pantheismus legte
den Kleanthes weiter entwickelte und erst Chrysipp zur vollen Keife
brachte — 219, den verschiedenen Auffassungen des Pantheismus ent-
sprechen die verschiedenen Ansichten über die Weltbildung — 221;
auch die späteren Stoiker weichen in der näheren Bestimmung des
Pantheismus von einander ab — 221, eigenthümlicher Standpunkt
des Bo§thos von Sidon der in der Theologie auf Kleanthes zurück-
zugehen — 228, in der Erkenntnisstheorie aber den Peripatetikem
zu folgen scheint — 230.
In der Zeit nach Chrysipp tritt in demselben Maasse als das
naturwissenschaftliche Interesse abzunehmen scheint die Ethik mehr
in den Vordergrund — 230; in der Bestimmung des höchsten Gutes
stimmen unter sich überein Diogenes von Babylon, Antipater von
Tarsos und Archedemos — 234, unterscheiden sich eben darin von
Chrysipp — 239; die Ursache hiervon war die Polemik des Kamea-
des — 249, deren Einfluss sich auch noch nach anderen Richtungen
zeigt — 253; daneben macht sich auch ein gewisser Platonismos
geltend — 257.
Für Panaitios ist charakteristisch sein Piatonismus so wie der
Antheil den er an philologisch-historischen Studien nahm, zu welchen
letzteren er den Hauptanstoss von Krates empfing, aber auch durch
Diogenes von Babylon angeregt werden konnte — 261; hieraus ist
vielleicht die Nachricht zu erklären dass er und Poseidonios die
TiQOTjyfjieva als dyccS^ä bezeichnet haben sollen — 266, populäre Dar-
stellungsweise in Panaitios* — 269, in Posidons Schriften — 271.
Auf eine andere Erklärung joner Nachricht leitet eine Betrach-
tung über das Ideal des Weisen. Die Realisirbarkeit desselben
kann in der stoischen Schule nicht von Anfang an geleugnet worden
sein — 273; Entwicklung desselben durch die Geschichte der grie-
chischen Philosophie verfolgt, die Sophisten — 273, die Kyniker — 274,
Zenon und seine unmittelbaren Schüler — 277, Piaton und Ansto-
zu allen drei Bänden. 537
ieles 277, Epikureer und Skeptiker — 279, Ghrysipp zieht der
Wirklichkeit des Weisen engere Grenzen — 28 j, Spätere wie Posei-
donios leugnen sie ganz — 293, dass hierauf die veränderten Zeiten
einwirkten zeigt Epiktets Verhalten zu der Frage — 298; bestätigt
wird letzteres noch durch die Aufnahme die dieses Ideal bei den
Römern fand — 308. — Die Auffassung des Weisen-Ideals war von
Einfluss auf die Entwicklung der stoischen Moral, welche so lange
jenes Ideal als realisirbar galt einfach blieb, dann aber in zwei
Arten zerfiel deren eine nur für den Weisen, die andere für die
Nichtweisen galt — 311, diess wird nachgewiesen an den Vorschriften
über die Liebe — 314, über die Wohlthaten — 315, darin dass von
der Selbstgenügsamkeit der Tugend für die Nicht- Weisen etwas nach-
gelassen wird — 317, dass bei Seneca zwei Arten von Wohlthaten,
des xakov, von weisen und guten Menschen unterschieden werden
— 319; Aehnlichkeit dieser Auffassung der Moral mit der Lehre
Herills — 320; dieselbe Auffassung kehrt aber auch bei Cicero wie-
der — 325, Zurückführung derselben auf Posidon — 327; dieselbe
ist auch bei Panaitios vorauszusetzen — 330. — Von dem so gewon-
nenen Standpunkt aus wird abermals die Nachricht über Posidons
und Panaitios* Gütorlehre gerechtfertigt — 331.
Derselben Rechtfertigung dient auch die Parallele die sobald
jene Nachricht als wahr angesehen wird sich zwischen Posidons
Güterlehre und seiner Psychologie ergiebt — 335.
Bestätigt wird dieselbe femer durch die Uebereinstimmung mit
Piaton bei dem die gleiche Grundanschauung einer doppelten Moral
sich nach verschiedenen Richtungen zu verfolgen lässt — 348, wobei
noch besonders seine Schätzung der Tapferkeit in Betracht kommt
— 350.
Endlich spricht zu Gunsten jener Nachricht noch ein anderer
Grund aus dem es nicht unwahrscheinlich wird dass Panaitios und
Poseidonios es vermieden sich des Wortes nQorjyfxtvov zu bedienen
— 351; dass eine Terminologie in die griechische Philosophie zuerst
von Aristoteles eingeführt und sodann von den Stoikern weiter aus-
gebildet worden ist, hängt damit zusammen dass die Mehrzahl der
Stoiker ebenso wie Aristoteles nicht rein griechischen Ursprungs
waren — 353, es ist daher wohl kein Zufall dass die Beiden, die
sich unter ihnen auch durch die sprachliche Darstellung auszeich-
neten, Klcanthes und Panaitios in jener Hinsicht eine Ausnahme
machten — 354; Panaitios* Abneigung gegen jede Art von kynischer
Rücksichtslosigkeit, auch gegen die welche um Reinheit und Schön-
538 Ausführliches Inhaltsverzeichniss
heit des Ausdrucks sich nicht bekümmert — 357; das Vorbild phi-
losophischer Darstellung fand er bei den Sokratikern — 360, was
ihn zu den Werken derselben zog war nicht so sehr ihr Inhalt als
ihre Form, Kritik die er an den sokratischen Dialogen übte — 362,
sein Maassstab hierbei der sokratischc Charakter — 364, zu den
Zügen desselben gehört geistreicher Scherz und Humor, insbesondere
die Ironie — 369; der Sokratismus des Panaitios erscheint
als eine Art Atticismus wodurch sich seine Bewunderung der
altattischen Komödie erklärt so wie der Umstand dass seine Studien
einen ähnlichen Gang nahmen wie diejenigen der Atticisten unter
den Rhetorcn — 377, am höchsten unter den Sokratikern stellte er
Piaton — 377; von diesem Standpunkt aus konnte Panaitios gegen
den sprachlichen Ausdruck nicht so gleichgiltig sein wie die älteren
Stoiker — 381; wenn spätere Atticisten unter den Philosophen an
Ausdrücken wie xataXumov Anstoss nahmen, so dürfen wir dasselbe
auch für Panaitios voraussetzen — 382, diess wird bestätigt nament-
lich durch den für Posidon nachweisbaren Gebrauch von aoipoq xa-
Ihv aiQfxbv oQbyeox^ca im^vfxelv — 387, ferner durch die noch für
Panaitios nachweisbare Auffassung des tQtoq — 403, endlich durch
die weitere Bedeutung die an Stelle der enger begrenzton Zenons die
späteren Stoiker dem xai^fjxov zurückgaben — 418; hieraus ist za
entnehmen dass sie auch das UQoriyfdvov verwarfen, womit überein-
stimmt dass sowohl Epiktet als Posidon dieses Wort vermieden zu
haben und der letztere statt dessen ev'/Qrjazov gebraucht zu haben
scheint — 425; anderwärts kann er dafür auch dyaB'Ov gesetzt haben
um so eher als noch andere Spuren vorhanden sind die auf einen
laxeren Gebrauch dieses Wortes bei den späteren Stoikern hindeuten
— 430.
Dasselbe Bestreben das Schroffe der altstoischen Moral zu mil-
dern kommt auch in Panaitios* Auffassung des höchsten Gutes
zum Vorschein, die sich wesentlich von derjenigen anderer Stoiker
unterscheidet — 437; ebenso in seiner Schätzung der Lust, die er
als Gegenstand eines ursprünglichen Naturtriebs anerkennt — 446,
worin Poseidonios mit ihm übereinstimmt — 447, Ciceros Schrift
de officiis widerspricht diesem Resultate nicht — 450, bestätigt wird
dasselbe durch eine Stelle des Gellius der zu Folge Panaitios die
analem nicht bloss im kynischen sondern auch im gewöhnlichen
stoischen Sinne verwarf — 4G6.
Der Einwand den man gegen die Behauptung dass die Yon Pa*
naitios gegebene Definition des höchsten Gutes diesem Stoiker eigen-
k
zu allen drei Bänden. 539
thümlich ist auf Grund einer Stelle des Stobaios erheben könnte
wird dadurch entkräftet dass dieselbe einem Abschnitt angehört der
einen späteren Stoiker zum Verfasser hat: der umfang dieses Ab-
schnittes wird festgestellt — 477; Ansichten des Eleanthcs, Ghrysipp
und Hekaton über die Scheidung der Tugenden in Erkenntnisse
und Fertigkeiten — 485, von diesen stimmt nur Hekaton mit Sto-
baios überein — 492; obgleich an Stobaios auch Diogenes Laertius
erinnert so muss die Quelle beider Darstellungen doch eine ver-
schiedene sein — 495; so gut wie Hekaton scheinen aber auch Pa-
naitios und Posidon als Quelle gelton zu können — 497, denn beide
unterschieden ebenfalls eine theoretische und eine praktische Tugend
— 503, trotzdem kann Posidon jene Quelle nicht gewesen sein — 504,
dagegen lassen sich Panaitios' Ansprüche noch weiter bestätigen — 510,
müssen jedoch ebenfalls aufgegeben werden — 514; sodass nur He-
katon übrig bleibt — 514.
Die hierdurch dem P an aiti OS vindicirte Definition des höch-
sten Guts bezeichnet eine besondere Stufe in der nach einem be-
stimmten Gesetz verlaufenden Entwicklung der stoischen Ethik — 516;
eine weitere ist durch diejenige Posidons repräsentirt — 517, dessen
Ansicht von der Chrysipps ebenso abweicht wie seine Tugendlehre
von der dieses Stoikers — 531, und ausserdem auf eine Verschieden-
heit der Erkenntnisstheorie hinweist — 534; durch diese Definition
ist Posidon der Vater des späteren Stoicismus geworden — 535.
Eine Umbildung der Lehren ohne dass wir im Stande wären sie
an die Namen bestimmter Urheber zu knüpfen lässt sich femer an
der verschiedenen Art beobachten mit der in verschiedenen Abschnit-
ten des Stobaios das Vcrhältniss zwischen ai^szov und al()e-^
Ttov gefasst wird — 542, zur Bestätigung dient die Vergleichung
eines Briefes von Seneca — 547, dieselbe führt noch weiter zu der
wahrscheinlichen Vermuthung dass der von früheren Stoikern gesetzte
Unterschied zwischen jenen beiden Begriffen in späterer Zeit wieder
aufgehoben wurde — 550; verwandt ist die Unterscheidung zwischen
svSaifiovla und evöaifiovelv die wiederum mit der von ttXog
und oxonbq zusammenhängt — 554, welche letztere auf Panaitios
zurückgeht — 557 ; dass die Stoiker Inhalt und Umfang der dötatpoga
verschieden bestimmten, lehrt der von diesen handelnde Abschnitt
des Stobaios — 562 dessen letzter (wohl von Hekaton abzuleitender)
Theil ausserdem zeigt wie jüngere Mitglieder der Schule bestrebt
waren die unter sich abweichenden Ansichten früherer auszugleichen
und zusammenzufassen — 566.
540 Ausführliches Inhaltsferzeichniss
//. Die Schrift de finUms bonorum et mciiorum .... S. 567
1. Das dritte Buch S. 567
Verschiedene Ansichten über die Quelle desselben — 567; dass
nicht mehrere Schriften sondern nur eine die Quelle ist — 575; diese
Schrift war eine über das höchste Gut — 580; die gegen die An-
nahme einer einzigen Quelle streitenden Gründe werden beseitigt
— 582; diese Quelle kann weder eine Schrift Chrysipps — 585, noch
des Diogenes oder Antipater — 586, auch nicht des Panaitios — 588
und Posidon sein — 591 ; dagegen macht wahrscheinlich dass es eine
Schrift Uekatons war die Ansicht über die Leidenschaft — 592, die
Lust — 596, den Ruhm — 604, die Methode — 604, die Gegenüber-
stellung von Diogenes und Antipater — 605, die Vorliebe für Dio-
genes — 607, für Chrysipp — 610, die Modification der Lehre Chry-
sipps über das höchste Gut — 612, die Eintheilung der Tugenden in
dialektische ethische und physische — 619.
2. Das vierte und zweite Buch S. 620
a) Das vierte Buch S. 620
Dasselbe ist die Kritik einer stoischen Darstellung, aber nicht
eine Kritik der stoischen Darstellung des dritten Buches, welche letz-
tere vielmehr auf einer späteren Entwickelungsstufe des Stoicismos
steht als die Kritik voraussetzt — 628; das griechische Original der
Kritik bezog sich ausser auf die Ethik wahrscheinlich auch auf Dia-
lektik und Naturphilosophie — 628; dasselbe war eine Schrift des
Antiochos von Askalon — 629; doch ist es nöthig für einen Abschnitt
noch eine andere Quelle, die Schrift eines skeptischen Akademikers,
anzunehmen — 630.
b) Das zweite Buch S. 630
Die Quelle dieses Buches ist weder bei Chrysipp — 631 noch
bei Panaitios oder Posidon zu suchen — 632; andererseits kann aber
Cicero den Inhalt nicht selbständig ausgearbeitet haben — 637; ein
Stoiker kann seine Quelle nicht gewesen sein — 638; die dann zu-
nächst liegende Vermuthung, dass es eine Schrift des Antiochos war,
wird durch den philosophischen Standpunkt, den Cicero in diesem
Buche einnimmt, bestätigt — 656; und zwar war es wahrscheinlich
dieselbe Schrift, die dem vierten und fünften Buche zu Grunde liegt,
und der Titel derselben tkqI zsldäv — 663; Übrigens scheint auch
der Titel „de finibus" auf die Benutzung einer akademischen Schrift
hinzudeuten — 668.
zu allen drei Bänden. 541
3. Das erste Buch S. 669
Dass Cicero bei der Darstellung der epikureischen Lehre nicht
selbständig verfahren ist, wird wahrscheinlich durch die angemessene
Ordnung der Gedanken die hervortritt sobald wir einen polemischen
Zweck voraussetzen — 682, ferner durch die ängstliche Treue mit
der Cicero in einem einzelnen Falle sich an den Wortlaut des grie-
chischen Originals gebunden hat — 687; diese Quelle war die Schrift
eines späteren Epikureers, des Zenon oder wahrscheinlicher des Phi-
lodemos — 690.
4. Das fünfte Buch S. 691
Dass Cicero sich in der peripatetischen Darstellung an Antiochos
angeschlossen hat, steht durch sein eigenes Geständniss fest und nicht
einmal so viel kann zugegeben werden dass wenigstens der Anfang,
bis zum sechsten Kapitel, der Schrift eines älteren Peripatetikers
entnommen ist — 693.
