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Full text of "Ursprung der weltlichen Macht der Päbste, aus dem französischen. Sammt einem Anhange von den Rechten der Deutschen Kaiser auf das päbstliche Gebiet und das sogenannte Eigenthum des heiligen Peters"

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Urfprung 


weltlichen Macht 
der CU 


dem bean ö ſfchen 
a AS des 
Herrn Abbts von Vertot. 
| Sammt 


einem Anhange 


von den Rechten der deutſchen 
Kaiſer auf das paͤbſtliche Gebiet 
g und das ſogenannte Eigenthum 
des heiligen Peters. 
kn FREE RTS 
Kavenna und Pentspolis 
27 8 1. 


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GLEN LER 
SS S . SiS S 


Vorrede. 


Da die Schriften des Seren 
Abbts von Vertot von un⸗ 


befangenen Gelehrten jederzeit 
mit einer vorzuͤglichen Achtung 
ſind aufgenommen worden, ſo 
glaub te ich mich um den aufge⸗ 
klaͤrtern Theil des deutſchen Pub⸗ 
likums wuͤrklich verdient zu ma⸗ 
chen , wann ich einen Theil ders 
felben durch gegenwaͤrtige Ueber⸗ 
ſezung in ſeine aͤnde lieferte. Der 
Verfaſſer waͤhlte einen heicklichen 
Ge⸗ 


Gegenſtand / den er aber mit ei 
ner ſo ruhmwuͤrdigen , und ihm 
eigenen Unpartheylichkeit behan⸗ 
delte, daß man ſich verwundern 
muß / wie einige falſche Zeloten 
ſeiner Nation in einer pur politi⸗ 
chen Sache ſoviel anſtoͤſſiges für 
den Katholiciſmus haben finden 
koͤnnen. Wer unpartheyiſch und 
vernünftig denkt, wird die War: 
heit ohne Muͤhe aufdecken, ſie 
liegt in der Geſchichte. 


Der Herausgeber. 


Urſprung 


der weltlichen Macht 


der Paͤbſte. 


Sisben ganze Jahrhunderte verſtoſſen, 
ohne daß eine andere glaͤnzende Ei⸗ 
genſchaft, als die Schluͤſſelgewalt, den 
Roͤmiſchen Stuhl der Welt verehrungs⸗ 
würdig machte. Gregor der zweyte und 
dritte waren die erſten Paͤbſte, die dem 
A geiſt⸗ 


Go 2 GN 
geiſtlichen Anſehen eine weltliche Macht 
benzulegen, und das hoͤchſte Prieſterthum 
mit einem Theil der Reichsverwaltung 
zu vereinbaren ſuchten. Bis auf die Zei⸗ 
ten des großen Konſtantins hatten die 
Nachfolger des heiligen Petrus nichts 
von ihm angeerbt, als ſeine Ketten und die 
Verfolgungen, die ſich meiſtens mit dem 
Martertod en digten: allein nach der Thron⸗ 
beſteigung dieſes Fuͤrſtens hörten die Ders 
folgungen auf; die Anzahl der Glanbigen 
vermehrte ſich; das Chriſtenthum unter 
einem chriſtlichen Kaiſer ward die herr⸗ 
ſchende Religion: man bauete Kirchen 
zur Ehre des wahren Gottes, und Von⸗ 
ſtantin, der dem Gottmenſchen ſeine Sie⸗ 
ge und ſein Reich zu verdanken hatte, 
uͤberhaͤufte deffen Diener aus Erkanntlich⸗ 
keit mit Wohlthaten. Von dieſer Zeit 
an find einer Wuͤrde, die zuvor pur geiſt⸗ 
lich war, Schloͤſſer, Dörfer, Einküuften, 
mit 


En 2 SE 

mit allem dem Schimmer und der Ehre, 
die beträchtliche Reichthümer zu begleiten 
pflegen, begeſellet worden: doch waren 
dieſes nur noch Ehren ohne Macht, Reich⸗ 
thümer ohne Herrſchaft: dann obgleich 
in der Folge Konſtantin den Sitz ſei⸗ 
nes Reichs nach Ronſtantinopel verleg⸗ 
te, ſo behielten doch er und feine Nach⸗ 
folger ſich ihre unmittelbare Oberherrlich⸗ 
keit, ſo wie über ganz Italien, alſo auch 
über Rom vor. Die Paͤbſte waren höch- 
ſtens die erſte ihrer Unterthanen: ſelbſt 
die Wahl derſelben ware ohne die kaiſer⸗ 
liche Beſtaͤttigung unguͤltig. In Rom, 
und den vornehmſten Staͤdten Italiens 
wohnten kaiſerliche Statthalter, welche 
ihre Verhaltungsbefehle von jenen, die 
in der Geſchichte unter dem Namen der 
Exarchen bekannt find, empfiengen. Die⸗ 
fe erſte Staatswuͤrde, die man jener eis 
nes Vicekoͤnigs vergleichen kan, wurde 

| A 2 von 


nm 4 M 
von zerſchiedenen kleinen Armeen unter⸗ 
ſtuͤßet, welche meiſtens in dem roͤmiſchen 
Gebiet, und in den Gegenden von Ra 
venna gelagert waren: ſie mußten das 
kaiſerliche Anſehen in dieſen Laͤndern bes 
haupten, und die zerſchiedene Einfaͤlle der 
wilden Voͤlker abtreiben, die ſich in dem 
fuͤnften Jahrhundert eines betraͤchtlichen 
Theils von Italien bemaͤchtiget hatten. 


Die Serulen regierten da die erſten: 
dieſen folgten die Oſtrogothen; und ſo 
wohl die eine als die andere breiteten ih⸗ 
re Herrſchaft bis uͤber die Stadt Rom 
aus. Die Paͤbſte gehorchten dazumal 
bald heidniſchen, bald arianiſchen Koͤnigen. 
Beliſar, und der verſchnittene Narſes, 
beede Feldherren des Kaiſers Juſtinian, 
zerſtoͤrten die Monarchie der Gothen, 
und brachten dem Reich ſeine vorige Wuͤr⸗ 
de sa Hofraͤnke, die aber nicht zu 

mei⸗ 


7 5 CN 


meinem Stofe gehören, hatten den Nar⸗ 
fes zurück berufen: indeſſen überſchwem̃⸗ 
ten die CLongobarden, ein andres wife 
des Volk aus Steyrmark, dieſe reichen 
Provinzen, und bemeiſterten ſich gegen 
das Ende des ſechſten Jahrhunderts die⸗ 
ſes ganzen Theils von Italien, der ſich 
von den Alpen bis an das roͤmiſche Ge⸗ 
biet (das Grosherzogthum Tofeana mit 
begrifen) erſtreckte. Alboin ihr Koͤnig, 
nachdem er Verona, Vinzenza, May⸗ 
land, und mehrere der betraͤchtlichſten 
Staͤdten diſſeits des Po Flußes erobert 
hatte, ſchlug den Sitz ſeiner Regierung 
in Pavia auf. | 


Die Nachfolger des Alboins, eben 
fo keiegeriſch und unternehmend wie er, 
ſuchten ihrer neuentſtandenen M onarchie 
durch Eroberungen, ſo viel moͤglich, eine 


fee Dauer zu geben; zerſchiedene Haͤup⸗ 
A 3 ter 


% 6 c 

ter diefer Nation überfielen die Gallier, 
und die Staaten des burgundiſchen Köͤ⸗ 
nigs Guntram: aller Orten verheerten 
fie das Land mit Feuer und Schbert, 
bis fie endlich von Mumol, einem ta 
pfern Feldherrn des Guntrams, auf das 
Haupt geſchlagen worden. “Für die Ent⸗ 
ſchaͤdigung ihrer Verwüſtungen mußten 
ſie die Staͤdte Augſt und Suſa an 
Guntram abtretten, und man ſchloß nicht 
ehender den Frieden mit ihnen, bis ſie 
einen jaͤhrlichen Tribut von woͤlſtauſend 
Goldgulden verſprachen. Dieſer Tribut 
wurde von ihren Koͤnigen Antarich und 
Agiluf puͤnktlich erlegt, bis ſich endlich 
deſſen Nachfolger wieder davon los au 
machen gewußt haben. 7 US 


Die nach Italien zuruͤckgetriebene 
Longobarden beſchloſſen hier den Ent⸗ 
wurf ihrer weitern Eroberungen. Indef, 

r fen 5 


7 


fen wurden dieſe beträchtliche Provinzen 
der Schauplatz beſtaͤndiger Kriegen zwi⸗ 
ſchen dieſer Nation und den Feldherrn 
der Kaiſer. Nebſt den Armeen, die das 
Land mit den Exarchen unterhalten 
mußte, ſchickten die Kaiſer oͤftere Vers 
ſtaͤrkungen aus dem innerſten von Grie⸗ 
chenland nach Italien: als aber die 
Sarazenen und Araber ſich in der Fol— 
ge des beſten Theils des Grientaliſchen 
Reichs bemaͤchtigten, blieben dieſe Hilfs⸗ 
voͤlker aus; die A sg gewannen 
die Oberhand, und Agiluf ihr Koͤnig, 
um den Italiaͤnern feine Herrſchaft we⸗ 
niger verhaßt zu machen, ſchwur in dem 
Jahr 593. die arianiſche Sekte ab. 
Seine Nachfolger erweiterten ihre Eros 
berungen unvermerkt bis unter die Stadt⸗ 
thore Roms; und im achten Jahrhun— 
dert beſaſſen die orientaliſche Kaiſer in 
Italien außer der Stadt Rom mit ih⸗ 
A 4 zem 


F7 3 MW 
rem Gebiet, Ravenna, Pentapolis, A⸗ 
pulien und Calabrien nichts mehr. Mit 
ihren Staaten hatten fie auch ihr Anfe 
hen verloren: und alles machte ſich die 
Entfernung der Monarchen, und die 
Schwaͤche der Regierung zu Nutzen. 


Die untergebene Militar⸗ und Staats⸗ 
bediente glaubten berechtiget zu ſeyn, die 
Befehle der Exarchen nach ihrem Eigen 
dunkel und Eigennuz auszulegen: die wech⸗ 
ſelſeitige Eiferſucht unterhielt dieſe Zwiet⸗ 
racht, und die einzige Furcht vor den 
Longobarden hielt ſie noch dem aͤußer⸗ 
lichen Scheine nach vereinigt, obgleich 
der groͤßte Theil unter ſich wistranſſch 
und gehaͤßig war. 


Bey dieſer Verfaſſung hatten auch 
die Paͤbſte in ihrer Unterwuͤrfigkeit gegen 
die Kaifer unter dem Vorwand, daß ei⸗ 

Abe nige 


7 9 MN 


nige derſelben gewiſe den Grundlehren 
der wahren Kirche zuwiderlaufende Irr⸗ 
thuͤmer befinftiget hätten, ſehr nachge⸗ 
laſſen. In der Hauptſache hatten ſie nicht 
unrecht, allein ihre Vorwuͤrfe waren fes 
derzeit mit einem Stolz begleitet, der für 
die dieſen hoͤchſten Monarchen ſchuldige 
Ehrfurcht ſehr beleidigend ware. Die 
Geſchichte der Bilderſtuͤrmer, davon wir 
hier einen kurzen Auszug zu liefern geſin⸗ 
net ſind, wird zeigen, wie gut ſie dieſe 
Neuerung zu Verbreitung und Feſtſe⸗ 
tzung ihrer weltlichen Macht zu brauchen 
gewußt haben. ET, 


Leo der Iſaurier, von niedriger Ges 
burt, hatte Die Krone einzig und allein 
feiner beſondern Tapferkeit zu verdanken: 
er war durch alle Stufen der Kriegs⸗ 
dienſte dazu gelanget, und hatte ſich bey⸗ 
nahe zwey Jahre durch eine Reihe von 

A 5 Sie⸗ 


ER 10 X 

Siegen und glücklichen Eroberungen feis 
nen Nachbaren fuͤrchterlich, und ſeinen 
Untergebenen andethungswürdig gemacht: 
in dieſem hohen Grade des Anſehens, 
und einer unumſchraͤnkten Macht, wel⸗ 
che gemeiniglich das Glück zu begleiten 
pflegen, glaubte er eben ſo berechtiget zu 
ſeyn die Streitigkeiten der Religion, 
wie jene des Staats und der Waffen 
zu entſcheiden. Ein Syrier, Bezerus 
mit Namen, ſeiner Religion ein Mies 
bometaner, Den er ſich zum Vertrau⸗ 
ten gemacht, ſtellte ihm die Verehrung 
der Bilder als eine haͤßliche Abgoͤtterey 
or: dieſes ware ſchon genug, um ſelbe 
eigenmaͤchig und mit Gewalt aus allen 
Kirchen von Ronftancinopel auszuſchaf⸗ 


fen. 


Der damalige Patriarch German 
wiederſezte ſich dieſer Neuerung mit einer 
un⸗ 


FR 11 
unüberwindlichen Stand! haftigkeit „und 
er wurde von jenem Theil der Kleriſey, 
der vom Hof nichts zu hoffen hatte, e⸗ 
ben ſo wie von dem größten Theil des 
Volkes unterſtüzet. | 8 


Der Hof ſelbſt mußte ihn anfaͤng⸗ 
lich bebuti am behandeln: feine Gelehr⸗ 
ſamkeit und Froͤmmigkeit machten ihn 
auch ſeinen Feinden verehrungswuͤrdig; 
er verband mit dieſen Vorzuͤgen eine ſel⸗ 
tene Beſcheidenheit, welche diejenigen, fo 
in geiſtlichen Wuͤrden ſtehen, ſo fehr ers 
hoͤhet; er war mildthaͤtig gegen die Ar⸗ 
men, und gegen maͤnniglich herablaſſend. 

Der Kaiſer, um ihn zu gewinnen, vers 
ſuchte erſtlich die Schmeicheley, und da⸗ 
rauf die Drohungen: als er ihn aber 
auf beeden Seiten unbeweglich fand, 
machte man ihm ſeine Standhaftigkeit 
ju einem Staatsverbrechen. je iſt 

oft 


D 12 CN 
oft auch unter den beften Fuͤrſten das 
Verbrechen der Unſchuldigen, und derer, 
die man ſtuͤrzen will) Einige Biſchoͤffe 
hatten dem Monarchen zu gefallen glei⸗ 
che Geſinnungen angenommen. 


Der Kaiſer ließ ohne vorgegangene 
rechtmaͤßige Ausſchreibung einen Theil 
der Geiſtlichkeit zuſammen rufen. Die 
Hofparthie war die ſtaͤrkere: der Irr⸗ 
thum wurde beſtaͤttiget; die Verehrung 
der Bilder unterſagt, und der fromme 
Patriarch als ein Abgoͤtterer feiner Wuͤr⸗ 
de entſezet, und in ein Kloſter verwieſen, 
wo er feine Lebenstaͤge elend ſchließen 
mußte. Einige Schriftſteller behaupten 
ſogar, daß ihn der Kaiſer ſelbſt zum Tod 
befoͤrdert habe, um ſich den Zeugen ſei— 
ner Ungerechtigkeit, und den Feind ſei— 
nes Irrthums vom Hals zu ſchaffen. 


Leo 


FR 13 WM 

Leo ein Sektierer ohne Gelehrſam⸗ 
keit, und hartnaͤckig auf einer Meynung, 
die er nicht einmal verſtund, ließ ſich 
nichts mehrer angelegen ſeyn, als den 
Irrthum auch in Italien, und beſonders 
in Kom durch den Beyfall der Paͤbſte 
zu verbreiten. Er ſchickte daher dem Ex⸗ 
archen Paul gemeſſene Befehle, vermoͤg 
welchen er die Verehrung der Bilder 
auf das ſchaͤrfeſte verbieten, und ſie aus 
allen Kirchen ausmuſtern ſollte: er er⸗ 
klaͤrte ſogar alle diejenige als Rebellen 
des Reichs, die ſich ſeinen kaiſerlichen 
Verordnungen widerſezen wollten. Al 
lein er erfuhr gar bald die Schwaͤche 
ſeiner Macht in Italien, die dem gebie⸗ 
teriſchen Ton feiner Befehlen bey wei⸗ 
tem nicht mehr gleich kam, und Pabſt 
Gregor II., welcher damals auf Peters 
Stuhl ſaß, hatte hinlaͤngliches Anſehen 

de in 


> 14 MN 
in Rom, um die Bekanntmachung der⸗ 
ſelben zu unterdruͤcken. 


Die Paͤbſte hatten ſich von den Zei⸗ 
ten Konſtantins des Großen an ſowohl 
durch ihre Froͤmmiakeit, als durch den 
Vorzug ihrer Wuͤrde nicht nur allein in 
Rom, ſondern in ganz Italien eine aus⸗ 
erordentliche Hochachtung erworben, wel⸗ 
che durch ihre unermeßliche Einkünften, 
die ſie von allen Gegenden der Chriſten⸗ 
heit bezogen, und meiſtens zur Zierde der 
Kirchen, und zum Unterhalt der Armen 
e „ungemein vergroͤßeret wor⸗ 
den: den Einfluß dieſer Mildthaͤtigkeit 
derſpürten vorzuͤglich die Buͤrger der Stadt 
Rom, und die Innwohner Italiens, 
welche daher den Paͤbſten als ihren groͤß⸗ 
ten Wohlthaͤtern aͤußerſt zugethan waren. 
Gregor, dem die Staͤrke feines Anſe⸗ 
hens nicht unbekannt war, widerſezte ſich 

ganz 


8 15 G 

ganz ungeſcheut der Verkündigung der 
kaiſerlichen Befehlen, und der damalige 
Statthalter von Rom mußte das erſte⸗ 
mal die Staͤrke einer Macht erfahren, 
welche um fo unumftößlicher war, weil 
ſie die Vertheidigung der Religion zum 
Grund hatte. 


Dier Kaiſer, welcher gewohnt ware 
in Orient mit einem unumſchraͤnkten An⸗ 
ſehen zu herrſchen, ware durch die Wi⸗ 
derſezlichkeit von Rom aͤußerſt aufgebracht. 
Er ſchrieb dem Pabſt in dem Ton eines 
beleidigten Monarchen, und bedrohte ihn 
als einen Rebellen mit der Landesverwei⸗ 
ſung. | 


Gregor IL (andere fagen Gregor 
III. fein Nachfolger) ſchrieb ihm zurück: 
„Die kaiſerliche Macht habe eben ſo⸗ 
» wohl ihre Schranken, wie die geiſtli⸗ 

che 


27 16 A 
„che, und gleichwie die Paͤbſte keine 
„Gerechtſame über die Gerichtſtellen der 
„ Kaiſer und die Vergebung der welt⸗ 
„lichen Aemter haͤtten, eben ſo ſtünde | 
„es den Kaiſern nicht zu, ſich in die 
„geistliche Regierung der Kirche zu mis! 
„eben „ 


Gregor, welcher der Zuneigung des 
Volkes verſichert war, unterfieng ſich ſo 
gar den kaiserlichen Drohungen andere 
entgegen zu ſezen, und mit einer beleidi⸗ 
genden Verachtung feinen Monarchen 
als einen unwiſſenden und wahnſinnigen 
Dummkopf zu behandeln. Er bezeigte 
gegen ſeine Macht eben ſo wenig Ach⸗ 
tung, als gegen ſeine Geiſtes Faͤhigkeit: 
Ich darf mich nur vier und zwanzig 
Stund weit von Rom entfernen, ſag⸗ 
te er, ſo befinde ich mich ſchon außer 
den Graͤnzen eurer Staaten. Er ſezte 

hin⸗ 


Bo 17 CN 

hinzu: „ Ob es gleich ruͤhmlich wäre für 
„die Wahrheit fein Leben aufzuopfern, 
„ fo finde er ſich doch bey dieſem ins 
„laß verbunden, daſſelbe zum Beſten der 
„ abendlaͤndiſchen Katholicken zu erhal⸗ 
ten, die bereit wären die in Morgens 
„land den Bildern angethanene Unbild 
„ mit dem Schwert zu raͤchen. » 


Wirklich hatte der groͤßere Theil des 
Volkes in den italieniſchen Staͤdten die 
Waffen ergrifen, um ſich der Ausfuͤh⸗ 
rung der kaiſerlichen Befehlen mit Ge⸗ 
walt zu widerſezen: Römer, Italiaͤner, 
Griechen, ſogar die Congobarden, Freun⸗ 
de und Feinde hatten ſich vereiniget dis 
Verehrung der Bilder zu (diner. Man 
trat die Bildniſſe des Kaiſers oͤffentlich 
mit Fuͤßen; der Exarch von Ravenna 
wurde in einem Aufruhr von der Wuth 
des Pöbels getoͤdtet, und ein gleiches 

B Schick⸗ 


+ 


D 18 EN 
Schickſal traf den Statthalter von Nea⸗ 
pel und deſſen Sohn. Die Aufruhr 
gieng ſo weit, daß ſich ſammentliche dem 
Reich noch unterworfene Voͤlker Ita⸗ 
liens entſchloſſen einen neuen Kaiſer zu 
waͤhlen, und ihn an der Spize einer Ar⸗ 
mee vor die Thore Konſtantinopels zu 
begleiten. Der Pabſt, um ſich den Vor⸗ 
wurf zu erſparen, der Urheber und Mit⸗ 
ſchuldige dieſer Unruhen zu ſeyn, ermang— 
lete nicht die Aufruͤhrer oͤffentlich zum Ge⸗ 
borfam und Treue gegen ihren Monar— 
chen zu ermahnen, allein in der Stille 
nahm er fchon ſolche Maaßregeln, daß 
dem Kaiſer außer dem Namen in Ita⸗ 
lien nichts mehr uͤbrig blieb. 


Die Orientaliſche Kaiſer bezogen eis 
nen großen Tribut aus Italien, davon 
ein Theil zum Unterhalt der Truppen 
verwendet wurde, die das kaiſerliche An⸗ 

ſehen 


1 


En 1 N 

fehen aufrecht halten, und das Land be 
ſchuͤzen ſollten. Der Pabſt, welcher ſich 
das allgemeine Mißvergnuͤgen der Voͤl⸗ 
ker wollte zu Nuzen machen, ließ ihnen 
durch ſeine Verordnete bedeuten, daß ſie 
einem kezeriſchen Monarchen im Gewiſ— 
ſen keinen Tribut mehr ſchuldig waͤren; 
weil er ſich deſſen nur gebrauchte, um 
neue Truppen nach Italien zu ſchicken, 
die ſeinen Irrthum mit ihren Waffen 
unterftügen müßten. Das Volk erfreue⸗ 
te ſich, bey Gott einen Verdienſt dadurch 
zu erwerben, daß es einen Ungehorſam 
ausuͤben daͤrfte, der ihm ſo eintraͤglich 
war: die gewoͤhnliche Abgaben wurden 
verweigeret: die Soldaten ihres Soldes 
beraubt fluchten auf die neue Lehre, wel» 
che die Urſache ihres Mangels war; die 
meiſten liefen davon, und trugen ſich dem 
Pabſt an gegen den Kaiſer zu dienen. 


B 2 Der 


BA 20 

Der ſchlaue Pabſt, welcher vorſah, 
daß es bey dieſem allein ſein Verbleiben 
nicht haben wuͤrde, ließ indeſſen die 
Stadtmauren von Rom aufführen, und 
ſchickte in alle Städte Italiens betraͤcht⸗ 
liche Summen, um die Feſtungswerker 
herzuſtellen. Seine mit Geld unterſtuͤz⸗ 
ten Rathſchlaͤge wurden nach und nach 
wie Befehle befolget, und er ſezte ſich 
dadurch in Stande ein Anſehen zu be⸗ 
haupten, daß dermalen freylich nur noch 
von dem Eifer und der Zuneigung der 
Rebellen abhieng, in der Folge aber ei— 
ne gluͤckliche Wendung zu Feſtſezung feis - 
ner Oberherrſchaft nehmen konnte. Ein 
Entwurf, deſſen Ausfuͤhrung er durch 
den Tod gezwungen worden dem Gre— 
gor III. zu uͤberlaſſen, der im Jahr 731. 
ſein Nachfolger ward. 


Die 


% 21 

Die Longobarden entſchloßen ſich 
dieſe Entzweihung zu benuzen, um nach 
ihren alten Abſichten ganz Italien unter 
ihre Bottmaͤßigkeit zu bringen. Luit⸗ 
prand ware der damalige Koͤnig dieſer 
Nation: ein Prinz, den uns die Ge— 
ſchichte eben ſo politiſchfromm, als ge⸗ 
übt in der Kriegskunſt zeiget, und der 
ſich des erworbenen Rufes ſeiner Froͤm⸗ 
migkeit zu Ausfuͤhrung ſeiner politiſchen 
Abſichten treflich zu bedienen wußte. Bey 
der erſten Erſcheinung der Faiferlichen 
Befehle ſaͤumte er keinen Augenblick ſich 
gegen die Bilderſtuͤrmer zu erklaͤren: er 
ſchien ſelbſt die Paͤbſte in der Abneigung. 
gegen dieſe neue Irrlehre zu uͤbertteffen. 


Der groͤßere Theil der kleinen Staͤd⸗ 
te von Komagne, und der Mark von 
Ancona, welche an feine Staaten graͤnz— 
ten, von ſeinem vorgeblichen Eifer betro⸗ 

| 3225.3 gen, 


Fr 22 EN 
gen, öffneten ibm die Thore, um ſich 
gegen die Abgeordnete des Kaiſers zu 
ſchuͤtzen, die ihnen ihre Bilder abnehmen 
wollten. Luitprand haͤtte ſich gerne € 
ben ſo gemaͤchlich von Kavenna, dem 
Sitz des Exarchen, bemeiſtert; allein 
dieſer hatte den ganzen Ueberreſt ſeiner 
Truppen an ſich gezogen, und es ware 
kein anderer Weg, als jener eines gewalt⸗ 
thätigen Angrifes, übrig ihn zu bezwins 
gen: die Longobarden ſahen ſich genoͤ⸗ 
thiget eine foͤrmliche Belagerung vorzus 
nehmen. Der Widerftand der Griechen, 
welche eine beträchtliche Anzahl Hilfs⸗ 
truppen von Konſtantinopel erwarteten, 
machte dieſelbe ſehr langwierig und harte 
naͤckig: als aber Luitprand die Schifs⸗ 
armee des Kaiſers geſchlagen, ward der 
Exarch gezwungen die Stadt zu uͤber⸗ 
geben, und Luitprand beſezte einen Plaz, 
der ihm die Eroberung von Rom und 
ganz Italien ſehr erleichterte. Die⸗ 


23 CN 
Dieſer Vorfall, ob er gleich die Ders 
theidigung der Religion zum Vorwand 
hatte, ſezte doch den Pabſt in eine nicht 
geringe Verlegenheit: die Furcht unter 
die Herrſchaft der Longobarden ſeiner 
herſchſuͤchtigen Nachbarn zu fallen, mach» 

te ihn ſein Betragen aͤndern. 


Es ſchien ihm in dieſer Lage noch 
ertraͤglicher, fi für den Kaiſer zu erklaͤ— 
ren: ob er gleich ein Sektierer war, 
fe konnte ihm doch feine Macht in einer 
ſolchen Entfernung niemal ſo gefaͤhrlich 
werden: wo hingegen ein ſo maͤchtiger 
und wohlerfahrner Krieger, wie Luit⸗ 
prand war, wann er ſich von Rom 
bemeiſtern, und feinen Siz dahin verle— 
gen ſollte, das aufkeimende Paͤbſtliche 
Anſehen, das ſich ſeine Vorfahrer mit 
Beguͤnſtigung der Unruhen uͤber die Pürs 
ger Roms, und die Reichsunterthanen 

B 4 Ita⸗ 


ep 24 EN 
Italiens erworben hatten, unfehlbar vers 
ſchwinden machen wuͤrde. 


In dieſer Abſicht nahm Gregor ſei⸗ 
ne Zuflucht zu Urſin Herzog von Venez 
dig, um ihn zu bewegen, die Waffen 
zu Gunſten der Griechen zu ergreifen: 
er bewies ihm in einem Schreiben, wie 
gefaͤhelich die Unternehmungen und neue 
Eroberungen eines ſo ſtolzen Nachbars, 
wie Luitprand, ſeinen Staaten ſeyn 
koͤnnten: und er beſchwor ihn in den 
dringendeſten Ausdruͤcken alle ſeine Macht 
dahin zu verwenden, um Ravenna wie⸗ 
derum unter die Bottmaͤßigkeit ſeiner 
rechtmaͤßigen Beherrſcher des Leo und 
ſeines Sohns Vonſtantins, welchen 
Leo ſich zum Mitregenten des Reichs 
beygeſellet hatte, zuruͤck zu bringen. 


Ur⸗ 


En 25 MM 
Urſin hatte gar nicht nothwendig, 
daß man ihn über ſeine eigene Vortheile 
aufklaͤrte: er hatte eben fo viel Urſache 


als die Paͤbſte uͤber die Vergroͤßerung 


der Longobardiſchen Macht ſchuͤchtern 
zu werden. Er bewafnete ſich in der 
Stille; der Exarch hatte ſeiner Seits 
ebenfalls die Ueberbleibſel feiner Trup⸗ 
pen zuſammen gebracht: ſie vereinigten 
ihre Macht, und Ravenna fand ſich eins 
geſchloſſen, und belagert, bevor CLuitprand 
nur argwohnen konnte, daß ſich ſeine 
Nachbaren bewafneten. Die Griechen 
mit den Truppen des Urſins vereiniget 
betrieben die Belagerung mit einem ſol⸗ 
chem Nachdruck, daß die Longobarden, 
welche eingeſchloſſen waren, und noch 
nicht einmal Zeit gehabt, die Feſtungs⸗ 
werker auszubeſſern, ſich genoͤthiget ſa⸗ 
hen den Plaz zu uͤbergeben. Auf dieſe 
Art hatte der ſchlaue Pabſt, der ſich ſelbſt 
B 5 zu 


Fr 26 c 
zu erhalten noch zu ſchwach ware, beede 
Theile in ſeine Vortheile zu ziehen ge— 
wußt: er fab die Longobarden mit Vers 
gnügen ſich wegen der neuen Sekte ges 
gen den Kaiſer erklaͤren: dieſes Betragen 
des Cuitprands ſchüzte ihn gegen alle 
Unternehmungen der kaiſerlichen Abgeord—⸗ 
neten: als er aber auf der andern Sei— 
te befoͤrchtete, dieſe naͤmliche fuͤr die Ver⸗ 
ehrung der Bilder ſo ſehr beeiferte Lon⸗ 
gobarden moͤchten ſich von Rom und 
ganz Italien bemaͤchtigen, errichtete er 
ein Bundniß gegen fie, und bewafnete 
die Voͤlker Italiens unter dem ſchein⸗ 
baren Vorwand, daß er ſich als ein ges 
treuer Unterthan für die Erhaltung feis 
nes Monarchen des Kaiſers verwende; 
obwohl weder er noch ſeine Nachfolger 
eine andere Abſicht dabey hatten, als die 
Zwietracht zwiſchen den Griechen und 
Longobarden zu unterhalten, um ſich 
auf 


% 27 CN 
auf dem Umſturz der einen und der ans 
dern Macht eine neue Oberherrſchaft zu 
erbauen, wie wir in der Folge ſehen 
werden. 


