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VERGLEICHENDE ANATOMIE DES
NERVENSYSTEMS.
Vergleichende Anatomie des
Nervensystems
VON
C U. ARIENS KAPPERS
UND
ßt. B. DROOQLEEVER FORTUYN.
ZWEITER TEIL.
HAARLEM
DE ERVEN F. BOHN
1920.
DIE VERGLEICHENDE ANATOMIE
DES NERVENSYSTEMS DER
WIRBELTIERE UND DES MENSCHEN
VON
D\ C U. ARIENS KAPPERS
Direktor des hoUänd. Zentral-liistitiites f. lürnforsclmntr, Amsterdam.
I. ABSCHNITT:
DIE HISTULUGLSCHEN ELEMENTE UiNl) DEREN
ANüRDNUNCx; VERGLEICHENDE ANATOMIE DES
RÜCKENMARKES UND DER MEDULLA OBLONGATA.
Mit ^26 Fiijuren im Text und ^ farbigen Tafeln.
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HAARLEM
DE ERVEN F. BOHN
1920.
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'3 o'hJs^
VORWORT.
Veranlassung zum Erscheinen dieses Buches war der Wunscli des \'er-
fassers, eine möglichst genaue Darstellung von dem zu geben, was bis jetzt
von der vergleichenden Anatomie des Nervensystems bekannt ist.
Viele Forscher ha]>en auf diesem Gebiete Untersuchungen angestellt
und Beiträge geliefert, welche unser Wissen erweitert haben.
indessen waren es immer nur wenige, welche — dem Beispiel Euinger's
folgend — versuchten das Gefundene im Eahmen des Ganzen zu deuten.
Dies läßt sich verstehen, weil viele Jahre des Studiums notwendig
sind, um einen Überblick über das Ganze zu bekommen. Auch hat nicht jeder
Untersucher die Zeit, alle Stadien zu erforschen, welche der Entwicklung
des von ihm Walirgenommenen vorangehen und folgen, viel weniger
noch dazu die Gelegenheit, die Bedeutung seines speziellen Thema's in dem
Ganzen zu sehen.
Doch ist letzteres notwendig, weil — wie überall — auch im Nerven-
system die Teile einander beeinflussen, und gerade dieser gegenseitige
Einfluß manchmal das Interessante ist, weil er uns den kausalen Verband
der Strukturen — ein noch kaum kultiviertes Gebiet — erkennen läßt.
Gerade dieser Kausalverband ist dasjenige, was uns interessieren muß.
In dem Wechsel der Formen die Gesetze kennen zu lernen ist das
Ziel der Wissenschaft.
In der Hirnanatomie sind wir noch weit davon entfeiuit, dieses Ziel
erreicht zu haben, doch scheint das wenige, was wir jetzt davon wissen,
mit Bestimmtheit darauf zu deuten, daß die strukturellen Gesetzmäßig-
keiten große Analogien aufweisen mit solchen, welche in der Psychologie
bekannt sind.
Diese Erkenntnis ist um so wertvoller, als sie nicht a priori ange-
nommen sondern a posteriori gefunden wurde, und weil wir dadurch nicht
nur die Einheit des Ganzen besser verstellen sondern auch die die Psychis-
men begleitenden (biologischen) Prozesse unserm Verständnis näher ge-
rückt werden.
Will man die allgemeinen Eigentümlichkeiten des Nervensystems
kennen lernen, dann ist es notwendig, über ein großes Material von Tat-
VI VORWORT.
Sachen zu v-erfügen — namentlich üljer vieh^'rlei Formen, weil — ebenso
wie in der Mathematik — auch liier für die Lösung vieler unbekannter
Faktoren mehrere Gleichungen notwendig sind.
Gerade deshalb wird der vergleichenden Anatomie des Nervensj'stems
für diesen Zweck immer mehr Platz eingeräumt werden.
Aus diesem Grunde wird sie sieh nicht auf den Menschen und die
Wirbeltiere beschränken können, sondern muß sie auch die vielförmige
Abteilung der Wirbellosen in ihren Plan aufnehmen.
Daher bat ich Herrn Drooc(leever Fortuyn — den Zoolog-Histolo-
gen der Leydener Universität, früheren Assistenten des Zentral-Institutes
für Hirnforschung — dasjenige zu sammeln, was auf dem Gebiete des
Nervensystems der Wirbellosen bekannt ist.
Er hat dieser Bitte Folge geleistet in einer diesem Buche voran-
gehenden Arbeit, welche als Teil I des gesaraten Werkes zu betrachten
ist. Außerdem bin ich Hcriui Droügleevkr Fortuyn veri)tlichtet für manche
histologischen Daten für das ersle Kapitel meines Buches.
Auch meine anderen früheren und jetzigen Mitarbeiter und Schüler
finden die Früchte ihrer Arbeit in diesem Buche wieder.
Dal! ich dabei nicht unterlassen habe, der Arbeit anderer Autoren
das Recht widerfahren zu lassen, auf welches sie Anspruch machen kön-
nen, wird deutlich aus dem Inlialt und dem Register dieses Buches her-
vorgehen.
Unserem Minister für Unterricht, Kunst und Wissenschaft — Excellenz
Dr. J. Th. de Visser — hin ich zu großem Dank verpflichtet für das
finanzielle Entgegenkommen der Regierung, woilurcb die Herausgabe dieses
Buches — ein schwieriges und kostspieliges Unternehmen in diesen Zeiten —
stattfinden konnte.
Den Präparatoren des Institutes, Fräulein I. Ketjen, Fräulein A. M.
H. DE L.\NGE, Herrn T. Brouwer und Fräulein C. Roozemeyer — deren
Serien den Plan dieses Buches ermöglichten — sowie Herrn Chr. Blas-
sorouLOS, dessen Künstlerhand die meisten Zeichnungen anfertigte, bin ich
ebenfalls zu großem Dank verpflichtet
Herrn Dr. E. van 't Hoog bin ich sehr verbunden für die genaue Dar-
stellung des Sach- und Autorenregisters.
Schließlich ein Wort des Dankes an die Verleger, die Firma Erven
F. BoHN, Haarlem, welche mir — wie bei der Herausgabe der Folia
Neurobiologica — immer das größte Entgegenkommen zeigten.
RvAirlo, 4 August 1920.
G. U. AriEns Kappers.
INHALT.
EINLEITUNG S. 1
ERSTES KAPITEL. TEIL I.
Die Histologie des Nervensystems „ 5
Die Morphologie der nervösen Elemente „ 5
Die innere Struktur der Ganglienzellen und deren Ausläufer
(siehe auch Addenda) . . . ., ,, 23
Die Verknüjjfungen der nervösen Elemente untereinander;
Zentralorgane , 30
Die Verbindungen der Zentralorgane mit der Peripherie . . „ 34
Das Hüllgewehe der Zentralorgane „ 41
Das Hüllgewebe der peripheren Nerven und ihre Rolle Ijei der
Nervenbildung ■ , 49
Das Bindegewebe der peripheren Nerven , 53
ERSTES KAPITEL. TEIL II.
Die Faktoren, welche den Bau und die Verbindung der Neu-
ronen bedingen „ 55
Die Lehre der Neurobiotaxis. Die Selektivität in den inter-
neuronalen Verbindungen. Die Verwandtschaft zwischen
psychologischen und anatomischen Gesetzen „ 60
Vergleichung der Neurobiotaxis mit andern Prozessen von
Taxis und Tropismus (siehe auch Addenda) ...:.„ 65
Monoaxonismus und Polydendritismus „ 68
Die Selektivität der neurobiotaktischen Prozesse in Überein-
stimmung mit psychologischen Gesetzen „ 70
Leitungsverbesserungen während der Phylogenese . . . . „ 73
Die Synaps „ 75
Die Markumscheidung der Achsenzylinder „ 77
Literatur zum ersten Kapitel „ 81
ZWEITES KAPITEL.
Die vergleichende Anatomie des Rückenmarkes „ 98
Das Rückenmark von Amphioxus „ 99
Das Rückenmark der Zyklostomen „112
Das Rückenmark der Plagiostomen „121
Das Rückenmark der Ganoiden und Teleostier „133
Das Rückenmark der Amphibien „ 145
/ f /^
VIII INHALT.
Das Rückenmark der Reptilien S. 157
Das Rückenmark der Vögel „166
Das Rückenmark der Sänger 182
Die niclit nervösen Bestandteile des Rückenmarkes bei den
Sängern nnd dessen Hüllen „ 224
Überblick über die Organisation und progressive Entwicklung
des Rückenmarkes „ 228
Ampbioxus „ 228
Zyklostomen „ 229
Plagiostomen „ 230
Teleostier „231
Amphibien „ 234
Rei^tilien „ 235
Vögel „237
Säuger 239
Literatur zum zweiten Kapitel „ 245
DRITTES KAPITEL.
Die Medullä Oblongata „ 266
Allgemeines über ihre Form und Einteilung ,, 266
Das sensible System der Oblongata. Die Branchialnerven . . „ 269
Amphioxus „271
Die sensible Wurzeln des Vagus, Glossopharyngeus und
Facialis. Der Geschmack „ 274
Die sensiblen Branchialnerven der Zyklostomen „ 279
Die sensiblen Branchialnerven der Plagiostomen (s. auch Addenda) „ 281
■ Die sensiblen Branchialnerven der Teleostier „ 284
Die sensiblen Branchialnerven der Amphibien „ 293
Die sensiblen Branchialnerven der Reptilien „ 298
Die sensiblen Branchialnerven der Vögel „ 301
Die sensiblen Branchialnerven der Säuger „ 305
Diskussion der peripheren Geschmacksleitung in Bezug auf
den Trigeminus „ 313
Der Nervus Trigeminus „ 316
Die Homologie des Trigeminus bei Amphioxus „ 318
Der Trigeminus der Zyklostomen „ 319
Der Trigeminus der Plagiostomen . . . „ 321
Der Trigeminus der Teleostier „ 323
Der Trigeminus der Amphibien „ 326
Der Trigeminus der Reptilien „ 327
Der Trigeminus der Vögel „ 331
Der Trigeminus der Säuger „ 335
Überblick über die Entwicklung der Branchialnerven und
deren zentrale Verbindungen „ 345
Literatur zum dritten Kapitel „ 352
INHALT.
IX
VIERTES KAPITEL.
Das Oct.wus- und L.\teralissystem S. 363
Allgemeines „ 3fi3
Das Latei'alis- und Octavussystem der Zj'klostomen . . . . „ 370
Das Lateralis- und Octavussystem der Plagiostomen . . . . „ 374
Das Lateralis- und Octavussystem der Ganoiden und Teleostier „ 382
Das Lateralis-und Octavussystem der Amphibien „ 392
Das Octavussystem der Reptilien „ 398
Das Octavussystem der Vögel „ 404
Das Octavussystem der Säuger „ -114
Überblick über den Bau und die Verbindungen der Octavus-
und Lateralisorgane „ 434
Die wichtigsten Gehörstheorien » "iJl
Literatur zum vierten Kapitel „ 443
FÜNFTES KAPITEL.
Das effektorische System der Medulla Oblongata (und des
MiTTELHIRXS) „ 449
Die motorischen Wurzeln und deren Kerne „ 449
Die Kopfmuskulatur von Amphioxus und ihre Homologa bei
den Kranioten „ 450
Das motorische System der Zyklostomen „ 456
(Das motorische System der Myxinoiden) : . . „ 461
Das motorische System der Plagiostomen „ 463
Das motorische System der Ganoiden und Teleostier . . . „471
Das motorische System der Amphibien „ 486
Das motorische System der Rej)tilien „ 489
Das motorische System der Vögel „ 501
Das motorische System der Säuger „ 513
Überblick über das motorische Sytem der Oblongata und des
Mittelhirns „554
Literatur zum fünften Kapitel „ 562
SECHSTES KAPITEL.
Das KOORDINATORISCHE SySTE.M DER OßLONGATA UND DES MiTTELHIRNS „ 572
A. Die retikulären Kerne „ 572
Amphioxus „ 574
Zyklostomen „ 574
Plagiostomen „ 576
Teleostier ,, 578
Amphibien » 581
Reptilien „ o81
Vögel „ 584
Säuger „ 586
Überblick über die retikulären (magnozellulären) Kerne der
Oblongata und des Mittelhirns „ 593
X INHALT.
B. Sonstige koordinatorische Sj'steme der Oblongata S. 597
Die Oliva inferior ,, 597
Zyklostomen „ 598
Plagiostomen . . . „ 599
Teleostier - . „ 601
Amphibien „ 601
Reptilien „ 601
Vögel' „601
. Säuger „ 604
Die ontogenetische Entwicklung des Olivenkomplexes bei den
Säugern ,, 613
Zusammenfassung der phjdogenetischen Entwicklung der Oliva
inferior „ 619
Literatur zum sechsten Kapitel „ 621
ADDENDDA ET CORRIGENDA „ i
SAGH-REGISTER „ m
AUTOREN-REGISTER , xxiii
EINLEITUNG.
Das Nervensystem fügt die Reize, welche dem Körper entstammen,
und die Reize, welche den Körper treffen, in einem mehr oder weniger
einheitlichen Verbände zusammen und ermöglicht es, daß dieselben auf
einem effektorisclien Wege abfließen.
Es verbindet die Eigenreize (propriorezeptiven Reize Sherrington's)
und konsolidiert sie zu einem Ganzen, in dem die Teile nicht unkennt-
lich werden, sondern ihr eigenes Gepräge bis zu einer gewissen Grenze
Ijehalten. Daneben und damit vereint es in derselben Weise die äußern
Fremdreize (exterorezejitiven Reize) und die mnern Fremdreize (interorezep-
tiven Reize).
Es ist üblich und richtig, die Elemente, welche das Nervensystem
aufbauen, in nervöse und nicht nervöse zu teilen. Den nervösen Elementen
fallen dabei die gesteigerten Funktionen der Reizbarkeit, Reizleitungsfähigkeit
und ReizverkimpfnngsmögMchkeit zu, welche (namentlich letztere) dem Ner-
vensystem seine besondere Bedeutung geben.
Es handelt sich aber dabei um allgemeine Eigenschaften des Protoplasmas
oder der lebenden Substanz, und als solche sind sie auch anderen Zellen nicht abzu-
sprechen und kommen sie auch den Tieren ohne Nervensystem zu.
So weisen die einzelligen Protozoen eine nicht geringe Reizbarkeit und
ebenfalls eine Reizleitungsfähigkeit und daneben die Möglichkeit auf, ver-
schiedene gleichzeitig einwirkenden Reize zu verknüpfen. Auch bei den
Spongien, welche noch nicht mit einem Nervensystem ausgestattet sind,
kommt neben der Reizbarkeit ihrer Zellen eine Reizleitungsfähigkeit vor,
die sich nicht auf den Körper der gereizten Zelle beschränkt, sondern inter-
zellulär ist, indem sie auf den protoplasmatischen Interzellularbrücken über-
geht, welche neben einer Diffusion eines einzelnen Reizes auch Verknüp-
fungen gleichzeitig einwirkender Reize ermöglichen.
Eine solche interzelluläre Reizleitung mittels Protoplasmabrücken außer-
halb des Nervensystems ist auch liei Embryonen von Amphibien nachge-
Kappers. I
2 EINLKITUNG.
wiesen (Schaper, Goldstein, Wintrehkut) und irn glatten Muskelgewebe
vorhcanden.
Es ist nur die Steigerung fler genannten Funktionen, welche eine Zelle
als nervös charakterisiert.
Eine andere allgemeine Eigenschaft (Hering, Butler, Layiock, Se.njon)
der lebenden Substanz, welche im Nervensystem besonders auffällt, ist das
Innerungsoefmögen für Reizjolgen (die Eiigrammbildnng), d. h. die Eigenschaft,
daß ein durch den Keiz hervorgerufener Folgezustand länger andauert
als der Heiz, der ihn zum Vorschein rief.
Daß dieses Innerungsvernn'igen mehr rlen Nervenzellen eigen ist als
andern Zellen, ist nicht bewiesen. Manches spricht sogar dafür, dal) es in
den ersteren weniger entwickelt ist. Das Inner\nigsverm("igen des Gehirnes
fällt uns aber mehr auf, weil seinen Konsequenzen unter gewissen ITni-
ständen in unserm „Bewusstsein" etwas entspricht, was man von dem
Tnaerungsvcrmögcn z. B. von Knochenzellen nicht sagen kann.
Das Innerungsvermögen bedingt nämlich die Erinnerung (hesser Eräus-
serimg ; Ekphorie), welche durch das Keizleitungs- und Reizverkiiiijifungs-
ver mögen ausgelöst wird.
Unter Erinncrnng versteht man die Eigenscliaft, daß Eindriicke, welche
latent sind, sich wieder äußern durch lieize, welcJie den früheren Ein-
druck entweder direkt (dui'ch erneute Wahrnehmung) oder indirekt (auf
einem mit dem geinnerten Eindruck verknüpften Umwege) aktivieren.
Dieses Erinnennigsvernn'igen ') dürfte dem Nervensystem mehr eigen
sein als irgend einem andern Teil des Körjicrs und ihre Ekphorie hat
außerdem die Eigentümlichkeit, bald wieder aus dem Bewußtsein ver-
schwinden zu köiuien ohne daß das Engramm verloren geht -).
Es wäre indessen unrichtig zu denken, daß mit diesen Eigenschaften :
Reizbarkeit, Leitungsfäliigkeit, Reizverknüpfungsvermögen, Innerungsver-
mc'igen und Ekphorie alles gegelien wäre, was in der Ausbildung des Ge-
hirnes und dessen Funktionen eine Rolle spielt.
Eine Maschine, welche nur damit arbeitete, würde zwar stets reicher
werdende Verknüpfungen erlangen, würde jedoch kein innerliclics Streben, zu
jenen Verknüpfungen und bewußte oder unbewußte Auslese dabei zeigen.
In dem Nervensy.stem aber arbeiten diese Eigenschaften unter dem
Einfluß eines besondern Dranges, einer Tendenz, welche dem Nervensystem
als lebende Substanz eigen ist un<l welche von ihrer Natur als lebendes,
sich ergänzendes und zwar sich ihrer besondern Natur nach ergiinzendes Wesen
bedingt ist.
Dieses Streben muß in der \'erarbeitung der Reize eine Rolle mit-
spielen, eine Rolle, welche wir vorläufig nicht näher bezeichnen können
') Namentlich das indiiekte, auf assoziativem Wege entstehende.
') Wie es übiigens hei der wiederholten Regeneration, nach wiederholtem Abschnei-
den von Körperteilen auch der Fall ist.
KINLKITlINfi. 3
und welche, außcrlialb als ein unbestimmtes Empfinden von Denkdrang
und Willen, nur in ihren Folgen von uns erl^annt wird.
Diese Folgen zeigen sich in der fortschreitenden Entwicklung des
Gehirns (und des Geistes) innerhalb des Rahmens einer Einheitliclikeit i),
in der fortschreitenden Differenzierung und Adjustierung seiner Elemente
und einer steten Schaltung derselben.
Die anfänglich mehr oder weniger heterologe Koinzidenz getrennter
Einflüsse mid AVirkungen kommt in dem Gehirn zu einer stets umfang-
reiclier wei'denden und feiner angepaßten Konsolidierung worin die Zusam-
memvirkung der Körperteile (Eigenreize) in hezug avf die Außemvelt (Fremdreize)
stets größer wird.
So weist namentlich die Entwicklung der Hirnrinde auf eine stets
umfangreichere und feiner angepalite Schaltung zahlreicher Eigenreize
und Freradreize (namentlich in der Stereognosis).
Diese Entwicklung des Nervensystems wird l^egünstlgt durch die Aus-
l)ildung besonders empfindlicher Stellen (Sinnesorgane) und kann dadurch,
namentlich bei ln'ihern Lebensformen, geleitet werden von Einflüssen (Rei-
zen), welche sich kaum mehr als körperlich wirksame Einflüsse gelten las-
sen, obschon auch in dem Nervensystem die sogenannten „vitalen", das
lieilit die dem K/lrper selber schadenden oder nutzenden Reizrealisierun-
gen, sich eher ausbilden — älter sind — als die mehr objektieven „gnosti-
schen" Realisierungen, wie wir es sehen werden in der phylogenetischen
Entwicklung der Rückenraarksfunktionen, in derjenigen des N. Octavus
und der Optik -'), avo die für den Körper und dessen Stand, also subjektiv
notwendigen (vitalen oder „protopathischen") Funktionen eher zur Ausbildung,
kommen als diejenigen, xvelche zu unserer sog. objektiven (gnostischen oder
„epikritischen" ) Kenntnis der Außemvelt beitragen.
Die in das Nervensystem eintretenden Reize können mittels abführen-
der Nervenstrecken abfließen in Handlungen, worin ihnen ein Ablauf gestellt
wirdt, ein eventuell bekanntes „äußeres Ziel".
Dieser äußere Ablauf ist nicht notwendig anwesend in den aufführen-
den Nerven sirecken, wo die empfangenen Reize resultieren können in Schaltun-
gen, die in sich selber ein Gleichgewicht bilden.
Dieses Gleichgewicht in sicli selber legt der Reizverwertung zwar auch
eine Auslese auf, gil)t ihr eine Tendenz, deren Endpunkt, jedoch erst
erkannt wird, wenn es erreicht ist. Mit anderen Worten die innere Aus-
l)ildung des Gehirnes (und des Geistes) geschielit nicht in teleologischer
') Auch dies ist siclier keine besondere f]igenschaft unseres Nervensystems. Sie findet
ihren Ausdruck auch in der Tendenz des übrigen Körpers sich zu differenzieren, funktionell
zu ergänzen, und doch eine Einheit zu bleiben.
^) Die vitalen (pi'otopathischen) Funktionen der Riickenmnrksnerven sind Schmerz,
grober Temperatur- und nicht scharf lokalisierter Berührungssinn; diejenige des Opticus
die Photo-stutik; diejenige des Octavus die Gravi-statik (^ Gleichgewichtsemplindung).
4 EINLEITUNG.
sondern in entelechischer i) Weise, d.h. ohne daß das zu erreichende als be-
kanntes Ziel im voraus visiert werden kann.
Die.s gilt für die Evolution im ganzen, denn auch unsere aft'enahnliche Vor-
fahren haben das noch nioht bestellende Menschenbild nicht als Zweck vor Augen
haben können.
Wir kommen also zu dem Schluss, daß verschiedene Eigenschaften,
welche wir als all,s;emeine Eigenschaften des lebenden Protoplasmas ken-
nen, im Nervensystem in den Vordergrund treten, sei es, daß sie dort mehr
ausgeprägt sind, sei es, daß ihnen nur dort in unserm Bewußtsein etwas
entspricht.
Diese Eigenschaften sind Reizbarkeit, Reizleitungsvermögen, Reiz-
Innerungsvermügen mit der sich daran anschließenden Korrelation und
Erinnerung.
Diese Eigenschaften stehen im Dienste eines Dranges, der sich äußert
als eine, stets mehrseitig korrelierten und feineren CTleichgewichten nach-
strebende Tendenz, welche dem Leben eigen ist und seine progediente
Evolution bestimmt.
Die Gestaltungen, welche die einzelnen Elemente dabei annahmen und
die Schaltungen, welche sich dabei ausgebildet haben, werde ich in den
folgenden Zeilen be.sprechen.
Daß es sieh bei den Funktionen des (lehirnes tatsächlich um eine besondere
Entwicklung und besondere Ausbildung von Eigenschaften handelt, welche der
lebenden Substanz im allgemeinen eigen sind, und daß nicht nur die Erinnerung
(Hering, Semon), sondern auch das WEiiER'sche (lesetz, die Konzentrierung (.\uf-
merksamkeit) und die Assoziation zeitlich korrelierter Reize eine allgemeine Eigen-
scliaft der lebenden t^ubstanz ist, habe ich eingehender an anderer Stelle dargelegt
(Journal of Comp. Xeurology 1919). Hier kann ich nicht ncäher darauf eingehen.
Nur möchte ich auch hier betonen, daß die geistigen Eigenschaften, die uns
bewußt werden. Bewußtwerdungen von „allgemeinen" Eigenschaften der lebenden
Substanz sind, und daß auch unsere bewußte „Logik" nur ein Kind — das jüngste
und in mancher Hinsicht das schwächste Kind — der allgemeinen und schaffenden
Logetik der lebenden Substanz ist. -)
') Bei teleologischen Verrichtungen ist Her Logos des Telos, die Kenntuiß des Endes
(Zieles) da. Bei der Entelechie (Aristoteles) liegt das Wesen des zu erreichenden in der
Wirkung, welche erst ausgewirkt mulS haben, um uns ihr Ziel zu zeigen. Enteles echein
= die Vervollständigung in sich haben.
Die Intuition, in der die ungesuchten Anschauungen in uns aufblühen, wirkt reiner
entelechisch als der zielbewuste — zweckvisierende Verstand. Bei der Intuition (bei
dem reinen entelechischen Denken) ist man sich manchmal nicht einmal bewußt von
einem Streben nach einer Lösung, doch kristallisiert die Lösung aus sich selbst heraus.
Das zielbewußte Denken aber ist nicht voraussetzungsfrei und oft einseitig.
-) Der Ausdruck: „Logetik der lebenden Substanz" ist nicht im materialistischen
Sinne gemeint, d.h. die lebende Substanz ist hier nicht als Schöpfei- der Logetik gedacht,
aber die Logetik, welche der lebenden Substanz (sowie der ganzen Welt) inhcrent ist,
hat aucli diese lebende Substanz geordnet.
KRHTE8 KAPITEL.
DIE HISTOLOGIE DES NERVENSYSTEMS.
Die Morphologie der nervösen Elemente.
\'on den nervösen Elementen werde ieh zunächst die Sinneszellen
beseii reiben.
Absichtlich stelle ich mit den Hektwigs, Droogleevkr Fortuyn u. A.
die Sinneszellen und nicht die
Ganglienzellen voran. Denn
erstens tritt der Reiz in den
meisten Fällen mittels Sinnes-
zellen in den Tierkörper ein
und geht also in der Tätig-
keit des Nervensystems die
Sinneszelle der Ganghenzelle
voran.
Zweitens hat man guten
(irund die Sinneszelle und
zwar die Sinnesnervenzelle, als
l>hylogenetisch älter zu be-
trachten, und sich die Gang-
lienzelle aus der Sinnesnerven-
zelle hervorgegangen zu den-
ken.
In Übereinstimmung da-
mit ist, daß die Sinnesnerven-
zelle histologisch einen primi-
tiveren, weniger differenzierten Giiarakter
Fig'. 1. Riechnervenzellen (R) des Kaninchens
Nach G. Retzrts.
fo. = lila olf. activa (Nervenfortsätze),
gl. = gluinenili (Endigung derselben).
als die Ganglienzelle aufweist,
6
DIE SINNESNEU VKNZEIJ.KX.
indem ihr Zelleib keine Tigroidsubstanz und ihr Neurit keine Mark-
scheide bildet.
Die Sinnesnervenzelle (Fig. 1), als deren Prototyp bei den Wirbeltieren
die Riechnervenzelle betrachtet werden kann, unterscheidet sich von der
reinen Sinneszelle dadurch, daß sie sich in einer Nervenfaser, dem Nerven-
fortsatz, fortsetzt.
Ihr Zellkörper liegt meistens im Epitliel und manchmal an der Ober-
tiäclie des Körpers, in welchem Falle sie sehr oft ein oder mehrere
Sinneshaare trägt.
Diese Sinneshaare können zugespitzt sein, wie im Riechepithel, oder
knopfförmig enden, wie im Saccus vasculosus der Fische (Fig. 2) und
stehen in dem Zellleib mit Körnern oder Doppelkörnern, sog. Diplosonien
in Verbindung (vergl. Fig. 2), welclie als Derivate von Zentrosomen und
oti'enbar als rezeptorische Gebilde zu betrachten sind (s. auch S. 18).
Wenn die Hauptmasse des Zell-
körpers unter dem Deckepithel liegt,
weist die Zelle einen dünnen Fortsatz
zur Oberfläche auf. Ein solches Bild
bieten manchauil die Kiechnervenzellen
■mÄ
^ Diplos.
Stiitzz.
(siehe Fig. 1)
Nervenfoitsätze
(abgeschnitten).
Fig. 2. Sinnesnervenzellen aus dem
Saccus vasculosus von Trutta
iridea, n. Dammeuman.
Die Sinnesnervenzellen können auch
in einer Innern Raumbekleidung liegen
— wie in dem Saccus vasculosus der Fische,
wo sie dem Liquor cerebro-spinalis zu-
gewandt sind.
Ausnahmsweise erreicht die Zelle
oder ein Ausläufer ilavon niclit die
Oberfläche, sondern es liegen darüber
einige Zellschichten ausgebreitet, wie
dies u. a. bei den Gesichtszellen des
zusammengesetzten Auges der Insekten
und bei manchen Würmern der Fall ist, oder aber die Sinnesnervenzellc
liegt sogar im Zentralnervensystem eingebettet, wie die Sehzellen im
Rückenmark von Amphioxus (vergl. Fig. 50). In solchen Fällen können
die Sinneshaare durch einen mehr gedrängten StiftcJicn- oder Palissadensaum
ersetzt sein (siehe Fig. 51).
Die Sinnesnervenzellen weisen in ihrem Protoplasma deutliche Fibrillen
auf (Fig. 2 und 51), welche sich in ilire eferenten Ausläufer fortsetzen
und manchmal eine sehr be.sondere Anordnung aufweisen, wie in den
Lichtzellen von Amphioxus (Boeke).
Der eferente Nervenfortsatz ist meistens unverzvveigt und zielit fast
immer ins Zentralnervensystem, oder (bei niederen Tieren) in einen sub-
epitlielialen Ganglienzellplexus hinein. Er führt nie eine ^hirkscheide, wie
der Axon mancher Neuronen sie führen kann, unrl hat eine viel geringere
DIK SINNESNEKVENZEI.lJCiV. /
Leitungsschiielligkeit 1) als jener. Durch den Besiti5 eigener Fibi'illen und
eines Nervenfortsatzes unterscheidet sich die Sinnesne?'DenzelIe von den
reinen Sinneszellen (Fig. 4). Sie gestatten der Sinnesnervenzelle, den empfan-
genen Keiz auf gruiiere Strecken weiterzuleiten.
Das Ve)-mögen der Reizaufnahme, welches sich besonders in, der reinen
Sinneszellc entwickelt, und das Vermögen der Heizleitung, das besonders der
Ganglienzelle eigen ist, sind also in d.er Hinnesnervenzelle noch vereinigt.
Der primitive Charakter der Sinnesnervenzelle tritt auch dadurch
hervor, daß sie für sieh allein ein vollständiges, unabhängiges Nerven-
.systeni bilden kann, indem ihr Nervenfortsatz sich in einigen Fällen nicht
dem übrigen Nervensystem ansehlieüt, sondern unmittelbar eine Muskel-
faser innerviert. Aller Wahrscheinlichkeit nach ist dies manchmal bei
Coelenteraten der Fall und in den Fühlhöruern der Sclniecken.
Die Sinnesnervenzelle kann indessen, durch besondere Umstände, ilii-en
langen Nervenfortsatz erheblich einkürzen sodaß sie, oberflächlich be-
trachtet, einer Sinneszelle ähnelt.
Letzteres ist der Fall mit den Sehzellen der Wirbeltiere. Während die
Sehzellen der niederen Tiere alle Charakteristica der Sinnesnervenzellen
haben wegen ihres langen zellnlifugalen Ausläufers und ihrer deutlichen
NeuroflV)rillen, liilden die Stäbchen und Zapfe» der Wirbeltier- retiiia, obschon
wesentlich Sinnesnervenzellen, gewissermaßen ein Übergangsstadium zu den
reinen Sinneszellen -), weil ihr zellulifugaler Ausläufer sehr kurz ist. (Siehe
Fig. 3C') und weil es nicht sicher ist, ob die Längsstreifung in ihrem
Innern (Fig. oB) ein Ausdruck von der Anwesenheit wirklicher Neuro-
fibrillen ist. Schneider und Bernakd betrachten sie als solche. Gaupp
und Kolmer als Kanellierungen 3).
In diesen Zellen liegen die Dvplosomen, ebenfalls in dem dem Reiz
') Nach Ambronn und Helh haben die Fila olfactiva des Hechtes eine ganz dünne
Markschicht. Farblich ist diese jedoch nicht zu demonstrieren. Es handelt sich dabei
vielleicht bloß um eine Lipoidschicht.
Ihre Leitungsschnelligkoit pro Sekunde ist 0.75 M. gegen bisweilen 60 — 1'20 M. in
den Achsenzylindei'n der Neuronen. Die größere Leitungsschn'elligkeit markhaltiger Ach-
senzylinder hängt zweifellos zusammen mit der Ausbildung des Myelins (siehe am Schluß
dieses Kapitels).
') Ich will hieiniit nicht behaupten, daß die reinen Sinneszellen aus Sinnesnerven-
zellen hervoi'gegangen sind. Eher bin ich dazu geneigt, anzunehmen daß sie ursprüng-
lich Scheidenzellen, eine Art Lemnoblasten, sind, die sich besonders spezialisiert haben
weil ihre Lage und ihr intimer Verband mit Neuiofibrillen günstig waren; wissen wir
doch auch (siehe die Einleitung) daß das Vermögen der Reizbarkeit nicht nui' beschränkt
ist auf das Nervensystem, sondern eine allgemeine Eigenschaft des Protoplasmas darstellt.
') Das Faserellipsoid der Zapfen ist nicht als ein neurolibrilläres Gebilde zu betrach-
ten, weil es nicht in den Fortsatz durchgeht. Indessen wachsen von außen her keine
Fibiiilen in sie hinein, wie es bei den reinen Sinneszellen der Fall ist (s. u ) und müssen
wir m. E. annehmen daß die Zapfen und Stäbchen der Ketina doch ganz feine Eigen-
fibrillen führen.
IHK SJNXESNKKVENZKLLEX
TelL.
T) Iplo^o n\en.
1 . . ''S\*3-'^/
.I.f.
Fiff. 3 .1.
Stäbchen -
Zapf
Sinuesuerveu
Zellen.
Schal tzellen.
Optikus-
faserzellon.
Fi-. 3 B.
Fig. 3 C.
Fig. 3. Die Sinnesnervenzellen (Stäbchen unil Zapfen) der Retina.
A. In einem Lachsenibryo n. Fürst. Man beobachte die Lage der Diplo-
somen in dem zukünftigen perzipierenden Teil der Zellen.
B. Ausgewachsene Zapfen (links) und Stäbchen (rechts) in dem Auge
eines Knochenfisches (Blennins) n. Koi.mku. Man beachte die Lage
der Diplosomen und deren Verbindung mit dem Aulienfaden (A. f.)
und Innenfaden (I. f.).
C. Die Verbindung der Zapfen und Stäbchen mit Ganglienzellen n. Van Gehuchtkn,
DIE KKIXKN ^^I^■^■1•:SZEL1.EN. 9
zugewandten Absc;lniitt des Zelleibes (Fig. oA und 'Mi). In ausgewachsenen
Tieren findet man sie auf der Grenze des Innen-und Außengliedes und
stehen sie in \'^ei'bindung mit einem starken „AuDenfaden" der dem Reiz
zugewandt ist (Kolmek Held, Retzius) und — weniger konstant — mit
einem schwachen Innenfaden.
Es können sicli in den Stäbchen und Zapfen besondere Gebilde, wie
die Stäbchenellipsoide der Vertebratenretina oder eigentümliche StoH'e
{Sehpurpw, Bull) entwickeln, für deren Bedeutung für daß Farbensehen
ich auf die Spezialabhandlungen verweise.
Die Zapfen und Stäbchen der Retina haben die Eigentümlichkeit, dali
sie Tropismen aufweisen bezüglich des Lichtes (Engklmann, van Gendeuen
Stokt). Die Zapfen sind positiv phototrop; die Stäbchen negativ phototrop
(nur schwach, namentlich bei höheren Tieren: Gakten).
Diese Erscheinung ist auch deshalb wichtig für uns, weil sie beweist,
daii Elemente des Nervensystems auf Reize tropistisch reagieren können
und zwar sowohl in stimulo-petalem, wie in stimulo-fugalem Sinne. (Vergl.
am Schlusz dieses Kapitels, die Lehre der Xeurobiotaxis). —
Typische Beispiele von reinen Sinneszelloi, sind die Zellen der Gehör-
und Gleichgewichtsorgane (Fig. 4) und der Geschmacksknospen (Fig. 122).
Sie unterscheiden sich von den Sinnesnervenzellen. durch einen Mangel
an Eigen-fibrillen und namentlich durch den Mangel eines Nervenfortsatzes.
Es sind hauptsächlich perzipierende, viel weniger leitende Zellen.
Ob sie phylogenetisch hervorgelien aus Sinnesnervenzellen ist unsicher.
Persönlich bin ich eher zu der Annahme geneigt, daß sie aus gewöhnlichen
I'jpithel- oder aus Hüllzellen entstehen.
Die Sinneszellen, welche an einer Oberfläche liegen, weisen auch
Sinnes-/taa?'e auf, welche ebenfalls in \'erbindung stehen mit Diplosoinen
und verschiedene Gestalten annehmen können.
Nicht immer erreichen aber die Sinneszellen die Oberfläche des Epi-
thels, wie die MERKEL'schen Tastzellen der Säugetiere (Fig. 27A) beweisen
und liegen sie sogar bisweilen im Bindegewebe. In solchen Fällen tragen
sie keine Sinneshaare.
Ob die wahren Sinneszellen sich imujer aus Epithelzellen entwickeln,
war lange Zeit eine Streitfrage. Nach der Meinung Boeke's und seiner
Schüler ist dies nicht notwendigerweise der Fall.
Eigene Fibrillen gehen den Sinneszellen — wie gesagt — ab. Die
Fibrillen, welche man darin findet, sind Fortsetzungen der Fibrillen der ihnen
zustrebenden peripheren Nerven (London, Kolmer, Boeke).
Das Zentrosom ist in allen ausgewachsenen Sinneszellen noch nicht
nachgewiesen. In den Hörzellen wurde es indessen von Held gefunden
in dem dem Reiz zugewandten Abschnitt der Zelle (Fig. 4) und scheint
es mit den Hörhaaren zusammenzuhängen in ähnlicher ^\^cise, wie die
Diplosomen mancher Sinnesnervenzellen mit den Sinneshaaren.
lU
DIK KEIMON SINNEjiZELLEN.
Sowohl die Sinncszelleii ah die Sinnesnervenzellen enthalten niemals iMssl'-
sehe Körper {Tigrold-suhstanz.)
Sinnesliaar.
Sinnes
Zellen.
Diplosom.
Stutzzelle.
Bind. z.
Sens. Neiv. — — — — " , ~ ~ Jt ' ' '
von ^■^.^j/^^^^')^,' _--i
Lanterm. — ^"^ ^ — '' —
Markscheide.
Kig. 4ii. Keine Sinneszellen und Stiitzzellen aus der Crista acustica
von Proteus anguineus n. Retzius.
Hörzellon.
Nerv.
NebiMi den Siiiiiesiierven-
zellen und Siuneszellen spielen
die Ganglienzellen, die sich von
den obengenannten Zellen un-
terscheiden durch den Besitz
von Nissi/schen Körperchen
(Tigroidsubstanz, Fig. 6). eine
große Rolle.
Während einige Unter-
sucher, wie Kleinenüerg
(vergl. Parker) geneigt sind
die Ganglienzellen — Nerven-
zellen sensu strictiori — abzu-
leiten von den primitiven
Neuro-muskularzellen der Aktinieii, sind die Hektwi
Vh^. 41). Schematische Darstellung dei- Hur-
zellen in dem CoRTi'snhe Organ. Man beacliie
die Lage des Zentrosoms (oberhalb des Ker-
nes) in dem dem Reiz zugewandten Abschnitt.
lin<l DROOliLEEVEU
DJ]-; l'KIMl riVlOX (iANIiLIEXZKT.LKX.
11
Fortuyn mehr ,n'eneigt darin eine weitere Ausbildung' der iSinue.snervenzellen
zu sehen.
Hierfür spricht m. E. auch die Tatsache daß manche bipolare (sen-
sible) Ganglienzellen der \'ertehraten aus sog. Plakoden hervorgehen, welche
nichts anderes sind als im Deckepitliel vorkommende örtliche Anhäufungen
einer Art Sinneszellen. Auch können junge, Inpolare Ganglienzellen (Fig. 8^')
Sinnesnervenzellen (siehe P'ig. 1) selir ühnlich sein.
Indesseu ist die l'^rage, ob die Nerven-Muskelzellen der niederen AVirbellosen
in ihrer weitereu Ditterenzierung beitragen zu der Bildung motorischer (4;uiglien-
zellen, damit nicht eo ipso verneinend zu beantworten.
Ifh werde aber die weitere Diskiis.iion dieses Punktes den Kennern der Wir-
bellosen überlassen.
Die Ganglienzellen können wieder in zwei Hauptgruppen verteilt werden.
Die erste Hauptgruppe ist diejenige, in welcher die Ausläufer der Zelle
keinen histologischen oder
funktionellen Unterschied auf-
weisen, wobei die sog. Polari-
sation der Audiiu.fer fehlt.
Man spriclil dann yow
primitiven Ganglienzellen. In
Übereinstinnnung mit dem
Mangel an Polarisation ist
eine Durchströmungsmöglich-
keit solcher Gangliensysteme
in beiden Richtungen vorhan-
den, und spricht man deshalb
auch wohl von einem asgnap-
talen ^) Netzwerk.
Die primitiven (jangüen-
zellen sind bipolar oder (öfter)
multijiolar. (Siehe Fig. 5 in der
Mitte). Ilire Fortsätze sind
einander völlig gleich und wei-
sen nie eine Markscheide auf ,.. r »,t u- i • •.■ r. i-
I' ly. o. Multipolare primitive Ganglienzelle
(Vergl. auch S. 22). (i„ dg, Mitte)
Bis jetzt verfügt man noch des Baiichstranges eines Regenwurmes, n. Retzius.
nicht über ein histologisches '-*'^'=" ^^'C' imiliolare Neurunen.
Kennzeichen, um die Rich-
tung zu bestinnnen, in welchei- der Reiz einen bestimmten l''urtsatz i>e-
') Von a = a |irivans iind Synaps illi. Verbindung is.u.). Uer Nanje Synaps Ijcdeutct
zwar „Verbindung' ebne weiteres, man verstellt (biiiinter abei- in der Nenrebigie eine
polarisierte, d.b. einseitig ilurchlässige Verljindung.
12 DIE POLARISIKUTEN GAXtiLIEXZEI.LEN ODER NEURONEN.
wohnlich durchläuft, es .sei denn, dall dieser mit einer Sinnesnervenzelle
oder einer Muskelfaser zusammenhängt.
Diese Zellen i) sind zahlreich hei den Coelenteraten und auch hei den
Würmern. Bei Wirheitieren kommen daran verwandte Formen nur vor
in dem sympathischen System (s. Seite 21).
Die einseitige Durchströmungsmöglichkeit, welche man als das synaptale
Verhalten des Nervensystems bezeichnet, tritt erst auf mit der besondern,
dynamischen. Polarisation der Ganglien,
wie man sie in den Iiöheren Ganglien-
zellen oder Neuronen findet, wobei ein
Ausläufer, der Achsenzylinder oderiVew-
rit, unter pliysiologischen Umständen
bloß zellulifugal leitet, während die
andern Ausläufer, die Dendriten, nur
zellulvpetal leiten.
Der Neurit, der zellulifugal leitet,
ist meistens dünner als der Dendrit
und unterscheidet sich von diesem
aulierdem durch den Mangel an Nissl'-
schen Körperchen und einen gros-
sem Gehalt an Alkalichloriden (s.u.).
Sein Anfang wird als A.ivnhiigel be-
zeichnet (Fig. G), sein Ende nennt man,
T "^ '^^ jfitftiLT (falls es sich nicht mit einer Muskel
,- 1- ^M .iam, ^^Sri. oder Drüse verbindet; s.u.), Teloden-
^ -371 ^*t ee^/ ff X^^ I dnon, wenn es, wie dies meistens der
^\^ *» Tfi^^*' J Füll ist, reichlich verästelt ist (vergl.
' ^ * — ^-'*' ^ die Endverästelung der Sehnervenfa-
sern (f.ojjt.) in Fig. 11-'). Sonst spricht
/^xon. man von einem ^;idÄor6 (Fig. 22) oder
l:' einer Endplatte (im Nucleus tangen-
Fig. 6. Pyramidenzelle aus de.- Rinde t^'^lis ; siehe Kapitel IV).
des Menschen. Die Dendriten, deren Protoplas-
mastruktur, aucli durch der Besitz von
Tigroidschollen, gänzlich mit der des Zelleibes übereinstimmt (Fig. G),
können sich über meiirere Flächen ausbreiten, aber auch in einer Fläche
orientiert sein. Dies hängt ab von den Reizen, die ihnen zuströmen.
{Neurobiotaxis ; siehe am Schluß dieses Kapitels).
Eine flache Ausbreitung kommt vor bei den Dendriten der Purkinje-
Zellen (Fig. 7) und bei den motorischen Uückenmarkszellen von Petro-
myy.oii (Fig. 5G und 57). Bei den erstgenannten Zellen weisen sie ganz
') Die Lage des Zentrosoms in diesen Zellen ist noch zu wenip- untersucht. (Vergl.
Hamaker, Lewis, Smali.wood und Rogers.)
DIR POLAKISIKRTKN (i A X(il,IKNKTJ,RN ODER NEl'RONEX.
n
kleine Dornfortsälze auf (/Voms.^fx spkiosl oder moidlifonnei<), was ancli Ixm
den Zellen des Slriatums und des Ammonsliornes der Fall ist.
Die Schallung der Neiironen findet nur so statt, daß heteronome Teile
3
Fig. 7. FIlirheniMisdelinung der Dendriten der Purkinjezeilen
in der Kleinliirnrinde der Katze.
7 A. Srhnitt pniulell zu den Finrlien. 7 R. Senkrecht zu den Fnrehen.
sich miteinander verbinden. Nie findet eine Verbinding von Axonen
untereinander, oder von Dendi'iten untereinander statt (.siehe weiter S. 80).
Der Zellkrirjier kaini aufier der Nissi.-8ubstanz und den Fibrillen, ver-
schiedene andere Gebilde : Trophospon^rien etc. aufweisen, welche allen
Ganglienzellen eigen sind, und worauf ich später (Seite 23) weiter einge-
hen werde.
Diese h(")heren ({anglicitzellen oder Neuronen kann man der Form nach
in unipolare, bipolare und multipolare unterscheiden. Bei den %mipola.ren
Neuronen, tritt der Neurit oder Axon nicht seliiständig aus dem Zellkr>rper
hervor, sondern bildet gemeinschaftlicli mit dem Hauptdendriten einen
Stammfortmiz, welcher der einzige Fortsatz der Ganglienzelle ist. Der Reiz
läuft alsdann in diesem Stammfortsatz in beiden Richtungen.
Es ist auö'allend, dafi dieses unipolare Neuron bei manchen Wirbel-
lo.sen : Würmern (Fig. 5) Schnecken und Arthropoden, der am häufigsten
vorkommende Ganglienzelltypus ist.
Es handelt sich dort oflcnbai' um eine primäre Monopolariild, welche
in diesen Fällen mu' lieweist, dali der unipolare Fortsatz im wesent-
lichen eine Verlängerinig des Zellleibes ist und (wie dieses) einen Neuriten
abgeben kann.
Naeli Lewis ist das Verhalten des Zellausläiifers zu dem Zpiitroxom in diesen
Zellen nicht konstaut. Erstgenannter f^'elit meistens aus einer Stelle der Zellober-
Hiichc hevv(n', welcher zwischen Zentrosom und Nucleus liegt.
Es gil)t al)er Neuronen in denen ilie Unipolarität sekundär ist und aus
einer sekundären Annäherung antipolar entstandener Ausläufer einer ur-
sprünglich bipolaren Zelle hervorgebt. Dies ist der Fall liei den spinalen
Ga)i(]lienzclleu {V\g. 8).
14
DU'; IMir.AKISTEKTEN (; ANliUENZKLIKN onKK NEVRONKN.
Die Grünile, welclR' diese Anii;ilienuip: veranlassen, sind niclit genügend
ermittelt.
Es scheint mir, daß die nach außen vor sich gehende Verlagerung
der Zelleiljer, welche die Spinalganglienzellen wahrend der Ontogenese
und der Phylogenese aufweisen, keine Erklärung gibt für eine so intime
sekundäre Vereinigung von Hauptden-
drit und Achsenzjiinder, und daß hier-
hei vielleicht auch andere Einflüsse eine
Kolle spielen. Der rezeptorische Ausläu-
fer der Spinalganglienzellen ist auch in
anderer Hinsicht vei'schieden von den
Dendriten im Zentralnervensystem, weil
er der einzige Dendrit ist, der eine Mark-
scheide bildet. In der Beziehung be-
nimmt er sich also wie ein Axon.
Es ist nicht unmöglich, daß unter
gewissen Umständen von der Zelle ') her
zugleicherzeit Eeize nach dem Eücken-
mark und nach der Peripherie ziehen,
und dabei also eine gleichgerichtete
Durchstn'imung in dem T-stück stattfin-
den kann, welche auf die Konsolidie-
rung der Ausläufer zu einem Ganzen
einen Eintluß ausübt.
Der periiihcre Ausläufer kann ein
freies Ende aufweisen oder mit Sinnes-
epithel in Verbindung treten (Fig. 27).
Die Spi)ialgangliemellcn mit freien
Endigungen nehmen teilweise eine Son-
derstellung ein, indem sie zwar ganz
den Charakter eines Neurons haben, aber ihr Dendrit, der besonders lang
.sein kann, selbst den Reiz aufnimmt, statt ihn von einer andern (z. B. Sinnes-)
Zelle zu übernehmen. Diese Zellen sind denn auch nicht durch Umwand-
lung aus primitiven Ganglienzellen entstanden, wie die andern Neuronen,
Fig. 8. Ganglion Gasseri eines Embryo
von Cavia cobaya n. v.\n Gkhuchten.
Übergiinge (ft) vun bipolai'en Gang-
lienzellen {a) in nionopoliiren
Ganglienzellen (c).
') Sicher ist, daß diese Zellen manchmal Reize aus dem sympathischen Nervensysteme
aufnemen, welche Reize nach dem Rückenmark und nach der Peripherie übermittelt
werden. Letzteres dürfte die Korrespondenz gewisser Hautabschnitte mit einem gewissen
Bezirke der Eingeweide (Head) welche manchmal deutlich bei -Aflektionen der letzteren
zu Tage tritt, erkhiren.
Kiese peiiphere Leitung könnte sowohl zu einer grüliern Empfindlichkeit jener
llautabschnilte ^Herabsetzung dei- Reizschwelle) beitragen, als auch gewisse segmentilre
Eruptionen erklären (Herpes zostei).
Daß der periphere Ausläufer aber als Dendrit angelegt wild, geht aus seiner
sjiStern Bildung hervor.
DIE l'dLAIMSIKirnON (i A NOI.I KNZKI.LKX ODKK NICriJONKX lö
sondern sie sind (teihvcMsc direkt) von ursprünglichen SlnnesncrveiizeUru, sog.
Plakodenzellen abzuleiten.
AVährend das Zentrosoni in der Hpinalganglienzelle — so lange diese
liijMilar ist — wie es sclieint, dem Dendriten gegenüber liegt (Fig. 9-') findet
Centi'os.
Duiidritfii.
"'T
^ ■-. Aclisenzyl. foits.
Fig. 9A. Lage des Zentrosoins in
dem dendritisclien Fortsatz em-
bryonaler, Docli bipolare!' Ganglien
Zellen n. V.\n der Stricht.
Fig. 9B. Lage des Zentiosotus in einer-
monopolaren Spinalganglienzelle einer er-
waclisenen Ratte n. HataV.
Fig. 90. Spinalganglienzelle mit reiie.striertem Rande von Orthagorisciis mola.
n. G. Lkvi.
man dasselbe in der monopolaien Ganglienzelle (weim es überhaupt nach-
weisbar bleibt) oft der gemeinschaftlichen Abgangsstelle des unipolaren
Fortsatzes gegenüber (Fig. 9^).
Die Spinalganglienzellen unterscheiden sich außer durch ihre Mono-
polaritüt manchmal (namentlich bei niedern Wirbeltieren) durch einen durch-
löcherten (fenestrierten) oder lobierten Rand (Fig. 9*"), was mit der Ernährung
des Zellleibes zu.sammen hängt (siehe auch das Trophospongium in Fig. 20).
Bei den niederen Tieren bleiben die Spinalganglien meistens bipolar,
16 niE POLARISIERTEN GANGLIENZELLEN' ODER NEURONEN.
und bilden sie typisclu' Beispiele bipolarer Neuronen, wobei der eine
Pol den Achsenzylinder, der andere einen Dendriten aussendet. Auch bei
den Purkinje-zellen (Fig. 328) des Kleinhirns kommt eine ausge.sprochene
Bijiolarität vor, in solchem Sinne, daß aus dem einen Pol der Zelle der
Achsenzj-linder, aus dem anderen der sich bald wieder verästelnde Dendrit
hervorgeht. Das Zentrosom in diesen Zellen liegt oft den Dendriten gegen-
über. (Vergl. Fig. 12.) Es gibt indessen auch liipolare Ganglienzellen,
■wobei beide Pole einen Dendriten aussenden, welche sich in seinem
weiteren \'erlaufe wieder verästlen kann, und wovon einer in seinem
Verlaufe den Ach.senzylinder aussendet. Beispiele davon findet man manchmal
in den Bisschofsstabzellen des Tectum opticum. (Fig. 11^, 432 und 448.)
Eine besondere Form der bipolaren Neuronen bilden die Horizon-
talzellen Cajal's in der Kinde junger Tiere (vergleiche Fig. 10.) und
menschlicher Foeten (Retzius) Diese unterscheiden sich namentlich dadurch
von allen anderen Neuronen, daß sie meistens zwei (sogar wohl mal drei)
Fig. 10. Horizontalzelle aus der Zooa molecularis der Gro.szhirnrinde eines 8 Tage
alten Kaninchens n. Ca.iai-.
Achsenzylinder aufweisen, was eine große Ausnahme im Nervensystem bildet.
Diese Aclisenzy linder {A) verlassen das Xeuron indessen nie in der Nähe
von einander, am Zelleib, sondern an weit auseinander liegenden Stellen ve^--
schiedener Dendriten. Sie geben — Mae die Achsenzjdinder es im Allgemeinen
tun, an manchen Stellen, wieder (nahezu senkrecht) Kollateralen (C) ab.
Die Lage der Zentrosomen in diesen Zellen ist bisher nicht ermittelt.
Die Horizontalzellen Cajals sind die einzigen bis jetzt bekannten pluri-
axonalen Neuronen, denn sogar die multipolaren Neuronen, welche die
Mehrheit der Neuronen der Vertebraten bilden, weisen nel)en vielen direkt
aus dem Zellleib hervorgehenden Dendriten immer nur einen Achsenzy-
linder auf.
Ein typisches Beispiel dessen bilden die Pyramiden der Rinde (Fig. 6),
die Vorderwurzelzellen (Fig. 85) und namentlich die Mitralzellen des
Bulbus olfactorius (vergl. Fig. IIB), worin auch die senkrecht vom Achsen-
zjdinder abgehenden Kollateralen sehr deutlich sind.
Wenn bei ausgewachsenen multipolaren Neui-onen ein Zentrosom i)
') Es wurde (in Sympathicnszellen des Kaninchens) gesehen von Mann, im
folgenden Jahre von v. Lenhossek, dessen Deutung jedoch von BUhi.er und Holm-
GREN bezweifelt ist. Kolstrr u. A. (s. u.) haben es hei vielen Wirl)eltieren gesehen.
niK l'(U,ARTSTER,TEX (tANGLIRNZKLLICN ODER NET'RONEN.
17
sichtbar ist, so liegt dies ul't dem Hauptdendriteii gegeiiüV)er (van der
Stricht; Hatai; siehe Fig. 12).
Fig. "11/1. Bipolare Ganglien-
zellen in dem Tectuni opticum
eines Hiihnchens n. van Ge-
iirciiTEN (Bisschofsstabzellen.)
Man beachte den Abgang
des Achsenzylinders (pr. cyl.)
von einem Dendriten (pr.
prot.). f. opt. = Sehnerven-
fasern, rani. t. = Ramificatio
terminalis (Telodendrien) der-
selben.
Fig. HB. Miiltipolare Ganglienzellen (c.
mitr. = Mitralzelle) in dem Riechkolben
eines Säugers und deren Verbindungen (gl.)
mit den Riechfasern (f. olf.); n. van Ge-
HUCHTRN. Man beachte den senkrechten
Stand der Kollateralen (Col.) auf dem Ach-
senzylinder (proc. cyl.).
KvpPKits.
II
DIE LAGE DER ZENTROSOMEN IN DEN NEURONEN.
Da die Diplosomcu der Siiiiiesuervenzellen und der Sinneszellen auch
als Derivate von Zentrosomen zu betrachten sind, so zeigt sich also in beiden
^ e^rvdxli.
^/i\^ Ctmtt.
(L
Fig. 12. Zentrosomen in Ganglienzellen n. H.\tai. a. Purkinjezelle einer
erwachsenen Ratte: '). Pyramidenzelle einer jungen, c. einer erwachsenen Ratte.
Fällen das Zentrosom als ein dem reizrezeptorischen Teil der Zellen zu-
geneigtes Gebilde.
Hiermit stimmt ilberein die von Held entdeckte Tatsache, daß ihre
Lage während der Entwicklung des Neurons zusammenfällt mit der fibril-
logenen Zone. Denn die fibrillogene Zone ist offenbar der erste Angreifungs-
punkt der Reize, oder denen entsprechenden, embrvologischen Einflüssen.
Weil nun der stimulofugale Fortsatz, der Achsenzyliuder erst zur Aus-
bildung veranlalit wird (Fig. 36), liegt das Diplosom wälirend der Ent-
wicklung zunächst an dessen Pol. Später verlagert es sich, und Meil)t es
nahe der Stelle der Hauijtdendritenbildung liegen.
Diese Tatsachen sind von großem Interesse für die Lehre der ge-
weblichen Differenzierungen in Verbindung mit den Prinzipien R.vbl's
und meiner Auffassung des Zentrosoms als Einfluß-rezeptorisches Gebilde.
Nach DEL Rio Hürtec;a, der in den ausgewachsenen Nervenzellen bei
geeigneter Tmpregnation fast stets Zentrosomen fand, weisen dieselben —
namentlich bei altern Lidividueu — oft eine Stäbehenform auf.
Im senilen Alter zeigen sie oft ^'eränderungen filamentöser Art,
wobei ein Teil der Filamente in den Dendriten hineinragen kann. Viel-
leicht, daß dieser Prozess analog ist an der Bildung des Außenfadcns in
den Elementen der Retina oder der Sinneshaaren. Da eine Zellteilung
bei älteren Ganglienzellen nicht mehr vorkommt, ist die Rolle der
Diplosomen in jenen Zellen noch unbekannt. Nach dem Gesagten
DHC TIISTdLOGIE DES SYMPATHISCHEN NERVENSYSTEMS. 19
dürften sie aber, wie in den Sinneszellen, mit der Reiznnfnahme zu
tun liaben (s. Seite 6).
Einer besonderen Beschreibung bedürfen die sympathische», Ganfilienzellen,
welche, den inneren Organen (henend, sich teilweise (namentlich bei niederen
Tieren) im Anschluß an die Spinalganglien bilden, größtenteils aber (na-
mentlich bei höheren Tieren) durch die Vorderwurzeln aus dem MeduUar-
rohr herauswandern (Froriep, Carpenter).
Das Verständnis dieser Zellen setzt die Kenntnis der primitiven
Ganglienzellen und der Neuronen und deren besonderen Eigentümlichkeiten
voraus.
Man kennt sensible und efl'ektorische Sympathikuszellen. Erstere enden
namentlich in den Muskelsepten und Organkapseln, nichtinderMucosa(S. 37).
Die sensiblen sympathischen Neuronen sind in ihrem Bau den Spinalgan-
glienzellen für die Haut durchaus ähnlich, und ihr Zellleib liegt wahrschein-
lich immer an derselben Stelle wie jene: in den Spinalganglien (Froriep).
Nur sind sie viel geringer in Anzahl als die somato-sensiblen Ganglien-
zellen und geringer entwickelt. So führen ihre Ausläufer keine Markscheide
(Langlev). Beides beweist, 'daß diese Neuronen keine große Rolle spielen
und daß (he gesamte sympathische Reflex-Funktion (und nicht nur deren
effektorische Tätigkeit) sich überwiegend in den andern Neuronen dieses
Systems abspielt, d.h. in den sympathischen Zellen sensu strictiorr, den soge-
nannten effektorischen Zellen, deren Anzahl denn auch desto gnißer ist.
Anhäufungen solcher Zellen liegen außerhalb des Intervertebralkanals ^)
direkt gegen die Wirbelsäule, in dem sog. Grenzstrang oder weiter davon
entfernt {vertehrale und praevertebrale sympathische Ganglien: siehe Fig. 100).
Sie empfangen mittels der sog. Bami communicantes albi Fasern aus
dem Rückenmark.
Diese ,, Wurzeljasern des Bympathicus" werden als p)i'(i-^(!^nglionnre Fasern
bezeichnet.
Bei deu niederen Tieren erreichen sie ihre (ianglien überwiegend durch die
Hinterwurzehi, bei den höheren durch die Vorder wurzehi. (Vergleiche Ivap. II.)
Diese praegangUonären Fasern, welche also die Reize von dem Rücken-
marke zu den sympathischen Ganglien übermitteln, haben dünne Mark-
scheiden (daher Bami albi) und weisen die Eigentümlichkeit auf, daß sie
extra-medullär mehrere Kollateralen abgeben, sodaß eine Sympathiku.s-
wurzelfaser immer mit mehreren Sympathikus-Ganglien in Verl)indung stellt.
Niemals enden sie direkt in dem Effektor (es sei denn, daß man die
akzessorischen motorischen Fasern, des M. ciliaris, welche mit der Oculo-
motoriuswurzel austreten, — Boeke — als solche betrachten will).
Die Art wie der anführende praeganglionäre Nerv sich an die dendri-
') Vereinzelte Zellen, welche in den Spinalganglien selber liegen, gehören vielleicht
auch dazu. (c.f. Kap. II).
20
miO insTOLOGIK DES SVMPATTITSnrKN' NERVENSYSTEMS.
tischen Komplexen oder an deren Zellen anlegt, ist nuuudniial sehr eigen-
tümlich, indem er dieselben mit feinen anfiilirenden Fibrillen umwickelt,
welclie ein reichgewundenes System (Fig. 18) bilden.
Fig 13. Greiizstrangzello des Menschen in ihrer Kapsel n. Cajal.
A. Kleine suhUapsuläre Dendriten oder Liippchen. a. postganglionärer
Achsenzylinder. b. ist ein Dendrit, umgeben von Spiralfibrillen eines
praeganglionären Achsenzylinders, c. = Kapselzellen.
Die (irenzstrang-Ganglien selber entsenden ihre Axonen zu mehr peripher
gelegenen Zellklomplexen oder Organen. Diese Axonen, welche viel zahl-
reicher sin<l als die in den Ganglien eintretenilen Fasern, werden als poM-
rjanglionärc Fasern, bezeichnet. Sie führen niemals Markscheiden, daher Jlami
grisei, doch weisen ebenfalls viele Kollateralen auf, welche sich wieder um
mehrere postganglionäre Ganglienzellkomplexe oder mehreren Effektoren i)
verästeln.
Die Verkümmerung des sensiblen Si/xtcms und die so sehr auffallende
periphere Anhäufung von effektorischen Sgmpathikuszellen, soivie die . starke
Kollat.ralverästelung itirer A.wneii hängen zusammen mit der Tatsache, daß zieh
in jenem System viele Reflexe nur mittels A.ivnen imd deren Kollaieralen (Axon-
reflexe; L.\ngley^ abspielen, indem Kontraklionszustände an gewissen Stellen der
Eingeiveide zu gleicher Zeit als Beize xvirken, welche via Kollateralen auf andere
Abschnitte übertragen werden, dadurch die „Sympathie" — das „Zusammenar-
beiten" — der einzelnen AbschniUe verursachend, vjelche dem System, seinen. A'amen'^j
gegeben hat.
1) Glatte Muskulatur der Eingeweide und der Haut !nit deren Driison und Gefiifie.
Diejenigen, welche sich zu der Maut begeben, begleiten die sensiblen Hantnerven, deren
Rarai conini. grisei sie bilden.
2) Der Name Synipathicus i^t noch allgemein in Gelirauch aber wird oft leser-
viert für denjenigen Abschnitt, der mit dem Brustraark und oberen Lunibalmark kor-
respondiert. Die anderen, kranialen und sacralen Abschnitte werden als para-sympathische
Abschnitte bezeichnet (Langley). Der sympathische Abschnitt sendet Fasern zu allen
Teilen des Körpers, und der Extremitäten; der para-sympathische nur zu bestimmten
Teilen. (Lanhi.f.v ; siehe weiter Fig. I(X).)
DIK IIISIOI.iiUll': DKS .SVMrArillSClIEN NKJIV1<:NSV8'1'KMH.
21
llienius erklärt es sich uucli, (Ulli diu meisten Reliex-Reize der Eingeweide
unter nornitilen A'ei-liältnissen nicht in die bewußte Sphäre des Nerven-
systems eintreten, sondern wie in einem System für sich — wie in einem
„Hutononien System" sieh abspielen, weshalb man das sympathische System,
namentlich das der P]ingeweide (sielie Pig. 100) auch wohl als „aidonomes
System" dem „Zentralncrviinsystem" gegenüber stellt.
Es ist nicht befremdend, dall das l)esondere Verhalten der Reizüljertra-
gung in dem postganglionären Symi)at]iikusabschnitt sich auch zeigt in
dem Bau und den Verbindingen ihrer Zellen, die wahrscheinlich alle
eine reHektorisch-elfektorische i) Rolle spielen.
Die Dendriten jener Zellen verbinden slcJi niltnlich njder ein.andcr und
bilden eigentümliche Nester und Hohlräume, welche andere Zellen derselben
V\g. 14. Syni|iatliis(:lie Zellen eines Hundes, nach DooiEl..