Mit der Darstellung Ciceros hat man diejenige der peripateti-
schen Ethik bei Stobaios verglichen und daraus geschlossen dass die
letztere mittelbar oder unmittelbar ebenfalls von Antiochos entlehnt
sei — 694; da nun aber diese Darstellung so beschaffen ist dass sie
nicht aus einer und derselben Quelle geflossen sein kann, so müsste
sie aus mehreren Schriften des Antiochos abgeleitet werden — 703;
hiermit lässt sich indessen der Umstand nicht vereinigen dass über
denselben Gegenstand verschiedene Meinungen vorgetragen werden
— 712; die Darstellung muss daher als eine Verbindung von Excerp-
ten aus den Schriften verschiedener Peripateiiker angesehen werden
— 713; zu denen aber Antiochos nicht gehört haben kann — 717;
wie der letztere trotz seiner von der Nikomachischcn Ethik abweichen-
den Theorie sich zu den Ansichten des Aristoteles bekennen konnte,
wird erklärt — 720.
IIL Die Schrift de officiis S. 721
Ansichten Anderer über die Quellen — 722; der Inhalt des
ersten Buches ist seinem grössten und wesentlichen Theile nach
von Panaitios entlehnt und nur der Schluss stammt ven Posidon — 724 ;
ähnlich steht es im zweiten Buche dessen grösserer Theil eben-
falls auf Panaitios zurückgeht, während der Schluss einem anderen
Philosophen, entweder dem Antipater von Tyros oder dem Atheno-
donis Calvus, angehört — 725; für das dritte Buch kann Posidon
nicht die Uauptquelle gewesen sein — 726, dagegen Hesse sich an
Uekaton denken — 731, wofür man sogar die Selbständigkeit der
542 Ausführliches Inhaltsverzeichniss
Ausarbeitong geltend machen könnte deren sich Cicero rühmt — 734,
das wahrscheinlichste ist jedoch dass die unmittelbare Quelle eine
summarische Uebersicht der einschlagenden Lehren war wie sie
Athenodorus Calvus angefertigt hatte — 736.
IV. Excurse S. 737
Exe. I S. 737
Der mit dem Namen Chrysipps bezeichnete den Kreislauf der
Elemente behandelnde Abschnitt bei Stob. ecl. 1312 f. wird kritisch
erörtert. Dabei werden als spätere Interpolationen Stücke aasge-
schieden die weder Chrysipp noch Areios Didymos augehören können
— 745; die Erörterung des letzten Stückes gibt einen Beitrag zur
Unterscheidung der philosophischen Eigenthümlichkeit des Kleanthes
von derjenigen Chrysipps — 756.
Exe. II S. 756
Das Eindringen einer platonisirenden Strömung in den
Stoicismus wird nachgewiesen an mehreren Stellen des Diogenes
Laertius in der Auffassung der Principien — 758, der Materie — 760,
des Kosmos — 770; an einer Stelle des Stobaios in der Auffassung der
Materie — 770; an einer Stelle Philons in der Ansicht über Zc^
Störung und Bildung der Welt — 771.
Exe. III S. 772
Die von anderer Seite nahe gelegte Vermuthung, dass Posidon
den Sitz des rjys/xovtxöv in den Kopf verlegt habe, lässt sich mit
Galcns Zeugniss durch die Annahme vereinigen dass er den mensch-
lichen Organismus an zwei Centren kettete — 775, weitere Bestäti-
gung dieser Annahme — 777, verschiedene Bedeutung des Wortes
tiyffiovtxov — 781, Posidon nahm ein doppeltes Tjye/xovtxbt* an, dts
tjyffiortxov im engeren Sinne und das Xoyixov — 789.
Exe. IV S. 790
Die beiden Darstellungen der stoischen Logik bei Dio-
genes Laertius stehen mit einander in Widerspruch hinsichtlieh
der Definition der (favxaola — 791, diese beiden Darstellungen verhal-
ten sich auch nicht wie die allgemeinere zu der ins Einzelne gehenden
— 793, sie sind auch noch in Folge anderer bei der Vergleichung her-
vortretenden Meinungsverschiedenheiten unvereinbar — 799, der erste
Abschnitt gibt eine ältere, der zweite eine jüngere Fassung der stoischen
Logik imd zwar geht jener vielleicht auf Kleanthes zurück — 801,
dass beide nicht zusammengehören wird noch durch weitere die fco*-
raala betreffende Verschiedenheiten der Auffassung bestätigt — 8i>4.
zu allen drei Bänden. 543
Exe. V S. 805
Die TiQotiyovfjLeva sind nicht mit den TCQoriyfxha zu verwech-
seln — 808; der Ausdruck gehört ursprünglich gar nicht der stoischen
Terminologie an sondern wahrscheinlich der akademischen und peri-
patetischen — 813; technische Bedeutung — 815, aus der etymologi-
schen abgeleitet — 821; dass das Wort der stoischen Terminologie
eigentlich fremd ist, bestätigt sich von Neuem — 823; auffallend dass
es trotzdem in Antipaters Definition der höchsten Güter sich findet
— 825, in einer Sentenz Zenons — 827, dagegen bildet der Umstand
dass Epiktet sich seiner bedient keinen Einwand — 828.
Exe. VI S. 829
Der Ausdruck xa iiQwxa xaxa (pvotv in der gewöhnlichen
Bedeutung fehlt den älteren Mitgliedern der stoischen Schule — 833,
und scheint zu den jüngeren aus der akademischen Schule gekommen
zu sein — 840.
Exe. VII S. 841
Der Einfluss der Philosophie auf die Gesehicht-
schreibung des Polybios.
Polybios reflektirt über die Formen und Methoden der Erkennt-
niss und ist vom Nutzen des Wissens überzeugt — 844; Kenntniss der
Wissenschaften und der Philosophen — 848; erkennt den Nutzen der
Philosophie an — 849; berührt sich mit den Stoikern überhaupt in
der Schärfe der Begrifi'sbestimmung so wie in der Terminologie — 851,
Abschätzung des Werthes der Wissenschaft — 853, Ansicht über den
Ursprung derselben — 853, die Entstehung der sittlichen Begriffe
— 854, Hochschätzung des Xoyog und der Theorie — 855, Bestim-
mung des Staatsideals — 856, Gestattung des Selbstmordes — 858,
Annahme der ursprünglichen Güte der Menschennatur — 860, Psy-
chologie — 861, Religion a) Verwerfung des Volksglaubens — 867,
b) positive Ueberzeugung — 873, Erklärung der Mythen — 877, ins-
besondere erscheint er als Anhänger des Panaitios — 882, dies
zeigt sich auch in der Richtung auf die Praxis imd die Kritik — 888,
eine Ueberlieferung über dieses Vorhältniss zu P. gibt es nicht — 889.
Die Eigenthümlichkeit des Polybios als Gösch ichtschreiber sind
wir nicht genöthigt von Ephoros abzuleiten — 895; von dessen Auf-
fassung der Weltgeschichte die des Pol. wesentlich verschieden ist,
in demselben Maasse aber an die Weltanschauung der Stoa erinnert
— 903; dieser Einfiuss der Stoa auf die Geschichtschreibung ist ana-
log demjenigen auf die Grammatik — 90<3; auch andere Historiker
544 Ausführliches Inhaltsverzeichniss
die im gleichen Sinne wie Pol. Geschichte schrieben waren Stoiker
— 906; zu vergleichen ist der entgegengesetzte £influ88 den die peri-
patetische Philosophie auf die Geschichtschreibung geäussert hat — 907.
Exe. VIII S. 908
In den Beispielen, welche die Theoretiker des Alterthums
und besonders die Philosophen wählen, kommt in charakteristischer
Weise der Unterschied des griechischen und römischen Natureis zum
Ausdruck, da die Römer sich mit leeren Namen begnOgen, die Grie-
chen individuelle Persönlichkeiten bevorzugen — 911.
Zum nL Band.
I. Die versehiedenen Formen des Skeptieismns S. 1
/. Ursprung der Skepsis S. 1
1. Ursprung der pyrrhonischen Skepsis . . . . S. 1
Die l)eiden im Alterthum mit einander wechselnden Formen des
Skeptieismns, Pyrrhonismus und akademische Skepsis, sind von ver-
schiedenen Anfängen ausgegangen — 3; dass Pyrrhon an Demo-
krit anknüpfte bestätigt theils die Ueberlieferung — 4; theils ergibt
es sich aus der Betrachtung seiner Skepsis die keinen dialektischen
Charakter trägt — 5, und unter den Zweifelsgründen auf die Mei-
nungsverschiedenheit der Philosophen keinen besondem Werth legt
— 10, vielmehr im Wesentlichen sich darauf beschränkt die sinnliche
Wahrnehmung zu bestreiten — 14; hierzu kommt die Ethik die von
Pyrrhon auf dieselbe Grundlage wie von Demokrit gestellt wurde
— 21 ; auf Anschluss an Demokrit weist endlich der Titel einer Schrift
Timons so wie der Antheil den die pyrrhonische Schule immer an
der Naturwissenschaft genommen hat — 22.
2. Ursprung der akademischen Skepsis . . . . S. 22
Gründe welche dafür sprechen dass Arkesilaos ein Pyrrhoner
war — 25; Widerlegung derselben ~ 29; Dialektik des Arkesilaos
— 33; derselbe knüpfte damit an Sokrates an — 37; ebenso in der
Ethik — 38; Consequenzen die sich aus dem verschiedenen Ursprung
der pyrrhonischen und akademischen Skepsis für die weitere flnt-
wickelung beider ergeben — 39.
zu allen drei Bänden. 545
IL Die weitere Entwickelung der Skepsis S. 39
2. Entwickelung der pyrrhonischen Skepsis . . S. 39
Schon in den Anfängen des Pyrrhonismus treten unter seinen
Bckennern Verschiedenheiten hervor, die sich aber nicht über das
Aeussere erstrecken — 40, denn der angebliche Dogmatiker Nume-
nios beruht auf einem Irrthum — 45; dagegen tritt im Gegensatz zu
Späteren uns bei Timon noch ein Rest von Dogmatismus entgegen,
da derselbe wenigstens eine Wahrheit anerkannte — 49, und diese
zum Maassstab der unser Handeln bestimmenden Vorstellungen
machte — 50, die Mittheilung dieser Vorstellungen bildete den Inhalt
der ^IvöaXfjLOL — 60; Timon hierdurch nicht mit sich selber in Wider-
spruch — 62; nicht in der Anwendung jenes Maassstabes, wohl aber
in der Auffassung unterschied er sich von den späteren Pyrrhoneem
— 64; berührt sich mit Arkesilaos — 64.
Ainesidemos ist charakterisirt besonders durch die Verbindung
die er zwischen der Pyrrhonischen Skepsis und der Lehre Heraklits
herzustellen suchte — 65; diese Verbindung ist mit Unrecht von
Neueren geleugnet worden — 68; Citirwoise xa^^ '^HQaxXsirov bei
Sextos Empeirikos — 70; Sextos' Bericht über Heraklit stammt nicht
von Ainesidem — 73, sondern von einem Dogmatiker — 79; unter
wahren Vorstellungen verstand Ainesidem die bei Alien geltenden
— 83; Verhältniss des Sextos Empeirikos zu seinen Quellen — 86;
in Widerspruch mit dem strengen Pyrrhonismus redet Ainesidem von
einem riXog — 90: die Verbindung von Heraklitismus und Pyrrhonis-
mus bei Ainesidem ist nicht successiv als eine Folge verschiedener
Stufen in der Entwickelung des Philosophen zu erklären — 93; die
scheinbar dogmatischen Aeusserungen sollen nur allgemein geltende
Phainomena aussprechen — 96; das Vorhandensein solcher wurde von
den Skeptikern anerkannt und auf sie nicht nur das Wahre sondern
auch das Gute zurückgeführt — 101; da auch Heraklit nach Ainesi-
dems Auffassung seine Ansichten für allgemein geltende Vorstellungen
ausgab, so konnte Ainesidem sich für berechtigt halten sie als Phai-
nomena zu vertreten — 105; die Citirweise x«if* '^HQuxltixov erhält
so eine eigenthümliche Bedeutung — 107; in ähnlicher Weise suchte
Ainesidem den Pyrrhonismus auch mit der Lehre der Kyrcnaiker aus-
zugleichen — 110; Verhältniss zwischen Ainesidems und Timons
Skepticismus — 111.
Die Eigenthümlichkeiten der späteren Pyrrhoneer gegenüber
Ainesidem treten auch in der Aufstellung und Anordnung der Tro-
pen hervor — 112; solche Tropen hatte schon Pyrrhon aufgestellt,
Hirzel, Untersaoliangeii. III. 35
546 Ausfahrllches Inhaltsverzeichniss
Ainesidem aber sie zuerst auf die Zehnzahl zurückgeführt und in
eine bestimmte Ordnung gebracht, ?on der jedoch Spätere theilweise
abgewichen sind — 115; von grösserer Bedeutung ist nur die Aen-
derung welche Agrippa damit Tomahm — 117, indem er nicht wie
man gewöhnlich annimmt an die Stelle der zehn Tropen die fünf
treten liess — 119, sondern jene durch diese ergänzte — 120. Dass
dieses das Verhältniss der beiden Tropenreihen war wird durch deren
Beschaffenheit bestätigt, da die alten sich nur gegen die aus den
Sinnen stammende Erkenntniss und einen bestimmten Inhalt des
Wissens richten während die neuen den Glauben an den Erfolg jedes
Denkens erschüttern und auf die Form und Methode gehen — 127,
die älteren Tropen tragen einen empirischen, die jüngeren einen
dialektischen Charakter — 128; dialektische Tropen waren auch die
acht Ainesidem zugeschriebenen die sich aber auf die Aitiologie
beschränkten — 130.
Die pyrrhonische Skepsis nähert sich unter den Händen der
Späteren der akademischen — 131, wie sich insbesondere an Pha-
vorinos zeigt — 132, der ebenso wie Agrippa und Andere aus diesem
Grunde in dem Yerzeichniss dos Diogenes zu fehlen scheint — 136.
Agrippas Skepsis beeinflusste den echten Pyrrhonismus wie sich
sowohl an Sextos Empeirikos — 136 wie an dem Quellenschriftsteller
des Diogenes zeigt — 141.
Die Annäherung an die Akademie, wie sie sich überhaupt in
der dialektischen Richtung verräth, tritt bei Ainesidem noch be-
sonders darin hervor dass er sich platonischer Argumente be-
dient — 143, womit abermals eine Hinneigung zu Heraklit ver-
bunden ist — 146; diess erinnert auch daran dass Ainesidem selber
früher Mitglied der Akademie war — 146.
Ueberblick über den Entwickelungsgang der pyrrhonischen Ske-
psis — 148.
2. Entwickelung der akademischen Skepsis . S. 149
Dieselbe verläuft in entgegengesetzter Richtung von der der
pyrrhonischen, da sie mehr und mehr dem Dogmatismus sich wieder
nähert — 150.