Es ſtunde nicht lang an, ſo erfuhr 
LQuitprand den eigentlichen Urheber der 
Belagerung von Ravenna, ſammt allen 
den in dieſer Unterhandlung mitunter{ofs 
fenen Kunſtgriffen des Pabſts: er ent⸗ 
deckte zugleich eine heimliche Verſchwoͤ⸗ 
rung, die dieſer Pabſt mit den Herzo⸗ 
gen von Spoleto und Benevent unter 
hielt, die ſich der rechtmaͤßigen Oberherr⸗ 
lichkeit ihres Monarchen zu entziehen ſuch⸗ 
ten. Gregor bedeckte alle dieſe geheime 
Verſtaͤndniſſe mit dem Mantel der Res 
ligion, und ließ ſich die Erhaltung die⸗ 
ſer zween Herzogen unter dem Vorwand 
angelegen ſeyn, weil ſie in der Verthei⸗ 
digung der Bilderverehrung fü vielen Ei, 
fer an Tag gelegt hatten. Al⸗ 


FA 28 

Allein Cuitprand, ein eben fo guter 
Katholick, als dieſe zween Rebellen, ließ 
ſich nicht irre machen: er ſah wohl ein, 
daß die Politik groͤßern Antheil an dies 
ſer Verbindung hatte, als die Religion, 
und daß der Pabſt nur ſuchte ihm in 
feinen Staaten dieſe Unruhen anzufa— 
chen, um den Fortgang ſeiner Eroberun⸗ 
gen zu hindern. Unverweilt gieng er auf 
die zween Herzoge los, die ſich außer 
Stand befanden ihm zu widerſtehen: aus 
Furcht in feine Hände zu fallen, ergris 
fen beede die Flucht; und man bebaups 
tet, der Herzog von Benevent ſeye auf 
dem Meere zu Grund gegangen, indem 
er feine Sicherheit in Griechenland (us 
chen wollte: jener von Spoleto aber 
flüchtete nacher Kom, allwo er unter dem 
Schutz des Pabſts eine Freyſtatt fand. 
Aber Luitprand, welcher indeſſen von 
Benevent und Spoleto Beſitz genom⸗ 

men 


% 29 CN 

men hatte, ließ kurz darauf durch einen 
Geſandten den Herzog von Spoleto von 
dem kaiſerlichen Statthalter Stephan in 
Rom abfordern, und als er ihm ſelben 
auszuliefern verweigerte, zog er mit ſei⸗ 
ner ganzen Armee vor die Stadt: un⸗ 
terweegs bemeiſterte er ſich vier kleiner 
kaiſerlichen Päzen ; er verwuͤſtete Cams 
panien, und vorzuͤglich jene Oerter, die 
dem Pabſt zugehoͤrten; endlich erſchien 
er im Angeſicht Roms, und bedrohete 
die Stadt mit einer Belagerung, wo⸗ 
fern man ihm den rebelliſchen Herzog 
nicht auslieferte. 


Der Pabſt ſah wohl ein, daß ſei⸗ 
ne Anſchlaͤge zu fruͤhezeitig entdeckt wor⸗ 
den: er beſaß freylich in der Stadt ein 
größeres Anſehen als der kaiſerliche Statts 
halter, wegen der Hochachtung, die er 
ſich in den Gemüthern des Volks er⸗ 

| wor⸗ 


d 30 MM 

worben hatte: allein dieſes Volk, wel 
ches in einer Aufruhr ſeiner Obrigkeit 
ſo fuͤrchterlich war, fand ſich doch zu 
ſchwach um eine lange Belagerung ge— 
gen geuͤbte und im Kriegsweeſen fo er- 
fahrene Truppen auszuhalten, wie jene 
des Cuitprands waren: ein Entſatz von 
Seite des Kaiſers ware ungewis, und 
dem Pabſt wuͤrde eine ſolche Hilfe bey⸗ 
nahe eben ſo fuͤrchterlich, als ſelbſt das 
feindliche Kriegsbeer der CLongobarden 
geweſen ſeyn. In dieſer Verlegenhelt 
machte er ſich kein Bedenken gegen alle 
Pflichten, die er feinem Monarchen ſchul— 
dig war, eine fremde Macht nach Ita⸗ 
lien zu rufen. 


Karl Martel regierte dazumal die 
Franzoͤſiſche Monarchie unumſchraͤnkt 
unter dem Namen und dem ſchwachen 
Reich der lezten Merovingen. Dieſer 

: Prinz 


En 31 N 

Prinz ware der Held feines Zeitalters: 
er hatte kurz zuvor in der Ebne von Tours 
über eine zahlreiche Armee der Araber 
und Sarazenen geſiegt, die aus Spar 
nien nach Frankreich gezogen, und die 
ganze Landſchaft dieß⸗ und jenſeits der 
Loire verwuͤſtet hatten. 


Gregor ſchrieb ſehr dringende Brie 
fe an Karl um ſeinen Schutz gegen die 
Longobarden zu erbitten, und durch ei⸗ 
nen Anſchlag, bis dahin ohne Beyſpiel: 
um die verlangte Hilfe zu erhalten, trug 
er ihm das Roͤmiſche Patriciat und die. 
Würde eines Conſuls an: das will ſo 
viel ſagen : Gregor erklaͤrte ſich dadurch 
unabhaͤngig von der Oberherrlichkeit ſei⸗ 
nes rechtmaͤßigen Monarchen, welchem 
die Gewalt allein zuſtund die Regierung 
von Rom zu verwalten, und ſolche Eh⸗ 
rentitel zu vergeben. 


In 


GA 32 EN 

In dem Schreiben an Varl ſezt 
Gregor hinzu: „Es waͤre zwar der 
„ heilige Peter maͤchtig genug ſein Ei⸗ 
„genthum ſelbſt zu ſchuͤtzen, und ſich an 
„den Longobarden feinen Feinden 
„ zu raͤchen: allein dieſer große Heilige 
„liebe vorzuͤglich die Zuneigung und 
„den Eifer feiner Kinder auf die Pros 
„ be zu ſtellen: er beſchwor ihn am En⸗ 
„de des Briefes die Ohren ſeiner Bitte 
„nicht zu verſchließen, wenn er nicht 
„ wolle, daß der heilige Peter ihm eins 
„ ftens die Porten des Himmels eben⸗ 
„falls verſchließe. „ 


Dieſes ſeltene Gemiſch von geiſtli⸗ 
chen Beweggruͤnden und eitlen weltlichen 
Abſichten machten ſehr wenig Eindruck 
auf das Gemüth dieſes Prinzens: er 
ſtund ohnehin in einem ſehr engen Buͤnd⸗ 
niffe mit Luitprand, der ihm zahlreiche 

Ver⸗ 


En 33 M 
Berftärkungen gegen die Sarazenen ges 
ſchickt hatte. Wir finden fogar in der 
Geſchichte, daß Karl als ein Zeichen der 
Hochachtung gegen den Koͤnig der Lon⸗ 
gobarden ſeinen Sohn Pipin bis nach 
Italien geſchickt, um ſich von ihm die 
Haare abſchneiden zu laſſen ( eine Art 
militariſcher Einweihung, die man als 
den Urſprung der Ritterorden anſehen 
kan ). Varl fand es demnach gar nicht 
ſchicklich an dieſen Haͤndeln Autheil zu 
nehmen: er begnuͤgte ſich Geſandte an 
den König der Lonmobarden abzuordnen, 
die ihn in feinem Namen erſuchten eini⸗ 
ger Laͤndereyen der Roͤmiſchen Kirche zu 
ſchonen, die man das Eigenthum des 
heiligen Peters nannte. Luitprand 
machte in Ruckſicht dieſes Vorworts ei⸗ 
nen Waffenſtillſtand, und zog ſich nach 
Pavia zuruͤck, ohne deßwegen das Ero⸗ 
berte zu verlaſſen. Der Pabſt, der Kai⸗ 

C ſer 


% 34 
fer Leo, und Karl Martel farben in 
einem Jahr (741.). 


Zacharias des Gregors Nachfolger 
fand eine bequeme Gelegenheit die Fran⸗ 
zoſen in ſeine Angelegenheiten zu ziehen. 
Karl Martel hatte drey Söhne, Kar⸗ 
loman, Pipin und Griffon. Vor ſei⸗ 
nem Tod hatte er die ganze Monarchie 
unter die zween aͤltere Soͤhne getheilet: 
dem Karloman widmete er (doch nur 
unter dem Titel eines Obriſthofmeiſters 
des koͤniglichen Hauſes) die Staaten von 
Auſtraſien, Schwaben, und Thuͤrin⸗ 
gen: Pipin in der naͤmlichen Eigen⸗ 
ſchaft erhielt die Normandie, Burgund, 
Septimanien, und die Provence: dem 
Griffon blieben nur noch einige kleine 
von den Staaten ſeiner zween Bruͤder 
abgeſchnittene Laͤndereyen übrig. Ein bes 
ſonderer Andachtseifer bewog den Var⸗ 

loman 


Ar 35 M 

lomann im Jahr 745. allen irdiſchen 
Gütern auf einmal zu entſagen, und ob 
er gleich Kinder erzeugt hatte, ſeine Ob⸗ 
riſthofmeiſterſtelle ſammt der Verwaltung 
aller ihm anvertrauten Staaten ſeinem 
Bruder Pipin zu überlaffen. Er ver 
ſchloß ſich in das Kloſter Monte Caſſi⸗ 
no in Italien, allwo er in den Moͤnchs⸗ 
ſtand trat. Griffon, ein unruhiger Kopf, 
welcher unter dem Vorwand einer ſo 
ungleichen Laͤndertheilung die Waffen er⸗ 
griffen, verlohr was er beſaß, und fluͤch 
tete ſich um Schutz zu ſuchen nach 
Bayern. Pipin ſah ſich alſo im Be⸗ 
ſiz der ganzen Franzoͤſiſchen Monarchie: 
ihm mangelte nichts mehr, als der koͤ⸗ 
nigliche Titel, den noch ein junger Prinz 

Ebilderic III. aus dem Stam̃en Klo⸗ 
dowigs führte: Pipin wünſchte frey⸗ 
lich dieſen Titel an ſich zu bringen, ſo 
wie er die koͤnigliche Macht an ſich ge⸗ 

C 2 bracht 


D 36 WM 
bracht hatte; allein ſo ſehr er den Adel 
und die Groſſen Frankreichs ſich eigen 
gemacht, ſo fand er ſelbe doch noch nicht 
geneigt die ihrem rechtmaͤßigen Herrn 
geſchworene Treue zu brechen. Um alle 
Gewiſſensbiſſe zu heben, und ſeinem ehr, 
geizigen Unternehmen den Anſtrich der 
Gerechtigkeit und der Froͤmmigkeit zu 
geben, entſchloß er ſich den Pabſt in 
einer ſo wichtigen Sache zu Rathe zu 
ziehen: es wurden Abgeſandte beſtimmt, 
die man im Namen der ganzen franzoͤ⸗ 
ſiſchen Nation nach Rom abſchickte: der 
ſchlaue Obriſthofmeiſter war gleich das 
rauf bedacht, daß dieſe Geſandtſchaft 
zween Maͤnnern uͤbertragen wurde, die 
ihm alles, was ſie waren, zu verdanken 
hatten; der erſte war Burkard Biſchof 
von Würzburg, und der zweyte Ful⸗ 
rad Abt von St. Dionys, Erzkaplan 
des koͤniglichen Hauſes, und Erzprieſter 
von 


RP 37 
von Frankreich. Es war in jenem Zeit⸗ 
alter gewoͤhnlich den Pabſt in wichtigen 
Vorfaͤllen zu Rathe zu ziehen, nicht nur 
wegen dem Vorzug feines Stuhls, fons 
dern weil man die roͤmiſche Alerifey 
für die gelehrteſte und erfahrneſte Theo⸗ 
logen hielt, und den Pabſt als den 
größten Caſuiſten der Chriſtenheit betrachs 
tete. Die Abgeordnete Frankreichs frag⸗ 
ten den Pabſt Zacharias, welchen von 
beeden er der Krone wuͤrdiger faͤnde: oder 
den jungen koͤniglichen Prinzen, der in 
der Dunkelheit und Weichlichkeit erzo⸗ 
gen dieſelbe als ein unnuͤzes Gewicht 
trigen wuͤrde; oder feinen Obriſthofmei⸗ 
ſter, der, ohne den koͤniglichen Titel zu 
führen, fon die ganze Buͤrde der Nes 
gierung trug? Sacharias, der die Macht 
des Pipins eben ſo gut kannte, wie die 
Hilfe, die er ihm zu leiſten faͤhig ware, 
au die Antwort zu feinem Vortheil 
C 3 ein: 


% 38 X 
ein: das Orakel entfchied zu Gunſten 
des Maͤchtigern. Der Pabſt gieng noch 
weiter, nach dem Beyſpiel derjenigen 
die ihr Anſehen zu erweitern ſuchen; an⸗ 
ſtatt den Rath zu ertheilen, den man 
von ihm verlangte, erlaubte er das, was 
man nicht von ihm begehrte. Einige 
Geſchichtſchreiber behaupten ſogar, daß 
er in dem Ton eines Gebieters geſpro⸗ 
chen, und befohlen habe, den Childerie 
zu entſezen, und den Pipin anſtatt ſei⸗ 
ner zu kroͤnen: dieſes geſchah, aber nicht 
in Kraft des paͤbſtlichen Machtſpruches, 
ſondern vielmehr eines allgemeinen Reichs⸗ 
ſchluſſes, welcher zu Soiſſon in dem 
Jahr 751. durch die daſelbſt verſamm⸗ 
lete Staͤnde der Nation abgefaßt wor⸗ 
den, weil die Partie des Pipins über 
jene des ungluͤcklichen Childerics die 
Oberhand gewonnen. Dieſer neue Koͤ— 
nig ware der erſte unter den Monarchen, 
der 


iR 39 N 

der feine Thronebſteigung mit kirch⸗ 
lichen Ceremonien begleitete, um vor 
den Augen des Volkes die Gewaltthaͤ⸗ 
tigkeit einer Handlung zu mildern, die 
ſo viel unbilliges und haͤßliches an ſich 
hatte: vielleicht auch um ſeiner Perſon 
durch dieſes geiſtliche Gepraͤnge ein groͤſ⸗ 
ſeres Anſehen zu geben, und ſie unter 
dem Deckmantel der Religion vor den 
Anfaͤllen ſicher zu ſtellen, welchen ge⸗ 
meiniglich unrechtmaͤßige Beſizer der 
Thronen ausgeſezt ſind. 


Indeſſen hatte Luitprand aufs neue 
die Waffen ergriffen, und mit vieler 
Hize den Eroberungsplan feiner Nation 
verfolget. Der Pabſt, weicher befoͤrch⸗ 
tete, Kom möchte unter die Macht ſei⸗ 
ner ſiegreichen Waffen fallen, noch ehe 
er einige Hilfe aus Griechenland oder 
Frankreich erhalten koͤnnte, hatte ſich 


C4 zum 


BA 40 S\ 

zum König der Longobarden nach Ter⸗ 
ni verfügt, allwo er das Gemüth Dies 
ſes Prinzen, der ohnehin voll Froͤmmig⸗ 
keit war, ſo geſchickt zu lenken wußte, 
daß er von ihm den Frieden auf alle 
Staaten des Kaiſers erbat; allein 
unter dem Vorwand die Pflicht eines 
getreuen Unterthanens erfüllet, und das 
Beſte ſeines Monarchen beſorget zu ha⸗ 
ben, war er eigentlich der einzige, der 
von dieſer Unterhandlung den Nutzen 
einaͤrndete; er bewog den Luitprand der 
roͤmiſchen Kirche jene vier kaiſerliche 
Städte als eine Schankung zu überlaß 
ſen, deren er ſich im leztern Kriege be⸗ 
meiſtert hatte, und Zacharias machte 
ſich kein Gewiſſen, dieſelbe zum Nach⸗ 
theil ſeines rechtmaͤßigen Monarchen an 
ſich zu bringen. 


Dieſer Pabſt ſtarb im Jahr 752. 
ihm 


ff 41 MN 
Ihm folgte Stephan, den aber die meis 
fie der aͤltern Geſchichtſchreiber, weil er 
feine Wahl nur zween Ta⸗ͤge überlebte, 
und nicht conſecriert wurde, dem Ver⸗ 
zeichniſſe der Paͤbſte nicht einverleibt ha⸗ 
ben. Ein anderer Stephan, der Zwey⸗ 
te dieſes Namens, vormaliger Diakon 
der roͤmiſchen Kirche beſezte nach dieſem 
den heiligen Stuhl, und fieng wiederum 
an, nach dem Entwurf feiner Vorfah—⸗ 
rer zu arbeiten. Es waren inzwiſchen 
guch bey den Longobarden zerſchiedene 
wichtige Veraͤnderungen vorbeygegangen: 
Luitprands Tod hatte feinen Neffen Lil 
debrand, den er ſchon im Leben ſich 
zum Mitregenten gewaͤhlt hatte, auf den 
Thron befördert; er war aber kaum fie, 
ben Monate in der Regierung, als die 
Kongobarden ſeiner uͤberdruͤßig, den 
Herzog von Friaul Rachis an feinen 
Plaz ſezten. Dieſer Fuͤrſt um ſich der 
C 5 Wahl, 


CR N 
Wahl, womit ibn die Nation beehret 
hatte, wuͤrdig zu zeigen, bewafnete ſei⸗ 
ne ganze Macht, und überfiel mit der⸗ 
ſelben die kaiſerliche Laͤnder: die Folgen 
dieſes Krieges gehören nicht um Stof 
meiner Geſchichte. 


Ich will nur anmerken, daß dieſer 
Prinz kurz hernach, von eben dem Re⸗ 
ligionseifer geruͤhrt wie Karloman, in 
der beruͤhmten Abbtey Monte Caſſino 
in den Moͤnchsſtand getretten: die Lon⸗ 
gobarden wählten nach deſſen Reichs⸗ 
Abtrettung ſeinen Bruder Aiſtulph zu 
ihrem Koͤnig. Er war ein troziger be⸗ 
herzter und ſtolzer Prinz. Wir wer, 
den ihn bald mit dem Stephan II. im 
Wettſt'eit um das Italisniſche Reich 
ſehen; auf einer Seite die Longobar⸗ 
den im offenen Feld mit den Waffen 
in der Hand, auf der andern den Pabſt 


FA 43 CN 
im Cabinet mit Intriguen, welche die 
Maſke der Religion trugen. Lezterer 
bediente ſich derſelben kuͤnſtlich um die 
Franzoſen wider die Longobarden 
in Harniſch zu bringen. 


Aiſtulphs erſte Sorge war ſich 
ſeinen Thron zu befeſtigen, die Staͤrke 
ſeiner Staaten und die Lage ſeiner Nach⸗ 
barn kennen zu lernen, und mit dieſer 
Beſchaͤftigung brachte er die erſte zwey 
Jahre ſeiner Regierung zu: in dieſer Zwi⸗ 
ſchenzeit ſchloß er einen vierzigjaͤhrigen 
Waffenſtillſtand mit den kaiſerlichen Staa⸗ 
ten. Gleichwie aber die mehreſte Regen⸗ 
ten die heiligſten Vertraͤge nicht laͤnger 
für verbindlich hielten, als es ihre Vor⸗ 
theile erfoderten, fo uͤberfielen die Lons 
gobarden auf einmal, und ohne vorher⸗ 
gegangene Kriegserklaͤrung den Exarchen 
Euttich zu Ravenna, deſſen Schwäche 


ſie 


% 44 ON 


fie kannten, und noͤthigten ihn, da er in 
keinem wehrhaften Stande war, auf Ver⸗ 
tragsartickel die Stadt zu uͤbergeben. — 
Alle übrige kaiſerſiche Plaͤze mußten dem 
Schickſale der Hauptſtadt folgen, und 
fie öffneten ihre Thore ohne Widerſtand 
den ſiegreichen Waffen der Longobarden. 


Der Pabſt durch dieſe ſchnelle Ero⸗ 
berungen in Schrecken geſezt, und in der 
Furcht den Feind abermal vor Rom zu 
ſehen, ſchickte einen Eilbothen nach dem 
andern um Hilſe nach Ronftantinopel; 
da indeſſen der Statthalter von Rom 
alle Truppen aus den noch übrigen Fais 
ſerlichen Plaͤzen in die Hauptſtadt zuſam⸗ 
menzog. 


Aiſtulph ware nicht ſobald von dies 
ſen wider ihn genommenen Maaßregeln 
unterrichtet, als er durch Abgeordnete die 

Buͤr⸗ 


Go 45 WM 

Bürger von Rom auffordern ließ, ihn 
als ihren rechtmaͤßigen Herrn zu erken⸗ 
nen, und ihm den Goldpfenning Kopf 
ſteuer zu bezahlen, den ſie vorher an die 

Exarchen von Ravenna entrichteten. 
Die Gruͤnde ſeiner Forderungen waren 
folgende: Rom, ſagte er, welche eher 
mals die Hauptſtadt der Welt war, ſey 
dermal als ein Theil des Exarchats an⸗ 
zuſehen, deſſen er ſich bemaͤchtiget habe: 
es waͤre demnach billig, daß ſie dem 
Schickſaale des erſtern folge, und ſeine 
Oberherrlichkeit anerkenne. Um ſeine 
Gruͤnde mehr geltend zu machen, ruͤckte 
er an der Spize ſeiner Armee bis in das 
Roͤmiſche Gebiet vor, und verwuͤſtete 
nach dem Beyſpiele ſeiner Vorfahrer 
Campanien, ſteckte alles in Brand, und 
pluͤnderte die Doͤrfer und Schloͤſſer, die 
ihm aufſtießen, ſelbſt jene der Paͤbſte 
nicht ausgenommen, die man die Ge; 

richts⸗ 


F7 46 CN 


richtsbarkeit des heiligen Peters 
nannte. 


Das Roͤmiſche Volk erwartete mit 
Ungeduld einige Hilfe aus Orient: al⸗ 
lein nebſt der weiten Entfernung, und 
den beſtaͤndigen Kriegen, in welchen Kons 
ſtantin mit den Sarazenen und Bul⸗ 
garn verwickelt war, glaubte der Kaiſer 
für das Anſehen des Reichs genug ge⸗ 
than zu haben, daß er eine Geſandſchaft 
an den Longobardiſchen Koͤnig ſchickte, 
die ſich über den gebrochenen Waffen⸗ 
ſtillſtand beſchwerte, und das Exarchat 
ſammt allem Zugehoͤr zuruck forderte: 
der Erfolg zeigte aber, wie wenig man 
leere Unterhandlungen achtete, die nicht 
mit der noͤthigen Macht unterftüzet was 
ren, um ihnen das erforderliche Gewicht 
zu geben. Die Longobarden, um den 
Kaiſer und die Roͤmer zu taͤuſchen, ſchick⸗ 

ten 


e 47 
ten ebenfalls eine Geſandſchaft nach Aons 
ſtantinopel, und hielten indeſſen Rom 
eng eingeſchloſſen, in Hoffnung die Stadt 
durch Mangel und Hungersnoth zur Ue⸗ 
bergabe zu zwingen. 


Die Furcht unter die feindliche O⸗ 
berherrlichkeit zu fallen, bewog den Pabſt 
abermal die Anſchlaͤge ſeiner Vorfahrer 
zu ergreifen: er entſchloß ſich franzoͤſiſche 
Hilfe zu ſuchen. Durch dieſen Beyſtand 
ſchmeichelte er ſich die Longobarden aus 
dem roͤmiſchen Gebiet, und ſelbſt aus 
dem Exarchat zu verjagen, ohne beſorgt 
ſeyn zu doͤrfen, daß ſich dieſe Nation 
jemal werde einfallen laſſen in einem von 
ihrem Land ſo weit entfernten Erdſtrich 
mitten zwiſchen der Griechiſchen und 
Longobardiſchen Monarchie ſich nieder⸗ 
zulaſſen. Als er aber vernehmen muß⸗ 
te, daß ſich die Roͤmer durchaus nicht 

da⸗ 


% 48 G 

dazu verſtehen wollten, ohne Vorwiſſen 
und Einwilligung ihres rechtmaͤßigen O⸗ 
berhaupts fremde Voͤlker ins Land zu 
rufen, ſo nahm er wie gewoͤhnlich ſeine 
Zuflucht zur Religion, jenem kraͤftigen 
Mittel Entſchluͤſſe zu erzwingen, dem be⸗ 
ſonders der Poͤbel niemal zu widerſtehen 
vermag. 


Er verordnete oͤffentliche Gebether, 
um den Beyſtand des Himmels zu er⸗ 
flehen; er veranſtaltete feyerliche Kreuz⸗ 
gange, in welchen man die Gebeiner und 
Bilder der Heiligen ſammt allem dem, 
was die Andacht der Glaͤubigen zu er⸗ 
wecken im Stande iſt, oͤffentlich herum 
trug. Man hatte ſogar den Friedens⸗ 
traftat, den die Longobarden gebrochen, 
an das Kreuz, das man dem Volk vor⸗ 
trug, heften laſſen, um gleichſam von 

| Der 


| 


% 49 MN 


der göttlichen Gerechtigkeit die Strafe die 
fes Meyneides zu erbitten. 


Der Pabſt in Begleitung der gans 
zen Roͤmiſchen Kleriſey erſchien bey die 
ſem Kreuzgang baarfuß, und das Haupt 
mit Aſchen beſprengt: in dieſem Aufzug 
ſtieg er auf die Kanzel, und in einer be— 
weglichen Anrede, welche von Zeit zu Zeit 
mit Seufzer und Thraͤnen unterbrochen 
wurde, ſtellte er dem verſammelten Volk 
den betruͤbten Zuſtand Italiens vor: er 
zeigte ihnen das Unvermoͤgen und die 
Entfernung der griechiſchen Kaiſer, den 
Stolz und die Grauſamkeit der Longo⸗ 
barden, und vor allem die augenſchein⸗ 
liche Gefahr, in welcher die Stadt Rom 
ſchwebte unter ihre Bottmaͤßigkeit zu fal⸗ 
len: bey dieſer Stelle mahlte er ihnen 


mit fuͤrchterlichen Zuͤgen all das Elend 


und Schrecken einer durch die Gewalt 
D der 


ir so M 

der Waffen eroberten Stadt: ganze Hau: 
fen ermordeter Menſchen; am Fuß der 
Altaͤre erwuͤrgte Prieſter; erzwungene Be⸗ 
fleckungen ihrer Weiber und Toͤchter; 
Verheerungen durch Feuer und Schwert 
auf allen Seiten, und im ganzen die Erz 
neuerung der Unmenſchlichkeiten der Go⸗ 
then und der Vandalen. 


Das verſammelte Volk hoͤrte dieſe 
ruͤhrende Rede unter unaufhoͤrlichen Aech⸗ 
zen und Weinen an. Auf einmal, als er 
ſeine Zuhoͤrer ſtumm und in den tiefeſten 
Schmerzen verſenket ſah, ſchrie der heilige 
Vater, als waͤre er augenblicklich vom Him⸗ 
mel begeiſtert worden: „Es ſey der Willen 
„ Gottes, daß ſich die Römer an den 
„ Divin wendeten, den Sohn eines fo 
„ würdigen Vaters, der einzig und als 
„lein aus Achtung gegen ihn Rom ſchon 
„ein andersmal von den Waffen des 

„Luit⸗ 


BA 51 MN 
„Luitprands errettet hätte „ Die 
ganze Verſammlung klatſchte dem Vor⸗ 
trag mit Frohlocken ihren Beyfall zu, 
und fo wurde von dieſem Pabſt ein os 
litiſcher Anſchlag, der aus der Begierde 
ſich der Oberherrlichkeit der weltlichen 
Fuͤrſten zu bemaͤchtigen entſtanden war, 
als eine goͤttliche Offenbarung an den 
unaufgeklaͤrten Poͤbel verkauft. 


In dieſer Abſicht ſchickte er einen 
Abgeordneten nach Frankreich mit einem 
Schreiben an den Koͤnig Pipin, welches 
voll der lebhafteſten und beweglich ſten Aus⸗ 
druͤcken war. Er ermahnte ihn darinn, 
Rom von der Tyranney der Longobar⸗ 
den zu befreyen: er beſchwor ihn dabey, 
ihm Abgeſandte zu ſchicken, unter derer 
Schutz und Geleit er ſelbſt nach Srank⸗ 
reich reiſen koͤnnte, um ihn muͤndlich von 
dem gegenwaͤrtigen Zuſtand Italiens zu 

2 un⸗ 


FR 52 M 
unterrichten. Es iſt noch ein anderer Brief 
dieſes Pabſts an die Großen des Reichs 
vorhanden, in welchem er ſie ebenfalls be⸗ 
ſchwor ihm bey dem König günftig zu 
ſeyn: das iſt, den Koͤnig dahin zu ver⸗ 
mögen, daß er gegen die Longobarden 
die Waffen ergreife, in welchem Fall er 
ſie verſicherte, daß durch die Vorbitte 
des heiligen Peters in Ruckſicht dieſer 
Handlung alle ihre Suͤnden wuͤrden aus— 
geloͤſchet werden, und daß ſie zur Ver⸗ 
geltung ihrer nuͤzlichen Dienſten das huns 
dertfaͤltige in dieſer Welt, und das ewi⸗ 
ge Leben in der andern erhalten werden. 


Auf dieſe inſtaͤndige Bitte ſchickte 
Pipin den Biſchof von Metz Chrode⸗ 
gand, und den Herzog Auctar nach fr 
talien. Dieſe zween Abgeſandte verfuͤg⸗ 
ten ſich unverweilt zu Aiſtulph, den ſie 
im Namen ihres Königs um einen Waf⸗ 

fen⸗ 


D 53 S 


fenſtillſtand erſuchten, und daß ſich waͤh⸗ 
rend demſelben der Pabſt und einige der 
vornehmſten Buͤrger von Rom nach Da 
via verfuͤgen daͤrften, um alldorten ihre 
Zwiſtigkeiten durch einen guͤtlichen Ver⸗ 
glich beyzulegen. 