A. Sympathische Zelle, welche in dem Zentrum eines Ganglions liegt. B. Sympathische
Zellen in einem benachbarten Ganglion, a. Achsenzylinder, b. Dendriten, welche sich
bei c. zu Gellechten verknüpfen.
oder naheliegender Ganglien umschliessen (Caj.\l, Düiuej., Fig. 14; Ret-
zius): ein Verhalten, welches sonst nie in dem Nervensysteme der Wirbel-
tiere angetroffen wird. Diese intime Verbindung zwischen dendritischen
Ausläufern untereinander steht offenbar in vollständigem Widerspruch
1) Cajal beschrieb datin zwar auch Zellen, welche einen langen Dendriten aufweisen
sollen, der sich in die Mucosa verästelt, und betrachtet diese Zellen als reine sensible
Sym]ihaticus-7,p|len. Indessen bedarf diese Annahme noch der Bestätigung und ist es
walirscheinlicliei', daß es sicli dalici um dendritische Foi-tsiitze handelt, die sieh in andere
naheliegende Gauglienzell-lvomplexe aullosen (DoaiEi.).
22 DIE HISTOLOGIE DES SYMPATHISCHEN NERVENSYSTEMS.
ZU der Polarisation des Neurons, welche uns lehrt (s. u.), daß Dendriten
nicht mit homonymen, sondern nur mit heteronymen Ausläufern, also nur
mit Telodendrien von Achsenzylindern in Verbindung stehen.
Dieses Verhalten spricht denn auch dafür, daß die Reizleitung hier
wesentlich eine andere, mehr primitive ist als diejenige im Zentralnerven-
system und dem mehr diffusen Verhalten in dem primitiven Ganglien-
zellen-plexusse der Wirbellosen ähnelt.
Namentlich in den sympathischen Plexus der Darmwand, den Plexus
von Auerbach und Meissner ist dies auffallend. Wir finden jedenfalls in
dem interdendritischen Flechtwerk des postganglionären sympathischen
Systems ein an primitiven Ganglienzellen erinnerndes, von der polarisierten
Anordnung im übrigen Nervensj'stem abweichendes Verhalten. Die
völlige Abwesenheit von Markscheiden an den postganglionären Fasern ist
damit in Übereinstimmung. Auch die Lage des Zentrosonis, wenn es
überhaupt nachweisbar ist, scheint
verschieden zu sein von der Lage
jenes Gebildes bei den zentralen
Ganglienzellen, indem es (Dehler)
P. ^ ^ dem Acliscnzi/linder-ahgnng gegenü-
5"^^^^ ber liegt (vergl. Fig. 15).
' "~ V. -! 4 Falls es sich zeigen sollte, daß
■;";'.> 'I, diese Lage des Zentrosoms der Ab-
Kerii
Nissl'
SolioUen
i^:
>!'>/ :-:^y4
^mc
/
Zontrosom
mit Astrospliäre
'■-r:-'^j,-'-j'/ gangssteile des Achsenzylinders ge-
Axon genüber konstant ist und dessen Lage
/ ' " 1;C in den zentralen Nervenzellen dem
Dendriten gegenüber sich als kon-
, , , . , stant erweist, dürfte dies ein Ar-
Fig. 15. Lage des Zentrosoms dem Achsen-
Zylinder gegenüber in einer Sympathikus gument mehr sein für die Annah-
zelle von Rana esculenta. N. Dehler. me, daß der Axon hier auch die
FuuktioneinesDendriten haben kann,
und die Mehrzahl der Reize, welche den .sympathischen Zellen zugeführt
werden, diese am Axon entlang erreichen (A. von- Reflexe Langley''*).
Zu Gunsten dessen spricht auch die periphere Verlagerung dieser Zellen, welche
in der Richtung des Axons, anstatt wie im Zeutral-Nervensystem in der Richtung
der Dendriten statfindet {Neurohiotaxis) während der Entwicklung.
Im allgemeinen kann man sagen, daß in dem sympatJdschen Nervensystem histo-
logisch und plnjsiologisch Verhältnisse vorliegen, luelche {namentlich auch in der
Meissner' sehen und Auerbach' sehen Plexus der Darmwand) stark erinnern an die
asynaptalen Netzwerke der Evertebraten.
Ebenfalls als eine besondere Art von Ganglienzellen sind die sogenannten
Amakrinen i) oder Anaxonen zu erwähnen, wie sie von Cajal in der Retina,
1) Das Woi't, das von a privans und niakron abgeleitet ist, deutet an, daß der lange
Ausläufer -^ der Neurit oder Axon — fehlt; daher auch wohl Anaxonen.
DIE INNERE STRUKTUR DER GANGLIENZELLEN. 23
von Tretjakoff in dem Zentralnervensystem von Ammocoetes besclirieben
worden sind. Es handelt sich dabei um — oft ziemlich große — Zellen
ohne Achsenzylinder, welche, wie es scheint, nur zahlreiche Dendriten auf-
weisen. Ihre Funktion ist bis jetzt völlig unbekannt. Es wäre möglich,
daß es sich hier um wirkliche primitive Ganglienzellen handelt, bei denen
eine Differenz zwischen Dendrit und Achsenzyhnder noch nicht vorkommt
und deren Funktion nur darin bestehen dürfte, daß sie eine gewisse
Diffusion der von ihnen aufgenommen Reize verwirklichen.
Schließlich werden bisweilen apolare Ganglienzellen gefunden. Wenn die
Beobachtung richtig ist, handelt es sich dabei wohl immer um junge Ganglienzellen,
Neurohlasten (s. u.), die in ihrer Weiterentwicklung gehemmt sind.
Die innere Struktur der Ganglienzeilen und deren Ausläufer.
Die innere Struktur aller Ganglienzellen ist durch zwei Elemente gekenn-
zeichnet, die Neurofibrillen und die NissL'schen Körper oder Tigroidsubstanz.
Die Neurofibrillen sind zarte Fäserchen, die sich im Zellkörper und in
allen Fortsätzen desselben befinden i) und keiner Ganglienzelle abgehen,
ebensowenig wie den Sinnesnervenzellen.
Sie verästeln sich im Zytoplasma des Zellkörpers und bilden ein kon-
tinuiei-liches Netz, in dessen Maschen der Kern, die NissL'schen Körper
und eventuell Zenstrosomen und was sonst an inneren Zellstrukturen an-
wesend ist, liegen.
In den sensiblen Nerven sind die Neurofibrillen oft feiner, wenigstens
bei Evertebraten, als in den motorischen (Apathy). Sie setzen sich fort in
dem Achsenzylinder und den Dendriten.
Man nimmt im allgemeinen an, daß die Neurofibrillen das spezifische
reizleitende Element der Ganglienzellen darstellen, was jedoch nicht genü-
gend bewiesen ist. Sie bilden, meines Erachtens, nicht die einzige reizleitende
Substanz des Nerven und es kommt dem Plasma, worin sie liegen,
auch eine Rolle dabei zu (vergl. auch Kolmkr und Wolff.)
Eigentümlich ist die von Donaggio und Cajal nachgewiesene Tat-
sache, daß die Neurofibrillen bei Kälte und Hunger, auch im Winterschlaf
der Tiere, spärlicher und dicker werden (Fig. 16).
Die NissL'sc/ifi'/i Körper (auch Chromidialsubstanz oder Tigroidsubstanz
genannt) bestehen teils aus eisenhaltigen Nucleoproteiden (Scott), welche
in der Gestalt unregelmäßiger Schollen im Zytoplasma der Ganglienzelle
liegen, sich in Ammoniak lösen und ihrem sauren Charakter gemäß mit
basischen Farbstoffen zu färben sind. Die meisten Ganglienzellen sind
damit ausgestattet, nur die kleinsten scheinen frei davon.
In den großen motorischen Zellen (siehe Fig. 6 und 17) sind sie ziemlich
grob und eckig, in den Spinalganglienzellen kleiner und mehr wie Körner.
') Nach VAN Gehuchten fehlen sie in den Processus monilifornies (Dornfortsätze)
(vergl. Seite 13), was jedoch noch einer genauen Nachprüfung bedarf.
24
DIE INNERE STRUKTUR DER GANGLIENZELLEN.
NissL hat die Zellen je nach der Form, Anordnung und Reichtum dieser
Schollen als arkyochrome, gryoehrome, pyknomorphe etc. bezeichnet. Für eine aus-
führliche Beschreibung jener Formen verweise ich nach seiner Darstellung.
Die Tigroidmassen liegen zwischen den Neurofibrillen, auch in den
Dendriten, fehlen aber dem Achsenzylinder und ebenso seiner Einpflan-
zungskegel, der Axonhügel (siehe Fig. 6).
Nach CowDRY gelingt es nicht, sie als solche in frischen Zellen zu
sehen, und müssen wir an-
nehmen, daß sie im Leben
eine mehr oder weniger
viskös-flüssige Masse bilden.
Die Nucleoproteiden
jener Körperchen entstam-
men dem Kerne (HoLMGRKN,
Scott, Cameron). Nach
HoLMGKEN soll sogar die
Zentrosphäre dabei eine
Rolle spielen, und viele Au-
toren nehmen an, daß die
Wanderung der Nucleopro-
teiden aus dem Kerne die
Ursache ist, daß darin nur
so wenig Chromatin zurück-
bleibt und infolgedessen der
Kern in tigroidreichen
Ganglienzellen sich zeigt,
wie ein helles Bläschen,
worin nur der sog. Nucleo-
lus die Chromatinreaktion
ergibt (Fig. 6 und 17). Eine
Tatsache ist, daß in den
schollenarmen, kleinen, sog.
Körnerzellen der Kern noch
mehr Chromatin enthält
(karyochrome Zellen Nissl's)
und daß beide — das Chromatin und die NissL'schen Schollen — durch
Nuclease (ein Ferment) verzehrt werden (van Herwerden).
Die Nucleoproteiden sind nicht der einzige Bestandteil der Tigroid-
Körperchen.
Schon Held hat darauf hingewiesen, daß neben dem basophilen Be-
standteil derselben eine mehr azido- oder neutrophile Substanz vorkommt.
Schon die Tatsache, daß die Körperchen zuerst an der Peripherie der
Zelle deutlich auftreten (v. Biervliet) spricht dafür, daß andere Substanzen
bei ihrer Ausbildung eine Rolle mitspielen.
Fig. 16. Form der Neurofibrillen bei einer Eidechse.
A. und a im Winterschlaf, B. und b in wachendem
Zustande nach einigen Stunden Erwärmung der
Tiere auf 30° C. ; n. Cajal.
DIE INNERE STRUKTUR DER GANGLIENZELLEN.
25
Nach HoLMGREN, der dies bestätigte, handelt es sich dabei um eine
mit Osmium färbbare Lipoidsubstanz, welche ihnen durch das Tropho-
spongium (s. u.) übertragen wird.
Die Tigroidsubstanz kann bei Erkrankungen und extremer Ermüdung
verscliwinden, namentlich auch nach Durchschneidung des Achsenzylinders
{Tigrolyse : Fig. 17 rechts). Der Kern wird dann unregelmässig und nimmt
eine Randstellung in dem meist stark geschwollenen Zelleib ein.
Wie bereits oben erwähnt, unterscheidet sich der Achsenzylinder durch
das Fehlen der Tigroidsubstanz (Fig. 6) und außerdem dadurch, daß er
einen viel größern Gehalt an Alkali i) und Chlorverbindungen aufweist,
eine sehr wichtige Tatsache, worauf ich bei der Behandlung der d3mami-
schen Polarisation des Neurons zurückkommen werde, weil diese Salze
auf das Leitungsvermögen (Mac Donald, Mäcallum, Menten, Sherring-
IIucLeus.
MucLeolus.
vDendr.
Fiqmenb
Fig. 17. Links, normale Pyramidenzelle aus der motorischen Rindenregion (Area
giganto-pyramidalis) eines erwachsenen Mannes. Rechts eine tigrolytisclie Zelle.
ton) und meines Erachtens auch auf die Wachstumsrichtung des Axons
einen erheblichen Einfluß ausüben.
Zu den Substanzen, welche allen Zellen des Körpers und auch den
Sinneszellen und Ganglienzellen eigen sind, gehören die Mitochondrien.
Diese dürfen nicht mit den NissL'schen Körperchen verwechselt werden,
von denen sie sich durch ihre Löslichkeit in Alkoholäther und Essigsäure und
ihre Zusammensetzung als Phospholipinalbumin -) unterscheiden (Cowdry).
Die Mitochondrien sind sicher ein Ausdruck der Zelltätigkeit (Cowdry)
und, obschon bis jetzt darin nur selten (bei Hyperthyriodismus : Goetsch)
besondere Reaktionen wahrgenommen wurden (Strongman, Mc Cann), ist
es doch bei i^athologischen Prozessen, namentlich bei Azidosis (Cowdry),
angemessen, sie zu beachten.
') Nach Mäcallum handelt es sich dabei um Na, nach Mac Donald um maskiertes
Kalium.
') Regaud, Faure-Fremiet, Löwschin, Mayer, Katiiery und Schüfeu.
26 DIE INNERE STRUKTUR DER GANGLIENZELLEN.
Sie kommen in allen Abschnitten des Neurons vor, am meisten aber
in dem Zellkörper und den Dendriten, und eigentümlich ist manchmal
ihre Anhäufung um den Axonhügel (vergl. Fig. 18).
Ein viel diskutierter Bestandteil der Ganglienzellen ist Golgi's innerer
Netzapparat, ein Retilulum von Fasern, welches größtenteils aus Lipoiden
besteht (Fig. 19).
Er wird auch in den Sinneszellen und sogar in deren Stützelementen
angetroffen (de Castro).
Es ist manchmal schwierig, die Mitoehondrien (vergl. hierzu auch Ncsbaum)
von dem innern GoLGi'schen Netzapparat zu unterscheiden. Dabei ist zu beachten,
_ daß der Netzapparat Golgi's immer haupt-
/^,\:^^'|».-fv.pS^*-iv> sächlich um den Kern herumliegt und nur
.^fiV';^« V ■'•>'.*,' '',VV'..\ '^Y ausnahmsweise in die dendritischen Fort-
'^'''.V»^'■ '■, ^•.■:oV'^.-'';r'*V.','.'i •, siitze tritt (Sanchez), nie in den Achsen-
^•^V/''-^' . "^^«jft*- ' Zylinder.
v>^#-
■im.
V "... - >.'-"fW • ■ ,-'■-■" Ii"' .'•"•.
X'-'-'H^^T ;'''^viv'^^'^f'^T — '" Manche Autoren (Misch, Sjövall,
Bergen) meinen, daß dieser Apparat
\^Wc^-.i^-:j-i)r^r / gänzlich unabhängig sei von Holm-
'\A'-/-VJ^' ' . •'' gren's Tropliospoiigium (Fig. 20), wie
man die von außen her in die Gan-
, — : — glienzelle eindringenden und dort netz-
,..J_! ■:-..-. ...;, . artig zusammenhängenden Fortsätze
,'■' ^~J'""J^",->:-'--^>"-X-',y ';'iv^'\ von Gliazellen bezeichnet, welche mit
/ •' ' '' j^'-'l' ' ' " demStoffwechselzutunhaben(r?'op/ioz2/-
; ^ T^^^^ "" ten von Holmgren) und mit Kapillären
'■'■-• , ■,'■.' oder Lymphspalten (Lewy) zusam-
. . ,. '-■:', menhängen. Holmgren hat es indes-
ij. 1.^,-,:"- .\ ■'.{y-r.-i-v' •' '(ik' ''■' ^^^^ wahrscheinlich gemacht, daß der
"i"'-.'4'] --^ y'^'^^-p-r' -_-''.'<'■" innere Netzapparat eine plasmophore
Einrichtung ist, ähnlich wie dies von
'^■.^:y- ihm in den quergestreiften Muskel-
fasern nachgewiesen wurde und welche
stark geladen sein kann mit Lipoid-
Unten eine solche des Meerschweinchens, körnern, welche den NiSSL-Körperchen
Mitochondria = m; NissL'sche Körpei'chen zugeführt werden (vergl. auch Nemi-
= n; Scheidenzelle = S. lOFF).
Man beachte die Anhäufung von Mito- j^j^gg Fortsätze können durch
chondrien um den Axonhügel. , -t^ n.. • ,
zentrale \ ernussigung auch umgewan-
delt werden in fein kontourierte Kanälchen (Holmgren), was namentlich
bei Erschöpfungszuständen (auch nach intravaskulärer Adrenalininjektion)
der Fall ist, wie Holmgren experimentell nachweisen konnte.
Unter den Gebilden, die nur dann und wann in der Ganglienzelle
gefunden werden, nenne ich die Kristalle (Kolmer) und die dunklen
Pigmente, wie zie z.B. in den Ganglienzellen der Substantia nigra im
Fig. 18. Spinalganglienzellen n. Cowdry.
Oben menschliche Zelle.
DIK INNERE STRUKTUR DER GANGLIENZELLEN.
27
Fig. 19. Golginetz in einer Spinalgaiiglienzellc
des Hundes, n. Golgi.
Mittelhirn und des Locus coeruleus der Säuger vorkommen, dann die
Lipocitrome, welche sehr reichlicli verbreitet sind. (Fig. 6 und 17). Es
handelt sich dabei um gelblich gefärbte, fettähnliche Stoffe, ilie bei vielen
Wirbeltieren und auch bei Wirbel-
losen (Mollusken) vorkommen. Nach .•-'"4;-=f';V'-*'*rfe'1^i'>
BiONDi sind es Mischungen von
Lipoiden und Neutralfetten.
Man findet sie auch in den Glia-
zellen und in der Adventitia der
Gefäße.
Fettstoffe spielen überhaupt in
dem Aufbau des Nervensystems eine
große Rolle ^). Nach einigen Autoren
(OvERTON, Güthlin) siud die Gang-
lienzellen selber immer mit einer
dünnen Lipoidmembran umgeben
— was bis jetzt aber nicht bewiesen
ist. Wohl ist bei den Vertebraten
manchmal der Neurit und ausnahms-
weise (Spinalganglienzelle) auch ein
Dendrit mit einer Myelinscheide d. h.
mit einer Schicht von Lezithin (einem Phosiibo-lipin) und Protagon um-
geben, welche einen isolierenden EintluU ausüben soll.
Nur die Endverästelungen bleiben davon immer frei uiul in den
peripheren Nerven ist die Myelinscheide
auch dort unterbrochen, wo die Schwann-
schen Zellen (s. u.) an einander grenzen
{Ranviersche Schnürringen).
Das IMyelin bildet sich in diesen
Scliwannschen Zellen manchmal troi)fen-
weise iu der Umgebung des Kernes
(Fig. 21 oben).
in den seltenen Fallen, in denen man
bei Evertebraten Myelin begegnet (in den
Neurochorden des Kegenwurmes und einigen
Nervenfasern von Krustazeen), scheint es
sogar immer in dem Hüllgewebe zu liegen
und von diesem ausgeschieden zu werden.
Inzwischen entsteht die Markscheide meistens schichtweise und scheiden
meines Erachtens die Primitivfibrillen selber auch Myelinsubstanz aus.
Namentlich die Tatsache, dali im Zentralnervensystem Myelinscheiden vor-
Kig. 20. SpinalgangHenzelle eines Ka-
ninchens mit Trophosponginm und
in die Zelle eindringenden Tropho-
zyten (Scheidenzellen) n. HoLJi-
GKEN.
>) Die Tatsache, daß nai-kotisierende Mittel (Chloroform, Aethei-, Alkohol) oft fett-
lösende Stolle sind, wird von einigen Physiologen (Overtoni damit in Verbindung gebracht,
dem indessen von MooRii und Ro.\i' widersprochen ist i^Proc. Eoy. Soc, London, 1906).
•lü
DIE INNKKK .STKUKTUK DEK U ANUI.IENZKl.LEX.
lianden sind, ul)schon dort keine ScHWAXN'sehen Scheiden vurkomnien (und
nur uusnahmyweise Gliazellen mit Myelintropfen auf den Aclisenzylindern
Myelintropfen.
Kern.
Schwaiinsche Zellen.
E5TOi
s5s
I
Markiimsclieirtete Nerveiilaser
Hclmfirring v. Ranviek.
"ig. 21 A. Nervus popliteus eines Rinderfoetiis vuii 45 i-in.
Länge. Die Bildung des Nervenmarkes.
Fig. 21 ü
Fig. 21 a
Fig. 21 B und C. Aus den Vorderstriingen des Rückenmarkes eines
Rinderfoetus von 32 cm. Länge.
B Gliazellen mit Myelintropfen auf Markumsclieidete Fasern.
C Markumsclieidete Fasern ohne solche Zellen.
gefunden werden ; Fig. 21 C) beweLst, daii die primitiven Aehsenzylin-
derfortsätze zur Ausscheidung des Mj-eHns fähig sind.
Welche pliysikalisch-chemischen Prozesse hierbei eine Rolle spielen
ilürften werde icli am Scliluß dieses Kajjitels besprechen.
Hier möchte ich nur noch erwähnen, daß das Myelin an den Ner-
venfortsätzen der Sinnesnervenzellen feldt oder wenigstens farblich nicht
nachweisbar ist. Die dünne Schicht, welche von einigen Autoren (Ambronn
und Held) um die Fila olfactiva des Hechtes nachgewiesen wurde, ist
m.E. nicht als Markscheide zu deuten.
Interessant ist, daß die Leitungsschnelligkeit darin auch viel geringer
ist (0,7 M. pro Sek. gegen 40 bis 120 M. pro Sek. in markhaltigen Ner-
venfasern). Ich glaube denn auch annehmen zu müssen (vergl. auch Göth-
i.tn) daß die Ausscheidung des nicht leitenden Myelins aus den Priraitiv-
fasern die Propagation des Reizes in jenen Fasern erheblich verschnellt (s. u.).
Schließlicli ist noch zu den inneren Strukturelementen der Neuronen
das Neurokeratiii zu erwähnen, welches wie ein Skelett von sehr widerstands-
fähiger Substanz die Markscheide durchzieht. Es l)iidet sich mit der ersten
Bildung jener Scheide als ein Maschwerk, welches offenbar mit der ^chwaxn'-
schen Scheide zusammenhängt und manchmal in selir regelinäl^iger Weise
(Triclder von (Iattani und Rkz/.oxk o) sicii ordnet und die Laxtekmann'-
sciien Schnürringe veranlaßt (siehe Fig. 4;.
DTK, OXTdiiRNIK DKI; NKKVÖSIOX Kl.l.^r KN'I'IO, 29
l'licr (lir. Oiituijoiif ilcr iirrröxcii /'.Vr///r/(/^' ist- /,ii liciiu'i'kcn, iluli dicscliii' /,\v:ir im
allspuieineii auK dcui löklodiM-iii lieivorf^'i'licii, dali dies aber nicht iminci- der Fall ist.
Bei den niedersten, mit einem Nervensystem ausgestatteten Tieren, den Coel-
enteraten, liefert aneli das Entoderm Ganglienzellen, und das ventrale Nervensystem
der Krinoiden soll mesodermaler, nicht ektoderinaler Herkunft sein.
Auch die Sinnes/.ellen sind iiiclit stets ektodcrmaler H<^rkiinft. Nach Jousston
bilden sieh die ersten Geschmacksknospen im Entoderm. Junge Sinneszellen,
aber auch junge (langlienzelleu, welche apart vom Zentralnervensystem in der
Haut angelegt werden, nennt man Tlahodcnzellen. (Sie führen keine Tigroidsubstanz
und wachsen von der Außenwelt nach innen zu: stimulo-fugal.
Die junge, sehr teilungsfähige Gnufilienzelle, welche noch nicht die Gestalt
und die Eigenschaften der ausgebildeten Ganglienzelle hat, wird Neuroh'lnst genannt,
solange sie keine Dendriten aufweist. In diesem Stadium führt sie auch noch keine
Tigroidsubstanz, und sie kann sich während der Entwicklung in der von der Wachs-
tumskenle des Axons angegebenen Richtung verlagern, also stimulo-petal.
Später entwickeln sich die Dendriten, etwa zur selben Zeit als die Tigroid-
substanz. Die Zellen können dann eine Verlagerung in der Richtung eines Den-
driten aufweisen, der sich dementsprechend verkürzt in stimiilo-petaler Richtung.
Über die Bedeutung dieser Erscheinungen siebe bei Nenrohiota.rig.
Die Nevrofihrillen entstehen eher als die Tigroidsubstanz und fangen sogar schon
an sich zu bilden, wenn der Neui-oblast noch keine ]'ortsätze, sogiir noch kaum
den Anfang eines Achsenzylinders aufweist, und die Zellen liloß mittels Plasmo-
desmen untereinander verbunden sind.
Es ist auffallend (He^d), daß die fibrillogene Zone, welche zuerst auftritt au
der Stelle, wo der erste Ausläufer, der Achspiiziilinder, hervorgehen wird, immer
mit der Lage der beiden zusammenliegenden Zentrosomeii zn.sammenfiillt, was zu
Gunsten der Heiz ^)-rezeplorischen Funktion der Diplosomen sjiricht. In üebereinstim-
mung damit ist, daß in au.sgewachseuen Ganglienzellen die Zentrosomeu gerade sehr
oft dem Hauptdendriten gegenüber liegen, (siehe Fig. 12).
Die Fibrillen geben aus Reihen lang ausgezogener Körner hervor, welche
miteinander zusammenlließen. Flbeuso wie diese Körner vermehren sich die Neui'o-
fibrillen durch Spaltung.
Auch die Sinnesnervenzellen bilden ihr eigenen i<'ibrilien, die Sinneszellen
aber nicht. In den Zellen der GRANDnr'schen, VATER-PAOiNi'schen Körjjerchen, sowie
in den Geschmackszellen und andern Sinneszellen wachsen sie von den Nervenfasern
hinein wie Lonuox, Ivolmer, Hokke und Herin<(a nachwiesen, (lieber ihr Ver-
halten zu den Lennioblasten oder ScuwANN'scben Zellen s. u.)
Die frühere Auttassung daß im Nervensystem nach der Geburt keine Mitosen
mehr vorkommen in den (ianglienzellen. ist in der letzten Zeit widerlegt, nament-
von Hatai und AuDüuit.
Auch die Zentrosomeu wurden, wie ich bereits iil)en erwähnte, bei Vertebraten
von Lenhossek, Büuler, ScnäirER, IIolmoren in den Spinalganglienzellen ver-
schiedener Tiere, von Ma>'n, Deuler in Sympathicuszellen, von Büuleb und
Hatai in verschiedeneu (4anglienzellen des erwachsenen Zentralnervensystems nacli-
ge wiesen.
Nach Rio Hortega lassen sie sich bei geeigneter Impregnatiou fast imnu'r
auflinden. 'S\ . }5rachtes spielen sie dann eine Rolle bei der Reizaufnahme -), gerade
wie die Diplosomen an den Siinieshaarcn der Sinneszellen.
') Reiz im allgemeinsten Sinne genommen, als Einfliili,
') An anderer Stolle (ITandelingen van het Ned. Natuur- en Geneosk. Cnngres, l)en
Haag, 1917) lialie \c.\\ daranl' liingewicsen, dnU es wabrschpinlicli ist, daß auch bei der'
30 DIE VERKNÜPFUNGEN DER NERVÖSKN ELEMENTE UNTER EINANDER.
Die Verknüpfungen der nervösen Elemente unter einander. Zentralorgane.
Daß die Verknüpfungen der Sinnesnervenzellen mit Ganglienzeilen mit-
tels Telodendrien ihres Nervenfortsatze.s stattfinden, habe ich bereits erwähnt
(vergl. Fig. 11 ß). Auch die Tat-
sache, daß die reinen Sinnes-
zellen immer durchwachsen
werden von Fibrillen des sen-
siblen Neurons, das ihre Reize
weiterleitet, ist oben betont.
Die Verknüpfungen der Gang-
lienzellen selber finden in ver-
schiedener Weise statt.
Die 'primitiven Ganglien-
zellen haben B^ortsätze, welche
lircit und wenig verästelt sind
und unter einder anastomo-
siercn. Sie hängen meistens
mit iliren Nachbarzellen, nur
selten mit weiter entfernten
Zellen zusammen (Fig. 5).
Die Neurofibrillen gehen
dabei von der einen Ganglienzelle in die andere über (Apathy).
Die höheren Ganglienzellen, die Neuronen, dagegen haben reich verästelte
Fortsätze, die sich über große Strecken ausdehnen können. Ihre Verbin-
dung geschieht nur mittels heteronomer Ausläufer.
Die Schaltung der Axonen kann sowohl stattfinden an den Den-
driten (Fig. 24 rechts) als mit dem Zelleib (Fig. 22). Findet der Kontakt un-
mittelbar mit der Zelle statt, dann können die Neurofibrillen manchmal
kontinuierlich von dem einen Neuron in das andere übergehen, wie bei
den Purkinjezellen nachgewiesen wurde durch Bielschowsky, Wolff und
OUDENDAL (Fig. 23). —
Ein solches Anastomosieren der Neuronen und der mehr oder weniger
synzyliale Charakter des Nervensystems überhaupt (Held) ist jedoch kein
Hinderniss das Neuron als morphologische, namentlich auch gewissermas-
sen als trophische Einheit zu betrachten, wie wir auch die Epithelzellen
der Epidermis, welche durch protoplasmatische Brücken verbunden sind,
als Einheiten betrachten. Der Begriff der „ Vieleinhcit" , in dem das „ Viele"
Fig. 22. Zellen :ius dem Nucleus tnipezoides der
Katze n. Veratti. Verschiedene Formen vnn End-
körben (aus EniNGEP.'s Vorlesungen).
Zellteilung (im Körper) die Zentrosomen eine Rolle spielen bei der Reizaufnahme, d. h.
daß sie es sind, welche für extrazellulare Einflüsse zugängig sind,.und zu der Realisierung
dieser Einflüsse bei dei- Teilung beitragen. In dieser Beziehung ist es auch interessant, daß
die Zentrosomen einzelliger Tiere, auch bei der Teilung, mittels Fäden oft mit der Außen-
welt Kontakt halten, genau wie die Sinneshaare (Vergl. auch. Journ. of Comp. Neur. 1919).
DIE VERKNUrFUNGKN DER NERVÖSEN' ELEMENTE UNTER EINANDER.
31
ebenso sichei' ist als die „Einheit", ist gerade in dem Synzytivm des organischen
Körpers in typiscJier Weise ausgesprochen.
Eine solche direkte Fibrilleiiverbinclung, wie sie namontlich in dem
Vestibularapparat oft vorkommt, maclit
den Eindruck, daß sie dem Reiz einen
sehr schnellen und ganz bestimmten
Ablauf gibt, was bisweilen auch dadurch
gefördert wird, daß die Telodendrien
des anführenden Achsenzylinders mit
ihren Endfüßchen sich direkt um den
Einptlanzungskegel des Achsenzylin-
ders (Axonhügel) des zweiten Neurons
heften. Man spricht dann von einer
Axonkappe (Bartelmez) Ein Beispiel da-
von findet man indenMAUTHXER'schen
Zellen der Knochenfische (Fig. 24).
Daß grade der Glcichgewichtsap-
parat der Tiere so reich ist an intimen
i nterneu renalen Verknüpfungen , d ü rfte
damit zusammenhängen, daß die.selben der schnellen Effektuierung des
Gleichgewichtes zweifellos sehr zu Statten kommen (vergl. hierzu die Erör-
terung über die Synaps am Schluß dieses Kapitels).
Fig. 23. rbergang rier Filirillen Her
Korbzellen in den intrazellulären Fi-
brillen der Piirkinje'snhen Zellen n.
Oll DEN DA r..
/fXl?^7/<a/>/fC
Auerbachsche Endfüsschen von
TelodemUien
lo^ Dena
.Mü Sh
Achsenzy-
linder. ■
Axoiihtigel.
61 b.. 2 ^vMs^^^Wi
CDend
Inf Venf Dend
Med Denä
Fig. 24. Manthnersche Zelle eines Knochenfisches n. Bartelmez.
Man beachte die Axonkappe, welche den Axonhügel umgibt und die
AuERBACiischen Endfüsschen auf den lateralen Dendriten.
Md. Sh. Markscheide des Achsenzj'linders Gl. = Gliazellen. C. Dend.
= Kleine dendritische Ausliiufer, welche in die Axonkappe hin-
einragen.
32 t)IK VEKKNÜrKfNüRX T)KK NRRVÖSKX EJ.KNrKNTK UNTER KIXANDER.
Die iiervriscii Zellpii verliiiidcii sicli in diesiT A\'eise zu liulicni Ein-
lieiteii, welflie num als Zcllple.nm, Nervenstränge. Ganglia und Zetitralorgane
untersclieidet.
Zellplcvusscn (von primitiven Gan,a;lienzellen gebildet) findet man l.iei
niedern Wirbellosen. Die Zellen sind dalici gleichmässig verteilt. Aehn-
liches zeigen die Sympatliikuszellen des Darms. Als Nervenstränge bezeichnet
man Zellplexussen, welche der Länge nach ausgedehnt sind.
Unter Ganglia versteht man Anhäufungen von (Tanglienzellen, welche
morphologisch deutlich hervorragende Bildungen darstellen.
Bereits die Würmer besitzen solche Ganglien, und alle höhern Everte-
braten und Vertebraten sind ebenfalls damit ausgestattet. Für die letztern
ist das Spinalganglion ein klassisches Beispiel.
Komplizierter wird das Ganglion, wenn es neben einer Ganglienzell-
gruppe ein Fasernetz oder Neuropil{em) umfaßt. Unter Newopilem hat man
dabei die Gesamtmasse aller zum Ganglion gehörigen Ganglienzellfortsätze
und besonders ilirer feineren in allen fUchtungen hin und lu-r laufenden
Verästelungen zu verstehen.
Der Begriff Neuropil(em) wurde bei den altern Autoren und vielleicht
auch jetzt noch gebraucht in dem sellien Sinne, wie das interzelluläre Grau
von Nissr- aufgefaßt wird, das heißt als ein diffuses Maschenwerk von
Zellfortsätzen.
Wirklich diffus sind die ^'erknüpfungen aber vermutlich nicht, es
handelt sich dabei wahrscheinlich vielmelir um eine große Zahl durch-
einander gedochteTier Netze, von denen jedes für sich manchmal bloß von
anastomosicronden Endverästelungen zweier oder dreier Ganglienzellen
gebildet sein dürfte. Dies scheint auch die Anwesenheit scharf umschrie-
bener Leitungsbahnen in einem solchen Pileni besser zu erklären.
Bei den Evertebraten liegt das Neuropilem gewöhnlich in der Mitte
eines Ganglions, die Zellen rings darum, wie z.B. bei den Blutsäugern.
Mehrere solcher Ganglien kTninen wieder zu einem gröszern Ganglion
verschmelzen, wie man es in dem „Hirnganglion' oder dem unteren „Schlund-
ganglion" der hölicrn Würmer und Arthropoden vorfindet.
Diese Tendez, sich zu umfangreicheren Gruppen zu vereinen, sich
zu zentralisieren, kommt namentlich auch bei den Ganglien der Insekten
vor und gibt dadurcli Anlaß zu der Bildung einer Ai-t Zentralnerven-
sj'stems.
Wann man von einem Zeiitralorgan reden soll, ist nicht immer leicht
zu sagen und zwar deshalb, weil dabei neben anatomischen und histolo-
gischen Kriterien auch physiologische eine Rolle spielen. Man neinit am
besten jene Abschnitte des Nervensystems Zentralorgane, welche überwiegend
interneuronale Schaltungen darstellen und somit eine ausgiebige assoziative
Funktion hal)eu.
In der Meinung, dali man jede moi-pliologisch scharf umschriebene
(ianglienzellgi'Uppc ein (ianglinn nennen dürite, hat man auch verschiedene
ZKNTRAI.OKfiANE.
33
Zellgruppen im Zentralnervensystem der Wirbeltiere, welche sehr einfache
Verknüpfungen haben, mit dem Namen Ganglion belegt: das Ganglion habe-
nulae (Fig. 41 und 423), Ganglion isthmi (Fig. 452) und Ganglion interpe-
dunculare. Dies beruht darauf, daß diese Zellansammlungen nicht nur sein-
zirkumskript sind, sondern auch meistens etwas hervorragen, d. i. nicht
gänzlich in dem Zentralorgan verschwunden sind.
Solche Ganglienzellgruppen nennt man aber nach der neuen Nomen-
klatur lieber Kern
oder Nuclevs i), ob-
schon die alten
Namen so eingebür-
gert sind, daß es
manchrnal schwer
ist, sie zu vermeiden.
Auch in dem
Zen tral- Nervensystem
der Wirbeltiere gibt
es ein Neuropilem.
Es ist hier aber
gleichmäßiger zwi-
schen den Ganglien-
zellen verbreitet und
bildet interzelluläre
Filzwerke, eben das
nervöse Grau
NissLs, in dessen
Maschen die Zellen
liegen (Fig. 25).
Fig. 25, Interzellulares Grau (Neuropilem).
Links in dem Rückenmark; rechts in der Rinde, n. Retzius.
"Während bei den Vertebraten das Zentralorgan sehr deutlich ist, ist es
bei den niedern Wirbellosen manchmal nicht möglich, von einem Zentralorgan zu
sprechen (vergl. dazu die zusammenfassende Arbeit Deoo&leever Fortuyns).
Bei Coelenteraten gibt es noch keine Teile des Nervensystems, welche man
als Zentralorgane bezeichnen könnte.
Bei Plathelminthen kann man das Hirnganglion (oder die Hirnganglien) und
die davon abgehenden longitudinalen Nervenstränge mit ihren Kommissuren und
Querverbindungen als Zentralorganc betrachten.
Bei den Anneliden und Arthropoden sind der Schlundring (Hirnganglien,
Schlundkonnektiven und unteres Schlundganglion) und der Bauch.strang mit seinen
Ganglien, Konnektiveu und Kommissuren solche Zentralorgane, wobei man im
Hirnganglion und, wenn vorhanden, in dessen Corpora pedunculata ein Zentral-
organ höherer Ordnung sehen könnte.
') Um Verwechslung mit dem Zellkern, welche übrigens wohl kaum möglich ist,
vorzubeugen, nennen die Amerikaner diese manchmal Nidulus.
Kappers. 3
34
Die Verbindungen der Zentraiorgane mit der Peripherie.
In den Verbindungen- der Zentralorgane mit der Periph&rie unterpcheidet
man sensible und effektorische Nervenendigungen.
Von den sensiblen Nervenendigungen müssen wir die sogenannten freien
Endigungen als die ältesten betrachten. Nach Stefanelli und Vitali handelt
es sich dal:)ei um ein reichlicli anastomosieren<les markloses Netzwerk. Sie
bilden bei den niedersten
Wirbehieren dieeinzigen En-
digungen der gewöhnlichen
Hautnerven (Fig. 26). Nach
JoH.vsTON findet man sie
dort auch in den intermus-
kulären Septen.
Wir dürfen daraus
schließen, daß diese Endi-
gungen (oder besser dieses
Netz), die auch bei höheren
Tieren noch vorkommen (in
der Cornea, Nagelbett, Hirn-
häuten und Eingeweiden z.
B.) die i^rimitivsten Empfin-
dungen perzipieren, welche
man, weil sie direkt die Le-
benserhaltung des Tieres be-
trefi'en, als vitale Empfindun-
gen bezeichnet (Fabritius).
Da die Tiere, welche
bloß jene Endigungen haben,
nur empfindlich sintl für
große Temperatur- Schwan-
kungen 1) und weiter auf
chemische und schmerz-
hafte Reize reagieren und
bloß einen groben Berüh-
rungssinn aufweisen, muß
man annehmen, daß jene freien Endigungen diese Reize perzipieren.
Diese ziemlich groben Reize werden oft, als schädlich für das Leben
oder für die Euphorie des Tieres, geflohen — der dadurch ausgelöste Reflex
ist daher oft ein negativer Refle.r, und die freien Endigungen funktionieren
hauptsächlich (Sherrington) als nozirezeptive Endigungen (nocere = schädigen).
Fig. 26. Freie Nervenendigungen.
A. in der Kopfliaut. B. in der Schwanzhaut von Petro-
myzon mai inus, n. Retzius. ep. = Epidermis, c = Cutis.
*) Fabritius, der den Ausdruck ., vitale"' Empfindungen geschaffen hat. rechnet dazu
(auf Gründen, die ich hier nicht etörtern l<ann; siehe Kap. II) auch die feinere Tempe-
raturwahrnehmungen. Ich nicht.
VEKBIXDUNOKN MIT DER rEKIPriKlUK. 35
Docli würden wir meines Erachtens zu weit gehen, wenn wir darin
7ivr nozirezeptive Endigungen sehen wollten.
Wenn ein niederes Tier einen Reiz empfängt, den es aufsucht — worauf
es also positiv reagiert — dann hat es offenbar einen für seine Euphorie
günstigen Reiz empfangen. Nun unterliegt es keinem Zweifel, daß jene
Tiere auch positive Reflexe aufweisen und zwar auch mittels einer Haut,
welche nur freie Endigungen behält. Diese Endigungen müssen also teil-
weise gratorezeptiver i) Natur sein.
Im allgemeinen kann man aber sagen, daß das persönliche Wohlbefinden,
ein Affekt, bei diesen ersten Reiz-Empfindungen ein wichtiger Faktor ist
und können wir den Namen vitale oder „ protopathische 2) Nervenendigungen
(Head) behalten.
Nach R.wsoN handelt es sich dabei meistens um Endigungen von mark-
losen Fasern, was jedenfalls manchmal (Cornea, Eingeweide) zutrifft.
Bei höheren Tieren (schon bei Amphibien und Reptilien) treten kom-
pliziertere Rezeptionsorgane auf, von denen ich einige Abbildungen gebe.
Die Komplikation, welche wahrscheinlich mit einer feineren Differenzierung
der Empfindung zusammengeht, besteht darin, daß die sensiblen Fasern
in Verl)indung treten mit anderen Zellen, welche bei der Perzeption eine
Rolle mitspielen, wenn sie auch nicht solche spezifischen Sinneszellen sind
wie die Geschmackszellen und Gehörszellen.
Die primitivste Form einer solchen Verbindung liegt vor in den Tast-
menisci (Fig. 27 A.), bei denen das Ende der sensiblen Fasern oder ihrer
Fibrillen sich mit vielen Ösen, die zusammen und mit dem sie begleitenden
Plasma eine Scheibe bilden, gegen die Epithelzellen des Stratum Malpighi legt.
Komplizierter sind diejenigen Organe, bei denen die Zellen, an
denen sie enden, unter der Epidermis liegen. Beispiele dessen sind die
KRAUSE.schen und GRAXDRYSchen Körperchen der Vögel (Fig. 154, 155)
und namentlich die MEissNERSchen Körperchen (Fig. 27 B.).
Bei den letztgenannten kann man insofern Uebergänge zu den intrae-
pidermalen Endigungen finden, als Teile der End Verästelung des sensiblen
Nerven nach oben aus den GRANDRYschen und MsissNERSchen Körperchen
hervortreten können (Faser von Timoferw) und sich in die Epidermis
oberhalb derselben verästeln (Dogiel).
Meissner's Körperchen sind sehr zahlreich in den Fingerspitzen des Men-
schen und liegen stets unmittelbar unterhalb der Epidermis, zwischen den
Papillen. Die Körperchen von Meissner bestehen wesentlich aus stark-
gewundenen Lemnoblastenbahnen, d. h. ihre Nervenfibrillen dringen, ebenso
wie bei den GRAXDRYschen Körperchen in Zellen ein, welche sich in
Anschluß an die Schwannschen Zellen entwickeln und wie jene als Lemno-
') Von „gratus", dasjenige was Nutzen bringt und angenehm ist.
') Von „protos" zuerst auftretende und „pathos" = Affekt.
36
VERBINDUNGEN MIT DER PERIPHERIE.
A-
E.
Fig 27. A. Tastscheiben und Tastzellen eines Tasthaares der Maus B. MEissNERsche
Körperchen aus der Fingerkuppe des Menschen. C. HEnnsTsche Körperchen aus der
Wachshant der Ente. D. Kolbenförmige, ösenreiche Endigungen der Neurolibrillen zu einem
PACiNischen Körperchen aus dem Mesenterium der Katze, n. E. van de Velde. E, Intra-
protoplasmalische Endgung der Fibrillen in einem MEISSNER-Körperchen, n. Heringa.
VERBINDUNGEN MIT DER PERIPHERIE. 37
blasten (s. u.) zu betrachten sind (Heringa). Es ist sehr wahrscheinlich, daß
diese Körperchen der feineren Diskrimination dienen, und somit beitragen zu
unseren über den direkten Nutzen hinausgehenden „gnostischen" Wahr-
nemungen i).
Mehr in der Tiefe hegen die ÜERBTSchen und V.\TER-PACiNisc/iert Kör-
perchen (Fig. 27 C. und D.).
Die erstgenannten kommen vor in der Waehshaut der Ente, in der
auch die GRANDRYschen Körperchen vorkommen, und kennzeiclinen zieh
(hircli einen eigentümHclien perifibrillären Mantel (b) von regelmäßigen
Zellen (Fig. '17 C), welcher seinerseits wieder umgeben ist von einer lamel-
lären Scheide, einer Fortsetzung der HENLEschen Nervenscheide.
Die größten Endorgane sind die Vater — PACiNischen (Fig. 27 D),
die mit dem unbewaffneten Auge als glasige Tröpfchen wahrzunehmen
sind und einen Durchmesser von 1 bis 2 m.m. erreichen. Ihre Gestalt ist
meist eiförmig: in ibrem Inneren hndet sich ein flüssiger, eiweißreicher Stoff,
der von einer Membran umschlossen wird, die an der Peripherie eine
Anzahl ovaler Kerne aufweist. .Jedes Körperchen ist umgeben von einer
großen Zahl von Lamellen (b), die, ebenfalls eine Fortsetzung der HENLE-
schen Nervenscheide, meistens viel zahlreicher sind als die der Herbst-
schen Körperchen und auch durch einen eiweißreichen Stoff von einander
geschieden sind.
Der Achsenzylinder endet in der Mitte in einen ösenreichen Kolben (G).
Die Lage dieser Körperchen ist eine solche, daß man den Eindruck
erhält, sie perzipieren tiefere EmpHiidungen, nanientlicli Empfindungen
des Druckes, der Spannung und der Lageverhältnisse. So finden sie sich
sehr zahlreich in der Subkutis (zwischen dem Fett), in den Gelenkkapseln
und im Mesenterium.
Diese Körperchen tragen zweifellos dazu bei, uns über den genauen
Stand unserer Gliedmaßen zu orientieren, eine Funktion, die oberhalb
der Fische (welche keine eigentlichen Gliedmaßen haben) stets eine größere
Bedeutung zukommt und wichtig ist als stereognostischer Sinn.
Auch die Muskeln und Maskelansätze führen sensible Endigungen.
Es sind darin drei Kategorien zu unterscheiden: lo. Sensible Endi-
guiigen in den intermuskulären Septen ; 2o. Solche, welche an den Muskeln
selber endigen und 3o. Solclie, welche an den Sehnen endigen.
Freie intermuskuläre sensible Eadigungen, scheinen bereits bei den nie-
dersten Tieren vorzukommen. .Johnston wies sie nacli bei Petromj'zon.
Ploschko und Carpenter beschrieben intermuskuläre Endbäumelien,
Knäuel und Netze in der Trachea, dem Magen und Darm der Säuger. Es
ist wahrscheinlich, daß dieselben Spannungszustände perzipieren.
Sensible Endigungen auf den Muskeln selber kommen ebenfalls be-
reits bei den niedersten Fischen vor. Korbarllr/c sensible 31uskelendignngen
') Von llEAii epilu'itische VVahiiieliiiiuugen j{eiiiinnt.
38 VERBINDUNQKX MIT DER PERIPHERIE.
wurden von Retzilis erwähnt bei Myxine und von Giacomixi auch
bei Haien, Knochenfischen und Amphibien aufgefunden {terminaisons en
panier).
Bei den Fischen kommen außerdem pinselartitje Endigungen vor, die
bereits etwas komplizierter sind. Nocli kompliziertere Rezeptionsorgane
der Muskeln selber sind die Muskelspindeln, welche — in geringer Anzahl
zuerst auftreten dürften in der Muskelatur des Kaudalherzens der Cj'clo-
stoinen, wo Allen sie nachwies.
Sie dürften auch bei deir höheren Fischen nicht gänzlich fehlen
und sind (neben freien sensiblen Muskelendigungen) bereits sehr zahl-
reich bei den Amphibien (Kölliker und Reichert) und bei den Reptilien
(Sihler).
Hier, wie liei den Säugern, findet man in den Muskeln dann und
wann eine ganz dünne Muskelfaser, die sich kaum von den anderen Mus-
kelfasern unterscheidet, die aber nur etwa '/s bis Vio des Durchmessers
der dicksten Muskelfasern hat.
Verfolgt man eine solche Faser (siehe Fig. 28 A. und B.), so findet man,
dal! sie an einer gewissen Stelle eine spindelförmige Anschwellung aufweist,
welche manchmal auch eine Verdickung des Sarkolemms zeigt, die über-
gebt in die HENLEsche Nervenscheide (Fig. 28, B). An der Stelle, wo die
Nervenfaser in den Muskel selber eintritt, hat die Muskelfaser meistens (nicht
immer) ihre Querstreifung verloren und führt sie eine viel größere Zahl
von Muskelkernen. Ihre Substanz färbt sich dunkel.
Der sensible Nerv (s.), der meistens etwas dicker ist als die moto-
rischen Nerven, verteilt sich mit vielen Verästelungen in die modifizierte
Muskelmasse der Spindel in einer Weise, die noch nicht genügend fest-
gestellt worden ist. Man weiß nicht einmal, ob der dunkelgefärbte Inhalt der
Muskelspindel, der sich nach beiden Seiten recht weit ausdehnt, eine Modi-
fikation des Sarcojilasmas oder der kontraktilen Substanz ist.
An anderen Stellen können die Muskelspindelfasern auch motorische
Nerven erhalten (Fig. 28 links M) und zwar sowohl gewöhnliche als
akzessorische Fasern (Agduhr; siehe S. 40).
Die musknlo-tcndinösen Organe gehören mehr den Sehnen als den Mus-
keln an und sind, weil die Ausbildung der Sehnen selber etwas rezenter
ist als diejenige der Muskeln, als neuere Gewinne zu betrachten.
Nach Pansixi sollen sie allerdings bei Selachier und Teleostier nicht
ganz fehlen, und damit verwandte Organe (die .sog. Endorgane von Rollet
und Sachs) sind bei den Reptilien und Amphibien nachgewiesen.
Ihre Struktur ist ohne weiteres aus der hier gegebenen Abbildung
deutUch (Fig. 28 C).
') Wie die sehr primitive sensible Muskelendigung der Rohon — BE.\UD'schen tran-
sitorischen Zellen stattfindet, ist bis jetzt noch nicht genügend ermittelt. Jedenfalls
gibt es in jenem Stadium der Entwicklung noch keine komplizierte sensiblen Muskel-
endigungen.
VERBINDUNGEN MIT DKR PERIPHERIE.
39
Daß sowohl die Muskelenipfindungen — wie die iiiuskulo-
tendinöseii Empfindungen eine große Bedeutung haben für die
Kenntnis des Standes des Körpers und der Gliedmaßen, also für
den stereognostischen Sinn, ist selbstredend.
Die Weise, in der die effektorischen Nervenendigungen mit dem
Effektor — Drüsenzelle oder Muskelfaser — zusammenhängen, ist
wahrscheinlich immer so, daß die Nervenfasern sich den Effektor-
zellen selber anlegen, wobei die HENLESche Nervenscheide (s. u.)
in das Scheiden- oder Stützgewebe des Effektors übergeht. Am
bekanntesten sind die Verbindungen mit den Muskeln, wobei
die HENLESche Scheide sich in dem Sarkolemm fortsetzt und die
Neurofibrillen direkt unterhalb des Sarkolemms ins Innere des
Effektors selbst eintreten.
(.„j An der Stelle, wo der Nerv
in den Muskel eintritt, liegt eine
kernreiche Verdickung, Sohlen-
platte genannt. (Fig. 29.) In der
Umgebung dieser Sohlenplatte,
unterhalb des Sarkolemms, findet
die Endigung der Neurofibrillen
in ösenförmige Schlingen statt,
Fi;4. •>■)<. Sensible MicskelendiriMigen: Ä Muskelspindel einer Katze, nach Boeke; B dito einer
Schlange, nacli SiHLER. S = Sensibler, M = motorischer Nerv. C Musliulo-tendinöses
Ori^an, nach Ramony Cajal. a = sensibler Nerv, b =Verästeliingen desselben, c = Muskelfasern.
40
verbindt;ngen mit der Peripherie.
Fig. '29 J. Periterminales Fibiillennetz, n. Boeke
m.f. a.i.
•nrirfFT'
'"'TTfff"
Fig. 29 J?. Motorische (m.f.) und akzessorische
Nervenfasern (a.f.), n. Boeke. — üben in dem
Muse, rectus superior der Katze, unten in der
Zunge der Maus.
welche dem Sarkoplasma
selber aufliegen und viel-
leicht mit feinen Zähn-
chen an die Querstreifung
herantreten. Um diese
Endausbreitungen der
Fibrillen ist außerdem
ein von Boeke als „peri-
terminales Netzwerk" be-
schriebenes zartes intra-
mrkoplasmatischcs Netz-
werk vorhanden, welches
mit den Endschlingen
der NeuroHbrillen auastomosiert
(Fig. 29 A), sich aber weniger
stark färbt bei Anwendung der
Neuro tibrillenmethoden. Die
neurotibrilläre Herkunft jenes
periterminalen Netzwerkes ist
denn auch nicht sicher, seine reiz-
leitende Funktion dagegen wahr-
scheinlich.
Ich habe übrigens bereits in,
der Einleitung darauf hingewiesen,
daß die Eetzlcitungsfähigkeit keine
Eigenschaft ist, die nur den Nerven
zukommt und werde iveiter unten
auch wieder Gelegenkcithaben, darauf
hinzuweisen (siehe Seite 50 u. w.j.
Außer den Endigungen der
markhaltigen motorischen Fasern
sind von Bre.mer, Botezat und
namentlich von Boeke Endigun-
gen von marklosen Fasern in den
Muskeln wahrgenommen, welche
von Boeke sehr eingehend stu-
diert und als selbständige akzes-
sorische Fasern ^) {¥\g. IQ B: a.f.)
erkannt worden sind.
Die Funktion jener Fasern
kennt man noch nicht. Man muß
sie aber als eine svmpathische In-
nervation der Muskeln betrachten,
') Die von Perroncito und Gemelli beschriebenen Kollaterall'asern sind damit nicht
zu identifizieren.
DAS HÜI,I,(iICWEI5E DKK /.KNTKALORGANE. 41
denn sie bleiben in den Arinmuskeln intakt nach Duisehneidung aller
Wurzeln des Plexus brachialis (Agduhr), was zu Gunsten ihrer postgan-
glionären, sympathischen Natur spricht.
Nur für die Ziliarmuskeln hat Boeke nachgewiesen, dali ihre akzes-
sorischen Fasern (Katze) schon nach Durchschneidung der Wurzel des
Nervus oculomotorius teilweise zu Grunde gehen, dort also teilweise auch
Wurzelfasern sind.
Nach der Meinung von 8. de Boer haben die akzessorischen
Fasern einen Einfluß auf den Tonus. Indessen konnten weder Boeke,
noch Agduhr nach Exstirpation des Ganglion stellatum eine Tonusverän-
derung in den Armniuskcln sehen. Auch Brücke und Barenxe bezwei-
felen dies. Wir müssen hier m. E. eher denken an den Satz von Langlev,
duli, wenn ein Gewebe eine doppelte Innervation erhält, der durch die eine
Innervation verursachte Effekt gewöhnlich entgegengesetzt ist dem Effekt
der anderen Innervation, und ich möchte die Frage aufstellen, ob nicht die
akzessorische Innervation die Resultate der Hanptinnervation reguliert,
d. ii. in Schranken hält.
Das Hüllgewebe der Zentralorgane.
Während die spezitische Funktion des Nervensystems wesentlich ab-
hängig ist von dessen nervösen Elementen und deren Verbindungen mit
der Peripherie des Körj>ers, ist der Haashall des A'ervensysicins zu einem
großen Teil abhängig von dem diese Elemente und das gesamte Ner-
vensystem mngebenden Hüllgewebe.
Dieses Gewebe, welches aus verschiedenen Elementen besteht, wurde
früher im allgemeinen als „Stützgewebe" bezeichnet. Da seine Funktion
jedoch viel weiter geht als dieses Wort besagt und wesentlich die Metaboliedes
Nervensystems beherrscht, ist der mehr neutrale Ausdruck Hüllgewehe besser.
Bei den Wirbellosen .s})ielt dieses Gewebe eine viel geringei-e Holle als
bei den Wirbeltieren, und bei den niederen Wirbeltieren wieder eine ge-
ringere als bei den höheren. Dies gilt sowohl für das ektodermale, gliöse als
für das mesodermale Hüllgewebe, wie ich bei der Beschreibung des liücken-
markes eingehender erörtern werde.
Während bei den Vertebraten leicht nachwcisibar ist, daß die Neuroglia aus
der.^elben Anlage hervorgeht wie das A'^ß;vr«.'.;//.s-fe«i und eklodernialer llevkiinft ist —
das Bindegewebe ist mesodermal — halt es bei den Evertebraten uiaiichinal .schwer,
über den Ursprung des nervösen Stützgewebes eutwicklungsgeschichtliche Daten
zu erlangen. Das ontogenetische Kriterium fehlt dort also manchmal, und dadurch ist
es nicht immer möglieb, genau anzugeben, wo das eine aufhört und das andere anlängt.
Man erhält nicht selten den Eindruck, daß bei manchen Evertebraten das
Bindegewebe die Nerven, Ganglien und Zentralorgane mehr oder wenigei- direkt
mit Hüllen umgibt, während die einzelneu Nervenfasern übrigens meistens nackt
sind. Die Coelenteraten und vielleicht auch die Arthropoden sollen keine Glia
besitzen. Bei den Würmern und Mollusken soll indessen zwischen den Ganglien-
42 DAS CHORIOIDEPITHEL.
Zellen und Nervenfasern der Zentrtilorgane (vielleicht auch im peripheren Nerven-
system) Neuroglia vorkommen.
Bei (leix Vertehraten ist die Verteilung von Neuroglia und Bindegewebe
besser bekannt als bei den Wirbellosen.
Die Neuroglia, oder besser gesagt das ektoderiuale Hüllgewebe, das
auch in der Metabolie des Gehirns eine so große Rolle spielt, wird dort im
allgemeinen unterschieden in zwei Zellarten : das Ependym und die Glia
sensu strictiori, welche aus diesem Ependym hervorgeht.
Das Ependym kann wieder eingeteilt werden in das Epithel der
Dachmembranen oder Chorioidalgeiuebe und das Ependym sensu strictiori,
das die an den Hirnventrikel grenzende ^^eite des nervösen Gewebes be-
kleidet. Letzteres unterscheidet sich von dem Chorioidepithel hauptsächlich
durch seinen Wimpersaum und dadurch, dalj seine Zellen einen langen
Ausläufer aufweisen, welcher in die Substanz des Nervensystems eindringt.
Das Chorioidepithtl bildet die Plexus chorioidei, welche bei Foeten, also
während der Entwicklung, relativ größer sind (Loepek) als beim Ausge-
wachsenen. (In Uebereinstimmung damit scheint auch, daß sie bei höheren
Tieren nie einen so großen Umfang erreichen als bei manchen niederen).
Ihr Epithel (Fig. 30) ist insoferne primitiv von Bau, indem es einen
einfacheren Zelltypus bewahrt hat. Die Zellen sind meistens kubisch und stets
einschichtig, und zwischen den Zellen liegt eine homogene Kittsubstanz, die
in tangentialen Schnitten sehr deutlich sichtbar wird (siehe Fig. 30 Hexanchus).
Im Gegensatz zu STUDNK.K.i und Stekzi muß ich angeben, daß ich
auf den Zellen nie einen Haar- oder Flimmersaum wahrnam. Wohl ist
ihre nach dem Ventrikel zugewandte Seite oft hyalin und etwas gestreift,
was offenbar mit ihrer sekretorischen Funktion zusammenhängt, welche
auch die Ursache ist, daß die Zellen an jener Seite manchmal mit einer
Priizipitat-Schicht bedeckt sind.
Das Protoplasma der Zellen weist feine Granulationen (Luschka) auf.
Dieselben kommen zunächst aus dem Kern in das Protoplasma und ver-
größern sich dort, indem sie sich mit einer Membran umkleiden (Galeotti).
Die basophilen Granulationen sind von .ScuLaPFEu als Glohtdolasien bezeichnet
und sollen mit einer dünnen Lipoidmembran versehen sein. Daneben sollen (Gold-
mann) azidophile Granulationen vorkommen, welche eine Oxydase enthalten.
Das Chorioidepithel ist so stark vaskularisiert (Fig. 30, Acanthias),
daß mau seine Zotten als reine Blutdrüsen betrachten kann, in dem Sinne
jedoch, daß seine Zellen einerseits Substanzen überführen in den Ventrikel-
raum, während sie anderseits Abbauprodukte aus der Zerebrospinalflüssig-
keit aufnehmen (Pei.lizi), und in die Blutbalni bringen (fettähnliche Stoffe).
Die in sie eindringenden Gefäße sind meistenteils ausserordentlich weite
Kapillaren, deren Endothel oft unmittelbar an den Chorioidzelleii liegt i)
') Namentlich in den Endzotten ist dies der Fall. Dort, wo das Chorioid an die Meninx
grenzt, begleitet nicht selten eine gewisse Menge lockeres Meningea Ige webe die Choi'ioidgefäße.
DAS ('IIOKIOII)EPITHEL.
43
(siehe Fig. 30 Acunthias und Acipenser). Retrahiereii sich die Gefäiie durch
Schrumpfung, dann sieht man manchmal zwischen den Endothelzellen und
dem Chorioid nur einen leeren Raum.
Acantliias.
Meniux
leeresBlutg.
Meuiux
Chor. z.
tangen-
tial ange-
schnitten
^T« J^^ »^
Chorioidzotte mit Blutgef.
Hexanchus.
Aciponser.
Fig. 30. Cliorioidepithel von .^canthias, Acipen.ser (Ventr. IV) und Hi>xanchus
(Ventr. III). Man beachte den engen Anschluß der Kapillaiwand an das Chorioid-
epithel bei Acanthias und Acipenser und die leicht gefärbten oberen Abschnitte der
Chorioidzellen bei Acipenser.
Indessen kann auch eine kleine Menge mesenchymatöses Gewebe der
Meninx die Kapillafen begleiten (vergl. Hexanchus).
In diesem Meningealgewebe, das oberhalb der Chorioidzotten reichlicher ist
als darin, kommen — namentlich um die Gefäße — manchmal grolie mononu-
kleäre Zellen vor, ein Art Mast/.elleu (Susdwall) welche von Goldmann als Pj/r-
rolzelJen bezeichnet wurden, weil sie sich mit Pyrrolblau stark färben. Dewet hält
sie für Lymphendothelien. Ihre Körner färben sich nach meinen Erfahrungen auch
stark mit WEiüEHTs-Markseheide-Färbung, und ich bin geneigt, auf Grund dessen
ihnen eine Verwandtschaft mit dem Lezithin beizumessen. Ich fand sie auch sehr
deutHch bei niederen Tieren (Ceratodus).
44 DAS CHOKIOIDEPITHEL.
Ob es sieh dabei um ähnliche Elemente handelt als die, welche Asa Chaimdlee
so reichlich bei Lepidosteus fand, halte ich nicht für ausgeschlossen, weil die
Körner jenes Tieres sich stark tingiren mit Pikrin, welches bekanntlich auch eine
Affinität zum Lezithin der Markscheiden besitzt.
Im Zusammenhang damit ist es interessant, daß Pellizzi darauf hingewiesen
hat, daß namentlich während der Myelogenese fettkörnerhaltige Zellen in dem
perivaskulären Gewebe sehr zahlreich sind.
Es zeigt sich, daß es sich beim Chorioid um eine Brüse handelt, welche in
den Ventrikel sezerniert und anderseits Stoffe in die Lymph- und Blutbahn bringt.
Diese Drüse spielt auch nocli dadurch in dem Metabolismus der das Hirn durch-
spülenden und umspülenden FU'issigkeiten. eine überaus ivichtige Bolle, weil sie
manche Stoffe, die in der Blutbahn vorkommen oder die in diese eingeführt
werden, nicht in das Nervensystem durchläßt (unter ihnen auch einige
Antitoxine, wie dasjenige des Tetanus und der Diphtherie, Gallpigmente
und einige medikamentöse Sub.stanzen : Meyer und Ranson).
In dieser Beziehung weist das Chorioidalgewebe also eine Ähnlichkeit
mit der Plazenta auf (daher „Placenta cerebralis"). Von großer Bedeutung in
dieser Hinsicht ist auch die von Loeper und Goi.dmann erwäinite Tatsache,
daß das foetaleChorioidgewebe reich ist an Glykogen, bekanntlich ein Nahrungs-
reservestofl". Es ist wahrscheinlich, daß das Chorioid auch bei der Regulie-
rung des gewöhnlichen und osmotischen Liquordruckes eine Rolle spielt.
Hieraus läßt sich vielleicht erklären, daß sich bei den Fischen manchmal
eine so mächtige Ausdehnung jener Membranen tindet (vergl. Fig. 438).
Daß es sich dabei nicht bloß um einen Dialysationsprozeß handelt,
sondern auch um Sekretionsprozesse, darauf weist ihre Beeinflussung durch
Pilokarpin, welches — mittels der sympathischen Fasern, welche die
Chorioidmembran innervieren — deren Sekretion beeinflußt.
Wie wichtig die Rolle der Adergeflechte ist, geht schließlich daraus
hervor, daß ein Frosch nach Abtragung der Plexus chorioidei unter Erschei-
nung von Erstarrung stirbt (Pellizi).