Darin dass Arkesilaos das evloyov zur Grundlage unserer
Handlungen macht, stimmt er in gewisser Hinsicht mit den Pyrrho-
neem überein — 156, unterscheidet sich aber auch in anderer von
ihnen — 157; zu diesem Unterschied kommt dass er nicht wie sie
die draQa^ia als Lebensideal anerkannte — 158; vielmehr erscheint
er als Sokratiker — 160.
zu allen drei Bänden. 547
Lakydes hält an den Ansichten seines Lehrers Arkesilaos
fest — 162.
üeber Karneades liegen zwei verschiedene Berichte vor — 162,
von denen der des Kleitomachos ihn als einen Vertreter des stren-
geren, der des Metrodoros als einen des milderen Skopticismus er-
scheinen lässt — 170; die Wahrscheinlichkeit spricht für den Bericht
Metrodors — 179; auf jeden Fall hat Kameades durch die Einfüh-
rung des nid-uvbv den ersten Schritt auf der Bahn des Dogmatismus
gethan — 180; dagegen ist er in der Behandlung der Frage nach
dem höchsten Gut nicht in dem Grade Dogmatiker gewesen als man
angenommen hat — 190.
Unter den Schülern des Kameades stehen sich die welche sich
an Kleitomachos und die welche sich an Metrodor anschlössen gegen-
über — 195, zu den letzteren gehört Philon dessen philosophische
Eigenthümlichkeit am Meisten in der Auffassung des xazalijmbv
hervortritt — 200, diese Beurtheilung Philons wird gegen Hermann
— 205, und gegen Zeller vertheidigt — 214; die angebliche dogma-
tische Geheimlehre Philons erweist sich als ein Irrthum — 219, der
sich daher erklärt dass Philon es vermied die wahrscheinlichen Er-
gebnisse seiner Forschung geradezu auszusprechen — 229; zur Cha-
racteristik Philons dient ausserdem die richtige Beziehung der bei
Photios erhaltenen Polemik Ainesidoms, indem sie auf eine stoi-
sirende Richtung hindeutet — 237, bestätigt wird dieselbe durch die
ebenfalls stoisirende Richtung der späteren Platoniker, insbesondere
des Areios Didymos und Eudoros, da diese nicht an Antiochos
sondern an Philon sich anschlössen — 250.
II. Die Äcademica priora S. 251
1. LucuUus' Vortrag S. 251
Derselbe bildet in der Hauptsache ein wohl disponirtes Ganzes
— 254; Anstoss geben nur die eingeschalteten Erwidemngen der
Skeptiker — 262; dadurch wird wahrscheinlich dass das zu Grunde
liegende Original ein Dialog war — 264, und weiter dass der Sosos
des Antiochos dialogische Form hatte — 268; über den Gang dieses
Dialogs — 269; den Titel — 275.
Antiochos verleugnete auch als Dogmatiker nicht den ehe-
maligen Anhänger des Kameades und blieb in gewisser Hinsicht
immer Skeptiker — 279.
2. Ciceros Erwiderung S. 279
Die Ansichten Anderer über die Quellen werden zurückgewie-
35*
548 Ausführliches Inhaltsverzeichniss
sen — 282; die Schrift eines Skeptikers muss, aber eine des Eleito-
machos kann nicht die Quelle gewesen sein — 287; es finden sich
Spuren von Philons eigenthümlicher Lehre — 292, dazu gehört die
Bedeutung die dem Wahrscheinlichen beigelegt wird — 301 und die
hiermit verbundene Schätzung der Naturphilosophie — 303 sowie das
Urtheil «über die Dialektik — 306, gegen das hieraus entspringende
Resultat dass der Schlussabschnitt auf Philon zurückzufahren ist er-
hebt sich ein Einwand der aber beseitigt wird — 308; auch den
ersten Abschnitt aus Philons Schrift abzuleiten hindert nichts — 314
vielmehr wird es durch eine Reihe von Gründen empfohlen — 318,
nur ein Stück ist einer Schrift desEleitomachos entnommen — 319;
die benutzte Schrift Philons kann nicht eine Antwort auf den Sosos
des Antiochos gewesen sein — 321, dagegen wird aus dem Yerhält-
niss von Ciceros Erwiderung zu Luculis Vortrage wahrscheinlich
dass es dieselbe ist gegen die Antiochos in jener Schrift polemisirt
hatte — 337, dasselbe Resultat wird noch mit anderen Gründen be-
stätigt — 341.
IIL Die Tmculanen S. 342
1. Das erste Buch S. 342
Die Ansicht Corssens dass eine Schrift Posidons die Quelle sei
wird zurückgewiesen — 378; der consequent durchgeführte Skepti-
cismus lässt uns einen Philosophen dieser Richtung als Gewährsmann
vermuthen — 388; die besondere Art des Skepticismus weist auf
Philon — 389, dieses Resultat wird noch durch andere Gründe be-
stätigt — 392; die Meinung, als ob Cicero in den Tusculanen seiner
griechischen Quelle mit grösserer Selbständigkeit gegenüberstehe und
deshalb wohl auch eine nicht-skeptische Schrift im skeptischen Sinne
habe ausnützen können, wird widerlegt — 405.
2. Das zweite Buch S. 406
Eine Schrift des Poseidonios kann die Quelle nicht gewesen
sein — 410 auch nicht eine Chrysipps — 410, überhaupt nöthigt
nichts an einen Dogmatiker zu denken, vielmehr werden wir auch
hier auf einen akademischen Skeptiker und insbesondere auf Philon
geführt — 414.
3. Das dritte Buch S. 414
Weder eine Schrift Posidons — 438, noch des Panaitios — 438,
noch des Antiochos war die Quelle — 445; es bleibt also nur die
eines Skeptikers übrig und dass dieser Skeptiker Philon war be-
stätigt sich von verschiedenen Seiten — 455.
zu allen drei Bänden. 549
4. Das vierte Buch S. 456
Der Schluss der sich aus dem engen Zusammenhang dieses mit
dem vorhergehenden Buche ergibt, dass Philon Ciceros Gewährs-
mann war, wird theils positiv noch durch mehrere Gründe befestigt
— 461 theils negativ durch Abweisung der Ansprüche des Poseido-
nios — 465 und Antiochos — 468.
5. Das fünfte Buch S. 468
Die Unhaltbarkcit der gewöhnlichen Ansicht dass Cicero meh-
rere Quellen benutzt habe wird nachgewiesen — 471 und gezeigt
dass eine einzige Schrift, die eines Skeptikers — 473 und zwar
Philons zu Grunde liegt — 479.
6. Endergebniss S. 479
Die Hauptquelle der Tusculanen ist ein einziges Werk Philons,
der von Stobaios excerpirte Xoyoq xara (fiXoao(piav — 487, dieses
Resultat wirft ein neues Licht auf Ciceros philosophische Schrift-
stellerei — 492.
IV. Excurse S. 493
Exe. I S. 493
Der die Erkenntnisstheorie der Naturphilosophen behandelnde
Abschnitt bei Sextos Emp. adv. dogm. I 89 — 141 geht auf Antiochos
zurück — 521, für den vorausgehenden (47—89) ist dagegen die
Schrift eines akademischen Skeptikers d. i. des Kleitomachos als
Quelle anzunehmen — 524.
Exe. II S. 525
Die Vorstellung vom angebomen Wissen ist keine Cicero oder
Philon eigenthümliche , vielmehr fällt jenes mit der stoischen Pro-
lepsis zusammen — 532.
Verzeichniss der behandelten Stellen
antiker Schriftsteller.
Alexander von Aphrodisias
HfQl tfwxijg p. 145» 0. — II 1 99, 1 .
Aristoteles
Eth. Eudem. VII 12 p. 1245» 30
— n 277 Anm.
Magna Moral. II 15 p. 1213» 12
— II 277 Anm.
Eth. Nikom. VI 13 p. 1144^ 17 ff.
— II 18 ff.
Metaphys. IV 5 p. 1009» 38 ff. —
I 115, 1.
Athenaios
Deipnosoph. IV 162D — II 61, 1.
(Pseudo-)CeD8orinu8
fr. de natural, instit. — II 757, 1.
Cicero
epist. ad Attic. XIII 39 fin. —
I 217 f.
Academ. pr. 32 — III 212, 2.
- 33 — - 177 Anm.
- 35— - 254,2.
- 47 — - 260, 3.
- 58— - 329,1.
- 78— - 170,1.
- 104 — - 165, 2.
168, 1.
Cicero
Academ. pr. 139 — III 182, 1.
. 141 _ - 291,1.
Academ. post. 33 — III 500 f.
Anm.
de divin. I 36 f. — II 533 f.
de finibus I 61 - II 682 ff.
- 63 — - 681 Anm.
- II 50 — - 626, 2.
. 56 — - 676 Anm.
- in 32 816, 1.
- IV 15 —III 192 Anm.
- V 18 f. 191 Anm.
de nat. deor. I 26 — I 90 ff.
. - - - 49 46ff.
. . . . 50 — - 88f.
. . . I 109 88f.
de officiis I 104 — II 369 ff
. .108 365, 1.
- - 153 — - 723,4.'^
- III 7 320, 1.
- - 19 728, 1.
Tuscul. disp. 1 40 ff: — m 355 ff
- -61 ff. 346,1.
- -64 344,1.
. -78 f. 368 ff
') A. a. 0. ist 152 in 153 zu corrigiren.
YerzeichnisB der behandelten Stellen antiker Schriftsteller. 551
Cicero
Tuscul. disp. I 79 — II 378 f.
Anm. 886, 1.
- I102ff. — III393fif.
- III 55 — III 430 Anm.
- IV30f. — III 483 f.
487,3.
- - 82 480,1.
Clemens Alexandrinus
Stromat. II 157 Sylb. — III 210
Anm.
- 179 Sylb. — 11233,3.
244, 1 u. 2. 695 Anm.
V 255 f. (Worte Hera-
klits) -- III 145, 1.
Diogenes Laertius
I 16 — II 295 Anm.
II 64 — - 363, 1.
- 96 678, 2.
IV 51 60,2.
VII 40 - II 175.
- 42 797, 1.
- 45 — - 795, 1. 796, 2.
- 46 7iK),l. 800,2.
- 50 — - 791 Anm.
- 54 11 ff. 221,1.
- 85 439. 444, 1.
- 87 - - 106 ff. 242, 1.
- 90 — - 332.
- 91 349, 3.
- 92 — - 100, 1.
- 101 81, 1.
- 102 89, 3. 458 f.
- 103 261 ff. 350 ff. 425.
- 107 55.
- 116 145 f. Anm.
- 125 492, 1.
- 126 — - 494 f.
- 128 — - 261 ff. 350 ff. 425.
- 134 — - 756, 1.
Diogenes Laertias
VII 137 f. — II 760 ff.
- 138 f. — - 202,1.
- 139 200, 1.
- 149 444. 445, 1.
- 178 179,2.
IX 47 — I 128 ff.
- 90 ff. — III 137 ff.
- 102 — - 40ff.
- 113 — - 19 Anm.
- 115 — - 2 Anm.
- 115 f. — - 133 ff.
- 119 — - 41.
X 8—1 108,2. 244.
- 25 — - 180 f.
- 37 — - 125,1.
- 38 — - 125,2.
Dionysius Halicarn.
de admir. vi die. in Dem. c. 23
— II 377, 2.
de Dinarcho c. 8 — 11 380 Anm.
Eudemus
£thica 8. Aristoteles.
Eusebius
Praep. ev. XIV 8, 2 — 111 45, 1
- 18,8 - - 113 f.
Anm.
Praep. ev. XV 15, 1 ff. — II 766, 1.
- - 20 — II 145, 1.
Galenus
de plac. Hipp, et Plat. S. 417 K
— III 428 ff.
de plac. Hipp, et Plat. S. 462 K
— II 589, 1.
de plac. Ilipp. et Plat. S. 463 K
— II 591, 1. m 417, 2.
de plac. Hipp, et Plat. S. 464 K
— ni 375, 1.
de plac. Hipp, et Plat. S. 470f.K
— II 241 ff.
552
Yerzeichniss der behandelten Stellen
GalenuB
de plac. Hipp, et Plat. S. 472 K
— II 244, 2.
de plac. Hipp, et Plat. S. 487 K
— n 385, 1. 389 Anm.
de opt. doctr. c. 1 — U 382, 1.
III 225, 1.
GcUius
IV 13 — I 130. 131, 1.
XII 5, 7 f. — II 451 ff.
Herakleitos s. Clemens Alex.
Hormias
zu Fiat. Phaidr. S. 76 ed. Ast.
— II 396 f. Anm. 393. 398, 1.
Horatins
ep. ad Pison. 309 ff. — II 369, 1.
KleanthoB
hymn. vs. 12 — II 118, 1.
fr. 19 u. 21 Wachsm. — II 146, 1.
LucretiuB
II 529 ff. — I 85 ff.
- 1112 ff. — - 87.
Petronius
83 — I 84.
Photios
bibl. cod. 212 - III 230 ff.
Piaton
Philebos 43 D ff. — I 141 ff.
Republik VII 533 D — H 165 f.
Anm.
X 583Bff. — I141ff.
Theaitet 155 E - I 146 ff
191Cff. — n 161 ff.
Phaidon p. 62 C — II 300, 2.
- 96Ef. — m 143f.
Symposion p. 183 A — III 395
Anm.
- P.185A— ni395Anm.
Plinius
nat. bist. II 12 — U 138, 1. 772 f.
Plutarcbus
de placitis philos. IV 21 (= Ae-
tios 410, 25ff. Diels) — II 152, 1.
adv. Colot. 1117 B — I 156.
de Stoic. rep. 7, 1 — II 99, 2.
. . - 7, 4 97, 2.
- - - 28 798, 1.
de com. not. p. 1072 F—H 240,2.
- - - -1073C- -313,1.
Schol.
zu Lucian. VII 341 Lehm. —
II 807.
Senoca
Quaest. natur. III 29, 2 — H 225.
epist. 58 — II 549 Anm.
- 87, 35 262,1. 419ff.
- 87,38ff. — - 420, 1.
- 88 525, 1.
- 90, 5 ff. 286 ff. 327.
- 92 783.
- 94 — - 496ff.
- 95, 65 — III 350 Anm.
- 113 — II 470 f. Anm.
- 117 542 ff
Sex tos Empeirikos
adv. dogm. 1 158 — UI 160, 2.
- -163 210 Anm.
- -230— - 176 Anm.
- - 248 — II 791 Anm.
- -255- - 791 -
- - 259 — in 514, 2.
- n 8 69,1.
- -397— n 192 ff
- m 71 141f.Anm.
. . 133 281,2.
- - 178 (= adv. math.
IX) — I 174 f.
- - 219 — in 145,1.
- V 20 (Verse Timons^
— m 46. 50,1. 57 f.
antiker Schriftsteller.
553
SextoB Empeirikos
Stob
aios
adv. dogm. V 66 — 1153,1.
ecl. II 118 H 11399,2. 478 f.
- - 73 - 89 ff.
Anm.
-140 (Verse Timons^
-
- 134 231, 1.
ni 56, 1.
-
- 136 - ~ - 550, 1. 824 f.
adv. math.1 305f. (Verse Timons)
-
- 138 - - 550, 1.
III 47 f.
-
- 140f.H 11540,1.547,1.