Aiſtulph, welcher ſich die Franzo⸗ 
fen nicht als Feinde auf den Hals sie 
hen wollte, hob ſogleich die Belagerung 
von Rom auf, und in Anſehung des 
Pipins bewilligte er auch eine Unterre⸗ 
dung mit dem Pabſt. Die franzoͤſiſche 
Abgeſandte eilten ſogleich nacher Rom, 
und fanden allda einen kaiſerlichen Ab⸗ 
geordneten mit einem Befehl ( Regiam 
Juſſionem) an den Pabſt, vermoͤg wel— 
chem er ihm auftrug ſich mit dem naͤm⸗ 
lichen Abgeordneten in eigner Perſon an 
das Hoflager des Longobardiſchen Koͤ⸗ 
nigs zu begeben, und das Exarchat ſam̃t 

3 d der 


Fr 54 CN 
der Stadt Pentapolis zuruͤck zu for⸗ 
dern. | 


Dieſe kaiſerliche Verordnung mare 
den heimlichen Abſichten des Pabſts ganz 
angemeſſen, daher trat er ohne Verzug 
in Geleitſchaft des kaiſerlichen und der 
franzoͤſiſchen Geſandtſchaften die Reiſe an. 
Als er in der Naͤhe von Pavia ange⸗ 
komen war, ließ ihm Aiſtulf wiſſen, daß 
er ſich in der Audienz, die er ihm ge⸗ 
ben wuͤrde, nicht unterſtehen ſollte von 
der Zuruͤckgabe des Exarchats und der 
uͤbrigen kaiſerlichen Plaͤzen einige Mel⸗ 
dung zu thun. 


Stephan antwortete ihm mit Uner⸗ 
ſchrockenheit: Es werde ihn keine Furcht 
abhalten, ihn zu ermahnen, einem je⸗ 
den das Seinige zuruͤck zu geben. Der 
kaiſerliche Abgeſandte machte se 

Ins 


D , I 
Ankunft in Pavia nachdruckſame Vor⸗ 
ſtellungen wegen dieſer Zuruͤckgabe: er 
both ſogar betrachtliche Summen Geld 
als eine Art von Entſchaͤdigung und Ver⸗ 
guͤtung der Kriegskoͤſten an. Der Pabſt 
auf ſeiner Seite ſezte die beweglichſten 
Bitten bey, und bewies dem Koͤnig, 
daß er ohne Ungerechtigkeit dieſe zwey 
Provinzen nicht behalten koͤnne, die ſchon 
von undenklichen Zeiten her zum Reich 
gehoͤrten: Aiſtulph erwiederte ihm ganz 
trozig: „ Daß ihn alles dieſes weniger 
„dals jeweiligen andern angieng: er wer⸗ 
„de ſich noch zu erinnern wiſſen, daß 
„ beede Gregors feine Vorfahrer, und 
„er ſelbſt die Longobarden wiederhol⸗ 
ter malen zum Krieg gegen die Kaiſer 
als gegen Kezer aufgerufen hätten: 
ihm ſey nicht bang ſeine Eroberungen, 
die ihm unendliche Summen Geld, 
und Ströme Blut feiner Nation ges 
D 4 loſtet 


Fr 55 c 
» Eoftet haben, zu erhalten. „ Als die 
franzöfifche Abgeſandte ſahen, daß kein 
Anſchein zum Frieden vorhanden war, 
ſo begnuͤgten ſie ſich von Aiſtulph im 
Namen ihres Königs einen Geleitsbriefß 
für den Pabſt zu begehren, um ihn fi: 
cher nach Frankreich zu bringen: man 
kan ſich die Erſtaunung und Wuth des 
Königs der Longobarden auf dieſes Ber 
gehren nicht vorſtellen: er merkte wohl, 
daß eine fo auserordentliche Reiſe vers 
deckte Abſichten zum Gegenſtand haben 
mußte, deren Folgen fuͤr ihn niemal guͤn⸗ 
ſtig ſeyn konnten. Er ſchickte daher ei⸗ 
nige der vornehmſten Longobardiſchen 
Edelleute zum Pabſt, um ihn von ſeinem 
Vorhaben abwendig zu machen: als er 
ihn aber unbeweglich fand, ward er ge— 
noͤthiget in die Reiſe einzuwilligen, und 
den Geleitsbrief auszufertigen. Der Pabſt 
begab ſich ſogleich auf den Weg; und 
be⸗ 


9 57 88 
beſchleunigte feine Reiſe fo viel möglich 
durch die Staaten des Aiſtulphs, aus 
Furcht aufgehoben zu werden: er erreich⸗ 
te aber glücklich den franzoͤſiſchen Boden. 


Sobald Pipin deſſen Ankunft er⸗ 
fuhr, ſchickte er ihm den Abbt Sulrad 
Erzkaplan, oder Meiſter der koͤniglichen 
Kappelle, mit dem Herzog Rotard ents 
gegen. Varl der aͤlteſte Sohn des Koͤ⸗ 
nigs, ein junger Prinz von 12 Jahren, 
folgte ihnen, und fuͤhrte den Pabſt auf 
das Schloß Dont: yon in Champagne, 
wo der Koͤnig den Pabſt erwartete. Der 
heilige Vater wurde an dem franzoͤſiſchen 
Hof mit aller jener Ehrfurcht empfangen, 
die einem Statthalter des Gottmenſchen 
auf Erden, und dem allgemeinen Vater 
der Chriſtenheit gebuͤhrte; dagegen hatte 
er an Pipin praͤchtige Geſchenke mitge⸗ 
bracht, und es wurden auch derley viele 

D 5 an 


> 58 M | 
an die vornehmſte Höflinge, um ihre 
Gunſt zu erwerben, ausgetheilt. 


In der oͤffentlichen Audienz, die er 
am folgenden Tag erhielt, warf er ſich 
ſammt allen Geiſtlichen, die in ſeinem 
Gefolge waren, dem Koͤnig zu Fuͤſſen, 
er hatte einen Bußſack angezogen, und 
das Haupt mit Aſchen beſtreuet, und in 
dieſem beweglichen Aufzug beſchwor er 
den Monarchen durch die Verdienſte 
der. heiligen Apoſtel Peter und Paul das 
Römifche Volk von den Verfolgungen 
der Congobarden zu befreyen. Er blieb 
in dieſer demuͤthigen Stellung, und wolls 
te durchaus nicht aufſtehen, bis ihm der 
Koͤnig und die Vornehmſte des Reichs zum 
Zeichen des bewilligten Schuzes nicht die 
Haͤnde gereichet hatten. Nach dieſem ſon⸗ 
derbaren öffentlichen Auftritt verſchloß ſich 
der Pabſt und der Koͤnig ganz allein in ein 

abge⸗ 


% 5 c 
abgeſondertes Zimmer, um ſich uͤber das 
gethanene Anſuchen zu berathſchlagen; 
und in dieſer Unterredung verband ſich 
Pipin mit einem Eidſchwur die Zuruͤck⸗ 
gabe des Exarchats und deſſen Zugehoͤr 
an das Reich bewirken zu wollen. 


So lang ſich der Hof zu Pont⸗yon 
aufhielt, ſahen ſich der Pabſt und dep 
Koͤnig oͤfters. Es hatte einer wie der 
andere feine befondere Abſichten, und ein 
jeder ſuchte feiner Seits von dieſer Zur 
ſammenkunft wichtige Vortheile zu aies 
hen. Pipin war noch etwas unruhig 
wegen der Thronfolge: die Franzoſen 
hatten ihn zwar zum Koͤnig erwaͤhlt, a⸗ 
ber wegen ſeiner Abſtammung hatten ſie 
ſich noch nicht erklaͤret: dann obwohl 
im Merovingiſchen Hauſe die Krone 
erblich war, ſo ſchien doch izt die Re⸗ 
gierungsform durch die Entſezung des 

Chil⸗ 


% 6 
Childerics eine Veränderung gelitten zu 
haben. Pipin beſorgte nicht ohne Grund, 
die Franzoſen moͤchten ſich das der Na⸗ 
tionalfreyheit ſo ſchmeichelhafte Wahlrecht 
vorbehalten wollen, wodurch nach ſeinem 
Tod die Krone leicht auf einen andern 
Stammen kommen koͤnnte. Hauptſaͤch⸗ 
lich fuͤrchtete er, die Wahl doͤrfte auf 
Drogon den aͤltern Sohn feines Bru— 
ders Karloman fallen, deſſen Angeden⸗ 
ken beſonders bey dem Adel von Auſt⸗ 
raſien noch ſo beliebt war. Die Krone 
alſo ſicherer auf ſeine Nachkommenſchaft 
zu bringen, that er dem Pabſt den Vor⸗ 
ſchlag, unter dem Vorwand feiner Ans 
weſenheit das feyerliche Gepränge feiner 
koͤniglichen Kroͤnung und Salbung zu er⸗ 
neuern, und bey dieſem Anlaß auch ſei⸗ 
ne zween Soͤhne Karl und Karloman 
zu kroͤnen. Er zweifelte nicht, die Fran⸗ 
zoſen würden in Betracht der Verehrung, 

die 


RR 61 N 
die fie dieſem Pabſt bezeigten, durch def 
fen Bitte und Einrathen dahin zu Vers 
mögen ſeyn, dieſe zween junge Prinzen 
als ſeine Thronerben zu erkennen. 


Stephan erboth ſich willig dem Koͤ⸗ 
nig dieſe Gefaͤlligkeit zu erweiſen, in der 
Hoffnung nicht minder wichtige Gegen⸗ 
gefaͤlligkeiten von ihm zu erhalten, und 
ſo ſchloſſen dieſe zween geſchickte Politi⸗ 
ker eines der engeſten Buͤndniſſe mit ein⸗ 
ander, davon die wechſelweiſe Vortheile 
das Band waren. Der Pabſt, welcher 
wohl einſah, daß der Koͤnig ſeines Bey⸗ 
ſtands bedurfte, eroͤffnete ihm ohne Zu⸗ 
ruͤckhaltung die Abſicht feiner Reiſe, und 
obwohl ſeine Vorfahrer ſo, wie er die 
Zuruͤckgabe des Exarchats niemal an⸗ 
ders als zu Gunſten des Reichs, davon 
ſie Mitglieder waren, verlangt hatten, 
ſo ſcheuete er ſich doch itzt nicht, dem 

oͤ⸗ 


Mm 62 S 

König das vorläufige Verſprechen abzu⸗ 
locken: daß, wann er einſtens die Konz 
gobarden aus dieſer Provinz wuͤrde ver⸗ 
trieben haben, er ſelbe weder dem Reich 
noch den Kaiſern zurückgeben, ſondern 
ihm als eine Schankung überlaſſen wol 
le, welches koͤnigliche Verſprechen ſeine 
zween Soͤhne mit ihm unterzeichnen 
mußten. 


Nachdem Stephan alle dieſe Maaß⸗ 
regeln genommen hatte, beurlaubte er ſich 
vom Hof, und begab ſich in die Abb⸗ 
«y St. Dionys: der Koͤnig aber erhob 
ſich nach Quiercy, allwo er ein Par- 
lament verſammeln ließ, um den mit 
dem Pabſt verabredeten Krieg gegen die 
Longobarden durch einen Reichs ſchluß 
entſcheiden zu laſſen. Nicht ohne Er 
ſtaunen ſah man bey dieſer Verſamm⸗ 
tung Narloman den aͤltern Bruder Di 

pins 


% 63 N 
pins erſcheinen, der ſich vor mehrern 
Jahren, wie oben gemeldet worden, in 
das Kloſter Monte Caſſino eingeſperrt 
hatte. Der Koͤnig der Longobarden, 
dem die Reiſe des Pabſts ſehr verdaͤch⸗ 
tig vorgekommen war, und nicht ohne 
Grund beſorgte, daß er die Franzoſen 
wider ihn aufwickeln moͤchte, hatte 
von dem Abbt dieſes Kloſters, das in 
ſeinen Staaten lag, verlangt, den Prinz 
Karloman zur Verſam̃lung nach Cuier⸗ 
cy zu ſchicken, um die paͤbſtliche Ab⸗ 
ſichten zu veteitlen. Rarloman gehorch⸗ 
te ſeinem Obern; und vtelleicht reiſete 
er mit Vergnuͤgen nach Frankreich, 
um ſeine Kinder wieder zu ſehen, denen 
Pipin nach ſeiner Thronbeſteigung eine 
ſehr niedrige und ihrer hohen Geburt 
gar nicht gleichkommende Erziehung batz 
te geben laſſen. Als dieſer Prinz zu 
Quiercy angekommen war, ſtellte er 
dem 


F7 64 N 

dem König feinem Bruder und allen 
Groſſen des Reichs die Gefahr und 
üble Folgen eines Krieges vor, der in 
einem fo weit entfernten Land müßte ges 
führt werden, und deſſen Erfolg fo uns 
gewiß wäre. Und weil er von den heim⸗ 
lichen Anſchlaͤgen weder des Pabſts noch 
des Koͤnigs unterrichtet war, ſezte er 
noch hinzu: „ Dieſer Krieg gieng eis 
„ gentlich nur den Kaiſer zu Ronſtan⸗ 
„tinopel, als das rechtmaͤßige Obevs 
„ haupt von Itatien, an, der Pabſt 
„hingegen habe nur einen kleinen Ans 
„ tbeil in Ruckſicht etlicher wenigen 
„Plaͤzen, welche ihm die Longobar— 
„den entriſſen haͤtten, derer Zuruͤckga⸗ 
„be er ſich zu bewirken getraue, ohne 
„daß es nothwendig ſey eine Franzoͤ— 
„ſiſche Armee über die Alpen gehen 
„ zu laſſen. „ 


Die⸗ 


Gr 65 

Dieſe Vorſtellungen machten gros 
Ben Eindruck auf die Gemüther der Fran⸗ 
zoſen, beſonders da ſie aus dem Mund 
eines Prinzen floſſen, den gar kein Ei⸗ 
gennuz verdaͤchtig machte, und deſſen 
ehemaliges Anſehen in der Monarchie noch 
im friſchen Angedenken war: ſelbſt das 
demuͤthige Ordenskleid, mit dem er als 
ein gemeiner Moͤnch angethan wat, ſchien 
ſeinen Worten einen Nachdruck zu geben, 
und die Ehrfurcht der ganzen Verſamm⸗ 
lung gegen ihn zu vergroͤſſern. 


Der Erfolg davon war, daß man 
ſich entſchloß noch vor der Kriegserklaͤ⸗ 
rung Abgeſandte an den Longobardi⸗ 
ſchen König zu ſchieken, um eine Stier 
densunterhandlung zu verſuchen. 


Als dieſe in Pavia angekommen wa⸗ 
ren, nahmen die Unterhandlungen ihren 


| E An⸗ 


7% 66 M 
Anfang. Aiſtulph wollte ſich dem Frie⸗ 
den zu Liebe bequemen, feine. Anfprüche 
auf das Herzogthum Rom, als einen 
Theil des Exarchats, fahren zu laſſen, 
und erboth ſich die Buͤrger dieſer Haupt⸗ 
ſtadt wegen dem Tribut, den ſie ſonſt 
an die Exarchen zu entrichten ſchuldig 
waren, nicht mehr zu beunruhigen; aber 
er erklaͤrte ſich dabey ausdruͤcklich, das 
Exarchat und Pentapolis, fo er von 
den Griechen erobert hatte, und welche 
Staaten die Franzoſen zu ſchuͤzen gar 
keine Urſache hätten, vor ſich zu behal⸗ 
ten: er glaubte, daß der Pabſt und der 
Koͤnig mit dieſer Aeuſſerung zufrieden 
ſeyn daͤrften. Als aber die Geſandte zu⸗ 
ruͤckkamen, beharrten beede auf der Ruͤck⸗ 
gabe des ganzen Exarchats zu Gunſten 
des Kaiſers. Der Krieg wurde beſchloſ— 
ſen, und der Pabſt, um ſich von dem 
Karloman loszumachen, der alle feine 
Ab⸗ 


Br 67 SN 
Abſichten zu vereiteln geſucht hatte, ließ 
ihn mit Einverſtaͤndniß des Koͤnigs in 
ein Kloſter der Stadt Vienne einſper⸗ 
ren, wo er noch ſelbiges Jahr ſtarb. 
Die Aufhebung der Prinzen ſeiner Kin⸗ 
der, die um die naͤmliche Zeit unſichtbar 
wurden, ließ vermuthen, daß ihr Vater 
keines natuͤrlichen Todes geſtorben ſey. 
Mittlerweilen der Pabſt auf der Schau⸗ 
buͤhne Frankreichs auf ſolche Art ſeine 
Rolle ſpielte, und zu Erzielung ſeiner 
Abſichten alle moͤgliche Staatskunſt ver⸗ 
ſchwendete, fiel er zu St. Dionys, als 
dem Ort ſeines gewoͤhnlichen Aufenthalts 
in eine gefaͤhrliche Krankheit: er ward 
wiederum geſund, und um ſich die all⸗ 
gemeine Verehrung der Franzoſen zu er⸗ 
werben, meldete er dem Koͤnig, und ließ 
auch öffentlich verkünden, daß er durch 
ein untrügliches Wunder von Gott ſei⸗ 
ne Geſundheit erhalten haͤtte, davon er 
E 2 zer⸗ 


rs 63 A 
zerſchiedene Umſtaͤnde in einem feines 
Schreiben anfüuͤhret. 


Er erzaͤhlet unter andern, daß: „als 
„er ſich in die Kirche des heiligen Dio⸗ 
„ nys unter die Glocken hätte tragen 
„ laſſen, ihm die heilige Apoſtel Peter 
„ und Paul erſchienen ſeyen, in deren 
„Gefolge der heilige Dionys war, den 
„ ein A und ein Unterdiakon bes 
„ gleiteten. Der Heilige hätte einen Palm⸗ 
„ zweig in der einen, und ein Rauch⸗ 
„ faß in der andern Hand getragen. „ 
Er vergaß den kleinſten Umſtand nicht, 
und beſchreibt pünktlich die Geſtalt, Ge⸗ 
ſichtsbildung und Kleidung aller deren, 
die da zugegen waren. Er ſezte hinzu: 
„Der heilige Dionys hätte bey dem 
„Fuͤrſten der Apoſtel fuͤr ihn gebethen: 
„ worauf der heilige Peter zurück vers 
„ ſichert habe, daß er dem Kranken ſei⸗ 

ne 


% 69 MN 

„ Ne Geſundheit wiederum ertheilen Mots 
le; der heilige Dionys hätte ſich ibm ſo⸗ 
„ dañ genaͤhert, und geſprochen: der Friede 
„ ſey mit dir mein Bruder: fuͤrchte nicht, 
„du wirſt bald wiederum zu deiner Kir 
„che zurück kehren. Steh auf; weyhe 
„ den Altar zur Ehre Gottes, und der 
„ zween Apoſtel, als der Urheber Dei 
„ ner Geneſung, und verrichte das Meß⸗ 
„opfer zur Dankſagung für dieſe große 
„ Wohlthat. , 


Auf dieſe Art verkuͤndigte der Pabſt 
ſelbſt den Hergang dieſes Wunders o— 
der Erſcheinung. Sobald er geneſen war, 
wollte er keinen Tag verweilen, die Bes 
fehle des Himmels zu vollziehen: man 
machte in der Kirche des heiligen Dio⸗ 
nys alle erforderliche Zubereitungen zur 
Einweihung des Altars: eine unzahlba⸗ 
re Menge Volks lief von allen Seiten 

E 3 her, 


% 70 N 


her, um einem Gepraͤnge beyzuwohnen, 


das ſelbſt aus dem Mund des heiligen 


Dionys vorgeſchrieben war. Es iſt un⸗ 


beſchreiblich, wie ſehr die Verbreitung 


ſo vieler wunderbaren Ereigniſſe das An⸗ 


ſehen und die Verehrung dieſes Pabſts 
bey den Franzoſen vergroͤſſerte. 


Der heilige Vater wollte ſich dieſe 
gute Lage der Gemuͤther zu Nuzen mas 
chen, um dem Koͤnig Wort zu halten. 
Den naͤmlichen Tag, an welchem er den 
Altar einweihete, und die Meſſe las, ſalb⸗ 
te er mit eigener Hand den Koͤnig, die 
Koͤniginn Berthrada ſeine Gemahlin, 
und die Prinzen Karl und Rarloman 
ſeine Soͤhne: er ſezte dieſem feyerlichen 
Gepraͤnge den oͤffentlichen Kirchenbann 
hinzu, mit dem er alle Franzoſen beleg⸗ 
te, die ſich nach dem Tod Pipins un⸗ 
terſtehen wuͤrden, deſſen Plaz mit einem 

| Prin⸗ 


F7 71 N 

Prinzen oder Großen des Reichs zu bes 
ſezen, der nicht von ſeinem Gebluͤt waͤ⸗ 
ve: und damit er ſich den König und 
ſeine Prinzen noch mehr verbaͤnde, die 
Waffen gegen die Longobarden zu er⸗ 
greifen, erklärte er fie öffentlich als Das 
tricier von Rom. 


Pipin ermangelte nicht drey wieder⸗ 
holte Geſandtſchaften an den Koͤnig Ai⸗ 
ſtulph abzuſchicken, die ihn ermahnten, 
alle in Beſiz genommene Plaͤze und Fe⸗ 
ſtungen dem Reich und der Roͤmiſchen 
Kirche wieder zuruͤck zu geben: er thate 
alles dieſes mit Einverſtaͤndniß des Pabſts, 
welcher in der Ungewißheit, wie der Krieg 
ausfallen moͤchte, vor den Augen der 
Welt noch immer das Verdienſt beybe⸗ 
halten wollte, zum Beſten des Kaiſers 
ſeines Oberhaupts alles moͤgliche beyge⸗ 


tragen zu haben. 
E42 Ai⸗ 


Rp 72 CN 

Aiſtulph, welcher nicht begreifen Font 
te, daß ſich die Franzoſen entſchließen 
ſollten um der Griechen willen über die 
Alpen zu gehen, mit denen ſie in gar 
keinem Buͤndniſſe ſtunden, beharrete un⸗ 
abaͤnderlich auf dem Entſchluß, feine E⸗ 
roberungen zu behaupten: indeſſen ließ 
er doch aus Vorſorge die engen Paͤſſe 
der Alpen mit Truppen beſezen, um ſich 
vor einem Ueberfall ſo viel moͤglich zu 
(den. Pipin von dem Pabſt ange 
trieben, verzoͤgerte nicht mit ſeiner Armee 
vorzuruͤcken: er bezwingt die Paͤſſe; nichts 
widerſteht dem Muth feiner Soldaten; 
alles, was ihm aufſtoßt, ſchlagt er zu⸗ 
ruͤck; er bezieht die Ebene: das Schre⸗ 
cken verbreitet ſich auf allen Seiten; und 
nachdem er das ganze Land verwuͤſtet 
hatte, grief er Pavia an, den einzigen 
feſten Plaz, und gleichſam die Vormauer 
der Lombardie. Aiſtulph hatte ſich 

mit 


73 N 
mit ſeinen beſten Truppen hinein gewor⸗ 
ten ; die Belagerung war hartnaͤckig, 
und die Beſazung that den muthigſten 
Wiederſtand: als aber doch Aiſtulph 
dem Gewalt der franzoͤſiſchen Angrifen 
zu unterliegen fuͤrchtete, kam es zu Un⸗ 
terhandlungen. Der heilige Vater warf 
ſich zum Mittler auf, ſey es um das 
Chriſtenblut zu ſchonen, oder wegen der 
Furcht, daß Pipin, wenn er ſich die⸗ 
ſes Plazes bemaͤchtigen ſollte, ſeine Ero⸗ 
berungen weiter ausbreiten, und ſich zu 
lezt von ganz Italien bemeiſtern möchte, 
Dem ſey, wie ihm wolle: nach wieder⸗ 
holten Unterredungen kam man endlich 
zu Bedingungen, vermoͤg welchen Ai⸗ 
ſtulph das Exarchat dem Koͤnig in Frank⸗ 
reich, und die ſogenannte Gerechtigkei⸗ 
ten des heiligen Peters dem Pabſt ab⸗ 
treten ſollte: zu deſſen Gewaͤhrleiſtung 
mußte er 40. Geiſel von den Vornehm⸗ 
A E 5 ſten 


A 74 
ften feiner Nation ausliefern. Divin in 
der Vermuthung, die Longobarden wuͤr⸗ 
den ſich nicht unterfangen gegen ſolche 
Unterpfaͤnder ihr gegebenes Wort zu bre⸗ 
chen, fand fuͤr gut mit ſeiner Armee den 
Ruckmarſch nach Frankreich anzutreten, 
bevor noch der Schnee die Paͤſſe der 
Alpen verſperrete; und zu gleicher Zeit 
ließ er den Pabſt durch den Prinzen 
Sieronom, einen natuͤrlichen Sohn des 
Karl Martels, und den Abbt Fulrad 
von St. Dionys nach Rom begleiten. 


Aiſtulph glaubte dieſe Entfernung 
der Franzoſen habe ihn von aller Ver⸗ 
bindlichkeit los gemacht einen Traktat zu 
erfüllen, den ihm nur die Furcht ihrer 
Waffen abgedrungen. Gegen den Pabſt, 
der ihm alles dieſes Unheil zugezogen hat⸗ 
te, war er aͤußerſt aufgebracht: um ſich 
an ihm zu raͤchen, entſchloß er noch die⸗ 

ſen 


Mm 75 MW 
fen Winter, da die Jahrszeit den Frans 
zoſen nicht erlaubte wieder über die Al⸗ 
pen in Italien zuruͤck zu kommen, eine 
Belagerung von Rom vorzunehmen, in 
der ſicherſten Hofnung, der glückliche Er⸗ 
folg werde die Verlezung ſeines gegebe⸗ 
nen Wortes in Vergeſſenheit bringen, o⸗ 
der wenigſtens ihn in Stand ſezen, deß⸗ 
wegen nichts übles beſorgen zu daͤrfen. 
Er fieng die Ausfuͤhrung ſeines Vorha⸗ 
bens dadurch an, daß er die dem Pabſt 
und dem Reich zuruͤck zu geben verſpro⸗ 
chene Plaͤze zu raͤumen unter aller Gat⸗ 
tung Vorwaͤnden verzoͤgerte: zu gleicher 
Zeit ſammelte er alle ſeine in zerſchiede⸗ 
nen Feſtungen verlegte Truppen zuſam⸗ 
men, machte in der Stille neue Anwer⸗ 
bungen, eilte mit der Armee den graden 
Weg Bom zu, berennte die Stadt, und 
forderte von den Innwohnern die Aus⸗ 
lieferung des Pabſts, aus Urſache, weil 
& 


iR 75 

er die Franzoſen nach Italien gebracht 
haͤtte. Aiſtulph ſchmeichelte ſich, die Roͤ⸗ 
mer wuͤrden nicht ſaͤumen den Pabſt in 
ſeine Haͤnde zu liefern, um der gefaͤhrli⸗ 
chen Belagerung los zu werden: oder 
wenigſtens werde dieſe Forderung die Ge⸗ 
muͤther theilen, und eine Zwietracht in 
der Stadt erwecken. Allein die Buͤrger 
blieben alle mit dem Pabſt in der eng⸗ 
ſten Verbindung; ſie hielten ſogar die 
Anfälle der Lonuobarden drey ganze Mo⸗ 
nate lang mit einer ſolchen Unerſchrocken⸗ 
heit aus, daß ſie den Franzoſen dadurch 
Zeit verſchaften, zu ihrer Hilfe vorzu⸗ 
ruͤcken. 