Während das Chorioidepitliel zwischen dem Liquor cerebro-spinalis
internus einerseits und den Blutgefäßen (und der extra-zerebi'alen Lymphe)
anderseits als eine selektive und sekretorische Membran eingeschaltet
ist und (beim Menschen) nur an der Stelle der Foramina von Magendi und
Luschka (siehe Kap. HI) fehlt, kommt dem Ventrikelependym, in den e.s
sich in den Kavitäten des Gehirns und in dem Zentralkanal des Rücken-
markes fortsetzt, daneben auch eine Stützfunktion zu.
Die Fjpcndymzellen .sind meist kubisch, können aber an gewissen Stellen
(z. B. unter der Commissura. posterior des MittcUiirns und oberhalb der
Com. anterior des Rückenmarkes) eine sehr autt'allende hochzylindrische
Gestalt annclnnen.
Ihre nach dem Ventrikel gerichtete Seite (wenn sie nicht mit Eivveiß-
koagula bedeckt ist) weist Wimperhaare auf, welche entweder in Büscheln
vorkommen oder solitär sind und deren zellulärer Pol in Diplosomen endet.
DAS Kl'KNDYNr.
4.')
Diese Haare können selbstständige Bewegungen aufweisen (Valentin u. A.).
Die Zellen unterscheiden sieh aul^erdeni von den Chorioidzelleii durch lange
Ausläufer, die radiär durch die ganze Dicke der gi'auen Substanz ziehen
und deren verbreiteten Endfüßchen bei niederen Tieren die Limitans externa
bilden (Retzrts).
Indessen würde man fehlgehen, wenn man den Ependymzellen einen
Einfluß auf den Metabolismus der Hirnsäfte abspräche.
Elin solcher Einfluß ist zweifellos vorhanden, wie dies auch durch die
eigentümlichen Wucherungen jenes Gewebes bewiesen wird, die ich bei
Fischen, Reptilien und \7)geln
i ■
nachweisen konnte, deren rei-
che Vaskularisierung und mas-
saler Eiweißbelag auf ihre se-
kretorische B'unktion hinweist
(vergl. Fig. 31 Ä und Fig. 438.4).
In dieser Beziehung zeigt
das Ependym also eine Ver-
wandtschaft mit dem Chorioid-
epithel. Außerdem lassen sich
darin, namentlich bei jungen
Tieren und während der Ent-
wicklung, Körner nachweisen.
Die Ependymzellen, die
den Zentralkanal des Rü-
ckenmarkes und die Ven-
trikel des Gehirns wie mit
einem Deck-Epithel bekleiden
bilden auch den Mutterboden
der eigentlichen Gliazellen, oder
besser gesagt: beide, die Epen-
dym- und Gliazellen, gehen
aus den primitiven „Spongio-
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Fig. 31 ^1. Sezeinierende, stark vaskulai'isierte Epen-
dymstelle in dem Zwischenhirn eines Reptils.
blasten" hervor.
Die Gliazellen wandern allmählich in die Substanz des Nervensystems
ein in der Richtung ihres peripheren Ausläufers und verlieren dadurch
den Kontakt mit dem Zentralkanal (Fig. 31 5). Der periphere Ausläufer
atrophiert später auch, und es bilden sich in dem Protoplasma der Zellen
sekundäre Gliafibrillen und Ausläufer in verschiedener Richtung.
Man spricht dann von „autonomen Gliazellen", Astrozyten, welche in-
dessen meistens untereinander verbunden sind und, je nachdem ihre Aus-
läufer lang oder kurz sind, in Langstrahler und Kurzstrahler unterschieden
werden. Erstere flnden sich namentlicli in der weißen, letztere in der
grauen Substanz.
Die große Bedeutung der Glia für den Metabolismus des Nerven-
46
DIK NKUR(ir;i,lA.
Systems geht an besten daraus hervor, daß (he Lage mancher dieser Zel-
len und ihrer Ausläufer und Fibrillen (oflenbar auf chemotaktischer Basis)
von Gefäßen bedingt (vergl. Fig. o2) und in pathologischen Fällen als
Wanderzelkri von Entzündungsherden beeinflußt wird.
Es läßt sich nachweisen, daß die Gliazellen in solchen Fällen sogar
rote Blutkörperchen und Ganglienzellen (Neuronopliagie) verzehren. Hier-
aus geht hervor, daß der Verband mit dem inneren Metabolismus des
Nervensystems, der bei den Chorioidmembranen so evident ist, und der
Fig. .Sl n. Epenrlym (rechts) und junge Gliazellen (links) in dem Rückenmark eines
menschlichen Koetns von 14 cm, nach von Leniiosskk.
sich auch beim Ependym nachAveisen läßt, bei den gliösen Elementen bleibt.
Ob um die (4efäße die Lage der Endfüßchen von der Gefaßwand selber
oder von einem perivaskulären Lymphraum bedingt wird, ist lang umstrit-
ten, und ist bei Kapillären vielleicht anders als bei etwas größeren Gefäßen.
Sicher ist, daß die trompetenförmigen Endfüßchen der den Gefäßen
nahe liegenden Gliazellen (Gliakammerzellen Held's) eine ziemlich ge-
schlossene Membran bilden, die Limitans vascularis von Held, ebenso wie
'die Gliagrenzzellen an der Oberfläche des Nervensystems, eine Limitans
superficialis, oder externa darstellen und daß sich zwischen dieser Membran
DIE NRriUMil.TA.
47
und dem Gefäß ein .sclnnaler .sjmltföriniejer Raum finden kann, der Virchüw-
Roi'.ixsche Raum 1) (Hkld, Nonxk, Schaffkk und Winkkler — JuNius: Fig.
I_;.i-\ja 32). Ist dieser Raum sehr beein-
trächtigt, dann hegt die Limi-
tans ghae direkt an dem Endo-
J/: Um, gl.
-Qc. mora:
A'f. //'/n . ff'-
Fig. 321?. VerhaltiMi tief Membrana
gliosa vascularis zu dem Virchow-
Fig. 32.4. Verhalten Her Glia in (li>r liinile. 11. Hri.d. RoBiNschen Raum n. Winkleu-.Funuis.
/7A
--^
:^m-
Fig. 32 C Verhalten der Auslänfer der Gliazellen zu den (iet'alien,
n. 1,. linuMAN.
') Nach Held sind die Släbclienzellen, die einzigen gliösen EInemente, welche in den
perivaskulären Raum selber eindringen. Fs handelt sich dabei um phagozytäre Wander-
elemente der Glia.
48 r>iF, NKURoaiJA.
thel des Kapillars oder an der Adventitia des Gefäßes (Fig. 32C').
Der perivaskuläre ViRCHOW-KoBiNsche Raum steht im Zusammenhang
mit pialen Gewebsspalten und mit dem Arachnoidah-aum
Der Virchow-Rohinsche Raum ist der einzige perivaskuläre Raum bei
den Kapillaren.
Bei etwas größeren Gefäßen, die eine reichliche Adventitia führen,
kommen dazu noch die adventitielen Lymphspalten, welche allen Körper-
gefäßen und auch denjenigen des Gehirnes eigen sind (Binswangeu und
Bergei!, Nonne und Luce, Kooy) und die pialen Nebenräume (Held).
Zentralwarts von der Limitans gliae (die sieh in die Membrana limitans super-
ficialis fortsetzt) ist das Gliagewebe uiauehmal gelockert und die nervöse Substanz
spiirlich, sodaß man den Eindruck erhalten kann, als wären dort wieder Lymph- oder
Zerebro-Spinalflüszigkeitsräume vorhanden. Ich habe diese Eäume in Fig. 32 A als
Lacunne. marciinales und Lnciinae pprivnsculares ^) bezeichnet. Die Limitans gliae wird
überall bekleidet von der Membrana intima Piae, ein Endothelartiger Membran (Held).
Außer ihrer Verbindung mit den Gefäßen zeigt die Glia eine be-
sondere Tendenz zur Bildung von Filzwerken um Ganglienzellen und
.Fasern.
Ihre Ausläufer (Paladino, Marenghi u. A.) dringen dabei nicht selten
in die Markscheide durch (und sogar in die Ganglienzellen). Ihre Affinität
zu fettartigen Stoffwechselprodukten, welche hieraus hervorgeht, zeigt sich
aber namentlich bei Erkrankungen des Nervensystems, wobei Wucherungen
der Glia mit einer förmlichen Myelophagie zusammengehen können.
Es kommt mir wahrKcJicinlicli, vor, daß aucli, unter normalen Umständen die in
die Markscheide durchdringenden Gliafäserchen überflüssiges oder veraltetes Mark
abführen. Müssen, uiir doch annehmen, daß die Markscheide ein sich fortwäh-
rend erneuerndes Gebilde ist.
Dementsprechend würde die pathologische Myelophagie eine durch
pathologische Reize verursachte Exazerbation normaler Gliatätigkeit sein.
Außerdem haben Nageotte, Mawas und Achücauro darauf hingewiesen,
daß den Gliazellen walirscheinlich auch eine sekretorische Funktion zukommt,
eine Art innerer Sekretion, die auf die „Stimmungen" einen Eintlnß ausüben soll.
Wir finden also in allen Derivaten des Beck- und Hüllepithels eine ]''erwandt-
schaft zu den Blutgefäßen und zu der Metabolie des Nervensystems. Im Hinblick
darauf dürfte es von Interesse seiyi, bereits hier darauf hinzuweisen, daß das
Durchweben der Rückenmarkstd)stanz mit autonomen Gliazellen erst eine größere
Bedeutung erlangt bei denjenigen Tieren, die intrazerebrale Blutgefäße und
Markscheiden, besitzen und unter pathologischen Umstände^i stark zunimmt.
Amphioxus, der keine intrazerebralen Blutgefäße und keine Mark-
') Diese LacuHae perivasculares erklären vielleicht einige, von dieser Darstellung
abweichende Auffassungen von Cajal und Achücarro.
DIE NEUROGLIA. 49
scheiden besitzt, weist wohl Ependym, aber meines Erachtens keine auto-
nome Glia auf, und auch bei den Zyklostomen findet man ähnliche Ver-
hältnisse. Dort kommen zwar Gliazellen vor, welche sich freigemacht haben
von dem Zentralkanal, aber die Endfüße jener Zellen stehen fast nur auf
der Peripherie des Markes.
Gliazellen, welclie sowohl von deni Zentralkanal als von der Peripherie
frei sind, sogenannte „autonome Gliazellen", treten erst einigermaßen reich-
lich bei den Plagiostomen auf, deren Nervensystem mit inneren Gefäßen
versehen ist und bei denen auch die Markumscheidung zuerst auftritt.
Icli habe schon ervviihnt, daß die Gliazellen unter entzündliclien Umständen,
die Ganglienzellen, die sie sonst nur umspinnen oder in die sie höchstens mit Fort-
sätzen eindringen (wie die Trophospongien in Fig. 20), ganz verzehren können :
NeiiTonofliagie. Sie erfüllen dann als phagozytäre Zellen eine Rolle wie die
Leukozyten. So sind auch die sog. SHibclienzellen^) wahrscheinlich als „Wnnderfflia"
zu betrachten. Dies alles weißt darauf hin, wie überwiegend die Rolle dieser Ele-
mente in dem Leben des Nervensystems ist : wieviel mehr sie sind als Stützelementen.
Die bindegewebigen Hüllen, welche das Zentralorgan umgeben, die Hirn-
häute (Meningen) und dessen intrazerebralen Septen weisen recht erhebliche
Unterschiede auf in den einzelnen Tierklassen und sollen deshalb (siehe
Kapitel II, über das Rückenmark) für jede Klasse besonders behandelt
werden.
Das Hüllgewebe der peripheren Nerven und ihre Rolle
bei der Nervenbiidung.
Zu der Hüll- oder Stützsubstanz rechnet man auch die Zellen der
ScinvANN'sc/ieii Sclieide der peripheren Nerven, welche sogar als „periphere
Gliazellen'' bezeichnet wurden. Es ist jedoch fraglich, ob diese Bezeich-
nung richtig ist. Ihre Funktion gebt wahrscheinlich weiter als die der Glia.
In der ersten Anlage der Nerven bilden sie mit den peripheren Aus-
läufern der Ganglienzellen den einzigen Bestandteil derselben. In diesem
Stadium umgeben sie größere Nervenfaserbündel zu' gleicher Zeit (Fig. 33
oben). Bald darauf dringen sie aber in die Bündel ein (Fig. 33 mittlere
Reibe), umkleiden die Fibrillen mit Scheiden (Fig. 33 unten) und umfassen
auch die Myelinscheide, die dort, wo zwei ScHWANN'sche Zellen aneinander
grenzen, unterbrochen ist (RANViER'scher Schnürring: Fig. 21).
An den marklosen sympathischen Nervenfasern (pEMAK'schen Fasern)
entlang findet man sie ebenfalls, und auch die Amphizyten der Spinalgan-
glienzellen (Trophozyten, Fig. 20) sind ihnen verwandt.
An der Grenze des Zentralnervensystems hören die röhren-
förmigen Segmente in einer so regelmäßigen Weise auf, daß ihre
') Einige Autoren betrachten sie al.s inesoderraale ElpinRiitc.
Kappers.
50
DAS HULLGEWEBE DER PERIPHEREN NERVEN.
zentralen Enden zusammen einen Bogen bilden, den F'RoyniAy^' selten Bogen
Da dieser Bügen im Lum-
balmark, eine gewisse Strecke
vom Rückenmark entfernt ist
(Redlich, E. Levi), und dort
eing Verdünnung der Mark-
scheiden voi'kommt, liegt hier
vielleicht ein Locus minoris
resistentiae vor gegen toxische
Einflüsse (Tahes-theorie von
Redlich).
Es ist wahrscheinlich.
(Held, Cari-enter) daß die
.ScHWANN'schen Zellen (auch
wohl als Lcmnohlasten be-
zeichnet) größtenteils — aber
nicht ausschließlich — von
der Anlage des Zentralner-
vensystems herstammen.
Die Lemnoblasten der
Pila olfactiva konnnen je-
denfalls aus der Mucosa
olfactiva hervor (Disse und
Held). Letzteres dürfte auch
der Fall sein mit den Lem-
noblasten gewisser Gefühls-
körperchen, wie beim Ei-
MKR'schen Organe desMaul-
Fig. 33. Entwicklung der ScHWANN'schen Scheide. wurfs.
Obere Reihe: Interkostalnerven mit perifascicuhiren ßgj ^gj. Bikhmo- der pe-
ScHWANN'schen Zellen. Schafembryo, 30 ni.m. ripheren Nerven kommt den
Mittlere Reilie: Einwanderung der ScHWANN'schen ^' ,, „■ . -n
7 „ • , KT T 1 • j- o 1 <• u -n »/r Lemnoblasten-) eine groliere
Zellen in den N. Ischiadicus. Schafembryo, /O m.M. mji.,,,,,'^^,^ ^^^ v j ^
Untere Reihe: Isehiadicus eines Schaffoetus 24 c.M.
ScHWANN'sche Zellen röhrenförmig geschlossen. Links
sind nur ScHWANN'sche Zellen mit ihren Kernen in den
Fascikeln der Priniitivfibrillen, in denen sich Mark und
Achsenzylinder noch nicht diflerenziert haben.
Rechts ein weiter fortgeschrittenes Stadium, worin
außer den ScHWANN'schen Zellen endoneurale Zellen
zwischen den Nervenröhren eingewandert sind. Mark
(weiß) und Achsenzylinder (schwarz) sind ditTprenziert.
delt sich dabei um eine geschich-
tete Reaktion, der keine besondere Bedeutung zukommt, und welche auch in Kapillaren
mit Eiweißlösung auftreten kann (Boveri, Bechthold).
2) Letztere können nach Boeke imd Heringa teilweise auch mesodermaler Herkimft sein.
') Nicht zu verwechslen mit
den FROMMAN'schen Linien, der
Querstreifung, welche der Ach-
senzylinder (und bisweilen auch
die Dendriten : Grandry, Dek-
iiiYZEN) zeigen kann nach Be-
handlung mit Ag NOj. Es hau-
KETTENTHEORIE UND AUSLÄUFERTHEORIE. 51
Bedeutung zu uls blolie Hüllzellen, indem sie nicht nur den Achsenzylinder
umhüllen, sondern auch ihr Plasma in der Bildung und der Regeneration
der Fibrillen eine Rolle mitspielt. Welches diese Rolle ist, ist noch nicht
ganz klar.
Gerailc in letzter Zeit sind aber auf diesem Gebiete wichtige Unter-
sncliungen erschienen. (Hioi.d, Boeice, Heringa und Si'IELMEYER.)
Die von diesen Autoren gemachten Befunde weisen eine große prin-
zipielle Übereinstimmung auf und bringen uns der Lösung der noch immer
fortdauernden Meinungsunterschiede über die Genese der peripheren Nerven
etwas näher.
Bekanntlich bestehen diese Meinungsunterschiede darin, daß die eine
Partei die peripheren Nerven nur als Ausläufer einer zentralen Ganglien-
zelle betrachtet, welche sekundär von Scheidenzellen umgeben werden
{Avslüafcrtheorie), während die andere Partei in den peripheren Nerven
eine Kette von SciiWANN'schen Zellen sieht, welche ihrer Meinung nach
als richtige nervenbildende Zellen zu deuten sind, in denen sich also
die Fibrillen entwickelten, sei es autonom, sei es nur unter einem zen-
tralen Einfluß {Kettentheorie).
Daß ein bleibendes cmtonomcs Wachstum., eine fortschreitende autonome
Regeneration eines peripheren Nervenstückes (Bethe) indessen nicht vor-
kommt, und daß der zentrale Zusammenhang hierbei jedenfalls notwendig
ist, darüber besteht jetzt kaum mehr Zweifel. Doch könnte dieser Zusam-
menhang überwiegend funktioneller Natur sein und darin bestehen, daß
das periphere, noch relativ indifi'erente Synzytium durch einen von den
Ganglienzellen ausgehenden Reiz zu einer lokalen Fibrillation veranlaßt werde.
Hei.d hat nachgewiesen, daß die Fibrillen zuerst in den zentralen
Neuroblasten auftreten (fibrillogene Zone) und er nimmt an, daß alle fibril-
logene Substanz daher stammt i), daß aber, wenn ihre Bildung einmal dort
angefangen hat, die fibrillogene Masse sich an die Plasmodesmen des Binde-
gewebes und der Organzellen fortzupflanzen vermag. Diese fibrillogene
Masse (1. c. S. 296) konnte dann dort aufgespeichert bleiben und auch nach
Abtrennung der zentralen Zelle eine abortive Regenerationstendenz auf-
weisen, oder, nach sofortiger Nervennaht, bleibend „in loco" regenerieren.
Es ist eine, auch von Heringa hervorgehobene, Tatsache, daß die
Fibrillen in dem Plasma der ScnwANN'schen Zelle selber gefunden werden,
oder wenn man will, daß ihr Axoplasma völlig kontinü ist mit dem Plasma
jener Zellen, und die Fibrillen jener in loco entstehen können.
Daß Nervenfibrillen auch in anderen Gewebselementen als Ganghen-
zellen vorkommen, darüber besteht nach den Untersuchungen Boeke's und
Heringa's kein Zweifel mehr. Diese Autoren betonten ihre Kontinuität
>) Held betont ausdrücklich, daß in Wirklichkeit und letzten Endes der Einfluß der
Ganglienzelle die Hauptsache sei. Den ScHWANN'schen Zellen oder Lemnoblasteii schreibt
er keine Rolle als Nervenzellen (in dem Sinne Apathys und Brthes) zu.
52 DIK GENESE DER PERIPHEREN NERVEN
mit den Zellen der GKANDRv'schen und MsißNER'schen Tastköi'perchen,
welche mit Lenmoblasten verwandt sind. Heringa neigt denn auch zu der
Annahme, daß die Fibrillenbahn sich bilde an der ganzen Lemnoblasten-
bahn entlang, und daß das Protoplasma der ScHWANN'schen Scheide mit
dem Axoplasma der Fibrillen eine einheitliche, synzytiale Masse sei, eine
Auffassung, die sich auch deckt mit der Meinung Sedgwick's und Rohde's
bezügl. des synzytialen Charaktes des Nervensystems.
Dieses Axoplasma zeigt sich auf einem Querschnitt als eine netzförmige Masse
und hat wahrscheinlich eine Schaumstruktur mit in der Länge ausgedehnten Maschen 1).
In den festeren Teilen jenes Axoplasuias finden sich die Neurofibrillen, even-
tuell von Markscheiden umgeben. Verfolgt man einen Nerv in peripherer Richtung,
dann zeigt sich, daß derselbe eine größere Dispersion erhält und daß dort, wo die
Pibrillenbündel ihre Markscheide verlieren, ihr Axoplasma vollkommen einheitlieh
ist mit dem Plasma der ScHWAHu'schen Zellen, sodaß man den Eindruck gewinnt,
sie sei in dem Plasma der ScHWANN'schen Zellen entstanden, vielleicht auf Kosten
derselben.
Interessant ist, daß die Vakuolisation des Axoplasmas in peripherer Richtung
stets auftallender wird, und daß dieser Prozeß auch auftritt in den sog. Büngnee'
seilen Banden (peripheren Lemnoblasten), wenn die Fibrillen des zentralen Stumpfes
bei der Regeneration eines Nerven in die peripheren ScHWANN'scheu Zellen einwachsen.
Heringa kommt denn auch zu der Schlußfolgerung, daß die vollkommene
Übereinstimmung zwischen den embryologisehen Daten Held's, den regenerativen
Befunden Boeke's, und seinen eigenen morphologischen Befunden darauf hinweise,
daß der ausgewachsene Nerv ein fibrillentragendes Synzytium sei, welches sich
ausdehne von dem zentralen Neuroblast bis zu den sensiblen und motorischen
Verästelungen.
In Übereinstimmung mit diesen Auffassungen von Held, Boeke und
Heringa sind auch diejenigen Spielmever's, der in der regenerierenden
Nervennaht sehr bald eine örtliche Fibrillenregeneration in dem Proto-
plasma der ScHWANN'schen Zellen selber vor sich gehen sah.
Meine eigene Meinung geht dahin, daß für eine bleibende Regeneration der
Einfluß des Zentralapparates zwar erforderlich ist, daß wir aber nie vergessen
dürfen, daß ein Reizstrom auch außerhalb eines Nerven verlaufen kann (Protozoen,
Spongien) und. dort für sich Leitungsbahnen schaffen kann — m verschiedenen (auch
nicht nervösen) Medien {man denke auch an den periterminalen Reizverlauf in den
Muskeln und an die Reizbarkeit nervenloser Embryonen (Schäper, Wintrebert).
Baß indessen die Ganglienzellen, nicht nur die den Reizstrom aussendenden, aber
zugleicherzeit auch die bahnbildenden Zellen kat' exochen sind und aus sich selber
heraus eine Leitungsbahn bilden können, ist ebenfalls sicher.
') Ob dieser Bau genau fo ist, oder ob er von den fixierenden Medien vorgetäuscht
.wird, will ich außer Betrachtung lassen. Manches spricht sicher datur, daß das Axoplasma
eine Kolloidalsubstanz ist, welche viskose oder weniger viskose Substanzen enthält, von
denen die ersteren wegen ihrer größeren Festigkeit als Wände betrachtet werden können,
wenn auch mehr in dem anastomosierendeo, heterogenen durcbflochtenen Zustande, wie
es von ZsiG.MUNDY für Kolloidmassen nachgewiesen wurde, denn als eine richtige Schaiim-
struktur Bütschm's, deren Kompartiraente allseitig geschlossen s.ind.
DIE GENESE DER PERIPHEREN NERVEN. 63
Duii die Axonen und Dendriten Ausläufer dieser Zellen sind und nicht
nur ürtlieli entstandene, aus Leninoblasten hervorgegangene Gebilde, ist
endgültig bewiesen durch die Experimente Harrisons und Burrows,
welche von verschiedenen anderen Untersuchern (Braus, G. Levi) bestätigt
wurden, und die ausweisen, dal) einem embryonalen Körper entnommene
Ganglienzellen in einer Serumkultur weiter wachsen und dabei aus sich
selber heraus Axonen mit typischen Wachstumskeulen l)ilden, deren Ent-
stehung offenbar auf engrammatische Wachstumstendenzen der Ganglien-
zellen zurückzuführen ist.
Daß der Reizstrom aber über die Wachstumskeule hinaus strahlen kann {wie
sie auch über di-e Telodendriea und über die Wände eines nackten Äclisenzylinders
irradiiert; S. 6i) ist sicher, und meines Erachtens müssen wir daraus erklären, daß
der an den Wachstum^spitzen in den peripheren ScHWANN'sc/ien Zellen irradiierende
Reiz bei Nervenregeneration zu Prozessen Anlaß gibt, welche sich in einer lokalen
Fibrillenbildung oder -reg eneration in den peripheren Lemnoblasten äußern.
Ich werde diese Punkte in dem zweitem Abschnitt dieses Kapitels
näher erörtern.
Die Scheidenzellen, welche Mark enthalten, weisen nach Entfernung
des Myelins ein Gerüst auf, das sich zwischen der äußeren Lamelle der
ScHWANN'schen Scheide und dem Achsenzylinder, findet: das bereits
erwähnte Neurokeratingcrüst. Dieses Gerüst, das sehr faserreich sein kann,
bildet sich gleichzeitig mit dem Nervenmark in den ScHWANN'schen Zellen
und kann (nach Einfluß gewisser Reagenzien) durch ihre besondere Anord-
nung zu eigentümlichen Bildungen Anlaß geben, die man als Lanterman-
'sche Einschnürungen (vergl. Fig. 4) und Fasertrichter von Cattani und
Rezzonico bezeichnet.
Namentlich Nageotte hat uns in letzter Zeit über viele Details dieser
Anordnung berichtet, und uns geleln-t, die normalen Strukturverhältnisse
der Scheiden von den durch Fixativa künstlich hervorgerufene zu unter-
scheiden.
Das Bindegewebe der peripheren Nerven.
Gerade wie das zentrale Nervensystem von mesodermalen Bindege-
webs-hüUen (den Meningen) umgeben wird, werden auch die peripheren
Nerven umgeben von konzentrischen Bindegewebsschichten, dem Perineurium,
welches kontinuell ist mit der (dura) Meninx, des Rückenmarkes und des
Gelnrnes.
Das Bindegewebe, welches von diesem Perineurium in die Bündel sel-
ber eintritt, umringt als Endoneurium dort schließlich jede einzelne Nerven-
faser.
Auch in den Spinalganglien begegnet man dem Endoneurium, dessen
Lymphspalten wieder mit dem Intra-arachnoidalraum des Zentralnervensy-
54 DAS BINDEGEWEBE DER PERIPHEREN NERVEN.
stems in Verbindung stehen (Key und Retzius), sodaß die in der letzteren
erhaltene Zerebrospinalflüissgkeit dadurch abfließen kann.
Umgekehrt können auch toxische Stoffe an den Lymphspalten der
periplieren Nerven entlang aufsteigen zum Intra-Arachnoidalraum des
Rückenmarkes, wo die endoneuralen Lymphspalten der Hinterwurzeln und
der Vorderwurzeln mit besonderen Intra-arachnoidal-Bezirken kommunizieren.
Nach der Peripherie nimmt die Zahl der Bündel eines Nerven und die
Zahl der Nervenfasern eines Bündels fortwährend ab, und am Ende sind
nur noch einzelne Nervenfasern da, welche außer von der ScHWANN'schen
Scheide nur noch von einer Bindegewebsscheide umgeben sind, die sich aus
dem Perineurium und Eiidoneurium zusammenstellt und als HENLE'sc/ie Scheide
bezeichnet wird.
Die Nervenfaser fängt dann an sich zu teilen.
Ist es eine seasible Faser, welche, im Epithel gelegen, wahre Sinnes-
zellen innerviert, so hört die HENLE'sche Scheide auf, ehe das Ende der
Achsenzylinder erreicht wird. Verläuft aber die Faser zu unter'der Epider-
mis gelegenen Tastkörperchen, dann kann die Henle'scäc Scheide die sen-
siblen Endkörperchen selber umfassen, in deren äußere Kapsel sie über-
geht (siehe Seite 37 und Fig. 28a).
Bei den eferenten Fasern kann sich das Bindegewebe ebenfalls auf das
innervierten Organ fortsetzen, wie es bei den motorischen Nerven der Fall
ist, wobei die Hexi.e'scIic Scheide in das Sarkolemm übergeht (S. 39).
Bei den effektorischen Drüsennerven kann es zuvor aufhören (Leberner-
ven), oder ebenfalls in das periglanduläre Gewebe übergehen.
ERSTES KAPITEL. TEIL IL
Die Faktoren, welche den Bau und die Verbindung der Neuronen bedingen.
Wir haben in den vorigen Seiten die Hauptformen und Verbindungen
kennen gelernt, welche die nervösen Elemente aufweisen können. Bevor ich
jetzt dazu übergehe die zentralen Anordnungen zu beschreiben, deren plan-
mäßiger Aufbau in dem letzten Dezennium mehr und mehr zu Tage ge-
fördert ist, möchte ich in Kurzem die Versuche erwähnen, welche bezweckten,
die Prinzipien jener Anordnungen kennen zu lernen.
Die Faktoren, welche die Formen der Neuronen bedingen, und die ihre
gegenseitige Lage und Verbindungen beherrschen, .sind Gegenstand vieler
Forschungen gewesen, die sich anfänglich meistens mit dem Problem der
Verbindung zwischen dem Nervensystem und den peripheren Organen be-
schäftigten, später aber auch die interneuronalen Verknüpfungen selbst
zum Objekt hatten.
Unter den ersten Forschern, die durch ihre Untersuchungen veran-
laßt wurden, dem Wachstum der Achsenzylinder Aufmerksamkeit zu schen-
ken, waren Hensen und His Sen.
Während Hensen annahm, „daß alle Nerven durch unvollkommene
Trennung der Anfangs- und End-Zellen entstanden sind" i) und also ein
Vorläufer der Plasmodemenlehre (s. u.) ist, war His ein Anhänger der Lehre
von der sekundären Verbindung der Nerven mit ihren Endorganen und — im
allgemeinen geneigt, die rein mechanischen Faktoren als die wichtigsten bei
der Evolution des Nervensy.stems zu betrachten — sah er in der Bestimmung
der Wachstumsrichtung und der Anordnung der Nervenelemente wesent-
lich ein rein mechanisches Problem.
Er suchte dieses Problem zu lösen, indem er annahm, daß die Rich-
tung des Wachstums der Nervenausläufer von den Stellen des geringsten
Widerstandes bestimmt werde, und daß diese die Ausläufer zu dem \'er-
lauf veranlaß ten, den sie schließlich haben.
') Eine Aullassung, die wesentlich mit der Neuro-Mnsluilar-Tlieorie Klrinenberg's
übereinstimmt.
56 DIE FAKTOREN, WELCHE DIE VERBINDUNGEN DER NEURONEN BEDINGEN.
DusTiN hat diese Annahme, daß der präformierte Weg einen so großen
Einfluß auf die Verbindungen ausübe, als das Prinzip der Hodogenese be-
zeichnet (Hodos = Weg) und hat vor kurzer Zeit darauf hingewiesen, daß
dieses Prinzip es uns verständlieh mache, weslialb die Regeneration in den
peripheren Nerven (durch die dortigen präformierten Lemnoblasten-Wege)
relativ so flott verläuft, während sie im Zentralnervensystem, das keine
ScHWANN'schen Scheiden aufweist, meisteirs resultatlos bleibt.
Indessen hat bereits vor vielen Jahren Ramon y Cajal (siehe unten)
mit Recht bemerkt, daß die Annahme von präformierten Wegen nicht zur
Erklärung der Faserbildung ausreiche, namentlich nicht im Zentralnerven-
system, sondern nur die Lösung verschiebe.
Wenn man annimmt, daß nur eine allgemeine Neigung zum Wach-
sen in der Ganglienzelle vorhanden sei und daß die Richtung, in welcher
dieses Wachstum sich vollziehen wird, bloß von vorher bestehenden Löchern
und Wegen in dem umgebenden Gewebe abhänge, so bleibt die Frage :
wodurch wird denn solch eine typische Anordung der Löcher und der
Stellen geringsten Widerstandes i) bestimmt, sodaß gerade die funktionell
richtige Verbindung daraus resultiert? R'h möchte meinerseits dem liinzu-
fügen, daß es mir eher möglich erscheint, daß die besondere Ordnung jener
Wege in dem nicht-nervösen Gewebe eine von den Nervenfasern beeinflußte
Begleiterscheinung ist, und daß später diese „Wege" vererbt werden und
nur coenogenetisch gleichzeitig, vielleicht sogar eher zum Vorschein kommen.
Außerdem möchte ich darauf hinweisen, daß die Konstanz in den Ver-
bindungen im Zentralnervensystem, wo der hodogenetische Einfluß von den
„Leitzellen" (auch nach Dustin) niclit eine so determinierende Rolle spielen
kann, dann doch wohl auf einem gegenseitigen Einfluß der Nervenelemente
selber beruhen muß und schließlich, daß die Polarisation des Neurons
dadurch nicht erklärt werden kann.
Wir dürfen dem präformierten Weg also keinen primären Einfluß
beimessen.
Die Ansichten Helds — welche sich gewissermaßen anschließen
an die vorigen — habe ich bereits bei der Behandlung der ScHWANN'schen
Scheide erwähnt (S. 51 u. w.). Einiges davon sei hier nochmals hervorge-
hoben, insofern es Bezug hat auf das zentrale Nervensystem.
Held geht von der richtigen, bereits von früheren Autoren gemachten
') Den Anschauungen von His Sen. reihen sich diejenigen seines Sohnes an, obwohl
hier ein Nahrungsti-opisraus hinzukommt. Seine Theorie betont, daß die Nervenstreclien
sich nach den günstigsten Nahrungsveihältnissen modellieren. Ein Anklang an die Theorie
seines Vaters könnte dann gesucht wei'den, daß periphere Nerven oft den Wegen der
Blutgefäße folgen. Ob dies nun davon kommt, daß die Nerven dort die günstigsten Xah-
rungsbedingungen linden, oder ob beide, Blutgefäße und Nerven, sich in Stellen des ge-
ringsten Widerstandes einfügen, ist die Frage. Jedenfalls erklärt auch dies nicht bestimmte
funktionelle Verknüpfungen, die Selekliviläf der Endverbindungen im Nervensystem, eben-
sowenig, wie die dynamische Polarisation des Neurons dadurch erklärt wird.
DIE FAKTOREN, WKLCHE DIE VERBINDUNGEN DER NEUROMEN BEDINGEN. O/
Aiinahiiie aus, daß die Zellen des Nervensystems schon vor der Fibrillen-
bildung durch intrazelluläre lirücken, Plasniodesmen, verbunden sind.
In solchen Plasmodesmen wachsen die Fibrillen, (die Nervenbahn) ein.
Hei.d selber ist aber vollkommen davon überzeugt, daß die aUmiige Anwesen-
heit dieser plasmodesmisclien VorbaJmcn die ganz bestimmte Auswahl in der Fibril-
lenbildung niemals erklären kann.
Bei dieser Auswahl sollen Nachbarschaft der Zellen (1. c. >S. 47) und axiale
(d. h. Richtungs-) Differenzen der.selben (1. c. S. 68) eine Rolle mitspielen.
Die imhe.kcmnte. Haupinrsachc dieser Auswahl neuiifc er „das Prinzip der
Wegstrecke" 1) und er bespricht die Möglichkeiten, welche diese Auswahl erklä-
ren könnten. Er glaubt nicht an eine mechanische Ursache, wie in den His'schen
Vorstellungen, und er ist auch nicht mit Cajal's Theorie der Chemotaxis (s. u.)
einverstanden, da er meint, daß, Diifusion bald die cliemischcn Substanzen verbreiten
\»erde, welche dabei als leitende Faktoren auftreten sollten. Helü neigt zu der Meinung
— angenommen, daß solche chemischen Substanzen erzeugt werden ■ — daß ein
speziell absorbierender Charakter für diese Substanzen in gewißen Bahnen die Ur-
sache der Auswahl sei, sagt aber nicht, durch welchen Prozeß diese spezielle Ab-
sorbieriuig verursacht werde.
Aach ich selber habe darauf hingewiesen, daß man dem „allgemeinen" Vor-
kommen solcher Plasmodesmen im Zentralnervensystem keinen „besondem" Wert
beilegen darf, an erster Stelle, weil sie ein allgemeiner, also nicht in spezieller
Richtung determinierender Faktor ist, und an zweiter Stelle, weil auch eine A us-
füllung der interzelhuläfren Räume durch eine viskose, flüssige Masse dasselbe tun
kann, wie durch die Waclistimisvorgänge in vitro bewiesen wird.
Nie können Plasmodesmen die spezielle Selektivität in der Bahnbildung
erklären, und was auch nie durch die Anwesenheit einer solchen plasmodes-
mischen Vorbahn erklärt werden kann, ist die Tatsache, daß in einem
Falle der Achsenzylinder, in einem anderen Falle ein Dendrit diesem
Weg folgt, während in einem dritten Falle auch die Zellen selber sich an
diesem Wege entlang verlagern. Schließlich wird auch durch diese Theorie
die dynamische Polarisation des Neurons nicht erklärt. Mit andern Worten :
die wichtigsten Punkte: die Auswahl in den Verbindungen, das Wandern der
Zellen, und schließlich der wesentliche Unterschied zivischen Dendrit und Achsen-
zylinder (die dynamische Polarisation des Neurons, s. u.) können durch die An-
wesenheit von Plasmodesmen nicht erklärt werden.
Sehr eingehend und wertvoll ist die Arbeit, welche Cajal in dieser
Hinsicht geleistet hat, wenn sie auch — wie er selber gesteht — nicht die
Lösung des Problems bringen konnte.
Durch zahlreiche Beobaclitungen und Experimente gewann er den Ein-
druck, daß in dem zentralen Nervensystem, abgesehen von einigen mecha-
nischen Einßüßen (wie der zentralen periventrikulären Ordnung der Keim-
zellen und dem Vorhandensein einer äußern Membran, welche das Nerveii-
') Das ist also etwas anderes als die Hodogenese Düstin's.
58 DIE FAKTOREN, WELCHE DIE VERBINDUNGEN DER NEL'ROMEN BEDINGEN.
System umgibt) die Richtung des WiU'listunis der Nervenelemente durch
chemotaktisclie Ausscheidungen. (Substances attractives und Substances repous-
santes) und von der Empfindlichkeit für jene Substanzen in den Ausläufern
der Ganglienzellen l)estinimt wird.
Ihm gebührt das "\^erdienst, den tvopistischeu Vliavacter jenes Prozesses,
auch den wechselseitigen tropisüschen Einflusz der Nervenelemente betont zu
haben.
Was die Ausscheidung dieser chemotaktisclien Substanzen betrifft (welche
indessen auch von den ependymalen Elementen de.s Nervensystems sezer-
niert werden sollten) nimmt (Ja.fal an, dali verschiedene Zellen des zen-
tralen Nervensystems dieses Stadium der Ausscheidung zu verschiedenen
Zeiten ihrer embryologischen Entwicklung durchmachen.
Die ersten Zellen, welche in diesen Zustand der Ausscheidung geraten
und demzufolge einen lenkenden Einfiul) auf das Wachstum der Nerven-
elemente haben, sollen Spongiohlasten sein, und die großen Ependymzellen
an der ventralen Seite des Zentralkanals sollen den Verlauf der ventralen
ßügenfa.sern bedingen. Sodann sollen die Myotome und das Epithelium den-
Haut in ein Stadium chemotaktischer Tätigkeit treten und den Wurzel-
austritt bedingen, während endlich die Zellen des zentralen Nervensystems
selber in diesen attrahierenden Zu.stand geraten sollen.
Obschon ich nicht geneigt bin, den zentralen Spongiohlasten hierin
eine wesentliche Rolle beizumelien, ist es Tatsache, daß verschiedenen
nicht-nervösen Elementen (Lemnoblasten, MuskelzelJen, Epithelium und
Bindegewebs-Narben i) in gewissen Stadien ihrer Entwicklung die Aus-
läufer der Nervenelemente zu lenken vermögen.
Indessen läßt Cajal sich nicht darüber aus, welclie Stoffe die anziehenden
und abstoßenden Einflüsse während der normalen Entwicklung ausüben, und
welclie Faktoren die Augenblicke ihrer Ausscheidung bedingen.
') Daß diese einen EintUiß auf die Achsenzylinder und deren Kollateralen ausüben
Icönnen, ist durch von Cajal selbst veröffentlichte Experimente und solche von Forsmann,
Lugaro, Rossi, Marinesco und Minea und andern, bewiesen.
Das einfachste Beispiel gibt uns das wuchernde Bindegewebe einer Rüclienraarks-
wurzel nach Verletzung.
Einige Tage nach der Verletzung ergibt sich, dali die Achsenzj'linder der Wurzeln
eine große Menge Kollateralen in da» wuchernde Perineurium hineinschicken, das also
einen reizenden und zugleich lenkenden Einiluß auf die Achsenzylinder ausübt.
Dieser reizende und lenkende Einfluß kann, nach Cajal, so groß sein, daß sogar die
Achsenzylinder der Seitenstränge dazu veranlaßt werden, Kollateralen in die Wurzeln
zu schicken.
Da diese Experimente nicht unmittelbar die normale Entwicklung des Nervensystems
betreffen, sondern wahrgenommen werden bei Durrhschneidungen, Exstirpationen, Zikati'i-
sationen oder Transplantationen des Nervengewebes, dürfte dieses kurze Zitat genügen.
Bei diesen Experimenten werden jedoch keine wirklichen funktionellen End verbindungen
jener wuchernden Kollateralen mit dem übrigen in Wucherung begriffenen Gevi-ebe ge-
bildet, und das Wesen der funktionell selektiven neuronalen und int erneu ronah^n Endver-
knüpfungen wird durch dieselben nicht erklärt.
DIE FAKTOREN, WELCHE DIE VERBINDUNGEN DER NEUROMEN BEDINGEN. 59
Er sagt bloiS, daß das Stadium der Anziehung nur kurz sei unil mit
der Evolution der Zelle zusammentreffe.
Da die Entwicklung der verschiedenen Zellen in verschiedene Stadien
der Ausbildung des Nervensystems stattfindet, wird die anziehende chemo-
taktische Funktion verschiedener Zellengrupijen auch zu verschiedenen
Zeiten stattfinden. Dies ist aber nur eine ^"erschiebung des Fragezeichen,
denn Cajal lässt sich nicht darüber aus, welche Faktoren die Reihenfolge
in der Entwickling der Zellen und also in der Ausscheidung jener Sub-
stanzen bedingen.
über die endgültige Ursache der Selektivität in der Entstehung der „Sub-
stances attractives" und „Substances repoussantes" und auch über die Faktoren,
welche die verschiedene Xatur der A.roncn und Dendriten (die dynmiiische Pola-
risation des Neurons) bedingen, gibt er also keine Erklärung.
Ca.tal bemerkt denn aueli selber in seiner Arbeit über die Ketina: ,,Cette
theorie presuppose de.s conditions prealable.s chimiques et morphologique» tont ä fait
iuexplicables : on peut dire que cette theorie eloigne la diffieulte sans cependant
parvenir ä la resoudre". (I. e. S. 240).
Wichtiger als seine chemotaktische Lehre ist eine Bemerkung dieses
Autors in Bezug auf die Verlagerung der Nervenzellen in der mitogene-
tischen Entwicklung des Nervensystems, von größerer Wichtigkeit als auch
er — wie mir scheint — selber realisierte.
Diese Bemerkung (mir unbekannt als ich meine Untersuchungen über
diesen Punkt begann) ist in vollkommener Übereinstimmung mit meinen
eignen Beobachtungen, und es freut mich desto mehr, sie bestätigen zu
können, weil ich auf ganz anderem Wege, nämlich auf Grund phylogene-
tischer Untersuchungen zu einem ül)ereinstimmenden Resultat kam.
Die von Cajal gemachte Bemerkung lautete folgendermaßen:
„Wenn nach einem Zustande verhältnismäßiger Ruhe neue Axonen
sich nach irgend einem Nervengebiete begeben, dann kann ein Neuron
sich diesen Axonen in zweierlei Weise nähern : entweder dadurch, daß es
neue Dendriten ausschickt, oder, indem der Zellkörper selbst sich verlagert
auf einem Wege, welcher von einem großen Dendriten in der Richtung
der neuangekommenen Axonen angedeutet werden kann." M
Cajal nennt als Beispiele einer solchen Verlagerung der Zellen in die
Richtung eines solchen Gebietes die oberflächliche Körnerschicht des Zere-
bellums, welche sich während der Weiterentwicklung in die Tiefe verla-
gert und die spinalen Ganglien, welche sich peripher von der Neuralleiste
verlagern.
Vergleichende Untersuchungen über die Oblongata und das Mesenze-
phalon haben mir nun gezeigt, daß diese Verlagerung der Nervenzellen
eine sehr allgemein vorkommende Erscheinung und von größter Wichtig-
') Textura del Sistetna nerviuso Tome 1 S. 5öO.
60
DIK LEHRE DER NEÜROBIOTAXIS.
keit ist, um die wirklichen Gründe der Tropismen im Nervensystem ken-
neu zu lernen.
Meine Untersuchungen haben mich davon überzeugt, daß diese Verlagerungen
bestimmt werden von einem Prozeß von Taxis oder Tropismus, der hervorgerufen
wird durch die Reize selber und deren galvanotropische Folgen oder Begleiterschei-
nungen, welche nicht nur die Selektivität in den neuronalen Verbindungen, sondern
auch die quantitativen Unterschiede in den Verlagerungen der Zellen und die dyna-
misclie Polarisation dex Neurons bestimmen '), imd daß die Erscheinungen von Taxis
und Tropismus im Nervensystem eine auffallende Übereinstimmung mit psycholo-
gischen Gesetzen aufweisen.
Die Lehre der Neurobiotaxis.
Die Selelttivität in den interneuronalen Verbindungen.
Die Verwandschaft zwischen psychologischen und anatomischen Gesetzen.
Die Polarisation des Neurons und die Synaps.
In den letzten zehn Jahren habe ich verschiedene Beobachtungen
registriert über die topographischen Unterschiede homologer Zellgruppen
Nucleus VI._ _
Nervus
Fig. 34A. Oblongata von Acanthias vulgaris, n. van der Horst.
Dorsale Lage des Abducenskernes bei starker Entwicklung des dorsalen
Langsbündels {f. Lp.).
in dem zentralen Nervensystem, welche Unterschiede beim Studium der
2) In welcher Weise diese Prozesse unter embryologischen Umständen engrammatisch
reproduziert werden, ist vorläufig nicht zu sagen. Dasselbe gilt aber für die ganze Onto-
genie. Auch die Bildung der Gliedmaßen in Utero für das Gelien und Greifen läßt sich
nur mit mnemischen Faktoren erklaren, deren Wesen uns vorläufig entgeht.
DIE LKHRK DER NEUROBIOTAXIS.
61
motorischen 01)luiigat;i-KLTne in dtr Reihe der Wirbeltiere selir i<Utr /u
Tage treten (Kap. V).
Da es augenfällig war, dali die Verlagerung dieser zentralen Gruppen
nach derjenigen Stelle erfolgt, von welchen die größte Zahl der Reize zu
den Zellen ausging, so hatten wir es offenbar mit einer Erscheinung von
Taxis oder Tropismus zu tun, die ich als Neurobioiaxis bezeichnete, da sie
in dem Nervensystem während des Lebens auftritt (in deren phylogeneti-
schen und ontogenetischen Entwicklung) und da ich nicht wußte, wie sie
,ii."/Ilsens
ant. I^^^Ji'-'-''
.,i»^'?;.j p.desc.V
nucl.Vl
Fig. 34B. Ventrale Lage des Abducenskernes bei starker Entwicklung
der ventralen optischen Reflexbahnen (tr. t. b.) bei einem Knochenflsche
(Mugil chelo), n. van der Horst.
zu klassifizieren sei, ob unter die Erscheinungen der Galvanotaxis, der
Chemotaxis oder andersartiger taktischer Prozesse.
Ein Beispiel dieser ^'erlagerung gibt Fig. 34, avo die dorsale Lage des
Abducenskernes beim Hai mit seinem großen Fasciculus longitudinalis
dorsalis (f. 1. p. ; Fig. 34 A) stark kontrastiert mit der ventralen Lage des
gleichen Kernes bei einem Knochenfisch (Fig. 34 B), wo der f. 1. p. (nicht
bezeichnet in der Figur) viel kleiner ist, aber die ventrale Fasermasse der
62 DIE LEHRE DER NEUROBTOTAXIS.
reflektorischen Bahnen, welche diese Zellengruppe beeinflussen, viel kräf-
tiger entwickelt (Tractus tecto-bulbares ventrales: Tr. t. b. Fig. 84B).
Die erste Fassung, in der ich diese Zellverlagerung, der phylogenetisch
ein Auswachsen der Hauptdendriten in jener Richtung vorangeht,
formulierte, war diese: wenn von verschiedenen Stellen Reize nach
einer Zelle gehen, wächst ihr Hauptdendrit aus und verlagert sich ihr Zell-
kr>rper in derjenigen Richtung, aus welcher die größte Zahl der Reize
zn ihr gelangt.
Ich beobachtete jedoch bei einer \*erniehrung der Reize in einem
gegebenen Zentrum, daß nicht alle Zellen, sich diesem Zentrum nähern,
sondern daß allein gewisse Zellen sich in die Richtung jenes Zentrums be-
geben, und zwar solche, welche in einer bestimmten Beziehung zu diesem
Zentrum stehen, während andere Zellen (sogar in größerer Nähe liegende),
nicht in der Richtung nach dem verstärkten sensorischen Felde hin wan-
derten, da sie offenbar in keiner Verwandtschaft zu ihm standen. Es stellte
sich dabei heraus, daß die hierzu erforderliche Verwandtschaft eine funk-
tionelle war und in einer Korrelation, einem simultanen Reizzustande jenes
Zentrums und der erwähnten Zellen bestand.
Verkehren die motorischen Zellen durch irgend welche Umstände
(periphere Reize z. B.) gleichzeitig im Reizzustand mit dem erwähnten
Zentrum, dann werden sie von jenem Zentrum angezogen, sonst nicht.
So verlagert sich der Abducenskern von einem Zentrum Augen-
Koordinationsreize (dem F. 1. p.) nach einer andern Gruppe visueller Koor-
dinationsreize (dem Tr. tecto-bulbaris) ; aber eine Vermehrung der Geschmacks-
fasern z. B. hat keinerlei Einfluß auf ihn.
Es zeigte sich also, — oliwohl ich bei meiner Arbeit kein psycho-
logisches Ziel im Auge hatte — daß die anatomische Beziehung der Den-
driten und der Zellen im Nervensystem in Übereinstimmung mit demjenigen
Gesetz reguliert wird, welches als das Gesetz der Assoziation bekannt ist, in
welchem Gesetz (in allen Formen, worin es auftreten kann), die Gleich-
zeitigkeit der Reize oder Reizreste der wesentliche Punkt ist.
Diese Beobachtung, die ich zuerst bei motorischen Zellen und deren
Dendriten machte, führte mich dazu, auch den Verlauf der Achsenzylinder,
sowohl sensibler Bahnen, als der sogenannten „zentral-motorischen Bahnen",
wie die Pyramiden, eingehender zu studieren, und dabei zeigte sich, daß
eine kritische Betrachtung der Beziehungen zwischen ihrem Anfangs- und
Endgebiet dieselbe Gesetzmäßigkeit aufwies und daß die zeitliche
Verwandtschaft der Reizzustände jener Gebiete die Ursache der Ausbildung
ihrer axonalen Verbindungen ist (vergl. Foüa Neurobiologica Bnd. I).
Hiermit war also der determinierende Faktor bei den neurotropischen
Erscheinungen gefunden, und ich konnte die Erscheinungen der Neurobio-
taxis in folgenden Worten formulieren:
I. We!)}n in dem Nervensystem mehrere Reizladungen auftreten, findet das
Auswachsen des HauiMendriten wnd eventuell die Verlagerung des Zellkörpers
DIK r.KHRK DKR XKrKOllIOTAXIS.
63
•itach dei-jciiigeti. RicIUiuuj atatt, von welcher die größte Zahl der Reize zu der
Zelle geht.
II. Nvr zwischen stimvlativ korrelierten Zentren ßndet diesefi AusivachMn
oder Verlagern statt.
III. Auch in dem Verbindnngen der Achzenzy linder spielen .Kynciironisch
oder sukzessiv gereizte Zentren, d. h. zeitlich korrelierte Reizzustände, eine Rolle.
Indessen genügte dies nicht, die dynamische Polarisation des Neurons
zu erklären.
Fig. 35. Wachstum der Dentiiiten (oben) und VerKigerung des Zellkörper.s (unten)
in der Richtung des Reizes. Der Verlauf des Achsenzylinders entspricht dem Nerven-
strom (zentrifugal oder stimulokonkurrent).
Während es deutlich war, dal5 die Annäherung der Dendriten und
Nervenzellen an ein Reizgebiet, d. h. die Verlagerung in der Richtung
nach dem Reizzentrum hin ein stimulopetaler oder zentripetaler Tropismus
ist, der gegen den nervösen Reizstrom eingeht (vergl. Fig. 35), war das
Problem viel schwerer in Bezug auf die Achsenzylinder, weil der Achsen-
zylinder nicht in der Richtung nach dem Reize zu (stimulopetal) verläuft,
um demselben zu begegnen, sondern in gleicher Richtung wie der Ner-
venstrom, mit dem Reizstrom mit, d. h. stimulo-konkurrent und zentrifugal,
verläuft.
Daß der Achsenzylinder wirklich in derselben Richtung, wie der Reiz-
strom auswächst, und daß dieser Strom eine wichtige Rolle bei diesem
Auswachsen spielt, ist von S. T. Bok bewiesen, der sehr wichtige Resul-
tate erzielte.
Bok fand, daß, wenn ein Achsenzij linder oder ein Bündel markloser Ner-
venfasern av.nvächst und Neurohladen auf seinem Wege passiert, diese Neurohlasten
aktiviert werden und einen Achsenzylinder aussenden in eine Richtung, welche
senkrecht zu dem aktivierenden Bündel steht.
Diese Tatsache wurde festgestellt beim Fasciculus longitudinalis posterioi'
in einer Weise, die keinen Zweifel an der Deutung zuläßt, da es sich hei-aus-
64
DIE LEHRE DER NEUROBIOTA XIS.
stellte, daß die Neuroblasten, welclie in der Nähe dieses Bündels liegen,
nur je nach dem Grade aktiviert waren, in welchem das aktivierende
Bündel ausgewachsen ist, offenbar durch davon irradiierende Reize (Fig. 36).
So wachsen von den Axonen der
motorischen visceralen Kerne dieje-
nigen des Trochlearis 1) zAierst aus,
dann folgen die Axonen des Trige-
minus, darauf diejenigen des Facialis
Glossopharynegeus und Vagus.
Dasselbe wurde beobachtet bei der
Aktivierung der somatomorischen
Wurzeln : von denen zuerst der Ocu-
lomotorius, dann der Abducens, dar-
auf der Hypoglossus auswachseu,
welche durch einen andern ebenfalls
von vorne herkommenden Reizstrom
aktiviert werden.
Also auch hier ein Prozeß, der,
gerade wie das Wachstum der
Dendriten und die Verlagerung
der Zellen, durch Reizverhältnisse
bedingt wird.
Diese Bildung des Achsenzy-
linders unter dem Einflüsse des
Reizes, der von dem aktivieren-
den Achsenz^'linder irradiert, wur-
de von BoK als stimulogene Fibril-
lation bezeichnet.
Wii- sehen hieraus aber auch, daß
der Achsenzylinder (im Gegensatz
zu den Dendriten und der definitiven
Verlagerung des Zellkörpers ^),
{iveiche Prozesse auch erst spater
auftreten) von dem Reizzentrum
ivegivächst.
wichtig.
A
Fig. 36. Die Aktiviering der Neuroblasten (rechts)
durch die Irradiation eines marklosen, noch wach-
senden Bündels (links) n. Bok. Man beachte den
horizontalen Verlauf der neugebildeten Achsenzy-
linder, welche in einer der Reizirradiation ent-
sprechend Richtung wachsen. Die proximalsten
Neuroblasten sind entsprechend dem W.ichstum des
aktivierenden Bündels am weitesten entwickelt. ^)
Der vertikale Pfeile deutet die Wachstumsrichtung
des Bündels A, der horizontale die Richtung der
Irradiation an.
Diese Beobachtung ist offenbar sehr
') Bezüglich der visceralen Natur des Trochlearis siehe Kapitel V.
2) Ich habe die Originalfigur Bok's nur insofern modifiziert, als ich den jüngsten,
noch nicht aktivierten Neuroblasten näher der aktivierenden Bahn zeichnete als die andern,
weil auch der Neuroblast, nach meiner Mein\ing, bevor er Dendriten hat, eine geringe
stimulofugale Verlagerung erfährt.
2) Wenn die normale Reizung des Zellkörpers an Dendriten entlang von geringer
Wichtigkeit ist oder eventuell fehlt, kann die Zelle sich auch in dieselbe Richting ver-
lagern, in welcher der Axon auswächst, wie z. B. im sympathischen System (Axonreflex).
VERGLEICHTTNG DER NErROBIOTAXIS MIT ANDERN PROZESSEN. 65
Es ist jedoch deutlich, dtiii der definitive Endpunkt des auswachsenden
AchsenzyHnders nicht durch diesen Prozeß allein bestimmt werden kann,
was auch Bok einsah, der zu der Folgerung gelangte, daß die endgültige
\'erbindung durch das zweite Gesetz der Neurobiotaxis bestimmt ist, d. h.
durch die stimulative Verwandtschaft des auswachsenden Achsenzylinders
und des Gebietes (d. h. der Zelle oder des Dendriten), womit er sich in
Verbindung stellen wird.
Vergleichung der Neurobiotaxis mit anderen Prozessen von
Taxis und Tropismus.
An erster Stelle läßt sich nvn die Frage aufwerfen: wie ist es möglich,
daß in ein und dei-selben Zelle, der jungen Ganglienzelle, zwei €ina,nder entgegen-
gesetzte Tropismen, ein stimulo-petaler Tropismis der Dendriten und ein stimulo-
fvgaler Tropismus der Achsenzylinder, auftreten können.
Es hat sich mir nun gezeigt, daß die Erscheinungen von Tropismus
und Taxis in andern Organismen, in Verbindung mit der Mikrochemie
der Neuronen, uns einen wertvollen Fingerzeig gibt, die Erscheinungen der
Neurobiotaxis im allgemeinen und das kontrastierende Verhalten in der
Wachstumsrichtung der Dendriten und Axonen zu entschleiern.
Namentlich bei der elektrischen oder Galvanotaxis liegen Prozesse vor,
welche in hohem Grade an die soeben beschriebenen Erscheinungen im
Nervensystem erinnern.
Unter Galvanotaxis versteht man bekanntlich das Phänomen, daß ein
lebendes Wesen oder einer seiner Teile, wenn es sich in einem konstanten
elektrischen Strom einer gewissen {sehr geringen) Stärke befindet, die Neigung
hat, sieh nach einem bestimmten Pole und zwar in den meisten, fast in
allen Fällen, nach dem elektro-negativen Pol (der Kathode), zu wenden.
So wachsen die Wurzelspitzen der Pflanzen nach dem elektro-negativen
Pol (Müller — Hettlingen), verlagern sich einzellige tierische Organismen
nach derselben Richtung (Verworn, u.a.), und weichen die Tentakel einer
Seequalle nach dem negativen Pole (nach der Kathode) ab (Bancroft).
Das Intere.ssante is nun, daß dieser Prozeß umkehrbar ist.
Dadurch, daß das betreffende Objekt, wie die Wurzelspitzen wachsender
Pflanzen (Gassnek, Schellenrerg) oder einzellige Tierciien (Loeb und
Budgett; Coehn und Bakratt) in eine stärkere Lösung von Kalium —
oder Natrumchlorid gebracht werden (welche Stoffe gleichzeitig das Leitnngs-
vermögen des Wassers erhöhen), wird der Tropismus umgekehrt und wendet
das betreffende Objekt sich nach dem positiven Pole (der Anode).
Wahrscheinlich ist dies zu erklären durch die Tatsachen der Adsorb-
tion, welche die Kapillar-Chemie uns gelehrt hat, wobei Umkehrungspro-
zesse der an einer Oberfläche vorkommenden Ladungen durch Elektrolyten
wie NaCL und KCL häufig vorkommen.
KaTPRIIS. ■ .")
66 VERGLEICHUNG DER NEUROBIOTAXIS MIT ANDERN PROZESSEN.
Auch das unbelebte Eiweiß zeigt in einem galvanischen Strome eine
Verlagerung, die umkehrbar ist (Hardy): die Katapliorese.
Im Gegensatze zu den obenerwähnten Tropismen erfolgt jedocli die
Verlagerung des Eiweißes und des LezitJiins schon imtei' gewöhnlichen Umständen,
(d. h. in den Umständen, in welchen es sich in unserm Körper befindet) nach
dem positiven Pol. Ein Zusatz von Kalium erhöht bloß den anodischen Cha-
rakter dieser Verlagerung, und der A.wn und Markscheidenstoff einer frisch
aus dem Körper geschnittenen Nervenwurzel zeigt in einem galvanischen
Strome sogar eine sehr starke Verlagerung nach dem positiven Pole (Hermann).
Durch Säuren kann jedoch die A^erlagerung des eiweißartigen Stoffes
umgekehrt, und nach dem negativen Pol (Kathode) hin gerichtet werden.
Es gibt nun sehr vieles, was dafür spricht, daß diese kapillar-chemi-
schen Vorgänge und Galvanotropismen anwendbar sind auf die Bildung des
Nervensystems durch die Reize, die sie treffen.
An erster Stelle wissen wir, daß ein in Aktion (Reizung) befindlicher Teil
unseres Nervensystems eine Kathode liildet in Bezug auf seine Umgebung,
die mit andern Worten ein anodisches Feld darstellt in Hin.sicbt auf das
Beizzentrum.
Die Nervenzellen, die sich nun in der Umgebung jenes elektronegativen
Reizzentrums befinden, werden als erste Erscheinung einen anodischen (der
Ausstrahlung des Reizzentrums entsprechenden) Ausläufer aufweisen auf
Grund des experimentell bewiesenen anodotropischen Charakters des Pro-
toplasmas. Dieser erste Ausläufer ist der Aehsenzylinder.
Die alkalische Reaktion der den Achsenzylinder umgebenden Ivt'irper-
flüssigkeit wird dieses anodotropische Wachstum fördern, entsprechend den
Erfahrungen bei der Kataphorese.
Man findet außerdem später in dem Achsenzylinder selber, viel mehr
als anderswo im Neuron oder in dessen Umgebung, einen hohen Gehalt
an Chloriden, welche teilweise gebunden sind an Alkalis, wie Macdonald
und Macallu.m i) und Menten unabhängig von einander und auf verschie-
dene Weisen nachwiesen. Dieser hohe Gehalt an Alkalichlorid wird eben-
falls (in Übereinstimmung mit den obenerwähnten Erfahrungen bei
Pflanzenwurzeln und Amoeben) den anodotropischen in casu stimulo-kon-
kurrenten Charakter seines Protoplasma's verstärken, und außerdem erhöht
er sein Leitungsvermögen 2).
Erst viel .später entsteht der Dendrit und noch etwas später, im Anschluß
an denselben, beginnt der Zellkörper selbst sich zu verlagern und zwar,
') Wie das viele Chlor in den axonalen Abschnitt des Nerven kommt ist unbekannt.
Es scheint mir möglich, daß es bedingt ist durch den anodotropischen Charakter des
Chlors, als Anion und vielleicht durch eine erhöhte Permeabilität des Protoplasmas für
dieses Anion, was bei Anionen mehr vorkommt (vergl. H.amburger).
^) Neuerdings hat wieder Beccäri auf die erhöhte Reizbarkeit und den für den
Reizablauf günstigen Einfluß dureh Zusatz von Kationen (Na und K) gewiesen.
VERGLEICHUNG DER NEUR0BI0TAXI8 MIT ANDERN PROZESSEN. 67
wie der Dendrit, luieh dem im Ueizzustande befindlichen elektro-negativen
Zentrum hin (also stimnlopetal).
Dieser stimulopetale, kathodische Tropismus der Dendriten und des
perinukleären Zellplasmas fällt ungefähr mit dem Auftreten der nuklein-
sauren Derivate zusammen, die unter dem Namen der NissL'schen Körper-
chen bekannt sind, und findet erst statt, wenn der Axon sich schon fast
seinem Endpunkt genähert hat und das Neuron sich also in einem fortge-
schritteneren Zustande der Entwicklung befindet (Cajal).
Dieser Tropismus, gefolgt von einem allmählichen Kürzerwerden des
Dendriten und einer Verlagerung der Zelle selbst, steht im Einklänge mit
den protoplasmatischen Reizungserscheinungen an der Kathode zufolge
Pflügek's Gesetzen, wie diese sich in dafür empfindlichem Protoplasma
äußeren (Loeb, Maxwell) und hat nicht nur zur Folge, dal] diese Teile
sich nach dem elektronegativen, in Reizung befindlichen Felde, begeben,
aber ist vermutlich verbunden mit einer erhöhten Reizbarkeit an jener
Stelle (erhöhte Reizbarkeit an der Kathode).
So finden wir also in der ersten Entwicklwig der stimulo-konkurrenten Axo-
nen eine Folge des durch vermehrten Chloralkaligehaltes erhöhten, experimentell
bewieseneu anodo-tropisehen Charakters des Protoplasmas, während die viel später
auftretende Bildung und Zusammmziehung der den Eindruck aufnehmeiiden
Ausläufer der Nervenzdlen (Dendriten) und die Verlagerung des perinukleären
Protoplasmas in dieser Hichtung, ein reizsuchender Tropismus, ein besonderer Fall
von Pflüger's Gesetzen hezw. der kathodischeh Beizung des Protoplasmas ist.
Von Gesichtspunkte der Untersuchungen Hardy's, die nach Greeley
auf intraprotoplasmatische Kolloidsuspensionen angewandt werden dürfen,
gibt es sogar noch Argumente, welche die Verlagerung der Dendriten und
des Zellkörpers nach der Richtung des Reizes hin begünstigen; denn wir
wissen, daß die Dendriten und der Zellkörper sich von dem Achsenz_ylinder
durch den Besitz der NissL'sc/ien Substanz unterscheiden, die sich während
des Lebens (Cowdry) namentlich während der Entwicklung (van Bier-
vliet) in einem mehr oder weniger flüssigen Zustande befindet, und in
welche die fibrilläre Substanz eingebettet ist.