. V 43 f. — II 227 f.
-
- 144 - - 830.
Anm.
-
- 146 - - 806f.
Stobaios
-
- 148 - - 831, 1.
ecl. I 60H — n220,2.
-
- 152f. 563,1.
- -312f.H II737ff.
-
- 154 577,1.
. .324 759, 1.
-
. 156 808,1.
- - 372 - - 126, 1. 127, 1
-
- 160 250 Anm.
U.2.
m
.162 383,1.
. .374 750ff.
-
- 178 - - 595 Anm.
- - 444 ff.- -761,2. 767 f.
-
- 196 537, 1. 538 f.
Anm.
544,1.
- - 398, 2 Diels — ü 776, 1.
-
- 208f. 87,2.
- II 58f.H— 11556,1.
-
- 224 822,1.808,1.
- - 60 - -835,1.
-
- 262 700,1.
. . 70 811,1.
-
- 264 701,1.706,1.
- - 102f. 473ff. 476, 1.
-
- 266 f. - -583,1.
- - 104ff - - 472ff. 492ff.
-
- 268 699,3. 813,1.
- - 106 - - 255, 1.
-
- 318 698 Anm.
. -108 472, 1.
Suid
as
. -110 482, 1.
u. :
UQoXtmnq — II 198, 1.
- - 112f. 434,1.
Timon s. Sextos Empeir.
- - 114ff. 469,1. 606,1.
Vorg
ilius
817, 1.
Aen. VI 724 ff. — D 25, 1.
Namen- und Sachregister.
dAtf}<poQa II 558 ff.
adtaifOQla II 45,1. III 18 Anm.
dyal>ov Weiterer Gebrauch des
Wortes bei den Stoikern II 261 ff.
350 ff. 425 f. — Mit dem ovfi-
nhiQtorixhv identificirt 584 Anm.
— Verschiedene Bedeutungen des
Wortes in der peripatetischen
Schule 703 ff. — Verh<niss zum
nQotjyovfisvov 816 ff.
Agrippa der Skeptiker.
Tropen III 6, 1. 7, 2. 10. 117 ff.
Dialektik 128. 130. Annäherung
an die akademische Skepsis 133 ff.
Ainesidemos
seine Zeit III 2 Anm. 237, 2.
wirkte in Alexandrien 3 Anm.
von Diogene» Laertius zu den
Genossen Pyrrhons gezählt 43 f.
trat aus der Akademie zum
Pyrrhonismus über 146. Verhält-
niss seines Skepticismus zu dem-
jenigen Timons 110 f. und der
Späteren 147. Auffassung Pyr-
rhons 17 f. Anm. sucht die
Lehre der Pyrrhoneer auf die
der Kyrenaikcr zurückzuführen
107 ff. — Polemik gegen Philon
230 ff. 250.
Ainesidemos
fasste zuerst die zehn Tropen
zusammen III 112, 1. Die Nach-
richt, dass er neun aufgestellt,
beruht auf einem Irrthum 113 f.
Anm. Die acht Tropen 128 ff.
Seine Ordnung der Tropen liegt
bei Sextos Empeirikos vor 116
Anm. Ziel der Skepsis 16 Anm.
Dialektik 128. 130. berührt
sich mit der Akademie durch
die Art wie er das Vorhanden-
sein einer Ursache bestreitet
141 ff. Begriff des Guten 101, 1.
Das höchste Gut 87 ff. Erklä-
rung des scheinbaren Wider-
spruchs in den er hierüber mit
sich selbst geräth 93. gab seine
positiven Ansichten nur als Vor-
stellungen 93. über die Giltig-
keit einer Vorstellung entschei-
det die allgemeine Geltung 94 ff.
lässt eine „Wahrheit'' gelten,
fasst aber ihren Begriff in eigen-
thümlichor Weise 79 ff. Hera-
klitismus 64 ff. 144 ff. Verschie-
denheit seiner Aeusseningen je
nachdem er vom Standpunkt des
Herakliteers oder Pyrrhoneers
spricht 106 f.
ist nicht die Quelle eines Ab-
Namen- und Sachregister.
555
Schnitts in Diogenes* Darstellung
des Pyrrhonismus 187 ff.
Aischines der Sokratiker. Echt-
heit der unter seinem Namen
gehenden Dialoge II 362. 364
Anm.
Akademiker
Definition der xazaXrjnt. (pavx.
II 803 f.
Akademiker, die skeptischen
Zusammenhang mit den Eyrc-
naikem II 666 f. (hinzuzufügen
dass auch Lakydes und dessen
Schaler Arlstippos aus Kyrene
stammten vgl. Diog. lY 59. Eu-
seb. praep. ev. XIV 7, 12). ihre
Methode III 379, 1. Definition
des xatoQ^iofia von der stoi-
schen zu unterscheiden II 346
Anm.
Akademische Skepsis. Ursprung
III22ff. 160. EntWickelung 149 ff.
Begründung der Skepsis 7. 26 ff.
33 ff. Verhältniss zur Rhetorik
178, 1. Einfluss des Stoicismus
182 Anm. Unterschied vom Pyr-
rhonismus 63, 2.
Alexandrinische Bibliothek II
41 Anm.
Anaximander
Das aneiQov ist der unendliche
Raum III 73, 1.
Auaximcnes
Verhältniss zu Anaximander III
73, 1.
dvbfinxmtoq II 454, 1.
dvxtQü)q II 394 Anm. (wo aber
die Bemerkung „dass die Worte
wahrscheinlich fast im Angesicht
des ÄvitQitx; geschrieben wurden,
der am Eingang der Akademie
stand^^ auf einem Versehen be-
ruhen) 396 Anm.
Antigonos von Earystos
Auffassung Pyrrhons III 17 ff.
Anm. des Pyrrhoneers Eury-
lochos 39, 1.
Antiochos von Askalon
Erkenntnisstheorie III 497 ff.
blieb bis zu einem gewissen
Grade immer Skeptiker 275 ff.
über die Ideenlehre 499, 2.
Dualismus in Ethik Anthropolo-
gie und Erkenntnisstheorie II
655 f. in der Naturphilosophie
659 f. Die Bedingungen der
Glückseligkeit 715 ff. sucht den
Ursprung der Leidenschaften in
gewissen Meinungen III 438 f.
über die Lust II 713. 818, 1.
unterscheidet zwischen xa xaxä
<pvaiv und xu n^tuixa xaza. ifvaiv
839. von der stoischen verschie-
dene Ansicht über die Entwicke-
lung des Menschen und seiner
Triebe 651, 1. Die Unverlier-
barkeit der Tugend 714. leug-
net schlechthin die Existenz des
Weisen 292 ff. Aufzählung der
verschiedenen möglichen ethi-
schen Theorien 644, 1. identi-
ficirt die stoische mit der peri-
patctischen und akademischen
Lehre 643, 1. Verhältniss zu
Piaton III 242, 1. 322, 1. 497 ff.
hielt die platonische Dreith eilung
der Seele fest II 653 f. weicht von
einer Ansicht ab die er für die
der alten Peripatetiker hält 692 f.
717 f. Uebereinstimmung mit ^n
556 NameD- und Sachregister.
Eyrenaikem 667. Abhängigkeit aTid&eiahei den Stoikern 11 452 ff.
von Kameades 643 f. modificirt den Pyrrhoneem III 15, 1.
das von Karneades Uebemom- Apellas der Pyrrhoneer III 135.
menc 643 f. 839. Polemik mit Apelles Seine Anadyomene I82f.
Philon III 320 f. 337 f. 340, 1. difal^eaig stoischer Terminus.
Urtheil Philons über ihn 305, 3. synon. ate^aiq. opp. ^iatq Vi
hielt die nikomachische Ethik 420, 1.
für ein Werk des Nikomachos dnoöet^iq II 193 f. 795 f.
II 718. Apollodoros das Haupt der epi-
Schriften : nsQl tsXwv II 662 f. kureischen Sophisten I 183 ff.
628. 638 ff. 645. 656 ff. III 273 f. Apollodoros der Stoiker. Sein
Kavovixd II 666. III 270. 520 f. Werk neQl »ediv Quelle emcs
Der Dialog Sosos 265 ff. Theils der stoischen Darstellung
Anhänger UI 238 ff. im zweiten Buch de nat. deor.
Antipater von Tarsos I 216 ff. Inhalt und Eintheilong
Definition des höchsten Gutes des Werkes 219, 1.
n 232 f. 234, 2. 235. 240, 2. ApoUophanes U 101, 2.
436. 467 f. 515. 805. 823 f. t^Xog Aratos Angeblicher Pantheismus
u. axonog 554 f. Eintheilung der II 206 f.
d^lav exovra 563, 1. Vorwie- a (>;( et ro£ Gebrauch dieser Bezeich-
gendes Interesse für Dialektik nung II 421 Anm. (wo Exe. IV
und Ethik 259 Anm. Meinungs- zu lesen) 646 f. 834, 1.
Verschiedenheit zwischen ihm Archedemos
und Diogenes 253, 1. 429. Tie- Definition des höchsten Gutes II
fer gehende Differenz 597. gibt 233 f. 235. 515. 624. über die
den Angriffen des Kameades Lust 440, 1. yytfioi'ixov 778.
nach 249 ff. bemüht sich um 779, 1. 780. Die Erde als Sitz
Uebereinstimmung mit Piaton desselben 221.
256. Areios Didymos II 694. 743. 745.
Antipater von Tyros II 212. Philosophischer Standpunkt 837 f.
724. Anm. III 240 ff. 303. QueUe des
Antipatristen U 606, 1. Stobaios n 837 Anm. Die Reste
antiqui s. d^aloi. seiner Schrift liegen bei Stobaios
Antisthenes der Stifter der ky- nicht unmittelbar vor 835, 1.
nischen Schule. Aristippos derSokratiker. Echt*
Definition des loyog II 4, 1. heit der unter seinem Namen
Verschiedenheit seiner Erkennt- gehenden Dialoge 11363,1. üebcr
nisstheorie von der stoischen 6. die Liebe 398 Anm.
Minder einseitig und schroff als Ariston von Chics. *X)/jioiwfmxa
seine Schüler 361 Anm. n 32 f. Anm. Lehre 44 ff. 53 ff.
Namen- und Sachregister. 557
101. 480 f. Anm. 483. Methode Athenodorus Calvus II 326. 724.
176 f. Anhänger 45, 1. Person- 736,1.
liehe Verhältnisse 59, 1. Atti eisten unter den Philosophen
Aristoteles II 376. 378 Anm. 381 f.
Verschiedene Definitionen der Atticus, T. Pomponius, II 368 f.
Glückseligkeit II 719, 1. Defi- dSla verschiedene Arten II 563, 1.
nition von ßlog 408 Anm. Auf-
fassung der Tapferkeit 476, 1. ^•
verwirft in der Ethik eine Defi- ßccQßaQOi; Bedeutung II 164, 2.
nition der ^Sov7j die er in der Basilides Stoiker II 549 Anm.
Rhetorik gelten lässt 719, 1. Das Beispiele Wiederkehr der glei-
selige Lohen der Weisen nach chen, II 24, 2. Der Verfasser
dem Tode 646, 3. Piatonische benutzt sich selber als Beispiel
Psychologie 720 Anm. Kreislauf 258, 1. von individuellen Persön-
in dem Wechsel der Staatsver- lichkeiten hergenommen 908 ff.
fassungen 871, 1. Beurtheilung Bion der Borysthenite II 60.
des Sokrates 367 Anm. Darstel- ßlog bei den Stoikern von ^oßt)
lung von Demokrits Erkenn tniss- unterschieden II 408 Anm.
theorie I 112 ff. Ursprung des Blossius, C, Zweifel an der Man-
Namens Tb ti ^v sivai II 5 Anm. tik II 882, 1.
über Geschichtschreibung 906, 2. Boethos aus Sidon der Stoiker.
Schriften: 'EQüjuxogUSdl, 2. Tritt dem gewöhnlicheft Pan-
Nikomachische Ethik 718. Dia- theismus entgegen II 200. 221.
löge in der Lehre von den akroa- 224 ff. Erkenntnisstheorie 228 ff.
mat. Schriften abweichend 719. schloss sich nicht so sehr den
Arkesilaos Peripatctikern an als er auf die
Begründung der ^tio/jI III 26 ff. älteren Stoiker zurückging 222 ff.
Eigenthümlichkeit seiner Skepsis 228 f. theilte den stoischen Weis-
28 f. Dialektik 31, 1. Einfluss sagungsglauben nicht in allen
der Megariker 33. Ethische An- Stücken 227 Anm.
sichten 37 f. 157 f. 160,2. 185,1. Brieflitteratur II 71, 1.
Verhältniss zu Piaton 35 f. geht
auf Sokrates zurück 36 ff. 158 ff. ^•
188! Verhältniss zu den Stoikern ;^ao^ als Bezeichnung der Luft
26, L 154 f. Anm. Verhältniss zu III 73, 1.
Pyrrhon 24ff. 150ff. 160,2. Ge- Chrysippos
heimlehre 221 Anm. Allgemeine Characteristik II 114 f.
Askanios der Abderite III 3, 2. 182. 598 f. Anm. 619. 755.
clraQa^la der Skeptiker III 12 f. führt die 7r()oAi/v^f /? in die stoi-
15 ff. 55 ff. sehe Philosophie ein II 10. 183.
558
Namen- uDd Sachregister.
194 ff. 198, 1 u. 2. Unterschied
Ton Kleanthes in der Auffassung
der (pavxaata. als einer rvnotaiq
801, 1. über den Werth der Wis-
senschaften als solcher 524.
Pantheismus II 198 ff. 219 f. Ma-
terie der Gottheit 210 ff. Das
die Welt bewegende :7rvfr^a750ff.
Auffassung der Materie 760.
fasste das Princip der Welt an-
ders auf als Kleanthes 132. An-
fang der Weltbildung 780. Das
Ergebniss der ixnvQOßaig 211.
Wich in der Auffassung des Stoff-
wechsels so wie in der Definition
des oToixfTov von Kleanthes ab
754. Abhängigkeit der Natur des
Menschen von der des Landes 893.
Bestimmung des höchsten Gu-
tes II 107 ff. unterscheidet sich
hierin von späteren Stoikern 235 ff.
436 f. 468. 515. 531 f. Auffassung
der Tugend als eines ^^(pov 470 f.
Anm. Worein er das Wesen der
Tugend setzte 483 ff. Die Tugend
eine Gesundheit der Seele 486 ff.
Die aus der Uebung entspringen-
den Tugenden sind nicht selb-
ständige Tugenden 490 f. hat
wahrscheinlich die Tugenden we-
der unter vier Hauptarten zusam-
mengefasst noch überhaupt einer
durchgeführten Ordnung unter-
worfen 479 Anm. Dreithcilung
der Tugenden 618 f. Die Un-
verlierbarkeit der Tugend 68, 3.