Der Pabſt, um den Anmarſch die⸗ 
ſer Truppen zu beſchleunigen, ſchrieb dem 
Pipin Briefe auf Briefe. Nichts iſt 
rübrender, als die Ausdrücke feiner Schrei⸗ 
ben: „Ich beſchiodte euch im Namen 

Got⸗ 


An 77 N 
„Gottes (ſagt er in einem dieſer Brie⸗ 
fen an den Koͤnig und ſeine Kinder) 
„durch die glorreiche Jungfrau, durch 
„ alle himmliſche Mächte; durch den hei⸗ 
„ligen Peter, der euch zum Koͤnig ge⸗ 
„ falbet hat, befreyet uns von den Waf⸗ 
„ fer der Longobarden, und ſezet uns 
„ in den Beſiz aller derjenigen Plaͤzen, 
„ welche in der Schankung begriefen find, 
„ die ihr dem heiligen Peter eurem de 
„ ſchuͤzer gemacht habt. Ihr wißt, daß 
„wir euch das Wohl der heiligen Kir⸗ 
„che anvertrauet haben, und ihr wers 
„det Gott und dem heiligen Peter Nes 


„ chenſchaft geben an jenem fürchterlichen 


„Tag des Gerichts von dem Eifer, mit 
„ welchem ihr fie werdet beſchuͤzet haben. 
„ Euch allein iſt ein ſo verdienſtvolles 
„ Werk aufbehalten worden: keiner von 
„ euern Vorfahrern ware mit einer ſo 
„ vorzuͤglichen Gnade beguͤnſtiget: euch 
hat 


Pr 78 GA | 
„hat Gott vermittelſt ſeiner ewigen Vor⸗ 
„ wiſſenheit dazu auserwaͤhlt: dann je⸗ 
„ne, die er auserwaͤhlt hat, hat er ges 
„ rufen, und jene, die er gerufen hat, 
„ hat er gerechtfertiget. ;; 


So machte dieſer Pabſt eine An⸗ 
ſpielung des unerforſchlichen Geheimnifs 
ſes der goͤttlichen Gnadenwahl auf die 
Vergroͤſſerung ſeiner weltlichen Macht. 
Als nun aber doch die Hilfstruppen noch 
nicht erſcheinen wollten, und die CLongo⸗ 
barden ihre Anfaͤlle verdoppelten, ge⸗ 
brauchte ſich dieſer Pabſt eines Kunſt⸗ 
grifes, der wahrhaftig ſo dumm ware, 
daß er alle Wahrſcheinlichkeit verliert; 
der uns aber doch ein Zeugniß des Ge⸗ 
ſchmackes jenes Zeitalters bleibt, und be⸗ 
weifet, wie ſehr die Menſchen damals 
von allem dem, was nur den Schein 
einer himmliſchen Offenbarung hatte, 

ein⸗ 


| 


F7 79 Ni 


| eingenommen waren. Der Pabſt ſchick⸗ 


te dem Koͤnig einen Brief im Namen 
des heiligen Peters, als wenn er wirk⸗ 
lich vom Himmel gefallen waͤre. Die⸗ 
ſer Brief hatte die Aufſchrift an ſeine 


Kinder, an die Vornehmen des Reichs, 


an das ganze Volk, und an die Armee 
Frankreichs. Der Titel des Schrei⸗ 
bens ahmte die Canoniſche Sendſchrei⸗ 
ben nach: er fieng mit folgenden Wor- 
ten an: „ Peter von J. C. dem Sohn 
„des lebendigen Gottes zum Apoftos 
„ lat berufen. Ich beſchwoͤre euch, eu⸗ 
„re Truppen zur Hilfe der Roͤmiſchen 
„Kirche fo geſchwind als moͤglich vor 
„ rücken zu laſſen: geſtattet nicht, daß 
„ meine Stadt Rom und mein Volk 
„ der Pluͤnderung der Longobarden aug 
„ geſezt werde, wann ihr anderſt euere 
„Seelen ſelig machen, und euere Lei⸗ 
„ ber von dem ewigen Feuer befreyen 
wol⸗ 


En 80 c 

„ wolflet: wann ihr mir ſogleich Folge 
„ leiſtet, fo werdet ihr über alle euere 
„Feinde ſiegen; ihr werdet lang leben; 
„ihr werdet die Früchten der Erde ge 

, niefen, und fodann zum ewigen Le⸗ 
„ben eingehen. Widrigenfalls erkläre 
„ich euch im Namen der allerheiligſten 

„ Dreyfaltigkeit, und durch die Gewalt 
„meines Apoſtelamts, daß ihr an dem 

„ Himmelreich keinen Antheil haben wer⸗ 

73 det. 75 


Man wuͤrde es ſchwerlich glauben, 
daß dieſer Pabſt ſeine Kunſtgriffe und 
Verſtellung ſo weit getrieben habe, wann 
nicht noch ſeine eigene Briefe vorhanden 
waͤren, die uns davon überzeugten: und 
man muß erſtaunen, ſolche Woͤrterſpiele 
zu finden, deren Betrug doch ſo leicht 
aufzudecken war. Ich rede von den Aus⸗ 
drücken, wo der fo ehrwuͤrdige Namen 

der 


AR 81 SR 

der Kirche, der nicht anderſt füllte ge 
braucht werden, als um die Gemeinde 
der Glaubigen anzuzeigen, den zeitlichen 
Gütern des Roͤmiſchen Stuhls beyge⸗ 
leget wird: in dieſem Schreiben bedeu⸗ 
ten die Leiber, und nicht die Seelen, die 
chriſtliche Heerde: die zeitlichen Verheiſ⸗ 
ſungen des alten Bundes ſind mit den 
geiſtlichen des Evangeliums vermiſcht, 
und die heiligſte Beweggruͤnde der Ré 
ligion werden zu Staatsabſichten miss 
brauchet. 


Ein ſo großer Staatsmann, als Pi⸗ 
pin war, ließ ſich doch von dieſem Woͤr⸗ 
terſpiele fangen: er glaubte ganz zuver⸗ 
laͤßig, bey Verlurſt ſeines ewigen Heils 
verbunden zu ſeyn, das Exarchat dem 
Koͤnig der Longobarden zu entreiſſen, 
und es zum Nachtheil des Kaiſers, wel⸗ 
chem es zugehoͤrte, dem Pabſt zu ſchen⸗ 

F E,. 


Teils 


/ 


67 82 G 
ken. In dieſer Abſicht kam er nun zum 
zweytenmal mit einer maͤchtigen Armee 
über die Alpen, ſchlug die Congobarden, 
befreyte Kom von der Belagerung, be 
rennte Pavia, und trieb den Feind ſo 
in die Enge, daß Aiſtulph gezwungen 
ward, um die Hauptſtadt feines Reiches 
und vielleicht auch ſeine Krone zu retten, 
den Frieden unter Bedingniſſen, ſo wie 
ſie dem Pipin gefielen, zu eee 


Dieſes wichtige Geſchaͤft abe in 
Gegenwart der Faiferlichen Geſandten ver⸗ 
handelt. Sie waren zu Marſeil aus⸗ 
geſchiffet: als ſie aber vernommen hat⸗ 
ten, daß Pipin Pavia belagerte, ver⸗ 
fuͤgten fie ſich eilends in ſein Lager. So 
bald Pipin in Italien eingefallen war, 
machte der Pabſt aus der Schankung, 
die er von ihm gefordert hatte, kein Ge⸗ 
heimniß mehr: als demnach die kaiſer, 

liche 


ER 83 N 


liche Abgeſandte dem König wegen dem. 
guten Fortgang ſeiner Waffen ihre Gluͤcks⸗ 
wuͤnſche abgelegt hatten, machten ie ihm 
wegen dem Ærarchat und Pentapolis 
als Länder, die zum Reich gehörten, 
Vorſtellungen: „Es waͤre freylich wahr, 
fagten fie, „ daß fi die CLongobarden 


27 


— 


59 


durch einen ſchaͤndlichen Bruch der 
Traktaten, zur Zeit als ſich Konſtan⸗ 
tin mit den Sarazenen und den Fein⸗ 
den des Chriſtenthums in Kriege verz 
wicklet ſah, dieſer Provinzen bemaͤch⸗ 
tiget haben: allein es waͤre doch un⸗ 
billig, den Pabſt, als einen Unter⸗ 
thanen des Reichs, mit einer ſeinem 
eigenen Monarchen abgenommenen 
Beute zu bereichern. „ 


Pipin antwortete ihnen: „Er ſey 
in keiner andern Abſicht uͤber die Al⸗ 
pen gegangen, als um den Pabſt von 

F 2 3 den 


F7 34 MW 
„den Verfolgungen der Longobarden 
„zu befreven, bey welcher Gelegenheit 
„er alles, was er erobern wuͤrde, dem 
„ heiligen Peter verlobt hätte: Gott bas 


. 


„geſegnet; und nun glaube er ſich (gi 


„be ſeine Abſichten und ſeine Waffen 


—— N 


„nes Zornes ſchuldig zu machen, wenn 


„er feine Geluͤbde und fein Verſprechen 
„ nicht halten würde. „ Mit dieſer tros 
ckenen Antwort ſchickte er die Geſandte 
zurück. Seine Hauptſorge aber gieng 
dahin, den Aiſtulph außer Stand zu 
ſezen, ihm das Pen die Treue zu 
brechen. | 


In dieſer Ruckſicht wollte er von 
ihm den erſten Traktat von Pavia auf 
der Stelle erfuͤllet wiſſen: das iſt, er 
mußte ſogleich ſeinen Bevollmaͤchtigten 
das Exarchat und Pentapolis einhaͤn⸗ 
digen: für die Kriegskoſten Comachio 

ſammt 


ia 85 N 
ſam̃t einem Drittel des koͤniglichen Schar 
zes abtreten, und ſich und feine Macs 
foiger zu ewigen Zeiten als Vaſallen der 
Krone Frankreichs erklären ; endlich ſol— 
le er den alten Tribut von zwoͤlftauſend 
Goldpfenningen, von welchem er ſich un— 
ter der Regierung des Blotars II. be 
freyet hatte, wieder bezahlen. 


So hart auch dieſe Bedingniſſen ei⸗ 
nem Monarchen fallen muͤſſen, ward doch 
Aiſtulph gezwungen ſich denſelben zu un⸗ 
terwerfen, um nicht den ganzen Ueberreſt 
feiner Staaten zu verlieren. Er übergab 
alſo, dieſem Traktat zufolge, zwey und. 
zwanzig Plaͤze dem franzoͤſiſchen Bevoll— 
moͤchtigten Abbt Fulrad, welcher die 
Schluͤſſel davon auf das Grab des hei— 
ligen Peters trug, und denſelben noch 
die Schankung aller Nuznießung jener 
Plaͤze, welche Pipin der Kirche zugeeig⸗ 

+ net 


Er 86 ce 
net hatte, beylegte. Jedoch wurde die 
Oberherrlichkeit der Krone Frankreichs 


vorbehalten, wie wir in der Folge ſehen 
werden. 


Aiſtulph hatte indeſſen die Auslie— 
ferung der Städte Ferrara, Ancona und 
Bologna unter zerſchiedenen Vorwaͤn⸗ 
den verzoͤgert: er hielt noch betraͤchtliche 
Beſazungen darinn, und dieſer ſtolze und 
muthige Prinz aͤußerſt aufgebracht, alle 
ſeine Eroberungen von einem Prieſter ſich 
entriſſen zu ſehen, erwartete nur eine güns 
ſtige Gelegenheit und den Vortheil der 
Zeit, um alles wieder an ſich zu brins 
gen, was er hatte raͤumen muͤſſen: aber 
ein fruhezeitiger Tod vereitelte feine Ab— 
ſichten: er hatte ſich denſelben durch ei— 
nen unglücklichen Pferdſturz auf der Jagd 
ſelbſt befoͤrdert. 


Die 


A 537 MM 

Die Longobarden waren über die 
Wahl eines Thronfolgers unter ſich uns 
einig. Deſider, Herzog von Toſeana, 
einer der Feldherren des Aiſtulphs, ſah 
fich an der Spize der Armee, und glaub? 
te keinen Mitwerber zu haben. Allein 
die uͤbrigen Herzoge dieſer Nation, viel— 
leicht weil es ihnen ſchwer fiel einem ilz 
res gleichen die hoͤchſte Macht einzuraͤu⸗ 
men, ſchickten Abgeordnete an Rachis, 
der ſich, wie wir oben gemeldet, in das 
Kloſter zu Monte Caſſino verſperret hats 
te: ſie beſchworen dieſen Prinzen ſeinen 
ehemaligen Thron wieder zu beſteigen, 
und ſeine vorzuͤgliche Liebe zur Einſamkeit 
dem Heil der Völker, und dem allgemeiz 
nen Beſten der Nation aufzuopfern. 


Rachis ſchien gar nicht abgeneigt 
ihnen zu willfahren, und alle Herzoge 
bewaffneten ſich zu feiner Unterſtuͤzung. 

54 De: 


a 88 GA 

Deſider, welcher ſehr betroffen war, eis 
nen ſo maͤchtigen Nebenbuhler an ſeiner 
Seite zu ſehen, nahm ſeine Zuflucht zum 
Pabſt, dem er wiſſen ließ, daß wann 
er ſich zu ſeinem Beſten am franzoͤſiſchen 
Hof verwenden wollte, ſo ſey er bereit 
ihm alle Plaͤze, die noch unter der Oberz 
herrſchaft der Longobarden zuruͤck geblie⸗ 
ben, einzuhaͤndigen. 


Dieſer wichtige Umſtand bewog den 
Pabſt ſich oͤffentlich fuͤr dieſen Longo⸗ 
barden zu erklaͤren. Dem Rachis ließ 
er ſagen, er werde niemal geſtatten, daß 
er das Kloſter verlaſſe. Dieſer Prinz, 
welcher voll Froͤmmigkeit war, entſagte 
demnach das zweytemal der Krone, und 
blieb ruhig in ſeiner Einſamkeit begraben: 
Deſider hingegen als Koͤnig der Lon⸗ 
gobarden anerkennt. 


Der 


im 3 MN 

Der Pabſt überlebte dieſe große Be⸗ 
gebenheit nicht lang: er ſtarb um das 
Jahr 757. Der Diakon Paul ſein 
Bruder folgte ihm in der paͤbſtlichen Wuͤr⸗ 
de, ſo wie in dem Eifer die weltliche 
Macht zu vergrößern. Kaum hatte ey 
den Stuhl des heiligen Peters beſtiegen, 
ſo betrieb er ſchon bey Deſider die Zu— 
ruͤckgabe dreyer Plaͤzen, welche die Lon⸗ 
gobarden noch inne hatten: allein Dies 
ſer Prinz fand mit ſeinem Gluͤck auch 
ſeine Vortheile geaͤndert; er ſah die uͤble 
Folgen dieſer Zuruͤckgabe fuͤr die CLon⸗ 
gobardiſche Krone, und nach den Grund⸗ 
fügen der Politik glaubte er, ein Fuͤrſt 
auf dem Thron ſey nicht mehr an die 
Verbindungen gehalten, die er um da⸗ 
hin zu gelangen verheißen hatte. 


Der Pabſt Paul beklagte ſich über 
dieſes Betragen bey Pipin, er ſchrieb 
| 55 ihm 


A so H 
ihm in eben fo dringenden Ausdrücken 
wie fein Vorfahrer Stephan: man finz 
det in feinen Schreiben durchaus andaͤch⸗ 
tige Geſinnungen mit den lebhafteſten 
Ermahnungen untermiſcht, den Longobar⸗ 
den abermal den Krieg anzukuͤnden. Wenn 
man nicht wuͤßte, daß dieſe Nation da— 
zumal ſchon ſeit mehr als 150. Jahren 
katholiſch war, fo wuͤrde man bey Durch⸗ 
leſung dieſer Briefen glauben, daß von 
wilden und unglaubigen Voͤlkern, von 
Feinden Gottes und der wahren Reli— 
gion, gegen die man die Waffen ergreis 
fen ſollte, die Rede waͤre: indeſſen hat 
ten fie doch keine andere Abſicht als chriſt⸗ 
liche Fürften wegen einem pur zeitlichen 
Eigennuz gegen einander zu bewaffnen: 
und dieſer Pabſt nach dem Beyſpiel feis 
ner lezten Vorfahrer, machte ſich keinen 
Gewiſſensvorwurf geiſtliche Verbindun— 
gen damit zu verknuͤpfen, und diejenige 
| mit 


Mm MM 
mit dem Zorn des Himmels und der e— 
wigen Verdammung zu bedrohen, die ſich 
nicht gegen die Longobarden erklaͤren 
wuͤrden. Allein Pipin ließ ſich dermal 
nicht erſchrecken, entweder weil er wich— 
tigere Angelegenheiten ſeines Reichs zu 
beſorgen hatte, oder weil er es für fein 
Land weder billig noch nüzlich fand ſich 
mit den Longobarden abermal in einen 
Krieg einzulaſſen. Der Tod dieſes Prin— 
zen machte ebenfalls in dem franzöfifchen 
Betragen gegen dieſe Nation eine große 
Veraͤnderung: das alte Buͤndniß, wel 
ches ehemal zwiſchen Karl Martel und 
dem Luitprand herrſchte, wurde zwiſchen 
dem Deſider und des Pipins Thron— 
folger Karloman erneuert. 


Der ganze Staatskoͤrper der fran⸗ 
zoͤſiſchen Monarchie wurde nach dem Tod 
Pipins zwiſchen feinen Söhnen Varl 

| und 


F7 92 MW 
und Karloman getheilet. Das Miß⸗ 
verſtaͤndniß äußerte ſich unter dieſen zween 
Bruͤdern, ſobald fie Könige und Nach⸗ 
born waren: Rarloman beklagte ſich, 
daß er in der Theilung verkürzt worden, 
Deſider, aufmerkſam auf alles, was in 
Frankreich vorbey gieng, als der einzi— 
gen Macht, die er zu fuͤrchten hatte, ſuch⸗ 
te geſchicklich dieſes Mißverſtaͤndniß zu 
unterhalten: er hatte einen Weg gefun⸗ 
den, ſich bey Narloman einzuſchmeich⸗ 
len, den er unter der Hand nicht nur 
feiner Truppen, ſondern auch jener des 
Herzogs von Baiern ſeines Tochtermanns, 
und des Herzogs von Aequitanien ſei⸗ 
nes Bundsgenoſſen, als der maͤchtigſten 
Vaſallen der Krone Frankreichs, verſi⸗ 
chern ließ. Schon zeigten ſich alle Vor⸗ 
botten zu einen Bruch zwiſchen den zween 
Bruͤdern: die verwittibte Koͤnigin Berth⸗ 
rada ihre Mutter durch die Zwietracht 
ihrer 


6% 93 S 
ihrer koͤniglichen Kinder gerührt, verſuch⸗ 
te alle Mittel ſie zu vereinigen. Es hieng 
alles von Deſider ab, deſſen Rathſchlaͤ⸗ 
ge einen ſehr großen Einfluß auf des Kar⸗ 
lomans Gemuͤth hatten; dieſen mußte 
man alſo zu gewinnen fuchen, 


Deſider hatte dreh Kinder, einen 
Sohn, mit Namen Adalgiſe, und zwey 
Toͤchter, derer die aͤltere an den Herzog 
von Baiern Thaſſilo, genannt Lutberg, 
vermaͤhlet war. Die Koͤniginn Berthra⸗ 
da, um die Longobarden als Werkzeu⸗ 
ge der Vereinigung ihrer zween Soͤhne 
zu gebrauchen, machte den Entwurf ihre 
Tochter Giſele, eine Schweſter der zween 
franzöſiſchen Koͤnige, an Adalgiſe, und 
die jüngere Tochter des Deſider Aer 
mengarde an ihren aͤltern Sohn Karl 
zu vermaͤhlen. Varl hatte zwar ſchon 
eine Gemahlin Similtrude, die Tochter 

ei⸗ 


Fr 94 MN 

eines anſehnlichen franzoͤſiſcheu Hauſes: 
allein in jenem Zeitalter ware der min⸗ 
deſte Vorwand hinlaͤnglich zu einer Ehe⸗ 
ſcheidung, die beſonders unter den Mo— 
narchen zum allgemeinen Misbrauch ge⸗ 
worden. Der verwittibten Koͤniginn ſchien 
dieſe Ehe nicht fo erheblich, um die Hin? 
derniß ſo vieler guten Folgen zu ſeyn, 
welche man ſich durch die Vereinigung 
der zween koͤniglichen Prinzen verſpre⸗ 
chen durfte. 


Dem ſey, wie ihm wolle, die Unter⸗ 
handlung gewann ihren Fortgang. Der 
Pabſt Stephan III., welcher dem Paul 
J. in der Kirchenregierung gefolget war, 
vernahm dieſe Nachricht mit nicht gerin⸗ 
gem Verdruß: er fab die Folgen mit 
allem dem, was er von einer ſo engen 
Verbindung der Koͤnige von Frankreich 
und der Longobarden zu befuͤrchten bat 

* 


F7 95 M 
te: er ſchrieb an beede franzoͤſiſche Mo⸗ 
narchen; in ſeinem Schreiben zog er zer⸗ 
ſchiedene Beweggründe an, um dieſe Uns 
terhandlung zu vereiteln: einige waren 
gründlich, und von der Unzertrennlichkeit 
Karls erſter Ehe hergenommen; andere 
hingegen eitel und ungegruͤndet, doch alle 
gleich zu ſeinem Vortheil eingerichtet, und 
in der Schreibart feiner Vorfahrer abs 
gefaßt. Er ſtellte ihnen dieſes Buͤndniß 
als ein Werk des Teufels vor, und nañ⸗ 
te die Longobarden ein veraͤchtliches, 
treuloſes, ausfäziges, und der Verbin⸗ 
dung mit einer ſo vortreflichen Nation 
unwuͤrdiges Volk: er ſezte noch hinzu, 
indem er den Sinn der heiligen Schrift 
verdrehete: „ Das Geſez Gottes verbiete 
alle Buͤndniſſe mit Auswärtigen. „ Es iſt 
wahr, im alten Bund hatte Gott den Ju⸗ 
den verbothen mit unglaubigen und ab 
göttifchen Voͤlkern Buͤndniſſe zu ſchlieſ— 
fen, 


FA 96 MW 
fen : allein wie konnte man wohl von 
dieſem Verboth eine Anwendung aufchriſt⸗ 
liche Monarchen machen, derer Buͤndniſſe 
den Frieden der Chriſtenheit zur Abſicht 
hatten. 


Doch ſchienen dieſe Gruͤnde dem 
Pabſt erheblich genug, wofern fie nut 
ihren Endzweck erreichten, und die fran⸗ 
zoͤſiſche Prinzen von dieſer Verbindung 
abhielten. Er beſchloß den Brief mit Be⸗ 
ſchwoͤrungen im Namen des heiligen Dés 
ters, und mit Bedrohungen des Gerichts 
Gottes, die Longobarden zur Zurück 
gabe der zum Exarchat noch gehoͤrigen 
Plaͤzen anzuhalten: und um ſeiner drin⸗ 
genden Bitte mehr Nachdruck zu geben, 
ſezte er hinzu, „Daß er dieſes Schrei⸗ 
„ ben auf das Grabe des heiligen Per 
„ters gelegt, und dabey die Meſſe g% 
„leſen habe; fie wurden alſo dieſem Fuͤr⸗ 

75 ſten 


En / 
» ften der Apoſtel Mechenfchaft für die 
„Gerechtſame feiner Kirche geben muͤſ— 
„ fen? „und das alles unter wiederhol⸗ 
ter Bedrohung des Bannes, und der 
ewigen Verdammung. 


Alle dieſe Ermahnungen und Bit⸗ 
ten machten an dem franzoͤſiſchen Hof 
wenig Eindruck. Die Koͤniginn Berth⸗ 
rada gieng nach Italien; und nachdem 
ſie zwiſchen dem Pabſt und dem Koͤnig 
Defider eine Art Vergleich zu Stande 
gebracht, fuͤhrte ſie die Tochter des lez⸗ 
tern mit ſich nach Frankreich, und Karl 
vermaͤhlte ſich mit ihr: die Vermaͤhlung 
des Prinzen Adalgiſe aber mit Giſele 
ware nicht zu Stande gekommen. 


Sobald Deſider durch die Vermaͤh⸗ 
lung feiner Tochter das Band der Freund⸗ 
ſchaft mit Frankreich befeſtiget hatte, ließ 

G , 


er 


9 98 \ 
er ſich angelegen ſeyn, fo viel möglich, 
dieſen Hof mit dem Römifchen zu ent⸗ 
zweyen, um den Pabſt eines Schuzes 
zu berauben, durch welchen er zu ſeiner 
Groͤße geſtiegen war. Der Pabſt hatte 
zween Hoͤflinge, die er ſeines ganzen Ver⸗ 
trauens wuͤrdigte, die ſich aber wechſel⸗ 
weiſe um den Vorzug ſeiner Gnade be⸗ 
neideten: der erſte, genannt Chriſtoph, 
war der aͤlteſte unter den roͤmiſchen Pa⸗ 
tricier, dem Paul die drey fache Krone 
zu verdanken hatte: der zweyte, Paul 
Affiart ſein Kaͤmmerling, hatte nicht we⸗ 
niger Gewalt uͤber ihn. Chriſtoph und 
Sergius fein Sohn regierten ihren Herrn 
in Ruckſicht der Dienſte, die ſie ihm in 
ſeiner Wahl geleiſtet hatten, etwas zu 
deſpotiſch; ſie machten ihm unaufhoͤrli⸗ 
che Vorſtellungen, daß er nach dem Ber⸗ 
ſpiel ſeiner Vorfahrer bey den Koͤnigen 
von Frankreich um die Abtrettung der 
von 


F7 99 N 


von Deſider noch immer zuruͤckbehalte— 
nen Plaͤze des Exarchats ſeine Bitten 
erneuern ſolle: obgleich der Vater und 
der Sohn die beſte Abſichten dabey hat⸗ 
ten, ſo ward doch der Pabſt durch dieſe 
anhaltende Zudringlichkeit, vermoͤg wel⸗ 
cher man ihm gleichſam Geſeze vorſchrei⸗ 
ben wollte, ermuͤdet. Der Kaͤmmerling 
machte ſich dieſe Gemuͤthsverfaſſung zu 
Nuzen, und gewann in der Gunſt feines 
Herrn die Oberhand. Deſider hatte es 
nicht ſobald erfahren, als er ſich den Kaͤm⸗ 
merling zum Freund gewann, und mit 
ihm uͤbereinkam, ſich den gemeinſamen 
Feind Chriſtoph vom Hals zu ſchaffen. 
Er ließ dabey, um feinen Zweck zu er⸗ 
reichen, dem Pabſt hinterbringen, daß 
er ſehr gerne die Gräber der heiligen Az 
poſtel Peter und Paul beſuchen moͤch⸗ 
te, welche dazumal außer den Ringmau⸗ 
ren von Rom waren. Stephan, wel⸗ 
G2 cher 


> 100 M 
cher von feinem Kaͤmmerling ſchon be 
lehret war, daß dieſes eine der ſchicklich⸗ 
ſten Gelegenheiten ſeyn würde, durch die 
Wege der Güte von dieſem Prinzen je 
ne Plaͤze zu erhalten, die noch in ſeiner 
Gewalt waren, antwortete Defiders Abs 
geordneten: „Daß wann er in der Abs 
a fit kommen wolle, um der Kirche zus 
„ rück zu geben, was ihr gebühre, fo ſol⸗ 
„le er der willkommene ſeyn.,, Allein 
Chriſtoph und ſein Sohn uͤberzeuget, 
daß unter dieſer Andachtsreiſe ganz ans 
dere Abſichten verborgen laͤgen, ratheten 
dem Pabſt, ſich von dieſem Prinzen nicht 
hintergehen zu laſſen; und weil Rom das 
mals eher ohne Oberhaupt, als in Frey 
heit ware, ſo ließ Chriſtoph und ſein 
Sohn, welche das hoͤchſte Anſehen hats 
ten, zerſchiedene Korps Truppen in die 
Stadt einruͤcken, die ſie aus den neuen 
Staaten des Pabſts gezogen hatten. Der 
Kaͤm⸗ 


mn 101 CN 

Kaͤmmerling auf feiner Seite, unter dem 
Vorwand für die Erhaltung feines Herrn 
zu ſorgen, ließ ſeine Partheygaͤnger eben⸗ 
falls die Waffen ergreifen. Die ganze 
Stadt Rom befand ſich demnach unter 
den Waffen: Chriſtoph um den Lon⸗ 
gobarden den Eingang in die Stadt zu 
verſperren; und der Kaͤmmerling um ſich 
vor den Anfaͤllen ſeines Feindes zu ſchuͤ⸗ 
zen. Indeſſen langte Deſider mit einer 
beträchtlichen Armee an, und mit dieſem 
zu einer Wallfart und Andachtsreiſe gar 
nicht paffenden Gefolge verlangte er den 
Pabſt zu ſprechen. 


Chriſtoph widerſezte ſich dieſer Un⸗ 
terredung mit allen ſeinen Kraͤften, und 
that, ſo viel er konnte, um den Pabſt 
davon abwendig zu machen: allein die 
Nathſchlaͤge des Kaͤmmerlings wurden 
vorgezogen. — Stephan zog von Rom 

G3 aus 


ern 102 CN 
aus, und begab ſich in die Kirche der 
heiligen Apoſtel Peter und Paul, allwo 
er mit dem König der Longobarden in 
Unterredung trat, die aber meiſtens in 
wechſelſeitigen Klagen und Vorwuͤrfen bes 
ſtund. Deſider zeigte ſich ſehr beleidigt 
durch das Mistrauen, welches die Paͤb⸗ 
ſte und die Buͤrger von Rom in allen 
Vorfaͤllen gegen ihn geaͤußert hatten, be— 
ſonders aber, daß leztere bey ſeiner An⸗ 
kunft die Waffen ergriffen hatten. Ste⸗ 
phan warf ihm dagegen die nicht Erz 
fuͤllung ſeines gegebenen Wortes wegen 
der feinen Vorfahrern verſprochenen Zur 
ruͤckgabe der Plaͤzen des Exarchats vor. 
Indem ſie ſich auf ſolche Art uͤber ihre 
gegenſeitige Forderungen beſprachen, hin— 
terbrachte man dem Pabſt die Nachricht, 
daß Chriſtoph und der Kaͤmmerling, 
jeder an der Spize einer anſehnlichen Par⸗ 
tie Truppen, auf dem Sprung ſtunden 
band: 


> 


% 103 MW 
handgemein zu werden; daß aber doch 
die vornehmere Buͤrger der Stadt ſich 
auf die Seite des Kaͤmmerlings geſchla⸗ 
gen, weil ſie vernom̃en haben, daß Chri⸗ 
ſtoph als ein Freund der Franzoſen ſich 
der Vereinigung Seiner Seiligkeit mit 
dem Deſider widerſeze, und durch ſeine 
uͤble Anſchlaͤge an den Verwuͤſtungen 
Schuld trage, welche die Longobarden 
in Campanien und auf ihren Guͤtern an⸗ 
gerichtet hatten; das aufgebrachte Volk 
verlangte den Tod des Chriſtophs. 


Der Pabſt begab ſich ſogleich in die 
Stadt, um dieſe Unruhen zu ſtillen. — 
Chriſtoph, Sergius ſein Sohn, und 
Dodon ein Abgeſandter des Königs Kar⸗ 
Ioman, in deren Geleite noch einige Fran⸗ 
zoſen waren, verfuͤgten ſich ſo bewafnet, 
wie fie waren, zum Pabſt, um ihm üs 
ber var Vereinigung mit den Longo⸗ 

G À bar 


DB 104 EN / 
barden Vorwuͤrfe zu machen. Allein 
dieſe zur Unzeit angebrachte Vorwuͤrfe 
thaten die naͤmliche Wirkung, die vor⸗ 
mal des Kaͤm̃erlings ſchmeichelhafte Vor⸗ 
ſtellungen gethan hatten. Der Pabſt 
ward über ihr reſpektloſes Betragen aͤuſ⸗ 
ſerſt aufgebracht: er ſchloß noch ein en⸗ 
geres Buͤndniß mit Deſider, den er zum 
zweytenmal beſuchte, und nach einer wie— 
derholten Unterredung ließ Stephan dem 
Chriſtoph und feinem Sohn bedeuten, 
daß er ihnen frey ſtelle, entweder ſich 
auf Lebenlang in ein Kloſter zu verſchlieſ— 
ſen, oder ſogleich nach der Kirche der hei⸗ 
ligen Apoſtel zu verfügen, um ſich das 
ſelbſt vor ihm und dem Koͤnig der Lon⸗ 
gobarden über zerſchiedene Verbrechen, 
deren man fie beſchuldigte, zu verant, 
worten. 