Diese NissL'sc/ie Tigroid-Substanz aber ist ein saures Derivat (eine \'er-
bindung von Nucleinsäuren mit Eisen), und ihr saurer Charakter wird nach,
Hardy's Untersuchungen die nach der Kathode gerichtete Verlagerung der
Kolloiden, die darin suspendiert sind, begünstigen.
Mit Hinsicht auf die besondere Rolle der 'Nissi.-Substanz bei diesem
Prozeß wäre es auch zu erklären, daß die tigroidlosen Plakodenzellen und
Neuroblasten noch eine stimulofugale (anodale) Verlagerung aufweisen
(in demselben Sinne wie der junge Achsenzylinder) und der kathodische
Tropismus erst auftritt, wenn die NissL'sche Substanz sich in ihr zu bilden
anfängt.
Die letztgenannte Substanz hilft uns also die relativ späte Bildung
der Dendriten zu erklären, da das Chromatinderivat erst in dem Zellkörper
68 MONO\XONISMUS UND POLYDENDEITISMUS.
erscheint in einem Entwicklungsstadimn, in dem der Achsenzylinder be-
reits sein Wachstum über eine grolle Strecke ausgedehnt hat.
Die Zeit- und Richtungsunterschiede zwischen dem Auswachsen des Achsen-
zylinders und der Dendritenbildunff wären also die Folgen des im allgemeinen
anodisch kataphoretiscken Charakters des genuinen Albumens und des Lezithins,
der alkalischen Reaktion dir perizellulären Flüssigkeit und der Tatsache, daß
eine große Menge Alkalichlorid sich in dem Aclisenzylinder anhäuft, dessen Lei-
tmigsvermögen und anodotropischer Charakter dadurch erhöht wird, ivährend
andererseits die nukleinensauren Salze, welche das perinukleäre Protoplasm.a und
den Dendriten kennzeichnen, erst viel später erscheinen tmd dadurch der ausge-
prägte stimulopetale (kathodische) Tropismus dieser Teile erst später auftritt i).
Monoaxonismus und Polydendritismus.
Es gibt noch einige Punkte, die in dieser Bespreclumg zu erörtern sind.
Die erste Frage ist, warum immer nur ein Achsenzylinder die Zelle ver-
läßt^), welcher l)loß durch Kollateralen kompliziert wird, die wahrend
seines ^'erlaufes annähernd senkrecht von ihm ausgehen (Fig. 11 B), während
V071 dein Zellkörpier eine grojie Anzahl Dendriten nach mehreren Reizzentren
auswachsen k(innen und dies im allgemeinen auch tun. (Monoaxonisrmhs
und Polydendritismus.
Um den Monoaxonismus zu erklären, müssen wir erst ins Auge fassen,
daß bei einem polaren Tropismus, wie es der Galvanotropismus in her-
vorragender Weise ist, sich das Objekt unter dem Einfluß des Stromes so
stellt, daß dessen Einfluß an beiden Seiten des Objektes gleich groß ist.
Nur dann tritt der Gleichgewichtszustand ein.
Es ist nun ohne weiteres klar, daß das Auswachsen des Achsenzylin-
ders in dem Strome von dem kathodischen Feld nach der Anode nur
einen Gleichgewichtszustand findet in der Längsrichtung des Stromes.
Die senkrecht, stimulofugal auswachsenden Axone der Neuroblasten
') Nur die Frage würde noch zu beantworten sein, warum die alkalische Reaktion
der Körperlymphe, welche die gleiche um den Achsenzylinder und die Dendriten ist,
nicht das kathodische Auswachsen der letztern stört. Grade dieser Umstand aber beweist
Richtigkeit der Ansicht Loeb's und BuiiGett's, daß der dem Erregungsgesetze folgende
kathodische Tropismus in der Hauptsache von mirazellularen protoplasmatischen Pro-
zessen abhängig ist, in denen das extrazelluläre Medium nicht eine solche Rolle spielt
wie in anodalen Extensionen.
Es ist wahrscheinlich, daß sowohl das spätere Ausv.'achsen der Dendriten als ihre
sekundäre Kontraktion, welche die Verlagerung des Zellkörpers in sich schließen, ein,
von dem anodalen Auswachsen des Achsenzylinders prinzipiell verschiedener Piozeß ist,
für den eine weitere Ausbildung des Neurons erforderlich ist.
') Die Horizontalzellen Ca.tal's können zwar zwei oder mehr Achsenzylinder auf-
weisen, diese gehen aber nie aus dem Zellleib hervor, sonern entstehen auf weiter Ent-
fernung vnn einander, aus verschiedenen Dendriten (siehe Seite Ifi und Fig. 10).
MONOAXONISMUS UNI) l'OLYDENDRITISMÜS. 69
(Fig. 3ü), sowie die seuivreclite .Stellung der KoUateraleu auf dem Achseii-
zyliiider (Fig. 11 B), sind also die natürlichen Konsequenzen des vollkommen
bipolaren Irraditionsstromes.
Wenn nun aber zwei (oder mehr) Bahnen oder mehrere Zentren gleich-
zeitig eine Zelle aktivieren, dürfen wir in solchen Fällen iloch nur einen
Achsenzylinder in der Resultante der beiden (oder mehr) Stromrichtungen
(in der Resultante der bioelektrischen Felder) erwarten, da nur in dieser
Linie der gleiche Einfluli zu beiden Seiten der wachsenden Achsenzylin-
deranlage, also ihr energetisches Gleichgewicht, realisiert ist.
Was wird nun geschehen, wenn zwei oder mehr aktivierende Zentren
nicht gleichzeitig sondern auf denselbcii ZellleiJi einwirken?
Von diesen aktivierenden Zentren wird eines das erste sein und den
Anstoß zu der Ausbildung eines Achsenzylinders geben.
Wenn jedoch ein Achsenzylinder angefangen hat zu wachsen, d. h.
wenn eine eferente Fibrillenzone sich am Zelleib gebildet hat, dürften wir
erwarten, daß die Bedingungen, welche diese tibrillogene Zone durch ihr
größeres Leitungsvermögen (s. o.) darbietet, so günstig sind, daß jeder neue
Reizstrom, statt einen neuen Achsenzylinder an einer andern Stelle zu
bilden, an dem bereits vorhandenen, mit besserm Leitungsvermögen aus-
gestatteten Punkt angreifen wird, dessen Weiterentwicklung er beeinflussen
dürfte, ohne jedoch einen neuen Achsenzylinder ins Leben zu rufen.
Die zuerst entstehende Zone von eferenten Fibrillen des Achsenzylin-
ders, deren polarer Charakter auch noch dadurch demonstiert wird (Held),
daß sie zusammenfällt mit dem Diplosomen-Zentrum (siehe S. 29) wird
dadurch der preferierte Abfuhrweg für alle Reize, welche den Zellleib
treuen.
Die Verhältnisse für die Dendritenbildung sind aber ganz andere.
Wenn ein Reiz auftritt in der Nähe der Zelle, wird sich der nächst-
liegende Teil des Protoplasmas jener Zelle in der Richtung der Kathode
verlagern, d. h. in der Richtung jenes Reizes.
Bei der Gleichheit jenes Protaplasmas, namentlich bei der Ubiquität der
Nissi>'sc/iert Substanz in der ganzen Zelle {mit Ausnahme des Axons), ist dieser
Prozeß aber nicht auf ein Feld besclirünkt.
Später auftretende, anderswo gelegene Reizzentren werden neue proto-
plasmatische Verlagerungen in ihrer Richtung verursachen müssen, wenn
der nach dem ersten Reizzentrum ausgewachsene Dendrit nicht in der
Richtung jener Reizzentren liegt. Dabei wird das Auswachsen des Haupt-
dendrilen und schließlich die Verlagerung des Zellkörpers in der Richtung
des größten Reizes erfolgen (wo demi auch das Zentrosom sich legen kann;
Fig. 12 und S. 18).
M. a. W. : wenn ein anderer Reiz, als derjenige, der die erste Achsenzylin-
der-anlage bildete, den Zellkörper erreicht, wird er sich keinen neuen Ausgang
( A.conhügel) bilden, da dies mehr Energie erfordern würde als das Benutzen
des bereits vorhandenen Abfuhrweges, dessen große Leitungsfälligkeit
70 ÜBEREINSTIMMUNG MIT PSiTHOLOGISCHEN GESETZEN.
in der bereits anwesenden fibrillogenen Zone einen Ausdruck findet i).
Dem gegenüber wird jeder neue, von einem anderswo gelegenen Zen-
trum kommende Reiz einen neuen Dendriten oder Nebendendriten erzeugen,
da der bereits bestehende Dendrit der zu einem bestimmten Reizpunkt
ausgewachsen ist, nicht in der Richtung eines anderen Reizstromes liegen
kann, es sei denn, daß er sich verlagerte. Dann verlagert sich aber irgend
ein, dem Reiz näher liegender Zellabschnitt, der dem Dendriten völlig gleich
ist, ebenso leicht.
Die Selektivität der neurobiotal<tischen Prozesse In Übereinstimmung
mit psychologischen Gesetzen.
Ich komme nun zu dem zweiten und wichtigsten Punkt bezüglich der Bahn-
bildung: der Frage, wodurch die Selektivität der Verbindungen bestimmt ward.
Es ist der Beobachtung aller frühern Untersucher entgangen, daß die
Selektivität der Bahnbildung von simultaner oder besser korrelierter Reizung
bedingt wird. Ca.t.il nahm verschiedene chemische Reaktionen an und schrieb
sogar den Spongioblasten (Gliazellen) eine Rolle bei der Sekretion solcher
Anziehungsstoffe zu, ohne jedoch die zeitlich bedingenden Momente für
diese „Sekretionen" ermitteln zu können. Held sprach von einem „Prinzip
der Auswahl", auf deren Charakter er nicht weiter eingeht, und in bezug
auf seine eigenen sonst so interessanten Untersuchungen bemerkt Haerison
richtig: .,Es gibt nichts in der gegenwärtigen Arbeit, was auch nur irgend
welches Licht auf den Prozeß wirft, durch den die endgültige Verbindung
zwischen dem Nerven und seinem Endorgan determiniert wird".
Daß die Verwandschaft, welche für die endgültige \'erbindung in dem
Zentralnervensystem, sowohl für die Dendriten und die Zellverlagerung als
für die Achsenzylinder eine Rolle spielt, in der korrelierten, meistens in
der synchronischen Reizung der Elemente besteht, konnte ich, nachdem
ich es aus dem selektiven Charakter der Zellverlagerungen aligeleitet hatte,
ebenfalls bei den in dem Nervensystem bestehenden axonalen Verbindun-
gen demonstrieren.
Es erklärt sogar eine Eeihe von Eigeutümlichkeiteii in dem Verlauf von Faser-
bahueu, welche uns andernfalls als konstante, aber schwer zu deutende Tatsachen
entgegentreten, besonders in dem Verlauf der sogenannten „zentral-motorischen
Bahnen", wie die Pyramidenstränge, worauf ich in dem Kapitel über das Rücken-
mark (bei den Säugern) zurückkomme.
Dieses Hauptgesetz der Neurobiotaxis zeigt uns nicht nur, daß das fun-
damentale psychologischeGesetz der Assoziation auch ein anatomisches Ge-
') Auch ist die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, daß, falls sich bereits NissL-Substanz
gebildet hat, das Zellprotoplasma, wegen des besonderen ti'opistischen Charakters, den die
NissL-Suhstanz dem von ihr umfiiliten Protoplasma gibt, nicht mehr so leiclit einen
stimuio-konkurrenten Ausläufer bilden (nicht mehr anodo-tropisch reagieren) kann.
DIE SELEKTIVITÄT I>EK NEUROBIOTAKTISCHEN PROZESSE 71
setz ist, sondern auch, wie wunderbar polar der ganze Charakter der Bahn-
bildung ist, und wie gut diese in die Klasse der galvanotaktischen und
galvanotropischen Erscheinungen palit.
Um diese Selektivität etwas inelir zu beleuchten, niuii ich die Auf-
merksamkeit auf die folgenden Punkte lenken.
Wir können annehmen, daß ein Erregungszustand, wenn er einmal am
Anfange des Achsenzylinders eingesetzt hat, sich schnell fortplanzt — es
wird sogar vermutet, mit gradweise erhöhter Kraft i) — und ein Strom
von relativ großem negativem elektrischem Potential die Wachstumskeule
des Achsenzylinders erreicht und darüber hinweg irradiiert. Wenn wir nun
annehmen, daß in der Nachbarschaft dieser Wachstumskeule oder seiner
Telodendrien zwei Nervenzellen liegen, von denen die eine sich schon in
Reizung, d. h. in einem Zustande von Ionisation beßndet, die andere nicht,
dann wird die Wachstumskeule den größten Einfluß auf die schon gereizte
Zelle ausüben können, und diese Zelle wird ihrerseits die Wachstumskeule
am meisten Ijeeinflüssen können.
Der negatieve Potential, der längs des Achsenzylinders verläuft, wird
seine natürliche Auswahl tretfen in der bereits ionisierten Zelle und nicht
in einer Zelle, welche nicht gereizt ist und welche, als relativ indiflerentes
Objekt, in Bezug auf diesen wachsenden Achsenzylinder keinen selektiven
Punkt zwischen all den andern passiven (nicht gereizten) Zellen darstellt.
^'eilleicht spielt die nach ihrer Reizung auftretende, der negativen
Schwankung direkt folgende, erhöhte anodische Potentialdifferenz jener Zelle
dabei die Hauptrolle, weil wir annehme müssen, daß (im Gegensatz zum
Dendriten) ein Achsenzylinder, also der Reizstrom, sich dem anodischen
Felde zuwendet.
Auch in der Physiologie gibt es Tatsachen, die dafür sprechen daß
ein gerade zuvor aufgetretener Reiz auf die Bahnung eines neuen Reizes
in derselben Richtung einen fördernden Einfluß ausübt. Sherkixgton
betont, „that the threshold of a reflex is lowered by the escitation just
preceeding its own". Auch läßt sich hierdurch erklären, daß solch eine
Schaltstelle zwischen zwei Neuronen (ein Synaps) „is an apparatus for
coordination and introduces a common path" (von mehreren Reizen) (1. c.
S 184, 351).
Was den Umstand anbetrifft, daß axonale Eudigungen niemals mit axoualeu
Endiguugen kommunizieren und dendritischen niemals mit dendritischen, ist von
dem hier vertretenen Standpunkte polarer elektrolytischer Verhältnisse keine weitere
Erklärung nötig, da dies notwendigerweise in sich schließt, daß gleichnamige Aus-
wüchse einander abstoßen.
Man könnte hier die Frage aufwerfen, warum die Achsenzylinder derselben
Zellgruppe, wenn gleichnamige Kräfte einander abstoßen, das Bestreben haben, sich
zu einem Bündel zu vereinigen.
') Manchmal nimmt der Achsenzylinder iu zellulifugaler Richtung auch an Umfang
zu (JOUNSTON, TrETJAKOFF).
72 VERBINDUNGEN MIT DEN .MUSKELN. KEFLEXBOGENBILDUNG.
Wir wissen aber, daß in gleicher Richtung gleichzeitig von einem gleich-
namigen Potential durchlaufene Kolloidfasern eine Anziehung auf einander ausüben.
In sehr interessanter Weise kommt diese Auffassung, diese i'unktionelle
Begründung der Selektivität, uns zu statten, um die Verbindungen zu be-
greifen, welche das zentrale Nervensystem mit den Muskeln eingeht.
BoK hat gezeigt, daß man den planmäiiigen Verband zwischen be-
stimmten Muskeln und bestimmten (manchmal ziemlich entfernten) Stellen
des Zentralnervensystems dadurch erklären muß, daß Kontraktionszustände
der Muskeln (deren Ausbildung der dei' Nervenwurzeln vorangeht) als tropis-
tische Wachstumsreize auf zentrale Nervenfasern wirken. Eine durch irgend
einen Umstand hervorgerufene Kontraktion in einem Myotom wird die
in jenem Augenblick in dem Nervensystem d. h. in den zuerst sich aus-
bildenden Längsbahnen, anwesenden Reizströme auf sich lenken i).
In Übereinstimmung damit ist die Tatsache, daß die ersten Vorder-
wurzeln als Kollateralen zentraler Längsbahnen entstellen (Coghill, Fig.
72 A). Später werden die durch solche Längsbahnen aktivierten Vorder-
hornzellen diese Kollateralen vertreten und ihre Achsenzylinder in die
kontrahierenden M}'otomen schicken.
Hieraus geht hervor, dasz die Myotome die in dem Augenblick der
Kontraktion im Zentralnervensystems anwesenden Reizströnie aktualisieren
und die dadurch sich bildenden Kollateralen oder Wurzeln zu sieh ziehen,
deren Reize ihrerseits diese Kontraktion integrieren.
Ist einmal die Verbindung mit dem Myotom zustande gekommen, dann
kann die Kontraktion auch hervorgerufen wei'den durch die Reizströme der
Längsbanen und Wurzeln aus dem Zentralapparat.
BoK hat darauf hin gewiesen, daß ein kontrahierendes Myotom (resp. Branehio-
mer), infolge der von der Kontraktion resultierenden Bewegung, neue Reizungen
der Sinnesorgane des Tieres hervorruft. Diese Reize werden zentripetal wärts
zum zentralen Nervensystem geleitet und treffen bei ihrem A^erlauf innerhalb des
zentralen Nervensystemes irgetulwo zusammen. 8pä1erwäch.it das motorisclie Xeiiron
dieses Jcontrahierenden Myotoms au jener Stelle aus, weil diese Stelle in dem
Augenblick Prädilektionsstelle ist. Bestimmte Zellen werden infolgedessen in
ihrer weiteren Entwicklung gelenkt durch die Kontraktion einer bestimmten Mus-
kelanlage, weil sie in synchroner Aktion damit sind, und dem neurobiotaktischen
Hauptgesetz der synchronen Korrelation gemäli werden die von diesen Zellen
sprossenden Fasern diesem Muskel zuwachsen. Die motorischen Wurzelfasern bilden
also eine Schaltung zwischen den (von der kontrahierenden Muskel zu neuen
Reizaufnahmen veranlaßteu) Sinnesorganen und diesem Muskel selbst.
So zeigt sieh, daß auch die Endpunkte eines Reflexbogens definiert sind durch
synchrone Korrelation, dadurch, daß ein Muskel mittelst seiner Kontraktion immer
bestimmte Sinnesorgane aktualisiert. Reizung dieser Sinnesorgane wird später Kon-
traktionen hervorrufen in diesem speziellen Muskel. Das Sinnesorgan wird dann
der primäre Ausgangspunkt, der Muskel der Effektor dieses Reflexbogens. Man könnte
•) Etwa wie das prolif'erierenrleu Bindegewebe in den Versuchen von Ca.ial die
Kollateraien der Wurzeln und Seitensträngen anziehen (Seite 58 Füsznote).
l.KITUNGSVERBJäSSERUNGBN.
73
VII Kern _
Kendriteu. —
Hai.
sagen: dt-r KeHexbogeu ist Teil eines ReÖexkreises, vor dem Entstellendes Bogen« gab
der Muskel durch seine Kontraktionen Anlaß zu Sinnesreizen, nach demselben gibt die
Reizung dieses Sinnesorganes reflektorisch Anlaß zu einer Kontraktion dieses Muskels.
Diese Auflassung Bok's gewinnt an Wahrscheinlichkeit, wenn mau die direkt
auf eine Muskel-Kontraktion J'o/^enJe anoilincl/r Fotfitiial-Erhohinn/ als bestimmen-
den Faktor annimmt (siehe Seite 71j.
Diese Theorie des „BeJIe.ikreises" . uu'e nie tw/i BoK genannt wurde, erklärt sehr
vieles im Wesen der Rejlexe. Diese sind nicht teleologisch entstanden, sondern aus
Ziifallshandlungen herrorf/egangen, leelche die in dem Aiigenhlick der Handlung aktu-
ellen Rcizzustdnde in ihrer Sphäre lenkten, um dann später ron diesen Beizsphären
ausgelöst zu werden.
Leitungsverbesserungen während der Phylogenese.
leh will die Frage
der iiiterneuronaleii
Verbindungen nicht
verlassen, ohne betont
zu haben, dali das
größere Leitungsvermö-
gen, welches der Achsen-
zylinder im Vergleich
zu den Dendriten besitzt,
der Verlagerung der
Nervenzelle in der
Richtung nach dem
Reizzentrum hin, eine
besondere Bedeutung
gibt.
Diese Verlagerung
führt nämlicli eine
Verkürzung des den-
dritischen und eine
Verlängerung des axo-
nalen Weges für den
Nervenstrom herbei
(Fig. 37) und infolge-
dessen eine Verbesse-
rung ( V er schnellung)
der Leitung.
Vn Kern \_.v
V
Achsenzyl.— i,' ->^^^ ■^'"■j
'm, ■■.■■■. "^ .''Jl''
in. — — '^^-;;'( t.-t V. ^ r-p:
Maus.
Vir Ken
Fig. 37. Verlagerung des Facialiskernes.
Verkürzung der Dendriten und Verlängereng der
.\chsenzylinder
l)a die verkürzende
Kontraktion der Dendri-
ten in Fällen wie beim Hinabsteigen des Facialiskernes bei den Säugern von einer
Verlängerung (Expansion) des Achsenzyliuders begleitet ist, können wir die Frage
aufwerfen, ob nicht eine Analogie dieses Vorganges mit dem bei Muskeln beob-
achteten Prozesse besteht, wo sich bei der Schliessung des Stromes neben der Kon-
ti'aktion an dem kathodischen Pole eine Expansion an dem anodischen Pole zeigt.
74
LEITUXGSVERBESSERUNGEN.
Die prinzipielle Analogie zwisdien dem Erregimgsgesetz für Muskeln und Nerven
ist wohl bekannt.
Dieselbe Art der Leitungsverbesserung wird uns in etwas anderer Form
demonstriert durch die verschiedenen Wegstrecken, welche die Hinter-
wurzel-Vorderhornreflexe des Rückenmarkes bei verschiedenen Wirbeltieren
durchlaufen.
Dieser Reflex wird bei den Fischen hauptsächlich dargestellt durch
Oünnfasenoes Dnrsalburdel
Hinter wur2el
OieNfa« Vcnlr b
bensil mot Pene»
Ocndr*i[en
Pasc med
Zenlr K
Com prot ant
fasL lono vent
maro Dendr netz
mot Wurzel zellen
'■■ Vorder Wurzel
Fig. 38. Demonstration dei' Hinteiwurzel-Vorderhornreflexe
bei einem Rochen. Die Dendiiten der Vorderhornzelleii
verästeln sich bis in die graue Substanz der
Hinterhörner, n. Von Lenhossek.
lange, bis in das Hinterhoru hineinragende Dendriten der Vorderhorn-
zellen (Fig. 38); bei Vögeln und Säugern dagegen durch ein längeres Aus-
wachsen der Hinterstrang-Kollateralen (Fig. 39). Auch in diesem Falle
findet man also, daß eine dendritische Wegstrecke von einer axonalen
Wegstrecke ersetzt wird, was infolge der besseren Leitungsverhältnisse in
dem Axon, resp. Axon-Kollateral eine Verbesserung bedeutet, und ermög-
licht wird durch die größere und raschere Wachstumstendenz der Achsen-
zylinder im Vergleich zu den Dendriten. Hierdurch muß auf die Datier
der dendritische Weg gegenüber dem axonalen weichen.
DIE SYNAl'.S.
75
Hiiiterwurzel.
Hinterhorn.
Auch die Verzogenuig de« Nerveiistroms in der intenieurüualen Schal-
tung, in der Sy7iaps, kann durch gewisse Vorgänge vermindert werden.
Sehr interessant in dieser
Hinsicht ist das bereits er-
wähnte Verlialten bei der
MAUTHNER'schen Zelle der
Fische, wo der Übergang des
zuführenden Stromes teilweise
an dem Achsenzylinderhügel
selbst mittels der Axonkappe
(Fig. 24) stattfindet, und wo
vermutlich die am wenigsten
störende Synaps gebildet wird.
Andere Verbesserungen
in der Überführung des Stro-
mes werden in anderen Gleich-
gewichtsorganen gesehen, z. B.
den Korbzellen der Klein-
hirnrinde, wo Fibrillen der
Körbchen direkt in die Fibril-
len (Fig. 23) der Purkinje'- lO'
seilen Zellen übergehen. ^,-j 39
'"^«•o. \ orderhüiuzellen.
Demonstration der Cbennittluiig der
Hinterwiirzel-Voi'derliorniellexe bei Säugern.
Die Aehsenzylinder der Hinterstränge
senden Ivollateralen zu den Vorder-
hornzellen, n. Von Lenhossek.
Die Synaps.
Hierbei tlrängt sich uns
die Frage nach dem Wesen
der Synaps auf.
An der Stelle der interneuronalen Schaltung, die man als Synaps be-
zeichnet, liegen einige physiologische Eigentümlichkeiten vor, welche hier
erwähnt werden müssen. Die zuerst auffallende Eigentümlichkeit ist, daß
der Reizstrom an dieser Stelle nur in einer Richtung erfolgen kann, und
die zweite i.st, daß der Reizstrom an dieser Stelle eine Verzögerung erfährt.
Während es experimentell leicht nachweisbar ist, daß in einem Axon
(z. B. in einem motorischen Nerven) und auch in dem Dendriten (z. B. in
einem sensiblen Nerven) — wenn dieselben in der Mitte gereizt werden —
der Reizstrom nach beiden Seiten abläuft, zeigt sich, daß die Synaps —
die Übergangsstelle zwischen zwei Neuronen — nur durchgängig ist in der
Richtung von dem Axonende nach den Dendriten (siehe Fig. 40). Auch
die stärksten Reize gehen nicht in ungekehrter Richtung durch (in nor-
malen Verhältnissen).
Daß der Nervenstrom an der Synaps eine Verzögerung erfährt, geht
daraus hervor, daß eine Nervenstrecke, in der ein Sj-naps vorkommt, mehr
Zeit fordert, um ganz durchlaufen zu werden, als eine ebenso lange, aber
ununterbrochene Strecke, sei es, daß sie dendritischer oder axonaler Natur sei.
7Ö I>IK SYNAP.S.
Wir müssen versuchen, diese synaptalen Erscheinungen in dem Lichte
der neurol)iotaktischen Eigenschaften des Neurons zu hetrachten, weil sie
offenbar /.usammenhängen mit der Pohirisation desselben.
Was die Verzögerung des Reizstromes in der Öynaps anbelangt, wäre
es möglich, dal) sie bei verschiedenen Synapsen verschieden ist, indem sie
nur gering sein dürfte an solchen Übergangsstellen, wo die Fibrillen des
ersten Neurons direkt in diejenigen des zweiten Neurons übergehen, wie
dies in dem \'estibularapi)arat (s. o.) oft der Fall ist. A fortiori kann dies
erwartet werden in Schaltungen, wie sie in der Mauthnerschen Zelle mit-
tels der Axonkappe stattfinden. Leider sind die Verhältnisse dort aber so,
daß sie nicht leicht der physiologischen Untersuchung zugängig sind. Wahr-
scheinlich ist die Synaps-Verzögerung größer, wo der histologische Ver-
band nur aus einer Kontiguität, nicht aus einer Kontinuität besteht und
am allergrößten, wo diese Kontiguität, diese Annäherung, sogar noch ge-
schaffen werden muß, also bei neuen oder selten vorkommenden Schaltungen.
Die Verzögerung an der Synaps läßt !<ieh an solchen Stellen schon vermuten
aus der folgenden Betraehtung: Die Sehuelligkeit, welche experimentell an Nerven
festgestellt ist, variiert von 1 m bis 120 m pro Sekunde. Hütte der Keizstrom
an einer Syuaps, wo nocli keine Kontiguität besteht, eine Schnelligkeit, die be.stimmt
wird durch die Konvektion der Ionen, dann würde dieselbe — wenn man die
schnellsten Ionen als ihre Träger betrachtet — - sich um mehr als 1000 X lang-
.samer erweisen.
Nun ist zwar die Stelle des Überganges in den meisten Fällen eine
kurze Wegstrecke, aber sogar eine so kurze, wenig oder nicht gebahnte
Wegstrecke genügt offenbar, um die Schnelligkeitsdifi'erenz bemerkbar
zu machen.
Was die bloße Durchgängigkeit in einer Richtung anbelangt, so hängt
dieselbe — wie gesagt — auf das engste zusammen mit der Polarisation
des Neurons, weil das synaptale Nervensystem zuerst auftritt mit dem
Auftreten der polarisierten Neuronen und ein Nervensystem, welches aus
Itrimitiven, nicht polarisierten Ganglienzellen aufgebaut ist, wie dasjenige
der Coelenteralen asynaptal ist (SHEEUiN(iTOX), d. h. nach beiden Seiten
durchgängig.
Wir wissen außerdem, dall die Dendriten sowohl wie die Achsenzy-
linder Produkte der Reize sind: der Axon ein Bildungsprodukt des Reiz-
stromes, welches mit diesem Strom mitwächst, und der Dendrit ein Bil-
duugsprodukt, das durcli den Reizstrom angezogen wird.
Bei der ül.ilichen Durchströnaung der Synajjs in der Richtung vom
Axon zum Dendrit (Fig. 40. oben) wird also ein und derselbe Reiz den Axon
nach der Zelle des zweiten Neurons' und die Zelle bezw. die Dendriten
nach dem Axon ziehen.
Denkt man sich aber, daß der Reiz in entgegengesetzter Richtung ver-
läuft, dann würde er infolge des stimulo-petalen Charakters des Dendriten
niK ^rAIMvUMSCIIEinUNf; ])KK ACIISENZVLINnKR.
( i
diesen inieli sich liiiiziehei
Axons jenen von der
Zelle abziehen, also die
beiden von einander ent-
fernen (vergl. Fig. 40
unten).
Ich möchte nicht
entscheiden, ob diese Be-
trachtung genügt, um
das synaptale Verhalten :
die Unmöglichkeit einer
umgekehrten Durchströ-
mung des Synapses zu
erklären.
Jedenfalls ist es sicher,
daß die vorliegenden Tat-
sachen sich vorzüglich dek-
ken mit den Tatsachen der
Neurobiota.vis und mit der
galvano-tropischen, neuro-
biotak iischen Po larisa lioi i
des Neurons ^).
und inlolgc des stimulo-fugalen Charakters des
:b <r
-mA.
^■^
-> A
c
Fig. 40. Ei-klnrung der Synaps aus der neuiohiotaUtischen
Polarisation des Neurons.
Die voll gezeichneten Pfeile demonstrieren den Verlauf
des Reizes. Die gestrichelten Pfeile die Richtung der
dadurch verursachten Tropismen. Fig. 40 oben demon-
striert die Annäherung von Achsenzylinder und Dendri-
ten bei der normalen Durchströmung des Nervensystems.
Fig. 40 unten demonstriert die Entfernung in der Synaps
beim Versuch der umgekehrten Durcliführung des Reizes.
Die Markumscheidung der Achsenzylinder.
Der letzte Punkt, den ich hier beliandeln möchte, ist die Frage: warum
die meisten Achsenzylinder im Zentralnervensystem eine Markscheide
erhalten, und warum diese Markscheide nicht an der Zelle und den Den-
driten vorhanden ist 2).
Wenn mann sich hier mit einer teleologischen Erklärnno; znfrieden geben
') Gegen die AufFaßung, daß das Verhalten an der Synaps — namentlich auch die
Verzögerung, welche dort stattfindet, durch einen Amöboidismus erklart werden könnte —
hat Sherrington angeführt, (Integr. Action S. 24, unten) daß die Latenzzeit eines Reflexes
nicht verkürzt wird, wenn ein Schlag verteilt wird in zwei: einem Initial- und einem
Inkrementalschlag. Übschon der letztere eintritt, wenn der Reflex schon im (iang und
die Verbindung also hergestellt ist, ist doch die gesamte Latenzzeit des Inkrementalschlags
und des Initialschlags nicht geringer, als wenn die ganze Kraft auf einmal gebraucht wird.
Es scheint mir indessen, daß die auch von Sherrington gefundene Tatsache, daß die Latenz-
zeit bei dem Inkrementalschlag mehr als 20 "/^ kürzer ist, als bei dem Initialschlag (0,038
sec. gegen 0.048 sec.) beweist, daß bei der Initialschlag etwas besonderes stattfindet, was
bei dem Inkremetalschlag nicht mehr stattzufinden braucht, und es ist mir wahrschein-
lich, daß es sich dabei sehr wohl um eine neurobiotaktische Orientierung der Teloden-
drien und Dendriten, resp. ihrei' inneren Kolloidpartikel, handeln kann. Auch seine V^^ahr-
nehnuing, daß „the threshold of each succeeding refiex in lowered by the excitation just
preceeding its own" (I. c. S. 184) spricht zu Gunsten meiner Aulfassung.
2) Ich gehe hiei- niclit näher ein auf die Markscheide um das periphere Stück einer
iS DIE MARKUMSCHEIDUNG DER ACHSENZYLINDER.
wollte, würde es genügen zu sagen, daß die Anwesenheit der Myelinscheide um
den Achsenzylinder wahrscheinlich eine Isolierung des Stromes zustande bringt, vind
daß eine solche isolierende Scheide nicht an Stellen vorkommen darf, wo der Strom
von einem Neuron auf ein anderes übergeht (Dendriten, Zellkörper, Telodendrien).
Indessen ist eine solche Erklärung in dieser Form nicht erlaubt und würde
uns der Lösung der Frage nicht näher bringen, in welcher Art und Weise der
Prozeß der Markanhäufung in der Nähe des Achsenzylinders vor sich geht und
wodurch das Freibleiben davon an einigen andern Stellen eftektuiert wird.
Wir müssen vielmehr der Ursache nachspüren, welche zur Anhäufung von
Mark rund um den Aehsenzylinder führt und untersuchen, warum das Mark sich
nicht scheidenartig um die Zelle und den Dendriten anhäuft.
Daß der primitive Aehsenzylinder selbst imstande ist, Mark zu bilden
habe ich bereits bei der Beschreibung der Markscheide erwähnt. Es zeigt
sich dies am deutHchsten in dem Zentralnervensystem, wo keine Schwann-
schen Zellen vorkommen, die dazu (wie im jieripheren Nervensystem) bei-
tragen k(')nnen, und dem Achsenzylinder aufliegende Gliazellen nur selten,
mit Markkörnern, versehen gefunden werden (vergl. Fig. 21, unten).
Wir wissen weiter aus den Untersuchungen Ambronn's und Held's,
daI5 die Markbildung stark beeinflußt wird durch die Funktion — die Be-
nützung — der Bahnen, also von den hindurchziehenden Reizen. Bindet
man liei einem neugeborenen Kaninchen das eine Auge "zu und läßt das
andej-e offen, dann werden die Optikusfasern des letzteren viel schneller
und kräftiger von Mark umscheidet als diejenige des geschlossenen Auges.
Es ist außerdem wahrscheinlich, daß die Ausscheidung der Marksub-
stanz aus den Primitivfibrillen eine Erhöhung der Reiz-Propagation mit
sich führt. Versuche, die in dieser Richtung gemacht worden sind, weisen
darauf hin, daß der Nerv vor der Ausscheidung der Markscheide schwer
erregbar ist und schlecht leitet. In dieser Beziehung ist es auch interes-
sant, daß die Reizstrom-Schnelligkeit in den praktisch marklosen Fila
olfactiva des Hechtes nur 0,08 — 0,09 M. pro Sekunde ist (Nicolai) während
sie in dem Mark umscheideten Extremitätennerven des Menschen 60 M.,
bei Hund und Katze sogar 78 bei 120 M. betragen kann (Helmholtz,
Münnich).
Nach GÖTHLiN steht die Schnelligkeit der Nervenleitung sogar in einem
direkten Zusammenhang zu der Dicke des Nervenmarkes, welches durch
sensiblen Wurzel, welches Stück anatomisch und ontogenetisch (es entwickelt sich später
als der zentrale Prozeß) ein Dendrit ist.
Unter den Millionen Neuronen im Nervensystem ist dies die einzige Ausnahme,
welche sicherlich einer Erklärung bedarf, die aber zur Zeit nicht unsre Schlußfolgerung
bezüglich der zentralen Bahnen zu beeinträchtigen braucht. Die peripheren sensiblen
Nervenfasern scheinen nicht das geeignetste Material zu sein die Fragen zu beleuchten.
Vielmehr bedürfen sie selber Beleuchtung.
Außerdem beweist der Umstand, daß spinale Ganglienzellen, die zu dem sensiblen
System der Haut gehören, teilweise auch ihre Reize von andern Neuronen (solchen des
sympathischen Systems: Dogiel) empfangen, daß nervöse Ströme darin auch nach der
Peripherie hinziehen können. (Siehe weiter Kapitel II.)
DIK MARKUMSCIIEIDUMi DER ACHSENZYLINDER. 79
seine Hüssigkristalline Natur in; Stande sein soll zu den elektroniotorisehen
Erscheinungen beizutragen. Wie dem aueh sei, die Ausscheidung des Markes
aus den Primitivfasern dürfte ebenso wichtig sein für die Förderung des
Reizstromes, als die Umscheidung für die Isolierung desselben.
Um die Markabsonderung an der Peripherie des Axons zu erklären,
muß ich daran erinnern, daß das Lezithin, welches den Hauptbestandteil
der Markscheide bildet, unter den Verhältnissen wie sie im Körper vorlie-
gen eine anodische Kataphorese aufweist (Höber).
Betreffs des Nervenmarkes selbst wurde dies experimentell nachge-
wiesen (Hermann), welcher die Konvektion desselben nach der Anode
als „eine der gewaltigsten mikroskopischen Erscheinungen" bezeichnete, die
er jemals sah, und dessen Befund von Ingvar und mir i) bestätigt wurde.
Wenn wir dies nun auf die Struktur des Axons in dem Zentralner-,
vensystem anwenden, dürfen wir erwarten, daß der Nervenstrom, der im
Neuron nach tler Anode abfließt, die lipoide Substanz hauptsächlich in dem
Achsenzylinder verlagern wird -).
W^eil aber — wie wir gesehen haben — von diesem Achsenzylinder
ein Strom gleichen Charakters seitwärts irradiiert, wird das Mark notwen-
digerweise nach der Peripherie der Nervenfaser verlagert.
Daß der Zelleib und die Dendriten davon freiblieben, erklärt sich dann
durch den anodotropschen Charakter des Myelins und die Tatsache, daß
die Ausläufer der nicht polarisierten primitiven Ganglienzellen der Everte-
braten (und des Sympathicus) kein Mark führen, ließe sich neben ihrer
geringeren Entwicklung auf ihre wechslende Durchströmung zurückführen.
Die Schwierigkeit liegt daher nicht in der Beantwortung der Frage,
warum nur Achsenzylinder Mark haben, und warum dieses Mark sich, nach
der Peripherie verlagernd, sich scheidenartig um ihn herum anhäuft, son-
dern die größere Schwierigkeit liegt darin, zu erklären, warum das Mark
dort bleil)t, und warum es nicht weiter von der Peripherie des Achsenzy-
linders weggeschleudert wird.
Es ist mciglich, daß dies im Anfang der Scheidenbildung wirklich
vorkommt (dann sind bisweilen (Tliazellen und namentlich Lymphozyten
manchmal mit mark- oder fettartigen Körnchen versehen) aber daß, wenn
M Wenn man einen Teil eines peripheren Nerven eines Frosches in einen konstanten
Strom zwischen zwei Elektroden bringt, bemerkt man einen deutlichen Ausfluß des
Nerveninhaltes, besonders Mark, an dem anodischen Ende des Nerven, wo es sich in Ein-
rollungen anhäuft.
Bei Urakehrung des Sti'omes kann dieses Mark wieder von dorn Nerven absorbiert wer-
den. Das Mark fließt dann an der andern Seite, (die Jetzt der Anode gegenüber liegt) heraus.
Die Neigung des Markes sich in die Richtung der .\node zu verlagern, steht durch
dieses Experiment außer allem Zweifel. Die von uns benutzten Elektroden waren Platin-
plättchen; die Stromstarke betrug etwa 0,8 niA.
^) Ob die von Cowdry erwähnte Eigentümlichkeit, daß die Mitochondrien der Zelle
(ebenfalls eine fettartige Substanz) sich manchmal an dem Axonhügel anhäufen (siehe
Fig 18) etwas damit zu machen hat, ist vorläufig nicht zu entscheiden.
80 DIE MARKUM8CHE1DUXG DER AGHSENZYTJNDER.
.seine Bildung reichlichei- wird, das Mark durch seinen nicht leitenden
Charakter sich dem anodischen Strom in den Weg stellt, die Irradiation
desselben verhindert.
M<igl icherweise wird auch die Scheidenbildung aus der Substanz der
Primitivfibrillen verstärkt durch einen Myelinzuwachs von außen, indem
eine anodale Induktion der Peripherie des Nerveh zu einer Mark-Ablage-
rung aus der Umgebung Anlaß gibt.
Rece.s.sus pinealls /^■i^^Ti^s-ifk Ependyma
-/ - ~* ■' ' parencephali
4 . .
e
^ (-Olli snp. teloncepholi
X
- marklose
kommi&Rurkevn
"^S!^^ ■": j.o'''c "^V^ v->^'" "'"!,. ' • mal klialtigu Fasern
fasciC. ~' .■ , s'»e-"''° J"';*«'/ '
retroflex. v i- ;' ■ 'r>l-l,-''%M-''" r,an?lion hahcniilae
Fig. 41. Sagittalschnitt durch den Epithalamus von Sc^-lliuni
ranicula. Lage der matkhaltigen Fasern peripher von den
niarklosen Bündeln der Coram. superior telencephali.
In Verbindung damit möchte ich einen Umstand erwähnen, der mir
manchmal bei dem Studium des Gehirnes niederer Tiere auffiel, wo häufig
zu beobachten ist (z. B. in der Commissura suijerior habenulae der Plagios-
tomen (Fig. 41), daß die Markfasern der kreuzenden Bündel an der
Periplierie der marklosen Fasern angeordnet sind.
Das Gleiche fiel mir oft in dem Fasciculu.^ retroflexus auf, z. B. bei Arius.
Möglicherweise vergrößert sich in dieser Weise auch die Markscheide
jeder einzelnen Faser durch Heranziehung fettartiger Produktion aus der
Umgebung.
Hiermit habe ich kurz die Lehre der Neurobiotaxis angegeben.
Ich zweifle nicht, daß daran noch vieles fehlt.
Nur kann ich betonen daß in den zehn -Jahren, welche seit der er.sten
Aufstellung ihrer Hauptlinien verfloßen sind, immer mehr Daten gefunden
wurden, sowohl von mir selber als von anderen, welche sie bestätigt und
weiter ausgebaut haben ; wie auch aus den folgenden Kapiteln hervorgeht.
rjTTKKATUi; ZUM ERSTEN ICAl'ITEI.. 81
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KA.PPERS.
ZWEITES KAPITEL.
DIE VERGLEICHENDE ANATOMIE DES RÜCKENMARKES.
In den folgenden Seiten werde ich eine Übersicht geben von dem
Bau des Nervensystems der Wirbeltiere und des Menschen.
Ich werde dabei nicht das Nervensystem als Ganzes seriatim behandeln,
weil hierdurch die Übersicht über die progressiven Veränderungen, welche
die einzelnen Abschnitte davon in der Tierreihe aufweisen, niclit genügend
klar wird.
Damit die Unterschiede — andererseits auch die Übereinstimmungen
in den Aufbauprinzipien — der einzelnen Teile deutlich dargestellt werden,
habe ich meinen Stoff so eingeteilt, daß ich von jedem Abschnitte des
Zentralnervensystems Gehirns eine vergleichende Besprechung gebe.
Diese Abschnitte sind so gewählt, daß die Vergleichung übersichtlich
ist und sich eignet, einen Einblick in ihre progressive Entwicklung zu geben.
Ich habe dabei angefangen mit dem Rückenmark, weil dies der einzige
Abschnitt ist, welcher in der Zufuhr seiner sensiblen und in der Abgabe
seiner effektorischen Reize (Wurzeln) eine gewiße Segmentierung bewahrt.
Außerdem behält es bei den meisten Tieren eine große Selbständigkeit
den übrigen Abschnitten des Zentral-Nervensystems gegenüber, und modifi-
ziert es sich auch nicht in dem Maße wie jene. Auch deshalb ist es not-
wendig, zuerst das Rückenmark zu behandeln, weil manche Bahnen,
welche dort entstehen, zum Aufbau der übrigen Abschnitte beitragen
und gewisse Eigentümlichkeiten in der Weiterentwicklung anderer Teile
(Kleinliirn, Thalamus) bedingen.
Bereits bei den niedrigsten Wirbeltieren — bei denen das „Gehirn" kaum
entwickelt ist — ist das Rückenmark, mit seinen prinzipiellen Konstitu-
enten vorhanden.
Sogar soll nach Gegenbaur bei den Larven von gewissen wirbel-
DIE VERGLEICHENDE ANATOMIE DES RÜCKENMARKES. 99
losen Tieren (Aszidien) ein Teil des Nervensystems in vielen Hinsichten
dem Rückenmark entsprechen, indem sicli dort in dem Ektoderm eine
dorso-mediale Falte entwickelt, welche mit der Medullarfalte der Wirbel-
tiere verglichen wei'den kann, die aber in ihrer Entwicklung auf einer
so niedrigen Stufe stehen bleibt, wie man sie bei den Embryonen der
Säugetiere nur in der ersten Zeit nach der Befruchtung antrifft.
Der dorsale Teil des Ektoderms verdickt sich bei diesen Wirbellosen
und sinkt in die Tiefe, wälirend seine Ränder emporgehoben werden.
Hierdurch entsteht in die Tiefe eine Röhre von Ektoderm, deren hin-
terer Teil sich schließt, ja sogar größtenteils obliteriert, während der vordere
Abschnitt eine mit einem ziemlich weiten Ventrikel versehene Blase bleibt,
die mittels eines „Neuroporus" mit der Außenwelt kommuniziert. Dieser
Abschnitt wird dann als ein primitives Homologen des Gehirns betrachtet,
w^ährend der hintere Abschnitt — der sogar nach einigen Autoren bei
den Appendikularien metamere Nervenfasern abgeben soll, dem Rücken-
marke homologisiert wird.
Inzwischen sind diese Punkte noch manchen Kontroversen unterworfen.
Zell werde mich denn auch bei dem Bau des Nervensy.stems der Wirbel-
losen nicht auf lialten und verweise bezüglich der Versuche, das Vertebraten-
Nervensystem von dem der Evertebraten abzuleiten auf Gäskei.l, Dohrn,
Delsman u. A.
Das Rückenmark von Amphioxus.
Mich auf mein eigenes Gebiet beschränkend, beginne ich mit der Be-
schreibung des Rückenmarkes von Amphioxus, welches sich ebenfalls aus
einer riimenförmigen Einstülpung des dorsalen Ektoderms bildet.
Eine kurze Übersicht über das ganze Zentralnervensystem dieses teils
primitiven, teils regressiv veränderten Tieres möge vorangehen.
Auch bei Amphioxus findet man die Bildung des Zentralnervensystems
aus einer ektodermalen, sog. Medullarfalte, die in die Tiefe versinkt.
Das Schließen dieser Falte geschieht von hinten nach vorn und auch
hier bleibt an der Vorderseite längere Zeit eine Verbindung mit dem Ekto-
derm an der Stelle des „Neuroporus" bestehen.
In dem so entstandenen Zentral-Nervensystem kann man einen vordem
Teil, mit einem weiteren Hohlraum (Fig. 42) unterscheiden von einem
hintern Teil, dessen Lumen sich sehr verengt und spaltförmig ist.
Der erste Teil wird als Urhirii (Archmcephalon ; KurFFER), der zweite
gewöhnlich als Rücketiraark bezeichnet.
Der Ventrikel des Gehirns korrespondiert mittels des Neuroporus, mit
einer trichterförmigen Kopfgrube, der Riechgrube Kölliker's, woraus ein
unpaariger Riechnerv hervorgeht (komplette Monorrhinie i)). Hiervon durch
') Ich unterscheide die komplette Monorrhinie mit nur einer Riechgrube und einem
Rieclinerven von der inliompletten Monorrhinie, hei der eine Riechgrube mit zwei Nerven
vorliegt (wie bei den Zyltlostomen; siehe Kap. IX).
100
DAS RUCKENMARK VON AMPHIOXUS.
einen Pigmentfleck getrennt, tritt ventral der paarige Nervus terminalis ein
(Neivus apicis von van Wi.the; Nerv, septalis I, Aut., N. term. Fig. 42).
Hirnventrikel.
Zellen v. Joseph.
"Wirapertrichter.
N. term. Pigment.
Infunrt. org.
Choriia.
Fig. 42. Sagittalschnitt, seitlich von der Medianlinie diii-ch da.s vordere
Ende des Zentralnervensystems von Amphioxiis lanc.
Hinter der Stelle, wo dieser sensible Nerv eintritt i), findet sich ein
Sinnesorgan (Infund. org. Fig. 42), dessen Epithel — zuerst von BoeKE nach
seinem richtigen Werte geschätzt — große Übereinstimmung mit dem
Sinnesepithel in dem Infundibularorgan der Fische aufweist und uns da-
durch einen wertvollen Anhaltspunkt für die Homologisierung davor und
dahinter gelegener Teile darbietet.
So kann man denn hier sagen, daß derjenige Teil des Nervensystems,
welcher hinter diesem Infundibul ar-organ liegt, nur mit der Basis des
Mittelhirns, der Oblongata und dem Rückenmark korrespondieren kann.
Ob wir hier indessen von einer Mittelhirn-Anlage reden können, ist
zwar nicht ohne weiteres zu verneinen, aber auch nicht leicht zu bejahen.
Bedenken wir, daß wirkliche Augen, wie wir sie bei den Kranioten
kennen, diesem Tiere abgehen und damit auch die Augennerven, dann
ist es klar, daß bei Fehlen eines Opticus, eines Oculomotorius und eines
Trochlearis samt den damit assoziierten Systemen die zuverlässigsten Anlialts-
punkte mangeln, um die Diagnose eines Mittelhirns stellen zu können.
Auch die Homologisierung der hinter der Infundibularregion gelegenen dor-
salen Erveeiterung des Ventrikels (nicht sichtbar in Fig. 42), welche von Hatschek
und anderen als Ventriculus quartus bezeichnet wird, stößt auf Schwierigkeiten.
Es ist m. E. nicht richtig ihn ohne weiteres dem vierten Ventrikel der Kra-
nioten zu homologisieren. Hierzu ist nämlich zu betonen, daß auch das Dach des Mit-
telhirnventrikels bei iiiedern Kranioten (Petromyzou) teilweise noch von einer
ependymalen Membran gebildet wird. Dazu kommt, daß man die vorderste Dorsal-
wurzei, welche diese Gegend aufweist, (N. II) wahrscheinlich als Homologon des
N. ophthalmicus profundus V betrachten muß (die Dorsalwurzel, welche die
Kranioten in embryonalen vStadien im Mittelhirn aufweisen können), sodaß es sieh
') Nach Langeruans und van Wijhe fühlt er Ganglienzellen in seinem Verlaufe.
DAS RÜCKENMARK VON AMPHIOXUS. 101
bei diesem Ventrikel teilweise ebenso gut um ein tlomologoii des Mittelhiniventri-
kels der Kraniofceii handeln kann, und die der Medulla oblongata der Kranioten
entsprechende Region wesentlich kandaler liegt. Ich möchte diese dorsale Veutrikel-
erweiterung (nicht angeschnitten in Fig. 42) denn auch lieber mit dem nichts präju-
dizierenden Namen VentrirulH-i posterior bezeichnen. Nur die zweite Dorsalwurzel
(N. III), welche auch hier eintritt, durfte einem Oblongatanerven (N. maxillo-man-
dikularis) homolog sein.
Die.se Gegend wird überlagert von großen (Tauglieuzellcu, die Lichtzellen von
Jo.sEi'H, welche sich durch den Besitz eines palisadenähnlichen Saumes unterscheiden,
wie er oft an Sinneszellen gefunden wird (vergl. Kap. I, IV). Diese Zellen welche
vielleicht die spatere Rolle des Mittelhirnes als optisches Zentrum, bei den Kra-
nioten, einleiten, kommen aber als solche dort nicht mehr vor.
Die Diagnose eines verlängerten Markes ergibt ebenfalls Scbwierigkeiten.
Die peripheren Verbindungen der Medulla oblongata werden bei den
Kianioten, wie wir sehen werden, von den Kiemenbogennerven (Trigemi-
nus, Facialis, Glossopharyngeus und Vago-accessorius) und weiter von dem
N'^estibularis und den N. N. laterales geVjildet.
Die N. N. laterales und ein von einem N. vestibularis innerviertes
Gleichgewichtsorgan fehlen al)er ])ei Amphioxus, werden sogar nicht einmal
angelegt (van Wijhe). Auch fehlt ein Kiefer (die Naln-ung wird durch
das linke Ohrkiemenloch aufgenommen: van Wijhe).
Zwar hat Amphioxus Kiemenbogen, aber diese sind beim ausgewach-
senen Tiere nicht mit JMuskeln versehen.
Ihre Funktion bei der Atmung scheint von der Atrialniuskulatur und von
Pterygialmuskeln (M. M. transversi) übernommen zu werden (van Wijhe).
Wahrscheinlich haben diese eine viszerale Innervierung durch Äste der Dorsalwur-
zeln. Ob und in wiefern diese dorsalen Wurzeln von anderen — kaudaleren —
Dorsalwurzeln als primitive Branchialnerven zu unterscheiden sind, werde ich in dem
folgenden Kapitel besprechen. Aber auch wenn dies der Fall wäre, bleibt es schwer,
bei der großen .'Anzahl solcher pseudo-branchialen Nerven, deren Zahl bei Amphioxus
etwa 38 betragen kann, von einer wirklichen Medulla oblongata zu reden, weil diese
Gegend in allen anderen Hinsichten dem Rückenmark völlig äluilich ist.
Auch der Bau des Zentralapparates gibt uns keinen Anhaltspunkt,
denn die Schließung (Calamus scriptorius) des Ventricukis posteriw, der
hauptsächlich den Mittelhirnventrikel repräsentieren dürfte, findet schon
statt hinter der zweiten Dorsalwurzel (Nerv. III, s. o.). Mehr aber als die
Hälfte aller folgenden Dorsalwurzeln gehört sicher noch zu der Bran-
chialregion des Körpers, und zu dem Aufbau der Oblongatanerven der
Kranioten dürften manche dieser Wurzeln beitragen, sodaß die Einengung
des Ventrikels, der sog. Calamus scriptorius, bei Kranioten offenbar nach
hinten verlegt wird (siehe Kap. III).
Bei Amphioxus aber hat das Mark hinter dem sog. Calamus scripto-
rius dieses Tieres, sowohl in der branchialen als in der postbranchialen
Region i), noch einen im wesentlichen gleichartigen Charakter.
') Das Tier hat im ganzen etwa 64 Nerven. Davon entsprechen von dem 2''='' bis 7'™
Dorsalnerven (III und VIII der Autoren) der Buccoveiar-Region des Körpers, von dem
102
DAS RUCKENMARK VON AMPHIOXUS.
Ein Durchschnitt durch dieses Mark zeigt die Form eines Dreiecks
mit nach oben gerichteter Spitze (Fig. 44 und 47).
Die Basis ist ein wenig konkav, eine EigentümUchkeit, die als Anpas-
sung an die runde Form der Chorda dorsaUs zu betrachten ist, und die
wir bei den Zyklostomen zurückfinden werden (Fig. 54).
Der Zentralkanal (in Fig. 44 und 47 kaum sichtbar) zeigt ventral ein
ovales Lumen, von dem ein Ausläufer sich spaltförmig eine Strecke dor-
salwärts fortsetzt, und nahe der hinteren Oberfläche wieder eine geringe
Erweiterung aufweisen kann, ein Zustand, den man auch bei Embryonen
höherer Tiere findet.
In dem kaudalsten Gebiete des Rückenmarkes hören die nervösen
Elemente auf, welche den Zentralkanal umgeben, und sieht man allein eine,
ependymale Röhre, deren hohe Zellen mit ihrer
Innenfiäche etwas nach hinten gerichtet sind.
Diese Röhre geht in den meisten Fällen schließ-
lich wieder in eine ampullenartige Erweiterung
über (Fig. 43: Retzius).
Das Verhalten der Nerveinvurzelii ist bei Am-
phioxus recht eigentümlich und einerseits auf
primitive Verhältnisse — andererseits auf sekun-
däre Veränderungen in dem Bau dieses Tieres
zurückzuführen.
Während man in der Anatomie der Säuger
und des Menschen gewohnt ist, Voi-der- und
Hinterwurzeln etwa auf einem gleichen Quer-
niveau austreten zu sehen, ist dies hier nicht
der Fall: die Hinterivurzel- and Vorderwur-
zclaustritte alternieren mit einander bei Am-
phioxus.
Dies ist einem primitiven Verhalten zu dan-
ken, da die sensiblen Wurzeln in ihrem Austritt mit den intermuskulären
Septen korrespondieren, durch welche sie die Haut des Körpers erreichen
(siehe Fig. 45), ■während die Vorderwurzeln in die Masse des Myotoms selber
eintreten und dadurch mit den septal verUiufenden sensiblen Wurzeln
alternieren.
Während das alternierende Verhalten zwischen \'order- und Hinter-
wurzeln einem primitiven Verhalten zu danken ist, liegt hier außerdem ein
alternierendes Verhalten zwischen rechts und links vor, indem die rechten
\'orderwurzeln mit den linken \'orderwurzeln alterniei'en und die rechten
Hinterwurzeln mit den linken Hinterwurzeln (siehe Fig. 45).
Dies ist ein sekundärer Zustand, welcher dem Umstände zu danken ist,
Fig. 43. Hinteres arapuUär
erweitertes KückenmarUsenHe
V. Amphioxus n. Retzius.
7ten \j\g 2u,y, 39ten oiler 40*™ der peribrancliialen Region und v(in dem 40'™ bis zum
F.nde der postbi'ancliialen (postatrioporen) Region des Körpers. Die Buixovelar- unil Peri-
brancliialregion bilden zusammen die Rranchialregion.
DAS RUCKENMARK VON AMPHIOXUS.
103
daü (liti linke Seite des Körpers in Bezug auf die rechte eine sekundäre
Verschiebung erfahren hat.
Myotom.
Ua diese sekundäre Verschiebung der linken gegenüber der rechten Seite
nicht genau der Hälfte eines Myotoms entspricht, erhält man doch fast nie eine
linke Vorderwurzel zugleich mit einer rechten Hinterwurzel in einem Querschnitt,
obschon Andeutungen davon namentlich auch im kaudalen Abschnitt des Rücken-
markes vorkommen können (siehe z. B. Fig. 47).
Die ve)itralen Wurzeln bestehen nicht aus kompakten Bündeln, sondern
aus reihentVirmig iiinter und unter einander angeordneten Fasern, welche
sich bald wieder in zwei Gruppen verteilen, (Äste würde man kaum sagen
können), wovon die
eine sich in dem obe-
ren und die andere
in dem unteren Teile
der Seitenmuskel des
Rumpfes verzwei-
gen 1) (Fig. 44).
Es ist wahrschein-
lich, daß diese Wur-
zeln rein somatomo-
torisch sind. Visze-
rale Elemente enthal-
ten sie sicher nicht.
Die Wurzeln tre-
ten aus rechts und
links alternierenden
Verdickungen her-
vor, in welcher ein reichlich verwobenes Fibrillennetz vorkommt (Retzius).
Dieses Netz steht mit zahlreichen feineu Fasern in Verbindung.
Bis jetzt ist es nicht mit Sicherheit gelungen diese Fasern auf bestimmte
Zellengruppen zurückzuführen, obwohl mittelgroße Zellen an dem untern
und seitlichen Rande des Zentralkanals dafür in Betracht kommen (Wolff,
Johnston, Stendell).
Die Schwierigkeit, die Vorderwurzeln direkt bis zu ihren Zellen zu
verfolgen, beweist wohl, daß ihre Ursprungszellen größtenteils nicht auf
dem Niveau des Wurzeleintrittes liegen -), eine Sachlage, die wir bei den
Fischen wieder finden werden.
Dors. und ;^'^,;
ventr. Astder '- "/sil_"' ' "^
Fig. 44. Austritt einer Vorderwurzel bei Amphioxus.
') Johnston fand, daß sie sich nii'ht immer an ein bestimmtes Myotom halten.
*) In Hinblick auf das Verbalten bei einigen Evertebraten (Krustazeen) und der
Larven von Amphibien (vergl. Fig. 72ß), scheint es mir nicht unmöglich, daß sich die
Vorderwurzeln des Amphioxus von längsverlaufenden Fasern abzweigen, deren Ursprungs-
zelle ziemlich weit von dem Wurzelaustritt liegt und deren longitudinaler Ast sich noch
eine Strecke weit (als Hauptfaser oder Kollateral) durch dis Rückenmark fortsetzt.
104
DAS RUCKENMARK VON AMPHIOXÜS.
WoLFF glaubt gesehen zu haben, wie eine Zelle unterhalb des Zell-
kanals ihren Neuriten in die Vorderwurzel sandte, während ein großer
Dendrit derselben sich anscheinend in die Hinterwurzel begab, so den
einfachst denkbaren Reflex bildend.
Nach VAN Wthe dürften die Vorderwurzehi auch sensible Fasern für die Muskel-
sensibilität führen. Diese sind indessen noch nicht nachgewiesen bei Amphioxus, aber
im Prinzip ist es sehr wohl möglieh, weil solche von Sheiihinoton und Tozer bei
anderen Tieren in der Oculomotoriuswurzel nachgewiesen worden sind. Seitlich vom
Zentralkaual gelegene Zellen, welche nach Wolff einen Ausläufer in die Vorderwur-
zel schicken, während der
Epiderm. Myotora. Med. öpiu. andere ihm entgegenge-
setzte Ausläufer sich in
den Hintersträngen ver-
teilt, können dafür m
Betracht kommen.
In dieser Hinsicht
sind nähere Untersuchun-
gen aber sehr erwünscht.
Auch die Hinter-
luurzeln zeigen rechts
und links ein alternie-
rendes Austreten. Ein
Längsdurchschnitt
l^j (Fig 45) zeigt dieses
charakteristische \'er-
% KM^&WiÜk Alt lVWt\5'?'ll / lialten und den Zu-
immiläm mmJLllMW sannnenhangn.it dem
alternierenden Stand
der Myotome, bezw.
deren Septen.
Die Hinterwurzeln
enthalten außer sensi-
blen Fasern viszero-
motorische Elemente.
An der Körper-
wand angekommen-
teilen sie sich in zwei Aste, einen kleinern dorsalen und einen größern
ventralen Ast. Beide begeben sich in die Haut des Tieres, wo sie ohne
besondere Endkörperchen, mit freien intra-epidermalen Ausläufern enden.
Ein Zweig des ventralen Astes geht außerdem nach inneren Teilen. Er
führt viszero-sensible und viszero-motorische Komponenten und fehlt nur
den kaudalsten Rückenmarksnerven.
Zwei Eigenschaften der Hinterwurzeln von Amphioxus müssen beson-
ders betont werden. Die erste ist, daß sie sich nicht mit den Vorderwur-
a»
''^'»Sll||| '^
F'ig. 45. Horizontalschnitt durch das Rückenmark von Amphi
O.XUS. Zur Demonstration des alternierenden und iuter-
septalen Verlaufes der Hinterwurzeln.
DAS RÜCKENMARK VOX AMl'HIOXUS.
105
zeln verbinden, die zweite, daß sie keine Zell- Aggregate in der Form von
wirklichen Spinal-Ganglien besitzen.
Ersteres ist leicht zu konstatieren. Der zweite Punkt ist ein Objekt
vieler Diskussion gewesen.
Retzius fand indessen in dem liückennuirk selber Zellen, deren peri-
phere Ausläufer in die sensible Wurzel gehen.
Er gewann durchaus den Eindruck, daß dieselben als spinale Ganglien-
zellen betrachtet werden müssen, die, anstatt außerhalb des Rückenmarkes
zu liegen, in demselben geblieben sind.
JoiiNSTON hat dies bestätigt, aber daneben das Vorhandensein solcher Zel-
len in dem N'erlauf der Nervenwurzeln selbst betont, was auch Kutchin tat.
Die spinalen Ganglienzellen in dem Rückenmark selbst liegen rings um
den Wurzelaustritt, nach der Wurzel hin konvergierend (Johnston ; Fig. 46).
Fig. '16. llinterwiirzeln mit intramedullaren Wiirzehellen
bei Ampliioxus, n. Joiin.ston.
Aus der eigentümlichen Lage der intramedullären Plinterwurzelzellen
gewinnt man den Eindruck, als wären die Zellen im Begriffe, in die
Wurzeln hinein zu migrieren ^). Hierfür spricht auch die manchmal vor-
kommende laterale Ausbuchtung der an jenen Zellen vorbeigelienden
Längsfasern (Jühnston).
Dies alles scheint darauf zu deuten, daß ein Teil der Ganglienzellen,
die sich bei den höhern Wirbeltieren als Neuralleiste extra-medullär an-
legen, bei Ampliioxus ihre Anlage noch in dem Rückenmark selber haben
und sich nur teilw'eise nach der Peripherie (dem Reize zu : neurobiotak-
tisch) verlagern.
') Wir werden bei der Besprechung des Rückeninaikes der Teleostier sehen, daß auch
dort nocli sensible Ganglien in dem Rückenmark liegen und ?chon hier möchte ich die
Aufmerksamkeit darauf lenken, daß eiti kleiner Teil der sensiblen Wurzeln des Trigemi-
nus diese Eigentümlichkeit bewahrt bis zum Menschen hin, nämlich die mesenzephalische
V Wurzel, deren bipolare Ganglienzellen bei allen Tieren im Tectum opticum bleiben.
Amphioxus lehrt uns also, daß dies kein Ausnahmefall ist, sondern einfach eine Erin-
nerung an einen primitiven Zustand, der unzweifelhaft durch nourobiotaktische Einflüsse
(Migration der Zelle in der Richtung des Reizes) veiandert ist.
lOß DAS RÜCKENMARK VON AMPHIOXUS.