über die dnd^eia 456 ff. die
dnovla 458, 1. Der freie Wille
III 530 f. Eigenthümlichkeiten
in der moralischen Casuistik II
254 Anm. 429. Rechte der Skla-
ven 605 Anm.
gestattet unter Umständen eine
Lockerung der Terminologie und
insbesondere den Gebrauch von
dya&^v für nQoriyfUrov U 265 f.
braucht otoi/jTov in verschie-
dener Bedeutung 742 f. 755
Polemik gegen Pyrrhon Dl 1,1.
Polemik gegen Ariston 11 480 f.
Anm.
Schriften : UsqI a()fTcyF 11492,1.
IleQl rov xaXov xal rijg rjöovfi;
585, 1. HfQl rikovg 663.
s. auch unter Stobaios.
Cicero, M. Tullius
1. Schriften: Verhältniss der-
derselben zu ihren Quellen im
Allgemeinen II ff. de natura
deorum Quellen des ersten Bu-
ches 14 ff. 172,2. 178. des zwei-
ten 191 ff. des dritten 243 f.
Erklärung einiger Stellen des
ersten Buches 46 ff. de finibas
Quellen des ersten Buches II
669 ff. des zweiten 630 ff. des
dritten 567 ff. 548. 566. 644,2
(vgl. jedoch Cicero Acad. pr. 138
über Chrysipp). 832. des vierten
620 ff. des fünften 691 ff. de
officiis Quellen des ersten Bu-
ches II 722 ff. 311, 1. 355 f.
360 Anm. 365. 374. 432. 442.
447 f. i522). 464. 466 Anm. 498,1.
501 (520). 505. 508 Anm. 508, 1.
509. 511 f. 513 Anm. 521 f. 598,1.
601, 3. 602, 3. 649, 1. des zwei-
ten 724 f. 380 Anm. 598, 1. des
dritten 725 ff. 326. 328, 1. 605
Anm. Academica prioraQuel-
Namen- und Sachregister.
559
len ni 251 ff. Inhalt des verlor-
nen ersten Buches 252, 1. 279, 1.
Academica posteriora III
287, 1. 297, 2. Tusculanae
disput. Quellen des ersten Bu-
ches III 342 ff. des zweiten 406 ff.
des dritten 414 ff. « des vierten
456 ff. II 487, 3. des fünften III
468 ff. II876Anm. Consolatio
III 3.52 ff. 384. Hortensius III
297,2. 347,2.3. 490. Timaeus
I 2f.
2. Philosophie: Eenntniss epi-
kurischer Schriften I 12 ff. II
632 ff. Standpunkt des skepti-
schen Akademikers nicht con-
sequent eingehalten 635. War
nicht in jeder Beziehung Anhän-
ger Philons III 281 Anm. 291 f.
Lehre vom angeborenen Wissen
525 ff. Sein philosophischer Ent-
wicklungsgang 488, 1.
Coelius Antipater. Sein Interesse
für Prodigien I 225, 1.
Demetrios der Lakonier, einer
der epikureischen Sophisten I
181, 1.
Demokritos
Lehre: Die el'daj)M I 75 f. D&-
monenglaubc 1 37, 1 . Erkenntniss-
theorie 111 ff. Skepsis III 11 ff.
66, 1. Ethik I 135 ff. III 13 f.
Bedeutung derselben innerhalb
des Systems der demokritischen
Philosophie I 15S f. Liess das
Bewegungsprineip der Atome un-
bestimmt II 660, 2.
Schriften: Kavovtg I 126 ff.
Ilsgl iSediv 126, 2. KQatvvzTjQia
129 u. Anm. Tgtroytreia 132, 1.
IleQl rwv iv "Atöov 137. IleQl
ev^vfilrig m 20 f.
SiaXexTixi] Auffassung bei den
Stoikern II 796 ff. 800.
öidXexTog Frühestes Vorkommen
des Wortes in der Bedeutung
Yon Dialekt II 259 f. Anm.
Didymos s. Areios.
Diodoros aus Sicilien, der Histo-
riker II 907 Anm.
Diogenes von Babylon
Definition des höchsten Gutes II
231. 1. 234. 436. 515. Conces-
sionen an Karneades 252 f. blieb
in der Schätzung des Ruhms und
sonst auf Chrysipps Standpunkt
252 f. 253, 1. Tiefergehende Dif-
ferenz zwischen ihm und Anti-
pater 597. Eintheilung der d^lav
^Xovra 563, 1. die Soaig 565 Anm
Rechte der Sklaven 605 Anm.
Theologie II 212. Zweifel an
der Astrologie 227 Anm. 253 f.
sprach sich gegen die Lehre vom
Weltuntergang aus 253.
wird vom Einfiuss Piatons be-
rührt II 254 ff. Zusammenhang
mit der pergamenischen Schule
259 Anm. Durch seine histori-
schen Interessen so wie durch
seine Beschäftigung mit der Na-
tur der Sprache der Vorgänger
des Panaitios 258, 1.
Schriften: politischen Inhalts
II 254, 1. 258. ns(ßl yce>vf7?258, 1.
Diogenes der Kyniker II 21. 22
Anm. Verfasser einer Trostschrift
III 351, 3.
560
Nftmen- ood Sachregister.
Diogenes Laertius, in seiner Dar-
stellang des Stoicismus sind ver-
schiedene Formen derselben äus-
serlich mit einander verbunden
II 409 Anm. Widersprüche in
der Auseinandersetzung der stoi-
schen Lehre von den Principien
757 f. der Bedeutungen von xoa-
fxoq 760 ff. von atotxsTov 769 f.
— In dem Abschnitt ne^l na&wv
Hekatons gleichnamige Schrift
die Quelle 594 Anm. — Für die
Darstellung der stoischen Logik
ist eine ältere (Eleantbes?) und
jüngere Quelle benutzt II 790 ff.
Quelle seiner Darstellung des
Skepticismus m 75, 2. 87. 116 ff.
Anm. 133 ff. (gibt nur ein Yer-
zeichniss der empirischen Skep-
tiker) 136 ff.
Diogenes von Tarsos, einer der
epikureischen Sophisten I 181 f.
II 673 Anm.
Diogenisten II 606, 1.
Dion als Beispiel bei den Philo-
sophen II 910 f.
D i 0 n y s i 0 s der Stoiker unterschie-
den von b Mexu^ififvoq II 74, 3.
Diotimos I 120 (s. über diesen
Hermes XVU 326) 135.
66a iq = xQlaig II 564 ff. Anm.
So^ci als eine Art der avyxard-
S-eaig von der anderen, der xa-
Takfjiptg, unterschieden II 190 f.
E.
Eleaten
bleiben von der sinnlichen Wahr-
nehmung abhängig III 10, 2.
l^fifpaaiq III 211 Anm.
^fixpvxov in wie fem unterschie-
den von ^(pov II 217, 1.
ivagyeia III 208 ff. 502 ff.
Ephoros II 889 ff. Einfluss des
Isokrates 896, 1.
Epiktetos
Definition des höchsten Gates
II 51 6, 1 . Die 71 Qoijyovfieva 827 f.
Das Weisen -Ideal 294 ff. Ging
von Ghrysipps Terminologie ab
387, 2. vermeidet sich des Wor-
tes 71 Qorjyfxivov zu bedienen 419.
braucht dyaO^öv in einem weite-
ren Sinne 427 f.
Epikureische Schule
Angebliches Beharren bei der
Lehre des Stifters I 98 f. Ur-
sachen die eine gewisse Stabili-
tät erklären 100 ff. Abweichun-
gen von der Lehre des Stifters
15 f. Differenzen unter Epikurs
unmittelbaren Schülern 165 ff.
unter den späteren, insbesondere
über das Wesen der Freund-
schaft 168 ff. II 678, 2. über die
Götter 1172 ff. Auftreten der So-
phisten 180 ff. Epikurs Kano-
nik wird weiter entwickelt 185 ff.
Abstufungen unter den Mitglie-
dern 187 ff. Ideal des Weisen
II 278.
Polemik gegen die Eyrenaiker
II 675, 2. 677 f. angegriffen von
den Komödiendichtern I 103. 4.
Epikaros
Lehre: Anschluss an Demokrit
I 108 ff. in der Kanonik 110 ff.
in der Ethik 134 ff. Darin dass
er die ovfißsßTjxora und arfinrof-
(lata nicht als Seiendes im vol-
Namen- und Sachregister.
561
len Sinne des Wortes gelten lässt
151. in der Gesammtrichtung
des Pbilosophirens 154 ff. Ent-
fernt sich von ihm zuerst auf
' erkenntnisstheoretischem Gebiete
161 f. bestimmt als Princip der
Bewegung die Schwerkraft der
Atome II 660, 2. Einfluss der
peripatetischen Kritik I 119, 1.
162 ff. Von der laovofda 15. 16.
85 ff. Dem quasi corpus und
quasi sanguis der Götter 16 f.
Die dvravanXijQwatg der Götter-
bilder 58 ff. Die Natur der
Götter 77 ff. üeber den sQwq
II 391 f. Hält in den späteren
Schriften nicht immer die An-
sichten der früheren fest I 187.
Schriften : Kaviov I 131 f. Dass
dieser die früheste Schrift 161 f.
186 f. n^Ql xÜ.m)(; M 633, 1.
Sprache II 381, 1.
Seine Lehrer 1 108 f. 165. Ver-
ehrung deren er in seiner Schule
genoss 101 ff.
^ni^vfislv Bedeutung bei den
Stoikern II 385 ff.
inoxv Name von Pyrrhon zuerst
aufgebracht III 24, 1. Das t^Xog
87 f. 189, 1. verschiedene Be-
deutungen 167 ff.
Eratosthenes II 102 Anm. III
18 Anm.
Erde. Bedeutung für die Welt-
bildung II 779. 780, 1.
eQa}g stoische Definitionen II 387 ff.
unterschieden von q)iXIa 392, 3.
912. 404 Anm.
^axfxrog Bedeutung II 128 ff.
Esoteriker und Exoteriker in
Hirxel, Unteisnebiuigen. HI.
den alten Philosophien unter-
schieden I 188 f. III 227 Anm.
evöai/iovla und evdai/xovelv II
550 ff
Eudoros der. Akademiker kein
Anhänger des Antiochos II 818.
819 sondern Philons III 244 ff.
Angebliche Quelle des Stobaios
11835,2. Unterscheidet zwischen
den Tugenden und den Gütern
III 193 f. Anm. 247, 1.
6töo§la Bedeutung II 819, 1.
E u k 1 e i d e s der Sokratiker. Echt-
heit seiner Dialoge II 363. An-
sicht über die Liebe 396 f. Anm.
evXoyog II 342 Anm. 344 Anm.
III 38, 1. 150, 3. 180, 1.
Exoteriker s. Esoteriker.
F.
Freundschaft Theorie derselben
b. d. Epikureern 1 169 ff. II 678,2.
G.
Geschichtschreiber antike und
moderne II 841 f.
Götter Ansichten über die, in der
epikureischen Schule I 16. 72 ff.
1 72 ff. in der stoischen 205 Anm,
211,1. II 73 f. 866 f.
Gut, das höchste
von Kameades definirt II 623, 1.
III 182 ff. 190, 2. bei den Stoi-
kern II 230 ff. 254 ff. 430 ff. 515.
516,1. 611 f. s. auch tiXog.
H.
algst^ov 8. alQBtov.
alperov
in weiterem Sinne gebraucht II
36
562
Namen- und Sachregister.
330 Anm. 822. 383. unterschie-
den vom aiger^ov 540 (wo in den
Worten „Und zwar wird offen-
bar dem aiQsttov der geringere
Werth beigelegt" zu lesen ist
aiQerov). 541 f. 543 f. 547 f. 552.
556, 1 . von Seneca mit expetendum
übersetzt wie alget^ov mit expeti-
bile 542, 2. 548. mit dem dya^ov
identifizirt 706. 6i^ alt 6 al^et.
in doppeltem Sinne gebraucht
817, 1.
tjyt/xovixov verschiedene Bedeu-
tung II 777 ff. Annahme eines
doppelten tiyef^. 781 ff. gänzliche
Leugnung 789, 1. Der Kopf als
Sitz desselben 150 ff. 772 ff.
Hekaton
unterschied die vernünftige auf
Erkenntniss gegründete Tugend
von der vemunftlosen II 332 f.
482. 484. 492. in wie fem er
sich dabei von Posidon unler-
scheidet 500 ff. 503 f. von Panai-
tios 505 f. 610 f. Dreitheilung der
T. 619. Herabsetzung der Tapfer-
keit 349 f. lieber die fityaXoipv-
xlct 496, 1. macht den Vortheii
zum entscheidenden Maassstab
unseres Handelns 600 f. 726 ff. 731.
seine Lehre hat einen banausi-
schen Zug 603. das höchste Gut
611 f. 731. Theorie der Leiden-
schaften 592 f. Schloss die Lust von
den Grundtrieben des Menschen
aus 595 f. über den Ruhm 596.
603 f. Rechte der Sklaven 600 f.
605 Anm. Mythen erklÄrung 609.
pflegt Diogenes und Antipater
mit einander zu citiren II 563.
605 f. 605 Anm. hat eine Vor-
liebe für Diogenes 563 ff. 599 ff.
606 f. 612. 733. für Chrysipp
607 ff. 726, 2. Modification der
Lehre des letzteren 610. 612.
Weicht mit einer Ansicht von
Panaitios und Poseidonios ab
326, 2. Gegensatz zu Panaitios
601. Anschluss an denselben 611.
Schriften : Ilsgl aQexwv H 492, 1 .
il€(>ir^Aot'g592.663. üsgina^v
594 Anm. IleQl ^«(»'rcüv 608, 1.
Ilepl xad'jqxovzaq 608, 1.
Ansehen dessen er im Alter-
thum genoss II 592, 1.
s. auch unter Stobaios.
Herakleides U 396 f. Anm.
Heraklei tos von Ephesos
Ueber die Gestalt der Gestirne
II 121. vom Entstehen und Ver-
gehen der Welt 133. Psycho-
logie 157. naXlvtovoq aQUOviri
159, 1. Erkenntnisstheorie 163 ff.
Gegner der Aitiologie III 144 f.
Unterschied von Demokrit in der
Ethik 13, 3.
Zweck seiner Schrift II 123
Anm. Eintheilung derselben 177 ff.
— Anhänger 182 — als Beispiel
eines vollkommenen Weisen an-
geführt 294, 1. 296 Anm. — Gilt
Späteren als Geistesverwandter
der Kyniker 296 f. Anm.
Herakleitos vonTyros, der Schü-
ler Philons III 267 f.
Herakles
Unterscheidung eines doppelten
II 877 Anm.
Herillos II 46 ff. 176 f. 801, 1.
Schriften 47, 1. Theilweise Er-
Namen- und Sachregister.
563
Denerung seiner Lehre io spä-
terer Zeit 319 f.
Hieronymus von Rhodos, der
Peripatetiker III 24, 1.
oXov unterschieden von näv II 763.
"OfxoiasAB Schriften titel II 32Anm.
"^OfioKofiata als Schriftentitel II
32 f. Anm.