Der Vater und der Sohn ſchlugen 
. ans 


6 105 WW 
‚anfänglich beede Vorſchlaͤge aus. Allein 
man hatte in Rom nicht ſo bald ver⸗ 
nommen, daß ſie der Pabſt dem Koͤnig 
der Longobarden zur Strafe uͤberlaſſen 
hatte, ſo ſahen ſie ſich von allen ihren 
Freunden verlaſſen, und fielen in der Fol⸗ 
ge den Longobarden von ſelbſt in die 
Haͤnde. Deſider ſchickte ſie dem Pabſt 
zurück, der ihnen zu verſtehen gab, daß 
er ihr Leben auf keine andere Art retten 
koͤnne, als wenn ſie ſich entſchlieſſen wol⸗ 
len, das Ordenskleid anzuziehen, welches 
ſie aus Noth gezwungen verſprechen muß⸗ 
ten. Man nahm ſie in Verhaft, und 
der Kaͤmmerling mit Einverſtaͤndniß des 
Koͤnigs der Longobarden, aus Furcht, 
ſie moͤchten ſich bey dem Pabſt auf das 
neue wieder einſchmeicheln, ließ ihnen ſo 
gleich die Haare abſchneiden. Chriſtoph 
ſtarb in wenig Tagen darauf: ſein Sohn 
ward kurz vor Stephans Tod grauſam 

G 5 er⸗ 


er 106 GMA 


ermordet; und der Kaͤmmerling ließ alle 
ihre Freunde und Anhaͤnger ins Elend 
verweiſen. 


Nach dieſen blutigen Auftritten ver⸗ 
abſchiedeten ſich der Pabſt und der Koͤ⸗ 
nig der CLongobaͤrden mit wechſelſeitigen 
Vergnuͤgen uͤber ihre Zuſammenkunft. 
Vorzuͤguch groß ware die Zufriedenheit 
des Pabſts, welcher durch die Verſpre⸗ 
chungen und den Eidſchwur des Deſiders 
getaͤuſcht, in der ſichern Hoffnung lebte, 
daß ihm dieſer Prinz ohne weitern Auf⸗ 
fhub die Plaͤze des Exarchats einhaͤn⸗ 
digen werde; er ware ſo überzeugt da⸗ 
von, daß er ſogar an den franzoͤſiſchen 

Koͤnig Karl und deſſen Mutter Berth⸗ 
rada ein Schreiben zu Gunſten dieſes 
Prinzen, ganz mit deſſen Lob ange fuͤllet, 
abgehen fief. Deſider ware nicht mehr 
der treuloſe, der ausſaͤzige, der Mann, 

mit 


9% 107 CM 


mit dem es ein Greuel wäre Buͤndniſſe 
zu ſchlieſſen, wie er ſich in feinen vor 
hergehenden Briefen ausgedrückt hatte: 
er nennte ihn izt feinen vortreflichen Sohn, 
den Retter, der ihn und die Roͤmiſche 
Kleriſey vor den Nachſtellungen Chris 
ſtophs und ſeines Sohns befreyet hat⸗ 
te; dem er allein fein Leben zu verdan⸗ 
ken hätte. Er ſezte hinzu: „ Daß dies 
„ fer fein lieber Sohn der erlauchte Rôs 
„nig der Longobarden, den Gott ers 
„halte, ihm alle Gerechtſame des hei⸗ 
„ligen Peters zu Handen geſtellet bas 
„ be. „ Indeſſen fund es gar nicht 
lang an, daß man in Frankreich ganz 
widerſprechende Briefe von dieſem Pabſt 
erhielt: ſchon ſchrieb er beeden Königen 
Frankreichs wiederum im alten Ton, 
und bath ſie auf ein neues, den Deſider 
zur Nuͤckgabe der feiner Kirche zugehoͤri⸗ 
gen Plaͤzen anzuhalten. Dieſe ſchnelle 

AE Ab⸗ 


E 108 CN 
Abwechslung rührte daher, weil Defider, 
welcher fich ſchmeichelte den franzoͤſiſchen 
Hof wider den Pabſt wegen ſeinem har⸗ 
ten Betragen gegen deſſen Liebling Chri⸗ 
ſtoph aufgebracht zu haben, nunmehr die 
Maske abzog, und ihm wegen nicht Er⸗ 
fuͤlung feiner Verſprechen wiſſen ließ, 
was Geſtalten er Nachricht erhalten, daß 
die franzöfifche Könige, und vorzuͤglich 
Karcloman, bereit wären, in Italien 
einzufallen, um den Tod ihres Guͤnſt⸗ 
lings zu rächen, der nichts ohne ihren 
Befehl gethan haͤtte; deßwegen ſie beede 
dermal darauf bedacht ſeyn mußten, ſich 
mit einander zu verbinden, um dieſen 
zween Monarchen den Eingang in Ita⸗ 
lien zu verfperren. N | 


Der Pabſt erkannte ist feinen be 
gangenen Fehler, und bereuete zu ſpat, 
daß er den eigennuͤzigen Raͤthſchlaͤgen dies 

ſes 


GA 109 A 
(es Prinzen Gehör geleiſtet. Deſſen Tod, 
der im Hornung 772: erfolgte, fo wie 
jener des Rarlomans, der ihm ſchon im 
Ehriſtmonat 771. vorgegangen war, bats 
ten dem ganzen Geſchaͤft eine andere Ger 
ſtalt gegeben, und den Zundel zu einem 
neuen Krieg zwiſchen Frankreich und den 
Longobarden gelegt. Varl, den wir 
in der Folge den Großen nennen wer— 
den, hatte die Staaten ſeines Bruders 
an ſich gezogen, und die ganze franzoͤ— 
ſiſche Monarchie unter ſeiner Oberherr— 
ſchaft vereiniget. Hadrian aus einem 
adelichen Roͤmiſchen Geſchlecht war zu 
gleicher Zeit dem Stephan im Pabſt-⸗ 
thum gefolget. Dieſer neue Pabſt, ſey 
es, daß er mehr Geſchicklichkeit beſaß, 
als ſein Vorfahrer, oder daß er durch 
eine Gegenparthey deſſelben zu dieſer Wuͤr— 
de gelangt ware, hatte eine ganz ver⸗ 
ſchiedene Regierungsform angenommen. 
Er 


ff 110 N 

Er ließ die Anhänger des Chriſtophs, 
und alle diejenige, die Paul Affiart ins 
Elend geſchickt hatte, zuruͤck rufen: man 
machte dem Kaͤmmerling den Proceß, 
und da er den Vorgeſezten von Raven 
na in die Haͤnde gefallen war, ſo muß⸗ 
te er Chriſtophs und ſeines Sohns Tod, 
die er ſo grauſam mißhandelt hatte, mit 
feiner Haut bezahlen. 


Zum Gluͤcke Sadrians ward das 
Buüͤndniß, welches Karl den Großen 
und Deſider noch bis dahin vereinigte, 
gebrochen: der erſte Stof ihrer Entzwey⸗ 
ung ruͤhrte daher, weil der franzoͤſiſche 
Koͤnig die Tochter des longobardiſchen 
wegen einer unbekannten Unfaͤhigkeit Kin⸗ 
der zu zeugen verſtoſſen hatte. Deſider 
um ſich an ſeinem Schwiegerſohn zu 
rächen, goͤnnte dem Herzog von Aqui⸗ 
tanien Sunaud, der ſich gegen Varl 

em⸗ 


Pr 111 CN 
empört, einen Unterſchlauf an feinem Hof, 
und hatte zugleich die Wittib des Kar⸗ 
lomans ſammt ihren Kindern, die ſich 
aus Furcht, wie jene des aͤltern Karlo⸗ 
mans vor Pipin, mißhandelt zu wer⸗ 
den nach Italien geflüchtet, in feinen 
Schuz aufgenomen. Um auch den Pabſt 
mit Karl zu entzweyen, hatte Deſider 
ihm auf ein neues die Zurückgabe der 
bekannten Plaͤzen angetragen, wofern er 
die Kinder des Karlomans kroͤnen woll⸗ 
te: allein Sadrian, den die Beyſpiele 
ſeiner Vorfahrer kluͤger gemacht, wich 
dieſen Fallſtricken aus, und nachdem er 
ſich bey Karl ein großes Verdienſt das 
durch erworben, daß er ſeinen Neffen 
die Kroͤnung verweigerte, rief er ihn ge⸗ 
gen dieſen gemeinſamen Feind zur Hilfe 
auf, und bath ihn die Schankung, wel⸗ 
che fein Vater Pipin dem heiligen Stuhl 
gemacht, und er ſelbſt unterſchrieben haͤt⸗ 
tel, 


D 112 CN 


te, einmal zur Wirklichkeit zu bringen. 


Karl, welcher wohl einſah, daß Dez 
ſider auf nichts ſo ſehr bedacht ware, 
als eine innerliche Empoͤrung in Frank⸗ 
reich zu ſtiften, um ihn dadurch zu ver⸗ 
hindern, mit ſeinen Truppen nach Ita⸗ 
lien zu ziehen, entſchloß ſich ihm vorzu⸗ 
kommen, und nach zerſchiedenen Unter⸗ 
handlungen, die ſich alle zerſchlagen, ſtellte 
er eine fo zahlreiche Armee auf die Bei 
ne, daß man wohl merken konnte, es 
wäre dermal nicht nur um die Zuruͤck⸗ 
gabe der Plaͤze des Exarchats zu thun, 
welche zu verlaſſen die CLongobarden ſich 
noch nicht hatten entſchließen koͤnnen. 


An der Spize eines ſo betraͤchtli— 
chen Heers rückte er allgemach an die 
Paͤſſe der Alpen vor: er fand ſie aber 
alle von Deſider wohl beſezt: man wur⸗ 

de 


% 113 WM 


de wiederholtermalen Handgemein, ohne 
ſie bezwingen zu koͤnnen. Die Franzo— 
ſen, welche durch eine ſo hartnaͤckige Ge⸗ 
genwehr ſo oft zuruͤckgeſchlagen worden, 
hatten fon den Gedanken gefaßt, von 
weitern Anfaͤllen abzuſtehen, als auf eins 
mal eine unerwartete Furcht, vielleicht das 
Geld der bey der feindlichen Armee ver⸗ 
ſteckten paͤbſtlichen Emiſſairs, die Lon⸗ 
gobarden zum Weichen gebracht. Un⸗ 
vermuthet verlieſſen ſie ihre Fahnen und 
ihre vortheilhafte Poſten. Deſider von 
ſeinen Fluͤchtlingen verlaſſen, ward ge— 
zwungen ihnen zu folgen. Die Franzo⸗ 
ſen, welche keine andere Hinderniſſe mehr 
vor ſich ſahen als die ſteile Wege, gien⸗ 
gen in zerſchiedenen Abtheilungen uͤber das 
Gebürge, und beſezten das ebene Land. 
Deſider hatte ſich in Pavia, und ſein 
Sohn Adslgife mit Karlomans Wit⸗ 
tib und Kindern in Verona eingeſchloſ— 
H fen. 


GA 114 N 
fen. : Karl nahm die Belagerung beeder 
Plaͤzen zu gleicher Zeit vor. 


Adalgiſe that einen ſehr ſchwachen 
Widerſtand, um nicht in die Haͤnde der 
Franzoſen zu fallen, floh er nach Ron⸗ 
ſtantinopel. Die Innwohner von Ve⸗ 
rona, als ſie ſich von dem Sohn ihres 
Monarchen verlaſſen ſahen, oͤffneten ih— 
re Thor, und uͤberlieferten dem Feind 
die Wittib, ſammt den Kindern Kar— 
lomanis, welche nach Frankreich geſchickt 
wurden. Da ihrer in der Geſchichte 
nicht mehr gedacht wird, ſo laͤßt ſich 
ihr unglückliches Schickſal von ſelbſt das 
raus ſchließen, und vermuthen, daß 
man fie entweder geſchoren, oder alle in 
der Stille habe umbringen laſſen. 


Deſider zeigte in der Vertheidigung 
von Pavia groͤßere Standhaftigkeit. Er 
hatte eine ganze Armee der beſten Truppen 

mit 


F7 115 ON 
mit ſich in die Stadt gezogen. Varl der 
Groſſe ſah wohl ein, daß nur die Zeit 
und der Mangel an Lebensmitteln dieſen 
Plaz bezwingen würden: er ließ Das 
her alle Eingänge beſtmoͤglichſt verſchlieſ⸗ 
ſen; und waͤhrend dieſer Belagerung 
machte er eine Andachtsreiſe nach Rom, 
um die Graͤber der heiligen Apoſtel zu 
beſuchen. Der Magiſtrat und alle Zuͤnf⸗ 
ten der Stadt Rom kamen ihm entges 
gen , und er wurde von dem Pabſt 
mit den naͤmlichen Ehrenbezeugungen em⸗ 
pfangen, die man den Patricier und 
Exarchen zu erweiſen pflegte. 


Der Pabſt und der Koͤnig hatten 
ſich zerſchiedenemale über den gegenwärs 
tigen Krieg beſprochen, und auf das in— 
niglichſte mit einander vereiniget. Von 
den orientaliſchen Kaiſern geſchah keine 
Meldung mehr, ob fie gleich Sadrian 
bey feiner Erhebung noch als feine recht 
92 maͤſ⸗ 


Br 116 CN 


mäßige Monarchen anerkannt hatte. 


Man behauptet, der Pabſt habe bey 
dieſem Anlaß den Kaiſer mit einer Sam̃⸗ 
lung der Kirchen Canonen nach der Aus—⸗ 
gabe Dionys des kleinern beſchenket. 
Sadrian wuͤnſchte ihm in der Zueignungs— 
ſchrift, daß er ſich bald von Pavia be 
mächtigen, und den Krieg mit der Er— 
oberung des ganzen Longobardiſchen 
Reichs beſchlieſſen moͤge. Varl beftätz 
tigte ſeiner Seits in der Ruͤckantwort die 
Schankung Pipins, und kehrte wieder 
rum zu feiner Armee zuruck. 


Die Hungersnoth hatte indeſſen in 
Pavia eine Aufruhr gegen den Deſider 
erwecket, in welcher die Buͤrger den Her⸗ 
zog von Aquitanien Sunaud, als den 
Zundel dieſes Krieges, und die Quelle 
des Ungemachs, das ſie erlitten, toͤdeten. 

Der 


% 117 9 


Der Rönig derLontobarden, aus Furcht 
die Aufruͤhrer möchten ibn dem Karl 
ausliefern, glaubte ein gelinders Schick? 
fal hoffen zu daͤrfen, wenn er feinem 
Feind die Thore ſelbſt oͤfnete. Er über 
gab ſich, ſeine Frau und ſeine Kinder 
auf Gnade und Ungnade dem Ueberwin⸗ 
der, der ihn im Jahr 774. nach Frank⸗ 
reich ſchickte, und zu Korbie in ein Klo—⸗ 
ſter ſperren ließ, wo er ſeine Tage en⸗ 
digte. 


Die Herzoge und Haͤupter der Lon⸗ 
gobarden unter ſich entzweyet, ohne Koͤ⸗ 


nig und ohne Oberhaupt unterwarfen ſich 


Karl dem Großen: er ward als Koͤnig 
dieſer Nation oͤffentlich ausgerufen, und 
gekrönt. Dieſer Prinz fete in ganz I⸗ 
talien die franzoſiſche Oberherrlichkeit 
feſt: er übergab ſogleich dem Pabft alle 
Plaͤze des Exarchats, die er dem Als 
I, ſtulph 


“ 


fa 118 CN 
ſtulph abgenommen hatte, und die Ge 
ſchichtſchreiber behaupten, daß er die 


Schankung des Pipins um ein betraͤcht— 
liches vermehret habe. 


Allein wann gleich dieſer fromme 
Monarch die Staaten der Paͤbſte erwei— 
terte, ſo wußte er doch der weltlichen 
Macht die rechtmaͤßige Graͤnzen zu ſezen, 
ſo wie ſie Untergebenen, die noch von 
einer hoͤhern Macht abhangen, angemeſ— 
ſen ſind. Wir haben geſehen, daß die 
zween Gregors und ihr Nachfolger, uns 
ter dem Vorwand Italien vor der Sekte 
der Bilderſtuͤrmer zu ſchuͤzen, ſich zu 
Haͤupter und Regenten von Rom und 
eines Theils von Italien aufgeworfen 
hatten: die rechtmaͤßige Macht des Mo⸗ 
narchen machte nun dieſe aufkeimende Ds 
berherrſchaft verſchwinden; oder wenig⸗ 
ſtens machte ſie ihr einen Aufſchub. Al⸗ 

| les 


% 119 

les gehorchte den unumſchraͤnkten Bes 
fehlen Karls des Großen: ſeine koͤnig⸗ 
liche Beamte verbeſſerten die Gerichts 
ſpruͤche, welche die Paͤbſte uͤber ihre Un⸗ 
terthanen ausgeſprochen hatten; und ſie 
ſelbſt nahmen zu den Gerichtsſtuͤhlen des 
Koͤnigs ihre Zuflucht, wie wir in der 
Geſchichte des Leo III. ſehen werden. 


Dieſer Pabſt, ein Nachfolger des 
Sadrians, ſchickte ſogleich Abgeſandte an 
Karl, ſagt Eginhard, welche ihm die 
Schluͤſſel zum Grabe des heiligen Per 
ters, und die Fahne der Stadt Rom, 
als ein Zeichen ſeiner Oberherrlichkeit, 
nebſt einer Menge Geſchenke uͤberbrach⸗ 
ten. Dieſe paͤbſtliche Abgeordnete bats 
ten den Auftrag den Koͤnig zu bitten, 
einen ſeiner Hoͤflinge nacher Rom zu 
ſchicken, der in feinem Namen den Ro⸗ 
mern den Eid der Treue abnaͤhme: und 

94 nichts 


2 120 CN 
nichts beweiſet mehr die Oberherrlichkeit 
dieſes Monarchen, als die gerichtliche Un— 
terſuchung, welche er uͤber die dieſem 
Pabſt von Paſcal und Aampul dem 
Neffen feines Vorfahrers geſchehene Ber 
leidigung angeſtellet. 

Dieſe zween roͤmiſche Bürger, wer 
che über ſeine Erhebung zum Pabſtthum 
einen Verdruß geſchoͤpft, hatten ſich ge— 
gen den Leo verfchiworen : einſt griefen 
ſie ihn in einem oͤffentlichen Bittgang 
an, und wollten ihm die Augen ausſte— 
chen, und die Zunge ausſchneiden. — 
Der Pabſt war ſo gluͤcklich, ihren moͤr⸗ 
deriſchen Haͤnden zu entwiſchen, und ſich 
zu Karl zu flüchten, den er um feinen 
Schuz und um Gerechtigkeit gegen die 
Römer bath. Seine Feinde im Gegen— 
theil ſchickten Abgeſandte an den Koͤnig, 
die den Leo zerſchiedener Verbrechen bes 
ſchul⸗ 


D 121 MI 
ſchuldigten. Der Koͤnig, um die Wahr 
heit zu erheben, ſchickte Abgeordnete nach 
Rom, welche den Pabſt zuruͤck beglei⸗ 
teten, und ſich eine ganze Woche bins 
durch in der Unterſuchung aller wider 
ihn eingebrachten Anklagen beſchaͤftigten. 


Karl folgte bald ſelbſt feinen Ab⸗ 
geordneten nach: er kam zu Schife nach 
Italien, begab ſich nach Rom, und ver⸗ 
legte ſich mit Ernſt auf die Aufdeckung 
der Wahrheit oder Falſchheit jener Bes 
ſchuldigungen, die man dem Pabſt zug 
Laſt legte. Er fand weder Anklaͤger noch 
Zeugen: dem Pabſt wurde der Meinis 
gungseid aufgetragen, und er ſchwur auf 
die heilige Evangelien, daß er ſich keines 
jener Verbrechen ſchuldig wiſſe, deren 
man ihn beſchuldigte. Karl erklärte ihn 
auf dieſen Eid unſchuldig, und verdam̃⸗ 
te den Paſcal und den Kampul zum 

H 5 Tod. 


% 122 N 

Tod. Da aber der Pabſt um Gnade 
vor ſie bath, wurde die Todesſtrafe in 
eine Landesverweiſung abgeaͤndert, und 
die Ruhe in Rom ward durch das An- 
ſehen dieſes Monarchen und die Verur⸗ 
theilung dieſer Aufrührer wiederum her— 
geſtellet. 


Der Pabſt und die Römer, um 
dieſem Monarchen ihre Dankbarkeit fuͤr 
ſeine Wohlthaten zu bezeugen, und ſich 
zugleich feines Schuzes zu verſichern, ent- 
ſchloſſen ſich ihn als abendlaͤndiſchen Kai 
ſer auszurufen. Dieſer Titel ware im 
Cccident ſeit dem Jahr 476. erloſchen: 
er legte eigentlich der Macht eines Prin 
zen, der nicht nur Rom den Siz des 
Reichs beſaß, ſondern auch Herr uͤber 
den groͤßten Theil von Italien, Deutſch⸗ 
land und Frankreich war, nichts meis 
ters bey. Man behauptet, daß Leo 

um 


FA 1233 MM 
um ſich an den Orientalifchen Kaiſern, 
welche zerſchiedenen Paͤbſten übel begeg⸗ 
net waren, zu raͤchen, ſich dieſer Gele⸗ 
genheit bedienet habe, um ſich ganz ibs 
rer Oberherrlichkeit zu entziehen. 


Dem ſey, wie ihm wolle, ſo viel 
iſt gewiß, daß er dieſen Anſchlag mit 
den erſten Buͤrgern von Rom verab— 
redet hatte, welche ganz erfreuet waren, 
dieſen großen Titel in Occident wiede⸗ 
rum empor zu bringen. 


An dem heiligen Chriſttag, als Kart 
ſich in der Kirche des heiligen Peters 
befand, ſezte ihm der Pabſt eine golde⸗ 
ne Krone auf das Haupt, und haͤngte eiz 
nen langen purpurfarben Mantel um 
ſeine Schultern, welches von dem Volk 
mit einem allgemeinen Zurufen begleitet 
wurde. Man hoͤrte von allen Seiten 

| die 


% 124 
die Worte ertönen : Leben und Siege 
Karl dem Unuͤberwindlichen, von Gott 
gekroͤnt, dem großen und fricofamen 
Baiſer der Römer, All dieſes geſchah 
im Jahr 800. Der Pabſt, fügen die 
Geſchichtſchreiber, verehrte den Kaiſer auf 
den Knien. Indeſſen ware der aͤußerli⸗ 
che Schimmer dieſes Gepraͤnges aröffer, 
als das weſentliche deſſelben, weil es 
dem Karl keinen Daumen breit mehr 
Boden gab, als er ſchon beſaß. Die 
ſer Prinz verſicherte in der Folge: daß 
wann er das Vorhaben des Pabſts 
fruher in Erfahrung gebracht haͤtte, 
er an dieſem Tag, ſo hoch auch das 
Seſt war, nicht wuͤrde in die Kirche 
gegangen ſeyn. Leo verehrte Karl den 
Groſſen immer als ſeinen rechtmaͤßigen 
Monarchen. Man kan nichts (fo erges 
benes und ſo Ehrfurcht volles leſen, wie 
die Schreibart ſeiner Briefen; in dieſen 
findet man Anzeige, daß Karl 75 Ge⸗ 
richts⸗ 


AP 125 WM 
richtsſtuhle jener Staaten, die Pipin 
dem heiligen Stuhl geſchenkt hatte, mit 
feinen kaiſerlichen Beamten beſuchen laſ⸗ 
ſen, welche zu Recht ſprachen, und feine 
Befehle befolgten. 


Alles zitterte in Italien unter der 
Macht eines ſo gerechten und allgemein 
gefürchteten Kaiſers: allein er ware 
kaum todt, ſo beſchaͤftigten ſich ſowohl 
Leo als ſeine Nachfolger mit nichts meh⸗ 
rer, als mit dem Beſtreben, dieſes Ans 
ſehen wieder zu ſchwaͤchen, ungeachtet 
ſie demſelben ihre ganze Groͤſſe zu ver⸗ 
danken hatten. Die Vorfahrer des Leo 
bedienten ſich künſtlich der Waffen der 
Kongobsiden, um die Herrſchaft der 
Griechen herabzuſezen: hernach ruf— 
ten ſie die Franzoſen gegen die Longo⸗ 
barden auf, weil dieſe leztere in Italien 
zu maͤchug geworden waren: endlich, 
nachdem fie das Anſehen der OGrienta⸗ 

li⸗ 


Fr 126 GS 

liſchen Kaiſer durch die Macht der Lon⸗ 
gobarden; und die Monarchie dieſer 
leztern durch die ſiegreiche Waffen der 
- Sransofen gänzlich. unterdrückt hatten, 
brachten ſie zerſchiedene Anſchlaͤge zu 
Werke, wodurch ſie ſich auch dieſer recht⸗ 
maͤßigen Oberherrlichkeit entzogen; zu⸗ 
lezt zwangen ſie dieſelbe gar Italien zu 
verlaſſen, und ihren Ruckweg wiederum 
über die Alpen nach Frankreich zu neh⸗ 
men. 


So weit die Geſchichte des Herrn 
Abbts von Vertot. Indeſſen haben die 
155 Kaiſer doch niemal aufgehoͤrt 

hre Rechte uͤber das paͤbſtliche Gebiet 
und das ſogenannte Eigenthum des 
heiligen Peters gegen alle Widerſezlich⸗ 

keit der Paͤbſte auszuüben: wie wir 


aus dem nachſtehenden Anhang 
erſehen werden. 


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—— — 


nhange 
von den Rechten 
; der i 
deutſchen Kaiſer 
auf 
das paͤbſtliche Gebiet, 
und 
das ſogenannte Eigenthum 
des heiligen Peters. 


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Jie Paͤbſte leiten die Rechte ihrer 
| Oberherrlichkeit über die Stadt 
Rom und deſſen Gebiet von den Zeiten 
des großen Konſtantins her. Dieſer 
Kaiſer folle dem damaligen Pabſt Sil⸗ 
veſter dem vierten Tag nach feiner aus 
fe nicht nur die Stadt Rom, ſondern 
ganz Italien und das weitſchichtige Oc⸗ 
cidentaliſche Kaiſerthum geſchenkt haben, 
wobey noch von beträchtlichen Herrſchaf⸗ 
ten über dem Meer, in Judenland, Grie⸗ 
chenland, Aſien, Thracien, Africa, und 
zerſchiedenen andern Inſeln Meldung ges 
ſchieht. Ich will den Schankungsbrief 
Konftantins, fo wie er uns aus der 
falſchen Decretalen⸗ Sammlung des Je 
ſidors iſt uͤberliefert worden, zu beſſerer 
Aufklaͤrung dieſer Fabel hier einruͤcken. 


3 Wir 


FR 130 GK 

Wir (Kaifer Konſtantin) hielten 
es mit all unſern Statthaltern, dem 
ganzen Rath, und unſern Vornehm⸗ 
ſten, wie auch dem geſammten unſerm 
Römifchen Reich unterworfenen Volk 
für nuͤzlich, daß gleichwie der heilige 
Peter fuͤr den Statthalter des Soh⸗ 
nes Gottes auf Erden gehalten wird, 
alſo ſollen die Paͤbſte, die die Stelle 
des Apoſtelfuͤrſtens vertretten, mehr 
Serrlichkeit von uns und unſerm Reich 
erhalten, als unſerm kaiſerlichen An⸗ 
ſehen hier auf Erde anſtehet, ſo wie 
wir ihn und ſeine Nachfolger fuͤr ſtand⸗ 
hafte Sürfprecher bey Gott halten. 


Wir befehlen demnach, ſeine hei⸗ 
lige Roͤmiſche Kirche eben ſo, wie un⸗ 
ſere irdiſche kaiſerliche Macht, ehrerbie⸗ 
tig zu verehren, und mehr als unſer 
Reich und zeitlichen Thron den gehei⸗ 

lig⸗ 


ep 131 M 

ligten Stuhl des heiligen Peters zu 
verherrlichen, indem wir ihm die kai⸗ 
ſerliche Macht, Wuͤrde, Staͤrke und 
Ehre ertheilen. Dabey verordnen wir, 
daß er ſowohl uͤber die vornehmſte 
Kirchen zu Alexandria, Antiochia, Je⸗ 
ruſalem, und Konſtantinopel, als auch 
über alle Kirchen Gottes in der ganz 
zen Welt die Oberherrlichkeit behal⸗ 
ten ſolle: und jeder Pabſt der heili⸗ 
gen roͤmiſchen Kirche ſoll aller Prie⸗ 
ſter Oberhaupt auf Erden ſeyn, und 
ſeinem Gericht ſoll ſich alles, was 
zur Ehre Gottes, und zur Befeſti⸗ 
gung des chriſtlichen Glaubens gehoͤ⸗ 
ret, unterwerfen. (und weiter unten) 


H. I. 

Wir haben der heiligen Kirche, 
zur Zierde der Beleuchtung, Güter 
eingeraͤumt, und ſelbe mit zerfchiedes 
nen Schankungen bereichert, ſo wie 

J 2 wir 


87 132 CN 
wir Ihm aus unferer groſſen Srey: 
gebigkeit ſowohl in Oſt, und Weſt, 
als Sud und Nord, nemlich in Ju— 
denland, Griechenland, Aſien, Tbras 
cien, Africa, Italien, und mehrern 
Inſeln unſern kaiſerlichen Gewalt zu 
geſtanden haben, damit durch unſern 
heiligen Vater Silveſter und ſeine 
Nachfolger alles angeordnet werde. 
(und weiter unten) 
92. 

Unſerm heiligen Vater Silveſter, 
und all ſeinen Nachfolgern, die bis an 
das Ende der Welt auf dem Stuhl 
des heiligen Peters ſizen werden, ge⸗ 
ben wir von iezt an unſern kaiſerli⸗ 
chen Pallaſt, das Lateran genannt; 
ferner das Diadem, nemlich die Kro⸗ 
ne unſers Haupts, die Infel, den 
Mantel, und das Salsband, ſo wie 


auch das purperne leid, und den 
Schar⸗ 


AR 13 MW 

Sch arlachrock mit all unſerm kaiſer⸗ 
lichen Anzug; ingleichen die Wuͤrde 
der kaiſerlichen Ritter: unſern kaiſer⸗ 
lichen Scepter, auch alle Söhnen, und 
Panner nebſt zerſchiedenem kaiſerli⸗ 
chen Schmuck, und was noch unſer 
kaiſerliches Anſehen, Herrlichkeit und 
Macht begleiten mag. 


§ 3. 