Die zentralen Ausläufer aszendieren oder deszendieren, oder b(;ides
zugleich durch Dichotomie (Fig. 49). Eine recht große Zahl von Fasern
löst sich aber auf dem Niveau des Eintrittes auf, und wenige kreuzen
über die Mittellinie.
Die Hinterwurzeln führen dickere und dünnere Fasern. Die ersteren
dürften sornato- sensible, die letztgenanten viszero-sensible Elemente sein.
Johnston fand, daß die letzteren das zentralste Bündelchen in dem
Rückenmark darstellen, welches medioventral von den somato-sensorischen
E'aseru verläuft, sodaß hier schon dieselbe Anordnung vorliegen würde,
die wir bei höheren Wirbeltieren wiederfinden.
Außerdem sollen .sich die viszerosensiblen Fasern dadurch von den
somatosensiblen unterscheiden, daß sie sich zentral nicht dichotomisieren,
während die Hautfasern deutlich auf und absteigende Aste abgeben, von
denen die aufsteigenden die größten sind.
Außer diesen sensiblen Elementen führen die Hinterwurzeln auch
motorische Fasern für die Eingeweide {viszero-motorische Fasern), deren Ur-
sprungszellen lateral vom ventralen Teile des Zentralkanales liegen sollen i).
Die viszero-motorischen Fasern bilden mit den viszero-sensiblen den
inneren Ast der Dorsalwurzeln (s. o.).
Diese Aste bilden Flexusse von viszero-motorischen Fasern, z. B. in
dem Gebiete des Atriums (Fusari, van Wijhe, Dogiel, Kutciun). Hierin
kommen auch multipolare Zellen vor, sodaß es sehr wahrscheinlich ist,
daß neben direkten viszero-motorischen Wurzelfasern zu der quergestreiften
viszeralen Muskulatur des Atriums und der M. M. transversi auch das indi-
rekte, sympathische System der prä- und postganglionären Fasern (siehe
S. 19 u. w.) hier bereits vorkommt.
Von den sekundären Neuronen des Rückenmarkes sind in erster Stelle die
„Kolossalzellen" '^) Rohde's zu nennen (Fig. 47, 48, 49).
Diese Zellen liegen meistens in der Mittellinie des Rückenmarkes,
oberhalb der ventralen Erweiterung des Zentralkanales, sodaß ein Teil
ihres Zellkörpers in die linke Hälfte und der andere Teil in die rechte
Hälfte des Rückenmarks hineinragt.
Nach RoHDE sendet die vordere Kolossalzelle (dicht hinter der linken
sechsten sensiblen Wurzel gelegen), ihren Achsenzylinder durch den ven-
tralen Teil des Rückenmarkes nach hinten. Hierauf folgt eine Gruppe von
Zellen, die sicii l)is zur XI Septahvurzel erstrecken und abwechselnd iiire
') Johnston findet, daß diese Zellen, welche eine ununterbrochene Reihe in dem
Rückenmark bilden, den viszero-motorischen Zellen der Fische sehr ähnlich sind. Es ist
mir nicht gelungen, dieselben mit Sicherheit üu identifizieren.
^) Sie unterscheiden sich von den großen mehr frontal gelegenen pignienllo^en Lic-ht-
zellen Joseph's, (oberhalb des Ventriculus posterior, Fig. 42), durch den Mangel eines pali-
sadenähnlichen Marksaumes und treten erst auf, wo die Lichtjellen von Josiii'H nicht mehr
vorkommen, während sie außerdem innerhalb das Zentralnervensystems liegen, nicht dar-
auf, wie jene. Die photorezeptorische Funktion der Zellen von Joseph ist bis nicht bewiesen.
DAS RUCKENMARK VON AMPHIOXUS.
107
Aclisenzylinder auf der linken und rechten Hälfte des dorsalen Teiles des
Rückenmarkes ebenfalls nach hinten schicken.
Zwischen der XI und XXXIX Wurzel sollen keine Kolossalzellen vor-
kommen; aber eine kaudale Gruppe von etwa vierzehn Zellen tritt wieder
Dorao-lat. str.
V. Hinterwurz. fasern.
Hinturw.
Riesenzelle.
Fig. 47. Lage einer Riesenzelle auf den Niveau des
llinterwiirzeleintrittes bei Ampliioxus.
M. W.
s. w.
M. W.
S. W.
S. W.
M. W.
S. W.
M. W.
Fig. 48. Schema der Bogenfasern. Lage ilirer Ursprungszellen aut
dem Niveau der sens. Wurzeln und Verlauf ihrer Axonen
in stimu'.o-konkui renter Richtung, n. Retzius.
auf zwischen der XXXIX und LXI sensiblen Wurzel, welche nun jedoch
ihre Achsenzylinder (abwechselnd rechts und links) in die ventralen Sei-
tenteile des Rückenmarkes frontalwärts schicken.
Daß diese sensiblen Reflexzellen in der Mitte des Markes fehlen, hängt
wohl zusammen mit der Tatsache, daß die Haut in der Mitte des KTirpers
nur eine geringe Empfindlichkeit aufweist (vergl. S. 111, unten).
Ihre Lage resp. Entwicklung, fast immer auf dem (^uerniveau des
Eintrittes einer sensiblen Wurzel, (Vergleiche Fig. 47, 4<S und 49.) scheint
durch die Reize jener Wui'zeln bedingt zu sein.
108
DAS KUCKENMARK VON AMPHIOXUS.
Der Verlauf des dicken Neuriten dieser Zellen ist sehr auffallend.
Der dicke Achsenzylinder, wie alle Fasern in dem Rückenmark von
Amphioxus, marklos, geht erst nach derjenigen Seite des Rückenmarkes,
welche dem Reizeintritt abgekehrt ist, während die Basis der Zelle den
eintretenden Wurzelfasern zugewandt ist.
Dieser Achsenzylinderverlauf, welcher dem eintretenden Reizstrom
entspricht (stimulokonkurrent), ist in völliger Übereinstimmung mit den
Daten der stimulogenen Entstehung des Achsenzylinders (stimulogene Akti-
vierung Bok's: siehe Kaj^. I, S. 63 und 64).
An der Peripherie des Rückenmarkes angekommen, biegt der Axon
unter dem Zentralkanal durch nach der andern Seite und läuft dann weiter in
longitudinaler Rich-
tung (Fig. 48 und 49).
In seinem ersten
Verlauf uaeli vorn-unten
gehen einige Kollateralen
ab, die sich diehotomiseh
verzweigen können ; der
dickste Ast davon geht
auch nach vorn (Fig. 49).
Man hat diese Zel-
len verschieden inter-
pretiert.
Wir müssen sie
meinesErachtens iden-
tifizieren mit den Kom-
missurzellen (His'-
schen Bogenfasern) der
höhern Wirbeltiere
(vergl. auch Biel-
scHOWSKY und Woi-ff).
Fig. 49 n. Retzius.
Eintritt einer sensiblen Wurzel und Ausstrahlung ihrer Heize
auf einer Kolossalzelle. Anfangsverlauf des Achsenzylioders
der letzteren mit der Richtung des Reizstronies (stimulo-
konkurrent).
Wie wir unten se-
hen werden, kommen
auch dort bereits, in
einem sehr frühen .Sta-
dium, sekundäre Neuronen vor, deren Körper meistens im dorsalen Abschnitt
des Eüekeumarkes liegen uud deren Axonen in der Commissura anterior, also
unterhalb des Zentralkanales kreuzen. Sie gehören dort nicht nur zu den zuerst
sich anlegenden Zellen des Markes, sondern stimmen auch insofern mit den Kolos-
salzellen Kohde's überein, daß die frontalen Zellen dieser Art ihre Achsenzylinder
nach hinten und die kaudalen Zellen ihre ,\chsen/,y linder nach vorn senden (bei
den Vögeln; Bok).
Dali die Achsenzylinder der vorderen Gruppe nach hinten laufen, ist
im Einklänge mit der phj'siologischen Tatsache, daß die meisten Reflexe
DAS RÜCKENMARK VON AMPHIOXUS. 109
iiucli bei Amphioxus aboral verlaufen. Die zablreichen frontal verlaufenden
Achsenzylinder sind dadurch zu erklären, daß, was die Hautempfindlichkeit
betriift, auf den Kopf der Schwanz i) folgt und viele Schwanzempfindungen
oral elaboriert werden.
Neben diesen gekreuzten Reflexbahnen gibt es bipolare Zellen, welche
nach vorn und hinten einen Ausläufer aussenden und als kurze homola-
terale Schaltneuronen (Strangzellen) zu deuten sind.
Zwischen den Ependymzellen des Zentralkanals sind außerdem von
Edinger und Stendell Sinnesnervenzellen beschrieben, deren Neuriten
bisweilen konvergieren und sich verschmelzen sollen und eine überraschende
Übereinstimmung mit ähnlichen von Tret.takoff bei Zyklostomen beschrie-
benen Elementen aufweisen. Nähere Angaben über diese interressanten
Wahrnehmungen sind indessen noch zu erwarten.
Schließlich muß ich noch eine Zellart in diesem Rückenmark er-
wähnen, die sicher als Sinneszelle zu betrachten ist.
In dem Rückenmark kommt (bei Branchiostoma carribaeum von dem
dritten Segment an) neben und unter dem Zentralkanal eine Anzahl seg-
mental grujipierter Pigntentaugen vor: in den vorderen Segmenten (vom
vierten an) etwa 25, in der Mitte des Körpers viel weniger, in den Schwanz-
segmenten wieder etwas mehr -) (vergl. hierzu Fig. 52).
^'on Hesse wurde nachgewiesen, daß diese Pigmentaugen Komplexe
zweiner Zellen sind, einer kappenförmigen Pigmentzelle, in deren Konkavität
eine große unpigmentierte Zelle liegt, die Sehzelle (vergl. Fig. 51).
Diese zweizeiligen Augen liegen so, daß diejenigen, welche unter dem
Zentralkanal und rechts davon liegen, die Konkavität ihrer Pigmentkappe
annäherend nach unten getift'net haben, also ventralwärts sehen, während
diejenigen, welche links davon liegen, annähernil nacii oben sehen
(Fig. 50).
Die meisten dieser Zellen sehen also ventralwärts, eine geringere Zahl
• dorsalwärts. Da das Tier jedoch meistens auf der Seite liegt „sehen" die
Augen praktisch seitwärts (horizontal) und zwar die meisten nach der Seite,
wo auch der Fimbrialapparat (des Mundes) liegt, während eine geringere
Anzahl in der entgegengesetzten Richtung sieht. Der Stand der Augen
entspricht jedenfalls der am meisten gebrauchten Seite des Tieres.
') Daß die dort einwirkenden Reize frontal wärts ii bertragen werden, steht auch mit
der von Parker gefundenen Tatsache im Einklänge, daß die motorische Reaktion von
Reizen irgend welcher Art in einer abgeschnittenen hintern Hälfte von Amphioxus stets
viel geringer ist als in einer abgeschnittenen vordei'n Hälfte oder eines ganzen Tieres,
von welchem allein die hintere Hälfte stimuliert wird. Hiei'aus zeigt sich, daß das stärkste
effektive Zentrum frontal liegt und daß die kaudalen Reize liieihin aufsteigen.
Diese physiologischen Befunde stimmen auch sehr gut mit der Tatsache übei'ein,
daß die somatosensiblen Wurzeln alle eine Dichotomie aufweisen, deren frontalste Aus-
läufei- der stärkste ist.
2) Nach BoEKE ist diese Diil'erenz bei pelagischen Larven noch größer.
110
DAS RUCKENMARK VON AMPHIOXUS.
Der nach der Pigmentzelle gekehrte Saum der Lichtzelle weist einen
Haut des Rückens
A. B.
Fig. 50. Sagittallschnitt durch das Rückenmark von
Amphioxus, A links vom Zentralkaral. B unter
dem Zentralkanal und rechts davon. Man beachte
die verschiedene „Blickrichtung" der Lichtzellen.
Streifen mit Sinnesstiftchen
auf, wodurch man an die
Sehzellen mit gestreiftem
Saum erinnert wird, wie
er auch bei den Augenzellen
der Würmer vorkommen
kann.
BoEKE fand (Fig. 51) in
demjenigen Teile der Seh-
zelle, der in dem Pigment-
becher liegt, eine linsenför-
mige Anordnung von mehr
hyalinem Protoplasma (o)
und zwischen dieser Linse
und dem Kern fand er so-
gar eine zweite Ansamm-
lung (6) linsenförmig an-
zentraikau. geordneten Protoplasma's,
wovon er vermutet, daß
es ebenfalls mit der Ge-
sichtsfunktion in Verbin-
dung steht.
Die Fibrillen dieser Zel-
len, die gleichfalls von
BoEKE nachgewiesen wur-
den, zeigen eine charakteristische Anordnung (siehe Fig. 51).
Es ist schade, daß es keinem
der Untersucher gelungen ist, den
Achsenzylinder (Nervenfortsatz), der
die Gesichtszelle an der der Pig-
mentzelle gegenüberliegenden Seite
(c) verläßt, weit genug zu verfolgen,
um dessen Verbindung kennen zu
lernen.
Man könnte daran zweifeln,
berechtigt zu sein, aus dem Bau
der Zellen auf die optische Funk-
tion derselben zu schließen.
Es ist diesbezüglich zu bemer-
ken, daß die optische Funktion
dieser Zellen auch experimentell bewiesen wurde
Fig. 51. Lichtzelle und deren Fibrillen
bei Amphioxus n. Boeke.
c, Abgangsstelle des Nervenfortsatzes.
Parker zeigte, daß die früher oft angenommene Lichtsensibilität des
DAS RUCKENMARK VON AMPHIOXXJS.
vordem Pigmentfleckes (der Hirnblase) nicht besteht.
Dann hat er (wie bereits Krausk) gezeigt, daß das
Rückenmark von der Stelle an, wo die Lichtzellen vor-
kommen, lichtempfindlich ist und daß diese Licht-
empfindlichkeit mit der Verteilung der genannten
Zellkomplexe, in dem Rückenmark übereinstimmt,
indem derjenige Teil des Rückenmarkes am wenig-
sten empfindlich ist für Licht, welcher die geringste
Zahl dieser Zeil-komplexe enthält. So findet man als
Schwellenwert der Lichtwirkung in der Mitte 25,
gegen vorne 1 und hinten 1,5.
Da die Haut i) überall gleich gebaut ist, kann
die Differenz in der Lichtempfindlichkeit, und damit
die Lichtempfindlichkeit selber, nur erklärt werden
durch die oben erwähnten Zeil-Komplexe.
Es ist klar, daß wir es bei den optischen Funk-
tionen dieses Tieres nur mit sehr pi-imitiven,
wesentlich vitalen optischen, Funktionen zu tun
haben. Die Organe nehmen keine Gegenstände
walir, aber dienen nur dazu, den Stand des Körpers
in Bezug auf das Licht zu regulieren {Photostatik).
Oljschon es nicht in den Grenzen dieses Buches
liegt, die Physiologie der Sinnesorgane zu behan-
deln, will ich doch noch einiges mitteilen über die
übrigen Befunde Parkers, was Temperatursinn,
Tastsinn und chemischen Sinn anbelangt, weil dar-
aus hervorgeht, welche Sinnesempfindungen im
Ivückenmark die primitivsten sind.
Amphioxus reagiert auf grobe Temperatursver-
änderüvgen. Die Kälte hat nur einen stimulierenden,
die Wärme einen stimulierenden tind richtenden
Einfluß.
Ein grober Berührungssinn ist ebenfalls ent-
wickelt und hierfür gilt, wie bei den meisten
Fischen, daß das Vorderende des Tieres 2) am meisten
empfindlich ist (namentlich die Girri), dann der
Schwanz und das Mittelstück am wenigsten (S. 107).
111
Kopf.
') Die Haut dieses Tieres soll außerdem nicht empfind-
lich sein für, Licht. Bloß Siißwassertiere sollen dermalo pho-
toreceptoriscli sein nach Parker.
2) Wahrscheinlich wird von haart ragen den taUtilen Zellen
auch eine Vibiation empfunden, die sonst (bei höheren Tieren)
vom Lateralorgan perzii)iert wird.
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Schwanz.
112 DAS KÜCKENMARK DER ZYKLOSTOMEN.
Das Tier weist außerdem eine Empfindlichkeit für Säuren, Alkalien
und bittere Stoffe (nicht für süße) auf.
Dieser chemische Sinn ist am meisten auf den Cirri und Tentakeln
entwickelt, die sogar mit einer Art von Sinneszellen versehen sein sollen
(DoGiEL, KuTf'Hrx), was ich indessen bezweifle. Nach dem Kopf ist der
Schwanz am empfindlichsten, und am geringsten empfindlich für chemische
Reize ist der mittlere Teil des Körpers.
Wir werden später sehen, daß dies dem \'erhalten entspricht, wie man
es im allgmeinen bei Fischen findet.
Meistens ist die Reaktion eine negative. Die peripheren Endigungen
sind alo überwiegend nozirezeptiver Natur. Es handelt sich hierbei aus-
schließlich um freie Nervenendigungen, welche neben den bereits genannten
Reizen zweifellos auch für Schmerz empfindlich sind. Indessen dürften die
freien Endigungen doch auch gmto-rezeptiver Natur sein (siehe S. 35) ;
jedenfalls sind ihre Empfindungen wohl stets von einem Affekt begleitet
(protopathisch: Head).
Eigentümlich ist, daß man in den somatischen Muskeln dieses Tieres
noch keine sensiblen Fasern, oder jedenfalls keine Hinterwurzelfasern hin-
ein verfolgt hat und wir somit annelnnen müssen, solange keine anderen
Angaben vorliegen, daß die Muskelempfindungen geleitet werden von den
Vorderwurzeln (ob dies geschieht in der Weise wie es bei Säugern von
Sherrington und Tozer nachgewiesen ist für die Augenmuskelnerven
der Säuger, oder in andei'er Weise, ist unsicher).
Die Hüllsubstanz dieses Eückenmarkes wird, wie es scheint, nur von Epen-
dymzellen, die mit radiären Ausläufern versehen sind, dargestellt (Nansen, Eohde,
Lenhossek, Köllikee). Autonome Gliazellen kommen hier nicht vor.
Also ein sehr primitiver Zustand, wie man ihn bei Embryonen höherer
Tiere nur noch in den ersten Stadien der Entwicklung findet. Die Ependymfasern
scheinen auf ihrem Wege Nervenfasern zu umspinnen (Eeik Müller), ohne in-
dessen zu der Bildung eines autonomen (vom Zentralkanal getrennten) Glia-
gewebes zu führen 1).
Eine Differenzierung von Rückenmarkshüllen kommt nicht vor, wohl ein loses
Gewebe, welches vielleicht als Menins primitiva zu deuten wäre (Steezi), aber auch
die Anlage des späteren endorrhachitischen Gewebes (siehe S. 121) in sich hält.
Intramedulläre Bindesgewebssepten und intramedulläre Blutgefäße fehlen.
Das Rückenmark der Zyklostcmen,
obschon noch ganz marklos, wie dasjenige von Amphioxus, zeigt uns doch
bereits viel liöher organisierte Verhältnisse.
Zwischen den beiden Unterklassen der Zyklostomen, den Petroviyznnteii
und den Myxinoiden, besteht ein erheblicher Unterschied, namentlich in
') Einige, vom letztgenannten Autor in seiner Arbeit über dieses Thema, in den Ner-
venaustrittshügeln nathgewiesnen Zellen sollen in Bezug darauf eine Annahme machen.
DAS KUOKEXMAKK DER ZYKLOSTOIvIEN.
113
dem Bau des Hirnanteils des zentralen Nervensystems, aber ihr Rücken-
mark ist in den meisten Hinsichten älinlich.
Die Myxinoiden sind in manchen Hinsichten eine regressive Form, bei welcher
der Optikus, die Aiigenmuskelnerven und von den Kiemenbogennerven wahrscheinlich
auch der N. glossopharyngeus (Johnston, Röthig, Black) fehlen.
Wir müssen in dem Fehlen dieser Elemente eine sekundäre Atrophie, eine
Begression, sehen.
In einigen Hinsichten zeigen sie aber primitk-ere Verhältniße, so in dem
Besitz einer viel größern Zahl von Kiemenbogen, während sie andererseits, und
zwar gerade im Bückenmark in der Verbindung von Vorder- und Hinterwurzeln,
sowie in dem Besitz von iutra-medullären Blutgefäßen (Sterzt), einen iceiteren
ForUchriU in der Entwicklung aufweisen.
Nur bei den Embryonen dieser Klasse hat das Rückenmark noch eine
prismatische Form, später liegt es wie ein dünnes Band auf der Chorda.
Diese sekundäre Abflachung ist nach Tret.iakoff eine Anpassung an
den Mangel an intramedullären Blutgefäßen, weil dadurch die innere
Ernährung aus dem oberflächlichen Gefäßnetz erleichtert wird. Daß nur
die Abwesenheit von intramedullären Blutgefäßen die Abflachung verur-
sacht, ist aber unwahrsclieinlich, weil auch das Rückenmark von Myxine,
worin wohl intraraedulläre Gefäße vorkommen, abgeflächt ist.
Nach Allen soll der Druck der Chorda die Abflachung herl)eiführen.
Beide Meinungen bedürfen wohl noch einer weitem Prüfung: mögli-
cherweise spielen beide Fak-
toren und noch andere eine
Rolle, denn der Wirbelka-
nal ist so weit, daß eine Ab-
flachung durch Druck nur
dann verständlich wäre,
wenn man annehme, daß
dem Rückenmarke nicht
nach dorsalwärts Raum ge-
macht werden könne, und
weshalb. Ob die, nament-
lich dorsal, so starke Ent-
wicklung des perimenin-
gealen Gewebes dabei eine
Rolle spielt?
Der Zentralkanal des
Rückenmarkes ist beklei-
det von Ependym, dessen
ventrale Elemente .sich durch ihre Größe auszeichnen.
Ähnlich wie bei Amphioxus wird er bei den Zyklostomen in der hin-
tersten Schwanzregion (Fig. 53) oft etwas weiter.
Das Rückenmark besteht dori nur aus einem Ependymsack (Retzius),
indem die nervöse Substanz bereits bei der Verjüngung, welche der saek-
Kappers. 8
Fig. 53. Hinteres, am pullär erweitertes Rückenmarksende
von Petromyzon, n. Retzius.
114
DAS RllCKENlMARK DER ZYKLOSTOMEN.
förmigen Erweiterung des Zentralkanals vorangeht, fast gänzlich verloren
gegangen ist.
Da bei den Zyklostomen das Alternieren der Myotome der linken Seite
mit derjenigen der rechten (wie wir sie bei Amphioxus fanden) nicht be-
steht, findet bei diesen Tieren auch kein regelmäßiges Alternieren der
Wurzelaustritte der linken und der rechten Seite statt, wenn auch nament-
lich in den motorischen Wurzeln noch nicht die ausgeprägte Symmetrie
besteht wie bei den höhern Wirbeltieren.
SclialtzcUe.
- Hint.W.
Querschn. MüUer'sche Motor. zelle.
raseni .
Eig. 54. Querschnitt durch das Rückenmark von Ammocoetes n. Tret.iakofk.
In Fig. 54 sieht man aber, wie die linke und die rechte Hinterwurzel
auf demselben Querniveau eintreten.
Während wir in dieser Hin-
sicht eine Annäherung an das Ver-
halten bei höhern Tieren sehen,
besteht in andern Hinsichten noch
eine Übereinstimmung mit dem
Lauzettfischchen.
In erster Linie treten die sen-
siblen Wurzeln nicht auf demselben
Quer-Niveau aus wie die motori-
schen, sondern frontal davon i).
Letztere erscheinen daher im-
mer auf einem Niveau zwischen
denjenigen zweier sensiblen Wur-
zeln (Fig. 55).
Dieses Alternieren der sensi-
blen und motorischen Wurzeln,
V.W,
Ganglion
H.W.
V.W, -
Fig. 55. Alternierendes Austreten der
Vorder- (V. W.) und Hinterwurzoln
(H.W.) bei Petromyzon, n, .Ioiinstun,
') Dieser Punkt verdient wohl eine nähere Untersuchung, denn bei Tieren, wie Petro-
myzon, wo die Vorder- und Hinterwurzeln sich nicht vereinen, ist es fraglich, welche
Wurzeln (vorne und hinten) zusammen gehören.
DAS RÜCKENMARK DER ZYKLOSTOMEN. 115
welches mit der intraniyotonialen Endigung der motorischen und dem inter-
myotomalen Verlauf der sensiblen Wurzeln zusammenhängt, wird kaudal
weniger regelmäßig.
Noch in einer zweiten Hinsicht zeigt sich ein primitives Verhalten
bei den Zyklostomen, indem die dorsale und die ventrale Wurzel sich bei
Petromyzon nicht zu einem Stamme vereinen, was mit der erwähnten
Alternanz der Wurzeln im Zusammenhang stehen dürfte (Fig. 55).
Nur bei den Myxinoiden findet eine Verbindung der dorsalen und
ventralen Wurzel zu einem gemischten Spinalnerven statt.
Die beiden vordersten Paare der Rückenmarksvorderwurzeln, welche
den frontalsten Abschnitt der ventralen Rumpfmuskulatur von Petromyzon
innervieren, dürfen nicht mit den vordersten sog. spino-okzipitalen Nerven
(Fürbringer) der höhern Fische homologisiert werden, weil sie (präbran-
chiale) Myomeren innervieren, welche dort verloren gehen (Büntschli).
Erst darauf folgen in Petromyzon die Spino-okzipüalnerven, d. i. solche
Spinalnerven, welche bei höher entwickelten Wirbeltieren i) in den Schädel
aufgenommen werden und später in den Hypogiossus aufgehen (vergl.
Kap. V). Erst dann folgen die bleibenden Spinalnerven.
Alle diese Nerven treten jedoch bei Petromyzon noch außerhalb seines
(Paläo-) Kraniums aus vind sind nach demselben Prinzip gebaut.
Die Ursprungszellen der ventralen Rückenmarkswurzeln liegen fast nie auf
dem Niveau ihres Wurzelaustrittes. Fast stets legt der motorische Achsen-
zylinder, unter Abgabe von intramedullären Kollateralen, eine erhebliche
Strecke in kaudaler, seltener in kranialer Richtung ab, bevor er austritt.
Dieses Verhalten kann seine Ursache finden in der Tatsache, daß die moto-
rischen Wurzelfasern in ihrem primitivsten Zustande als Kollateralen von
längsverlaufenden intramedullären Fasern entstehen (vergl. Fig. 72 B),
deren Ursprungszellen meistens auf frontaleren Niveaus liegen. Es kann
aber auch damit zusammenhängen, daß die sensiblen Wurzeln, deren Reiz
die Lage der motorischen Zellen mitbestimmt, nicht auf demselben Niveau
eintreten 2) als die motorischen.
Die Ursprungszellen (welche bei Amphioxus zentral liegen) weisen beiden
Zyklostomen bereits eine seitliche Auswanderung auf. Man findet bei diesen
Tieren sogar deutliche, flügelähnliche Hörner grauer Substanz. Von Hinter-
hörnern und Vorderhörnern kann man dabei nicht reden ; jederseits ist nur
ein Hörn (Fig. 54 und 58). Die motorischen Zellen liegen im seitlichen
Abschnitt dieser Flügel und weisen eine multipolare Gestalt auf (Fig. 54).
Ihre Dendriten haben die Eigentümlichkeit, sich in einer senkrecht
auf dem Längsschnitt des Rückenmarkes stehenden Fläche zu verästeln
(siehe Fig. 56 und 57).
Ein Teil davon setzt sich mit Endfüßchen auf die longitudinalen
') Teilweise bereits bei Plagiostomen: Okzipitalnerven Fürbringer's (Siehe S. 123).
*) Die korrespondierende sensible Wurzel soll meistens frontaler eintreten.
116 DAS RÜCKENMARK DER ZYKLOSTOMEN.
Nervenfasern des Markes ; die meisten legen sicli aber der Peripherie des
Rückenmarkes an (Fig. 57).
Wir müssen diesen auffallenden Querstand der Dendriten in einer
Ebene — (wie er auch von der PuRKiNJE'schen Zellen in der Molekular-
schicht des Kleinhirns vorkommt; Fig. 7) — der seitlichen ßeizirradiation
der zahlreichen marklosen Achsenzjiinder dieses Rückenmarks 7Aisehreiben i).
Fig. 56. Fig. 57.
Flächenartige Ausbreitung der Dendriten der großen Rückenmarks-
zellea von Ammocoetes n. Tretj.\koff.
Fig. 56. Längsschnitt durch das Rückenmark.
Fig. 57. Querschnitt durch das Rückenmark (man beachte das mar-
ginale Dendritennetz und die Umspinnung der MüLLERschen
Fasern (rechts) durch Dendriten).
Es ist möglich, daß die Vorderwurzeln neben den üblichen somato-
motorischen Fasern (der quergestreiften Muskulatur) hier auch bereits viszero-
motorische (präganglionäre sympathische) Fasern führen, obschon die Mehr-
heit letzterer hier, wie bei Amphioxus, noch in den Hinterwurzeln verläuft.
Diese enden als präganglionäre Fasern in kleinen multipolaren Zellen, welche
den Arterien aufliegen und als sympathische Ganglien zu deuten sind. Eine Ver-
bindung dieser Granglien mittels eines Grenzstranges kommt noch nicht bei diesen
Tieren vor. Die Lage der präganglionären Ursprungszellen im Rückenmark ist
nicht genügend ermittelt.
') Tretjakoff meint, sowohl diesen Querstand als die Anschraiegung der Endfüßchen
an die Peripherie des Markes aus besseren Ernährungsverhälmissen an der Oberfläche
erklären zu können, da das Rückenraaik von Petromyzon keine Blutgefäße enthält. Dies
erklärt aber nicht den Quei stand derselben und konnte höchstens zu ihrer peripheren
(marginalen) Verästelung beitragen.
Meine Auffassung wird übrigens dadurch bestätigt, daß die Purkinjezellen sich auch
in einer Ebene verästeln, die senkrecht zu den longitudinalen Parallelfasern der Molekular-
schicht steht. Daß in letzterm Falle keine pialen Ernährungseinflüsse mitspielen, ist des-
halb sicher, weil die Molekularschicbt des Kleinhirns, im Gegensatz zu dem Rückenmark
von Petromyzon, viele Blutgefäße enthält. Auch das Rückenmark von Myxine, welchei-
wohl Blutgeföße enthält, weist diesen Querstand auf.
DAS KUCKKNJIARK DER ZYKLOSTO.MKN.
117
Die Hinterwurzeifi und deren zugehörige Zellen sind ein Objekt vieler
Kontroversen gewesen.
Ihre sensiblen Fasern, deren periphere Verästelungen nur freie Endigun-
gen (iceine Tasticörper) aufweisen, entstehen überwiegend aus e:cfo'a-medullären
Zellen, die im Gegensatz zu Amphioxus zu wirklichen Knötchen voreint sind
und spindelförmige Verdickungen der Hinterwurzeln verursachen (Fig. 55).
Diese Zellen sind meistens bipolar. Es kommen zwischen ihnen aber
bereits Formen vor, bei denen der periphere und der zentrale Auslaufer
sich nähern, und schließlich solche, wo dieselben sich zu einem kurzen
gemeinschaftlichen unipolaren Stamm vereint haben (ähnlich wie in Fig. 10).
Ob Petromyzon außerdem auch noch intramedulläre sensible Ganglien-
zellen besitzt, ist zwar nicht endgültig entschieden, aber sehr wahrscheinlich.
Sen-
sible Dorsalzellen. Dorsalstr.
^^^:.^f0^ßtfPr' -■ -^ Seitenstr.
* •-, ^ ■' . - ,'fcV- . ' ' '' - ., = /-A Graue Subst
/'W-^^^m/^^^:' ■■:. --^rj
,' ' ' '"■"'" J
"'-'-**>-A»-.
■«^''^'«Kijiofeiiääei*^'
O^
MüLLER'sche Fasern.
Fig. 58. Querschnitt durch das Rücltenmarli v. Petromyzon.
Man findet in der hinteren grauen Substanz große Zellen, welche (Fig.
58) als Dorsalzellen (Fig. 59: S. D. Z.) beschrieben sind. Die Frage, ob diese
Zellen einen Ausläufer in die Hinterwurzel senden, ist verschieden beant-
worden. Während Tretjakoff diesen Verband verneint, kam Beccari, der
diese Sache zuletzt wieder eingehend untersuchte ebenso wie Kolmer,
zu der Überzeugung, daß sie als sensible Ganglienzellen zu betrachten sind,
welche (ebenso wie das mit einem Teile der Ganglienzellen bei Amphioxus
der Fall ist) eine intramedulläre Lage behalten haben
Er ist auch meine Ansicht, daß wir hier mit intramedullären sensi-
blen Ganglienzellen zu tun haben, auch auf Grund der völligen zytologi-
schen Übereinstimmung dieser Zellen mit den intra- und supramedullären
Wurzelzellen bei höhern Fischen (vergl. Fig. 59 mit Fig. 70).
In dem Rückenmarke des ausgewachsenen Petromyzons sind sie in
zwei symmetrische Reihen angeordnet (Fig. 58 und 59).
118 DAS RÜCKENMARK DER ZYKLOSTOMEN.
Immerhin bilden diese intramedullären Spinalganglienzellen i), deren
Ausläufer das dorsomediale Bündel des Rückenmarkes darstellen, nur einen
geringen Teil der Hinterwurzelfasern (etwa ein Fünftel).
Die andern Hinterwurzelfasern gehören (mit Ausnahme der dünnen
viszero-motorischen Fasern) den extramedullären Spinalganglien an, und
treten in die dorsalen und dorsolateralen Stränge des Rückenmarks ein.
Die dicksten Fasern teilen sich dichotomisch (Nansen). Die weniger dicken
knicken ohne eine solche Verteilung in longitudinaler Richtung um.
S.D.Z. S. D.Z. S. D. Z.
Dors. Str.
Graue Subst.
Müllersche Fas. . ....""'"'-«-^Xii-"-- ..■.-,--.. '>5«*»fei&>^^
. _ «"is^," ..'-"-IS
Vorderstr. •■ v*;;^. ''
Müllersche Fas.
Müllersche Fas.
Fig. 59. Paramedianer Sagittalschnitt durch das Zervikalmark
von Petromyzon.
Die dichotomischen Fasern grenzen an das dorso-mediale Bündel aus
den intramedullären Ganglienzellen und (Tretjakoff) senden Kollateralen
zur Peripherie des Markes, wo diese ein Kontakt mit den Dendriten der
motorischen und Schaltzellen darstellen.
Die übrigen sensiblen Fasern liegen in den dorsolateralen Strängen
und haben weniger Kollateralen. Diese verbinden sich aber auch an der
Peripherie des Rückenmarks mit den Querdendriten der motorischen und
koordinatorischen Zellen. In dem peripheren (sog. marginalen) Geflechte
findet also ein Übergang der sensiblen Reize auf die Dendriten der Schalt-
zellen und der motorischen Zellen statt. Der direkte Übergang von sensiblen
Reizen auf dem motorische Zellkörper ist eine Ausnahme.
') Es bedarf wohl keiner Betonung, daß diese sensiblen intramedullären Zellen wohl
zu unterscheiden sind von den viszeromotorischen und den sog. v. LENHOSSEKschen Zellen,
welche bei Reptilien. Vögeln und Säugern im Zervikalmark beschrieben sind und eben-
falls ihre .^chsenzj'linder durch die Hinterwurzeln nach außen schicken, aber als motori-
sche Wurzeltäsern zu deuten sind. Die v. LBNHOSSEK'schen Zellen liegen, wo sie voikommen,
in den Vorderhörnern, haben eine exquisit raultipolare Gestalt und viele Dendriten.
DAS RÜCKENMARK DKK, ZYICLOSTOMEN. ll'J
Auiiei-<leni liegen auch hier meistens geicreuzt und ungekreuzt verlaufende
.sog. endogene Neuronen zwischen den eintretenden und austretenden Reizen.
Yon diesen endogenen Fasern ist in erster Stelle eine Bahn zu erwähnen,
welche wii- bereits bei Aniphioxus vorfanden, und welche wir hier und bei höhern
Wirbeltieren als einen der erstentstehenden Bestandteile des Rückenmarkes wie-
derfinden werden : das System der ventralen Bogenfasern, deren Ursprungszellen
wir als die Homologa der Kolossalzellen von Amphioxus betrachten müssen.
Die Neuriten dieser Zellen kreuzen die ventrale Raphe und bilden
dann T-förmige frontale und kaudale Teilungen. Diese Teilungen ver-
laufen in den Vorderseitenstrang und enden nach kürzerm oder längerm
Verlaufe, mit Kollateralen in dem perij>heren Dendritennetz, teilweise um mo-
torische oder Schal t-Zellen, in den seitlichen Al)schnitten der grauen Substanz.
Eigentümlich ist es, daß — wiihreiiil wir bei liöberii Wirbeltieren die
Zellkörper dieser Neuronen die ursprüngliche in dem dorsalen Abschnitt des Eücken-
markes, wo man sie bei Amphioxus antraf, noch wohl einmal wieder aufweisen, —
diese Kommissurzellen bei Ammoeoetes meistens eine ziemlich ventrale Lage
haben (Tbetjakoff).
Letzteres ist meines Erachtens wohl teilweise der Abdachung des Küeken-
markes zuzuschreiben, wodurch alle Zellen mehr in die Seitenteile gedrängt werden.
Eine Anzahl dieser Zellen dehnt aber ihr Dendritennetz noch hinter dem
Zentralkanal entlang, in die andere Hälfte des Markes aus (Commissura protoplas-
matica posterior) und kann aach kontrolaterale Keize aufnehmen.
Wie weit die Fasern dieser gekreuzten sekundär sensiblen Bahn sich
frontalwärts ausdehnen können, ist unbekannt. Größtenteils lösen sie sich
wahrscheinlich im Rückenmark selber auf.
Es ist aber nicht ausgeschlossen, daß neben diesen auch schon solche
auftreten, welche sich bis in die Oblongata ausdehnen und sensible Re-
llexe auf die retikulären Zentren dei'selben übertragen können.
Wir finden in diesem Bogenfasersystem die primitivste sekundär sen-
sible Leitung des Rückenmarkes, welche die ersten sog. vitalen Gefühlseindrücke
der freien Hautverästelungen, die grobe Berührung, den Schmerz, starcke
7'em/)e'rato,?'-em]ifindungen und den chemischen Sinn leitet i).
Es ist m. 1. nicht ausgeschlossen, weil die sensiblen Fasern sich auch
in den Muskeln verästeln, daß diese primitive Balni auch irgend welche
Muskelempfindungen führt, (vergl. hier zu auch S. 112 und Fig. 72 B.).
Außer diesen gekreuzten Fasern kommen in dem Rückenmark von
i^etromyzon ungekreuzte Slrangfasen-n vor, welche sich vermutlich mehr in
die dorsalen und dorsolateralen Stränge begeben und als intersegmentale
Schaltneuronen zu betrachten sind.
') Weshalb (bereits bei Ani|)hioxus)1 die primitive vitale Keflexbahn gerade gekreuzt
verlauft (was mit Her überwiegenrl negativen Reflex-auslösung zusammen hängen düifte)
dafür verweise ich nach meiner Abhandlung „Ueber die Bildung von Bogenfasern als
priuiiire Reflexl);iliu der vitalen (protopathischen) Kiuplindungen" in „Bijdragen tot de
Dieikunde", Amsterdam 1919.
120 DAS RÜCKRNMAKK DER ZYKLOSTOMEN.
Beide gehören wesentlich zu dem „Eigenapparat" des Rückenmarkes.
Daneben enthält das Rückenmark von Petrom^vzon aber auch Elemente,
welche ilim kraniale Reflexe übermitteln: das System der MüLLER'schen
Fasern, welciie durch ilire Größe auflallen (Fig. 54, 58, 59) und deren
Ursprung in dem Mittulhirn und in der Oblongata liegt (vergl. Fig. 298).
Diese Fasern, deren Zahl jederseits 8 oder 6 beträgt, lassen sich bis
in die kaudalste Region verfolgen, wo sie dem einzigen Lokomotionsorgan
des Tieres (Petromyzon hat keine Flossen), dem Schwänze, überwiegend
gleichseitige Reize aus höheren Zentren zuführen.
Dabei ist es eigentümlich daß diese Fasern keine Kollateralen auf-
weisen, sondern in einem fort zu der Schwanzregiou laufen. Unterwegs
geben sie wahrscheinlich aber doch seitliche Impulse ab ; denn die
Dendriten der motorischen Wurzelzellen (und Schaltzellen) umspinnen die
MüLLER'schen Fasern in einer solchen Weise, daß man einen Übergang
des Reflexes auf diese Zellen nicht in Zweifel ziehen kann (Fig. 57).
Dieser Apparat ist ein Neugewinn der Zyklostomen, denn die Axonen der
vordem Kolossalzellen von Amphioxus (die gekreuzt kaudal verlaufen), sind
damit nicht zu homologisieren, auch darum nicht, weil der Abschnitt des
Zentral-Nervensystems, in welchem sie entstehen, in funktionellem Sinne
nicht mit der Oblongata oder mit dem Mittelhirn von Petromj^zon verglichen
werden darf, weil sie keine vestibuläre und optische Reize übermitteln.
Dieser Unterschied zwischen Amphioxus und Petromyzon ist im Ein-
klänge mit der Tatsache, daß bei den Neunaugen die aborale Reflexe mit
der Ausbildung des Kopfes und dessen Sinnesorganen viel überwiegender
geworden sind.
Während dies anatomisch aus der erheblichen Ausbildung des Ge-
hirns und der Oblongatanerven bei diesen Tieren hervorgeht, spiegelt
diese Zei^lialisation sich auch ph^vsiologisch ab.
Während wir bei Amphioxus eine außerordentliche Selbständigkeit
und eine große Ähnlichkeit in den Bewegungen in der hintern Hälfte des
halbierten Körpers im Vergleich zu der vordem sahen, ist die physiolo-
gische Zephalisation bei den Zyklostomeu schon bedeutend weiter fortge-
schritten und weisen hintere Teilstücke des Neunaugenkörpers eine viel
größere Ungeschicklichkeit in ihren Bewegungen auf.
Was die sensible» Emptindungen anbelangt, welche dem Eückenmarke über-
mittelt werden, so ist außer der bereits erwähnten Empfindlichkeit für Berührung,
Schmerz, Temperatur und primitive Muskelempfindungen auch ein chemischer Sinn
und eine Empfindlichkeit für Licht nachgewiesen worden, übschon intrumedulläre
Lichtzellen fehlen, reagiert Petromyzon auch auf Lichteiudrücke, welche außerhalb
der Augen fallen.
Pakker hat nachgew-iesen, daß die Haut selber dafür empfindlich ist (bei Petro-
myzon fluviatilis) und zwar ist der Schwanz empfindlicher als der Kumpf und der Kopf.
Dieser Eeiz wird offenbar durch Spinalnerven übermittelt und zwar wahr-
scheinlich nicht von denselben Fasern, welche den chemischen Sinn dieses Tieres
übermitteln, da letzterer am besten von der Kopfhaut, dann vom Schwanz und am ge-
DAS RÜCKENMARK DER ZYKLOSTOMEN. 121
ringsteu vom Rumpf perzipiert wird. Besondere Endorgane dafür kennt man aber nicht.
Retzius, fand nur freie intraepidermoidale Nervenendigungen (Fig. 26).
Die wirklichen auf der Haut befindliehen Sinnesknonpen werden von den
Gesehmacksnerven der Oblongata oder von den N. N. laterales (Kap. IV) versorgt.
öciiließlich . sei noch erwähnt, daß von Tretjakoff um den Zentral-
kanal von Petromj'zon ähnliche „Sinneszellen" beschrieben sind, wie von
Ebingek und Stendell bei Araphioxus erwähnt witrden. Bezüglich der
Sinnesnatur dieser Zellen sind jedoch, ebenso wie bei Ampiiioxus, noch
nähere Untersuchungen abzuwarten.
Das Hnll(/eniehe im Rückenmark von Petromyzon zeigt eine höhere Stufe der
Entwicklung als bei Amphioxus, indem dasselbe nicht nur aus strahligen Epöndym-
zellen des Zentralkanales besteht, .sondern daneben Zellen vorhanden sind, welche
vielleicht als autonome Gliazellen bezeichnet werden können (Retzus).
Der Körper dieser Zellen liegt oft an der Grenze der grauen Substanz. Ihre
Ausläufer erreichen indessen meistens noch die Peripherie des Rückenmarkes und
bilden nich den Endfüsschen der Ependymzellen die Limitans superficialis.
Erik Müller hat darauf hingewiesen, daß auch bei diesen Gliazellen eine
solche Anordnung gefunden wird, daß die Mehrheit der Fasern jener Zellen, ge-
rade wie die Dendriten der Ganglienzellen, senkrecht zur Oberfläche stehen. Da
das Rückenmark von Petromyzon noch keine (bei MySiue nur wenige) Blutgefäße
führt, halte ich es für wahrscheinlich, daß hierbei nicht nur mechanische Verhält-
nisse eine Rolle spielen, sondern auch metabolische Einflüsse, wie sie sieh bei hohem
Tieren kundgeben in dem Verhalten zu den Blutgefiißen.
Innerhalb des Zentralkanals ist eine eigentümliche homogene Faser gefunden,
die meistens anfängt an Ependymzellen unter der Commissura posterior des Mittel-
hirnes, jedoch verstärkt werden kann durch Zusätze von andern Ependymzellen
(Reissner's Faser). Es handelt sich dabei um ein nicht-nervöses Gebilde, dem wir
meines Erachtens auch keine sekundäre Rolle in dem Reizleitungssystem jener Tiere
zuschreiben dürfen (vergl. Teetjakofe. Dendt und Nicholls und S. 132 — 133).
Blutgefäße (und damit Piasepten) enthält das Rückenmark von Petromyzon
noch nicht (Myxine wohl, Stehzi), dagegen liegen sowohl dorsal als ventral reiche
Gefäßnetze auf der Medulla.
Das Rückenmark ist von einer gefäßreichen Haut umgeben, in welcher sich
noch keine Pia, Arachnoidea und Dura unterscheiden laßen. Sie ist von Sterzi,
dem wir die besten Untersuchungen auf diesem Gebiete verdanken, als Meninx
primitira beschrieben worden.
Das den Wirbeln anliegende Gewebe darf, nach Sterzi, nicht als Dura mater
bezeichnet werden, wie es meistens geschieht, sondern soll Endorrhachis genannt
werden. Es ist reich an Gefäßen und dem Perichondrium oder Periost der höheren
Wirbeltiere homolog.
Zwischen der Jleninx primitiva und der Endorrhachis liegt ein großzelliges,
loses Gewebe, welches als Perimeningealgewebe bezeichnet werden muß und das
viele Fettzellen enthält. Es ist namentlich dorsal stark entwickelt (vergl. S. 113).
Das Rückenmark der Plagiostomen.
Das Studivtm des Bückenmarkes der Plagiostomen ist um so wichtiger,
weil bei ihnen zuerst ein Bau auftritt, der als Prototyp desjenigen der
hohem Wirbeltiere zu betrachten ist (auch durch den Besitz von Mark-
scheiden).
122
DAS RÜCKENMARK DER PLAGIOSTOMEN.
Lympli. Gewebe. R. M,
Seine Form ist bei diesen Tieren im Gegensatz zu den Zyiilostomen
oval (Haie) oder mehr oder weniger rund (Rochen). Es erstreciit sich
nicht nur durch den ganzen Wirbelkanal, sondern überschreitet dessen
kaudales Ende bei den Haien nicht unbedeutend i) (Fig. 60, postchor-
dales Rückenmark von .SxERzr), wobei es als Ependymrolir in die Schwanz-
flosse hineinragt und am Ende
von einem lymphoiden Gewebe
umgeben ist.
In den WurzelaiiMritteii kommt
eine geringe Inkongruenz der
rechten und der linken Seite fast
nur noch dorsal, in dem fron-
talsten Abschnitt des Rücken-
markes vor (Fig. 62).
Dagegen ist eine Inkongruenz
zwischen den Austrittstellen von
Hinter- und Aorderwnrzeln noch
ziemlich allgemein.
Bei den Rochen ist das Al-
Wirb. K..rp.
Fig. 60. Hinteres Ende des Rüekenniarlses
eines Haies, mit lymphoideni Gewebe umgeben.
R. M. = postchordales F^ückenmark; n. Sterzi.
ternieren der Wurzeln weniger auffallend und sind alle Nerven mehr zu-
sammengedrängt.
Außerhalb des Wirbelkanals vereinigen die Wurzeln sich bei allen
Plagiostomen und verlaufen sie als gemischte Aeste weiter (Fig. 61), dadurch
einen starken Gegen-
satz bildend zu dem
Verhalten bei Amphi-
oxus und Petromyzon,
wo eine solche Yer-
Öpin Gaiigl. —
Fig. Ol. Schema der Rückenmarkwurzeli] bei einci' Haie,
n. Sterzi.
R.M.
Wirb.
eungung noch niclit
vorkommt.
Ein sympathischer
Ast wird für die Organe
der Eingeweide abgege-
ben (nicht gezeichnet in
Fig. 61).
Diese Aste vereini-
gen sich wohl zu Plexussen, aber ein eigentlicher ..Grenzstrang" tritt auch hier
noch nicht auf.
Die Spinalnerven der Plagiostomen zeigen die Eigentümlichkeit, daß
sie frontal viel kleiner werden, wie aus Fig. 62 hervorgeht. Die frontalen
Nerven wei'den als Spino-ohipitalnerven zusammengefaßt.
In Figur 62 sieht inan (in B), daß die frontalsten derselben sogar der
') Ijc! Roclien kommt dies nur luubrvoiuil vor.
DAS KUCKENMARK DER PLAGIOSTOMEN.
123
Hinterwurzel gänzlich einiangeln und daß auch die ventnden Wurzeln
frontal ganz fein sind und dicliter aufeinander liegen (Oceip. Nerven Fig. 1)2 A.).
Die Spino-okzipitalnerveti der Haie sind auch sonst von einem andern Gesichts-
punkt aus zu betrachten als die übrigen, „wirklichen Rückenmarksnerven".
Man kann bei ihnen zwei Gruppen unterscheiden : die okzipitalen Nerven
und die okzipitospinalen Nerven. Die erstgenannten sind diejenigen Nerven,
welche sich zuerst zu Kraniahierven umwandeln (Fürbringek).
Während das Paläokranium der Zyklostomen kaudal mit der Labyrintli-
region abschlielit und keine Rückenmarksnerven umfaßt, findet bei den Plagio-
stomen eine kaudale Vergi'ößerung des Schädels statt (die protometamere
Occip.
Nerven
Vüiil. Würz.
Hint.
Würz.
Fig. 62 A. Fig. 6'i B.
Fig. 62 A. Vorderwurzclii in dem Übergangsgebiet zur Oblongata
bei Carchaiias glaucus. Ventralansicht
Fig. 62 B. Hinterwufzeln dito. Man bemerke die frontale Ver-
minderung derselben und den asymmetrischen Austritt.
Dorsalansicht.
Assimilation), w'odurch die vorderste Gruppe — die ( iruppe der okzipitalen
Nerven (bei den Haien 4 oder 5) — in dem Schädel aufgenommen wird.
Daß diese Gruppe (die okzipitale) der Hinterwurzelii ^) gänzlich entbehrt,
muß wohl damit in Zusammenhang gebracht werden, daß ihr sensibles rertektori-
sches Innervationsgebiet so nahe am Kopfe liegt, daß es von sensiblen Hautästen
des Trigeminus und Vagus versorgt wird.
Bei einer zweiten Vergrößerung (auximetamere Assimilation) des
Kraniums, welche erst bei hühern Tieren stattfindet, wird außerdem die
') Nur der kaudalstc ()kzi|iitalnnrv hat zuweilen eine Hinterwurzcl unil (l;uigli(ui
(Notidaniden). Namentlich i-iubryologisch laßt dieses sich oft nachweisen.
124
DAS RUCKENMARK DER TLAGIOSTOMEN.
zweite Gruppe von spino-okzipitalen Nerven assimiliert (die Gruppe der
okzipitospinalen Nerven ; Fürbringer).
Die wirkliclien spinalen Nerven sind sehr gleichartig gebaut und
sehr zahlreich (oft mehr als hunderd Paare).
Die ventralen Wurzeln nehmen (namentlicli bei den Haien) innerhalb des
Markes einen schrägen Verlauf nach hinten, da in vielen Fällen ihre Ur-
sprungszellen frontal von dem Wurzelaustritt liegen.
Die motorischen Wurzelfasern verlaufen ungekreuzt (Fig. 63).
Die Anordnung der grauen Substanz zeigt erhebliche Differenzen mit
Dunnfaserioes Do^sa!^^Jndel
Hinter Wurzel
iX Dielifas Ve"''' t)
Sensit mot PeRe«
Dendriten
Pasc med
Zenir K
Com prol am
Pasc lono vent
maro Oendr netz ■
mot Wurzel zellsn
""■ Vorder Wurzel
Fig. 63. Demonstration der Hinterwurzel-Vorderlioinreüexe
bei einem Rochen. Die Dendriten der Vorderhornzellen
verästeln sich bis in die graue Substanz der
Hinterhörner, n. Von Lenhossek.
den Zyklostomen und nähert sich bereits derjenigen der höhern Wirbeltiere.
Während bei den Neunaugen noch nicht die Rede war von einer Ein-
teilung der grauen Substanz in Hinterhörner und Vorderhörner, ist dies
wohl der Fall bei den Plagiostomen (Fig. 63).
Doch zeigt sich insofern noch ein bedeutender Unterschied zu den höhern
Wirbeltieren, als die Hinterhörner so dicht bei einander liegen, daß kaum
weiße Substanz dazwischen liegt. Bei den Haien hat die graue Substanz
dadurch mehr die Form eines umgekehrten Ypsilons (A). Bei den Rochen
ist dies weniger der Fall.
DAS HÜCKEXMARK DEK I'T.AGIOSTOMKN. 125
Die VoTder hörn- Zellen sind groß, oft. liinglicli und parallel an einander
geordnet.
Die lateralen Zellen zeigen nicht selten. eine laterale Konvexität, welche
sich dem Rande der grauen Substanz anjialtt (Fig. 63).
Wie bei den Zyklostomen, dehnt ihr reiches Dendritennetz sich auch
in die weiße Substanz des Markes aus.
Man kann bei diesen Dendriten drei Kategorien unterscheiden (Fig. 63).
Die kleinste Kategorie umfaßt diejenigen, welche über die ventrale Raplie
hinaus in die Vorderstränge der andern Seite ziehen und also eine proto-
plasmatische vordere Kommissur (Comm. prot. ant., Fig. 63) bilden, welche
wir auch bei andern Wirbeltieren angedeutet finden.
Bedeutend zahlreicher sind die Dendriten, welche sich nach den Hin-
terliörnern, in der Richtung der Hinterwurzelendigung, begeben (sensitivo-
motorische Reflex-Dendriten ; Fig. 63). Diese Dendriten darf man wohl
als den kürzesten Weg des einfachen Hinterwurzelreflexes betrachten,
welcher se)isitivo-molorische Reflex in dieser Weise i) auch noch bei den
Teleostiern überwiegt.
Die größte Zahl der Dendriten umfaßt jedoch diejenigen, welclie sich in
dem Areal der Seitenstränge verästeln und — die Peripherie des Markes
erreichend — ein feines Gewirr, das marginale Dendritennetz, darstellen, dem
wir bereits bei den Zyklostomen begegneten.
Bei den Plagiostomen befindet sich dieses Netz namentlich in der
Nähe der Seitenstränge und dem hinteren Teil der Vorderstränge (marg.
Dendr. netz : Fig. 63 und 66).
In dem ausgewachsenen Rückenmark kann man dieses marginale
Dendritenareal wahrnehmen als ein rötliches Feld in Präparaten, welche
mit Parakarmin nachgefärbt sind (siehe Fig. 66). Sie bilden den sog.
Campus triangularis funiculi lateralis Borchert's, der namentlich im obern
Drittel des Rückenmarks sehr ausgebildet ist.
Dieses marginale Dendritennetz tritt in der Nähe der Peripherie mit
reichlichen Kollateralen von Achsenzylindern in Kontakt 2).
') Bereits in der Einleitung habe ich erwähnt dasz bei höhern Tieren (von den
Amphibien an) eine Änderung eintritt in dem Sinne, daß die bis in die Hinterhörner ein-
dringenden Dendriten spärlicher vorkommen, aber dagegen die Kollateralen der Hinter-
wurzelfasern sich bedeutend vermehren und sich bis in das Vorderhorn veilängern. Sie
bilden dann die bei den Plagiostomen noch nicht vorkommenden direkten sensitivo-mo-
torischen Kollateralen (vergl. hierzu Seite 74 und 75).
2) Dieses marginale Dendritennetz, dem wir auch bei den Zyklostomen begegneten und
welches noch bei Amphibien und teilweise bei Reptilien (Fig. 82) besteht, geht bei den
Säugern verloren, wo die Dendritenverästelung bei ausgewachsenen Tieren innerhalb der
grauen Substanz bleibt.
Von Lenhossek bringt dies mit dem großem Umfang der motorischen Zellen im
Kückenniarke niederer Tiere in Zusammenhang und meint, bei diesen Tieren „ist dei-
Umfang des Rückenmarks der Mächtigkeit der Ausstrahlung der Vorderwurzelzellen so
wenig gewachsen, daß ihre Dendiiten nur dadurch innerhalb der Grenzen des Markes
126 DAS RÜCKENMARK DER PLAGIOSTOMEN.
Die Vorderwurzelzellen delmen sich im ziemlich gleichmäßiger Weise
über das ganze Rückenmark aus; eine segmentäre Anordnung i) ließ sich
bis jetzt nicht nachweisen, ebensowenig wie spezielle muskuläre Gruppie-
rungen. Es ist sogar fraglich, ob in der Region, wo die motorischen Flos-
sennerven entstehen, Verstärkungen der Ventralhörner auftreten. Jeden-
falls kann man bei diesen Tieren von einer Intumescentia lumbalis und
cervicalis nicht reden.
Es ist wahrscheinlich, daß die \"orderwurzeln der Plagiostomen auch
bereits viszero-niotorische Fasern führen. Indessen iindet der Austritt der
meisten viszero-motorischen Fasern hier noch durch die Hinterwurzeln statt.
Im Gegensatz zu Amphioxus und den Zyklostomen liegen, bei ausge-
wachsenen Plagiostomen, alle Ursprungszellen der sensiblen Wwzeln in den
extramedullären Spinalganglien.
Bei Embryonen dieser Tiere kommen aber noch (von Beard als
„transient ganglioncells" beschriebene) intramedulläre Zellen vor, in der
dorsalen Medianlinie (an der Stelle, wo auch die Anlage der sensiblen
Ganglienzellen — Neuralleiste — sich bildet).
Ihre Lage ist sehr charakteristisch und ihre Ähnlichkeit mit den großen
intramedullären sensiblen Zellen der Zyklostomen und Teleostier (Fig. 59
und 70) auffallend.
Sie sind bis jetzt nur in larvalem Zustande nachgewiesen und be-
sitzen außer einem sensiblen Ausläufer für die Haut einen solchen für die
Sensibilität der Muskeln (Neal), wie es aucii bei Ampliibienlarven der
Fall i.st (s. Fig. 72 A).
Nach Beendigung des Larvenlebens verschwinden sie aber, wie bei
den Amphibien. (Sie gehen nicht in das Invertebralganglion über).
Die Intervertebralganglien, die Spinalganglienzellen (Fig. 65), behalten
bei den Plagiostomen insofern noch ein primitives Charakteristikum, als
untergebracht werden können, daß sie sich draußen unter dei' Pia raater mit ihreu End-
spitzen umkrümraen".
Diese Erklärung will mir nicht genügen, da man, wenn nur die Größe der Dendri-
ten, deren Wachstumsdrang, diese peripheres Netz verursachte, sich die Frage stellen
darf, weshalb dieser Wachstumsdrang sich nicht auch in longitudinaler Richtung äußert
und weshalb nur oder überwiegend in transversaler Richtung.
Trophische Einflüße von der Meninx aus dürften hier kaum vorliegen, weil das Mark,
auch innerlich, mit Blutgefäßen reichlich versehen ist.
Wie beim Rückenmark der Zyklostomen, möchte ich hier auch auf die Wahrschein-
lichkeit hinweisen, daß bei den niedern Tieren, deren Fasern noch marklos sind oder
doch jedenfalls weniger Mai'k enthalten (handelt es sich hier doch auch um eine Aus-
bildung, die bei Embryonen zustande kommt), die irradiative Reizung durch longitudinale
Faserhalinen, die hauptsächliche Verästelung in einer Querfläclie des Rückenmarkes be-
reits in jungen Stadien bedingt.
') Die Interkalarligamente und die Neurapophysen der Wirbel können gewisse Im-
pressionen auf dem Rückenmark hervorrufen (Sterzi). Diese können, wo sie vorhanden
sind, eine Segmentierung vortäuschen, verdanken aber ihre Anwesenheit nur äußern,
nicht nervösen Umständen und haben also keinen innern Wort.
DAS RUCKENMAKK DER rLAGIOSTOMEX.
127
manche derselben lebenslang eine bipolare Form behalten (G. Levi),
obschon eine viel größere Zahl wie bei den Zyklostomen unipolar ge-
worden ist.
Der zentrale Fortzatz, der Axon, is häutig etwas dünner als der peri-
})iiere. Dieser peripliere Foi'tsatz verästelt sich in der Haut mit freien En-
digungen, welche zwar verschiedene Niveaus der Epidermis einnehmen,
aber keine besonderen Endkürpeichcn aufweisen.
Es liegt denn auch kein Grund vor anzunehmen, daß die Sensibilität
der Haie im Prinzip höher organisiert sei als diejenige der Zyklostomen.
Wie diese, beschränkt sie sich wohl auf die vitalen Empfindungen i) des
nicht oder kaum lokalisierbaren IJerührungsinnes, des Schmerzes, der
starken Temperaturscliwankungen und des chemischen Sinnes, während
auch sensible Hinterwurzelfasern in die Muskeln eindringen.
Die Anordnung in der Haut gestaltet sich in regelmäßiger, segmen-
taler Weise, wobei jedes
Wurzelareal die nächst-
liegenden Areale dorsal
etwa über die Hälfte
ihrer Breite überlagert,
wobei die ventrale Seite
des Segmentes, welche
breiter ist als die dorsale
(vergl. Fig. 64) eine größe-
re (auch relativ größere)
Überdeckung aufweist
(VAN Hl.lXBERK).
Die größere Breite des ventralen Rumpfdermatomes, die hier nicht,
wie bei den Vögeln (Fig. 86), aus einem größeren Umfang der Bauchseite
des Tieres zu erklären ist, wird wahrscheinlich veranlaßt durch die größere
Reizung, welcher die Bauchseite ausgesetzt ist (de Boer), welche auch die
relativ größere Überdeckung (Faserzuwachs) erklärt (Neurobiotaxis).
Die Hinterwurzelfasern verlaufen zentral größtenteils innerhalb der
grauen Substanz der Hinterhörner. In dieser sind ihre Faserbündel so
zerstreut, daß von kompakten Hintersträngen keine Rede ist und die
Hinterhörner mit ihren retikulären Ausläufern aneinanderstoßen (Fig 66).
Namentlich Brouwer hat darauf hingewiesen, daß eine weitere Aus-
bildung der eigentlichen Hinterstränge, mit Auseinanderdrängung der Hin-
terhörner, erst bei den liöliern Wirbeltieren auftritt.
Bei den Fischen, die er untersuchte, fand er, daß das quantitative
Verhältnis der Hinterstränge zu dem Rest der weißen Substanz nur etwa
6 7o betrug, während dieser Prozentsatz beim Menschen fast 39 °j^ ist.
Fig. 64. Segmentale Innervierung der Haut
bei Scyllium, n. van Rijnberk.
Das weiße Feld zwischen zwei punktierten Keldein
ist ein Segment isoliert zwischen zwei, infolge von
Durchschiieidung von je drei Hinterwurzeln anal-
getischen Hautbezirken.
') Eventuelle Geschmacksknospen werden vom Facialis, die koiiiplizierleii Lateral-
organe vom Neivus latei'. post. innerviert.
128 DAS RÜCKENMARK DER PLAGIOSTOMEN.
• Bedenkt man dabei, daß bei den Haien der größere (vordere) Teil des
Hinterstrangareales (dorsales grobfaseriges Bündel v. Lenhossek's) noch
überwiegend aus al>steigenden Axonen der dorsalen Strangzellen aufgebaut
ist, dann begreift man, wie gering der Prozentsatz der aufsteigenden Hin-
terwurzelfasern darin sein muß.
Es wäre indessen unrichtig, daraus zu schließen, daß die sensiblen
Wurzelfasern nach ihrem Eintritt in das Rückenmark nicht ebensogut wie
bei Amphioxus und Petromyzon, ja sogar in noch reichlicherer Weise,
absteigende und namentlich aufsteigende Dichotomien besitzen. Doch kommt
eine frontale Akkumulation davon (wie wir sie bei Säugern kennen) hier
nicht vor, und außerdem sind die betreffenden Fasern nicht zu Hinter-
strängen gesammelt, sondern innerluilb der Hinterhörner und seitlich davon
über verschiedene Bündelchen verteilt.
Bald nach ihrem Eintritt in die graue Substanz der Hinterhörner breitet
ein Teil sicli fächerförmig aus, so daß einige Fasern mehr dem dorsalen
Abschnitt des Hornes, andere mehr dem ventralen Abschnitt desselben
zustrebten (Fig. ()3).
Die dorsalsten Fasern scheinen rückwärts zu biegen und unter Bildung
von Kollateralen in dem dorsalsten Abschnitt des Hornes zu enden, in
dieser Weise eine mehr oder weniger lokale Endigung darstellend (Fig. 63).
Es ist möglich, aber nicht bewiesen, daß dieses Bündel auch viszerosensible
Fasern (des S3-mpathikus) führt.
Der ventralere Teil, dessen Fasern nicht so schnell sich verjüngen,
bildet mittels Dichotomien längere auf- und absteigende Züge, welche sich
über viele Segmente ausdehnen, oline jedocii wirkUche, das ganze Rücken-
mark bis oben durchziehende Stränge zu bilden.