Horatius II 369, 1. 373, 2. 377, 1.
oQfiri II 384 f. Anm. 388 f. Anm.
vnorsXiöeg II 48 ff.
I.
Ironie verschieden heurtheilt von
den griechischen Philosophen II
365 ff. 432, 1.
laovofiiain der epikureischen Phi-
losophie I 15. 16. 85 ff.
laoad^ivsia III 25, 1. ist das
Princip auf dem die älteren Tro-
pen der Pyrrhoneer beruhen 122 f.
Jurisprudenz. Die Stoiker arbei-
ten ihr vor II 726, 1.
K.
Kakov Doppeltes, für den Weisen
und für den Nicht- Weisen II 319.
324. 327 f. 328, 1. Bei Piaton 341.
Bedeutung des Wortes 382 f.
Kakdg xdya&og, xakoxdyaO'la
II 79 ff. verschiedene Auffassung
bei den Peripatetikem 708.
Karneades
Seine Wahrscheinlichkeitstheorie
verschieden von der des Arka-
silaos m 151 ff. Anm. 178 f. 180,1.
188. von der Philons 294. 296.
Das Wahrscheinliche und Augen-
scheinliche fallen zusammen 206 ff.
Annäherung an den Dogmatismus
180. Ethische Ansichten 181 ff.
Definition des höchsten Gutes II
623, 1. 643, 2. Die Tugend nicht
zu den TtQwra xara (pvaiv gerech-
net 819. 839, 1. m 190, 2. über
den Ruhm II 820. Aufzählung
der verschiedenen möglichen ethi-
schen Theorien 644, 1.
identifizirt die stoische und
peripatetische Philosophie II
643, 1. III 275 f. 285, 1. Ueber-
einstimmung mit Sokrates 188.
302. bestreitet Piatons Lehre 35.
Art seiner Polemik II 642 f.
Einfluss auf die Epikureer I
176 f. 185. auf die Mythendeu-
tung in der stoischen Schule
224, 1. auf Panaitios 240 ff. auf
die Entwickelung der stoischen
Moral und Dialektik II 239 ff.
249 ff.
Abweichende Berichte über
seine Lehre III 162 ff.
xaxaXrinxov
Philons Auffassung III 196 ff. 302.
xardkritpig, xataXijntix^ qxxvta-
ala II 183 ff. 381 f. 803 f. III 512, 3.
xata (pvaiv wechselnde Bedeu-
tung II 92 f. 234, 1. 334, 1. 408
Anm. 440 f. 814. 821. 823 f. 832.
839. 839,. 1. Einfluss dieses Be-
griffes auf die altstoische Moral
239.
xarriyogrifia II 545, 1.
xad'fjxov
gründet sich auf die Wahrschein-
lichkeit U 341, 1. Weitere und
engere Bedeutung des Wortes
403 ff. Etymologie 406 f. Ein-
theilung der xa^rixovxa in del
36*
564
Namen- und Sachregister.
und ovx del x. gehört den spä-
teren Stoikern an 410. insbeson-
dere Panaitios 412. 415. Einthei-
lung in xaxoQ^tofiaxa. und xa^i]x.
im engeren Sinne ist Compromiss
zwischen der späteren und frühe-
ren Auffassung 417 f. xaza tisqI-
araaiv x. 730 f. nimmt seit Chry-
sipp in der Literatur der Stoiker
einen breiteren Raum ein 239.
xatoQ^io/xa II 342 ff. Anm. Defi-
nition desselben bei den skepti-
schen Akademikern 34G Anm.
III 38. 154. Unter dem xa&^xov
mit begriffen II 404. 415 ff. Da-
von unterschieden 417.
Kleanthes
Allgemeine Characteristik III 79ff.
Lehre: II 84 ff. Dialektik 86 ff.
Rhetorik 88. Ethik 88 ff. Angeb-
licher Anschluss an die Eyniker
89 ff. 94 ff. 117. über die Lust
93 ff. die Tugenden 97 ff. 483.
48G, 1. Unverlierbarkeit der Tu-
gend 68, 3. 104. über den parä-
netischen Theil der Ethik 104 f.
Unterschied seines ethischen Prin-
cips von dem Zenons 105 ff. Geht
darin dass er der xotvtj <pvaig die
Gesetze des Handelns entnimmt
auf Hcrakleitos zurück 115 ff.
119, 1. 149, 2. ebenso in dem
was er über den Ursprung der
Tugend lehrt 118 f. 158 f. Hera-
klits Einfluss in der Naturphilo-
sophie : Gestalt der Gestirne 120ff. ;
Nahrung der Sonne 122 ff. ; Ent-
stehen und Vergehen der Welt
124 ff.; die Zahl der Elemente
134. 755; der vernünftige gött-
liche Theil der Seele tritt von
aussen in den Leib i^Unsterblich-
keit 148 f. Sitz des fiysfiovixov
ist nicht im Herzen sondern im
Kopf 150 ff. 776) 135 ff. Verglei-
chung der Vorstellungen mit Sie-
gelabdrücken 161 ff. Anschluss
an Heraklit auch in der Emthei-
lung der Philosophie 169 ff. Pan-
theismus 201 ff. 207 ff. 219 f.
über die Materie 760. Materie
an die die Gottheit gebunden ist
210 ff. 214 f. Stellt sich das Er-
gebniss der ixnvQwaiq anders vor
als Ghrysipp 211. Unterscheidet
sich darin von Zenon dass er die
Herrschaft des koyoq durch die
Welt physikalisch zu erklären
sucht 214 f. Polemik gegen Pia-
ton m 377 Anm.
Die Darstellung der stoischen
Logik bei Diogenes Laertius geht
vielleicht zum Theil auf ihn zu-
rück II 800.
Schriften: II 86. 353, 2. 912.
Darstellungsweise 181, 1. 353, 2.
UoXiTtxbg 105, 1.
Kleitomachos
Bericht über die Lehre des Kar-
neades HI 162 ff. 172 ff. Schriften
164, 1. eine derselben Giceros
Quelle für die Kritik des epi-
kureischen Vortrags im ersten
Buche de nat deor. I 32 ff. eines
Abschnittes in den Ac&d. pr. m
319. bei Sextos Emp. (adv. dogm.
I 47—89) 524.
Kleombrotos II 302 Anm. (vgl.
Augustin de Civit. Dei I c. 22).
Körperliches s. Seiendes.
Namen- and Sachregister. 565
Komödie, die altattiscbe, Urtheile Lukianos II 833, 1.
Ober sie II 370 ff. Lust Ansichten über dieselbe II
xocfioq verschiedene Bedeutungen 80 ff. 581 f. von Posidon für ein
II 761 ff. 766 ff. Gut erklärt 334. 446 f. Panai-
Krates der Kyniker II 22 Anm. 23. tios' Auffassung 4:^8 ff. 833.
Krinis Stoiker II 425 f. 426, 1.
Kritolaos Peripatetiker II 583,1. M.
stoische Elemente in seiner Lehre M antik
694,2, Kritik seiner Lehre von Zweifel daran I 240 f. II 882,1.
der Glückseligkeit durch andere Marcus Aurelius Antoninus. Das
Peripatiker 715 f. höchste Gut II 516, 1.
Kyniker von Aristoteles berück- Materie Auffassungen derselben
sichtigt II 20 ff. Die jüngeren bei den Stoikern II 756 ff.
vernachlässigen gegenüber der Medicinische Wissenschaft. Ihre
Praxis mehr und mehr die Theorie Bedeutung für die alte Philoso-
21. Verschiedenheiten der Mei- phie I 130, 1.
nung unter ihnen 21, 2. Das Methode der skeptischen Aka-
Ideal des Weisen 876 Anm. demie III 379, 1.
Kyren aik er Bedeutung von Tt'Ao^ /xsrQionaO'eia bei den Pyrrho-
II 665. Die Freundschaft 678, 2. uoern III 16 Anm.
Metrodoros von Chios, der De-
^- mokriteor III 31 Anm.
Lakydes III 161 f. Metrodoros von Lampsakos.
Leukippos Streit ob er oder Seine Lehre I 16. Streit mit
Demokrit der Urheber der Ato- Timokrates 165 ff. Schriften 190.
menlehre I 184. Metrodoros von Stratonike
Liebe Ansichten über die, II 312 f. Auffassung der Skepsis des Kar-
387 ff. 594 Anm. b. bQüßg. Ver- neades III 170. 172 ff. 194 f.
hältniss von Liebe und Gegen- Seh rifts teilerei 195, 2.
liebe im Leben der Alten 395 f. Mnesarchos
Anm. 404 Anm. Theologie II 212. Materie 760, 1.
Xoyixfj II 42. 799, 1. als gram- Rhetorik 381 Anm.
roatische Disciplin 904, 1. fxtaog ßlog II 708 f.
Xoyog als Kriterien II 4 ff. 10 ff. Mythen bei Zenon und Antistho-
als objektive Vernunft und Prin- nes II 30 Anm.
cip der Welt 214 f. Mythendeutung in der stoischen
Lucret ins ob von Cicero berück- Schule 1224,1. II 609. 873 ff. 875,1.
sichtigt I 9 ff. dass er nicht
wesentlich von der epikureischen ^•
Lehre abweicht 98, 1. Naturphilosophen, vorsokra-
566
Namen- und Sachregister.
tische, bleiben voo der sinn-
lichen Wahrnehmung abhängig
III 10.
Nausiphanes
Anhänger Fyrrhons III 43. Leh-
rer Epikurs I 108 f. 244. Der
Tglnoiq 132, 1.
Nikomachische Ethik dem Ari-
stoteles abgesprochen II 718.
vooq Bedeutung des Wortes bei
Demokrit I 159, 1.
Numenios
der angebliche Pyrrhoneer III 40ff.
0.
£^6siov nvXm, Philosophen da-
nach benannt I 106 Anm. (nach
Hermipp bei Diog. VII 184 scheint
Chrysipp gemeint zu sein, vgl.
Strabo IX 1, 17 p. 396).
Odysseus
Unterscheidung eines doppelten
II 877 Anm.
(o(ft).rifjLa untersch. iotpehfiov H
537, 1. zu den Gütern gerech-
net 548. 552.
oQsysa&ai, oQt^ig in weiterem
Sinne gebraucht II 383 f. 387, 2.
stoische Definition 383, 1.
OQovaig II 383, 1.
SQ&bg Xoyog als Kriterien II 11 flf.
196 flF. 534. 799.
P.
71 a),a 10 i s. a();faro£.
Tiäv B. oAov.
Panaitios
Lehre: Einfluss d^s Kameades
I 240 ff. Piatonismus 242 f. 335 f.
U 507, 1. 514 Anm. 522, 1. 598 f.
Anm. 894 f. 912. — Zweifel am
Weltbrand I 225 ff. an der Man-
ük 240 f. II 882, 1. in 262 f.
Anm. an den Göttern II 883, 1.
an der Unsterblichkeit I 231.
m 376, 1. Abhängigkeit der
Natur des Menschen von der
des Landes II 893 ff. — Gater-
lehre II 261 ff. Gebrauch des
Wortes nQotjYfjitTOv 419. Be-
stimmung des höchsten Gutes
430 ff. 467 f. 514 f. Unterschied
zwischen tekog und axonogö^H.
über die Lust 438 ff. die dnd-
^f £« 452 ff. zwei Arten der Tu-
gend, Herabsetzung der Tapfer-
keit 348 ff. Definition der letz-
teren 507, 1. der Weisheit 512, 1.
vier Cardinaltugenden 498, 1.
616 f. Die Tugend verschieden
nach der individuellen Natur des
Menschen 434, 1. 912. theore-
tische und praktische T. 448 f.
496. 504 ff. 522 f. unterschied
sich hierbei von Posidon 508 ff.
stimmt mit ihm übercin 510 ff.
psychologische Ableitung der
Tugenden 506 f. Der Werth des
Wissens 522 f. 529. Doppelte
Moral die für den Weisen und
die für die Masse der Menschen
geltende 311 f. 317. 327 ff. Von
den Pflichten : die Fälle in denen
der Mensch über seine Pflicht
im Zweifel sein kann 320 ff. Das
xaO^rjxov 412 ff. Anschluss an
Antipater in der Schätzung des
Ruhms 252, 1 sowie darin dass
er es verschmähte Vorschriften
über den Gelderwerb zu geben
Namen- und Sachregister. 567
253,1. 420 in der gesammten insbesondere Piaton 377, 2. 555 f.
grossherzigeren Lebensauf fas- strebt nach Reinheit der Sprache
sung 598, 1. tritt durch seine 378 ff. 402. 412 f. 415. 440. 554 f.
humanere Ansicht über die Be- Schriften: ne(}l nijovoiaq Ci-
handlung der Sklaven in Gegen- ccros Quelle im zweiten Buche
satz zu Hekaton GOl ff. über die de nat. deor. I 194 ff. bes. 197 ff.
Liebe 311 f. 317. 330. 402. 403, 1 211 f. Fragment dieser Schrift
und 2. leugnete die Wirklich- II 893, 1. He^l fv^vfdaq 250
keit des Weisen 307. 330. un- Anm. 307. IhQl zov xa&ijxov-
terschied von dem vollkommenen zog 267. 267, 1. 323. 329 Anm.
einen Weisen zweiter Ordnung 340,2. 369,1. 380 Anm. 411,1.
434, 1. — ürtheil über die Ky- 412,1. 414,1. 433 f. Hegl Zw-
niker 354 f. xQaxovq 377, 1.
Philologisch-historische Kritik: Zur Gesammtcharakteristik II
folgt dem Vorgänge des Persaios 257. 354 599 Anm. 884 f.
II 78,1. schloss sich an Erates, Parmenides
nicht an Aristarch an 257, 2. Der zweite Theil seines Gedichts
achtet auf dialektische Eigen- III 12. 52.
thümlichkeiten 261 Anm. 376, 2. na^oq Stoische Definitionen II
über Sokrates und Aristophanes 461 ff. 464, 2.
I 234 f. n 886 f. Beschäftigung nt^aq unterschieden von zbloq II
mit den Werken der Sokratiker 664, 1.
359 ff. Kritik an denselben und Pergamenische Bibliothek. Yer-
deren Gründe 360 ff. erklärt den hältniss zu den Stoikern II 41
platonischen Phaidon für unecht Anm.
I 232 ff. 11361.886,1. III 378 Pergamenische Schule
Anm. Idealbild des sokratischen Beschäftigung mit den Dialekten
Gesprächs II 364. 368, 1. 373, 2. II 260 f. Anm. Einfluss der Stoa
über den sI'qwv 365 ff. ist Atti- 904 f. Streit mit den Alexan-
cist 375 ff. über Aristipp 360 drinern 906 Anm.
Anm. Biographische Forschung ne()itxov als Bezeichnung der
377, 1. ürtheil über Demosthe- Luft HI 72 f.
nes 328,1. 380 Anm. 383. über Peripatetiker, spätere, über die
die altattische Komödie 369 ff. Liebe II 391,2.