Den ehrwuͤrdigen Geiſtlichen aber, 
die in zerſchiedenen Aemtern der hei⸗ 
ligen roͤmiſchen Kirche dienen, wol⸗ 
len wir jene Ehre inſonderheit und 
vorzuͤglich zugethan wiſſen, die un⸗ 
ſerm erſten Rath erwieſen zu werden 
pflegt: wir erheben fie nemlich zu al, 
len jenen kaiſerlichen Wuͤrden, wel⸗ 
che die Patricier und Buͤrgermeiſter be⸗ 
gleiten; und gleichwie das kaiſerliche 
Gefolg geehret wird, ſo befehlen wir 
die Geiſtlichkeit der heiligen roͤmiſchen 

J 3 Kir⸗ 


% 134 CN | 
Kirche zu ehren; und fo wie die kai⸗ 
ferliche Macht mit mehrern Aemtern, 
als Kammerherrn, Thuͤrhuͤtern und 
Waͤchtern gezieret iſt, alſo wollen 
wir auch die heilige roͤmiſche Kirche 
damit getzieret ſehen, und damit das 
paͤbſtliche Anſehen aufs herrlichſte her⸗ 
vorleuchte, ſo befehlen wir auch, daß 
die Pferde der Geiſtlichen mit leine⸗ 
nen Reutzeug von der weiſſeſten Sarz 
be ausgeſchmuͤckt, und alſo geritten 
werden. Und gleichwie unſer Rath 
ſich der Sandalien von weiſſer Lein— 
wand bedienet, alſo ſollen auch die 
Geiſtlichen ſich derſelben gebrauchen, 
damit das irrdiſche, wie das himm⸗ 
liſche zur Ehre Gottes gezieret ſey. 


§4. 

Vor allem aber ertheilen wir die⸗ 
fem unferm heiligen Vater und allen 
ſeinen Nachfolgern aus unſerer Ver⸗ 

ord⸗ 


Rp 135 X 


ordnung die Erlaubniß: daß ſich nie 
mand widerſezen ſolle, wann ſich ei⸗ 
ner aus dem Rath freywillig in den 
geiſtlichen Stand begeben will. 


$ 5. 

Wir haben demnach auch beſchloſ⸗ 
ſen, daß er und ſeine Nachfolger ſich 
des Diadems, das iſt, der Krone, 
die wir ihm von unſerm Saupt aus 
dem feinſten Gold und den koſtbar⸗ 
ſten Edelſteinen erlaubeten, gebrau⸗ 
chen, und zur Ehre Gottes, und des 
heiligen Peters tragen moͤgen. Dem 
heiligen Vater aber ſelbſt, weil er über 
die Krone des Klerikats, die er zur Ehre 
des heiligen Peters tragt, jene von Gold 
zu tragen ſich geweigert, haben wir eine 
weiſſe Infel, welche die Auferſtehung des 
Serrn vorſtellet, feinem heiligen Haupt 
mit eigenen Saͤnden aufgeſezt, und 
dabey aus Ehrerbietigkeit gegen den 

S 4 hei⸗ 


D 136 C 

heiligen Peter die Dienſte eines Anechte 
geleiſtet; indem wir den Zügel feines 
Pferds gehalten: wir befehlen ferner, 
daß fich dieſer Infel alle feine Nach⸗ 
folger beſonders bey oͤffentlichen Um⸗ 
gangen nach unferm Beyſpiel bedie⸗ 
nen ſollen. 


§ 6. 

Damit alſo die paͤbſtliehe Wär 

de nicht gering geſchaͤzt, ſondern mehr 
als die Würde, Ehre, und Macht 
des irrdiſchen Reichs verehret werde, 
ſo uͤbergeben wir, wie oben gemel⸗ 
det, unſern kaiſerlichen Pallaſt, ſamt 
der Stadt Rom, und allen Provin⸗ 
zen, Grtſchaften, und Städten Star 
liens, auch des abendlaͤndiſchen Reichs 
unſerm heiligen Vater und Pabſt Sil⸗ 
veſter, und wollen kraft dieſer unſrer 
kaiſerlichen und allgemeinen Verord⸗ 
nung, daß ſie info ihm und ſei⸗ 

nen 


137 MM 
nen Nachfolgern nach den Rechten 
der heiligen roͤmiſchen Kirche zuſte⸗ 
hen ſoll. 


§ 7. 

Wir haben es daher geziemend 
gefunden, uns und unſers Reiches 
Macht in die Orientaliſche Laͤnder zu 
uͤbertragen, und in der Provinz Bi⸗ 
zanz am bequemſten Ort unſerm Na⸗ 
men eine Stadt zu erbauen, auch un⸗ 
ſer Reich dort feſtzuſezen, weil es nicht 
billig iſt, daß der irrdiſche Kaiſer da 
einige Gewalt habe, wo das Sürs 
ftenchum der Prieſter und das Saupft 
der chriſtlichen Religion vom Raiſer 
des Simmels iſt eingeſezt worden. 

Ç 8. 

Wir gebieten demnach, daß alle 
dieſe Satzungen, welche wir durch 
unſere gegenwaͤrtige geheiligte kaiſer⸗ 

J 5 li⸗ 


FR 138 N 


liche und allgemeine Verordnungen feſt⸗ 
geſezt und beſtaͤttiget haben, bis an 
das End der Welt unverlezt und ſtand⸗ 
haft gehalten werden ſollen: dahero 
wir vor dem lebendigen Gott, der uns 
zu herrſchen befohlen, und vor deſſen 
fuͤrchterlichen Gericht beſchwoͤren, daß 
weder einer unſerer Nachfolger, we⸗ 
der der Fuͤrnehmſten oder Obriſten des 
Reichs oder des Raths, oder des ges 
meinen Volks in der ganzen Welt, 
das jezt oder kuͤnftig unſerm Reiche 
wird unterworfen ſeyn, ſich unterſte⸗ 
he auf einige Weis oder Art dieſe un, 
ſere kaiſerliche Verordnung zu brechen, 
oder umzuſtoſſen. Sollte aber, das 
wir nicht vermuthen, ein derley Ver⸗ 
achter und Widerſprecher jemal auf⸗ 
ſtehen, ſo ſolle er mit dem ewigen 
Fluch beladen ſeyn, und die Seilige 
Gottes ſamt den Sürften der Apoſtel 
Peter 


% 139 M 

Deter und Paul in diefem und dem 
zukuͤnftigen Leben zu Feinden haben, 
und in der tiefeſten Soͤlle mit den Teu⸗ 
feln und allen Gottloſen durch das 
Feuer gepeiniget werden: dieſes Blatt 
aber unſerer kaiſerlichen Verordnung 
haben wir mit eigener Sand unter⸗ 
ſchrieben, und auf das Grab des hei⸗ 
ligen Peters des Fuͤrſten der Apoſtel 
gelegt. Gegeben zu Rom den zten 
April, der Regierung unſers Serrn 
des Flavius Konſtantins im aten 
Jahr. | 


Nach dem Innhalt dieſes Schan⸗ 
kungsbriefes haͤtte alſo Konſtantin das 
Abendlaͤndiſche Reich ganz, fo wie es 
dazumal war, dem Pabſt uͤberlaſſen, und 
er waͤre, ſo zu ſagen, um dieſem neuen 
Monarchen auszuweichen, nach Bizanz 
gezogen, wo er ſich ein neues Kaiſerthum 


ſtif⸗ 


7 140 M 
ſtiften mußte, weil er das alte an die 
Nachfolger des heiligen Peters abgetre⸗ 
ten hatte. Die in dem H 7. der obſte⸗ 
henden Urkunde vorkommende Stelle zei⸗ 
get es deutlich an. 


Waͤre dieſes, ſo muͤßten Spuren vor⸗ 
handen ſeyn, nach welchen die Paͤbſte, 
ſobald Ronftantin feinen Siz nach His 
zanz verlegte, mit einer unumſchraͤnkten 
Macht über das ganze Abendland geherr⸗ 
ſchet haͤtten: allein es waͤre überflüßig 
das Gegentheil zu beweiſen, welches ei⸗ 
nem jeden auch minder aufgeklaͤrten in 
der Geſchichte von ſelbſt aufſtoſſet. Wir 
wollen uns demnach bey dieſem Maͤrchen 
nicht weiter aufhalten, ſondern die zwo⸗ 
te Epoke, jene naͤmlich des fraͤnkiſchen 
Königs Pipin und feines Sohns Karl 
des Großen, nachſpuͤren, in welcher wir 
zuverlaͤßigere Urkunden des Urſprungs der 

welt⸗ 


| N 141 CN 

weltlichen Macht der Paͤbſte antreffen 
werden. Die Art, wie Gregor II. und 
ſeine Nachfolger Stufenweiſe dazu ge⸗ 
langet find, haben wir in der vorherge⸗ 
henden Vertotiſchen Abhandlung bereits 
geſehen. 


Nun aber entſtehet die wichtige Fra⸗ 
ge: ob Karl der Große die von ſeinem 
Vater Pipin der Kirche geſchenkte weit⸗ 
ſchichtige Staaten ſamt der Stadt Rom 
und derſelben Gebiet den Paͤbſten mit 
oder ohne Vorbehalt ſeiner kaiſerlichen 
und des Reichs Oberherrlichkeit uͤberlaſ⸗ 
ſen habe? Eine authentiſche Urkunde die— 
fer Raroliniſchen Uebergabe mangelt uns, 
weil vielleicht kein fo getreuer Ueberliefe⸗ 
ferer dieſer Alterthuͤmer, wie Iſidor war, 
ſeitdem mehr aufgeſtanden iſt: es kom̃t 
alſo lediglich auf Thathandlungen der 
Kaiſer an, die dieſen Zweifel berichtigen 
muͤſſen. Karl 


FR 142 NA 

Karl der Große war der erfte Kai⸗ 
ſer des neuhergeſtellten abendlaͤndiſchen 
Reichs, und zugleich derjenige, der die 
Pipiniſche Schankung nicht nur beſtaͤt⸗ 
tigte, ſondern ſogar vermehrte, und ers 
weiterte. Bey dieſem alſo muͤſſen wir 
ſtill ſtehen, und unſere Beobachtungen 
anfangen. 


Wie verhielt ſich Karl als Kaiſer 
gegen den Pabſt, und die ihm anvertrau—⸗ 
te Stadt Rom? — So, wie ſich ein 
unmittelbarer Regent gegen einen ſeiner 
erſten Unterthanen und gegen feinCigenthum 
zu verhalten pflegt: er bezeigte dem Pabſt 
in Ruckſicht ſeiner geiſtlichen Wuͤrde die 
gebuͤhrende Ehrfurcht, im uͤbrigen behan⸗ 
delte er ihn als ſeinen Unterthan. Er 
ließ ſich von ihm und dem Roͤmiſchen 
Volk huldigen: der Pabſt ſelbſt verehr⸗ 
te ihn bey feiner Krönung auf den Knie 

en. 


9 143 CN 


en. Rarl ſprach in allen vorkommenden 
Strittigkeiten (auch jene ſogar, welche 
die Perſon des Pabſts betrafen, nicht 
ausgenommen) zu Rechte; die Stadt 
und ihr Gebiet mußten ihm den ſchul⸗ 
digen Tribut bezahlen, und die gewoͤhn⸗ 
liche Geſchenke liefern: alle Gerichtſtuͤhle 
des damaligen Kirchenſtaats waren mit 
kaiſerlichen Beamten, und alle feſte Plaͤze 
mit kaiſerlichen Truppen beſezt: dem Pabſt 
blieb außer der Nuznießung dieſer Staa⸗ 
ten weiter nichts übrig. Alles dieſes har 
ben wir oben in der Geſchichte des Leo 
III. geſehen. 


Nun auf ſeine Nachfolger? — Wie 
ſich Ludwig der Fromme und Lothar 
gegen die Paͤbſte betragen haben, findet 
man bey Zonring, und dem Verfaſſer 
des kaiſerlichen Rechts auf Italien. 

Einige Schriftſteller wollen zwar den Paͤb⸗ 
f | ften 


ge 


Fr 144 SN 

ſten ſchon um dieſe Zeit eine Mitherr⸗ 
ſchaft über die Stadt Rom eingeſtehen: 
allein ſie iſt ſehr zweifelhaft, und bey⸗ 
nahe unerweislich. Der Fehler ruͤhret 
daher, weil ſie meiſtens die geiſtliche von 
der weltlichen Macht nicht genugſam un⸗ 
terſchieden. Hingegen finden wir bey 
dieſen beeden Kaiſern die deutlichſte Spu⸗ 
ren des kaiſerlichen Beſtaͤttigungsrechts 
bey den Pabſtwahlen: auch wurden ibz 
re Namen auf die roͤmiſche Muͤnzen ge⸗ 
ſezt, welches allemal ein Zeichen der hoͤch⸗ 
ſten Oberherrlichkeit war. 


Ludwig ließ dem Leo IV. ſeine 
Ungnade bedeuten, weil er ſich unter 
fangen hatte einige Buͤrger der Stadt 
Rom zum Tod zu verurtheilen. Er 
ſah es als einen wirklichen Eingrif in 
die kaiſerliche Oberherrlichkeits⸗-Rechte 

3, und ſchickte deß wegen feinen Enkel 
Ber⸗ 


9 145 CN 
Bernard nach Nom, welcher die Sa⸗ 
che unterſuchen, und von dem Pabſt Ge⸗ 
nugthuung begehren mußte. Es wird in 
der Lebensgeſchichte dieſes Pabſts ange 
führt, daß er wiederholtermalen bey dem 
Kaiſer um die Befreyung von dem Eais 
ſerlichen Beſtaͤttigungsrecht, aber alls 
zeit umſonſt, angehalten habe. Thegan 
gedenket ferner der Huldigung, welche 
Stephan IV. und das roͤmiſche Volk 
dieſem nemlichen Kaiſer abgelegt, als 
von einer Sache, die dazumal gar nicht 
mehr neu war. Als unter Karl dem 
Kahlen ein Haufen der Sarazener in 
das roͤmiſche Gebiet eingefallen waren, 
ſchrieb ihm der Pabſt Johann VIII. in 
den dringendſten Ausdruͤcken: „ Daß er 
„ dieſes Land, vor allen feinen übrigen 
„Staaten, als fein Eigenthum zu 
„ ſchuͤzen ſchuldig ſeye. „ Und feinen 
Nachfolger Karl den Dicken rufte Sad⸗ 
K rian 


fs 146 MN 

rian III. zu Hilfe um den Spoletini⸗ 
ſchen Herzog Widdo Einhalt zu thun; 
den er auch gefangen nahm, und aller 
ſeiner Ehren entſezte. Da aber deſſen 
Wittwe nach des Karls Tod die Stadt 
Rom beſezen, und ihren Sohn als Rais 
ſer ausrufen ließ, bezwang Arnulph die 
Stadt, und wurde von dem Pabſt Sorz 
mos gekroͤnt, nachdem ihm das Volk 
zuvor den Eid der Treue geſchworen. 
Sein Sohn Ludwig ſtarb in der Min⸗ 
derjaͤhrigkeit, und mit ihm hatte das ka⸗ 
rolingiſche Haus in Deutſchland ein En⸗ 
de. Unter den zween folgenden Kaiſern 
Conrad, und Seinrich bis auf Otto. 
war in Italien alles ruhig. 


Es iſt zwar nicht zu laugnen, daß 
die Paͤbſte in dieſer Zwiſchenzeit mehr⸗ 
malen die Schranken ihrer Macht uͤber⸗ 
fchritten, und nicht geringe Verſuche ges 

wagt 


% 147 N 
wagt haben, den Kaiſern ihre Oberherr— 
lichkeit ſtreitig zu machen: allein dieſes 
Betragen ruͤhrte meiſtens daher, weil die 
Kaiſer zum Theil mit ihren eigenen Haus⸗ 
angelegenheiten in Deutſchland beſchaͤf— 
tiget, keine Zeit fanden ſich mit den fs 
talieniſchen Staaten abzugeben; zum 
Theil oͤfters ſelbſt einer paͤbſtlichen Un⸗ 
terſtuzung bedurften, um ſich auf dem 
Thron zu erhalten: deßwegen ſie ihnen 
aus Erkanntlichkeit zuweilen ſolche Frei⸗ 
heiten ertheilten, die ſie in der Folge 
zu bereuen Urſache hatten, doch aber nie⸗ 
mal zu einigem Nachtheil des Reichs, 
und ſeiner Rechten erwachſen koͤnnten. 


Otto der Groſſe ware der erſte, 
der nach den deutſchen Unruhen das 
kaiſerliche Anſehen in Rom und ganz 
Italien wiederum empor gebracht. So⸗ 
bald es ihm die Haͤndel dieſer Nation 

K 2 er⸗ 


F7 148 N 
erlaubten, reiſete er ſelbſt dahin: Johann 
XII. und das gedruͤckte roͤmiſche Volk 
ließen ihn durch Abgeſandte dazu erbits 
ten, um den Gewaltthaͤtigkeiten des Be⸗ 
rengars Einhalt zu thun. Er ruͤckte mit 
einer ſtarken Armee in den Kirchenſtaat 
ein, und alle Staͤdte oͤfneten ihm, als 
ihrem rechtmäßigen Oberhaupte ohne Wie⸗ 
derſtand die Thore. Als er in Rom 
ankam, kroͤnte ihn der Pabſt Johann, 


und huldigte ihm ſammt dem ganzen 


roͤmiſchen Volk, welchem Otto dagegen 
den Schuzeid leiſtete. Kurz hernach 
aber ließ ſich dieſer Pabſt in eine Ver⸗ 
ſchwoͤrung gegen den Kaiſer ein, und 
als Otto ihn nicht nur dieſes, ſondern 
mehrerer abſcheulichen Verbrechen ſchul— 
dig fand, ſezte er ihn mit Einwilligung 
eines eigens dazu verſammelten Kirchen⸗ 
raths ab. Vey dieſer Gelegenheit ers 


laubte der Kaiſer dem roͤmiſchen Volk, 
und 


Fr 149 MI 

und der Kleriſey (um feine Unparthey⸗ 
lichkeit an Tag zu legen) einen neuen 
Pabſt zu waͤhlen; ſie verfielen auf einen 
Roͤmer, der unter dem Namen Leo VIII. 
den apoſtoliſchen Stuhl beſtieg: mußten 
ſich aber nach vollzogener Wahl gegen 
den Kaiſer mit einem Eid verbinden, hin⸗ 
fuͤr ohne ſeine Bewilligung an keiner 
Pabſtwahl mehr Antheil zu nehmen. 


Otto ließ während feinem Aufent- 
halt viele römifche Bürger am Leben ſtra⸗ 
fen, weil fie ſich gegen ihn verſchworen 
hatten. Die Ruhe war dadurch gaͤnz⸗ 
lich bergeftellt : allein kaum hatte er der 
Stadt den Ruͤcken gekehrt, ſo empoͤrte 
ſich ein großer Theil derſelben auf das 
neue: die Mißvergnuͤgten ruften den ab⸗ 
geſezten Pabſt Johann wieder zuruͤck, 
und jagten dagegen den Leo fo.t. Sie 


giengen noch weiter: als Johann ſtarb, 
K 3 wol⸗ 


FR 150 NI 
wollten fie doch den Leo noch nicht er⸗ 
kennen, ſondern erwaͤhlten, ihres Eides 
vergeſſen, einen gewiſen Benedikt. 


Otto brachte ſie durch eine harte 
Belagerung zum Gehorfam er ließ ſich 
zum zweytenmal huldigen, und ſezte den 
vertriebenen Leo wieder ein. Allein nach 
deſſen Tod hatte der mit gleicher kaiſer⸗ 
licher Einſtimmung gewählte Pabſt To’ 
hann XIII. ein nicht viel beſſers Schick⸗ 
ſal: die Roͤmer jagten ihn abermal zur 
Stadt hinaus, welche Unbild aber Ots 
to dadurch raͤchte, daß er dreyzehn der 
Vornehmſten aus dem Adel durch den 
Strang hinrichten ließ. Sein Sohn 
Otto II. wurde im Jahr 967. zu Rom 
gekroͤnt: nach deſſen Tod feine Gemah⸗ 
lin Teophanes drey ganze Jahre, waͤh⸗ 
rend der Minderjaͤhrigkeit des Otto III. 
in dieſer Stadt regierte. Dieſer junge 
| | Prinz 


FR 151 CN 
Prinz hatte nicht ſobald feine Volljaͤh⸗ 
rgkeit, und mit dieſer den Thron ers 
langet, als er fein Anſehen in Rom 
gleich feinen kaiſerlichen Voreltern zu bes 
haupten geſucht. Auf die Nachricht, daß 
Johann XV. mit Tod abgegangen, war 
er der erſte, der es wagte einen deutſchen 
Pabſt zu waͤhlen. Es war Gregor V. 
fein naͤchſter Anverwandter, ein Sohn 
des kaͤrntiſchen Herzogs Otto, und ein 
Enkel des fraͤnkiſchen Königs Konrad. 


Sobald Otto III. feine deutſche An⸗ 
gelegenheiten in Ordnung gebracht, eilte 
er wieder nach Rom, um ſich von Gre 
gor kroͤnen zu laſſen. Bey dieſer Gele⸗ 
genheit ſaß er oͤffentlich zu Gericht; mach⸗ 
te zerſchiedene Verordnungen, und vers 
wies den Creſcent, welcher den Paͤbſten 
beträchtliche Unbilden zugefügt hatte, ins 
Elend. Dieſer naͤmliche Creſcent, wel⸗ 

84 cher 


e 152 0 

cher nach des Otto Zuruͤckkehr in Deutſch⸗ 
land wieder neue Unruhen angefangen, 
wurde endlich von dieſem Kaiſer nach ds 
ner langen Belagerung der Engelsburg, 
in welche er ſich geflüchtet hatte, gefan⸗ 
gen, und enthauptet. Bey dieſem An⸗ 
laß blieb Otto ein ganzes Jahr in Rom, 
und ließ ſich waͤhrend demſelben ſehr an⸗ 
gelegen ſeyn, das kaiſerliche Anſehen da⸗ 
ſelbſt zu vergroͤſſern. Es ſolle auch ſein 
wahrer Ernſt geweſen ſeyn, Rom aufs 
neue zur Hauptſtadt des abendlaͤndiſchen 
Reichs zu machen, und feinen ordent⸗ 
lichen Siz darinn aufzuſchlagen, wann 
ihn nicht ſein fruhzeitiger Tod daran 
gehindert haͤtte. 


Als Conrad II. im Jahre 1026. 
nach Italien zog, kam ihm der Pubft 
Johann XIX. bis nach Como entgegen, 
und kroͤnte ihn mit Zuziehung des Erz⸗ 


17 


7% 153 CN 
biſchofs Seriberts in Mayland. — Con⸗ 
rad ließ ſich in Ravenna und allen übrigen 
italieniſchen Staaten huldigen. End⸗ 
lich langte er in Rom an, wo er ſich 
zum zweytenmal mit großem Gepraͤnge 
kroͤnen, und huldigen fief. — Wippo 
erzaͤhlet, daß er in der Folge nach Apu⸗ 
lien gegangen, wo er Benevent und 
Capua ſamt allen uͤbrigen Staͤdten die⸗ 
ſer Provinz theils mit Gewalt erobert, 
theils ohne Wiederſtand in Beſiz genoms 
men. Den Wormaͤnnern erlaubte er 
in Apulien zu wohnen, und gebrauchte 
ſich derſelben gleich den übrigen daſelbſt 
wohnenden Reichsvaſallen gegen die 


Griechen. 


Seinrich III. deſſen Sohn zeigte 
ſich durch die Abſezung dreyer Afterpaͤb⸗ 
ſte, die in Rom zugleich regierten, wie 
groß dazumal a iet Anſehen 

5 


da⸗ 


„ % 154 MW 

daſeſbſt war. Nachdem er zu Sutri 
eine Kirchenverſammlung veranſtaltet hat⸗ 
te, in welcher er den Vorſiz behauptete, 
und das alte Recht erneuern ließ; fuͤro⸗ 
hin keinen Pabſt mehr ohne kaiſerliche 
Einwilligung zu erwaͤhlen, gieng er den 
folgenden Tag nach Rom, und waͤhlte 
den Biſchof von Bamberg Suidger ei 
nen Sachſen von Geburt zum Pabſt, 
welcher den Namen Clemens II. annahm, 
und ihn hernach ſamt ſeiner Gemahlin 
Agnes kroͤnte. Seinrich ſezte auch den 

on ſeinem Vater verſtoſſenen Fuͤrſten 
Pandulph von Capua wieder in feine 
vorige Wurde ein; und belehnte die Nor⸗ 

zänner mit allen den Staͤdten „ die ſie 
den Griechen in dieſer Gegend abge 
nommen hatten. 


Man koͤnnte glauben: der fruhzeiti⸗ 
ge Tod dieſes Kaiſers habe das kaiſer— 
liche 


ff 155 

liche Anſehen in Rom in etwas herab» 
geſezt; das jugendliche Alter Seinrichs 
IV. ſchien den Paͤbſten ein bequemer 
Zeitpunkt zu ſeyn ihre alte vermeintliche 
Anſpruͤche wieder hervorzuſuchen, und 
an der Vergroͤſſerung ihrer weltlichen 
Macht zu arbeiten. Sie ſahen den Kai⸗ 
ſer von den Reichsſtänden verachtet; je⸗ 
der that im Reich, was er wollte; der 
ſtaͤrkere unterdruͤckte den ſchwaͤchern: fie 
glaubten nicht minder berechtiget zu ſeyn, 
das nemliche zu thun. HE 


Es hatte eben dazumal ein Mann 
den Stuhl Peters beftiegen, dem Ge 
walt und Freyheit auſſerordentlich am 
Herzen lag. Gregor VII., welcher die 
Kaiſer für Unterdruͤcker der Kirche hielt, 
behauptete, daß die Paͤbſte nicht nur 
in geiſtlichen, ſondern auch in zeitlichen 
Sachen von Gott den Monarchen vor⸗ 

geſezt 


D 156 T 

geſezt ſeyen. Er ſchloß fie nicht nur allein 
von allen Anſpruͤchen auf die Stadt Rom 
aus, ſondern machte ihnen ſogar das 
bis dahin ausgeuͤbte Beſtaͤttigungerecht 
der Pabſtwahlen ſtreitig. Schon fein 
Vorfahrer Niklaus II. hatte ſich die 
Minderjährigkeit Seinrichs IV. zu Nu 
zen gemacht, und vermoͤg einem feyerlis 
chen Dekret die Wahlfreyheit feſtgeſezt. 
Sein Nachfolger gieng um einen Schritt 
weiter: kein Biſchof — vielweniger ein 
Pabſt ſollte mehr einem weltlichen Mo⸗ 
narchen einen Puldigungseid ablegen. 
Gregor verlangte zulezt gar, daß man 
das Kaiſerthum als ein paͤbſtliches Les 
hen anſehen ſolle. 


Man muß ſich verwundern, wie 
in einer ſo kurzen Zeit eine ſo große Ver⸗ 
änderung in den Grundſaͤzen und der 

Den⸗ 


op 157 MW 

Denkungsart habe vorbeygehen koͤnnen. 
Kurz zuvor ſah man die Kaiſer noch 
ihre Oberherrlichkeit nicht nur über Rom 
und deſſen Gebiet, ſondern ſelbſt uͤber 
die Paͤbſte ausüben, — und nun ver- 
langt Gregor den Vaſalleneid von den⸗ 
jenigen, welchen feine Vorfahrer den 
ihrigen geſchworen hatten, 


Allein dieſer Seinrich, der in ſei⸗ 
ner Minderjaͤhrigkeit ſich alles mußte ge⸗ 
fallen laſſen, erwachte, ſobald er die 
Regierung uͤbernahm: das erſte war, 
daß er die Wahl des Gregors ungül⸗ 
tig erklärte, weil fie ohne feine Einwil⸗ 
ligung vorgenommen worden. Er ſchick⸗ 
te deßwegen den Grafen Eberhard nach 
Rom, und ließ die Roͤmer fragen: mit 
welchem Recht fie ohne fein Vorwiſ— 
ſen zu dieſer Wahl geſchruten wären. 
Gregor entſchuldigte ſich, daß er von 

dem 


FR 158 G 
dem Volk gezwungen worden Diele Wuͤr⸗ 
de anzunehmen: allein Seinrich wollte 
durchaus nicht geſtatten, daß man ihn 
conſecrire, bevor er nicht von ihm die 
Beſtaͤttigung ſeiner Wahl erhalten habe; 
welches Gregor ſich auch mußte gefallen 
laſſen. Die uͤbrige Schickſale dieſes 
Kaiſers ſind zwar bekannt, ſie machen 
aber den Paͤbſten wenig Ehre. Daß 
ein unerlaubter Mißbrauch des Bann 
fluches ſo viele Furcht und Schroͤcken 
in den Gemuͤthern der Deutſchen erre 
get, muß man der rohen und unauf⸗ 
geklaͤrten Denkungsart jener Zeiten zus 
ſchreiben; und daß die Aufhebung des 
Eides, wovon Gregor alle Reichsun⸗ 
terthanen losgeſprochen, von einiger Wir⸗ 
kung geweſen, davon muß man die Ur⸗ 
ſache in den Privatfeindſchaften der⸗ 
jenigen ſuchen, die aus Naͤchern ihrer 
eigenen Unbifden Vertheidiger ſolcher 
bis 


FR 159 WM 
bis dahin unerhoͤrten Rechten des roͤmi⸗ 
ſchen Stuhls geworden. 


Man kan indeſſen die Standhaftig⸗ 
keit dieſes Kaiſers nicht genug bewun⸗ 
dern. Seine Erniedrigung zu Canoſſa 
war mehr Folge der Verzweiflung, um 
die Anſchlaͤge ſeiner Feinde zu vereiteln, 
als eine wirkliche Feigheit. Die Ent⸗ 
ſchloſſenheit, mit welcher er dieſen Schritt 
ausgefuͤhrt, zeuget von ſeiner Geiſtes⸗ 
ſtaͤrke. — Die in dem Jahr 1081 un⸗ 
ternommene Belagerung von Rom ift 
ein klarer Beweis, ob er dadurch ſeine 
Rechte auf dieſe Stadt, und die paͤbſt⸗ 
lichen Staaten aufgegeben habe. Sein 
größter Gegner Gregor VII. farb au 
Salerno 1085. im Clend. 