Diese Züge verlaufen namentlich in den seitlichen Abschnitten des
Hinterhorns wie es besonders in Fig. 66 sehr deutlich ist.
Es scheint, daß es hauptsächlich diese gröberen ventralen Fasern sind,
welche mit den Dendriten der Vorderwurzelzellen in Verbindungen treten
und den direkten sensitiv o-motorisclien Reflex'^) übermitteln, von dem bei der
Beschreibung der motorischen Zellen die Rede war (vergl. Fig. 68).
Die zuletzt beschriebenen Fasern sind als somatosen.sible Fasern zu
betrachten.
Die geringe Länge der aufsteigenden Bahnen findet einen Ausdriick in der
bereits erwähnten Tatsache, daß die Hinterwnrzeln keine frontal akkumulierende
Stränge bilden in dem Sinne, wie wir sie bei den Säugern zu sehen gewohnt sind
') Wir werden in der weitern Entwicklung des Rückenmarkes sehen, daß bei den
höhern Tieren die grobem und laterulen Bestandteile des Hinterstiangareales die
direkten sensitivo-raotorischen Kollateralen abgeben, und daß diese Hinterwurzelfasern
bei einigen Tieren im hintern Abschnitt des Seitenslranges verlaufen können (siehe bei
den Schlangen, Fig. 82) anstatt in den Dorsalsträngen, wie bei den Amphibien, Vögeln
und Säugern.
DAS RÜCKENMARK DER PL AGIOSTOMEN.
129
In Übereinstimmung damit ist
bei den Säugern vorkommen, und
nicht zu sehen sind.
Zwar meint Wallenberg auf
Hinterhörner im Areal des Calamus
daß wir in diesem medialen Teil der
kerne erblicken dürfen.
Dieses wäre jedenfalls eine sehr
bemerkt „eine mediale Schleife aus
Hypotholamus habe ich bei vScyllium
die Tatsache, daß Hinterstrangkerne, wie sie
die daraus entstehende mediale Schleife hier
Grund der Tatsache, daß ein Teil der grauen
scriptorius medial vom Nucl. spin. N. V. bleibt,
Hinterhörner eine Vorstufe der Hinterstrangs-
primitive Vorstufe, denn Wallenbebg selber
den Hinterstraugkernen zum Thalamus und
nicht degenerativ nachweisen können".
Hinterwurzel.
Bogt-iilaser.
Der zentrale \'erlauf der viszerosensiblen Fasern, ist bis jetzt nicht genü-
gend bekannt.
Die Ursprungszellen der viszeromotorischen Fasern, welche bei den Haien
(nur noch teilweise oder ganz?) durch die Hinterwurzeln austreten, sind
bis jetzt niclit genau lokalisiert. Von Lenhossek hat ihre Axonen in diesen
Wurzeln nachgewiesen, indem er darin Achsenzylinder fand, welche an den
Spinalganglienzellen vorüberzielien, also effektorisch sind.
Sie verlassen den Spinalnerven, zusammen mit viszerosensiblen Fasern,
peripher vom Ganglion inter-
vertebrale und bilden damit
den Ramus communicans zum
Intestinal-System. Ein sympa-
thischer Grenzstrang kommt
hier noch nicht vor. Die Rami
communicantes bilden Ge-
flechte, in denen peripiiere,
sekundäre Ganglionzellen lie-
gen, deren (postganglionäre)
Neuriten sich an den großen
Gefäßen und den Eingeweiden
verästeln.
Als Ursprungszellen von
sekundären, endogenen Bahnen
des Rückenmarkes findet man
auch hier wieder zwei Zellarten:
die Kommissur- oder Bogenfa-
serzellen und die Strangzellen.
Die Bogenfaserzelleii (Fig. (^^) liegen in der ganzen grauen Substanz,
auch (wie bei den Zyklostomen) in den Vorderhörnern zwischen den moto-
rischen Zellen. Ihre Dendriten verästeln sich durch die ganze Breite des
Rückenmarkes, (teilweise auch hinter dem Zentralkanal auf der kontro-
lateralen Seite : (Comm. protopl. posterior). Ihre Axonen, die His'schen
Bogenfasern, verlaufen durch die vordere Kommissur, welche bei den Sela-
chiern aus zwei Teilen besteht: ein Teil der direkt unterhalb des Zentral-
kanales verläuft, wie dies auch bei höheren Tieren der Fall ist, und ein
Kappkrs. 9
Spin, gangl.
Fig. 65. Embryo von Spinax n. v. Lenhossek.
Bogenfaserzelle und Vorderwuizelzelle,
mit peripherer Dendritenverästelung.
130
DAS RUCKENMARK DER PLAQIOSTOMEN.
anderer Teil ventral davon, etwa auf der Mitte zwischen Zentralkanal und
ventraler Peripherie. Letzterer wird als Commissura accessoria oder Kom-
missur von Mauthner bezeichnet und ist nicht überall gleich stark ent-
wickelt; an gewissen Stellen kann sie fehlen.
Diese kreuzenden, ventralen Neuronen sind dieselben, welche wir bereits
bei Ampliioxus und den Zyklostomen fanden, und welche hier nach Kreuzung
haujjtsiichlich frontalwärts verlaufen. Sie bilden die phylogenetisch älteste,
sekundäre sensible Bahn des Markes, und insofern sie bis in die üblongata
aufsteigen, bilden sie die erste sensible Projektions-Bahn (wahrscheinlicli
der EoiNGER'schen Bahn der Säuger analog) der vitalen Empfindungen.
Auf- und abst.
Hinterwurzelfas.
Marg.
Dendr.
Nete
Seit. Str. grundb.
Tr.sp. bulb. et-
mes.
Abst. Hiüteistr.
Grundbündel.
Fase, mediani.
Tr.oct. Spin,
lat. cruc.
Vorderwurz.
Vorderstr.
Grundbündel.
Vorderwurzel.
Fig. 66. Qiiersclinitt diiich das Rückenmark von Raja circolaris.
Nach einem kurzen Verlauf in dem kontrolateralen Vorderstrang steigen
sie namentlich in dem Seitenstrang auf (Fig. 66). Wie weit sie reichen,
ist nicht sicher festgestellt; aber wir dürfen wohl annehmen, daß ein Teil
dieser sog. EniNGER'schen Fasern, namentlich diejenige aus dem Zervikal-
mark, die Oblongata, ja sogar das Mittelhirn erreicht, weil diese Abschnitte
eine große Zahl von Fasern au.s dem Hüekenmarke und aus dem .spinalen
DAS RÜCKENMARK DER PLAGIOSTOMKN. 131
Trigeminuskern (spino-bulbäre und spi7iomesenzephale Fasern) empfangen,
welche bis in das Tectum opticnm hineinreichen (siehe Kap. A'III).
Wallenbero fand, d<aß das Dorsalhorn des obern Halsmarkes, sowie der
kaudalste Abschnitt des Kernes der spinalen V- Wurzel bei Scyllium, neben zahl-
reichen Reflexfasern zAi motorischen Kernen, auch ventral kreuzende tektale Ver-
bindungen besitzt. Vereinzelte degenerierte Fasern splittern augenscheinlich im
Ganglion isthmi (Kap. VIII) auf.
Diese Fasern, welche nicht mit einer Schleife homologisiert werden dürfen,
sind als Teile der obengenannten sekundär sensiblen Bahn Edingeb's zu betrachten.
Bei den ungekreuzten Assoziationsbahnen, welche von den Strangzellen
abgegeben werden, unterscheidet man zwei Sorten.
Die erste Art hat ihre Zellen in den Vorderhörnern und sendet ihre
Axonen in den Vordersti-ang derselben Seite: Vorderstrang-Grundbündel.
Die zweite Sorte hat ihre Zellen in den Hinterhörnern. Die dorso-laterale
Gruppe der letzteren sendet ihre Axonen in die Seitenstränge {Seitenstrang-
Grundbündel) ; eine dorso-medial Gruppe — aus größeren Zellen bestehend —
sendet ihre Axonen in die Hinterstränge, und bildet das grobfaserige
Bündelchen, welches hauptsächlich absteigt und den vordersten Abschnitt,
fast den größten Abschnitt, der Hinterstränge ausmacht: Hinterstrangrund-
bündel (siehe Fig. 66).
Diese letztgenannten Zellen können Dendriten in die Commissura
posterior senden, und beitragen zu der Commissura posterior protoplasmatiea.
Eine Projektion der Rückenmarkssensibilität auf das Zerebellum ist
bei den Haien bereits vorhanden, was in A'erband mit dem beweglichen
Charakter dieser Tiere nicht auffallend ist.
Diese Fasern, welche namentlich aus dem oberen Zervikalmark gleich-
zeitig entstehen, halten in der Oblongata eine laterale Lage inne und treten
in den Corpus Cerebelli ein (vergl. Kap. VI). Sie erinnern in ihrem Ver-
laufe an die dorsale Kleinhirnbahn (F'lechsig's) der höhern Wirbeltiere :
Tractus spino-cerebellaris dorsalis.
Ob auch eine anterolaterale (GowERSche) Kleinhirnprojektion vorhanden
ist, läßt sich nicht mit Sicherheit sagen; jedenfalls wäre dieser Abschnitt
nur klein (vergl. das Kapitel über das Kleinhirn).
Außerdem gibt es hier, wie mir scheint, im oberen Halsmark spino-
olivüre Fasern, als äußere Bogenfasern verlaufend, deren Ursprung aber
noch sehr unsicher ist.
Die in das Rückenmark absteigenden Bahnen und die infolgedessen auf-
tretende Zephalisation der Körperbewegungen ist bei den Selachiern schon
viel ausgeprägter als bei den Zyklostomen. Wie dort entstammen diese
absteigenden Fasern namentlich der Oblongata und dem Mittelhirn.
Von der Oblongata her steigen Fasern ab, welche, teilweise dem
Zerebellum entstammend, (Tr. cerebello-motorius cruciatus et rectus), teilweise
aus den Octavo-lateralis-Kernen herrührend {Tr. octavo-motorius cruc. et rectus)
einen bedeutenden Teil der Vorderstränge bilden.
132 DAS RÜCKENMARK DER PLAGIOSTOMEN.
Andere absteigende Elemente des Kückenmarkes sind Axonen der
großen retikulären Zellen der Oblongata (vergl. auch Kap. VI).
Namentlich aus der Octavusregion kommen solche aus dem sog.
ventralen Vestibularis-Kern (mihi, Nucl. tangentialis Cajal's), welche (mit
direkten Wurzelfasern des N. vestibularis verstärkt) den Tr. vestibulo-spinalis
medialis i) bilden und ungekreuzt in den medialen Abschnitten der Seiten-
stränge absteigen.
Daneben gibt es solche in den \'orderseitensträngen. hauptsächlich
gekreuzt: Tr. vestibulo-spinalis lateralis crnciatm Wallenberg's.
So finden wir also, daß das Rückenmark dieser Tiere — außer einer
Menge gekreuzter inid ungekreuzter endogener Reflexfasern, eine sehr
große Zahl von absteigenden Neuronen aus dem Zerebellum, dem Lobus
Liniae lateralis und den Octavus-Kernen enthält und somit eine reiche
statische Innervation besitzt, eine Einrichtung, die uns bei diesen beweg-
lichen Tieren nicht wundern kann und die bereits bei den Zyklostomen
durch die MüLLER'schen Fasern angedeutet war.
Ob das Rückenmark auch direkte Reflexfasern aus dem Tectum opticum
erlangt, ist nicht wahrscheinlich.
Wohl ist sicher, daß die deszendierenden tektalen Fasern durch die
ganze Oblongata bis zum Anfang des Rückenmarkes absteigen, wo ihre
Reflexe durch die retikulären Zellen der Oblongata weiter nach liinten
geführt werden.
Dasselbe gilt für die Vorderhirn (Riech-) reflexe, oder besser gesagt
füi. die Neuronen, die aus den Lobi inferiores Hypothalami bis zum
Anfang des Rückenmarks absteigen (Pedunculi lobi inferioris, siehe
Kap. VIII) und Reize aus dem Vorderhirn übermitteln.
Die Hüllsnhstanz im Rüekeumark der Selachier zeigt im Vergleich zvi den
Zyklostomen zwar weitere liifterenzierungen, aber im Vergleich zu Säugern doch
noch relativ primitive Verhältnisse.
Als ein primitives Verhalten ist zu erwähnen, daß die Fortsätze der Ependym-
zellen noch die Peripherie des Markes erreichen, die Membrana limitans bildend.
Mit der Ausbildung von vielen intramedullären Gefäszen und des Myelins
sehen wir hier aber auch eine reichliehe Griiabildung auftreten.
Wirkliehe (autonome) Gliazellen liegen hier sowohl in der grauen, als in der
weißen Substanz (Ehik Müller), aber zeigen doch noch manchmal ein primitives
Verhalten, indem ihr peripherer Fortsatz fast stets der größte ist, dadurch ihre
Herkunft von Ependymzellen deutlich demonstrierend. Nur in der direkten Um-
gebung des Zellkörpers sieht man einen bartartigen Saum von „sekundären" Aus-
läufern, welche den Anfang der Bildung der Spinzellen darstellen (Lenhossek).
Innerhalb des Zentralkanals ist auch bei den Plagiostomen der KEissNER'sche
Faden sehr oft nachgewiesen. Vor kurzem hat Nicholl ihm eingehende Unter-
suchungen gewidmet. Er nimmt mit Denux an, daß der Grad der Traktiim des
Fadens von dem Tier perzipiert wird und daß dem Faden, dem er selber keine
') Fasciculi median! Stieda's (siehe Fig. 66).
DAS RÜCKENMARK DER GANOIDEN UND TELEOSTIER. 133
Heizleitung zuschreiben möchte, in dieser Weise doch im Dienste des Nervensystems
eine Rolle zukäme. Diese Deutung ist vorläufig unkontrollierbar.
Im (jegeusatz zu den Zj'klostomeii enthält das Rückenmark der Plagiostomen
Inndgpwehifje Se.pten, welche zusammen mit Blutgefäßen darin vordringen. Nament-
lich die graue Substanz wird reichlich mit Blut versehen, die weiße Substanz viel
weniger.
Die drei Hüllen des Hiickeumarkes, welche wir bei den Säugern kennen : Pia,
.\rachnoidea und Dura, werden auch bei den Plagiostomeu nur nach durch eine
Membran vertreten, die ileninx primitiva Sterzi's, und zwischen dieser Menins
und der Eiidorrhachis (Periehondrium) kommt auch hier ein lockeres perimenigeales
Gewebe vor, welches meistens eine muköse Natur hat.
Das Rückenmark der Ganoiden und Teleostier.
\'on dem Rückenmark der Gandiden und Teleostier werde ich, um nicht
in Wiederholungen verfallen zu müssen, haujatsächlich einige Unterschiede
zu dem Verhalten bei den Plagiostomen erwähnen.
Das Rückenmark der Ganoiden ist demjenigen dieser Tiere noch
sehr ähnlich.
Bei den Knochenfischen findet man erhebliche Diflerenzen.
An erster Stelle muß betont werden, daß das vordere Ende des Rücken-
markes der Knochenfische dem vordem Ende des Hai-Rückenmarkes nicht
homolog ist.
Während wir bei den letztgenannten Tieren die okzipitalen Nerven
fanden, welche durch den Schädel austreten und blosz Vorderwurzeln
führen, fehlen diese bei den Knochenfischen, wo direkt hinter den
Branchialnerven, ja teilweise innerlialb deren Region reine Spinalnerven
mit kompletten, oft sogar sehr großen Hinterwurzeln vorkommen.
Die Vorderivurzeln dieser Nerven innervieren die vordere dorsale und
ventrale Längsmuskulatur, teilweise sogar die Muskeln des Schultergürtels
bezw. der Pektoralflossen.
Die^e Reduktion des vordem Rückenmarks- Abschnittes der Teleostier, welche
wir durch die Untersuchungen Fürbringer's kennen, und welche in letzter
Zeit eingehend von van der Horst studiert wurde (vergl. Kapitel V), ist
eine Folge des Reduktions-Prozesses an dem Übergang zwischen Schädel
und Wirbelsäule, deren angrenzende Teile mehr aufeinandergedrängt sind,
wobei die entsprechende Muskulatur und Nerven verloren gingen.
Durch die auximetamere Assimilation des Kraniums (vergl. S. 123)
treten aber jetzt auch die ersten Rückenmarkswurzeln durch den Schädel aus.
Während diese Reduktion, soweit bekannt, allen Teleostiern eigen
ist, und bereits bei den Knochenganoi'den auftritt (Schrkiner), kommt bei
einigen Teleostiern auch eine kaudale Regression vor (Plektognathen (Diodon,
Tetrodon, Orthagoricus mola) und Lophius) welche uns einen interres-
santen Blick auf die Einfiü.sse gibt, welche die Form des Rückenmarkes
beherrschen.
Während bei den Ganoiden und vielen Teleostiern (siehe Fig. 67)
134
DAS RÜCKENMARK DER GAXOIDEN UND TELEOSTIER.
das Rückenmark sehr lang ist und sich durch den ganzen Vertebralkanal
ausdehnt, finden wir bei einigen Teleostiern eine erhebüche Verkürzung
Telenc.
y-y _TeLenc,
Mesenc.
V ß'\''M^^''^'''^^-
Cereb.
Oblong.
l IT.-CeREB
Ugl £.üBt.
Med.cerv.
^g ^ .. Med SP-
-^
\P..FiU£R.
Fig. 67 A.
Trigla hiniiiHo.
Fig. 67 B.
Hirn und Rücken-
mark von Oithago-
riscus nach Entfer-
nung der Cauda
equina. N. Bela
Hallee. Man be-
achte die Kürze des
Rückenmarks.
Fig. 67 C. Hirn und Rücken-
mark von Orthagoriscus niola
mit Canda equina in Situ.
Prapai-at des Instituts.
Orthiiporiscus,
des Rückenmarkes, wovon namenthcli
aber auch Lophius, ein Beispiel gibt.
Offnet man den \'ertebralkanal dieser Tiere, dann
findet man ihn augenscheinlich in derselben Weise
mit Rückenmark angefüllt wie bei andern Teleostiern.
Nur wird man von dem streifigen Charakter desselben
überrascht (Fig. 67 C).
Beim Herauspräparieren zeigt sich, daß das eigent-
liche Rückenmark nur einen kleinen Teil dieser Sub-
stanz bildet (Fig. 67 B, nach Haller) und daß also
der weitaus größte Teil des Vertebralkanals mit längs-
verlaufenden Wurzelfasern gefüllt ist, einer enormen
Cauda equina, worin sich in der Mitte das !^lum ter-
minale des Rückenmarkes als feiner Faden zurückfin-
den läßt, wie Fig. 68 von Lophius zeigt.
Da die Verbindung der dorsalen und ventralen
Nervenwurzeln außerhalb der Wirbelsäule stattfindet,
wo auch das Ganglion liegt, wird der verlängerte
Abschnitt der Dorsalwurzeln nur von dem zentralen Fortsatz der Spinal-
ganglien gebildet.
DAS RÜCKENMARK DEK GAXOIDEN UND TELEOSTIEK.
135
Die Ursache dieser auti'allenden Verkürzung des Rückenmarkes ist
bis jetzt nicht sicher nachgewiesen.
Wir werden l)ei <ler Besprechung der Rückenmarke höherer Tiere
sehen, daß die Jnkongruenz zwischen Rückenmark und Vertebralkanal im
allgemeinen durch zwei Faktoren verursacht wird :
1. durch die Reduktion oder den völligen Verlust kaudaler Körper-
abschnitte (des metameren Schwanzes z. B.), wodurch die sakrale» Rücken-
markssegmente atrophieren, und
2. durch ein Weiterwachsen der Wirbelsäule (in Verband mit der Ent-
Med. Spin.
Rad. posterior,
l'
Rad. postur.
Radices anter.
P'ig. 68. Cjupi-schnitf durcti ilas hintere Rückenmarksenile und Cauda
equina, v. Lophius piscatoiius. Man beachte den geringen Umfang der Hin-
teiwurzeln in Vergleich zu den Vorderwurzeln.
Wicklung des Beckengürtels), wenn das Rückenmark bereits seine größte
Länge erreicht hat.
Von diesen Faktoren kann bei den plektognathen Fischen die zweit-
genannte Ursache wegfallen, 'weil von einer besonderen kaudalen Ver-
längerung der Wirbelsäule hier nicht die Rede ist, namentlich nicht in
deren hinterem Abschnitt.
Im Gegenteil finden wir, daß gerade bei den genannten Fischen die
hintere üegion iles Körpers der Vorderregion erheblich nachsteht, sodaß
vielmehr der erstgenannte Faktor hier einen Einfluß auf den eigentümlichen
Bau des Rücketnnarkes hat, insofern das kaudale Innervationsgebiet dadurch
erheblich verringert ist.
136
DAS RUCKENMARK DER GANOIDEN UND TELEOSTIER.
Interessant ist dabei, daß die kaudalen sensiblen Wurzeln viel dünner
sind als die motorischen Wurzeln (Fig. 68), während die frontalen sen-
siblen Wurzeln hypertrophieren i) (s. S. 141).
Ob hierbei noch andere Faktoren eine Rolle spielen, ist bisjetzt unbekannt.
Obschon bei den Teleostiern die \'order- und Hinterwurzeln sich
konstant vereinen zu einem gemischten Nerven, findet mau hier doch oft
eine gewisse Inkongruenz in dem Austritt der vordem und hintern Wurzeln,
wenn auch weniger ausgeprägt als bei niedern Wirbeltieren.
Die Vorderhörner reichen bei den Teleostiern meistens ventraler als
bei den Plagiostomen, was mit einem erheblicheren neürobiotaktischen
nud. cei'v ventr. mot
nur.! cerv dors mot.
Fig. 69. Das Rückenmark von Saliiia t'aiiu auf dem Niveau des l^'^n
Spinalnei'ven, ii. van de;r Horst.
Einfluß ventraler Fasersysteme zusammenhängt, wie er sich auch für die
somatomotorischen Oblongatakerne dieser Tiere nachweisen läßt (Kap. \').
Eine Vergleichung von Fig. 66 mit Fig. 69 und 70 zeigt diese Differenz
aufs deutlichste.
') Die frontale Hypertropliie und kaudale Atrophie der Sensibilität hängt wahrscheinlich
mit der Lebensart dieses Tieres zusammen, weil es oft mit dem Schwanz unter dem Sande
verborgen liegt.
DAS RÜCKENMARK DKlt «ANOIDEN UND TELEOSTIER. 137
Außerdem sind bei manchen Teleostiern im öbern Zervikalmark deutlich
zwei Gruppen von motorischen N'orderwurzelzellen zu unterscheiden, eine
dors(omedi)ale und eine ventr(olater)ale Gruppe (Fig. 69 und 70).
Möghcherweise innerviert die letztgenannte die Flossen, während die
dorsomediale Gruppe, welche sich sehr gleichmäßig durch die ganze
Rumpfregion fortsetzt und deren Zellen manchmal kleiner sind, Rumpf-
muskulatur innervieren dürfte.
Die Dendriten der motorischen Zellen dehnen sich bei den Teleostiern
nicht so weit peripher zu einem marginalen Dendriteiinetz aus, wie bei
den Plagiostomen.
Doch verästelt die Mehrheit derselben sich in der weißen Substanz.
Ein Teil der Dendriten bildet auch hier eine Commissura protoplasma-
tica anterior, indem sie sich bis auf die andere Seite ausdehnen, während
andere Dendriten sich wieder in die Richtung des Hinterwurzeleintrittes
begeben und direkte sensitivo-motorische Reflexe ül^ermitteln dürften.
Die Vorderwurzelfasern, die i-ichsenzylinder dieser Zellen, verlaufen mei-
stens eine Strecke — in kaudaler Richtung — in dem ventrolateralen Strang,
worin sie vor ihrem Austritt Kollateralen abgeben können.
Eine besondere Art motorischer Wurzelzellcn sind die eleJdriscIien Zellen
von Malapterurus und Gj'mnotus electricus.
Während bei den elektrischen Plagiostomen (Torpedo) das elektrische
Organ sich aus der Kiemenmuskulatur differenziert und flementsprechend
von Branchialnerven innerviert wird, ist das elektrische Organ der erwähnten
Teleostier aus der Rumpfmuskulatur, oder der Rumpfhaut hervorgegangen
und wird es von Rückenmarksnerven innerviert.
Bei Malaptervrus electricus ist jederseits nur eine große elektrische Zelle
vorhanden, im oberen Abschnitte des Markes. Aus dieser geht eine dicke
stark markhallige Nervenfaser zu dem elektrischen Apparat der Haut hervor.
Beim Zitteraal, Gijmnotxis electricus, bestehen dagegen mehrere elektri-
sche Zellen. Fast die ganze graue Substanz auf dem Niveau der elektrischen
Nerven wird dort eingenommen von großen multipolaren Zellen, die zur
Hauptsache dorsolateral vom Zentralkanal liegen (Fritsch).
Auch Mormyrus ist als elektrischer Fisch beschrieben worden. Der Nerv,
welcher das elektrische Organ dieses Tieres innerviert, ist die ventrale
Wurzel des 3. Spinalnerven (Bilharz, Stendell), welche ebenfalls wie
diejenige von Gymnotus ein Rumpfmuskelderivat innerviert.
Bei den Teleostiern verläuft auch ein 'I'eil (G. .J. Herrick) der
viszero motorische Fasern durch die Vorderwurzein, obwohl die Hinter-
wnrzeln auch hier noch von Axonen durchzogen werden, deren Ursprungs-
zellen offenbar zentral liegen, vielleicht in dem parazentralen Grau des
Rückenmarkes (sympathische Wurzelzellen).
Der zentrale A^erlauf der viszerosensiblen Fasern ist ungenügend ermittelt ;
es ist jedoch wahrscheinlicli, daß sie die fiöncrii Elemente dei' Hinterwnr-
zelii bilden, die eine mehr zentrale Endigung aufweisen.
138 DAS RÜCKEXMARK DER GANOIDEN CTND TELEOSTIER.
Peripher vom Spinalganglion, wo die Vorder- und Hinterwurzeln
vereint verlaufen, verlassen die viszeralen Fasern den Spinalnerven und
treten mittels der Rami comviunicantes (praeganglionares) in ein Knoten-
geflecht über, welches hier zuerst eine Anordnung zu einerö Grenzstrang aufweist.
Aus den Ganglien jenes Grenzstranges gehen die postganglionären
Fasern zu den Gefäßen und Eingeweiden.
Die soniatoscnsiblen Elemente der Hinterwurzeln gehen bei vielen
Teleostiern sowohl aus den üblichen extramedullären (teilweise noch bipo-
laren) spinalen Ganglien liervor, als auch aus sensiblen Zellen, welche ihren
Platz innerhalb des Rückenmarkes, wie bei den Zyklostomen, oder direkt
oberhalb desselben haben.
Solche primitiven intra- und supramedullären Ganglienzellen i) kommen
') Ich lasse hier eine Liste folgen, in welcher die Tiere, bei denen diese Zellen bis
jetzt nachgewiesen wurden, und die Namen der Untersucher, welche sie dort aullanden,
so vollständig wie möglich wiedergegeben sind. Bei einzelnen dieser Tiere (mit einem
Sternchen bezeichnet) kommen die Zellen (wie bei Plagiostoraen) nur in larvalem
Zustande vor.
Ordnung 1. Acanthopterygü:
Fam. Percidae: Perca tluviatilis (Kolster). Labrax*.
Fam. Scorpaenidae: Scorpaena, Hemitriplerus. (Tagliäni.)
Fam. Sciaenidae: Corvina nigra. (Tagliäni.)
Fam Batrachidae: ßatrachus. (Tagliäni.)
Fam. Pediculati: Antennarius histrio, Lophius piscatorius. (Fritsch. Kappers), und
bei allen andern Pediculaten. (Dahlgres).
Fam. Cottidae: Trigla (?), Cottus.
Fam. Cataphracti: Pei'istetus (Tagliän'i) Dactylopterus (Tagliäni).
Fam. Discobali: Cyclopterus lumpus.
Fam. Gobidae: Callionymus lyra.
Fam. Blennidae: Zoarces vivipara.
Ordnung It. Acantliopterygii pharynt/ognathi:
Fam. Labridae: Ctenolabrus pavo (Johnston); Utenolabi-us adspersus (Sargent).
Ordnung IIL Anacanthini:
Fam. Gadidae: Lota (?)
Farn. Ophidiidae: Fierasfer homei ( '/)
Fam. Pleuronectidae: bei allen (Dahlgren).
Ordnung IV. Physostumi:
Fam. Cyprinidae: Rodens' (STUDNigKA), Catostomus (Johnston).
Fam. Salmonidae: (Harrison) Salmo salar *, Salmo fario " (Rohon, v. Gebuchten )-
Coregonus adspergus und C. albus (Johnston).
Fam. Symbranchidae: Monopterus, Symbranchus.
Ordnung V. Lophobranchii :
Fam. Syngnathidae: Syngnathus, Hippocampus.
Ordnung \'I. Plectognathi:
Fam. Sklerodermi Balistes (Tagliäni), Gymnodontes, Tetrodon (Haller;.
Orthagoricus mola (Tagliäni und Haller).
Außerdem sind die betreffenden Zellen in larvalem Zustande nachgewiesen bei einigen
G.moiden (Acipenser (v. Ki:pffer) und Lepidosteus (BeaiU))) und bei den Dipnoi (Protop-
terus; (Burckhariit)).
DAS RUCKENMARK DER UANOIDEN UND TELEOSTIEK
139
u. A. bei Lophius piscatorius vor (Fig. 70), wo sie von FRiTscir entdeckt
wurden.
Die Zellen können sich fast über das ganze Rückenmark ausdehnen,
häufen sich jedoch meistens auf dem frontalen Abschnitt desselben, wo sie
größtenteils auf dem Rückenmarke und unterhalb der Meninx liegen, jedoch
auch innerhalb desselben, direkt dorsal oder kaudal von der hintersten
Spitze des motorischen Vaguskernes, dorsal vom Zentralkanal. Auch können
sie sich bis in die Oblongata selber ausdehnen, wo sie dann oberhalb
des motorischen Vaguskernes liegen (Tetrodon).-
Supramed. Gaugl.z
Meninx.
prim.
tr. tcoto-spin.
Lob. seus cerv.
Fase, dors.-
lat. und auf •
St. Hinterw.
fas.
Vorderlioruzel-
len Dorso-med-"
Gruppe.
'Ä
■ (i** ' ■'
%■-(&
•5. - y- Hint.Wurz.
" /■ Auösertj.s
., Blatt, der
Men. prim.
l'r. spin. bulb.
et mesenc.
■Vord. Würz.
Tr. vest. spin. cruc. lat.
VüraerliornzLlku
Ventro-lat. Gruppe.
gekreuzte
Refle.xfas.
f. long, centr. tr. vest. spin. med.
Fig. 70. Querschnitt Hiirch Has obere Zervikalm:irl< von Lophius piscatorius.
Die Zellen können sehr groß sein, wie bei Lophius, wo endozelluläre
Kanälclien vorkommen, welche vielleicht als Lymphktipillare zu deuten
sind (Studnicka).
Im allgemeinen haben sie eine rundliche oder ovale Forni und können
sie mit einem ganz kurzen Dendritennetz, oder auch mit einer Art von
Membrana fenestrata, umgeben sein, wodurch die Ähnlichkeit mit den extra-
medullären Spinalganglienzellen der Teleostier (Fig. 9) noch größer wird.
Da auch die Spinalganglienzelliii in den Interverteliralganglien der
Teleostier eine crhel)liche Grölie crnMcbeu kcinneu, ist die l 'bercinstim-
mung dieser Zellen mit den extramedullären Ganglienzellen evident.
140 DAS RÜCKENMARK DER GANOIDEN UND TELEOSTIER
Man kann den zentralen, marklosen Ausläufer dieser intra- und
supramedullären Zellen (den Neuriten) sehr deutlich (namentlich bei
Antennarius und Tetrodon) in einem dorsolateral liegenden Bündel des
Rückenmarkes nach dem Grau des spinalen Trigeminuskernes aufsteigen
sehen, in dessen Richtung auch ein Teil der zentralen Ausläufer der Spi-
nalganglienzellen zieht (die eigentlichen Hinterwurzeln des Zervikalmarkes).
In letzter Zeit ist es auch gelungen, den peripheren Ausläufer der
inti-a- und supramedullären Zellen bis in die Haut zu verfolgen i), sodaß
die sensible Natur der Zelle damit gesichert ist (Johnston).
Wir linden hier also, im Gegensatz zu den Zyklostomen und Plagios-
tomen, eine extramedulläre Verlagerung dieser Zellen in der Richtung des
Reizes, d. h. in der Richtung der Peripherie.
Die teilweise supramedulläre Lage, welche zweifellos sekundär ent-
standen ist, kann durch neuro-biotaktische Einflüsse erklärt werden.
Die Persistenz der RoHON-BEARD'schen Zellen bei manchen Knochen-
fischen, nach dem larvalen Leben, ist wohl der einzige Moment, wodurch
ihr Nervensystem ein primitiveres Verhalten zeigt als die Solachier.
Die von ihnen übermittelte Sensibilitätskomponente ist vorläufig unbe-
kannt. Sie gehört jedenfalls zu den primitivsten Sensibilitätskomponenten
(vergl. hierzu die Amphibienlarven, wo ihre Funktion besser bekannt ist).
Auch die von den Spinalganglieiizellen übermittelten Empfindungen dürften
kaum, oder nicht über die vitalen Sinne, der nicht scharf lokalisierbaren
Berülu'ungen des Schmerzes, der groben Temperatur- und der ehemischen
Empfindungen hinausgehen. Jedenfalls sind auch hier bis jetzt keine zusam-
mengesetzten Endkörper gefunden. Ihre peripheren Wurzelareale überdecken
sich nach v. Rijnbekk etwa um die Hälfte (Pleuronectes).
Bezüglich der zentralen Verbindungen der Spinalganglienzelkn liegt hier
nicht genau dieselbe Sachlage vor, wie bei den Selachiern.
Die Hinierwurzeln treten etwas seitlich von der grauen Substanz der
Hinterhörner ein und teilen sich namentlich in dem hinteren Abschnitt der
SeitenMränge, in auf- und absteigende Äste.
Direkte Reflex- oder sensitivo-motorische Kollateralen (zu den ^'order-
hornzcUen) geben sie bei den Teleostiern nicht ab, was nicht befremdend
ist, weil ein Teil der Dendriten der Vorderwarzelzellen noch in die Hin-
terhörner reicht (s. o.).
Spärliche Kollateralen nach dem Hinterhorn der andern Seite sind
aber nachgewiesen (Martin, Retzius, van Gehuchten).
Der laterale Verlauf der aufsteigenden (und absteigenden) Aste der
Hinterwurzelfasern ist bei den Teleostiern sehr ausgeprägt (vergl. Fig. 70).
Durch diesen überwiegenden Verlauf in den Seitensträngen sind die
Hinterstränge nur spärlich entwickelt und liegen die Hinterhörner einander
') Ein Seitenzweig für die Muskelsensibilitat, wie bei Plagiostotncn und Aiiipbiljien
ist bis jetzt bei Teleostiern nicht nachgewissen.
DAS RÜCKENMARK DKK flAXOlDEN UND TEI.ROSTTER. 141
SO nahe, daß die graue Substanz hier noch mehr den Eindruck eines
umgekehrten Ypsilons (a) macht als bei den Plagiostomen (siehe Fig. 69).
Die geringe Fasermasse, welche sich zwischen denselben befindet, l)e-
steht wie bei den Selachiern liauptsäclilich aus sekundären Neuronen,
von denen die meisten einen deszendierenden Charakter haben.
Bei denjenigen Tieren, bei denen die oberen Zervikalwurzeln besonders
entwickelt sind, ist die Anhäufung der Wurzelfasern in den Seitensträngen
dort sehr auffallend, (vergl. Fig. 70).
Man findet dort dorsale Anschwellungen, von denen wohl zu betonen
ist, daß es sich dabei nicht liandelt um frontale sensible Kerne für aufstei-
gende Hinter wurzelfasern aus dem ganzen Bückenmark, wie bei den Goli-
'schen und BuRDACH'schen Kernen der Säuger, sondern um rein lokale
Anschwellungen für die zervikale Sensibilität.
Beispiele solcher lokalen Anschwellungen sind namentlich bei Lophius
und Trigla zu finden, wo die ersten sensiblen Zervikalnerven durch ihre
enorme Hypertrophie zu einer erstaunliclien Vergrößerung der frontalen
Abschnitte der Dorsalhörner Anlaß geben.
Bei Lophius ^) ist es nur ein Lobus sensibilis, welcher sich dadurch
bildet (Fig. 70). In diesen enden der erste Zervikalnerv und die abstei-
Fig. 71. Präparat des Gehirnes und des Zervikalmarkes eines Trigla
hirundodera links ein Tasterfehlte. Man beachte die Abwesenheit der hin-
teren linken Zervikalmarkausschwclliing. Prae)). des Anatom. Musen ms.
gende Trigeminuswurzel. Ersterer versorgt die stark vermehrte Sensibilität
der vordem Flo.ssen, letztere den enormen Kopf dieses Tieres.
Bei Trigla (Fig. 67 A) findet man drei Paar Höcker im obern Zervi-
kalmark, deren rein lokale Bedeutung bereits daraus hervorgeht, daß sie
korrespondieren mit den ol>eren drei Zervikalnerven, welche die drei
freien Flossenstrahlen, die sich zu Tastorganen diÖeren ziert haben, inner-
vieren.
Daß die Sensibilität dieser Tastorgane dort lokalisiert ist, wird in
klarer Weise durch ein Exemplar (Fig. 71) bewiesen, wo an der linken
') Vergl. hierzu die FuDnote auf S. 136.
142 DAS RÜfKENNfARK DER GANOIOEN UND TELE08TIER.
Seite der kaudalste der drei Flossenstrahlen und dementsprechend aucli
der hinterste Höcker an derselben Seite atrophisch ist (B''oto, nach
einem Präparate Bolk's).
Bei diesen Tieren — wie Lophius und Trigla — ist auch das laterale
Wurzelbündel auf diesem Niveau sehr stark (Fig. 70) und kann es
Anlaß geben zu einer seitlichen Anhäufung grauer Substanz, die wegen
der Aufnahme der aufsteigenden lateralen Wurzelfasern als Nucleus funiculi
lateralis bezeichnet ist (Herriok).
Auch dieser Kern ist nicht einem Hinterstrangkern der Säuger
homolog, weil die aus ihm hervorgehenden sekundären Bahnen wesentlich
anderer Natur sind, als die aus den Hinterstrangkernen der Säuger.
Die sekundären Bahnen im Rückenmarke dei' Knochenfische können im
allgemeinen in gekreuzte und gleichseitige Neuronen unterschieden werden.
Die Ursprungszellen der erstgenannten sind Komrnissurzcllen, welche
die ältesten sekundären Neuronen bilden.
Die Axonen dieser Zellen verlaufen nach Kreuzung in der Commis-
sura antericw- in den Vorder- und Vorderseite-Strängen der andern Seite,
namentlich in demjenigen Abschnitt des Fasciculus löngitudinalis centralis i),
der zwischen der eigentlichen Commissura anterior und der Commissura
ant. accessoria liegt. Viele dieser Fasern dichotomisieren sich dort in einen
aufsteigenden und absteigenden Ast.
Die meisten davon dehnen sich wohl nur innerhalb des Rückenmarkes
selber aus.
Es gibt darunter aber aucli Fasern, welche erst eine Strecke weit in
dem gekreuzten Vorderstrang und dann in den Seitenstrang verlaufen und
in die Oblongata reichen (v. Gbhuchten), so einen Tractus spino-bulbarw
crudatus bildend.
Es handelt sich hierbei offenbar nur um die sekundär sensible Bahn
Edinger's, welche die primitiven Sensibilitätsempfindungen (Schmerz, Tem-
peratur und einfacher Berührungssin '-)) führt.
Auch ein Tr. spino-inesencephalicu.s (Fig. 70) dürfte aus solchen Zellen
hervorgehen.
Die gleichseitigen endogenen Fasern des Rückenmarks, die Strangzellen,
liegen ebenfalls in der ganzen grauen Substanz verbreitet. Ihre Dendriten
wie die der Kommissurzellen dehnen sich teilweise durch die Commissura
protoplasmatica posterior auf die kontrolaterale Seite aus. Ihre Axonen
) Das Bündel, welches in der Oblongata seine Lage dorsal, direkt unterhalb des
Ventrikelbodens hat (daher F. 1. dorsalis oder posterior), liegt im Rückenmark in dessen
ventraler Hälfte (daher auch wohl F. I. ventralis). Man nennt es am besten Fase. long,
centralis, wegen seinei- zentralen Lage, sowohl in der Oblongata als im Rückenmark.
äj Auch bei den Saugern (namentlich beim Menschen) ist von M.^nn, Petren u.
anderen konstatiert, daß die sekundäre Bahn der primitiven Sensibilität von dem Vor
derstrang in den Seitenstrang übergeht, also bajonettförraig verläuft
n.VS RÜCKENMARK DER GANOIDEN UND TELEOSTIER. 143
ziehen teilweise in die \''or(ler- und Hinterstränge, größtenteils aber in
die Seitenstränge.
Ahnliche Kommissur- und Strangzellen bilden bei denjenigen Tieren,
bei denen eine erhebliche lokale Verinehi'ung der zervikalen Sensibilität
auftritt (s. o.), den oberwähnten Nucleus funiculi lateralis seitlich von dem
Grau der Hinterhörner.
Seine Zellen empfangen aulierhalb der Wurzelfasern Schaltneuronen
aus den Hinterhörnern. Wie ans den Hinterhörnern gehen aus ilim ge-
kreuzte Bahnen zum Mittelhirn und kürzere Reflexbahnen zu der Formatio
reticularis der Ohlongata und (deszendierend) zu den naheliegenden N'en-
tralhörnern. Homolateral zieiit aus diesem Kern eine mächtige spinozere-
belläre Bahn, Tr. spino-cerebellaris dorsalis zum Kleinhirn (Herrick) i).
Aus diesem Verhalten geht hervor, daß die grauen Massen im oberen
Zervikalmark der Knochenfische nichts mit den GoLL'schen und Burdach'-
schen Kernen, wie wir sie bei den höhern Wirbeltieren antreffen,
gemein haben, sondern daß sie, wegen der Abgabe von Reflexbahnen
nach motorischen Zentren und als Ursprungsstelle spino-mesenzephaler
und spino-zerebellärer Neuronen, dui-chaus als Hinterhornteile zu be-
trachten sind. Dasselbe gilt für den spinalen Trigaminuskern.
Bei diesen Teleostiern ist also die frontale Projektion der primitiven,
vitalen oder protopathischen Sensibilität (s. S. 84 und 35) besonders
stark ausgebildet.
Die aus frontaleren Gebieten nach dem Rückenmark absteigmiden Neu-
ronen sind teilweise dieselben wie bei den Haien, mit dem Unterschiede,
daß die in dem Fasciculus longitudinalis centralis verlaufenden, absteigenden
Fasern bei den Selachiern überwiegen, während wir bei den Teieo.stiern,
namentlich in dem ventrolateralen Strange, sehr mächtige absteigende
vestibuläre Bahnen finden — wie den Tractus vestibulo-spinalis cruciatus late-
') Die Verhältnisse in dieser Gegend sind besonders von Herrick an einer amerika-
nischen Trigla-Art (Prionotus carolinus) sehr eingehend studiert worden.
Dieses Tier hat, wie die obenerwähnte europäische Form, di-ei feste F"lossenstrahien,
welche von den drei ersten sensiblen Zervikalnerven innerviert werden.
Es hat aber nicht 3 Lobi sensibiles an jeder Seite des Zervikalmai-kes, sondern 6.
welche sich jedocli auch in 3 Gruppen ordnen lassen.
Der erste Lobus nimmt die deszendierende 'l'rigeminuswurzel, somatische Wurzelfasern
des Vagus und den er.sten Zervikalnerven auf; die darauf folgenden beiden zusammenge-
hörigen (2. und 3.) Lobi nehmen den zweiten sensiblen Zervikalnerven auf und die drei
letzten Lobi (4, 5. und ö.) den dritten sensiblen Zervikalnerven. Die zu einander gehö-
renden Lobi sind duich Fasciculi proprii verknüpft und weisen überdies Koinmis-
sursysteme auf, welche frontal in derr somatischen Abschnitt der- Commissura inIrma
übergehen.
Der Dorsalstrang des Rückenmarkes dieses Tier-es besteht nun hauptsächlicli aus
sekundären, deszendierenden Fasern dieser Lobi, und auch der ventro-laterale und nament-
lich der dor-so-lateraie Strang ist erheblich dur'ch deszendier-ende Fasern dieses Gebietes —
namentlich der hintersten Anschwellungen-vei'stärkt.
144 DAS RÜCKENMARK DER GANOIDEN UND TELEOSTIER.
ralis Wallenberg's u. A., die uuch wohl für die mehr ventrale Lage der
Vorderhornzellen verantwortlich sind (Fig. 70).
Eine ahnliche Bahn, aher ungekreuzt, verläuft im ventralen Abschnitt
des Vorderstranges kaudalwärts: Tr. vestibulo-spin. medialis.
Wir haben diese ventraleren Bahnen auch schon bei den Selachiern
gefunden; dort traten sie aber in Größe sehr hinter den dorsaler liegenden
Systemen des zentralen Längsbündels zurück.
Auch hier fehlen jene Sj^steme nicht und verlaufen darin viele Fasern
aus den retikulären Kernen der Oblongata in das Rückenmark.
Nach BARTELXfEZ verlaufen dieselben gekreuzt und ungekreuzt in
medialen Längsbündeln kaudalwärts, und begleitet ein Teil derselben die
großen MAUTHNER'scAe« Fasern (vergl. Kap. IV) bis an die Stelle, wo diese
um die motorischen Kerne des Schwanzes enden.
Mittels dieser retikulären Kernen werden optische und statische Reize
sowohl wie Empfindungen der Kopf.sensibilität uml des (ieruclis den Bewe-
gungszentren des Rückenmarkes übermittelt.
Ein Unterschied zwischen den Selachiern und den Knochenfischen
liegt namentlich darin, daß sich bei den letzteren absteigende Geschmacks-
bahnen finden. Bei denjenigen Tieren, welche viele Geschmacksbecher auf
dem Körper haben, namentlich bei den Gadiden, wo diese auf den Brustflossen
vorkommen (Herrick) ziehen sekundäre und tertiäre Geschmacksbahnen
teilweise in dem zentralen Längsbündel, und ventrolateral davon in das
Zervikalmark, wo sie teilweise in Korrelation treten mit Tastempfindungen
der jenigen Körperabschnitte, auf denen die Geschmacksbecher sich be-
finden, teilweise sofort zu den motorischen Zentren ziehen. Da die Ge-
schmacksnerven alle Kopfnerven simi (Kap. III), ist liierdurch eine stärkere
Zephalisation der Rückenmarksretlexe als bei den Plagiostomen vorhanden.
Die Untersuchungen von Retzius, Maktix und van Gehuchten über die
Küllsuhstanz des Rückenmarkes dieser Tiere wurden nur an embryonalem Material
angestellt und bewiesen die Anwesenheit von Eadiärfasern von EpendymzeUen, deren
Körper dem Zentralkanal naheliegt, während ihr trompetformiger Fortsatz — mit
reichlichen Seitenfortzätzen versehen — bis zur Peripherie reicht.
Autonome GllazrUen, also Astrozyten d. h. solche Zellen, deren Körper nicht
in der Nähe des Zentralkanals bleibt, waren in diesen Stadien noch nicht nach-
weisbar. Es ist aber seit den Untersuchungen von Kolsteh, Erik Müllee und
Marengui (S. 48) nicht zu bezweifeln, daß bei ausgewachsenen Tieren ein höheres
»Stadium der Hüllsubstanz {Gliazellen) vorliegt, ähnlich wie bei den Haien.
Die RückenmarkshüUen sind (Sterzi) bei den Teleostiern denjenigen der
andern Fische im Prinzip ähnlich. Es handelt sich hier um eine einzige Meninx
primitiva, welche durch ein sehr loses perimeningiales Gewebe von der Endorrhachis
getrennt ist.
Das perimeningeale Gewebe ist bei den Teleostiern adipöser Natur.
Die Meninx primitiva selber kann manchmal in zwei Blätter geteilt werden,
ein äußeres mehr oder weniger pigmentiertes Blatt, welches aus flachen Zellen be-
steht und ein inneres Blatt (vergl. Fig. VO).
In der Meninx kommen verdickte Stränge vor, welche sich als JJfjamentxnn
DAS RÜCKENMARK DER AMPHIBIEN. 145
ventrale mit der Endorrhachis an der Stelle der ersten 5 bis 8 intervertebralen
Gelenke verbinden, und ein Ligamentum laterale, welches sich zwischen Vorder- und
Hinterwurzeln anheftet und sich stellenweise durch den perimeningialen Raum mit
der Endorrhachis verbinden kann (Stehzi).
Die Meninx primitiva enthält zahlreiche Grefäße, welche (von Septen begleitet)
in das Rückeumark, namentlich in die graue Substanz desselben, eindringen.
Das Rückenmark der Amphibien.
Die Teleostier bilden einen Seitenzweig in der Reihe der Wirbeltiere.
Was die phylogenetische Entwickling des Rückenmarkes betrifft,
schließen sich die Amphibien in manchen Hinsichten viel mehr den
Haien an als den Knochenfischen, wie bereits von v. Lenhossek bemerkt
wurde, und wie ich selbst auch für die Oblongata und das Vorderhirn
betont habe.
Der Anschluß dieser Tiere, namentlich der geschwänzten Amphibien,
an die Plagiostomen ist ein so markanter, daß ich mich hier kurz fassen kann.
Ehe ich zu der Beschreibung des Rückenmarkes der schwanzlosen
Amphibien übergehe, werde ich einiges über die sehr primitiven Ver-
hältnisse, wie sie bei den Larven der geschwänzten Amphibien gefunden
werden, mitteilen, weil diese Verhältnisse von allgemein biologischer Be-
deutung sind und gewisse Strukturverhältnisse besser beleuchten.
Wie bei den Plagiostomen (und im Gegensatz zu den Teleostiern und
Zyklostomen) legt sich das Rückenmark der Amphibien als eine von An-
fang an offene Röhre mit einem weiten Zentralkanal an (vergl. Fig. 201).
In diesem Kanal kann bei weiterer Entwicklung ein Sulcus limitans die
dorsale, primär sensible Flügelplatte von der ventralen primären moto-
rischen Grundplatte trennen.
Eine raetamere Einteilung läßt sich aber nach Schließung des Rohres
nicht sehen.
Die Zahl der Wurzeln . bei den geschwänzten Amphibien ist sehr groß,
auch bei der Larve, aber sowohl die Vorderwurzeln als die sensiblen Hin-
terwurzeln bei der Larve weisen große Unterschiede gegenüber dem Zustande
auf, wie er in ausgewachsenen Tieren gefunden wird, indem das erste sensible
Neuron bei den Larven (Coghill), nur von transitorischen sog. Rohon —
BEARD'sc/ien Zellen gebildet wird, wie wir sie bereits bei Plagiostomen und,
bleibend, bei den Teleostiern und Zyklostomen kennen gelernt haben.
Diese großen sensiblen Ganglienzellen liegen hier in der dorso-lateralen
Seite der Medulla und senden einen Dendriten peripherwärts, welcher
sich verzweigt und teils der Haut-, teils der Muskeisensibilität dient (Fig. 72).
Der Axon dieser Zelle (A. B. Fig. 72 A) verläuft frontal wärts in einem
dorsolateralen Bündel, das mit Bogenfaserzellen korrespondiert, die in dem
jüngsten Stadium der Entwicklung der Reflexe bloß auf der Grenze von
Rückenmark und Oblongata vorkommen (Fig. 72 B), später jedoch auch
frontal und kaudal von dieser Stelle sich bilden.
Kappkus. tO
146
DAS RÜCKENMARK DER AMPHIBIEN.
Strangzelle.
Diese Kömmissurzellm- (oder Bogenfaserzellen Fig. 72 B) übertragen rleu
Impuls auf ein deszendierendes Neuron {Strangzelle, Fig. 72 B), dessen Längs-
faser im Rückenmark bleibt, aber ein Kollateral als primitive motorische
Wurzel nach dem Myotom (M.) sendet; wie es auch bei einigen Everte-
braten (den Krustazeen) vorkommt.
Die Längsfaser endet um eine Zelle, die sich wieder ebenso verhält,
deren Hauptaxon also auch als Längsfaser im Rückenmark bleibt und nur
ein Kollateral in das Myotom schickt. (Siehe Fig. 72 B).
' Dieser Reflexweg ist also ein
ganz anderer als derjenige, den wir
im ausgewachsenen Rückenmark
kennen.
Als Besonderheiten sind hierbei
also nametülich zu betonen:
1) die Tatsache, daß ein einziges peri-
pheres Neuron (die Rohon-Baerd'-
sche Zelle) sowohl durch einen
■ exterorezeptiven Beiz {Baut) als
durch einen propriorezeptiven Reiz
(Muskel) erregt werden kann, tvelch
Bogerifas. zelle.
Fig. 72 A. Verästelung der peripheren
(sensiblen) Ausläufer einei- Rohon-Beard-
schen Ganglienzelle in Haut und Mus-
kel bei einer Tritonlarve, n. Coghill.
A. B. = aufsteigendes Bündel.
Fig. 72 B. Übertragung der Reize von
den Rohon-Beardschen Zellen (R. B.) durch
eine Bogenfaserzelie auf die Strangzeilen
mit Vorderwurzel-kollateralen bei einer
Tritonlarve n. Coghill.
M = Myotom.
letzterer Reiz entsteht, wenn der Muskel sich kontrahiert. Hieraus geht wieder
hervor, daß nicht nur der oberflächliche Berührungssinn (mit dem Schmerz
und Temperatursinn) zu den primitivsten vitalen Empfindungen gehört, aber
auch ein Muskelsinn darin bereits vertreten ist, und daß dieser pnmitive vitale
Muskelsinn von denselben gekreuzten sekundären Bahnen geleitet wird, wie die
übrigen primitiven vitalen Empfindungen; ■
2) die peripheren motorischen Neuronen sind noch nicht individuell von dem ze)i-
tralen, deszendierenden Bündel differenziert, sondern nur Ko [lateralen desselben ;.
3) daß der Reflexweg, ivelchen die sensorischen Impulse nehmen müssen, bevor
sie ihren Effekt ausüben, ein sehr langer ist, (namentlich in dem jüngsten
DAS RÜCKENMARK DKR A ^rrTTT^.TF;^'.
147
Stadium, in welchem fast nur im frontalsten HalSmark Bogerifascrn vor-
kommen) ;
4) daß dabei viele Synapsen vorkommen, weil die einzelnen Neuronen relativ
kurz sind.
Diese Reflexbahn, wie sie von Coghill und Herrick beobachtet wurde,
macht schon in halb ausgewachsenen Larven andern Verhältnissen Raum,
indem die transitorischen Ganglienzellen verschwinden,
und aus der Neuralleiste sich wirkliche Öpinal-Ganglien-
zellen entwickeln, worin die propriorezeptiven und die
exterorezeptiven Zellen geschiedene Vertreter haben.
Auch das eferente System ändert sich, indem aparte
Vorderwurzeln erscheinen, was vielleicht dadurch statt-
findet, daß von dem Kollaterals^^stem der Hauptaxoii
jenseits der Stelle, wo das motorische Kollateral
abgeht, verkümmert und dadurch das Kollateral zum
Hauptaxon wird i). Außerdem werden zahlreiche neue
Neuronen angelegt, sowohl Vorderwurzelzellen als Kom-
missur- und Strangzellen.
Dabei entwickeln sich nun die Dendriten der Kom-
missurzellen und der motorischen Zellen in enormer
Weise durch den ganzen Querschnitt des Markes (wie
wir dies auch bereits bei Zyklostomein und Plagiostomen
fanden) und ist die Möglichkeit entstanden, Reize von
vielen verschiedenen Systemen zu übernehmen.
Bei den schwanzlosen Amphibien finden wir im aus-
gewachsenen Zustande Verhältnisse, die in manchen
Hinsichten eine Regression, in andern einen Portschritt
im Vergleich zu den ausgewachsenen geschwänzten Am-
phibien und den Plagiostomen aufweisen.
Während wir bei den gfeschwänzten Amphibien mehr
als zwanzig, bei Haien noch viel mehr Rückenmarks-
wurzelpaare finden und bei den letztgenannten außerdem
noch eine Anzahl von intrakranial austretenden okzipi-
talen und extrakranial austretenden okzipitospinalen Wur-
zeln, ist blo.sz die letztgenannte Gruppe beim Frosch an-
wesend und nur durch einen Nerven vertreten, der einen
Abschnitt des ventralen Astes des H. Spinalnerven bildet
und als Hypoglossus die Zunge innerviert (Gaupp).
Der erste Spinalnerv fehlt, und die Zahl der blei-
benden Spinalnerven beträgt nur zehn oder elf.
Diese geringe Zahl der spinalen Nerven findet hauptsächlich darin ihren
Fig. 7.%
RückenniarU und
Filunitenninalc
on Rana nmgiens.
') Wenn umgekehrt (Jie cieszenflierende Uückenmarksfaser hypertiophiert, geht walii'-
scheinlich da.s Vorderwnrzel-KdUateral zugrunde und entsteht eine reine Strangfaser.
148
DAS RUCKENMARK DER AMPHIBIEN.
Grund, daß diejenigen Rückenmarkswurzeln (etwa zehn), welche den
Schwanz der Larven und der geschwänzten Amphibien innervieren, beim
ausgewachsenen Frosche verloren gehen. Infolgedessen besitzt das Rücken-
mark des ausgewachsenen Frosches, gerade wie bei einigen Teleostieren,
ein sehr langes Filum terminale, (Fig. 73) welches seinen Ursprung jener
Verkümmerung zu verdanken hat i). Dieses Filum terminale enthält keine
Wurzelzellen, sondern nur spärliche, oft variköse Ausläufer von Strang- oder
Kommissurzellen (Fig. 74 A), während es sonst hauptsächlich aus gliösen
Elementen besteht, einer Fortsetzung der Substäntia gliosa centralis.
In der vorderen Hälfte des Filum findet man noch eine Anzahl
absteigender Hinterwurzelfasern (F. p. : nahe der dorsalen Mittellinie),
welche den Lumbosa-
/r- P- kral wurzeln entstam-
men. In den Vorder-
seitensträngpn liegen
(F. a. 1.) absteigende,
sekundäre Neuronen
vor (vergl. Fig. 74 A).
In der unteren
Hälfte des Fikims sind
auch diese Fasern fast
gänzlich verschwun-
den, und findet man
oberhalb des stark
nach vorne verlager-
ten Zentralkanals stel-
lenweise große, rund-
liche Spalten in der
gliösen Masse, welche
das Filum darstellt
(Fig. 74 B).
Das Rückenmark
selber zeigt gegenüber
den Fischen einen großen Unterschied dadurch, dasz es eine Intumescentia
cervicalis und eine Intumescentia lumbalis aufweist, eine Tatsache, welche
der Entwicklung der ziemlich großen Extremitäten dieser Tiere zu ver-
danken ist.
Während die primitiven sensiblen und primitiven motorischen Wur-
zeln bei Larven alternieren (Fig. 72 B), weil der Anstritt der estgenannten
met den Septen, derjenigen der letztgenannten mit den Mytomen korre-
m%
Fig. 74 A. Querschnitt durch die obere Hälfte des
Filum terminale von Rana niugiens.
') Die Verkürzung des Rückenmarkes schreitet in sehr seltenen Fällen noch weiter.
So beschrieb Sm.^llwood das Rückenmark eines Bufo (Kröte) in dessen hinteren Abschnitt
der VIT bis .X Nerv ganz zusammengedrängt waren.
DAS KUC'KKNMAKK DEK AMrHlBJP:N.
149
Dorsal-
spalte
spondiert, treten die ventralen und dorsalen Wurzeln des ausgewachsenen
Froselies schon auf einem annäliernd ') gleichen Niveau aus (Fig. 75 oben).
Die ventralen Wurzeln sammeln sich aus zahlreichen Bündelchen, sodaß
ihr Austritt in sagittaler Richtung ein größeres Areal einnimmt als derje-
nige der Hinterwurzeln, obwohl letztere meist dicker sind und die Zahl
ihrer Fasern die der motorischen übertrifft.
Die ventralen Wurzeln enthalten nur ungekreuzte Fasern, deren Ur-
sprungszellen wie bei den
Plagiostomen die Tendenz
zeigen, sich an der Grenze
der grauen und weißen Sub-
stanz anzuhäufen (Fig. 77).
In den Anschwellun-
gen vermehrt sich die graue
Substanz der Vorderhörner
(Figur 75).
Man kann in ihr zwei
Zellsäulen unterscheiden,
eine medioventral im Vor-
derhorn gelegene, welche
sich ungefähr über die ganze
Strecke des Rückenmarkes
ausdehnt, und eine mehr
lateral im Vorderhorn lie-
gende, die fast nur im Be-
reiche der Intumescentia cer-
vicalis und Intumescentia lum-
balis vorkommt.
Der Umstand, daß die laterale Vorderhorngruppe namentlich in den
Anschwellungen vorkommt, läßt uns vermuten, daß diese die Muskulatur
der Gliedmaßen innerviert, wie durch experimentelle Untersuchungen be-
stätigt ist (Sano).
Während wir hierin einen Unterschied mit den Haien erblicken, liegt
wieder eine Übereinstimmung mit jenen Tieren vor in der Ausdehnung der
Dendriten durch den ganzen Umfang der weißen Substanz bis zu der
Pei'ipherie des Markes, wo auch hier ein perimedulläres oder marginales
Dtndritenneiz gebildet wird, das sich namentlich auf den Vorder-Seitenstrang
ausdehnt (vergl. Fig. 77, mit Fig. 63) und in Kontakt mit Kollateralen
jener Stränge tritt.
Außer diesen Dendriten findet man hier solche, welche in der Com-
missura anterior kreuzen (Comm. protoplasmatica anterior, Fig. 77) und
Bogenfaser.
Zentralkan.
Fig. 74 B. Querschnitte durch die hintere Hälfte
des Fihuii terminale von Rana inugiens.
') Hammer fand jedoch bei Rana mugiens die Korrespondenz zwischen ventralen unri
dorsalen Wurzeln nicht stets vollständig.
1 50
DAS RUCKENMARK DEK AMPHIBIEN.
MB
LB
M.W s'
sw.
"^ M.W.
\
.■=^
Fl?;. 75. Schnitt durch das Zervikal mark (oben),
Dor.salmark (Mitte) und
Lumbalraark (unten). von Rana mugiens.
DAS RÜCKENMARK DER AMPHIBIEN. 151
schließlich sensitivo-motorischen Dendriten, welche in die graue Substanz
der Hinterhörner ziehen, aber beim ausgewachsenen Frosch (wo die sensiti-
vo-motorischen Kollateralen der Hinterstränge sich entwickelen) kaum mehr
vorkommen.
Außer somato-motorischen (für die quergestreifte Muskulatur) führen
die Vorderw'urzeln vüzeromotorische Fasern für .die Rarni communicantes albi.
Auch in den Hinterwurzeln sind solche eferente Axonen durch phj'sio-
logische Versuche Steinach's wahrscheinlich gemacht (von Horton Smith
bezweifelt). Die Ursprungszellen jener sympathischen Fasern dürften an der
Basis des Hinterhornes liegen.
Die sensiblen Empfindungen, welche sich auch beim Fro.sch wesentlich
auf vitale Reize beschränken dürften, erreichen das Rückenmark — nach-
dem die RoHON'schen intra-medullären Zellen (s. o.) verschwunden sind —
bloß durch die spinalen Ganglienzellen i).
Die peripheren Fortsätze dieser Zellen verteilen sich in der Haut nach
bestimmten Segmenten (Eckhard, Koschewnikoff und Sherrington),
welche auf den großen hinteren Extremitäten eine Anordnung haben, die
darauf hinweist, daß eine starke Dehnung bei ihrer Ausbildung eine Rolle
spielt. Ob die Überdeckung, welche bei den Rumpfdermatomen sehr
erheblich ist, auf den Extremitäten geringer wird, ist nicht sicher. Jeden-
falls ist sie dort noch sehr groß (vergl. Fig. 76, Sherrington).
Die zentralen Fortsätze treten in das Rückenmark nahe der sog. Zona
marginalk des Hinterhorns. Dabei fällt auf, daß die links- und rechtsseitigeri
Hinterhörner einen gröszeren Raum zwischen sich fassen als bei den
Fischen, indem die auf- und absteigenden Aste der sensiblen Wurzeln
hier überwiegend in den Hintersträngen verlaufen, welche dadurch brei-
ter sind.
Die Prozentzahl der Hinterstränge auf der gesamten weißen Substanz
im Zervikalmark beträgt beim gewöhnlichen Frosche etwa 13 % (s. aber u.),
während sie bei den Fischen nur etwa 5°/^ — 6% ist (Brouwer).
Dadurch sind die Hinterhörner weiter auseinander gedrängt und hat
die gesamte graue Substanz des Rückenmarkes viel mehr die Form eines
H (Fig. 75), anstatt eines umgekehrten Ypsilons (a) wie namentlich bei
den Haien der Fall ist.
Beim Eintritt der Fasern kann man zwei Hauptbündel unterscheiden,
ein laterales Bündel, das sich nach außen wendet und wesentlich in der Zona
marginalis bleibt (Fig. 75: L. B.), und ein stärkeres mediales Bündel (Fig.
75: M. B.) zu den Hintersträngen führend.
Ein Teil des letztgenannten Bündels tritt beim nicht ausgewachsenen
Frosch in Verbindung mit sentivo-motorischen Dendriten der Vorderhorn-
zellen. Diese Verbindung verwandelt sich jedoch bei ausgewachsenen
Tieren, wo diese Dendriten sich nicht mehr so weit nach hinten ausdehnen, in
') Diese sind beim Froscli überwiegend monopolar, nur ausnahmsweise bipolar (G. Levi).
152
DAS RUCKENMARK DER AMPHIBIEN.