über die Rhetorik 381 Anm. Peripatetische Schule
Darstellung: lockert die Ter- Verschiedene Ansichten über die
minologie und bedient sich einer Glückseligkeit II 715 ff.
gemeinverständlichen Ausdrucks- Persaios
weise II 267 ff. 338 f. 354. sein Lehre: II 59 ff. Historisch-phi-
Vorbild die Sokratiker 357 ff. lologische Interessen 77 f.
568
Namon- und Sachregister.
Persaios
Schriften: Sv/anottxoi didXoyoi
II 63 f. /Ud).oyot 64 f. 2£v^noxixa
vnofAVt'ifjiata und Änofivrifxovtv-
fiaxa 66 Anm. 79. *MS-ixal a^oXal
67Anm. lleQl ccatßfiag oder tt-
aeßtlag 76, 2. tlolirtla Actxw-
vixt], ÜQüi; Toi-q IDAnovoq vo-
fiovq, IltQl ßaotXtiag 79.
Phaidon der Sokratiker. Echt-
heit seiner Dialoge II 363. 3(53, 1.
Phaidros' Schrift tifq! S^säiv ob
von Cicero benutzt I 25 f.
(pavtaola weitere und engere Be-
deutung bei den Stoikern II 801 f.
Phavorinos der Skeptiker
III 3 Anm. verband die pyrrho-
niscbe und akademische Skepsis
132 ff. ist nicht die Quelle des
Diogenes 137, 1.
(fiXla 8. kQo>q.
Philodemos I 6, 1. 170 ff. 180.
gehört zu den epikureischen So-
phisten 182 f. Schrift über die
Frömmigkeit als Quelle des ersten
Buches de nat. deor. 1 ff. 4 ff.
17 f. vielleicht war eine seiner
Schriften die Quelle des ersten
Buches de finibus II 690.
Philon von Larissa
Auffassung des xazah/nTÖv III
195 ff. 302. Dogmatismus 222 ff.
230 ff. Auffassung der Skepsis
des Karneades 170. 172 ff. Ging
auf Piaton zurück 214 ff. 229.
301 ff. 322, 1. 451 Anm. Die
skeptische Akademie ist ihm die
echt platonische 220, 1. Positive
Ansichten 227 f. unterscheidet
zwischen der Tugend und den
Gütern 247, 1. 485, 3. über den
Ursprung der Leidenschaften aus
gewissen Meinungen 482 f. for-
dert die Ausrottung der Leiden-
schaften 448 ff. Dialektik 303 ff.
475, 2. Naturphilosophie 292 ff.
301 f. Stoisirende Richtung 235 ff.
301. 446. 452 f. 473. 476 ff. er-
kannte die Verschiedenheit der
stoischen und peripatetischen
Philosophie an 290. Wechsel in
seinen Ansichten 195 f. 223, 1.
Geheimlehre 214 ff.
Verhältniss zu Panaitios III
391 f. Urtheil über Antiochos
305, 3. Polemik mit Antiochos
320 f. 337 f. 341,1.
Schriften: eine derselben die
Quelle eines Abschnittes von
Ciceros Acad. pr. III 279 ff. 300.
311 ff. 337 ff. der Tusculanen
342 ff. der Xoyog xaxä ipiXoco-
(fiav 481 ff.
Anhänger III 237 ff.
Philosophie, Geschichte der,
Locale Einflüsse die sich auf sie
geltend machen II 666 f. (vgl.
Hermes XVII 328). 913.
7r£l^avovßedeutungIII38,l. 150,3.
179. 206, 1. 211 Anm. verschie-
dene Stufen 176 ff. Anm. 180, 1.
Pia ton bezieht sich in seinen
Schriften auf Demokrits Lehre
I 141 ff. Einfluss Demokrits auf
ihn in der Lehre von der Lust
152, 1. Verh<niss seiner Güter-
lehre zur stoischen II 336 ff. sei-
ner Tugendlehre 339 ff. ürtheil
über die Tapferkeit 348 f. 476, 1.
Die tvXoyiaiia 255. über den
Namen- und Sachregister.
569
Selbstmord 300,2. Kreislauf im
Wechsel der Staatsverfassungen
871, 1. sein scheinbarer Mei-
nungswechsel als 7ioXv<pwvla ent-
schuldigt 838 Anm. Urtheil der
Rhetoren über ihn 377, 2.
Flatoniker der Kaiserzeit III 249 f.
Polybios
Stoiker II 841 ff. Gemässigte
Richtung 855, 1. Fanaitios 882.
883 ff. 888, 1 u. 2. xMethodische
Grundsätze 842 ff. Kritik 885 ff.
Kenntniss der Philosophie 845 ff.
über Piaton 846 f. Sprachge-
brauch 850. 851,1. 853,1. 858.
Der Nutzen ist der Maassstab
der wissenschaftlichen Thätig-
keit 852. Ursprung der sitt-
lichen Begriffe 853 f. Werth-
schätzung des koyog 854 f. 870.
Anklang an die Paradoxa der
Stoiker 855. Ideal einer Staats-
verfassung 85G. Selbstmord 856 ff.
Die ursprüngliche gute Natur
des Menschen wird durch äussere
Einflüsse verdorben 858 ff. Psy-
chologie 860 f. Religion 861 ff.
Ursprung des Glaubens an die
Götter 866 f. Die tvxfi 863.
867 ff. Kreislauf in den Ver-
änderungen der Staatsverfassun-
gen 871, 1. Erklärung der My-
then, bes. der homerischen 873 ff.
Göttercultus 876 ff. Zweifel an
der Mantik 881 f. Verhältniss
zu Ephoros 889 ff. Verbindung
von Erdkunde und Geschichte
891 ff. Seine Universalgeschichte
unterscheidet sich wesentlich von
der des Ephoros 897 ff.
Poseidonios
Lehre: Güterlehre II 261 ff. 333 f.
über die Lust 446 f. 464, 2. das
Streben nach Ruhm und Ehre
ein Naturtrieb 589 f. vermeidet
das Wort 7i(}orjyfiivov 419 ff.
braucht statt dessen evxQij<Jtov
424 f. Bestimmung des höchsten
Gutes 516 ff. 530 f. unterschied
eine doppelte Moral, für den
Weisen und für den Nichtweisen
325 ff. zwei Arten der Tugend
331 f. 348 f. 485 f. 498 f. 519 ff.
Definition der Weisheit 512, 1.
526 Anm. in wie fem sich seine
Eintheilung der Tugenden von
der ähnlichen Hekatons unter-
scheidet 500 ff. 503 f. von der
des Panaitios 508 ff. stimmt mit
Pan. überein 512 u. 512, 1. keine
Dreitheilung der Tugend 616. kri-
tisirte Chrysipps Auffassung der
Tugend 470 f. Anm. 485 f. 517 f.
Lehrbarkeit der T. 502, 1. Psy-
chologische Ableitung derT. 506 f.
überdenWerth des Wissens 525, 1.
529. Religiöser Charakter seiner
Ethik 535. 724. — Materie der
Gottheit 212. Auffassung der
Materie überhaupt 758 ff. des
Kosmos 764 f. die Weltbildung
770 f. unterschied zwischen Zevg,
(fvaiq und slfxa()/jievrj 771. die
Grösse des Mondes I 193, 2. der
Weltbrand 226 ff. II 140 Anm.
die Begrenztheit des ausserwelt-
lichen leeren Raumes I, 228, 1.
— Das fjysfxovixov II 204 Anm.
Sitz desselben im Menschen 772 ff.
I
zwei Principien der Seele ^ye-
570 Namen- und Sachregister.
novixbv u. loyixov 782 ff. Eigen- 382 ff. 466 Anm. Piaton sein Yor-
thümlichkeit seiner Psychologie biid 379 f. Anm.
h&ngt mit der Eigenthümlichkeit Schriften: TIiqI dfcöv war nicht
seiner Ethik zusammen 331 ff. Ciceros Quelle für die Kritik des
Die Unsterblichkeit 1 232. Er- epikureischen Vortrags im ersten
klärung des im platonischen Phai- Buche de nat. deor. I 33 ff. 192.
dros gegebenen Beweises der- Quelle für die stoische Darstel-
selben 237 ff. — Leugnete dass lung im zweiten 194. 196. 203
das Ideal des Weisen jemals reali- —209. 211—216. IlfQi xQtxriQiov
sirt gewesen sei oder werden II 16, 1. llQoxQenxixol III 347 ff.
könne II 285 ff. 876 Anm. über 349, 1.
Man tik 528 f. Anm. 533. Die Ab- Praxiphanes Lehrer Epikors I
h&ngigkeit der Natur des Men- 165, 1.
schon von der des Landes 892 f. ;r(»^7rovBcdeutungII355, 1.357,2.
Die Entwickelung der Staats ver- 370 Anm.
fassungen 871, 1. — Geht auf Prodikos
die älteren Stoiker, insbesondere Yerhältniss zu Persaios 1 8. 11 75.
Kleanthes zurück II 138 f. 141 nQoriyftiva U 34, 1. 44, 1. 52f.
Anm. 534 f. 771. 772 ff. 777. 788. 62 f. Verhältniss zu den d^iar
Platonismns 335. 338 f. 759. 764. f^xovta 90, 2. 563. den xara fi-
770f. 788. 789. hielt sich im An- aiv ovra 91, 1. 560 f. 563. zu
schluss an Piaton vom üeber- unterscheiden von TtQotiyovfifra
maass etymologischer Auslegung 806 f. Das Wort von den Spä-
der Vülksmythologie frei 1 220 ff. teren gemieden 418 ff. 828.
(womit beiläufig gesagt Stellen TtQotiyovfxFva II 233, 1. 805 ff.
wie Strabo I 2, 34 u. XVI 4,27 7r(>o^o7r»/, 7r()o^o7rrf«y gehören we-
nicht streiten), missbilligt die der der peripatetischen noch der
allegorische Erklärung der home- stoischen Terminologie an II 291,1.
rischen Dichtungen 528 Anm. TiQokrjipig Epikurs findet sich
875, 1. 876 f. Anm. suchte die ihrem Keime nach schon bei
stoische mit der platonischen Demokrit I 118 ff. im gewöhn-
Erkenntnisstheorie in Einklang liehen Sprachgebrauch II 851, 1.
zu bringen 16. 531 ff. Pytha- von Epikur entlehnen sie die
goreisches 781. — Als Histo- Stoiker 7 ff. ihr Yerhältniss
riker Fortsetzer des Polybios 906. zur xataXijiixixti ifavtaola 195 f.
Darstellung: nimmt Rücksicht zum dg^q ^oyoq 197 f.
auf Geschmack und Verständniss Ttpätta xara tpvatv II 248, 1. 452.
eines grösseren Leserkreises II 805. 829 ff.
269 ff. bindet sich nicht streng Pyrrhonische Schule ürspraog
an die stoische Terminologie 338 f. III 1 ff. 31 Anm. 148. Eutwicke-
Namen- und Sachregister. 571
lung39ff. 147f. Demokriteer 3ff. verschieden beurtheilt II 453 ff.
31 Anm. 66, 1. von Athen nach 457 f. 562. 581 f.
Alexandrien verpflanzt 2 Anm. Seiendes und Körperliches. Ver-
£influss der akademischen Skep- hältniss beider nach der Ansicht
Bis 75 Anm. 130 ff. 141. BegrOn- der Stoiker II 548, 1. 913.
düng der inoxn 26. Eigenthüm- Seneca Zur Characteristik seines
Uchkeit ihrer Skepsis 29, 1. 31. philosophischen Dilettantismus II
Anerkennung gemeinsamer bei 306 ff. 498. In wie weit seine
allen Menschen geltender Vor- Schriften als Quelle zur Kennt-
stellungen 96 ff. die vernünftige niss der stoischen Lehre benutzt
Erwägung entscheidet über die werden können 317 f.
Vorstellungen denen wir im Han- Sex tos Empeirikos
dein folgen sollen 62 f. 156 f. von Agrippas Skepsis beeinflusst
Unterschied von Timon und der III 136. 141. Ansehen in der
Akademie 63. Interesse an der Bket)ti8chen Schule 84. Zuver-
Naturwissenschaft 22. 111, 1. Zu- lässigkeit als Berichterstatter 11
sammenhang mit den empirischen 283 Anm. 308. Verhältniss zu
Aerzten 135, 1. Ideal des Weisen seinen Quellen III 84 f. Pyrrh.
II 278, 1 III 19 Anm. spürt den 1222 ff. kann auf Ainesidem oder
Anfängen desSkepticismus bei den Menodotos zurückgeführt werden
früheren Philosophen nach 74, 4. 79, 1. 176 Anm. Sein Bericht
ihre Skepsis bequemt sich den über Hcraklit adv. dogm. I 129 ff.
verschiedenen Zeiten au III 128. geht nicht auf Ainesidem zurück
Dialektische Richtung 128. 130. 73. 83, sondern wie der ganze
Beschränkung der Naturforschung die Erkenntnisstheorie der Natur-
bei den Späteren im Zusammen- philosophen behandelnde Ab-
hang mit einem gesteigerten Skep- schnitt (89 — 141) auf einen Dog-
ticismus 111, 1. Verschieden- matiker 73 ff. 85. Und zwar auf
heiten unter den Mitgliedern 39 ff. Antiochos 103 Anm. 175 Anm.
74,4. Spätere Mitglieder treiben 493 ff. Dagegen gehört der Ver-
den Skepticismus auf die Spitze ausgehende Abschnitt (47 — 89)
46 f. dem Kleitomachos 521 ff.
R. Siron der Epikureer I 170 f.
Rhetorik Abweichende Ansichten Skepticismus Die verschiedenen
bei den Stoikern II 796. 798 f. Formen desselben III 1 ff.
Zusammenhang mit der akade- Sklaven
mischen Skepsis III 178, 1. Rechte derselben II 601 ff.
axonbq s. x^Xoq.
S* Sokrates Seine Gedanken wur-
Schmerz, der, von den Stoikern zeln in den Anschauungen des
572
Namen- und Sachregister.
Zeitalters I 163, 1. Verhältniss
zu AristophaDes und Euripidcs
234 f. Angebliche Schriften II
295 f. Anm. 362. Spätere Philo-
sophen knüpfen wieder an ihn
an III 36.
SokratischeDialoge. lieber deren
Sprache II 357, 2. Kunst des
Gesprächs 358. Verschiedenhei-
ten des schriftstellerischen Cha-
rakters 362, 2.
Sonne die, als Sitz des rjyefiovi'
xhv II 139 f. Anm.
Sophisten unter den Epikureern
I 180 ff. Bezeichnung für Kar-
neades und seine Anhänger II
247. 912.
sorites II 62(), 2. III 33, 2.
Sphairos der Stoiker II 32 Anm.
912.
Stobaios seine Darstellung der
stoischen Ethik aus Werken
älterer und jüngerer Stoiker zu-
sammengesetzt II 390, 1. 401, 1
und 2. 409 Anm. 495. 535f. Der
Abschnitt 114 aQf-xaq rf' elvai bis
zum Titel thqI aiQexwv 124 ge-
hört einem Stoiker aus der Zeit
vor Panaitios , wahrscheinlich
Chrysipp an 469, 1. 478 f. Anm.