Sein Sohn Seinrich V. blieb den 
Grundſaͤzen ſeines Vaters getreu. Als 
ti ihn 


F7» 160 C 
ibn Paſcal II. vor den zu Troyes 1107. 
verſammelten Kirchenrath rufen ließ, um 
ſich über die damals obwaltende Beſchwer⸗ 
den des Inveſtiturrechts zu verantwor⸗ 
ten, gab er ihm durch ſeine Geſandte zur 
Antwort: „Daß dieſe Sache nicht auf 
„fremden Boden, ſondern zu Rom mit 
„dem Degen entſchieden werden muͤſſe., 
Wir leſen die Verzicht, welche dieſer 
Pabſt auf alle Reichsguͤter und weltliche 
Regalien that, bey Dodechin. Der 
Kaiſer zog mit einer Armee von dreyßig 
tauſend Mann vor Rom: bey deſſen An⸗ 
kunft ließ ihm Paſcal wiſſen: „ Er fe 
„he wohl, daß es ihm nur um die zeit⸗ 
„liche Güter der Kirche zu thun fer. — 
„Er ſey bereit ihm alle Städte, Her⸗ 
„zogthuͤmer, Margrafſchaften, Grafſchaf⸗ 
„ten, Muͤnzen, Zoͤlle, Marktgerechtig⸗ 
„keiten, Vogteyen, die Rechte der Cent⸗ 
„ grafen, oder Baurengerichte, die Der 
| ftuns 


Ê 161 CN 


„ ftungen, und alle Mayerguͤter, die je 
„ mal zu dem Reich gehoͤret, mit all 
„ ihren Zugehoͤrungen, die Vaſallen und 
„ Schloͤſſer; alles nämlich, was die 
„ Paͤbſte von den Kaiſern Karl, Lud⸗ 
„ wig, Otto und Seinrich bekommen 
„ hatten, abzutretten. Die Kirche folle 
„ ſich blos mit den Zehenden, Opfern, 
„und denjenigen Gütern begnügen, die 
„ fe von Privatperſonen geſchenkt bes 
„ kommen, oder gekauft habe. Denn, 
„ ſagt er, es iſt ſowohl durch das goͤtt⸗ 
„liche als die Kirchengeſeze befohlen, 
„ daß die Geiſtlichen ſich nicht mit 
„ weltlichen Dingen abgeben ſollen, 
„ und daß fie nicht einmal nach Hof 

„kommen ſollen, als um einen Ges 
„ fangenen zu retten, oder anderen, 
„“die bedraͤngt find, Hilfe zu ſchaffen. 
„Daher ſaget auch der Apoftel Paul: 
„Wenn ihr BE zu halten Be 

, © 


Br 162 CN 
„ ſo follen es die Geringeren unter 
„euch thun. Bey euch aber (in Deutſch⸗ 
„ land) find die Biſchoͤfe und Aebbte 
„ fo ſehr mit weltlichen Geſchaͤften üs 
„ berbäufet, daß fie beſtaͤndig bey Sof 
„ ſeyn, oder Kriegsdienſte leiſten muͤſ⸗ 
„ fen, welches nicht ohne Raub, Brand 
„ oder Todſchlaͤge geſchehen kan. Die 
„Diener des Altars ſind Diener des 
„Hofs geworden, weil fie Staͤdte, 
„ Serzogthuͤmer, Graſſchaften, Muͤn⸗ 
„zen, Veſtungen, und andere Dinge, 
„die dem Reich mit Dienſten bebafz 
„tet find, bekommen haben: eben das 
„ her ſey auch der unausſtehliche Ges 
„ brauch gekommen, daß die Biſchoͤ⸗ 
„ fe noch vor ihrer Weyhe ſich von 
„den Aönigen haben muͤſſen inveſti⸗ 
„ ten laſſen. Dieſe Inveſtitur ſolle 
„ nun der Kaiſer gegen die Ruͤckga⸗ 
„ be der Regalien fahren laſſen. 
Daß 


FR 163 N 
Daß dieſe Verzicht Paſcals nicht 
zu Stande gekommen, muß man den 
deutſchen Biſchoͤfen, und ſelbſt den welt⸗ 
lichen Reichsfuͤrſten zuſchreiben, welche 
ihren oͤffentlichen Unwillen daruͤber bezeig⸗ 
ten, weil ſie fuͤrchteten, die Kaiſer moͤch⸗ 


en durch dieſe Rückgabe zu maͤchtig wer⸗ 
den. 


Friedrich I. unterließ eben fo wenig 
die kaiſerliche Rechte gegen die Eingriffe 
der Paͤbſte zu ſchͤzen, und all dasjenige 
zu ahnden, was ſein Anſehen kraͤnken 
koͤnnte, als ſeine Vorfahrer. Bey der 
Zuſammenkunft zu epi weigerte er ſich 
dem Sadrian IV. den Steigbuͤgel zu 
halten, ob es gleich die mehreſte ſeiner 
Vorfahrer bis dahin gethan hatten; er 
wollte auch das in der Lateraniſchen Kir⸗ 
che ausgeſtellte Gemaͤlde weg geſchaffet 
wiſſen, worinn Lothar als ein paͤbſtli⸗ 
f 2 2 cher 


Fr 164 CR 

cher Vaſall vorgeſtellet war. Da wir, 
ſagte er, durch die Wahl der Fuͤrſten 
von Gott allein das Reich haben, ſo 
widerſpricht ein jeder der Anordnung 
Gottes und der Lehre des heiligen 
Peters, der vorgiebt, wir haͤtten die 
kaiſerliche Krone als ein Lehen von 
dem Pabſt empfangen. Er befahl da⸗ 
her feinen Wotarien in den Schreiben 
an den Pabſt ſeinen Namen dem paͤbſt⸗ 
lichen vorzuſezen: und aͤuſſerte dabey: 
„Entweder muͤßte der Pabſt die Schreib⸗ 
„ art feiner Vorfahrer an den Kaiſer 
„annehmen, oder es muͤße ihm er⸗ 
„laubt ſeyn, ſich in feinen Schreiben 
der Schreibart feiner Vorfahrer der 
„Kaiſer zu bedienen. „ Nicht lange her⸗ 
nach gebrauchten ſich die paͤbſtliche Ab⸗ 
geſandte in einer an ihn zu Augsburg 
geſtellten Anrede folgender Ausdruͤcken. 
Salutant vos venerabiles fratres, &c. 
tam- 


9 165 N 


tamquam Dominum, & Imperatorem 
urbis & orbis. Und Sadrian, den die 
Römer aus der Stadt vertrieben, als 
er durch die kaiſerliche Hilfe wiederum 
auf ſeinen Stuhl gelang, verſprach ihm, 
daß er ſich ins kuͤnftige keiner weltli⸗ 
ehen Regierung in der Stadt mehr 
anmaſſen, ſondern lediglich mit der 
geiſtlichen Macht ſich begnuͤgen wolle. 
Auch die Roͤmer behaupteten anfaͤng⸗ 
lich, wenn Friederie wolle gekrönt 
werden, fo müße es mit ihrer Einwil⸗ 
ligung geſchehen; ſie aber ſeyen nicht 
geſinnt ihm dieſelbe anderſt als gegen 
eine betraͤchtliche Geldſumme zu erthei⸗ 
len: allein Friederic ließ auf dieſe Er⸗ 
klaͤrung ſeine Armee anrucken, und ſchlug 
nicht nur die hochmuͤthige Rebellen gaͤnz⸗ 
lich auf das Haupt, ſondern richtete 
ſelbſt in der Stadt ein erbaͤrmliches 
Mezeln an: dabey ſagte er ihnen: daß 
33 er 


166 CN 
er nicht nach Kom gekommen feye, 
um Geſeze anzunehmen, ſondern zu 
geben. Als ſie in der Folge noch im⸗ 
mer unruhig waren, und der in kaiſer⸗ 
lichen Schuz aufgenommenen Stadt 
Tuſculo hart zuſezten, machte er unter 
ihren Truppen in feinem zweyten Feld⸗ 
zug eine ſolche Niederlage, daß kaum 
der dritte Theil davon in die Stadt zus 
ruͤck kam. Er verjagte ſogar den Pabſt 
Alexander III., weil er ohne kaiſerliche 
Einwilligung war gewaͤhlet worden, und 
fete ſtatt feiner. Paſcal III. auf den 
Thron. Er wurde das kaiſerliche An⸗ 
ſehen noch hoͤher gebracht haben, wann 
ihn die aufrübrifhe Maylaͤnder, und 
die deutſche Unruhen, die Seinrich der 
Low in ſeiner Abweſenheit angeſponnen, 
nicht zu einem Ruckzug gezwungen haͤt— 
ten, auf welchem er ſich mit dem Pabſt 
Alexander zu Venedig ausſoͤhnte: daß 
; ihm 


9 167 N 
ihm aber der Pabſt bey dieſer Gelegen⸗ 
heit auf den Kopf actretten feye, iſt ſchon 
laͤngſt von den einſichtvolleſten Geſchicht⸗ 
ſchreibern für eine Fabel erkennt worden. 


Von Seinrich VI. deſſen Sohn iſt 
vorzuͤglich merkwuͤrdig, daß er auf ſeinem 
Nuͤckzug aus Sicilien nach Deutſchland 
die Herzogthuͤmer Spoleto und Raven⸗ 
na ſammt der Mark Ancona unter feis 
ne Hoͤflinge vertheilte, die er als Her⸗ 
zoge und Margrafen derſelben erklaͤrte. 
Welches deutlich genug beweiſet, daß die 
Kaiſer um dieſe Zeit noch in voͤlligem 
Beſiz dieſer Länder geweſen, fo wie fie 
es auch von den Erbguͤtern der beruͤhm⸗ 
ten Mathild waren, von welchen wir 
unten reden werden. 


Allein nach dem Tod dieſes Kaiſers 
geriet) Deutſchland in jene große Ver⸗ 
£ 4 win 


Bin 168 MN 
wirrung und ſchaͤdlichen Zwiſt in der 
Kaiſerwahl, der zu einem ſo blutigen in⸗ 
nerlichen Krieg Anlaß gegeben. Es re⸗ 
gierten zween Könige auf einmal, Phi⸗ 
lipp und Otto: der erſte hatte zwar 
die mehrere deutſche Fuͤrſten auf ſeiner 
Seite, und die Schaͤze des Reichs in 
ſeinen Haͤnden: allein er war dem da⸗ 
maligen Pabſt, der ſich in dieſer Ent⸗ 
zweyung zum Schiedrichter aufgeworfen, 
wegen ſeinen Voreltern eben ſo verhaßt, 
als er den erſtern lieb ware. Innocenz 
III. einer der groͤßten Paͤbſte, die jemal 
geweſen, ſaß auf dem romiſchen Stuhl: 
ſein Hauptgeſchaͤft war, das von Fried⸗ 
ric I. empor gebrachte kaiſerliche Anſe⸗ 
hen, ſo viel es ihm moͤglich war, wie⸗ 
der herab zu ſezen, und die in ſeinem 
Sinne von den Kaiſern unrechtmaͤßiger 
Weiſe in Beſiz genommene Ki chengüter 
en ſich zurück zu hringen. 
Die 


Sn 169 MN 

Die in Deutſchland entſtandene Krie⸗ 
ge, wodurch 4 ganze Jahre mit wechſel⸗ 
weiſen Verheerungen und Pluͤnderungen 
zugebracht wurden, gaben ihm Zeit genug 
ſeine Anſchlaͤge ins Werk zu ſezen, und 
nach und nach die meiſten italieniſchen 
Fuͤrſtenthuͤmer der kaiſerlichen Oberherr⸗ 
ſchaft zu entziehen: er machte mit den 
Herzogthuͤmern Spoleto, Ancona, Cas 
merino, und den Staͤdten Peſaro und 
Sinigallig den Anfang: dadurch ward 
der Grund zu dem heutigen ſogenannten 
Kirchenſtaat gelegt: das Beyſpiel reizte 
noch mehrere, und Innocenz verſprach 
allen denen, die ihn um Beyſtand er⸗ 
ſuchten, feinen Schuz. Man lieſt in der 
Folge von wenigen Kaiſern mehr, die ih⸗ 
re Oberherrlichkeit mit dem Nachdruck, 
wie die Seinriche und Sriedriche, gels 
tend gemacht haben: die mehreſte konn⸗ 
ten von Deutſchland nicht abkommen, 


L 5 wo 


GA 170 N 
wo ihre Hauptbeſchaͤftigung war (wie ſich 
ein heutiger Periodenſchreiber gut aus⸗ 
drückt) Reichstage zu entledigen, und 
Empoͤrungen zu dämpfen. Dabey ſich 
die Paͤbſte ſehr wohl befanden. 


Srideric II. mußte dahero der erſte 
die paͤbſtliche Macht in ihrer ganzen 
Staͤrke fuͤhlen. Man zwang ihn eine 
weitſchichtige Kapitulation zu unterſchrei⸗ 
ben, wann er anderſt wollte gekroͤnet 
werden; welches unbefugte Betragen des 
roͤmiſchen Hofes das wechſelweiſe Mis⸗ 
trauen befoͤrderte: dann, wann ſich gleich 
die Kaiſer zuweilen ſolche Unbilligkei en 
mußten gefallen laſſen, um ſich auf dem 
Thron zu erhalten, fe vergaſſen fie doch 
die Beleidigung nicht, ſondern ſuchten 
alle Gelegenheiten, ſich wieder an den 
Paͤbſten zu raͤchen; woraus nur uͤble 
Folgen entſtehen konnten. Frideric tha⸗ 

| te 


% 171 X 
te es anfänglich dadurch, daß er die Ab⸗ 
ſichten des Pabſts in Befoͤrderung der 
Kreuzzuͤgen verhinderte, weßwegen ihn Gre⸗ 
gor IX. mit dem Kirchenbann belegte. 


Dieſer nemliche Pabſt beklagte ſich 
ferner, daß Srideric bey feinem zweyten 
Zug in Italien die Römer gegen ihn 
aufgewieglet, und die paͤbſtliche CLega⸗ 
ten gehindert habe gegen die Albigenſer 
ihre Schuldigkeit zu thun. Worauf der 
Kaiſer aber antwortete: „ Er ſeye in 
„ Rom nur feinen eigenen Vaſallen, 
„nach dem Beyſpiel feiner Vorfahrer, 
„ beygeſtanden; wider die Legaten as 
„ ber babe er wuͤrklich groͤſſere Urſachen 
„ zu klagen, als der Pabſt, indem ſie die 
„ohnehin unruhigen Mayländer wider 
„ ihn anzubezen geſucht; weßwegen er 
„ fie ſchaͤrfer hätte behandeln koͤnnen, 
„ wann er nicht fo viele Achtung gegen 

„ den 


GR 172 NI 
„ den roͤmiſchen Stuhl getragen, „ Dem 
allem ungeachtet kündigte ihm eben Dies 
fer Pabſt zum zweytenmal den Bann 
fluch an. 


Dieſes feindliche Betragen des Pabſts 
bewog den Frideric endlich einen Eine 
fall in den Kirchenſtaat zu wagen, wo 
er ſchleunige Eroberungen machte, weil 
viele Staͤdte, und ſelbſt ein groſſer Theil 
der roͤmiſchen Burgerſchaft noch immer 
gut kaiſerlich geſinnt waren. Gregor 
ergrief alle geiſtliche und weltliche Mit⸗ 
tel, um ſich dieſen Gaſt vom Hals zu 
ſchaffenz er ſchrieb ſogar an die deutſchen 
Fuͤrſten, daß ſie ihn abſezen ſollten, 
und ſchlug ihnen einen andern vor: wo⸗ 
rauf ſie ihm aber zur Antwort gaben: 
Es ſtuͤnde dem Pabſt wohl zu einen 
Baifer, den fie zu wählen die Macht 
haͤtten, zu kroͤnen, niemal aber ſelbſt 

ei⸗ 


% 173 CN 
einen ſolchen aufzuſtellen. Als er ſich 
von dieſer Seite verlaſſen ſah, forder⸗ 
te er die Franzoſen und Engellaͤnder 
auf — und zulezt ließ er das Kreuz ge⸗ 
gen den Srideric predigen, und ertheil⸗ 
te denen, die gegen ihn ſtreiten wuͤrden, 
die nemliche Ablaͤße, als wenn ſie gegen 
die Tuͤrken und Sarazener zu Felde 
zieheten. — Friderie ließ ſich aber nicht 
irre machen, ſondern ſuchte den noch uͤb⸗ 
rigen Theil des Kirchenſtaats in ſeinen 
Gewalt zu bringen; bis endlich Gregor 
im Jahr 1241. ſtarb. Innocenz IV. 
ſein Nachfolger, welcher als Cardinal 
ſo gut kaiſerlich geſinnt war, warde als 
Pabſt ein groͤſſerer Feind Friderics als 
ſein Vorfahrer. Er war ein Mann von 
groſſem Geiſte und Entſchloſſenheit; und 
als ihn der Kaiſer ſchon glaubte gefan⸗ 
gen in ſeinen Haͤnden zu haben, mußte 
er vernehmen, daß er nach Lyon ent⸗ 
flohen 


Po 174 GA 
flohen, wo ihm Frankreich Schuz lei⸗ 
ſtete. Von da aus ſchickte Innocenz 
groſſe Geldſummen nach Deutſchland, 
um die deutſchen Fuͤrſten zu bewegen 
den Frideric abzuſezen, und einen an⸗ 
dern Kaiſer zu waͤhlen. Er legte ihnen 
ſogar dieſe neue Wahl zur Nachlaß ih⸗ 
rer Suͤnden auf, und nachdem er den 
Heinrich von Thüringen überredet hatte, 
das Reich anzunehmen, unterſtuͤzte er 
ihn mit Geld und Mannſchaft gegen 
den Frideric. Er ließ den Bannfluch 
zum drittenmal wider ihn verkuͤndigen, 
und die Dominikaner und Minoriten, 
welche das Kreuz wider ihn predigen 
mußten, ertheilten dem Volk, das ihre 
Predigten anhoͤrte, groſſe Ablaͤſſe. Die 
Sicilianer ſprach Innocenz von dem 
Eide der Treue los; und ſo oft auch 
Frideric bey ihm um Verſoͤhnung bath, 
Ichlug er ihm ſelbe ab. Frideric muß⸗ 
te 


7 175 MM 
te demnach feine Sache gegen alle allein 
verfechten. Er ſchlug ſich mittlerweil mit 
den paͤbſtlichen im Kirchenſtaat tapfer 
herum, und ſo wenig er auch damit 
ausrichtete, weil er von Deutſchland kei⸗ 
ne Hilfe hatte, ſo verfocht er doch ſei⸗ 
ne Rechte, ſo viel es an ihm war, mei⸗ 
ſterlich, und man kan nicht ſagen, daß 
er ſo vielen Feinden jemal ganz unter⸗ 
legen ſeye. Er ſtarb endlich als Held, 
gleichſam mit den Waffen in der Fauſt, 
auf ſeinen Erbguͤtern in Apulien: ein 
wahres Schlachtopfer der damaligen paͤbſt⸗ 
lichen Verbitterung gegen die deutſche 
Kaiſer; dieſer Nation aber muß man ſelbſt 
die Schuld beylegen, daß er die kaiſer⸗ 
liche und des Reichs Rechte gegen die 
Paͤbſte nicht mit beſſerm Erfolg w 
ten konnte. 


Das Reich lag ibn in einer mehr 
dann 


7 176 G 

dann zojährigen Spaltung. — Die 
Paͤbſte, um dieſe Epoke zu benuzen, hat⸗ 
ten ſich ganz an das koͤnigliche franzoͤ— 
ſiſche Haus angeſchloſſen: beede Theile 
zogen aus dieſer Verbindung wechſel⸗ 
weiſe Vortheile: das erſte, weil die 
Paͤbſte dazumal einen ſo groſſen Antheil 
an den Kaiſerswahlen hatten, erhielt da⸗ 
durch einen nicht geringen Einfluß in die 
deutſche Angelegenheiten; und leztere, 
welche an dieſem Hauſe eine ſo ſtarke 
Stuͤze hatten, vergroͤſſerten die Kraft 
ihrer Machtſpruͤchen, wodurch das kai⸗ 
ſerliche Anſehen in Italien immer mehr 
vermindert wurde. 


Indeſſen ward Rudolph von Habs; 
burg im Jahr 1273. zu Fraͤnkfurth 
einmuͤthig zum Katſer erwaͤhlt. Dieſer 
fand gleich bey ſeiner Thronbeſteigung 
an dem paͤbſtlichen Hofe einen ſtarken 

Geg⸗ 


BB 17 8 
Gegner an dem Alphons von Caftilien, 
und er wurde vielleicht von dieſem eifer⸗ 
ſichtigen Nebenbuhler viel uͤbles zu bes 
fürchten gehabt haben, wann nicht eben 
ein allgemeiner Kirchenrath zu Lyon ver⸗ 
ſammlet geweſen waͤre, deſſen Vaͤter 
ſich mit ſolchem Ernſt des Rudolphs 
angenommen, daß Gregor X. welcher 
ohnehin ein redlicher und fromer Mann 
ware, gleichſam gezwungen worden ihn 
als Kaiſer zu erkennen: doch mußten 
ſeine Geſandten zuerſt die ehemal dem 
Kaiſer Frideric II. vorgeſchriebene Ka⸗ 
pitulation unterzeichnen, in welcher vor⸗ 
derſamſt die paͤbſtliche Beſiznehmung 
der Mark Ancona, und des Herzogs 
thums Spoleto gutgeheiſſen war. Ru⸗ 
dolphs Geſandte lieſſen ſich alles ge 
fallen, und ohne daß er ſelbſt dasſenige, 
was man ihm vorgelegt, weder einge⸗ 
ſehen, noch foͤrmlich anerkennt hatte, un 
M ter⸗ 


* 


S 178 GK 


terſchrieben ſie, wasman von ihnen verlang⸗ 
te. Man mußte den Zeitpunkt benuzen, um 
dem Nebenbuhler Alphons zuvor zu kom̃en, 
undihm keine Zeit zu laſſen mit feinen alten 
Anſpruͤchen wieder hervor zu tretten. Hier 
mag ein mittelmaͤßiger Rechtsgelehrter 
entſcheiden, ob derley Verzichten einige 
Rechtskraft haben; und obwohl fie Rus 
dolph in der Folge bey ſeiner Zuſam⸗ 
menkunft mit dem Pabſt zu Lauſanne aus 
eben dieſer Urſache ſelbſt beſtaͤttigte, ſo 
koͤnnte ſie doch dem Reich, und ſeinen 
Rechten niemal zu einigem Nachtheil ge⸗ 
reichen. Es laͤßt ſich ein gleiches von 
der Zurückgabe des Exarchats, und der 
Provinz Pentapolis ſagen, welche Ru⸗ 
dolph troz allen Zudringlichkeiten der 
Paͤbſten bis auf die Zeiten Niklaus III. 
verzoͤgerte; es ſeye, daß dieſe Zuruͤck⸗ 
gabe ſelbſt mit einem Willebrief der 
deut⸗ 


7 179 NI 
deutſchen Fuͤrſten beftättiget worden, fo 
ware doch allemal nur von der Nue⸗ 
nieſſung und nicht von der Reichso⸗ 


berherrlichkeit die Rede, welche leztere 


von dem Majeſtaͤtsrecht unabſoͤnderlich 


iſt, und nach dem allgemeinen Saz der 
Publiciſten mit Guͤltigkeit niemal kan 


veraͤußert werden. 


Daß Adolph von Naſſau alles im alten 
Stand gelaſſeu, muß man mehr ſeinem 
Unvermoͤgen, als einem Mangel an Er⸗ 
kenntniß ſeiner Rechte zuſchreiben. Er 
ware ſo arm, daß er nicht einmal die 
Kroͤnungskoſten zu bezahlen im Stand ge⸗ 
weſen. Seine Wahlkapitulation ware 
noch uͤberdas ein Werk der Dekretali⸗ 
ſten, die in dem dritten Artikel derſelben 
hatten einflieffen laſſen: Daß er während 
ſeiner Regierung nichts gegen die Geiſt⸗ 
lichen unternehmen wolle. Daß er 

M 2 aber 


Br 180 CN 

aber doch die Macht, welche ſich die 
damalige Paͤbſte anmaßten, den Koͤni⸗ 
gen das Kriegfuͤhren zu verbieten, in 
keinen Bedacht genommen, beweiſen die 
Zuruͤſtungen, die er im Jahr 1297. ges 
gen das ausdruͤckliche Verboth des Pabſts 
Bonifaz VIII. zu einem Feldzug gegen 
den Koͤnig Philipp gemacht. Hinge⸗ 
gen vermochte dieſer Pabſt mit all ſeiner 
vorgeblichen Macht nicht ihn auf dem 
Thron zu erhalten, als die Reichsſtaͤn⸗ 
de einmal entſchloſſen waren ihn abzu⸗ 
ſezen. Es iſt das erſte Beyſpiel in der 
Geſchichte, daß ein Kaiſer gegen den 
ausdrucklichen Willen des Pabſts iftab- 
geſezt worden. So oft ein Gegenkai⸗ 
fer erwaͤhlet worden, hatten die Päbz 
ſte immer Antheil daran, entweder weil 
ſie den rechtmaͤßigen ſelbſt verfolgten, 
oder ſich wenigſtens dazu gebrauchen lieſ⸗ 
fen, um ihrer Macht dadurch ein groͤſ⸗ 
ſeres Anſehen zu geben. A⸗ 


BA 181 8 

Adolph war niemal nach Rom ge 
kommen, ſo wenig als ſein Vorfahrer 
Rudolph, und ſein Nachfolger Albrecht. 
Weßwegen der Pabſt dieſen leztern we 
der als Kaiſer erkennen, noch beſtaͤttigen 
wollte: er behauptete nach den Grund⸗ 
fügen Gregors VII. und des Innocenz 
III. „ Daß ihm das Recht zuſtehe, die 
» Eigenſchaften eines gewaͤhlten roͤmiſchen 
„„ Königs zu unterſuchen, und über (ei 
» ne Tauglichkeit oder Untauglichkeit zu 
„ urtheilen, bevor man ihn datür bats 
„ten koͤnne. „ In dieſer Ruckſicht ließ 
ihm Bonifaz bedeuten: „ Daß er bins 
„nen ſechs Monaten vor ihm erſcheinen 
» lle, widrigenfalls er alle Reichsun⸗ 
„ terthanen von dem Gide los ſprechen 
„werde, den fie ihm geleiſtet haben. „ 
Albrecht, der eben mit dem Kurfürften 
von Maynz und dem Herzog von der 
Pfalz die Haͤnde voll zu thun hatte, 

M 3 woll⸗ 


Zr, 


Bo 182 N 
wollte feinen Feinden keine Gelegenheit 
geben, dieſes Mißverſtaͤndniß in ihren 
Vortheil zu ziehen: er ſchickte daher Ge⸗ 
ſandte nach Rom, die ihn mit dem Pabſt 
ausſoͤhnen ſollten. Als dieſe aber nichts 
ausrichteten, bekuͤmmerte er ſich zulezt 
wenig mehr um den Pabſt, ſondern war 
einzig und allein darauf bedacht, die Un⸗ 
ruhen in Deutſchland beyzulegen. 07 
nifaz, deſſen Irrungen inzwiſchen mit 
dem Koͤnig Philipp von Frankreich den 
hoͤchſten Grad erreicht, lernte nun den 
Abgang und die Nothwendigkeit der kai⸗ 
ſerlichen Hilfe und Unterſtͤzung einſehen, 
und both dem Albrecht dasjenige von 
ſelbſt an, was dieſer vorher mit Bitten 
nicht hatte von ihm erhalten koͤnnen. 
Albrecht nahm alles an, war aber nie 
mal dahin zu bewegen, daß er wegen 
den paͤbſtlichen Haͤndeln gegen Philipp 
die e ergrief, weil dieſelbe nicht 
ei⸗ 


En 183 N 
Ligentlich die roͤmiſchen Reichslehen an⸗ 
giengen, mit welchen er als Kaiſer einis 
ge Verbindung haͤtte, ſondern lediglich 
aus Urſache eines Geſezes entſtanden wa⸗ 
ren, vermoͤg welchem Philipp verboth, 
daß kein Geld mehr außer Land gehen 
ſollte, dadurch der Pabſt und die Car⸗ 
dinaͤle eine reiche Quelle ihrer Einkuͤnf⸗ 
ten verloren, welches fuͤr den Kaiſer und 
das Reich eine zimlich gleichguͤltige Gas 
che war. Der Pabſt hatte dem Albrecht 
ſogar das Koͤnigreich Frankreich als ein 
Geſchenk anerbothen, wann er den Koͤ⸗ 
nig Philipp mit Krieg überziehen woll⸗ 
te: allein der Kaiſer ſah wohl ein, wie 
lächerlich ein ſolches Geſchenk der gan 

zen Welt vorkommen mußte. 


Nach dem Tod Albrechts kam Sein⸗ 
rich VII. von Luxenburg auf den Thron. 


Dieſer fand es sa gut, weil n drey 
M 4 ei⸗ 


7 184 NI 
feiner Vorfahrer nicht mehr nach Ita⸗ 
lien gekommen waren, einen Roͤmerzug 
vorzunehmen, um die daſelbſt beynahe 
ganz verlorene Reichsrechte wieder her⸗ 
vor zu ſuehen. — Die Paͤbſte hatten ſich 
indeſſen mit Frankreich ausgeſoͤhnt, und 
um ſich naͤher an die Quelle ihrer Ein⸗ 
kuͤnften zu ſezen, ihren Stuhl nach Avig⸗ 
non verlegt. Der immerwaͤhrende Zu⸗ 
ſammenſtoß ihrer Rechte in der Stadt 
Rom mit jenen der Kaiſer mag auch 
ein Beweggrund dieſer Abaͤnderung ge⸗ 
weſen ſeyn: ſie verſprachen ſich von den 
Koͤnigen in Frankreich — Unteritüs 
zung gegen die vermeintliche Bedruͤckun⸗ 
gen der Kaiſer. Allein um auf dieſer 
Seite freyern Luft zu ſchoͤpfen, fielen ſie 
auf der andern in eine weit haͤrtere Staats⸗ 
gefangenſchaft: nur druͤckten fie dieſe Ban⸗ 
de nicht ſo ſehr, weil ſie freywillig ge⸗ 
waͤhlt, und ſchimmerender als die erſte 
wa⸗ 


FA 185 CN 
waren. Heinrich fand Rom von Web 
fen und Gibellinen beſezt, deren die er⸗ 
ſten, von dem Pabſt Klement V. heim⸗ 
lich unterſtuͤzet, ihm bey feiner Ankunft 
die Thore ſperrten. Er konnte deßwegen 
nicht im Vatican gekroͤnet werden, ſon⸗ 
dern dieſe Feyerlichkeit ward gegen alle 
Wiederſezlichkeit der anweſenden Cardi⸗ 
nälen, die man mit Gewalt dazu zwin⸗ 
gen mußte, in der Lateraniſchen Kirche 
vollzogen. Als ſich Seinrich wegen die 
ſer Beleidigung an dem Koͤnig Robert 
von Neapel, einem Liebling des Ales 
ments, welcher den Welfen Beyſtand 
geleiſtet, rächen wollte, und zu dieſem 
Ende fon eine große Armee zu Waſſer 
und zu Land zuſammen gebracht hatte, 
ward er zu Buonconvento, nicht weit 
von Sienna, von einem Dominikaner⸗ 
moͤnche in der Communion (Gott weiß 
auf weſſen Anſtiftung) vergiftet: — 
M 5 wo⸗ 


7 186 
wodurch der entworfene groſſe Plan zur 
gaͤnzlichen Wiederherſtellung des kaiſer⸗ 
lichen Anſehens in Italien auf einmal 
vereitelt worden. 