Fig. 76 A.
Fig. 76 B.
Fig. 7G A. Erstei- Versuch zur Darstellung der Segmentation der
Haut auf den Extremitäten des Frosches, n. Eckhardt (1847).
Fig. 76 B. Die Segmentalinnervation der Haut der hinteren Extre-
mitäten des Frosches, n. Sherrington. Man beachte die Überdecking.
Segment VIII, auf der rechten Extremität isoliert dargestellt, wird
vorne und hinten (siehe die linke Extremität) völlig überdeckt durch
VII, IX undJX.
DAS RÜCKENMARK DER AMI'HIBIEX. 153
eine solche mittels sensiiivomotorischer Kollateraleii (Cajai,), die hier zuerst
in der Phylogenese auftreten.
Nach Abgabe dieser Koll^teralen steigen die dichotomierten Fasern
weiter auf und ab.
Einzelne degenerieren nach Durchsclnieidung des Rückenmarkes (Sand-
meyer i) nahe der dorsalen Medianlinie bis hoch in die Medulla cervicalis.
Ob das Aufsteigen der Fasern dabei bereits so überwiegend ist, daü
man im obersten Zervikalmark erheblich größere Hinterwurzelstränge
findet durch Akkumulation mit kaudal entstehenden Fasern, ist fraglich.
Zwar bilden im Zervikalmark des Ochsenfrosches die Hinterstränge 20 7o)
im Lumbaimark nur 13 7o *lt;r weißen Substanz. Wir müssen aber im
Halsmark des Frosches betreti's dieses Prozentsatzes vorsichtig sein, weil —
wie Wallenberg nachwies — gerade beim Frosch die spinale Trigeminus-
wurzel und auch ein Teil des Vestibularis und der Vagus-Wurzel eine
ganze Strecke in den Dorsalsträngen des Rückenmarkes absteigt: die IX-X-
Wurzel bis ins 2. oder 3., die Vlll-Wurzel ins 6. Spinalsegment, während
die V-Wurzel, allmählich sich verjüngend, bis zum Anfang der Lumbaian-
schwellung reicht, ebenfalls in dem lateralen Abschnitt der Dorsalstränge.
Dieser laterale Hinterstrang-Abschnitt ist denn auch frontal viel größer
als kaudal, besteht aber nicht aus Hinterstrangfasern.
Wir dürfen somit aus dem höhern Prozentsatz im Halsmark des
Frosches nicht ohne weiteres auf eine Akkumulation von Fasern vom
obern und untern Abschnitt des Markes schließen, wie sie bei den höhern
Säugern vorkommt (vergl. Fig. 93 und 94), denn es ist wohl sicher daß
der prozentuale Gehalt der aufsteigenden Hinterwurzelfasern in dem ganzen
Rückenmark nach Abzug der obenerwähnien kaudal abnehmenden, deszendiermi-
den Systeme keinen großen Unterschied afweist.
Wir werden bei der Besprechung der Reptilien sehen, daß sogar dort
frontale Akkumulation der Hinlerstrangfasern noch sehr gering ist. Wahr-
scheinlich sind beim Frosch die wirklichen Hinterwurzelstränge ziemlich
gleichmäßig auf allen Rückenmarkquerschnitten vermehrt, im Vergleich zu
den Fischen.
Man findet bei den Amphibien denn auch noch keine umschriebenen
Kerne der Hinterstränge (GoLL'sche oder BuRDAcn'sche Kerne).
Eine wirkliehe mediale Schleife liegt hier auch nicht vor. Wohl anstehen
namentlich aus dem Grau der zervikalen Hinterhörner (wo auch der spinale Tri-
geminus endet), gerade wie bei den Plagiostomen und Teleostiern gekreuzte Ver-
bindungen mit dem Mittelhirndach.
Diese spinomesenzephalen Fasern, welche in der üblougata hauptsächlich lateral
verlaufen, sind mit der primitiven sekundären sensiblen Bahn Edingek's zu ver-
gleichen (s. u.), nicht mit der medialen Schleife.
Daß in den Hinterwurzeln außer sensiblen Fasern höchstwahrschein-
') Vergl. auch Koppen.
154
DAS RÜCKENMARK DER AMPHIBIEN.
lieh auch motorische für den Sympathicus vorkommen, ist bereits bemerkt.
Namentlich die ph3'siologisclien A^ersuche Stelnach's haben eine sympa-
thische Funktion dieser Wurzeln mindestens wahrscheinlich gemacht i). .
Beim Frosch tritt auch ein wirklicher Grenzstrang des Sijinpatldcns auf.
Was die sekundären Neuronen des Rückenmarkes betrifft, kann ich mich
kurz fassen, da die gut kontrollierten Tatsachen sehr mit dem A'erhalten
bei den Haien übereinstimmen und die weniger kontrollierten, bezw. schwer
kontrollierbaren Angaben teilweise ziemlich phantastisch sind.
Gut konstatiert sind die Bogeajaserzellen, welche zu den zuerst auf-
tretenden Neuronen des ganzen Rückenmarkes gehören und hier nament-
lich in den Vorderhörneru liegen, aber auch in dem Hinterhorn nahe der
Medianlinie gefunden werden (Fig. 77).
Strangzellen. Hintere Bogenfaserzelle
oder Komm, zelle.
Sens. mot.Dendr.
Marg. Dendr. Netz.
Motor. Zelle
Comm. prot. aat.
Vordere Bogenfaserzelle
oder Komm, zelle.
Fig. 77. Lage der motorischen Zellen, Bogenfaser- und Strung-
zellen bei einer alteren Bufolarve, n. Sal.\.
Ihre Axonen verlaufen durch die Commissura anterior zu dem ven-
trolateralen Areal der anderen Seite (Fig. 77) (His'sche Bogenfasern) und
ziehen dann frontalwärts
Sie bilden einen Teil der groben Bünrlel, welclie in Fig. 75 so deutlich sind.
Degenerationsversuche (Sandmeyer) machen es wahrscheinlich, daß
') Es wird von Horton Smith bezweifelt.
DAS KÜCKEXMAKK DER AMPHIBIEN. 155
diese Faseriing neben kürzeren auch längere Neuronen enthält und daß deren
Mittelhirnanteil denjenigen Fasern homolog ist, welche Heurick beim
Axolotl als „the spinal lemniscus" i) bezeichnete, welche dem antero-
lateralen System der höheren Wirbeltiere homolog sein dürfte, indem sie
eine Zahl von Fasern an das motorische Tegmentum der Oblongata abgibt,
und schließlich in dem Mittelhirn (teilweise auch in dem Metathalanius)
endet {spino-mesemephale Fasern, der primitiven Sensibilitätsleitung).
Ein Teil dieser Bogenfasern (oder deren Kollateralen?) verläuft auch
nach unten und steigt bis in das Filum terminale ab (Fig. 74 A: F. a. 1.).
Daneben kommen in Seiten-, Vorder- und Hintersträngen ungekreuzt
verlaufende Axonen von Strangzellen vor, deren Fasern jedoch nicht nur
Kollateralen abgeben an die Ventralhörner und Dorsalhörner derselben
Seite, sondern auch (seien es auch weniger) an die Horner der anderen
Seite (via der Commissura dorsalis).
Als eine besondere Art jener ungekreuzt entstehenden Neuronen des
Dorsalhornes sind hier solche zu erwähnen, welche sowohl in der medio-
dorsalen Lage ihrer Ursprungszelle, als in dem Verlauf ihrer Axonen der
Kleinhirnseitensirangbahn der höheren Tiere entsprechen.
Diese homolateral entstehende spino-zerebellare Fasern sind jedoch beim
Frosche (entsprechend der geringen Entwicklung des Kleinhirns) nicht
zahlreich. Sie dürften hier, wie beim Axolotl (Herrick), auf dem Niveau
des frontalen sensiblen Trigeminuskernes von Fasern aus jenem Kern ver-
stärkt werden. Das Bündel kreuzt teilweise in die Decu.ssatio veli und
endet namentlich (wenn nicht ausschließlich) in dem Corpus cerebelli.
Diese spino-zerebellaren Fasern sind aber weniger zahlreich als die bereits
erwähnten Fasern zum Mittelhirn.
Die ersten aufsteigenden Sensibilitätsbahnen sind also bereits ent-
wickelt, während die Hinterstrangkerne, die mediale Schleife und damit die
Tlialamus- (und Großhirn) jjrojektion der feineren Empfindungen noch nicht
(oder kaum) vorhanden sind.
Diese histologischen Befunde decken sich in treffender Weise mit der
Auflassung, daß man den durch die gekreuzten antero-lateralen Fasern
geleiteten Temperatursinn, den Schmerz- und gröberen Tastsinn (und einen
primitiven Muskelsinn ?) als die zuerst auftretenden „vitalen" Sinne betraciiten
darf inid die Funktionen der Hinterstrangkerne (gnostischer Sinn), welche
wir als tiefen Empfindungssinn und Diskriminationssinn betrachten können
und die von der medialen Schleife weiter geleitet werden, sich erst s])äter
ausbilden (Broüwer).
Im Zusammenhang damit ist es von Interesse, daß die peripheren
Rezeptoren der Sensibilität aucli bei Amphibien noch fast ausschließlich
aus freien Nervenendigungen bestehen, und, abgesehen von sjmrlichen Pa-
') Den Namen Lemniscus sollte man lieber reservieren für die Schleife anseien llin-
terstrangkernen und dem Octavus-Gebiet.
156 DAS RÜCKENMARK DER AMPHIBIEN.
cini'schen Körperchen (Tiefensinn) sonstige komplizierte Endorgane dort
auf dem Körper noch niclit vorkommen.
In den Muskeln sind bei diesen Tieren sowohl freie Endigungen
als Muskelspindel nachgewiesen (Kölliker, Kühne) über deren Unter-
schied in Funktion wir bis jetzt noch nicht unterrichtet sind (vergl. S.
37 und 38).
In der Hiillnubstanz des ßiiokeumarkes der Amphibien liegt eine sehr ein-
fache Sachlage vor, indem sie hauptsächlich nocfe aus Ependymfasern besteht und
autonome Gliakörper noch relativ spärlich sind.
In dem Zeutralkanal ist auch bei den Amphibien der Faden von Beissnee
aufgefunden (Nichoi.ls), bezüglich dessen Bedeutung ich nach S. 132 verweise.
Das Rückenmark enthält, besonders in der grauen Substanz, ziemlich viel
Blutgefäße, welche mit Bindegewebssepten hineinziehen.
Die Hüllen des Rückenmarkes zeigen im Vergleich zu den Fischen einen
erheblichen Fortschritt, insofern man hier bereits zweierlei Hüllen unterscheiden
kann, welche von Steezi als Dura maier und Meninj- secundaria betitelt werden.
Bei den schwanztrageuden Amphibien ist diese Einteilung nur angedeutet,
aber beim Frosch sind sie gut getrennt vorhanden.
Die Dura mater scheint sich zu bilden durch das Auftreten von Hohlräumen
in der Menins primitiva welche anfänglich mehr Gewebslakünen sind.
Die Entwicklung jener Gewebslakünen, scheint mit einem erhöhten Stoft'wechsel,
einer weiteren Vaskularisation des Markes, im Zusammenhang zu stehen, da die
Lakünen einen intimen Zusammenhang mit den Gefäßen aufweisen, welche in
dieselben laufen können. Eine Stützfunktion kommt der Meninx secundaria inso-
fern zu, da deren Ligamentum ventrale und Ligamenta lateralia hier sehr bedeu-
tend entwickelt sind.
Die Dift'erenzierung dieser Häute ist desto deutlicher, je melir man frontal-
wärts kommt.
Im Schwanzareal der Urodelen und am Filum terminale der Anura, findet
man bloß eine Hülle, die aus der Verschmelzung der beiden obengenanten Blät-
ter entsteht und mit vielen Trabekeln auch wieder an der Endorrhachis (dem
Periost der Wirbel) festsitzt.
Außerhalb der Meningen, von welchen die Meninx secundaria ziemlich stark
pigmentiert ist (die Dura kaum), liegt ein großer perimeningealer Raum.
Dieser ist jedoch nicht, wie bei den Fischen, mit Schleim- oder Fettgewebe
gefüllt, sondern weist zwischen spärlichen Trabekeln (welche die Dura mater mit
dem Periost verbinden) sonderbare Röhren auf, welche, wie bereits Swammeedam
nachwies, Kalk enthalten.
Es sind Fortsätze des Saccus endolymphaticus (vergl. Kapitel IV), welche in
den Sehädelraum eindringen und durch das Foramen magnum in dep Vertebral-
kanal, wo sie sich vereinigen zu einem großen, einheitlichen Fortsatz bis zum
XI Spinalnerven.
Auf den Niveau der Nervenabgäuge gehen von diesem Fortsatz Säckehen aus,
welche die Spinalganglien umkleiden und als Kalksäckchen bekannt sind. Die Fül-
lung und der Kalkgehalt dieser Organe häpgen von dem Ernährungszustand des
Tieres ab. Das bekleidende Epithelium besteht aus kubischen Zellen, welche bei
starker Füllung abgeflacht werden (Steezi).
Die Bedeutung dieser Anordnung, von der bei Dipnoi und den Teleostieru
nur frontal, in der Nähe des IV. Ventrikels Analoga vorkommen, ist nicht genü-
gend aufgeklärt. Es ist aber bekannt daß Kalksalze einen groszen Einflusz auf
das Nervensystem (und die Muskeln) haben.
T>AS KÜCKKX-MAHK DER REPTILIEN.
A
157
Das Rückenmark der Reptilien.
Das Rückenmark der Reptilien zeigt
insoweit primitivere Verhältnisse als
dasjenige der Frösche, daß es sich
durch den ganzen Vertebralkanal
erstreckt und es hier nicht zur Bil-
dung einer Cauda equina oder eines
erheblicheren Filum terminale kommt,
eine Tatsache, die sich leicht aus der
Persistenz des Schwanzes bei allen
Vertretern dieser Klasse erklären läßt,
deren Schwanzmuskulatur überdies
ihren metameren Charakter behalten
hat (Gegeneaur).
Übrigens weist das Rückenmark
dieser Tiere sehr verschiedene Formen
auf, je nach der untersuchten Unter-
klasse. Man kann drei Hauptformen
unterscheiden: diejenige der Eidechsen
und Krokodile, welche Gliedmaßen
und Rumpfmuskulatur besitzen, die
der Schlangen, welche nur Rumpfmus-
kulatur haben und die der Schildkröten,
welche keine Rumi)fmuskulatur, son-
dern nur die Muskulatur der Glied-
maßen, des Schwanzes und des Halses
aufweisen.
Der Einfluß einer so verschiede-
nen Körperentwicklung auf das Ner-
vensystem läßt sich deutlich sehen.
Das Rückenmark der Eidechsen und
Krokodile (Fig. 81), zeigt in der Zer-
vikal- und Lumbairegion eine aus-
geprägte Anschwellung, welche, na-
mentlich in der Lurabalregion, bei
den riesigen fossilen Dinosauriern, mit
ihren enorm entwickelten hinteren
Extremitäten, einen so großen Um-
fang hatte, daß die lumbale Höhle
ihrer Wirbelsäule den Schädel an
Volumen übertrifl't. Dagegen fehlen
diese Anschwellungen ganz den Schlan-
Fig. 78. LiiiUs Gehirn- iinil RückciiiiiaiU
eines Python von 3 M. Länge, n. S. dk
Lange, rechts Gehirn und Rückenmark
einer Sclnl(nuüten.r!ojANUs(vergLFIg.79).
158 DAS RÜCKENMARK DER REPTILIEN.
gen, wie im Zusammenhang mit dem Fehlen der GHedmaßen zu erwarten
ist (Fig. 78, links).
Bei den Schildkröten dagegen erfährt das Mark in der Gegend zwischen
der Zervikal- und Lumbalanschwellung eine auffallende Verdünnung (Fig.
78, rechts), da nicht nur die Muskulatur des Rumpfes, sondern auch eine
dieser entsprechende Haut fehlt und also sowohl die ventralen Hörner
als die dorsalen Hörner erheblich reduziert sind (Fig. 79 in der Mitte).
Man muß aber nicht meinen, daß das Schild einer Schildkröte ohne
Sensibilitätsorgane sei. Solche sind sicher darin vorhanden, und die Reduk-
tion der Vorderwurzeln ist denn auch eine erheblich grcißere als die der
Hinterwurzeln (siehe Fig. 79).
Ein Alternieren der ^'order- und Hinterwurzeln findet bei den Rep-
tilien nicht statt. Beide treten ungefähr auf demselben Querschnitt aus
(siehe z.B. Fig. 79).
Über den feineren Bau des Rückenmarkes diesei- Tiere sei folgendes
mitgeteilt :
Was die ventralen Wurzeln anbelangt, so ist ihr ungekreuzter Ursprung
auch hier festgestellt.
Die Ursprungszellen nehmen eine Lage ein, welche an diejenige bei
den Amphibien erinnert, indem sie Gruppen bilden, die etwas von dem
Zentralkanal entfernt liegen, der weißen Substanz angelagert.
Die Dendriten dieser Zellen ziehen auch hier noch durch die ganze
weiße Substanz und bilden ein marginales Flechtwerk, welches sich aber
nicht mehr so weit ausdehnt wie bei den Amphibien (vergl. Cajal und
Banchi). Sein Areal beschränkt sich auf den lateralen Abschnitt des Mar-
kes, eine Eigentümlichkeit, welche wir gleich noch in einem besondern
Lichte betracliten werden.
Die Zellen, welche in diesen Plexus marginalis Dendriten senden, sind
verschiedener Art: Vorderwurzelzellen, Strangzellen, Commissura anterior-
Zellen und (im Zervikalmark) sog. von LENHOssEK'sche Zellen, d. h.
viszeromotorische Zellen, deren Achsenzylinder durch die Hinterwurzel
das Rückenmark verlassen, und welche wahrscheinlich eine sympathische
Funktion haben, nach Beccaki jedoch eine Vorstufe für die spinale Aus-
dehnung des N. accessorius (S. 161) bilden, was unbewiesen ist (vergl. Fig. 85).
Die Lage des Perikaryons der motorischen Vorder-Wurzelzellen ist
verschieden, je nach der Art des Tieres und dem Areal seines Rücken-
markes.
Bei den Tieren, welche Intumeszenzen haben, gesellt sich in den
Intumeszenzen der medialen Gruppe eine etwas mehr ventrolaterale hinzu,
was namentlich bei den Schildkröten (Fig. 79) auffällt, wo das Vorderhorn
im Zervikal- und Lumbaimark recht breit und größer ist als das Hinter-
horn. Im Thorakalmark dieser Tiere, wo auch keine Rumpfmuskulaturzel-
len vorkommen, ist das Vorderhorn sehr schmal, sogar kleiner als das Hinter-
horn. Die darin noch vorkommenden Zellen müssen als Strang- (undKommis-
DAS KÜCKENMARK DER RKPTILTEX
.JM'W-B.
HW.
159
HW
ffT"^^"^'^^^^
i-/^
Mwr.n
HVv
Vw
Fig. 79 y>.e>-sclHu.te (i., demselben Vergrößerungsve.luUtnis ^c-
ze.chnet) durch das sechste Zervikalsegn.ent (oben), das zweite Dm--
salsegn,ent (M.tte) und das zweite Lumbalsegn,ent einer Schildkröte,
nach S. de Lange.
II.W. =. H,nterwu^^el, V.W. = Vorderwurzol, M.W.B. = mediales
Wurzeibundel, L.VV.b. = laterales VVurzelbündel.
160
DAS RÜCKENMARK DER REPTILIEN.
sur-)zellen, teilweise auch als motorische Sympathicuszellen angesehen werden.
Eine besondere Lokalisation der letztgenannten Zellen konnte bis jetzt
nicht nachgewiesen werden, indem sowohl im ventralen Teil des Vorder-
horns als im Mittelteil und in der Basis des Hinterhornes größere und
kleinere Zellen gefunden werden.
Das Vorderhorn ist bei den Schlangen (Fig. 80 A) überall gleich und
weist, abgesehen von
den größeren Hinter-
strängen eine gewisse
Ähnlichkeit mit dem-
jenigen der Haie auf.
Das Rückenmark
der Krokodile aber zeigt
mehrere Eigentüm-
lichkeiten (Fig. 80 B).
Von diesen muß
ich an erster Stelle die
exzentrische, frontale
Lage des Zentralka-
nal es erwähnen.
Wie man sieht
liegt die graue Sub-
stanz der Vorderhör-
ner weit hinter diesem
Kanal, der von einer
^"''•'"'"■e- zentralen gliösen Sub-
stanz umgeben ist. Die
Ursache davon ist völ-
lig unbekannt.
B Eine zweite Ei-
gentümlichkeit sind
die hierzuerst von Gas-
kell beschiiebenen
E an dkemeiNncleimnr-
ginales (Fig. 80 B.),
welclie wir meines Er-
achtens als Dei'ivate der Ventralhörner ansehen müssen.
Beim Krokodil zeigen sie sich im Halsmark und im Sakralraark als
kleine, nahe dem Rande des Rückenmarkes gelegene Kerne, dorsolateral
von dem Vorderwurzelaustritt. Die Zellen messen etwa 25 Mikron und
sind eher rundlich als multipolar. Auch bei der Eidechse (KöllikerI))
und den Schlangen (Shimada) sind sie nachgewiesen.
M. H. btr. K.
Nucl. marg
7entr Kin
Quei schnitt durch das Zervikal mark von Python
reticulatiis.
Fig. 80 B. Querschnitt durcli das Zervikalmark von Crocodi-
lus porosus, n. S. de Lange.
M. H. str.K. = medialer Hinterstrangkern.
Fig. 80 A.
') Koi.i.iKKR hat diese Kerno nach seinem Präparator Hoffmann genannt, der ihn
DAS RÜCKENMAKK DKR REl'TILIEN. 161
Ihre segmentale Anordnung ist liier auffallend, obschon sie nicht in
allen Segmenten vorkommen.
In den: kontinnell aufgeschnittenen Rückenmark einer Schildkröte
konnte ich nur im Lurabalmark Andeutungen davon finden.
Was die Natur dieser Kerne betrifft, ist es interessant, daß sie gerade
dort liegen, wo der marginale Dendritenplexus noch am längsten erhalten
bleibt (Fig. 82), und es ist wahrscheinlich, daß es sich um Zellen handelt,
deren Körper in der Richtung dieser ihrer Dendriten von dem Vorderhorn
her ausgewandert sind. Daß es motorische Vorderwurzelzellen sind ist nicht
wahrscheinlich. Ihre Form spricht dagegen und auch ist nie eine Ver-
bindung mit den Vorderwurzeln nachgewiesen.
Ich werde bei den Vögeln, wo diese Randkerne viel größer und zahl-
reicher sind, auf die.se Zellen zurückkommen (S. 170).
Daß die Vorderwurzeln der Reptilien neben somatoraotorischen Wur-
zelfasern auch viszeromotorische für den Sympathicus enthalten, geht schon
daraus hervor, daß im Brnstmark der Schildkröte Vorderwurzeln vorhanden
sind, welche, weil bei der Schildkröte in der dem Brustmark entsprechenden
Körperregion keine somatische Muskulatur besteht, nur als viszeromotorische
Fasern gedeutet werden können. Dieselben sind aber wenig zahlreich
(Fig. 79, in der Mitte) und es ist nicht ausgeschlossen, daß bei den Rep-
tilien auch noch dorsal austretende viszeromotorische Fasern vorkommen.
Die Lage der Ursprungszellen dieser viszeromotorischen Fasern ist in
dem Thorakal- und Lumbaimark nicht genau ermittelt worden. Man kann
nur sagen, daß sie eine ziemlich zentrale Lage einnehmen müssen, weil
nur die zentralen Partien der grauen Substanz im Thorakalmark bei der
Schildkröte erhalten sind.
Im Zervikalmark der Eidechse sind sehr dicke dorsale viszeromotori-
sche Wurzelfasern nachgewiesen (Beccari), deren Ursprungszellen bis
im 8. Zervikalsegment im medialen Abschnitt des Vorderhornes liegen.
Diese Neuronen, welche in dem Bau ihrer Zellen den somatomotori-
schen Zellen gleichen, und die in dieser Größe unterhalb der Reptilien
bis jetzt nie nachgewiesen sind, werden als v. LENHOSsEK'sche Fasern und
Zellen bezeichnet.
Ihre besondere Ausbildung im Zervikalmark bei Reptilien und Vögeln
(Fig. 85) ließ Beccari vermuten, daß sie Vorstufen des N. accessorius dar-
stellen, weil sie bei den ausgewachsenen Säugern (wo sich der Accessorius-
Ursprung bis ins S'"^ Zervikalsegment ausdehnen kann) als aparte Wurzel-
fasern nicht mehr vorkommen, aber anscheinend von Accessoriuswurzel-
fasern ersetzt worden sind.
Bei den Reptilien sind die peripheren Verbindungen dieser Fasern
zuerst auf Heren Anwesenheit bei Vögeln aufmerksam machte. Es scheint mir aber rich-
tiger, sie nach dem Entdecker GASKELL'sche Kerne zu nennen, weil dieser sie schon viele
Jahre vorher bei den Reptilien beschrieb.
KM'I'KRS. 11
162 DAS RÜCKENMARK DER REPTILIEN.
jedoch bis jetzt nicht nachgewiesen. Eine bis zum Niveau des 8. Zer-
vikaluerven sich ausdehnende, dem Trapezius in irgend einer Weise ver-
wandte Muskulatur läßt sich dort nicht nachweisen, sodaß die funktionelle
Bedeutung jener LENHOSSEK'schen Zellen der Eidechsen (und Vrigel) l)is
jetzt ein Rätsel ist.
Jedenfalls fallen sie in die Klasse der dorsalen viszeromotorisehen Nerven,
und gerade so wie die quergestreifte Herzmuskulatur ein Derivat glatter Viszeral-
miiskulatur ist, wäre es nicht unmöglich, daß die besondere Ausdehnung dieser
Fasern in der Halsregion der Reptilien mit der späteren zervikalen Ausdehnung des
Trapeziusmuskels bei den Siiugorn in Zusammenhang steht. Ich werde darauf im
V. Kapitel zurückkommen. VorliiuHg müssen wir aber mit dieser Deutung vorsichtig
sein, umsomehr, als solche Fasern nach Bancui bei der Schildkröte vielleicht auch
im liumbahnark vorkommen.
Die Hinterwurzeln enthalten ül)rigens somatosensible und viszeroscnsible
Fasern.
Die Ganglienzellen beider Arten sensibler AVurzelfasern liegen bei
ausgewachsenen Reptilien nur in den Spinalganglien.
Intraniedulläre (Roiiox'sche) Ganglienzellen sind bei den Reptilien nur von
TAN Gehuchies in Tropidonotus-Embryoncn nachgewiesen, wo sie bald wieder
verschwinden.
Die bleibenden spinalen Ganglienzellen weisen nur sehr ausnahmsweise
noch einen bipolaren Charakter auf, sind oft lobiert und sehr unregel-
mäßig in Bau (G. Levi).
In den peripheren Verästelungen der sensiblen Nerven findet man bei
den Reptilien nebst überwiegenden freien (primitiv vitalen) Endigungen,
komplizierte Gefülilskürperchen, unter denen PACiNi'sche Körperchen
und solche von Rollet und Sachs, welche stereognostische Emi^findungen
übermitteln.
In der Haut weisen die Hinterwurzelsegmente, bei der Eidechse
von VAN Trigt studiert (Fig. 81), eine erhebliche Überdeckung, bis zu
zwei Drittel eines Segmentes, auf. Eigentümlicherweise ist die Form
der Rumpfdermatome hier so, daß dieselben dorsal breiter sind als
ventral, im Gegensatz zu dem gewöhnlichen Verhalten. Dies wird durch
S. DE Boer dadurch erklärt, daß die ventrale Seite des Körpers Schuppen
trägt, welche deren Empfänglichkeit für Reize verringern, sodaß im Gegen-
satz zu den Haien (S. 127) hier die Dorsalseite des Körpers die meist
gereizte ist und ein stärkeres Auswachsen von Nervenendigungen ver-
anlaßt. Die Dermatome der Gliedmaßen weisen nach van Trigt eine
bedeutende Dehnung und infolgedessen (Brouwer, van Trigt) eine ge-
ringere Überlagerung auf (Fig. 81).
Die zentralen Ausläufer der Hinterwurzeln zeigen bei ihrem Eintritt in
das Rückenmark verschiedene Verhältnisse, je nachdem, ob man Eidechsen
und Krokodile, oder anderseits Schlangen und Schildkröten untersucht.
DAS RUCKENMMARK DER REPTILIEN.
163
Fig. 81. Hantsegmente bei der Eidechse, (links dorsal, rechts ventral) n. Van Trigt.
164
DAS RUCKENMAKK DER REPTILIEN.
Bei beiden Gruppen dichotomisieren die Ftisern nacli Eintritt und geben
sie einen größeren aufsteigenden und ein kleineren absteigenden Ast ab.
Bei Eideobsen und Krokodilen ist die Lage dieser Aste wesentlich
derjenigen bei den Amjjhibien ähnlich, indem das größere Bündel, welches
auch die sog. direkte sensitivomotorische Reflex koUateralen abgibt, dorso-medial
verläuft, während ein feinfaseriges, kleineres Bündel hauptsächlich in der
Zona marginalis bleibt.
Bei Schildkröten und Schlangen kommt aber ein Verhalten vor, welches
uns mehr an dasjenige bei den Teleostiern erinnert. Bei manchen Schild-
kröten liegt nämlich ein ganz erheblicher Teil der Hinterwurzelfasern in
dem, Seitenstrang (Baxciii) und bei den Schlangen ist dies noch vielmehr
der Fall (Ca.ial, v. Gehuchten, Retzius).
Corvom Qnt
Fig. 82. Hinterwurzelfasern (R. post.) zum Seitenstrang (!•". lat.)
Lind zum Hinterstiang (F'asc. dors.) bei Anguis fragilis:
n. RiiTzitis. C.C. = Kommissur-Zellen.
Dieses laterale. Hinter unirzelhündel ist meines Dafürhaltens keine seitliche
Ausdehnung des lateralen Marginalbündels der Arnj^hibien und anderer
Reptilien, sondern ein verschobener Teil der Dorsomedialstränge. Ihr Faser-
kaliber stimmt vielmehr damit überein, und außerdem ist nachgewiesen
worden (Schlangen, Fig. 82), daß die sensitivomotorischen Kollateralen
von diesem Bündel abgegeben werden i).
Es ist klar, daß man bei Messungen der zentralen, sensiblen Wurzel-
fasern dieser Tiere und einer Vergleichung mit denjenigen bei andern
') Daß gerade bei den Schlangen das laterale Hinterwurzelbiindel so grosz ist, ist
vielleicht zu erklären durch die Zusamraenwirkung der verschiedenen Rüekenmarks-
absclinitte bei der eigentümlichen Lokomotion dieser Tiere. Hier, wie bei den Fischen,
ist rtie Bewegung von allen Segmenten bei dei- T.dkoijiolion von grüßter rinlcnilung.
DAS RÜCKENMARK DER REPTILIEN. 165
Tieren die Tatsache berücksichtigen muß, daß bei Schildkröten und
Schlangen nur ein Teil der sensiblen Wurzelfasern im Hinterstrang verläuft.
Besonders ein Vergleich zwischen den Hintersträngen dieser Tiere mit den-
jenigen der Frösche wird wenig zutreffend sein, weil beim Frosch (Seite 153)
die Dorsalstränge außerdem vermehrt sind durch absteigende Wurzelfasern
des verlängerten Markes. Dadurch erklärt sich, daß ein Vergleich der
Hinterstränge auf der gesamten weißen Substanz im Zervikalmark beim
Ochsenfrosch (20 %), Schildkröte (Dammonia 16,2 %) und Schlange
(ll,yü°/o)i) zu Ungunsten der genannten Reptilien ausfällt.
Vergleicht mau dagegen die geschwänzten Amphibien, bei denen die
bulbären Fasern in den Hintersträngen nicht so reichlich sind als beim
Frosch, mit den Eidechsen, wo jedenfalls alle Hinterwurzelfasern in dem
Hinterstrang verlaufen, dann bekommt man einen zuverlässigen Eindruck
der relativen, aufsteigenden Hinterwurzelfaserverhältnisse und ergeben sich
denn auch bei der Eidechse günstigere Verhältnisse.
So weist Siren 10. .5 % Hinterstrangfasern auf gegen 12.5 % beim Chamä-
leon. Interessant ist dabei, daß, während man bei den Tieren unterhalb der
Reptilien nicht mit Sicherheit eine frontale Akkumulation van Hinter-
wurzelfasern findet, eine solche frontale Akkumulation von sensiblen Hinter-
wurzelfasern sich wohl bei den Reptilien nachweisen läßt.
Auch treten hier (Fig. 80 B) zuerst (Brouwer) Hinter sträng kerne in
dem Sinne der GoLL'schen und BuKDACti'schen Kerne auf, von welchen
eine Projektion der tieferen Empfindungen und feineren Diskrimination
auf den Thalamus stattfindet, die auch hier zuerst sogenannte neotliala-
mische Kerne aufweist — d. h. Kerne, welche die Rückenmarks-Sensi-
bilität auf das Vorderhirn projizieren.
So findet man — und das ist einer der bedeutendsten Fortschritte, den
das Rückenmark dieser Tiere aufweist — neben der bereits bei niederen
Tieren vorhandenen, hier aber viel größeren spiriozerebellären Bahn, und
der anterolateralen Projektion des Temperatur-, Schmerz- und einfachen
Tastsinnes {Tr. spino-mesencephalicus ; Edinger) bei den Reptilien eine
Zephaiisation der Hinterstränge, mittels einer medialen Schleife. — Beim
Varan und Krokodil fand Zeehandelaar außer einem medialen Schwanz-
kern auch deutliche Andeutungen eines frontraleren GoLL'schen und eines
kaudaleren BuRDACn'schen Kernes. Daß auch gerade bei den Reptilien die
Ausbildung von feineren, sensiblen Endorganen stattfindet ist bereits
erwähnt (S. 163 und 35).
Auf die sonstigen Bestandteile des Rückenmarkes dieser Tiere werde
ich nicht näher eingehen, weil die Kommissur- oder Bogenfaserzellen und die
Strangzelien,wie auch dieStrangfasern und derenKollateralen im Prinzip keine
erheblichen Abweichungen von dem Verhalten bei den Amphibien zeigen.
') Die Tiere sind so gewählt, rlaß sie annähernrl gleich groß sind, was ein notwen-
diger Faktor für solche Vergleich ungen ist (llovY; Vergl. die 2. Fußnote (Seite "173).
166 DAS RÜCKENMARK DER VÖGEL.
Nur ist 7AI henierken, daß — wie bei den Fischen — hier unter der
vordem Commissura alba eine zweite kommissurelle Verbindung der
Vorderhörner vorkommen kann als Commissura acccssoiia (Mauthner).
Dieselbe enthält, wie bei den Fischen, Axonen von Kommissurzellen
und kreuzende Kollatei'alen von Strangzellen, wozu schliel^lich noch hete-
rolaterale Verbindungen der motorischen Dendriten (Comni. prot.) kommen.
Auch eine dorsale Kommissur kann vorkommen, welche, neben Kolla-
teralen von Hinterstraugfasern, Dendriten und sogar Zellen der Bogen-
faserelemente enthält.
Namentlich bei Emys (Banchi), aber auch bei Lacerta ist eine solche
dorsomediane Lage von Kommissurzellen bisweilen sehr schön ausgeprägt
und erinnert an die dorsale Lage vieler Kommissurzellen der Teleostier
und an die dorsalen Medianzellen von Amphioxus.
Die ^^erbindungen, welche dem Rückenmark zuströmen aus frontalen
Regionen, stammen auch hier noch wesentlich aus der Oblongata und aus
dem Kleinhirn. Diejenigen der Oblongata sind die vestibulo-spinalen Fasern,
welche namentlich bei den Krokodilen gut entwickelt sind und im Vor-
derstrang und Vorderseitenstrang verlaufen. Die retikulären Zellen der
Oblongata übermitteln dem Rückenmark außerdem optische, trigeminale
und Geruchsreize, die jedoch niemals direkt das Rückenmark erreichen.
Die HiUlsubstanz zeigt eine sehr große Annäherung ;in das Verhalten der
Säuger, indem neben den Ependymzellen Zellen vorkommen, welche den Astrozyten
«ähnlich sind, obwohl die wirkliehen Spinnfasern erst bei Vögeln und Säugern auf-
treten (Ca.tal). Außerdem dringen meningeale Septen in das Rückenmark durch, welches
damit zahlreiche Bhitgefäße emj)fängt, wieder überwiegend in der grauen Substanz.
Die Hüllen des Rückenmarkes bei den Reptilien sind denjenigen bei den
Amphibien sehr ähnlich. Auch hier unterscheidet man nach STUiiZi zwei Meningen :
eine Dura mater und eine Meninx secundaria.
Dabei bleibt der alte Perimeninifealraum (welcher jetzt Periduralraum genannt
werden könnte), zwischen Dura mater und Periost bestehen und ist sogar recht
groß, sodaß der Vertebralkanal viel weiter ist als es dem Umfang des Eücken-
markes mit Seiten Häuten entspricht. Dieser Periduralraum ist bei Reptilien nicht
mit Schleim- oder mit Fettgewebe gefüllt, aiu'h ist eine Ausbreitung des Ductus
endolymphaticus darin nicht wahrgenommen.
Die Ligamenta denticiilata der Menins secundaria, welche dem Riickenmarke
bei seitlichen Bewegungen eine Stütze verleihen, sind stark entwickelt, namentlich
bei den Schlangen (Stee/.i).
Geringer entwickelt als die lateralen Ligamenta denticulata sind die dorsalen
und ventralen Ligamente.
Frontal — in der Nähe des Schädels — besteht eine innigere Verbindung
mit dem Ligamentum ventrale, wie es bei den hohem Tieren auch vorkommt.
Das Rückenmark der Vögel.
Das Rückenmark der Vögel erstreckt sich ebenfalls durch den ganzen
Vertebralkanal, und es kommt auch hier nicht zur Bildung einer Cauda
DAS HUt'KEXMAKK DEK VOGEL.
167
w.
ecjuina oder eines eihel)lielK'n Filuni terminale. Nur in einem kleinen
Teile der Sehwtmzwirbel felilt es.
Wie bei den Plugiostomen, Amphibien und Reptilien
ist das Rüekenmark der ^'ögel in seinen frühesten Stadien
der Entwicklung, nach dem Schluß der Medullarfalte, ein
röhrenförmiges Gebilde, welches ein großes Lumen aufweist.
Eine Furche, der Sulcus limitans, trennt die sensible
F'lügelplatte von der motorischen Grundplatte. Später obli-
tiert der dorsale Abschnitt des Zentralkanales, und der Sulcus
limitans verschwindet. In diesem Stadium zeigt das Mark
keine metamere Einteilung. Eine solche tritt aber durch
besondere Bildungen (den Nuclei marginales) später an
manchen Stellen auf (S. 170).
Das ausgewachsene Rückenmark der Vögel unterscheidet
sich von dem der meisten Reptilien durch eine gnißere
Anzahl von Zervikalsegmenten. Dasjenige des Straußes weist
dorsal und ventral 51 Wurzelpaare auf, und zwar 15 zervi-
kale, 8 thorakale, 19 lumbosakrale und 9 coccygeale (Stree-
tek). Dasjenige der Taube hat 38 Segmente, 12 zervikale,
8 thorakale, 12 lumbosakrale und 6 coccygeale.
Es zeigt zwei deutliche Anschwellungen, eine zervikale
und eine lumbosakrale. Erstere ist das Zentrum des Flügel,
letztere dasjenige der Beine.
Die lumbosakrale Anschwellung, welche beim Sti'auße,
infolge der viel kräftigeren Entwicklung der Muskulatur
der hintern Gliedmaßen, viel größer als die zervikale
ist, dehnt sich dort vom 3. bis zum 15. Lumbosakral-
segment aus.
Dorsal weist es eine Eigentümlichkeit auf, welche wir
bei allen Vögeln an dieser Stelle finden : den Sinus rliom-
hoidalis sacralis (Fig. 83 A), der recht tief ist und sich (beim
Strausz) in antero-kaudaler Richtung von dem 7. bis zum
12. lumbosakralen Segment erstreckt (Fig. 83 B).
Es handelt sich hierbei um eine sekundäre Ausein-
anderziehung der sensiblen Regionen des Rückenmarkes,
wahrscheinlich unter den Einfluß der vielen sensiblen Wur-
zeln 1), welche an dessen Oberrand eintreten und gerade
dort sehr gehäuft sind.
Der Sinus lumbo-sacralis der Vögel bleibt mit einer
halbtransparanten, gliösen Substanz, einem Derivat des
Septum posterius, gefüllt (Fig. 84).
L.S.
z-\ V.,
Fig. 83 A, Das
Rückenmark der
Taube.
Dorsalansicht.
') Älinliche Gründe spielen eine Rolle bei der Entwicklung des Ventriciilus qiiartus
der Oblongata (Ingvar). Siehe das folgende Kapitel.
168
DAS KUCKESMAKK DER VOGEL.
30
31 •-
32
as
31
35
36
/T: I
sulc. doiso med.
Eine zweite Eigentümlichkeit der Lumbo-Sakralregion besteht in der
Vergrößerung der Vorderhörner, welche sich in segmentaler Weise hervor-
wülben und als Eminentiae ventrales medial von den motorischen Wurzeln
sichtbar sein können.
Seitlich von diesen Vorwölbungen kommen wieder kleine Erhö-
hungen am anterolateraleu, bezw. lateralen Abschnitt des Rückenmarkes
vor, welche von den weiter unten, näher zu beschreibenden großen Nuclei
marginales (GASKELL'schen- oder Hop-
MANN-KÖLLiKER'schen Kernen), verur-
sacht werden (Strausz).
Auch beim Kasuar ist der Zustand
ähnlich ; aber bei andern Vögeln sind
die von den letztgenannten Kernen
verursachten Erhöhungen so gering,
daß man sie kaum mit der Lupe
sehen kann.
Kaudal von der Lumbalanschwel-
lung verjüngt sich das Rückenmark
schnell.
Die Vorder- und Hinter- Wurzeln
haben die für die höhern Vertebraten
übliche Anordnung und treten etwa
auf demselben Niveau aus. Die Ven-
tralwurzeln verlassen das Rückenmark
in vielen dünnen Bündelchen, die
Dorsalwurzeln, wie üblich, in einigen
dicken Bündeln.
Der Umfang der Vorderhörner ist
bei vielen Vögeln, namentlich beim
Strauß, viel größer als derjenige der
Hinterhörner, welche nur im obersten
Halsmark (Fig. 88) durch die Entwick-
lung des spinalen Trigeminuskernes
größer sind.
Die Gruppierung der motorischen
Elemente in den X'orderhörneru ist
deutlicher als bei den Reptilien und
erlaubt eine Einteilung in eine größere Zahl von Zentren.
Wir linden darin eine mediale Gruppe, welche wohl die älteste Gruppe
ist und die Stammesmuskulatur innervieren dürfte. (Sie wird von Stree-
TER Ventrolateralgruppe genannt.)
Seitlich davon liegen, namentlich in den Anschwellungen, die lateralen
und dorsolateralen Gruppen, welche die Extreniitätenmuskulatur innervieren.
So liegen die Zellen des M. pectoralis major (des Fliegmuskels) nach
Rad- dors.
Fuiiic. ders.
Siini.'s rlionib.
Sulc hit.
Sulc. dui>-. lat.
Sulc. dorso-med.
%
\i
Fig. 83 B. Das Liiinlio-sakraliHark
des Straußes mit dem Sinus rhoiu-
boidalis; n. Streeter. Man beaclite
die großen Hinterwurzeln, welche
an ilen Rand des Sinus eintreten.
DAS RUCK'KNMAUK DKI; Vo(!KI,.
1()9
Cafiut Cornu post.
^-■'^m.
-j)X '• Cell.mot.
,;■■',' /vT' j , _•,, lexir. (Flügel).
,, ;vr.{/
-;.- ---^.•;'< ■
;ll inot- Iruiic i
• bin, lumoo- sacr,
run.post^,-.
'%
Fig. 84. Quer?chnitt durch die Zeivikalarischwellung (oben)
das Thoi-.il<alinark (Mitte) und die Lutnbo-Salinil-
Anschwelluiig (unten) des Huhnes (gleiche Vergrößeruno).
170 DAS RÜCKENMARK DER VÖGEL.
Sanü in <ler Halsanselnvellung in einem Kern, welchen er iils „granrl nuyau
central" })ezeichnet und der — wie mir nach seiner Beschreibung scheint —
mit dem lateralen Kern Streeter's korrespondiert.
Bei den Lau/vögeln zeigt dieser Kern in der Halsanselnvellung keine
so erhebliche Hypertrophie.
Bei diesen Tiere haben dagegen die hikralcn. und dorsididcvalcn Zellen
der Lumbaianschwellung sehr zugenommen, und verursachen sie dort eine
typische Umgestaltung des Vorderhorns.
Die Dendriten der Vorderhornzellen bilden nur bei ganz jungen Em-
bryonen einen "marginalen Dendriten plexus, namentlich am anterolateralen
Rande. Später (Fig. 85) ist davon nichts, oder nur wenig übrig.
Anstatt dessen (?) findet man dort aber an dem anterolateralen Rande die
Nuclei marginales von Gaskell (oder Hofmann: Fig. 84 unten), welche sich
von Zellen ableiten lassen, die bei niederen AVirbeltieren in den Vorder-
hürnern liegen.
Dieselben sind bei Vögeln viel mächtiger entwickelt als bei den Rep-
tilien und werden dort eingeteilt in I\uclei marginales majores und minores.
Die erstgenannten, von welchen beim Strauß etwa sechs Paar wahr-
genommen werden, Inlden \'erdickungen i), welche seitlich von dem Austritt
der Vorderwurzeln im Lwnhomkrahnark hervorwülben können.
Die Nuclei marginales mln.ores finden sich im ZervlkalmarJ:.
Die Zellen dieser Kerne gleichen denen der Ventralhörner, wovon
ihre Herkunft von Kölliker ontogenetisch nachgewiesen wurde.
Zwischen ihnen und den Ventralhörnern kommen ausgewanderte Zellen
vor, welche nicht die ganze Verschiebung mitgemacht haben.
Ich habe beim Krokodil bereits darauf hingewiesen, daß wir in diesen
peri])heren Zellgrupi)en wahrscheinlich eine weitere Au.sbildung des Pro-
zesses des periijheren Dendritenauswachsens sehen dürfen, welches bei
Fischen und Amphibien so auffallend ist.
Daß es gerade in dem anterodateralen Abschnitt des Rückenmarkes
zu einer Verschiebung des Zellleibes selber kommt, ist insofern nicht auf-
fallend, als auch die periphere Verästelung der Dendriten (welche bei den
primitivsten Vertebraten — vergl. Fig. .54 — noch über die ganze Peri-
pherie des Rückenmarkes vorkommt) sich später (vergl. Fig. 82) mehr
auf den anterolateralen Abschnitt desselben zuspitzt und nun vielleicht in
der anterolateralen Verlagerung einiger Zellen ihren Abschluß findet.
Immerhin ist es sonderbar, daß, soweit wir jetzt wissen, die eigentli-
chen Vorderwurzelzellen selber diese Migration nicht mitmachen 2).
') Nicht zu verwechseln mit den Eminentiae ventrales (S. "168), welche medial von
der Voiderwurzeln vorkommen können und den Vorderhörnern selber entsprechen.
2) Von Lenhossek (Beiträge üur Histologie des Nervensystems und der Sinnesorgane.
Wiesbaden, 1894, S. 81) hat bei Hühnchenembryonen Kommissiirzellen in den Randzellen
nachgewiesen. Köi.LUCEFi (I.e.) äußerte — wohl aus diesem Giimdo — die Möglichkeit,
daß es alle Kommissurzellen sind. Streeter weist jedoch darauf hin, daß die Comniis-
sura ventralis von Struthio camelus keine Verdickungen in dem Niveau dieser Kerne aufweist.
DAS RUC'KKNMAKK DER VOGEL.
171
Daß die Kerne (in direkter oder indirekter Weise) doch etwas mit den
Wnrzeln zn tun haben, wird bewiesen durch ihre metamere Anordnung.
Die wenig eckige Gestalt ihres Körpers ermöghcht es, daß die auch
von KÖLLiKER geäußerte Meinung zutrifft, dali es darunter sympatliische
Elemente gilit.
AVir haben bei den Reptilien gesehen, daß ein Teil der viszeromotori-
sclien Zellen, die Ursprungszellen der LENHOssEK'schen Hinterwurzelfasern,
einen Anteil an dem Aufbau des marginalen Dendritenplexus haben, und
so wäre es möglich, daß es sicli teilweise um verlagerte, den v. Len-
HossEK'schen Zellen verwandte, sympathische Elemente handelt i).
Ihre Lage und intime Dendritenverbindung in dem anterolateralen
VON LENiiossEK'scho Faseiu.
Sensitive-
motorische
Reüektcollat. ^,
Hinterwurzel.
Hinterwurzel.
Spin, gangl.
Vorderw. Zelle '
V\g. 85. Schnitt durcli das Halsniaik eines Hühnchen-Embryus, n. Van Geiiuchten.
Zur Demonstration der v. LKNHOSSEK'schen Zellen und Fasern.
Trakt des Rückenmarkes würde damit nicht im Widerspruch stehen; denn
wir dürfen als sicher annehmen, daß dieser Trakt auch bei den Vögeln
gekreuzte Fasern des Temperatur- und Schmerzsinnes führt, und wir wissen,
daß gerade diese Sinnesqualitäten stets mit erheblichen vasomotorischen
Änderungen zusammengehen (Fabritius).
Auch würde dies erklären, weshalb das Axon dieser Zellen nie in den
Vorderwurzeln verfolgt werden konnte.
Verlassen die Axonen dieser Zellen aber das Rückenmark durch die
Hinterwurzeln? Nachgewiesen ist dies nie, und somit müssen wir als
zweite Möglichkeit (wahrscheinlich : erste) daran denken, daß die Zellen der
') Um wirkliche v. LENiios.SEK'sche Elemente handelt es sich dal)ei sicher nicht, da
diese nicht oder kaum im Lumbaimark vorkommen.
172
DA8 RÜCKENMARK DER VOGEL.
Randkerne überwiegend Kommissur- (und Strangzellen?) zellen sind (s. u.).
Die nach v. Lenhossek benannten motorischen Hinterwiirzelfasern (Fig. 85)
sind von diesem Forscher bei den Vögeln entdeckt und oft bestätigt worden
(Cajal, van Gehuchten, Retzius, Martin). Sie sind bei Vögeln nur im
Zervikalmark, in dem medialen und lateralen Abschnitt der Vorderhörner,
nachgewiesen.
Weshalb gerade das Zervikal-
mark diese groben viszeromolo-
rischen Hinterwurzelfasern auf-
weist, ist nicht bekannt i). Viel-
leicht finden sich dort auch
feinere viszeromotorische Hinter-
wurzelfasern, deren Ursprungs-
zellen in dem intermediären Grau
(zwischen \'orderhörnern und
Hinterhörnern) liegen dürften.
Auch in dem Thorakal- und
Lumbal-Mark kommen vielleicht,
durch die Hinterwurzeln austre-
tende (sympathische) Elemente
vor, obgleich es wohl als sicher
betrachtet werden darf, daß die
Mehrheit der viszeromotorischen
Fasern bei den \'ögeln das Kücken-
mark bereits durch die Vorder-
wurzeln verläßt.
Die viszerosensiblen Fasern
treten mit den somatosensiblen
Fasern durch die Hinterwurzeln ein.
Dieselben entstammen alle
deii extraspinalen Ganglienzellen.
Die periphere Verteilung der
Hautfasern ist von Sparvoli,
eingehender aber von Deelman
untersucht (bei Tauben). Dieser
Forscher fand auchhier eineerheb-
liche gegenseitige Bedeckung —
etwa zur Hälfte — derDermatome,
welche auf dem Rumpfe eine ausgesprochene Trapezform, sogar Dreiecksform ^),
Fig. 86. Ausdehnung der Thorakalsegmente
bei der Taube, n. Deelman.
In 86 A sind zwei angrenzende Thorakal-Wur-
zeln durchschnitten. Die schraffierte Zone ist
anaesthetisch. In 86 B sind oral und kaudal von
einer Wurzel zwei Wurzeln durchschnitten.
Die schraffierten Zonen sind anaesthetisch ^).
') Wie bereits bei den Reptilien erwähnt wurde, sieht Becc.\ri in ihnen eine Vor-
stufe von Accessoi-ius- Wurzelfasern. Ihr peripheres Ende ist aber nicht ermittelt (S. 161).
*) Der Dorsalast der gesparten Wurzel ist offenbar zu schwach, um allein das
Rückenfeld reizbar zu machen.
DAS laicKKNMAKK DER VÖGEL. 173
mit ventraler Basis aufweisen, was vom Autor dem größeren ventralen
Umfang des Körpers zugeschrieben wird.
Die zentralen Ausläufer der Ganglienzellen verlaufen alle in den Hin-
tersträngen.
Ein Seitenstrangwurzelbüudel, wie bei den Schlangen und Schildkröten,
wo es die direkten sensitivoraotorischen Kollateralen abgibt, ist hier nicht
vorhanden, und die Vögel stimmen mehr mit den Eidechsen (und Kroko-
dilen) überein, weil hier das Hinterwurzelbündel, welches die sensitivo-
raotorischen Kollateralen (Fig. 85) abgibt i), wieder den Platz in den
Hintersträngen selber eingenommen hat.
Die Ursache des verschiedenen ^'^erhaltens jenes Bündels ist vorläufig
nicht anzugeben. Möglicherweise hängt es damit zusammen, daß die Hinter-
stränge bei den Vögeln relativ weniger entwickelt sind als bei den ge-
nannten Reptilien und darin mehr Platz vorhanden ist.
Obwohl die Hinterstränge dieser Tiere also Fasern enthalten, welche bei
Schlangen und Schildkiöten außerhalb derselben liegen, sind sie bei den
Vögeln doch schmäler als bei den genannten Reptilien.
Brouwer fand den Prozentsatz des Hinterstrangareales zu der Gesamt-
heit der weißen Substanz im Zervikalmark der Vögel von 7 °/„ bis 8,7 °l^
und meine eigenen Messungen bestätigen dies (beim Huhn 7,7 °/;,).
Bedenken wir, daß er bei den Reptilien, sogar bei den kleineren,
nicht weniger als 10,40 °/o fand (bei Dammonia fand ich sogar 16,2 7o)>
dann ist es klar, daß der Prozentsatz der Hinterstrangfasern bei den Vögeln
erheblich niedriger ist.
Brouwer meint, daß die Abnahme der Hinterstränge bei den Vögeln
nur scheinbar sei, indem die kräftig entwickelten tektospinalen und vesti-
bulospinalen Bahnen hier einen so großen Zuwachs der Vorder- und Sei-
tenstränge verursachen, daß dadurch die Prozentzahl der Hinterstränge
gedrückt wird. Daß dies nicht der einzige Grund des relativ geringen
Prozentsatzes der Hinterstränge sein kann, geht aus folgendem hervor:
Man kann die Zunahme der Seiten- und Vorderstränge ausschalten, indem
man den Umfang der Hinterstränge mit dem Umfang nicht mit der
übrigen weißen, sondern mit der grauen Substanz vergleicht.
Ich gebe hier das l'erJialtnen '^) der Hinterstrilnge zu der grauen Substanz
') Vergleiche hierzu Fig. 63, wo der Hinterwurzel-Vorderhoriireflex noch durch D(>n-
driten-veriistelung in den Hinterhorn üherraittelt wird. (Yergl. auch S. 74 und 75.)
2) Beim Anstellen solcher Vergleich ungen muß man immer berücksichtigen, dalS bei
größeren Tieren der Querschnitt der weißen Substanz im Vergleich zu dem Querschnitt
der grauen sehr zunimmt, wie von Hovy für das Rückenmark nachgewiesen wurde. Dies
gilt namentlich noch ganz besonders für die Hinterstlange. Deshalb ist in dieser Tabelle
das größte der anuren Amphibien mit einem relativ kleinen Vogel und einem relativ
kleinen Reptil verglichen, damit die Körpergröße nicht allzu verschieden ist. Beim Strauß
(Streeter) ist der Prozentsatz für die Ilintcrstränge größer; aber ein solcher Vergleich
Ware unzullissie.
174 DAS RÜCKENMARK DER VÖGEL.
im oberen ZervikalmarJc bei einem Amphibinni, einem Reptil, einem Vogel
und einigen kleinen Säugern.
Rana mugiens 40 ') "/^
Danimonia subtr "'^ °/o
Galhis dornesticus 23 °/^
Didelphys 40 °/„
Putorins 46 °/„
Oedipomidas 50 °/^
Callithrix 02,5 7„
Leontopithecus ''^ °/o
Cebus fatuellus 132 °/„
Aus dieser Tabelle 2) ergibt sich aufs deutlichste, daß die progressive
Entwicklung der Hinterstränge selbst in der Reihe der Wirbeltiere bei den
\'ögeln einen Rückschlag erfährt.
Bezüglich der Ursache dieser Verringerung der Hinterwurzelfasern bei
den Vögeln können wir meines Erachtens zwei Möglichkeiten unterscheiden.
Erstens kann die ganze sensible Faserzufuhr (also die ganze Hinterwurzel)
kleiner sein, zweitens nur diejenige der Hinterstränge, während z. B. die
mehr oder weniger direkte Endigung der sensiblen Fasern in den Hinter-
hörnern (die lokale Endigung) dieselbe geblieben ist.
In dem ersten Fülle müßte die Entwicklung der peripheren Sensibi-
lität bei Vögeln überhaupt geringer sein als bei den beiden angrenzenden
Tierklassen, was — wie mir von zoologischer Seite mitgeteilt wird —
tatsächlich der Fall ist. Der geringe Umfang der hinteren Extremitäten
und die Bedeckung des übrigen Körperal)schnittes mit Federn, bringt dies
vielleicht mit sich.
Obwohl die Federn auch mit sensiblen Organen verbunden sind, macht
die ganze Lebensart in der freien Luft es wahrscheinlich, daß die Tiere
viel weniger mit Objekten in Berührung kommen. Infolge dessen sind
auch die sensiblen Wurzeln selber relativ etwas dünner als bei den
andern Tieren.
Dies ist meines Erachtens jedoch nicht in einem solchen Maße der
Fall, daß es schon allein geiaügen würde, die geringe Entwicklung der
Hinterstränge zu erklären.
Ein zweiter Faktor wird wohl sein, daß die Endigung der meisten
absteigenden Fasern in dem Hinterhorn schon sehr bald stattfindet, und
die aufsteigende Strecke der Hinterwurzelfasern auch nur gering, und dadurch
die Akkumulation der Fasern nicht sehr beträchtlich ist.
') Für diese hohe Ziller (vei-iiisacht durch bulbüre Wurzelfasern) siehe S. 153.
*) Nur bei den lileinsten Säugern: Maus und Spitzmaus, erhält man eine Zahl, welche
derjenigen des Huhnes ähnlich ist. Diese Tiere sind aber so viel kleiner als das Huhn,
daß sie nicht zum Vergleich herangezogen werden dürfen. Cebus ist reichlich grosz.
DAS RÜCKENMARK DER VÖGEL.
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176 DAS RÜCKENMARK DKK VÖGEL.
Dieser Schluß wird durch die degenerativen Untersuchungen Fried-
länder's bestätigt, der nacli Rüokenmarksdurehsehneidungen feststellen
konnte, daß weitaus die Mehrheit der Hinterstrangfasern bald in die graue
Substanz der Hörner eintritt. Mit Hinsicht darauf ist auch die Tabelle
Streeter's (Fig. 87) interessant, woraus hervorgeht, daß der große Zuwachs
der Hinterwurzelfasern, welche das Rückenmark im 30. Segment (Lumbo-
sakralanschwellung) aufweist, bereits im 26. verschwunden ist, und daß
also die Auflösung der Wurzelfasarn in der grauen Substanz bei den
Vögeln sehr rasch und innerlialb weniger Segmente erfolgt.
Hieraus geht hervor, daß die Vögel in sehr starkem Grade Reflex-
tiere sind und der bekannte Versuch, daß ein geköpftes Huhn noch lange
Zeit herumlaufen kann, findet hierin wohl ein Kollarium, wie auch
Streeter betont.
Daß die Ausbildung von längern, über viele Segmente verlaufenden
Fasern bei den N'ögeln weniger stattfindet als bei den Reptilien,
und die Eudigung der direkten sensit.ivo-motorischen Bahn kürzer ge-
drängt ist als dort, ist auch damit in Übereinstimmung, daß die loko-
motorischen Organe bei den \'ögeln sich auf gewisse Segmente beschränken,
während bei den Schlangen aus Mangel an lokalisierten Lokomotionsorganen
der ganze Rumpf daran Anteil hat.
Auch den vierbeinigen Reptilien und den niederen Sängern gegen-
über ist der Lokomotionsapparat der Vögel ein mehr lokalisierter, werden
doch beim Fliegen nur die Vordergliedmaßen und beim Gehen nur die
Hintergliedmaßen gebraucht, während bei vierbeinigen Reptilien und nie-
dern Säugern eine stetige und exakte Koordination zwischen Vorder- und
Hinterbeinbewegungeu stattfindet.
Wer sich jemals Mühe gegeben hat, einen Vogel zu beobachten, der
sich mittels Flattern und Laufen zugleich fortbewegen will, wird von der
geringen Koordination zwischen den Bewegungen der vordem und hintern
Lokomotionsorgane überrascht worden sein.
Doch enden nicht alle Fasern der Hinterstränge so bald im Marke.
Ein kleiner Teil steigt bis zum Anfang der Oblongata auf.
Dieser Teil wurde von Friedländer und Ingvar degenerativ dar-
gestellt durch Rückenmarksdurchschneidungen bei Tauben. Dabei ergab
sich, daß vereinzelte Fasern aus dem Lendenmark, im oberen Halsmark,
medial neben dem Septum posterius liegen, während solche aus frontaleren
Wurzeln sich lateral an die bereits eingetretenen Fasern legen.
Ich gebe in Figur 88 Abbildungen von den Hintersir ang kernen.
Namentlich der mittlere sog. Schwanzkern ist sehr konstant (Zeehandelaar),
der GoLL'sche und BuROACH'sche nur angedeutet und die daraus hervor-
gehende mediale Schleife ist denn auch noch sehr klein.
Außer den bis jetzt beschriebenen, groben Hinterstrangfasern gibt
es in den Hinterwurzeln mehr lateral gelegene, feinere Elemente.
Dieses laterale Wurzelbündel ist viel kleiner als das mediale und
OAS KUCKENMAKK DKK VtXiKL.
Fig. 88 A.
H.S.K.
itinosu).
iva inf.
Fig. 88 B.
H.S-K.M.
H.S.K.L.
Fig. 88 A. Hintersti'angkern(H. S. K.)iiii(l sijiiial(.TTiigKii]inubkerii(Xu. Spin. V) des Kasuars.
Fig. 88 B. Mittlere (H.S K. M.) und laterale (H.S.K.L.)
Hinterstrangkerne von Cacatua roseicapilla.
Kappk.rs.
12
178
DAS RÜCKENMARK DER VOGEL.
Bogenfaserzellen.
seine Kollateralen entwickeln sich später als das große KoUateral-System
der eigentlichen Hinterstränge (Ramün y Cajal).
Seine Pasern verästeln sich namentlich in der Lissauer'scäcti Rand-
Z01U, aber auch in der hier noch spärlich entwickelten Substantia gelati-
nosa RoLANDO, die bei den Vögeln nur im obern Halsmark eine
weitere Ausbildung erlangt unter Einfluß der spinalen Trigeminuswuriel
(Fig. 88 A).
Die Funktion dieses Bündels ist nicht genügend bekannt. Da seine
Fasern keine sensitivo-motorischen Kollateralen abgeben und auch nicht
in den Hintersträngen aufsteigen, handelt es sich hierbei offenbar um
Fasern, deren Reflexbogen ein lokaler ist.
Welch eine bedeutende
Rolle die lokalen Reflexe im
Rückenmark dieser Tiere spie-
len, geht auch aus der Betrach-
tung der sekundären Neuronen
des Rückenmarkes hervor.
Als solche sind hier wieder
in erster Linie die Neuriten
der Kommissurzellen, die Bogen-
fasern von His, zu erwähnen,
welche bei den Embryonen
dieser Tiere, wie bei den nie-
dersten Vertebraten, nament-
lich in dem hinteren Abschnitt
der grauen Substanz liegen
(Fig. 89 und 90).
Im ausgewachsenen Tiere
dürfte die größte Zahl ihrer
Ursprungszellen von den sen-
siblen Hinterhörnern sich all-
mählich in dem motorischen
Vorderhorn anhäufen i).
Daß sie auch in den margi-
nalen Kernen nachgewiesen
sind, ist bereits erwähnt (2te
Fußnote S. 170).
Weitaus die Mehrheit bleibt jedoch in der grauen Substanz der Hörner.
Ihre in der Commissura anterior kreuzenden Achsenzylinder senden
auf- und absteigende Aste in die Vorderseitenstränge, während Kollateralen
davon sich auch in dem Vorderhorngrau derselben Seite verästeln.
Fig. 89 Querschnitt durch das Rüclienmark
eines 4tägigeii Hühnerenibryos, n. Cajal.
W ^= Wachstumskolben der Achsenzylinder.
K = Vorderwurzel.
') Eine etwas andere Verlagerung der retikulären Elemente, denn darum han-
delt es sich hier, finden wir in der Oblongata (vergl. Kapitel VI).
II AS i;ii('ki<:nmakic der vogkl.
17!)
Wir haben gesehen, daß diese Zellen zu den alleriil testen Bestandteilen des
Eückenmarkes gehören, und daß sie bereits als dorsale Median/.ellen nachgewiesen
sind bei Amphioxus, wo die frontalen Kommissurzellen ihre Achseuzylinder rückwärts
schicken, während die hintern Zellen ihre Achsenzylinder nach Kreuzung in fron-
taler Richtung aussenden (s. Seite 108).