Der Abschnitt 104 xoivoxeqov 6t
ttjv d()ertiv öia^eaiv sival tpaai
— 114 öixxwi; 6^ (ft^aiv o Jio-
yivrjg hängt unter sich zusammen
472 ff. 474, 1 und geht auf He-
katon zurück 492. 502. 504. 514.
GOG, 1. G18. Der Abschnitt 102
(pQovTjaiv 6' slvai imoxi]f4rjv dtv
TiotTjxiov — 104 xoivoxsQov 6h
xtiv cLQtxry 6id&60iv ist von dem
folgenden zu trennen 473 ff. und
wahrscheinlich von Chrysipp ab-
zuleiten 476, 1 — Dass 140 f.
aus einer anderen und zwar
jüngeren Quelle geflossen ist als
196 beweist die Vergleichung
der Art wie an beiden das Ver-
hältniss des algetov zum aipe-
xiov bestimmt wird 540 ff. 544.
546 f. — Auf verschiedene Quel-
len deutet der Widerspruch in
der Güterlehre 552 f. — In dem
Abschnitt über die d6ia<poQa
lassen sich die Bestandtheile
verschiedener Quellenschriften
unterscheiden: 1. — 142 xaxa
xo n(}6xe()0v 6ti kexr^or 558 ff.
2. — 144 hl 6h xwv d6iaip6'
Qwv xa (ihv nie laß d^iav 558 ff.
3. — 148 sxi 6h xdiv d6iaipoQiov
(fKol xa fihv eivai OQ/a^g xirtj-
xixa 562. 4. — 158 dxoXov^o;
d* iaxl xip Xoyift 560. 562. Dieser
letzte Theil rührt wahrscheinlich
von demselben Stoiker (Hekaton)
her von dem Cicero de fin. III
genommen ist 566. 605, 1. —
166 ff. Hekatons Schrift nepl na-
&aßv die Quelle 594 Anm. — Ver-
wirrung in der Darstellong 557, 1.
Vermischung verschiedener For-
men des Stoicismus 770. — Die
Darstellung der peripatetischen
Ethik geht auf verschiedene
Quellen zurück II 693 ff. üeber-
Schriften der einzelnen Abschnitte
696, 1. Insbesondere sind der
Abschnitt ne^l al^exwv xal ffv-
xxiSv (p. 272 f.) und der die Frage
noaaxiSg Ityetai t6 dyad'hv er-
Namen- und Sachregister.
573
örternde (p. 286 ff.) Excerpte aus
den Schriften verschiedener Pe-
ripatetiker 707. — So gehört
p. 294 ff. einem reineren Perip.,
p. 312 f. einem stoisirenden 710.
— p. 266 f. finden wir eine
strengere, der des Aristoteles
näher stehende Ansicht als p.
276 ff. 711. 715. 717.
In ecl. I 312 f. werden spätere
Interpolationen nachgewiesen, die
weder Chrysipp noch Areios Di-
dymos gehören können II 738 ff. —
Interpolation im peripatetischen
Abschnitt 811, 1.
Die Hand eines Redaktors be-
merkbar II 822 f. Die Reste der
Schrift des Didymos liegen bei
ihm nicht unmittelbar vor 835, 1.
Excerpirt den Didymos 837 Anm.
azoixfiov yerschiedene Bedeu-
tungen II 738 ff. 769 f.
Stoische Schule. Entwicklung
der Lehre II Iff. Auseinander-
gehende Meinungen über die Ein-
theilung der Philosophie 173 ff.
Erkenntnisstheorie 183 ff. Die
Frage nach dem obersten Begriff
verschieden beantwortet 548, 1.
Das Vcrhältniss des Seienden
zum Körperlichen 549 Anm. 913.
Auffassung der Materie 758 ff.
Materie an welche die Gottheit
gebunden 212. Verschiedene An-
sichten über Entstehen und Ver-
gehen der Welt 124 f. 132. 770f.
Verschiedene Meinungen über
das Verhältniss der Gottheit zur
Welt 221. Das lyefiovixov im
Menschen 775f. in der Welt 780.
Bedeutiuigen des Wortes 777 f.
Pantheismus 198 ff. Die Gestirne
nähren sich von der Erde und
dem Meere 749 f. Abhängigkeit
der Natur des Menschen von der
des Landes 891 ff. Der Unsterb-
lichkeitsglaube III 530. Ausein-
andergehende Meinungen über
die Unsterblichkeit II 150 Anm.
Psychologie in ihrem Zusammen-
hange mit der Moral 331 f.
Verschiedene Ansichten über
das höchste Gut II 230 ff. 436 f.
467 f. 514 ff. 516,1. 611 f. über
aXgerbv u. cuQexiov 536 ff. Ein-
fluss des Karneades 239 ff. des
Piaton 256 f. 335 ff. 377. Erst
spätere Stoiker erklären das bv-
SatfjioveTv für das tilogf die sv-
öaifjLovla für den axonoq 553.
Das dya^bv mit dem ovfinkri'
Qcjxixbv identificirt 584 Anm.
Verschiedene Ansichten über die
döicapoga 558 ff. Dogma von der
Gleichheit der Fehler nicht
immer festgehalten 61,2. Dop-
pelte Moral der Späteren, die
für den Weisen und die für die
Masse der Menschen geltende
312 ff 325. 332. 333, 1. Piatons
Einfluss hierauf 339 ff. Einthei-
lung der Tugenden s. Tugend.
Zenon gegen den Vorwurf des
Widerspruchs in der Tugendlehre
vertheidigt 100 f. Abweichende
Definitionen der Tapferkeit 476,1.
507, 1. Schwanken der Ansich-
ten über die Lust 89, 3. 440. Ab-
weichende Ansichten über die
Liebe 392 ff. 400 ff. 469, 1. An-
574 Namen- und Sachregister.
sichten über die Trunkenheit
68, 3. 104. über den Werth des '^'
Wissens als solchen 523,1. 529. Tapferkeit Definitionen bei den
852, 1. Das Ideal des Weisen 27 1 ff. verschiedenen Philosophen II
Philosophische Terminologie 476, 1. 507, 1.
II 351 ff. Opposition der Puristen riXog Schriften darüber II 579 f.
gegen dieselbe 378 ff. 549 f. 802 f. untersch. von axonbg 551 ff. 556, 1.
Homererkl&rung 873, 1. 874, 1. 818. Verschiedene Bedeutungen
Mythendeutung kommt nach des Wortes bei den Stoikern
Chrysipps Zeit in Misscredit I 551, 1. bei anderen Philosophen
224, 1. 609. Darstellungen der 663 ff. III 87 ff. 190. s. auch das
Unterwelt II 28 Anm. 30 Anm. höchste Gut.
Einflussaufdie Grammatik 903 ff. Terminologie die Ursachen des
die Geschichtschreibung 906 f. Aufkommens einer solchen in der
Arbeitet der römischen Juris- griechischen Philosophie II 351 ff.
prudenz vor 726,1. Rhetorik s. Theodosios der Pyrrhonecr III
dieses Wort. 112 Anm. 136,1. 137,1.
Stellung zum Kynismus II 35 f. 9-eol xal ävd'QtoTcoi III 145, 1.
44 f. 62. 261. 354. 454 ff. 481 f. Timaios der Lokrer. Ueber des-
Anm. 523 f. 526 Anm. 587 f. 852. sen Schrift II 144 Anm.
Polemik gegen die skeptischen Timokrates der Epikureer. Ei-
Akademiker III 32, 1. genthümliche Lehre, Streit mit
Einig in der Verehrung für Metrodor I 165 ff.
Sokrates II 84. Knüpft an Pro- Timon der Pyrrhoneer
dikos an 75, 1. An Piaton und Ziel der Skepsis III 16 Anm.
Aristoteles erinnernder Dualis- Die dtaga^ia der Maassstab an-
mus der Principien II 757 f. Pia- serer das Handeln bedingenden
tonisirende Stoiker 550, 1. 770 f. Vorstellungen 55 ff. Unterschied
Nach Chrysipp nimmt das Inter- von den sp&teren Pyrrhoneem
esse für den naturwissenschaft- 63 f. Dogmatismus 46 ff. 93.
liehen Theil der Philosophie ab scheinbar in Widerspruch mit
und tritt die Ethik mehr in den sich selbst 60 ff. ob es ein von
Vordergrund 230. 259 Anm. 515. Natur Gutes gibt 61 f. das höchste.
534. In derselben Zeit erwacht Gut 87 ff. Die sinnliche Lust
in ihr ein Streben nach weiterer kein Gut 53.
u. freierer Bildung 259 ff. Ueber- Auffassung Pyrrbons III 19
lieferung der Lehre durch eine Anm. Uebereinstimmung mit
platonisirende Richtung beein- Arkesilaos 64. 156. Verhältniss
flusst 126 Anm. 756 ff. 764. 770. seines Skepticismus zu dengeni-
avXloyta/iog II 795 f. gen Ainesidems 1101 147.
Namen- und Sachregister.
575
Schriften: 'IvÖalixol III 21. 46.
49. 51 ff. 56,1. 59 f. 61,1.
Titel von Schriften, hergenommen
von Personen an die diese ge-
richtet sind III 273.
xovoq II 216.
xh TL 7Jv eivai
Ursprung dieses Namens II 5
Anm.
Tropen die skeptischen der Pyr-
rhoneer III 5 ff. 112 ff. Die Mei-
nungsverschiedenheit der Philo-
sophen erst später unter sie auf-
genommen 8 f. Anm.
Trunkenheit Worte zur Be-
zeichnung der verschiedenen
Grade II 69 f. Anm.
Tugend Definitionen derselben
bei den Stoikern II 23 f. 475 f.
Panaitios" Annahme einer nach
dem Individuum verschiedenen
Tugend 435 Anm. als t^ipov ge-
fasst 470 f. Anm. von den Be-
standtheilen der Glückseligkeit
ausgeschlossen III 193 f. Anm.
247, 1. nicht zu den Gütern ge-
rechnet II 819. III 190,2. Selbst-
genügsamkeit derselben II 315 f.
Eingetheilt in Wissenschaften
und Fertigkeiten II 348. 469, 1.
482. 494 f. 495 f. Posidons Ein-
theilung in theoretische und prak-
tische 503 f. dieselbe bei Panai-
tios 504 ff. dialektische physische
und ethische 6 12 ff. 800. ^yxQa-
Tfta 23 dieselbe tritt bei Klean-
thes an die Stelle der tf^ovtiai;;
97 ff. Zahl der Tugenden 99.
479 f. Anm. 498, 1. 615. Unter-
scheidung zwischen ^marrj/iTj und
^Qovfjoig 100 f. 619. Identifici-
rung von Wissen und T. 619, 2
(nach Augustin Civ. Dei IV 21
leitete man ars von d^stTj ab).
Die Tapferkeit 348 ff. 476, 1.
507, 1. fieyaXoipvxla 495. 507, 1.
Y.
Varro, M. Terentius
in der Aufzählung der ethischen
Theorien nicht ganz von Antio-
chos abhängig II 644, 1. Die
Satura "Äkkog oixog '^H^axX^g 277
Anm.
Vergilius benutzte Zenons Dar-
stellung der Unterwelt II 25, 1.
veteres s. d()xcctoi.
W.
Wahrheit
von Timon anerkannt III 46 ff.
von Ainesidem 79 ff. von ande-
ren Skeptikern 82, 1.
Wahrscheinliche das, Bedeu-
tung für die Moral II 54 ff. die
Rhetorik 381 Anm. in der Theo-
rie der Skeptiker III 64. 178 ff.
292 ff.
Weisheit Definitionen II 512, 1.
526 Anm. 650, 1. III 278, 2. 299.
Weise, der. Auftreten und Be-
deutung dieses Ideals in der
griechischen Philosophie II 273 ff.
bei den Römern 298 ff. Von dem
vollkommenen Weisen wird bei
den späteren Stoikern der Welse
zweiter Klasse unterschieden 319.
324. 434, 1. ebenso von Piaton
344. Verwirklicht in Odysseus,
Herakles u. s. w. 875, 2.
576
Namen- und Sachregister.
WillensfreiheitProblemder, im
Zeitalter des Sokrates I 163,1.
Chrysipps Ansicht III 530 ff.
X.
XenophoD identißzirt den xaXo^
xaya^o^ mit dem aotfiK II 83, 2.
Verhältniss zum Kynismus 85
Anm.
Z.
Zenon von Kittion
. Anschluss an die Kjniker II 3 ff.
117. 523, 1. sah in dem oq^o^
).6yo^ das Kriterium 14 ff. De-
finition des }.oyo^ 23,2. Anschluss
insbes. an Antisthenes 23 ff. 84, 2.
Formalismus der Logik 27 f. ol-
xelot Xoyoi 31. Gleichnisse 31.
weicht von Antisthenes in der
Beurth eilung des Eros ab 36 f.
Heraklitische Naturphilosophie
durch den ).6yoq vermittelt 38 ff.
Sein Pantheismus ist von dem
des Klean thes zu unterscheiden
213. stimmt andererseits mit
demselben überein 220. über
Entstehen und Vergehen der Welt
132. Psychologie 154, 1. — Be-
stimmung des höchsten Gutes
105 f. 111. 112 f. Die döiaipoga
45, 1. Ueber die nQot^yfuva 34,1.
44, 1. 52 f. 91 Anm. In wie fem
er der Erste war der das xcc&fj-
xov einführte 405 ff. Die xara-
krj^u;; III 513 Anm. über den
Werth des Wissens als solchen
II 523,1. Verhältniss der Physik
zur Ethik 173,2. Ueber die Trun-
kenheit 70 Anm. Ueber die Un-
fehlbarkeit des Weisen 56 f.
Rhetorik 800.
Polemik gegen Piaton II 24.
Wandelung in seinen Ansichten
34, 1.
Schriften: /lo;^ rf/a II 22 Anm.
25. 33. 34, 1. 35ft\ 67, 1. Hsgi
Xoyov 40. JiaTQißai 41 Anm.
lAnofivufiovBVfmxa 41 Anm. 65,1.
84, 1. *EQO}Tixri Tbxv^ 41 Anm.
IhfH Tov xa^tjxoi'To^ 44, 1. Ver-
zeichniss seiner Schriften bei
Diogenes 40, 2.
Allgemeine Characteristik II
42 f. 216 ff. 220, 1.
Zenon von Sidon, der Epikureer.
Eine seiner Schriften Ciceros
Quelle im ersten Buche de natur.
deor. I 27 ff. vielleicht auch im
ersten Buch de finibus II 6<K).
Characteristik als Schriftsteller
und Philosoph a. a. 0. in seinen
Ansichten über die Götter und
in der Dialektik durch Karnca-
des beeinflusst I lT5ff.
Zenon von Tarsos. Zweifel am
Weltbrand I 242, 1. Einthcilung
der Philosophie II 169 f.
ScjJov II 217f.
Drnclr von PS«ehel A Trept«« In Leipxig.
Diui'k Villi rrisi'hul k Tre|it«.4 in ht^ip/.it;.
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