Ludwig V. aus Baiern fand an 
dem Johann XXII. einen Pabſt, der 
dem Hauſe Frankreich noch mehr erge⸗ 
ben war, als alle feine Vorfahrer, und 
dabey noch den Wahlſpruch führte: „ Die 
„ Uneinigkeiten der Koͤnige und Fuͤrſten 
„machen den Pabſt erſt zum Pabſt, 
„ indem er alsdann gefuͤrchret werde, 
„ inſonderheit aber ſeyen die Zwiet⸗ 
„ rachten der deutſchen Fuͤrſten das 
„ Seil und der Friede des Pabſts, 
„ und der roͤmiſchen Kirche., Was 
konnte man von ſolchen Grundſaͤzen an⸗ 
ders hoffen, als daß er das kaiſerliche 
Anſehen in und auſſer Rom, obwohl 
er ſelbſt zu Avignon ſaß, ſoviel moͤg⸗ 

lich 


6 187 G 
lich zu kraͤnken, und herabzuſezen ſich 
bemühen werde. — Johanns erſte Abs 
ſicht gieng dahin, ſein vermeintliches 
Reichs vicariat in Italien geltend zu 
machen; und da Ludwig noch immer 
durch den innerlichen Krieg gegen Fride⸗ 
ric von Geſtreich in Deutſchland anf 
gehalten wurde, ſuchte ſich derſelbe durch 
die Vertilgung der Gibelliner eine ſol⸗ 
che Macht zu erwerben, mit welcher er 
in der Folge im Stand waͤre, dem Lud⸗ 
wig, wann er ſeine kaiſerliche Rechte 
in Rom behaupten wollte, die Spize 
zu bieten. In dieſer Abſicht ſchickte er 
einen paͤbſtlichen Legaten mit Truppen 
in die Lombardey: dem Ludwig blieb 
alſo nichts übrig, als die Haͤupter der 
Gibelliner, die ihn um Hilfe angerufen 
hatten, ſo viel ihm moͤglich war, zu un⸗ 
terſtuͤzſen, und den Legaten mit Gewalt 
von der Belagerung der Stadt May, 
land 


Er 138 Ra 


land abzutreiben, wodurch aber Johann 
ſo aufgebracht ward, daß er ihn auf der 
Stelle mit dem Kirchenbann belegte, def 
ſen Folgen er ihm auch weit empfindli⸗ 
cher als allen ſeinen Vorfahrern fuͤhlen 
ließ. Der ſogenannte Proceß, den Jo⸗ 
hann gegen Ludwig an die Kirchenthüͤ⸗ 
ren von Avignon heften ließ, iſt ein 
wahres Aergerniß in der Geſchichte. 


Ludwig, welcher wohl einſah, daß 
eine Vertheidigung gegen die in dieſem 
Proceß vorkom̃ende Klagpunkten an dem 
wider ihn ſo ſehr eingenommenen paͤbſt⸗ 
lichen Hof nichts nuͤzen wuͤrde, gieng 
im December 1323. nach Nuͤrnberg, 
und legte daſelbſt vor einem Notar und 
Zeugen ein oͤffentliches Bekaͤnntniß ab, 
kraft deſſen er betheurte: „ Daß er nie⸗ 
„ mal geſinnt geweſen ſey gegen die roͤ— 
„ miſche Kirche etwas zu unternehmen, 

die 


9 189 N 


„ die er auch fuͤrohin als feine Mutter 
„ zu verehren, zu ſchuͤzen, und ihre Rech⸗ 
„te beyzubehalten gedenke: wenn er ets 
„ was gegen fein Willen dieſem zuwider 
„gethan, fen er bereit es zu verbeſſern. 
„Bey feiner Wahl ſey nichts vorgegan⸗ 
„gen, daß nicht (on vor undenklichen 
„Zeiten in Anſehung der Roͤmiſchen Koͤ⸗ 
„nige von Rechts⸗ und Gewohnheitswe⸗ 
„gen ſey beobachtet worden: dafuͤr hiel⸗ 
„ten es die Reichsfürſten ſowohl, als 
„die verſtaͤndigſte Leute des Reichs, und 
„die Wahrheit gruͤnde ſich in den Cano⸗ 
„ nen und Geſezen, und werde durch 
„ den Ausſpruch aller Gelehrten der bee 
„den Rechten beſtaͤttiget. Daß er Nes 
„bellen der roͤmiſchen Kirche, oder Re⸗ 
„ zern folie Beyſtand geleiſtet haben, dar 
„ von ſey ihm nichts bewußt: es haͤtte 
„ weder der Pabſt noch ſonſt jemand den 
„ Galeaz (das Haupt der Gibelliner in 
„Mapland) für einen Kezer erklärt: es 
„ müßte nur ſeyn, daß der roͤmiſche Hof 
„ diejenige für Kezer erklaͤre, die dem 
„ Asifer und dem Reich getreu pis in 
8 


Fre 190 M 

Es find aus dieſer Erklärung die Be⸗ 
wegurſachen leicht zu erſehen, auf welchen 
der Bannfluch Ludwigs gegründet war: 
im Maͤrz 1324. ließ Johann durch das 
Reich verfündigen ; „Daß fuͤrohin Nies 
„ mand mehr weder geiſtlich noch weltlich 
„ unter Bedrohung des Bannes und bey 
„Verluſt aller Würden, Aemter, Lehen 
„ und Privilegien dem Ludwig als ei⸗ 
„nem roͤmiſchen König gehorchen folle: 
„ jederman fen von feinem ihm geleiſteten 
„Eid und Pflichten los aezaͤhlt, und alle 
„ feine Verbindungen, Vertraͤge und Ge⸗ 
„ meinſchaften ſollen aufgehoben ſeyn., 


Cudwig ſchlief bey allen dieſen Dro⸗ 
hungen ruhig; und da es ihm indeſſen auf 
einer Seite gelungen war, ſeinen groͤßten 
Gegner den Srideric von Geſtreich in dem 
Treffen bey Muͤhldorf gefangen zu neh⸗ 
men; auf der andern aber der unvermu⸗ 
thet erfolgte Todfall des Herzogs Leo⸗ 
pold ihn von allen weitern Feindſeligkei⸗ 
ten in Deutſchland ſicher ſtellete, ſo faßte 
er den ernſtlichen Entſchluß, ſelbſt nad J⸗ 

talien 


2 191 CN 
talien zu gehen, um den Pabſt wenigſtens 
auf dieſer Seite zu demuͤthigen, und ſeine 
kaiſerliche Rechte in Rom beſſer als in 
Deutſchland geltend zu machen. Alle Um⸗ 
ſtaͤnde ſchienen ihm ungemein guͤnſtig zu 
ſeyn: die Gibellinen, welche vom Pabſt 
durch den König Robert aͤuſſerſt gedruͤckt 
waren, ſuchten ſeine Hilfe, und bothen 
ihm die noͤthige Geldſummen zur Reiſe an, 
die ihm die deutſche Fuͤrſten, aus Furcht 
dem Pabſt zu misfallen, verweigert hat⸗ 
ten. Die Römer aber, welche wegen der 
langen Abweſenheit der Paͤbſte aͤuſſerſt 
aufgebracht waren, ſehnten ſich auf ſeine 
Ankunft: kurz zuvor hatten fie den Wel⸗ 
fiſch geſinnten Adel ſammt der Beſazung 
des vom Pabſt zum Reichsverweſer aufs 
geſtellten Koͤnigs Robert zur Stadt hi⸗ 
naus gejagt, wodurch ſie den Pabſt zu 
noͤthigen glaubten, ſeinen Siz wieder in 
Rom aufzuſchlagen. Allein alles Bitten 
und Drohen ware umſonſt; anftatt ſelbſt 
nach Rom zu gehen, ſchickte Johann ſei⸗ 
nen Legaten den Kardinal Urſini an der 
Spize eines Haufens vertriebener Wel⸗ 
en, 


Fi» 192 N 

fen, die von den neapolitaniſchen Trup⸗ 
pen des Roberts unterſtuͤzet die Stadt uͤ⸗ 
berrumpelten, und als ſie von der tapfern 
Gegenwehr der Bürger zuruͤck getrieben wa⸗ 
ren, ſogar Feuer in den Vorſtaͤdten anleg⸗ 
ten. Ludwig hätte keinen ſchicklichern Zeitz 
punkt waͤhlen koͤnnen nach Rom zu gehen, 
als diefen : die hilfbeduͤrftigen Römer em⸗ 
pfiengen ihn mit offenen Armen, und weil 
kein Kardinal anweſend war, verrichteten 
zwey der Vornehmſten der Stadt die Kroͤ⸗ 
nung; einige Biſchoͤffe aber ſalbten ihn. — 
Der Pabſt wurde vom roͤmiſchen Volk 
ſelbſt als ein Rezer und Verlezer der bes 
leidigten Majeſtaͤt oͤffentlich angetlaget, 
und von dem Kaiſer mit Einwilligung der 
Geiſtlichkeit und des ganzen Volks, auch 
der Uebereinſtimmung vieler deutſchen und 
italieniſchen Kirchpraͤlaten als von Chri⸗ 
ſtus ſelbſt des Pabſtthums beraubt erklaͤ⸗ 
ret, und foͤrmlich entſezet. — 


Niemal waren die Umſtaͤnde guͤnſtiger, 
in Rom die kaiserliche und des Reichs Ober⸗ 
herrlichkeit wieder ganz herzuſtellen, N. e⸗ 

en 


AR 193 


ben dermal: die Stadt von den Paͤbſten 
verlaſſen; das Volk wider dieſelbe aͤuſſerſt 
aufgebracht; Italien in lauter kleine Herr⸗ 
ſchaften getheilt, die alle um ſich zu erhalten, 
und der Gewaltthaͤtigkeit des Pabſts zu wi⸗ 
derſtehen, dem Kaiſer zugethan ſeyn mußten; 
kein Feind, der maͤchtig genug geweſen waͤ⸗ 
re dem Ludwig Widerſtand zu thun, außer 
Robert, den er aber weit leichter, als alle 
ſeine Gegner in Deutſchland wurde haben 
bezwingen koͤnnen, wenn ihn die Reichs- 
ſtaͤnde unterſtuͤzet hätten: allein von dieſer 
Seite fehlte es immer. — Der Pabſt hat⸗ 
te die geiſtliche Kuhrfuͤrſten nebſt anderen 
großen Haͤuſern, die auf Ludwigs Entſe⸗ 
zung und ſeine Krone paßten, auf ſeine Sei⸗ 
te gebracht: man ließ ihn ohne Truppen 
und ohne Geld; nothgezwungen mußte er 
große Steuren in Italien zu ſeinem und der 
Armee Unterhalt ausfchreiben, welches ihn 
bey den ohnehin wankelmuͤthigen Italiaͤ⸗ 
nern bald verhaßt machte: ſeine Soldaten, 
die er zu bezahlen außer Stand war, pluͤn⸗ 
derten und raubten, wo ſie konnten; alles 
war dadurch in Wuth gedracht, und es kam 
fo weit, daß Ludwig, den dieſe Nation als 
einen Reiter Italiens und Roms, bey ſei⸗ 
nem 


Ar 194 WM 
nem Einzug unter allgemeinem Frolocken 
und Freudengeſchrey aufgenommen, nun⸗ 
mehr unter eben ſo allgemeinen Beſchim⸗ 
pfungen des Poͤbels als ein Landesverheerer 
mit Schaden und Spott ſeinen Ruͤckzug 
nehmen mußte. Ludwig erwartete noch 
in Pavia eine Verſtaͤrkung von dem boͤh⸗ 
miſchen Koͤnig Johann: als aber niemand 
kam, verließ er Italien, und gieng beſtuͤrzt 
in Deutſchland zuruͤck, welches ſeine eigene 
Vortheile und Rechte auf eine fo vorſezliche 
Weiſe vernachlaͤßiget hatte. Es iſt ſich 
demnach nicht zu verwundern, wenn er end⸗ 
lich in der Folge durch dieſe Vorgaͤnge muth⸗ 
los gemacht, und um der Haͤndeln mit den 
Paͤbſten einmal los zu werden, jene ſchimp⸗ 
fliche und feinen für die kalſerliche Rechte bis⸗ 
her geaͤußerten Grundſazen fo ſehr entgegen 
geſezte Bedingungen mit Benedikt XII. des 
Johanns Nachfolger einzugehen ſelbſt an⸗ 
erbothen: worauf ihn dieſer Pabſt gerne 
von dem Bann wuͤrde los geſprochen haben, 
wenn es der Koͤnig Philipp von Frankreich 
geſtattet haͤtte, welcher den Benedikt bedro⸗ 
hete: „ Daß er in diesem Fall ärger mit 
„ ihm umgehen würde als ehemal Philipp 
„der Schoͤne mit dem Bonifaz Kr 5 
ein 


6 195 N 

Kein geſunder Menſchenverſtand kan es ber 
greifen, wie den Reichsſtaͤnden bey dem ſo 
ſehr herabgeſezten kaiſerlichen Anſehen die 
Augen noch nicht aufgegangen, da doch ein 
einziger einmuͤthig⸗ und ſtandhafter Schluß 
der Nation dieſes ganze Luftgebaͤude der 
von Frankreich unterſtuͤzten politiſchen Les 
bermacht der Paͤbſte hätte zu Boden werfen 
koͤnnen. 


Karl IV. des Ludwigs Nachfolger 
mußte die Wirkungen derſelben noch lange 
fühlen, obwohl die kurz vor Ludwigs Tod 
auf einem Reichstag zu Fraͤnkfurth abge 
faßte Reichsſazung die gaͤnzliche Unab⸗ 
haͤngigkeit des Reichs von der paͤbſtlichen 
Macht deutlich genug erklaͤrte. Daß dem 
Pabſt vor feiner Beſtaͤttigung gethanene 
Verſprechen machte, daß fein Komerzug 
der allgemeinen Erwartung und Hoffnung, 
die man von ſeiner Geiſtes Groͤße geſchoͤpfet 
hatte, gar nicht entſpeach. Noch niemal 
ward ein Kaiſer mit groͤßern Ehrenbezeugun⸗ 
gen in Italien empfangen, und keiner war 
gegen dieſelbe gleichguͤltiger, als er. — 
Rom erſtaunte, als es ſeinen Kaiſer an 
dem naͤmlichen Tag die Stadt verlaſſen 

N 2 ſah 


Fr 195 MI 
fab, an welchem er gekroͤnet ward: man 
konnte ſich unmoͤglich die Urſache davon 
vorſtellen; fein Ruͤckzug war einer Flucht 
aͤhnlich, ob ihn gleich kein Feind verfolgte. 
Das ganze Geheimniß lag in der Staats⸗ 
kunſt des Pabſts verborgen. Indeſſen 
hatten doch die Roͤmer ſeine Rechte uͤber 
ihre Stadt und der derſelben in ihrem Sinn 
anklebenden Oberherrſchaft der Welt nicht 
verſchwiegen, welcher Ausſpruch allein für 
Karl hinlaͤnglich geweſen waͤre, etwas gros 
ßes zu unternehmen, wann er Muth und 
Standhaftigkeit genug beſeſſen haͤtte, von 
den Verbindungen abzuſtehen, die er mit 
dem Pabſt eingegangen, um ſich den Ge⸗ 
genkaiſer Guͤnther vom Hals zu ſchaffen. 
Man muß die Rechtfertigung feines Betra⸗ 
gens in einer ſeines gleichen ſelten vorkom⸗ 
menden Gewiſſenhaftigkeit ſuchen: dabey 
gedenkte er doch dem Reich nicht zu ſchaden. 
Seine Verwendung und Betreiben, die 
ſogenannte Goldene Bulle als ein Reichs⸗ 
grundgeſez für die kuͤnftige Zeiten in Stand 
zu bringen, iſt ein uͤberzeugender Beweis 
davon: wenigſtens erhielt er dadurch ſo 
viel, daß der paͤbſtliche Einfluß auf die 
Kalſerwayl, wodurch fo viel uͤbles 15 da⸗ 
in 


PA 197 N 


hin entſtanden, wo nicht ganz aufgehoben, 

doch um ein merkliches eingeſchraͤnket wor⸗ 

den. Da die Kaiſer um ſich kroͤnen zu laſ⸗ 

ſen hinfuͤran nicht mehr noͤthig hatten nach 

Rom zu gehen, ſo ſcheint es freylich, daß 

ſie von dieſer Zeit an ihre Rechte uͤber dieſe 

Stadt gleichſam in Vergeſſenheit geſezet, 

weil ihnen die Gelegenheit ermangelte ſelbe 

auszuuͤben: hingegen ward auch den Paͤb⸗ 

ſten dadurch der Weg abgeſchnitten, dieſe 

Rechte ſo oft, wie vorher geſchehen, zu 

kraͤnken. Es durfte ſich aber nur eine Ge⸗ 

legenheit ereignen, bey welcher die Paͤbſte 

ihrer Pflichten gegen die Kaiſer vergeſſen 

ſich der ihnen von dem Reich geliehenen 

Macht zum Nachtheil deſſelben gebrauchen 
wollten, ſo ſaͤumete man nicht ihrer an⸗ 

maſſenden Gewalt die hoͤhere und recht⸗ 
maͤßige entgegen zu ſezen. 


Ein Beyſpiel hievon liefert uns die Ge⸗ 
ſchichte Karls V. Als dieſer den franzoͤ⸗ 
ſiſchen Koͤnig Franz J. nach einem langwie⸗ 
rigen Krieg bey Pavia geſchlagen, und ge⸗ 
fangen genommen; auf Bedingniſſe aber 
wieder in Freyheit geſezet, trat Klemens 
VII. mit dieſem uͤberwundenen Köntg in ein 

N3 Buͤnd⸗ 


198 SA 
Buͤndniß, und nachdem er ihn von aller 
Verbindung der in der Gefangenſchaft dem 
Kaiſer feyerlich gelobten Traktaten auf eine 
ſehr befremdende Art los geſprochen, ſchickte 
er ihm Hilfsvoͤlker in die CLombardey, und 
brachte auch die Venetianer gegen den Kai⸗ 
fer ins Feld. Karl verweilte nicht, dieſes 
ſo unanſtaͤndige und unbefugte Betragen 
des Pabſts, der ſeine ganze Macht dem Kai⸗ 
ſer zu verdanken hatte, durch ſcharfe Bedro⸗ 
hungen zu ahnden: als aber nichts verfan⸗ 
gen wollte, ließ er die Stadt Rom durch 
das dem Reich noch getreue HausColonna 
daſelbſt mit Truppen beſezen, und den Pabſt 
in der Engelsburg ſo lang gefangen halten, 
bis er endlich dem kaiſerlichen Geſandten 
Moncada verſprach, die den Franzoſen ge⸗ 
ſchickte Hilfsvoͤlker aus der Lombardey {0 
gleich zuruͤck zu rufen, und das mit den Fein⸗ 
den des Kaiſers geſchloſſene Buͤndniß auf⸗ 
zuheben, welches Klemens auch that. Als 
er ſich aber in der Fo ge an dem Haus Co⸗ 
lonna wegen dieſen dem Kaiſer und Reich 
kreugeleiſteten Dienſten durch Verwuͤſtung 
ihrer Guͤter zu raͤchen ſuchte, ſchickte Karl 
eine betraͤchtliche Armee unter Anfuͤhrung 
des Zour bons nach Rom, welcher * 
ie 


fe 199 N 

die Stadt ungeachtet der verzweifleſten Ge⸗ 
genwehr des Pabſts mit Einbuß feines eige⸗ 
nen Lebens durch Sturm eroberte, und zur 
Strafe des bezeigten Ungehorſams alle 
Schaͤze derſelben ſammt den Innwohnern 
der Wuth und Raubbegierde der Eroberer 
Preis gab, bey welcher Gelegenheit nur die 
Beute allein den Werth von einer Million 
Dukaten foll überftiegen haben; die Ver⸗ 
wuͤſtung der Stadt aber uͤbertraf alle vor⸗ 
hergehende der wildeſten Völker, der Suns 
nen, Gothen und Wenden, an Grauſam⸗ 
keit. Klemens ward dabey das zweytemal 
Kriegsgefangener, und mußte nebſt dem 
Verſprechen alle feſte Mise des Kirchen⸗ 
ſtaats in die Hände der Kaiſerlichen zu fies 
fern, noch viermal hundert tauſend Duka⸗ 
ten Loͤſegeld fuͤr ſeine Perſon an die Armee 
auszahlen. 


Von dieſer Zeit an haben wir freylich 
keine ſolche Auftritte mehr erlebet, weil die 
Paͤbſte gegen die Kaiſer beſſere Achtung zu 
tragen, und die Schranken ihrer Macht 
nicht zu überſchreiten gelernt haben: es ſchei⸗ 
net auch, daß man ihnen bey dieſer Maͤßi⸗ 
gung von * Reichs den du 

4 


ff 200 CN 


ſiz ihrer Staaten gerne gegoͤnet habe: doch 
verdienet einige Aufmerkſamkeit, daß noch 
im Anfang dieſes laufenden Jahrhunderts 
der kaiſerliche Hof (aus einem Anlaß, der 
ſich leicht vermuthen laͤßt) durch ein Zirkular⸗ 
ſchreiben, welches der damals in Rom an⸗ 
weſende kaiſerliche Geſchaͤfttraͤger Abt Kau⸗ 
niz allen Kardinaͤlen, außer den ſpaniſchen, 
einhaͤndigte, den roͤmiſchen Hof ſolle haben 
erinnern laſſen: Daß weder Pabſt, noch 
Bardinaͤle in zeitlichen Sachen ſich Fein 
groͤßers Recht über den Rirchenſtaat an⸗ 
maſſen, als ihnen von Raiſer und Reich 
verliehen ſey, indem ſie keine Schankung 
der vorgehenden RNaiſer dazu berechtige: 
und ſollten dieſe Schankungsbriefe ih⸗ 
nen auch wirklich größere Freyheiten als 
andern Reichs⸗Vaſallen erlauben, ſo 
moͤchten ſie wohl in Bedacht ziehen, daß 
alle ſolche Schankungen der Reifer ohne 
Einwilligung des Reichs unguͤltig ſeyn. 
Dieſe wichtige Zeitung wurde unterm 21. 
Heumonat des Jahrs 1708. ſelbſt von Rom 
aus geſchrieben. Ein gleiches Verhaͤltniß, 
wie mit der Stadt Rom und Berfelben Ge 
biet, hat es mit dem ſogenannten Eigen⸗ 
thum des heiligen Peters. 
Die⸗ 


FA 201 EM 

Dieſes Eigenthum ruͤhret urſprünglich 
von der beruͤmten Prinzeßin Mathild her, 
(einer Erbtochter des reichen italleniſchen 
Margrafen Bonifaz und ſeiner Gemahlin 
Beatrix) die ſich nach des Bonifaz Tod 
mit dem lothringiſchen Herzog Godfrid zu 
großem Mißfallen des Seinrich III. verehe⸗ 
lichet. Mathild lebte am Ende des eilften 
und Anfang des zwoͤlften Jahrhunderts in 
Hetrurien, allwo ſie die Erbin zerſchiedener 
betraͤchtlichen Provinzen war. Da ſie keine 
Nachkommenſchaft gezeuget, ſezte ſie den roͤ— 
miſchen Stuhl zum Erben ihrer Güter ein. 
Die Geſchichte meldet von zwey Vermaͤcht⸗ 
niſſen, davon das erſte, welches ſie nach dem 
VBaronius im Jahr 1097. errichtet, ſoll vers 
loren gegangen ſeyn, daher ſie ein zweytes 
im Jahr 1102. verfertigen ließ. Die Ge⸗ 
ſchichtſchreiber find über die Laͤnder, die fie 
dem heiligen Peter als ein Eigenthum ver⸗ 
macht, uneinig: ſo viel iſt gewiß, daß ſelbe 
in einem betraͤchtlichen Theil des dermali⸗ 
gen Großherzogthum Toſcana beſtanden. 
Die Kaiſer waren uͤber dieſes Erbver⸗ 
maͤchtniß ſehr unzufrieden, und hatten deß⸗ 
wegen immer Streitigkeiten mit den Paͤb⸗ 
ſten. Seinrich IV. behauptete, 1 

thi 


d 202 N 
thild dieſe Laͤnder, als eigentliche Reichs⸗ 
lehen ohne kaiſerliche Einwilligung nicht ha⸗ 
be veraͤuſſern koͤnnen, und in dieſer Ruck⸗ 
ſicht nahm Seinrich V. deſſen Sohn ſchon 
im Jahr 1115, das iſt gleich nach dem 
Tod der Mathild, Beſiz davon. Lothar 
ſein Nachfolger gieng mit dem Pabſt Ino⸗ 
cenz II. zwar friedfertige Vertraͤge ein, mit 
denen aber die naͤchkommende Kaiſer nicht 
zufrieden waren. Vonrad belehnte dahe⸗ 
ro mit einem Theil derſelben den Huelphus 
einen Bruder Heinrichs des hochmuͤthigen 
Herzogs zu Baiern und Sachſen, wel⸗ 
che Belehnung Friederic J. nicht nur gut⸗ 
geheiſſen, ſondern noch dazu alles uͤbrige, 
was zu dieſer Erbſchaft gehoͤrte, zuſammen⸗ 
brachte, und dem obgedachten Guelphus 
zueignete. Pabſt Hadrian konnte es frey⸗ 
lich nicht gleichguͤltig anſehen: allein der 
Kaiſer, welcher ſich zu keiner Ruͤckgabe vers 
ſtehen wollte, ſchlug ihm unpartheyiſche 
Rechtsgelehrte als Schiedrichter vor, die 
dasſtreitige Recht entſcheiden ſollten. Der 
Ausſpruch fiel fuͤr den Kaiſer aus, und ſo 
ſehr auch der Pabſt über dieſen Vorſchlag 
zoͤrnete; fo mußte er es doch Daben bewen⸗ 
den laſſen. Nach des Guelphus Tod zog 
Fri⸗ 


67e 203 G 


Friederic alle Diefe Güter wieder an ſich, 
bis er endlich dieſelbe dem Pabſt Alexander 
durch einen guͤtlichen Vergleich zu Lehen uͤ⸗ 
berließ. Zur nemlichen Zeit, als Friderie 
ſich mit Alexander in Venedig über dieſe 
Streitſache verglichen hatte, ſtarb ein an⸗ 
derer italieniſcher Graf Bertinoro mit 
Namen, welcher nach dem Beyipiel der 
Mathild ſeine Guͤter ebenfalls der roͤmi⸗ 
ſchen Kirche vermaͤchen wollte: allein Frie⸗ 
derie geſtattete es durchaus nicht, und zog 
ſelbe ohne alle Ruckſicht an ſich, weil es 
Reichslehen waren, die Bertinoro als 
Vaſal ohne Einwilligung des rechtmaͤßigen 
Lehenherrns zu veraͤuſſern nicht befugt war. 
Seinrich VI, der Sohn und Thronfolger 
des Friederics machte feinen Bruder Phi 
lipp zum Herzogen in Tuſcien, und be⸗ 
lehnte ihn mit allen Mathildiſchen 
Laͤndern, die er wegen den Streitigkeiten 
mit dem roͤmiſchen Stuhl als ruckfaͤllige 
Lehen erklärte. Philipp aber trat ſelbe nach 
des Seinrichs Tod (um ſich die Gunſt des 
Pabſts zu gewinnen ) ſamt allen Regalien 
(das einzige Monte Fiaſcone ausgenom⸗ 
men) wider ab. Als Otto IV. im Jahre 
2209. nach feiner Zuruͤckkunft von a 
ie 


FR 204 MW 
die Rechte und Anfprüche des Reichs auf 
alle paͤbſtliche Staaten durch eigends dazu 
beſtimmte Rechtsgelehrte unterſuchen ließ, 
und fand, daß der roͤmiſche Stuhl zerſchie⸗ 
dene Staͤdte, worunter auch die Mathil⸗ 
diſche, ohne rechtmaͤſſigen Titel beſaß, bes 
fahl er ſelbe ſogleich mit ſeinen Truppen zu 
beſezen. Friederic II. gab ſie unter gewiſen 
Bedingniſſen wieder zuruck, und nahm fie 
bald darauf wieder in Anſpruch. — Und 
fo gieng es von einem Kaiſer auf den andern. 
So lang die Paͤbſte ſich gegen die Kaiſer 
und das Reich, als getreue und gutgeſinn⸗ 
te Vaſallen verhielten, goͤnnte man ihnen 
ihre durch die Freygebigkeit der Kaiſer erz 
haltene Reichslehen, ſobald ſie aber ihrer 
Pflichten vergeſſen, einen uͤblen Gebrauch 
davon machen wollten, behandelte man ſie 
ſo, wie man unruhige Vaſallen zu behan⸗ 
deln berechtiget iſt. — Und hierinn be⸗ 
ſtehen die Rechte der deutſchen 
Kaiſer uͤber dieſe paͤbſtliche 
Beſizungen. 


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Anmerkung 


einiger Druckfehler, welche dem Derfafs 
fer als Geſchichte⸗ oder Chronologies 
fehler konnten angerechnet werden. 


S. 98. anſtatt dem Paul lieſe dem Stephan 
S. 111. — vor Pipin — von Pipin 
S. 144. — Ludwig — Audwig II. 


S. 145. iſt die ganze Stelle von Thegan 
unrecht eingeſchaltet worden, und ſolle 
dieſelbe anſtatt an dieſem Platze, am Ende 
des vorhergehenden Abſatzes Seite 144. 
(wo noch von Ludwig dem Frommen 
die Rede ift) ſtehen. 


Der Herausgeber bittet dieſer, und einiger 
anderer zwar minder wichtigen Druckfeh⸗ 
ler halber ein guͤtige Nachſicht, indem er 
die Correctur nicht ſelbſt beſorgen konnte. 


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