Es ist nun interessant, daß Bok in Hühnerembryonen (wo sie bereits vor dem
Auswachsen der motorischen Wtirzelzellen zur Entwicklung gelangen) fand, daß
die frontalen Kouimissurzellen ihre Achsenzylinder rückwärts schicken, während
die kaudnicn Kommissurzellen dieselben in frontaler Richtung senden. Das will
also sagen, daß die Halsreize aboral ablaufen und die Schwanzreize oral. Erst
später tritt eine Dichotomie
an diesen Fasern auf nnd
gleicht sich dadurch dieser
Unterschied mehr oder weni-
ger aus.
Ein Blick auf die Ta-
belle Streetek's überzeugt
uns davon, daß die ventio-
lateralen Stränge der wei-
ßen Substanz in der Zervi-
kal- aber namentlich in der
Lumbalanscli wellung stark
an Umfang zunehmen. Es
ifst aber auch deutlicli, daß
diese Zunahme eine lokale
ist, und daß sie, gerade wie
es mit den Hintersträngen
der Fall war, bald vor und
nach der Anschwellung
aufhört, sodaß es sich
meistens um kurze Neuro-
nen handelt, welche ziem-
lich naheliegende Segmente
vereinigen.
Den Kommissurzellen
folgen in der Entwicklung
die Strangzellen mit ihren
homolateralen Axonen. (Fig.
90 D).
Fig. 90. Rückenmark eines Hühnerembryos des
5ten Tages n. Cajal.
E und C = Kommissurzellen.
H und D = Homolaterale Stiangzellen.
Sie liegen überwiegend in der Mitte des Graus und senden viele
Dendriten in der Richtung der Hinterwurzeln. Ihre Axonen verlaufen
besonders im Seitenstrang, obgleich auch die Vorder- und Hinterstränge
solche enthalten. Im allgemeinen hat ihr Achsenzylinder keinen langen
Verlauf und endet nach Dichotomie und unter Abgabe von Kollateralen
l>ald in den angrenzenden Segmenten.
Doch gibt es im Vogelmarke eine nicht so ganz geringe Zahl von
]8(* l'AS RÜCKENMARK DKR VÖGEL.
längeren endogenen Neuronen. Een Teil der Kommissur- oder Bogenfaserzellen
bildet längere aufsteigende Bahnen in dem Vorder-Seiteustrang, und wir
haben darin die gekreuzte vitale Bahn des Schmerz- und Temperatur-
sinnes, des allgemeinen Berührungsgefühles (und primitiven Muskelsinnes?)
zu sehen: die spino-bulbären und meseazephalen Fasern ( Fig. 91), welche wir als
die älteste aufsteigende sensible Bahn kennen gelernt haben, und welche in
dem Tegraentum und dem Tektum des Mittelhirns mit statischen und
optischen Empfindungen in Korrelation treten.
Auch gibt es längere gleichseitig aufsteigende Bahnen (siehe Fig. 91,
in welchen oben die in der Intumescentia cervicalis nach einseitiger
Lendenmark — Durchschneidung auftretenden, aufsteigenden Degenerationen
gezeichnet sind).
Dabei sind die aufsteigenden Kleinhirnseitenstrangbahnen (K. H. S. B.) zu
erwähnen, denen wir auch bereits bei niederen Tieren begegneten.
Während wir bei den Fischen nur eine Projektion der zervikalen
Sensibilität auf das Zerebellum fanden (Trigliden z. B.), aber die Projek-
tion der übrigen Rückenmarksabschnitte auf das Kleinhirn dort zweifel-
haft ist, finden wir bei den Vögln eine ganz bedeutende Entwicklung jener
Fasersysteme im ganzen Rückenmarke bis tief hinunter im Lumbaimark.
Nach Friedländer's Beobachtungen — Ingv.^r konnte dies bestäti-
gen — entsteht die spinozerebelläre Bahn der Vögel bereits auf dem Niveau
der letzten Lumbalnerven. Sie verläuft ungekreuzt frontalwärts (nach Ab-
gabe einer kaudalen Dichotomie) nahe der Peripherie des Marks von der
Spitze des Hinterhornes bis zu derjenigen des Vorderhornes, also den
ganzen Seitenrand des Markes einnehmend. Auf frontalerem Niveau wird
sie erheblich verstärkt.
Ein Teil der Fasern schließt sich in der Oblongata dem Corpus resti-
forme an, tritt mit dem hinteren Kleinhirnarm in das Zerebellum und ist
somit als dorsaler spinozerebellärer Trakt zu betrachten, während ein klei-
nerer Abschnitt frontaler zieht, um sich dann aufwärts und rückwärts
biegend durch das Velum medulläre anticum in das Kleinhirn einzusenken,
wo er teilweise in der Decussatio Cerebelli kreuzt.
Außerdem gibt es noch ein System von gleichseitigen Fasern, welche
in dem ventro-medialen Abschnitt des Rückenmarkes, nahe der Fissura
mediana anterior, auf- und absteigen (Fig. 91).
Die Funktion dieses Bündels und ihr Homologon in solcher Ausdeh-
nung ist uns bis jetzt bei den Säugern unbekannt.
Von den aus frontaleren Abschnitten zum Rückenmark absteigenden
Neuronen ist an erster Stelle eine eferente Kleinhirnbahn zu erwähnen, welclie,
den aufsteigenden Tr. s|iino-cerebellaris an der medialen Seite begleitend
bis ins Lumbaimark hineinverfolgt werden kann (Frenkkl).
Es handelt sich dabei vielleicht um das Homologen des Hakenbündels
, der Säuger {Fasciculas uncinatus), welches (teilweise) gekreuzt aus dem
Daclikcru des Kleinhirns hervorgeht.
DAS KUCKENMAKK DER VOCEL.
18]
Neben diesen kommt eine, gerade bei den Vögeln ganz mächtige ab-
steigende Verbindung aus dem Tectum opticum und den Kernen des Vesli-
bularis vor (Münzer und Wiener, Wallexberg).
Beide tragen zu der Vergrößerung des Vorder- und Vorderseitenstran-
ges bei, die optische Faserung besonders zu der des \'orderstranges.
(gekreuzte
Degeuer.)
BogBDfaserm
und
Tr. spino-
inesenceph.
,H.S.
(gleiche. Deg.)
,''l^' (gleichs. Deg.)
Ue^d^'t^ (gJeichs. Deg.)
t-iu. rliomb
^ lunibo-sacr.
Kleichs. Degen.
Fi^. DI. Taube, deren i'eehtes Hinteihurn im Ijiiiiilialiiiaik (mittlere
Figur) ihirchscliiiitten wurde. Gleiehseitig iiut'steigeiide Degeneration
im Zervikalmaik in den llintei'stirtngen, Voidei-- und Hinterseiten-
strängen (Kleinh rn-Seitenstraughahii) und gekreuzt aufstei-
gende Degeneration der spinü-niesenzephaleu Fasern.
Gleichseitig absteigende Degenerationen im Sakralniark. N. FRiEULäNDER.
Es würde mich aucli niclit wundern, wenn der bei den V^ögeln bereits
deuthcli entwickelte Nvclens ruber des Mittelliirns seine Axonen — wie bei
den Säugern — in das Rückenmark schickte Ihr Verlauf wäre, wie dort,
in dem medialen Absciniitt des Seitenstranges zu suchen.
182 DAS RÜCKENMARIC DER SÄUGER.
Wir sehen aus diesen Wahrnemungen, daß das Rückenmark dieser
Tiere außer dem miiclitigen, stark lokalisierten Eigenapparat erhebliche
absteigende ^Verbindungen mit dem Kleinhirn, dem Vestibulär- Apparat und
dem optischen System hat, was uns bei solchen exquisiten Gleichgewichts-
tieren nicht wundern kann.
Eine Vordei-hirn-Rückenmarks — Bahn im Öiuue der Rückenmarkspyra-
mide der Säuger ist bei den Vögeln nicht nachgewiesen ^). Die Bahnen,
welche das Rückenmark influenzieren, sind wesentlich vitaler Natur, d. h.
sie entstammen den Zentren der Gleichgewichtsorgane (Vestibularis), der
Statik (Zerebellum und Adnexa) und der optischen oder Photostatik
(Tektum), also gerade den Zentren, welche auch mit den ersten aufstei-
genden sekundären Bahnen der primitiven Rückenmarks-Sensibilität, ein-
schließlich der primitiven Muskelsensibilität (mesenzephalier V Kern) in
Korrelation treten.
Die Hiillsuhstanz des Vogelmarkes ist hoch entwickelt und zeigt neben den
üblichen radiären Ependymfasern knrzfaserige und langfaserige Astrozyten, nament-
lich um die Gefäße und an dem Rande des Markes. Für weitere Einzelheiten
verweise ich nach den Arbeiten von Golgi, Oajal, Lenhossek, Lacchi und Eet-
zius (welche jedoch vielfach den Nachteil liaben, nur ziemlich junge Entwickhuigs-
stadien dieser Substanz zu beschreiben) und denjenigen Achucciero's.
Die Hüllen des Markes sind denen der ßejjtilien sehr ähnlich. Es besteht eine
Dura mater und eine Menins secundaria (Stekzi).
Nach Stkeeter soll beim Strauß die Meuiux secundaria sich bereits in eine
typische Pia mater und ein Arachnoid getrennt haben, dessen Wände mit Endothel
bekleidet sind und nur wenige Trabekeln aufweisen.
Der Perimeningeal- oder Periditralmum (zwischen Dura und Periost) ist weniger
ausgebildet als bei Reptilien.
Die Ligamente der Meninx secundaria sind das übliche lägamentum ventrale
und die beiden Ligamenta lateralia, von denen das letztere das Ligamentum den-
ticulatum bildet.
In der Lumbairegion kommen außerdem fibröse Verdickungen zwischen dem
Ligamentum ventrale und den beiderseitigen Ligamenta lateralia vor, welche, als
Pontkuli interliqamentarii zu bezeichnen sind. Sie liegen in den Furchen, welche die
Emineutiae ventralis der Vorderhörner (s. o.) scheiden (Streeteh).
Das Rückenmark der Säuger.
Im Gegensatze zu den ^Vüg■eln und Reptilien füllt das Rückenmark der
Säuger fast nie den Vertebralkanal ganz aus. Es ist meistens viel kürzer,
sodaß der kaudale Abschnitt des Vertebralkanals kein Rückenmark, son-
dern nur eine Oauda equina und ein Filuin terminale enthält, wie wir es
(in noch auftallenderer Weise) bereits bei einigen Teleostiern (Lophius,
Orthagoriscus) und beim Frosch vorfanden.
Diese Diskrepanz zwischen Rückenmark und \Vertebralkanal ist hier
') Nur Sandmeyer erwähnt eine Riickenmarkspyrivmifle bei der Taube, welche SäNGEii,
Wallenberg u. A. verneinen.
DAS RUCKENMAKK DER SÄUGER.
183
o
It
nicht nur die Folge einer Verivünimerung der Schwanzregion des Rücken-
markes.
Es zeigt sich nämlich durch das ganze Mark eine
Inkongruenz in dem Sinne, daß ein bestimmtes Mark-
segment beim Menschen immer etwas höher liegt als
die entsprechenden Skierotome, d. Ii. als die Wirbel,
welche seine austretende Wurzel umfassen (Fig. 92).
Für die menschliclie Anatomie und Pathologie ist
die Kenntnis dieses \'^erhaltens von besonderem Interesse,
weil man die Lage gewisser Rückenmarkssegmente an
den Dornfortsätzen der Wirbel abzuzählen pflegt.
Die Erklärung dieses Verhaltens ist haui^tsächlich
darin zu suchen, daß die Wirbelsäule sich noch verlängert,
wenn das Mark bereits seine definitive Länge erreicht
hat. Da naTnentlich der kaudale Abschnitt der Wirbelsäule
(in Verbindung mit der Ausbildung des Beckengürtels)
im Laufe der Entwicklung eine bedeutende Vergrö-
ßerung erfährt, läßt dieser Einfluß sich auch nament-
lich dort bemerken. Nebenstehende Figur zeigt, daß die
Inkongruenz zwischen Marksegment und Skierotom in
kaudaler Richtung zunimmt beim Menschen.
Aus Fig. 92 geht hervor, daß das untere Ende des
eigentlichen (funktionierenden) Rückenmarkes, welches
man seiner kegelförmigen Gestalt wegen als Conus
terminalis bezeichnet, sich beim Menschen etwa in der
Mitte des zweiten Lendenwirbel befindet, und somit
der Kanal, welcher von den drei untern Lendenwirbeln
und der ganzen Sakralsäule gebildet wird, nur ein Filum
terminale und Cauda equina enthält.
Beim Menschen, dessen Schwanz verkümniert ist, ist
die coccygeale Kegion des Markes nachträglich „dedif-
ferenziert" (Streeter). Auch bei Affen, Karnivoren
und L^ngulaten, ja sogar bei den Zetazeeen kommt es
zu der Bildung eines Filum terminale und zu der
obengenannten Inkongruenz, was neben dem (hier gerin-
geren) Wachstumsunterschied zwischen Wirbeln und Mark
damit zusammenhängt, daß die Schwanzmuskulatur bei
diesen Tieren, wie groß sie auch sein möge, nicht einen
metameren Charakter hat, wie bei den Reptilien, sondern
nur durch Ausbildung der proximalen Schwanzmuskelu .sches Verhalten des
entsteht, während die hinteren Sclnvanzmyotome verloren Rückenmarkes zur
, ,r-i . Wirbelsäule beim
gehen (GeGENBAUR). Menschen; «.Gowers.
Obschon beim Menschen die Inkongruenz zwischen
Rückenmarkslänge und Vertebralkanal ansehnlicher ist als bei den Affen,
L-
>
h
Fig. 92. Topf>grapbi-
184 DAS RÜCKENMARK DER SÄUGER.
und der Conus terminalis bei den Karnivoren fast bis zum Ende der Lum-
balwirbel, bei den Ungulaten sogar noch bis zur Mitte der Sakralgegend
(Vermeuden) reicht, gibt es bei den niederen Säugern aucli Beispiele einer
größeren Inkongruenz. So findet man (Gegenbaur) bei Echidna das Ende
des eigentlichen Rückenmarkes bereits in der Mitte des Vertebralkanals ;
der Rest des letztern enthält nur Filum und Cauda equina. Dem gegenüber
weist der andere Repräsentant der Monotremen, Ornithorrhynchus, ein
Verhalten auf, welches demjenigen bei den Reptilien ähnlich ist, indem
sich dort das Rückenmark bis in den Sakralkanal hinein erstreckt.
Beide Tiere haben einen Schwanz von ungefähr ein Viertel der ge-
samten Körperlänge. Bei Ornithorrhynchus ist der Schwanz aber ein
stark muskulöses, beim Scliwimmen funktiouierendes (Jebilde, bei Echidna
dagegen ein viel dünnerer, ungebrauchter Anhang.
Daß indessen nicht allein das Verlialten des Schwanzes hierauf infiu-
enziert, geht daraus hervor, daß man ähnliche Kontraste findet zwischen
Tieren, welche beide fast schwanzlos sind, z. B. zwischen gewissen Roden-
tiern (Lepus) einerseits — wo das Rückenmark sich in den Sakralkanal
erstreckt — und Chiropteren und Insektivoren (Erinaceus) andererseits, wo
es relativ sehr kurz ist (Gegenbaur). Obschon beim Kaninchen die Prä-
ponderanz der hinteren Extremitäten, bei den anderen Tieren die Präpon-
deranz der vorderen Extremitäten hierauf einen Einfluß haben dürfte,
spielen hierbei vielleicht noch andere Faktoren (Vaskularisation?) eine
Rolle, die bis jetzt nicht genügend ermittelt sind und in jedem Falle für
sich beurteilt werden müssen.
Au dem Ende des Couus terminalis, direkt frontal vom Filum terminale,
erfiihrt der Zentralkanal eine erhebliche Erweiterung, die als Kiiiusn'seher
Ventrikel i) bekannt ist. Diese Erweiterung des Kanals, welche von auft'allend
vielen oder groszen Gefäßen umgeben ist, findet dorsalwärts statt, was oftenbar
damit zusammenhängt, daß die Obliteration des dorsalen Abschnittes jenes Kanales
hier ausgeblieben ist ^). 8ie weist, wie von Vekmeulen bei Ungulaten, von anderen
Autoren seltener auch beim Menschen nachgewiesen wurde, manchmal einen dorsalen
Durchbrach auf, der nach meiner Meinung nicht von der Anlage her offen bleibt,
also keine Art Neuroijorus ist, sondern vielmehr im Laufe des Lebens durch besondere
Druckverhältnisse oder Zerrungen entstanden sein dürfte (vielleicht auch mal durch
unvorsichtiges Auspräparieren vergrößert sein kann. Stilling).
Die Lage des Rückenmarkes im Vertebralkanal zeigt bei einigen Tieren
auch noch andere Eigentümlichkeiten, die teilweise dui-ch das größere
Wachstum des Wirbelkanales im Verhältnis zum Marke zu erklären sind,
wie z. B. die auffallende Weite des Kanals beim Dugons: und Wal, wo
') Der A^entrikel des Conus ist nicht dem Ventriculus terminalis von Amphioxu-i und
der Zyklostomen (Fig 43 und -53) zu homologisieren, weil letztgenannter ara allerUauclalsten
Abschnitt des Medullarrohres vorkomMit, also das Ende des Rückenmarkes bildet.
') Auch im anderen Hinsichten, z. B. in den Hiillen, weist das hintere Rnde des
Markes primitivere Zustände auf.
DAS KUCKKN.MAKK 1>KI; SAUGEl!.
lcS5
Biickenm.
(im Halsmark) das Lumen desselben den Umfang des Rückenmarkes um
das zwölffache übertreffen kann (Dexlkr und Eger).
Interessant ist auch die von Hochstettek und he Buhlet bei Cho-
loepus und Bi-adypus beschriebene exzentrische Lage des Markes in dem
dort ebenfalls sehr weiten Kanal, wo es von einer großen Vene seitwärts
gedrängt wird (Fig. 93) '■).
Eine nietamere Gliederung der Rilckenmarksuhstanz wurde bis jetzt nur
einmal (von Bolk) beobachtet bei einem menschliciien Embryo der vierten
Woche, wo der dorsal von dem Hulcus limitans gelegene sensible Abschnitt
segmentale \'erdickungen aulwies an der dem Zentralkanal zugewandten
Seite, welche mit den Wurzeleintrittstellen korrespondierten und von inter-
segmentalen, taschenartigen Erweiterungen des Zentralkanals getrennt wur-
den. Ob es sich dabei
um einen konstanten Be-
fund handelt, ist noch
abzuwarten.
Bei der weitern Aus-
bildung des Markes ver-
dickt sich die primär sen-
sible Flügelplatte über
ihre ganze Länge. Die in-
tersegmentalen Taschen
verschwinden, der obere
Abschnitt des Zentral-
kanals obliteriert und
auch der Sulcus limitans
verschwindet. Das aus-
gewachsene Rückenmark
zeigt äußerlich nur die üblichen Anschwellungen in der Hals- und Lenden-
region, welche von der Entwicklung der Extremitäten in diesen Gegenden
bedingt sind.
Li Übereinstimnuing damit ist die Tatsache, daß die Lendenanschwel-
lung bei denjenigen Tieren fehlt, welche der hintern Extremitäten erman-
geln, wie Halicore dugong (Dexlek).
Nach GuLDBERG ") soll dies auch l)eiui Bartenwal der Fall sein.
Andererseits kann ich die .Vngaben von C'ünningh.\m und Hatschek be-
stätigen, daß wir bei Phocaena und beim Delphin eine schwache Intu-
mescentia lumbo-sacralis mit entsprechender Vermehrung der grauen Sub-
Fig. 93. VertcbralkanLiI mit Rurkeniiiark und i;roßer
Vene bei Choloepiis; ii. he Buhlet.
') Man hat gemeint, daß die eigentüraliclie hängende Haltung dieser Tiere zu der
Entwicklung jenei- Vene Anlaß gegeben hat, welche Aulfassung nicht mehr zutrifft, seit-
dem wir wissen (dk Buhlet), daß sie auch bei Zetazeen vorkommt (beim Bartenwal).
*) Nach GuLDBERG kommt die Lumbalanschwelhmg wohl bei den Embryonen der
Bartenwale vor — entsprechend der Abstammung von Vierlußern — soll aber beim aus-
gewachsenen Tier ausgeglichen sein.
186 DAS RÜCKENMARK DER SÄUGER.
stanz finden. Offenbar hängt die Anwesenheit dieser Anschwellung bei den
letztgenannten Tieren mit der bedeutenden Funktion ihres Schwanzes zu-
sarnmen. Bekanntlich sind diese Tiere viel lieweglicher als die Sirenen
(Manatus und Halicore) und auch beweglicher als der Bartenwal. Ihr volks-
tümlicher Name „Tümmler" weist schon darauf hin. Sie verdanken diese
große Beweglichkeit namentlich dem Schwänze.
Bei allen übrigen Ordnungen kommen beide Anschwellungen regelmäßig
vor. Wenn die vom Lumbalplexus innervierten Teile besonders groß sind,
wie beim Känguruli, mit seinen .gering entwickelten vordem Extremitäten
und starken Ausbildung der hintern Extremitäten und des Schwanzes,
dann übertrifft die Lumbalansch wellung die zervikale Intumeszenz an
Umfang (Poppkr).
Meistens ist aber die Zervikalanschwellung dicker als die Lendenan-
schwellung.
Ganz autfallend ist dies bei den Chiropteren, wo die vorderen Extre-
mitäten (Flügel) eine die Größe des Körpers bedeutend übertreffende
Oberfläche haben und die hinteren Extremitäten sehr klein sind.
Aber auch l)ei anderen Tieren, sogar beim Menschen, ist die Zervikal-
anschwellung diu größere. Dies hängt damit zusammen, daß die aufstei-
genden Bahnen des Rückenmarkes oralwärts durch Akkumulation umfang-
reicher werden und die absteigenden Bahnen ebenfalls oral mächtiger sind
und kaudal sich auflösen.
Der mehrere Umfang der Halsanachwellung gegenüber der Lendenan-
schwellung bei den Primaten ist somit besonders der weißen Substanz
zuzuschreiben (vergl. Fig. 94: LV und C VII und 95: LV und C VII).
Die Fissura mediana anterior schneidet bei den Säugern, infolge der
vermehrten Entwicklung der weißen Vorderstränge, tiefer ein als bei
den meisten Nichtsäugern. Der Sulcus dorso-lateralis, welcher der Ein-
trittslinie der Hinterwurzeln entspricht, ist ebenfalls deutlicher als bei
niedern Tieren i), was dem Umstände zu verdanken ist, daß die dem
Kopf des Hinterhornes angrenzenden weißen Stränge hier ebenfalls mehr
entwickelt sind.
Im allgemeinen ist das Verhältnis der weißen zur grauen Substanz
bei den Säugern zu Gunsten der weißen Substanz gestiegen.
Zahlreich sind die Messungen, welche das Verhältnis der gesamten
weißen Substanz — oder Abschnitte davon — zur grauen Substanz,
als Ziel hatten. Ich muß hierbei aber bemerken, daß bei solchen Messun-
gen an erster Stelle die Größe des Tieres den Durchschlag gibt, da — wie
von HovY für das Rückenmark bewiesen wurde — bei größern Tieren
derselben Ordnung die weiße Substanz sehr viel melir zunimmt als die
graue ^), was mit der von E. de ^^RrES gefundenen Formel zusammenhängt,
') Diese Furche fehlt sogar bei vielen niederen Tieren.
'') Es ist selbstverständlich, daß diese Tatsache auch bei Messungen in Betracht
gezogen werden muß, welclie das Verhältnis einzelner Abschnitte der weißen Substanz
DAS Kiu'KEN^rARK DER SÄUGER. 187
(laß die weiße Substanz bei größein Tieren im Querschnittsbilde in der
dritten Potenz zuninunt, wenn die graue sich mit einer Quadratzifier ver-
mehrt (siehe auch Kap. X).
Das numerische Verhalten der Wurzelfasern ist bei den Säugern (wie
auch bei den meisten niedern Tieren) gewöhnlich zugunsten der sensiblen
Wurzelfasern, obschon diese Differenz infolge der gr(")ßern Dicke der moto-
rischen Wurzelfasern in dem Umfang meistens nicht sichtbar ist.
Indessen gibt es Ausnahmen. So sind bei Zetazeen die Vorderwui'zeln
umfangreicher als die Hinterwurzeln, was von Cunninisham und Hatschek
mit Recht der geringen Entwicklung der Hautsensibilität dieser Tiere
zugeschrieben wurde, da das Haarkleid — sonst ein reichlich mit sensiblen
Endigungen versehener Organismus — ihnen fehlt.
Der l^nterschied zugunsten der Vorderwurzeln ist dort so groß, daß
in der Cauda equina die sensiblen Wurzeln etwa nur die Hälfte der Dicke
der motorischen aufweisen (Cunninghäm) i).
In den Vorderwurzeln kann man zweierlei Fasern unterscheiden, grobe
und dünne.
Die groben Fasern, welche vor ihrem Austritt ein Kollateral abgeben
können, welches in die graue Substanz zurückzieht, bilden die somatomo-
torische Wurzel.
Die Wurzelzellen dieser Fasern liegen nur im Vorderhorn -) derselben
Seite und zeigen bei den meisten Säugern eine viel deutlichere C4ruppierung
als bei niedern Tieren.
Man beobachtet in den Anschwellungen eine erhebliche Zunahme der
seitlichen Zellgruppen, welclie den Extremitäten entsprechen. Dies ist
namentlich auffallend im Zervikalmark beim Menschen (Fig. 95), wo die
Fingerzentren, sogar im Vergleich zu den anthropoiden Atfen (Fig. 94),
sehr stark entwickelt sind.
Durch Verfolgung der motorischen Nerven von den Muskeln bis zu
ihrem Eintritte in das Rückenmark (wie dies von Bolk getan wurde) ist
die radikuläre Anordnung der einzelnen Muskeln in der Längsachse des
Rückenmarkes bestimmt, unter der Annahme (die wohl berechtigt scheint,
obwohl sie nicht überall bewiesen ist), daß innerhalb des Rückenmarkes keine
so erhebliche sekundäre Verlagerung der Kerne in der Längsrichtung statt-
findet, daß dabei eine sekundäre Wanderung von einem Segmente in das
andere erfolgt.
zur grauen Substanz zum Ziele halien, namentlich bei ()er Betrachtung der Hinterstränge,
weiche j;i mit der Vermehrung der empfuidlichen Masse und Oberiläche des Korpers zu-
nehmen. Ich werde darauf bei der Behandlung dieser Systeme zuriicUUommen.
') Ähnliches fand ich auch in der Gauda equina von Lophius, wie aus Kig 68 hervorgeht.
^) Abspaltungen des Vorderhornes (als GASKELL'sche Kerne) sind bei Säugern nur
von DRäsECKE bei Chiropteren im Lumbal- und Thorakalraark beobachtet. Ihre Identität
ist jedoch noch nicht sichei-.
188
DAS RÜCKEXMARK DER SÄUGER.
CVII
Fig 94 Querschnitte durch das 2to, 7te und 8te Zervikalsegment und durch
das fünte Lumbaisegment des Orang Utan. Material von Dr. Eliiers.
Man beachte die geringe Entwicklung des (lateralen) Fingerzentruins ,n t 7
und C 8 im Vergleich zum Menschen (Fig. 95).
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190
DAS RUCKENMARK DER SAUGER.
Radikuläre Topographie der menschlichen Rückenmarks-Musl<ulatur; nach Bolk.
Kectus capitis anticus et late-
ralis
Cl.
Cl.
Kectus cap. pobt. minor ....
Rectus cap. post. maior ....
C2.
Obliquus capitis sup
Cl.
Obliquus capitis inf.
C2.
Longus colli
Cl. 2.
0 3. 4.
3 4 5
Scalenus anticus
5.
Scalenus medius
C2. 3.
C5. 6.
4 5 6 7. 8.
Scalenus posticus
7. 8.
Thyreo-hyoideus
01. 2.
Sterno-hyoideus
Ol. 2.
3.
Omo-hyoideus
Cl. 2.
3.
Sterno-tiiyreoideus
Ol. 2.
3.
Trapezius '.i
0 2. 3
Sterno-cleido-mastoideus ') . .
0 2. 3.
Accessorius ')
Levator scapulae
0 3. 4.
Rhomboides
C5. 6.
Serratus anticus
C5. 6.
7.
Supraspinatus
C 4. 5.
Infraspinatus
C5. 6.
Teres minor ....
0 5. 6.
0 6. 7.
Teres maior
0 6. 7.
0 5. 6.
8
Subscapularis
Subclavius
C5.
C 5. 6.
C7. 8.
7 8
Pectoralis minor .........
C5. 6.
C6. 7.
Coraco-brachialis
Biceps brachii
0 5. 6.
0 5. 6.
0 6. 7.
Anconaeus longus
8.
Anconaeus internus
C7. 8.
Anconaeus externus
0 6. 7.
Anconaeus quartus
C7. 8.
Pronator teres .
0 6.
06. 7.
Pronator quadratus
8. Th.l.
Flpxor carpi radialis
0 6. 7.
Palmaris longus
C7. 8.
Th.l.
Flexor carpi ulnaris ......
C8. Th.l.
Flexor pollicis longus
C6. 7.
Flexor digitorum sublimus . .
0 7. 8.
Th.l.
Flexor digitorum profundus . .
0 7. 8.
Th.1.
Palmaris brevis
0 8.
06. 7.
Abductor pollicis brevis ....
Opponens pollicis
06. 7.
Flexor pollicis brevis
C6. 7.
Adductor pollicis
0 7. 8.
Th.l.
Flexor brevis dig. V et Oppo-
nens dig. V
C8.
Adductor ditr. V . . .'
C8. Th.l.
Lumbricales
C 7. 8.
Th. 1 .
Interossei
C8 Th.l.
Brachio-radialis
05. 6.
0 6. 7.
Ext. carpi rad. longus
Ext. carpi rad. brevis
0 6. 7.
Supinator
C5. 6.
7.
Abductor pollicis longus ....
0 6. 7.
Extenso) pollicis longus ...
C 7. 8.
Extensor dig. comm
G7. 8.
Extensor pollicis brevis
CR. 7.
Extensor indicis proprius . . .
C 7. 8.
Extensor dig. V et ext. carpi
ulnaris
0 7. 8.
Serratus posticus sup
Th.l.
2. 3. 4. 5.
Serratus posticus inf. .
Intercostales
Diaphragma
Transversus thoracis. .
tjuadratus lumborum . .
Obliquus abdominis exl.
Obliquus abdominis int.
Transversus abdominis
Rectus abdominis . . .
Pyramidalis .
Cremasler
Psoas
lliacii:
Glutaeus maximu^
(Uutaous medius
Glutaeus minimus
Tensor fasciae latae
Piriformis
Obturator interraus + Gemel-
lus sup.
t^iuadratus femoris + Gemel-
lus inf. .
Sartorius
Vastus externus
Vastus medius
Vastus internus
Rectus femoris
Pectineus
Adductor longus
.4dductor brevis
Adductor magnus
Obturator externus
Gracilis
Semimembranosiis . ,
Semitendinosus
Biceps fem. caput lungum . . .
Biceps fem. caput breve ....
(iastrocnemius
Soleus , . ,
Plantaris
Flexor digit. long
Flexor hallucis long
Tibialis posticus
Popliteus
Tibialis anticus
Extensor hallucis long
Exsensor digit. long
Peronaeus longus
Peronaeus brevis
Extensor digit. brevis + exten-
sor hallucis brevis
Abductor hallucis
Flexor hallucis brevis. . . .
Adductor hallucis
Flexor digit. brevis
Flexor brevis dig. V
Opponens dig. V
."abductor dig. V
Interossei
Lumbricales 1 und II
Lumbricales III und IV ....
Levator ani
Sphincter ani
1 liilbo-cavernosus sive ( 'onstric-
tor cunni
Ischio-cavernosus
Th.9. 10. 11. 12.
Th.l. bis 11.
0 4. 5.
Th. 3. 4. 5. 9.
L 1. 2.
Th.7. 8.9.10.11.12. L.l
Th.8. 9. 10. 11. 12. L 1
Th.8. 9. 10.11.12 L.l
Th.6. 7.8.9.10.11.12
Th.12.
LI.
L2. 3.
L3. 4.
L 5. S 1. 2.
L4. 5. Sl.
L4. 5. Sl.
L 4. 5.
Sl. 2
L 4. 5. S 1. 2.
L4. 5. Sl.
L2. 3.
L3. 4.
L3. 4.
L2. 3.
L3, 4.
L2. 3.
L2. 3.
L2. 3.
L3. 4.
L3. 4.
L3. 4.
L4. 5.
Li. 5. Sl.
Sl. 2. 3.
L5. Sl.
Sl. 2.
L5. Sl. 2.
L4. 5. Sl.
LT). Sl.
L5. Sl. 2.
L5. Sl.
L4. 5. Sl.
L4. 5. Sl.
L4. 5. Sl.
L4. 5. Sl.
L5. Sl.
L5. Sl.
L4. .5. Sl.
L5. Sl.
L5. Sl. 2.
Sl. 2.
L5. Sl.
Sl. 2.
S 1. 2.
Sl. 2.
! L5. S1.
' Sl. 2.
I S 4. 5.
S 4. 5.
S3. 4.
S3. 4.
') Der M. trapezius und der Sterno-cleido-mastoideus werden in erster Stelle vom Accessorius, einem
ursprünglichen Branchialnerven innerviert (vergl. Kap. V). Dessen Kern dehnt sich (beim Menschen)
vom 1. l)is zum 5ten oder 6ten Zorv.-Segment aus. Nur aus C 2. 3. fügen daran Vorderwurzelästclien zu.
DAS Rur'KKNMAKK I)K1{ SA HG KR.
191
Die longitndinale Lokiilisation, die sich (laV)ei ergibt, ist in der neben-
stehenden Tabelle wiedergegeben, aus der aucli hervorgebt, daß nur ganz
wenige Muskeln des
'%,
Fig. 96. Hypertrophie der ventrinnedialen (Schwanz-)
Kerngr-uppe in rtem elften Lumho-sakralsegment von
Phocaena communis: n. HEPriURN und Waterston,
menschlichen Körpers
monosegmentär sind.
Außerdem scheint
eine erhebliche Über-
deckung motorischer In-
ner vationsareale vorzu-
kommen, indem sogar
die einzelnen Muskell)ün-
del vieler Muskeln eine
plurisegmentale Innerva-
tion aufweisen, was na-
mentlich bei solchen
Muskeln der Fall ist,
an die große Ansprüche
gestellt werden, z. B.
die Zehenbeuger der
Karnivoren (Agduhr).
Die Art und Weise, wie
die Muskelgruppen sich
auf dem Querniveau der grauen Substanz anordnen, ist eine solche, daß
der das ganze Rücken-
mark in wechselnder
Größe 1) durchzie-
hende Kern der dor-
salen Stammesmus-
kulatur, gerade wie
bei den Vögeln, die
ventromediale Grup-
pe der motorischen
Wurzelzellen bildet.
Bei Phocaena er-
reicht diese Gruppe
in der Schwanzregion
des Markes eine au-
ßerordentliche Größe
(Hepburn und Wa-
TKRSTON, Fig. 96).
Fig. 97. Querschnitt des Rückenmarkes in der Halsanschwel-
lung eines Mannes, dem der (dem rechten Abschnitt der
Zeichnung) entsprechende Arm fehlte: n. Eldkrs.
') Er ist beim Menschen im letzten Zervikal- und Lumbaisegment und im ersten
Sakralsegment sehr klein, entsprechend der geringen Entwicklung des dorsalen motori-
schen Astes in diesen Segmenten.
192
DAS linCKIONMAHK IiICK
;AII(iKR.
Die Bedeutung der ventromedialen Gruppe (Fig. 97, rechts) für die
Stammesmuskulatur, wird auch dadurch erwiesen, daß sie bei allen Am-
putationen welche nicht diese Muskulatur berühren, intakt bleibt (Fig. 97,
rechts).
Die Muskeln des Scliulter- und Beckengürtels und der Extremitäten
sind, wie bereits unterhalb der Säuger der Fall ist, mehr lateral im Vor-
derhorn lokalisiert, wie auch aus der hier beigegebenen Figur 97 des Zer-
vikalmarkes in einem Fall von Amputation des Armes liervorgeht.
Die feinere Lokalisation der Extremitätenmuskeln ist so, daß die
distalsten Muskeln, diejenigen der Hände und Füße, die dorsalste Stelle
in dem lateralen Abschnitt des \'orderhornes einnehmen (Fig. 9.S).
Postposterolat.
Kern (iun.Fuszm.)
Po.stero-lat.K.
aiiss. Fuszm.
, W.idenm.
■^ Lat. Kern
Zentr. K.
Oberschenkel.
"M.
Gesäsz u. Htttt m.
Ventro-Iat. K.
Fig. 98. Querschnitt des menschlichen
Rückenmarkes auf der Grenze des ersten und
zweiten Sakralsegmente.-j; n. Bruce.
Vergl. hierzu die Tabelle von Bolk.
Diese Muskeln sind Derivate des ventralsten Teiles des periviszeralen
Myotoinabschnittes (stelopodialer Abschnitt Bolk's), welcher Abschnitt
also im Rückenraarke dorsal von den übrigen Mj'otomabschnitten loka-
lisiert ist
So liegt der Kern des Pectoralis major (ein ventrales Myotomderivat)
dorso-lateral von dem Kern des Latissimus dorsi und der Kern der
Arm- und Finger-Muskulatur wieder dorsolateral von dem erstgenannten
(siehe Fig. 118).
Denselben Regeln entspricht die Lokalisation der Muskeln im Sakral-
mark. (Fig. 98), wo die Fußmuskeln am meisten dorsal liegen.
Die Gründe dieser Anordnung der Kernein den Vorderhörnern, welche
DAS RÜCKENMAKIC DER SÄUGER. l93
namentlit.li durch die Untersuchungen von Sano, Waldeyer, Bruce,
Kaisek, OxN'UERowicz u. A. ermittelt wurde und die ungefähr genau umge-
kehrt ist wie diejenige der entsprechenden Myotomabschnitte (indem der
dorsale (perichordale) Mj'otomabschnitt ventro-medial von den Derivaten
des ventralen oder stelopodialen Myotom-Abschnittes lokalisiert ist), sind
bis jetzt nicht bekannt.
Zwecks Erklärung dieser Verhältnisse muß man zAinäehst fragen, ob es sich
hierbei um primäre topograpliische Untersohiede (welche in der Anlage bedingt
sind) handelt, oder ob wir hier mit sekundären Anordnungen durch neurobiotaktische
oder andere Einflüsse zu tun haben, die für die distalsten Extremitätenmuskeln
eine dorsalere Lage hervorrufen als für die mehr proximalen, und die Rumpfmus-
kelkerne in ventro-mediale Lage zwingen.
Angesichts der neurobiotaktischen Zell Verlagerungen, wie wir ihnen be
der Behandlung der motorischen Oblongatakerne begegnen werden (siehe
Kap. V), kann es kaum bezweifelt werden, daß die Reize auch im Rücken-
mark nicht ohne Einfluß auf die Lage der Zellgruppen sein können. So
dürfte die Lage der Rumpf- und Schwanzmuskeln, welche zu der Statik
des Körpers in engster Beziehung stehen, mit der großen Bedeutung
des zentralen Längsbündels als Koordinationsareal statischer und equili-
bratorischer Reize im Zusammenhang stehen, während die dorso-laterale
Lage der Hand- und Fuß-Zentren vielleicht erklärt werden kann in Ver-
bindung mit der Tatsache, daß das an sie angrenzende Gebiet auch die
Seitenstrangpj'ramide und Tr. rubro-spinalis führt und sich auch dadurch
als ein Zentrum höher organisierter Bewegungen kundgibt.
Daß es nicht die Pyramide selber ist, welche diese Lage bedingt, ist dadurch
ziemlich sicher, daß eine ähnliche Lage der entsprechenden Zellen bereits bei den
Vögeln vorkommt. Es ist aber nicht ausgeschlossen, daß sowohl die Beziehung der
Pyramiden zu dieser Gegend, a's auch die Lage der Zellen in diesem Areal von
einem gleichen Tertium abhängig sind, welches bei der Regulierung feiner Bewe-
gungen eine Rolle spielt. Für die Beurteilung davon wäre es notwendig, das
genaue topographische ^''erhalten der Sensibilität der entsprechenden Teile im
Eückenmarke zu kennen, doch sind wir soweit noch nicht. Vorläufig werden wir uns denn
auch mit der Feststellung des erwähnten Tatsachenmateriales zu begnügen haben.
Dw dünnen Fasern der Vorderwurzeln gehören wahrscheinlich dem sym-
pathischen Nervensystem an, welches hier im Gegensatz zu den niedrigsten
Wirbeltieren seine zentralen ^'erbindungen nur mittels der Vorderwurzeln
empfängt i) (Gabri, Sherrington, v. Gehuchten).
') MoRAT fand nach Durchscbneidung der Hinterwurzeln, zwischen Spinalganglien
und Rückenmark, doch tropliisclie Störungen. Möglicherweise hängt dies mit sensiblen
Störungen zusammen, denn allgemein nimmt man an, daß die in den sensiblen Haut-
nerven verläufenden sympathischen (z. B. i)ilo-motorischen) Fasern diesen Nerven aus den
Grenzstrang-Ganglien zugefiigt werden, also postganglionär sind. Nach Lugaro, gibt es
bei den Säugern allerdings noch vereinzelte elfektorische Sympathicusfasern in den dor-
salen Wurzeln.
Kai'pf.us. 13
194
DAS RUCKEXMARK DER SÄUGER.
Iiitcriri.
lat. K.
Fig. 99. Schnitt durcli das Vierte
Thorakalsegment von Simia Satyrus.
Die Ursprungszellen dieser Fasern, welche — was indessen nicht
genügend bewiesen ist — teilweise auf der entgegengesetzten Seite des
Rückenmarkes liegen (Bechterkw) sollen, finden sich nach Onuf (Onu-
FRowicz) und CoLLiNS hauptsächlich in der intermedio-lateralen Zone. Iin
Thorakalmark sind diese Zellgruppen besonders deutlich. Beim Menschen
(Fig. 108) und namentlich bei den Affen (Fig. 99) findet man dort eine
sich durch das ganze Dorsalmark erstreckende Vorwölbung zwischen '\'or-
der- und Hinterhorn: den intermedio-lateralen Kern.
Im untern Lumbalraark und obern Sakralmark (Fig. 98) ist dieser
intermediü-laterale Kern kaum entwickelt,
während er auch im obern Halsmark
nicht so hervorsteht.
Im untern Sakralmark ist er wie-
der deutlicher.
Da ich den histologischen Bau der
peripheren sympathischen Ganglien be-
reits in dem ersten Kapitel behandelte,
will ich mich hier beschränken auf
einige kurze Angaben über deren
anatomische und topographische Be-
ziehungen, wovon, nach den ausführ-
lichen Untersuchungen von Langley,
Müller u. a., in letzter Zeit nament-
lich Van den Broek eine sehr wertvolle Darstellung gegeben hat
(Fig. 100).
Die pmcf/afifflionären Fasern der drei obersten Halssegmente strömen dem
Ganglion cervkale superior (g. c. s.) zu. In diesem Ganglion entstehen die post-
ganglionären Pasem für den M. tarsalis superior, M. orbitalis und den Dilatator
pupillae, weiter für die Haare und Hautgefäße des Kopfes und des Halses, viel-
leicht auch spärliche Fasern für die Gland. submasillaris und subungualis.
Die praegangliuuären Fasern des untern Halsmarkes und des Thorakal- und
Lumbaimarkes begeben sich als Rami communicantes albi in dem Grenzstrang. Teils
enden sie dort in den Ganglien des Grenzstranges, der in dem Gangl. cervicah
inferitts oder Ganglion stellaiiim (g. st. Fig. 100) ein besondere Anschwellung besitzt,
woraus u. m. der A'. accelerans cordis zum Vorschein kommt. Diese Anschwellung
steht in Verbindung mit dem Ganglion eervieale superius mittels eines Stranges,
der sich als Ansa Vieusscnii (a. V.) um die Arteria subclavia (subcl.) zieht und eine
kleine Anschwellung besitzt {Ganglion eervieale medius: g. c. m.).
Teils durchziehen die Eami communicantes den Greuzstrang bloß, um in mehr
peripher liegenden Ganglien der Eingeweide (Fig. 100, PI. abd.) zu enden.
Für die erstgenannten Fasern fangen die sekundären peripheren Neuronen,
die postganglionären Neuronen in den Grenzstrangganglien an. Diese ziehen meistens
als Eami communicantes grisei in die Dorsahvurzelfasern nach der Haut, wo Haare,
Hautdrüsen (Schweissdrüsen) und Blutgefäße von ihnen innerviert werden und zwar
in segmentaler "Weise (Langlet, t. Rusberk). Nach de Boer findet auch eine
tonische Innervation der quergestreiften Körperuiuskeln (BoEKE'sche Eiidplatte)
in den thorakalen Grenzstrangganglien ihren Ursprung (akzes.sorische Fasernj.
DAS RUCKENMAKK DER SÄUGER.
195
Die Abteilung des autonomen Systems
und u. m. die Haare,
Gefäße und Drüsen der
Körperiiaut innerviert,
wird auch als sympathi-
sches Systems S. str. be-
zeichnet. Es zeichnet sich
dadurch aus, daß seine
postgang;lion;iren Fasern
die ganze Oberfläche des
Rumpfes und der Extre-
mitäten erreichen. Der
übrige Abschnitt des
autonomen Systemes, der-
jenige des Zervikal- und
des Lumbo-sakralmarkes
versieht nur bestimmte
Abschnitte des Körpers
und wird als parasj/m-
pathisches Si/ntem be-
zeichnet (Lanoley).
Auch in ihrem Ver-
halten zu Toxinen zeigen
diese beide Abschnitte
eine gewisse Unabhän-
gigkeit von einander.
In dem unteren Ab-
schnitt des Grenzstran-
ges, teilweise auch in
mehr peripheren, sog.
praevertebralen Ganglien
der Bauchhöhle entstehen
die postganglionären Fa-
sern des Plexus abdo-
minalis der verschiede-
ne Organen der Bauch-
höhle (Leber, Milz, Darm,
Genit. interna), inner-
viert und auch teil-
weise mit dem Meiss-
NER'schen und Auer-
BACH'schen Plexus in
Verbindung tritt.
Die praeganglionä-
reu Fasern des Sakral-
markes (das I^t" Sakral-
segment gibt nur ganz
wenige ab) begeben sieh
zu einem aparten Plexus,
dem Plexus hypogastri-
cus. (PI. hypog.). Dort
finden postganglionäre
welclie dem Thorakalmark entstammt
m sphincl. iridis
m.cilioris
_^Gl lacrymali!
Vphp/''''^ Gl mucosae naris et paUnt
"^ Q,\ subma« et subling.
Cl p^T-olis
IT) tnr? Sup • orb
m dilsl pup
Fig. 100. Schema der
npathischenlnnerva-
n. Der spinale Ab-
hnitt n. van den
ROEK, der übrige n.
NGLEY und Yagita.
Leber
ntes- Milz.
Darm.
Gen. int.
196 DAS RÜCKENMARK DER SÄUGER.
Pasern zu den äußern Genitalien, der Harnblase und dem Eectum ihren Ursprimg.
Das sympathische System der Eingeweide wii'd, demjenigen der Haut und
der Gefäße gegenüber, auch wohl als vegetatives System bezeichnet.
Die sensiblen Fasern des Sympathicus sind viel weniger zalilreich als die
eferenten praeganglionären Fasern und treten durch die Spinalganglien
in das Rückenmark mit den somatosensiblen Fasern vereint.
Nach DoGiEL sollen in den Spinalganglien auch Neuriten von sensiblen
Sympathicuszellen enden, und müssen wir annehmen, daß ein Teil der
in dem Spinalganglion eintretenden Syrapatlncusfaseru nicht das Rücken-
mark erreicht, aber um somatische Wurzelzellen aufsplittert und in dieser
Weise Korrelationen des .sympathischen Nervensystems mit Hautarealen
(Head) zustande bringt, was indessen meistens stattfinden möchte durch
Kollateralen von sensiblen Sympathicus-fasern, deren Hauptaxon in das
Rückenmark zieht.
Es liegen in dem Spinalganglion der Säuger verschieden gebaute Zellen
vor, wobei der Bau der eigentlichen sensiblen Spinalganglien sich nicht
wesentlich unterscheidet von demjenigen bei den Vögeln, sodaß ich nicht
in eine nähere Beschreibung denselben treten werde. (Man vergleiche hierzu
namentlich die Arbeiten van Dogiel und Levi).
Eigentümlich ist, daß die Spiualganglien der Lumbosakralregion nicht selten
eine Zweispaltung aufweisen (Nicholls und Stheeter).
Die Haulareale, welche von den peripheren Ausläufern der Hinterwur-
zeln innerviert werden, sind auch bei den Säugern auf verschiedenen
Wegen untersucht. Erstens durch anatomisches Präparieren, wie es beim
Menschen von Bolk geschah, der jede sensible Wurzel bis in ihre Haut-
verästelungen entfaserte.
Die Hautareale aller Spinalnerven, mit Ausnahme des l**'"'' Zervikal-
nerven, der keine sensible Wurzel führt i), sind in dieser Weise bestimmt.
Aus Fig 101 A geht hervor, daß die Segmente in Bezug auf die Processi
" spinosi der Wirbel, zwischen welchen ihr Wurzelaustritt stattfindet, sich
ventral wärts verlagern.
Liegen also bereits die Wirbel ventraler als die entspreclienden Rücken-
marks-Segmente (sielie Fig. 92), so liegen die Hautsegmente wieder ventraler
als die Wirbel.
Weiter hat sich ergeben, daß im allgemeinen (mit Atisnahme des
2tca Zervikalnerven) das von den Rami dorsales der Hinterwurzeln inner-
vierte Gebiet viel kleiner ist als dasjenige der Rami ventrales.
Das gesamte dorsale Feld ist infolgedes.?en nur klein. Außerdem
nehmen nicht alle Wurzeln daran Teil. So fehlen auf dem Rücken darin
die Rami dorsales der beiden untersten Zervikal- und Lumbalnerven.
•) Daß der erste Zervikalnerv keine sensible Wurzel führt, ist eine analoge (nicht
homologe) Reduktion als die, welche wir bei den Fischen in dem oberen Rückenmark
fanden (vergl. hierzu Fig. ß2).
DAS KLICKEXMAKK DER SAUGER.
197
Infolgedessen folgen auf dem Rücken die Dermatome einander nicht
in kompletter Reihe und findet man liinten das V^'^ Thorakaldermatom
(9 in Fig. 101 A, links) sofort unter dem 6*^™ Zervikaldermatom, während
in dem Lumbaigebiet, dem 3'® Lumbaisegment (23) auf dem Rücken sofort
das iste Sakralsegmont folgt (26 in Fig. 101 A, links).
Fig. 101 A. Die menschlichen Rumpfdermatome nach Bolk.
Die Segmente sind mit arabischen Ziffern durchlaufend numeriert.
Das 2te Segment — nicht anwesend in diesen Zeichnungen — findet
sich auf dem Kopfe.
Die Grenze zwischen den dorsalen und ventralen Wurzelarealen, als
Dorso-lateral-linu bezeichnet (siehe Fig. 101 A links), — fängt am Kopfe an
und dehnt sich bis oberhalb des Os coccygis aus.
Eine weitere Betrachtung der dieser Linie angrenzenden Gebiete zeigt
uns, daß die dorsalen und ventralen Aste derselben Wurzel nicht immer
angrenzende Gebiete innervieren. Erstens findet eine gegenseitige Ver-
198
DAS RUCKENMARK DER SAUGER.
Schiebung in dorso-ventraler Eichtung darin statt (s. Fig. 101 A, links), zwei-
tens liegen die dorsalen und ventralen Abschnitte des 6'*^" Zervikal-Nerven,
sowie diejenige des ersten Thorakalnerven (9) weit auseinander (Fig. 101
und 102 A) und sind getrennt durch Hautgebiete anderer Wurzeln (Bolk).
Diese Erscheinung wiederholt sich in dem Sakralgebiet, wo das erste
Sakraldermatom (Segment 2G) teilweise auf dem Sakrum, aber auch teil-
weise davon getrennt auf dem ünterbein (Fig. 103 A) liegt (Bolk) i).
Die beiden letzgenannten Erscheinungen sind offenbar eine Folge
der Bildung der Extremitätsegniente in dem unteren Zervikal- und in
dem Lumbo-sakralgebiet.
Fig. 101 B. Querliision des menschlichen Rückeninaikes in Th 10 und M (Segm.
•18 und 19) n. Brouwer. Schraffiert ^ anaesthetisch.
') Letzteres hat zur Folge, daß Affektionen einer einzigen Riickenmarkswurzel an
zwei ganz verschiedenen Stellen Schmerz verursachen können.
DAS KUCKEX.MAKK DER SAUGER.
199
Daß die Segmentierung auf dem Rumpfe, wie sie Bolk angegeben
hat, auch kUnisch sehr brauclibar ist, geht u. ra. aus Fig. 101 B hervor.
Die Segmontbildung der oberen Extremitäten findet so statt, daß zuerst
das 7^^ und 8'-® Zervikalsegment sicli von dem Rumpfe entfernen (daher
die dortige Lücke). Dann verlagern sich oder (und) dehnen sich aus das
6'"^ Zervikalsegment (dem teilweise das o'*^ folgt) und das l^'® Thorakal-
segment (9). In Übereinstimmung damit ist, daß das 7''' und 8'^ Zervikal-
segment später den vom Rumpfe am weitesten entfernten Absclinitt (die
Hand) innervieren, und die anderen darauf nach dem Rumpfe hin folgen
(Bolk: Fig. 102 A).
Sri
w
^
K
w
Vorne.
>
\^
K
ho
N-l
Hinten.
Fig. 102 A. Die Armderniatome
n. BuLK.
Fig. 102 B. Läsion des Ilalsmarlies und im
-Iste Tlioi-alialsegment n. Brouwer.
Schraffiert = anaesthetisch.
Bei den unteren Extremitäten tindet ähnliches statt, nur wird der Prozeß
dort kompliziert durch die Torsion, welche die unteren Extremitäten
erfaren, welche Torsion gerade durch die Anordnung der Dermatome
auf der unteren Extremität besonders deutlich zu Tage tritt (Bouv).
Welche Segmente dort an diesem Prozeß teilnehmen, ist aus den
Figuren ohne weiteres erkenntlich (Fig. 103 A).
Die bereits bei den niedern Tieren erwähnte Überlagerung der Seg-
mente findet auch bei den Säugern statt. Namentlich Sherrington, Lang-
200
DAS KUCKENMAKK DER SAUGER.
LEY, WiNKLER, Yan Rijneerk Und Seine Mitarbeiter: Dusser de Barenne,
S. de Boer und Ki.essens haben in diese Überlagerungen Klarlieit gebracht.
Sie kann bei der Katze sogar zwei Drittel, beim Affen (Macacus)
die Hälfte, beim Hund ein Drittel des angrenzenden Segmentes betragen.
Infülgedessen findet mau in manchen Fallen naeh Durchschneidung einer
Hinterwurzel keine Sensibilitätsstörungen.
Um nachzuweisen, wie weit die sensiblen Fasern einer Wurzel sich ausdehnen,
haben denn auch die genannten Untersucher mehrere au diese Wurzel grenzenden
\
\U
n
^7
Fig. 103 A. Die Beinder matome
n. BoLK.
Fig. 103 B. Liision in L 4, 5 und
im Sakralmark n. Brouwer.
Wurzeln durchschnitten (Isolier-Methode) uud so den isolierten normal gebliebenen
Bezirk bestimmt (vergl. Fig. 64 und Fig. 86 B).
Eine noch bessere Methode hat von S. de Boer angewandt, der eine isolierte, aus-
tretende Hinterwurzel hj'peralgetisch machte nach der Methode Bauenne's (durch
Applizierung vou Stryehnin) und dann die dadurch entstehende hyperalgetische
Hautzone bestimmte. Dies bat den Vorteil, daß die sonst wenig empfindliche Eand-
zone des Segmentes (Winkler, v. Bukberk) deutlieh zum Vorsehein tritt.
Selbstverständlich liegt auch beim Menschen eine Überdeckkung vor
und sind die Grenzen, wie sie von Bolk angegeben -wurden, nieht die
äußersten Grenzen der Dermatome, obschon er die Nervenfasern mit der
Lupe bis in die Haut verfolgt hat.
Inzwisschen sprechen die pathologischen Erfahrungen beim Menschen
dafür, daß die Überlagerung dort nicht so groß sein dürfte.
DAS KUCKENMARK DKK SAUGER.
201
Nach den teilweise recht brauchbaren, teilweise auch weniger genauen
Darstellungen von Thorburn, Katilek, Starr u. a. hat namentlich Brouwee
das klinische Verhalten der menschlichen Segmente eingehend untersucht.
Er hat die geringere Ueberdeckung erklärt, indem er darauf hinwies,
daß bei der Vergrößerung oder Dehnung eines Körpers oder Körperteiles
die Wurzelfelder aus einander gezogen werden, (s. auch v. Trigt S. 162).
Namentlich eine Vergleichung der hinteren Exti-emitätsegmente bei
Katzen, Affen und Menschen spricht zu Gunsten desselben, ebenso der Un-
terschied in dem Grade
der Überlag eiung von
C2 und C3 bei Affe
und Mensch (Fig. 104).
Ob dies indessen
der einzige Grund ist
und nicht auch die
mehrere Reizung be-
stimmter Stellen auf
die mehrere Ueber-
deckung Einfluß hat,
wie S. de Boer ver-
mutet, verdient jeden-
falls Berücksichti-
gung, ebenso wie der
von diesem Autor ge-
machte Befund, daß
von den einzelnen
Bündelchen (Radicu-
la), welche eine Wurzel
bilden, das vorderste
Bündelchen den hinteren Abschnitt und das hintere Bündelchen den vor-
dersten Abschnitt desselben frei läßt. Dies deckt sich mit der Tatsache,
daß man in dem Dermatom eine besser innervierte Kernzone von einer etwas
seil wacheren Ramhone unterscheidet (Sherrington, Winkler, v. Rijnberk).
Wie sich die verschiedenen Empfindungen in den Dermatomen ver-
halten — die geringere Ausbreitung des Schmerzsinnes i) und die größere
Ausbreitung des Berührungssinnes (Head) — dafür muß ich auf die Spe-
zialabhandlungen verweisen.
Namentlich für die menschliche Pathologie liegt hier ein sehr wichtiges
1
Fig. 104. Links Mac.acus (n. Sherrington), rechts Mensch
(n. Bolk). Einfluß der Recknng des Halses auf die
Ueberlagerung der Segmente (Brouwer).
') Es scheint, daß im allgemeinen die feineren epikritischen (gnostischen) Sinne
die größste Ausdehnung erreichen, die vitalen Sinne dürften mehr primitive Verhältnisse
beibehalten. Auch die sympathischen Dermatomen überdecken einander nur wenig.
Ersteres läßt sich, m dem Sinne der he BoEii'schen Auflassungen, neurobiotaktisch
sehr gut daraus erklären, daß die mehr empfindlichen Nerven auch einen stärkeren
Wachstumstropismus aufweisen müssen. (Vergl. hierzu S. 127.)
202
DAS RUCKENMARK DER SÄUGER.
Gebiet vor, mit Hinsicht auf die topische Diagnostik der Rückenmarks-
erkrankungen.
Bei ihrem Eintritt in das Rückenmark können in den Hinterwurzeln
zwei Bündelchen unterschieden werden: ein laterales, feinfaseriges Bündel,
welches sich in der Marginalschicht und in der Substantia gelatinosa ver-
ästelt, und ein größeres grobfaseriges mediales Bündel, welches die eigent-
lichen Hinterstränge bildet, von denen ein Teil Kollateralen, u. m. an die
Vorderhornzellen, abgibt (v. Lenhossek, Fig. 110).
Es ist wohl sieher, daß wir diesen zwei Hinterwurzelbündeln verschie-
dene Funktionen zuschreiben müssen (vergl. S. 205 und 207).
Bevor ich darauf näher eingehe, werde ich erst etwas über den Bau
der Hinterhörner selber bei den Säugern mitteilen müssen.
Z.M.
s & R
H V,
H.h.k
Free. ret.
Z M.
S.G.R.
\ ZI
Fig. 105. Sclinitt durch das zweite Zervikalsegment von Hippotragiis iiiger.
H. W. = Hinterwurzel. N. Xi = N. accessorius. Z. M. = Zona marginalis. S. G. R. = Substan-
tia gelatinosa Rolandi H.h.K. = Hinterliornkörper. Proc. ret. — Processus reticularis.
In den Hinterhörnern der Säuger können wir drei Abschnitte unter-
scheiden (Fig. 105):
1. die Randzone oder Zona marginalis, welche auch bei den niedern
Tieren vorkommt (Z. m ).
2. die Substantia gelatinosa Rolando; bei den Säugern viel mehr entwickelt
als bei den Nichtsäugern (S. g. -ß.).
3. den Körper des Hinte)-hornes, der die Hauptinasse desselben bildet und
auch bei allen niederen, Wirbeltieren vorhanden ist, obschon in ver-
schiedener Ausbildung (H. h. K.).
1. Die Randzone (von Waldeyer oder Lissauer) bildet den hinter-
DAS KÜCKENMAKK DER SÄUGEK. 203
sten Abschnitt der sensiblen Hörner. In und medial von ihr treten die
Hinterwurzelfasern ein (Wurzeleintrittzone Fig. 118). Siehe auch Fig. 105).
Die Zona marginalis selber zeigt auf WEiGERT-Präparaten meistens eine
große Anzahl dünner Fasern (Fig. 105), worunter viele marklose.
Ihre graue Substanz besteht aus spärlichen großen Elementen, deren
Dendriten eine Grenzschicht zwischen den Hinterhörnern und der angrenzen-
den weißen Substanz ])ilden und mit Kollateralen der Hinterwurzeln in
Verbindung treten.
Die Axonen dieser Zellen biegen seitwärts in den hintersten Ab-
schnitt des Seitenstranges ein, wo sie auf- und absteigende Fasern bilden
(Cajal).
Die Zellen benehmen sich also wie die Strangzellen der Hinterhörner,
welche wir bei den niedern Tieren nur in denr Körper des Hinterhornes
selbst eingebettet fanden, doch die hier teilweise nach der hintern Peripherie
des Markes verschoben .sind.
Cajal meint, daß die anteroposteriore Verschiebung jener Zellen eine Folge
von Eaiunmangel sei, indem die Zahl der Strangzellen so sehr vermehrt sei, daß
dieselben in dem ursprünglichen Areal des Hinterhornkörpers keinen Platz mehr
fänden .
Es ist aber deutlieh, daß dies nicht erklärt, weshalb die Zellen gerade nach
Junten sich verschieben und we.shalb nicht nach vorne oder lateral. Ich bin denn
auch der Meinung, daß vrir es hier mit einem Falle von Neurohiota.ris, einer Ver-
lagerung in der Sichtung des Reizes, der von den Hinterwurzeln kommt, zu
tun haben, wie überhaupt die Bildung des Hinterhornes aus dem ursprünglich
periependjuialen Grau ein Wach.stiim in der Richtung der Hinterwurzeln aufweist.
2. Die zweite Schicht: die Sabstantia gclatiiiosa Rolando ^) hat bei den
Säugern (im Gegensatz zu der erstgenannten Schicht) im Vergleich zu den
Nichtsäugern sehr zugenommen. Während sie bei den Vögeln und Reptilien
hauptsächlich auf das oberste Zervikalmark (spinaler Trigeminuskern) be-
schränkt bleibt, tritt sie bei den Säugern in dem ganzen Rückenmark auf.
Ich glaube, daß wir nicht fehlgehen, wenn wir dies einer Vermehrung
der Sensibilität der Haut, auch in Verbindung mit dem an sensiblen
Endigungen reichen Haarkleid, zuschreiben.
Dafür spricht die Tatsache, daß sich unter den Säugern nur bei den
Zetazeen eine eigentliche Substantia gelatinosa (Hatschek) nicht oder kaum
differenziert, was bei der geringen Entwicklung der Hautsensibilität und
dem fehlenden Haarkleid bei diesen Tieren nicht befremdend ist (s. oben).
Sonst bildet die Snbstantia gelatinosa Rolando überall durch ihr gela-
tinöses Aussehen einen auffallenden Abschnitt des Hinterhornes.
Meistens stellt sie eine kortexähnliche Kappe dar auf dem eigent-
•) Man muß diese Substanz unterscheiden von der Substantia gelatinosa centralis,
welche namentlich im Sakralahschnitt sehr entwickelt sein kann, aber überwiegend gliös
ist. Sic enthält nur wenige kleine Nervenzellen, deren Axon meistens in die Comm. ant.
zieht (Cajal), Man vergleiche hierzu auch das Verhalten beim Frosch (Fig. 74).
204
DAS RÜCKENMARK DER SÄUGER.
liehen Körper des Hinterhornes, zwischen diesem und der Randzone
(vergl. Fig. 105).
Bei einigen Säugern erreiclit diese Rolando'sche Substanz eine ganz
erhebliche Entwicklung, wie z. B. bei den Ungulaten (siehe Fig. 106).
Namentlich ist dies der Fall im Sakralmark (z. B. von Gazella dorcas;
Biach), wo sie sich sogar durch "Windungsbildung vergrößert.
Im Dorsalmark des Hundes und bei Simia satyrus (Fig. 99) kann
die Rolandoschicht der einen Seite mit derjenigen der andern Seite ver-
schmelzen, sodaß die ganze Hinterfläche i) der grauen Substanz des Rücken-
markes dort mit einer rindenähnlichen Schicht bekleidet ist.
Wie wir in den folgenden Kapiteln wiederholt finden werden, sind
solche rindenähnlichen Oberflächenausdehnungen grauer Substanz typisch
für verschiedene hochorganisierte Kerne mit ausgesprochenen sensiblen
_..iw*s?'^'T*^t*
Fig. 106. Schnitt durcli das Sakralmark von Gazella dorcas n. Biacii.
Zur Demonstration der starken Entwicklung und Windung
der Substantia gelatinosa.
Funktionen 2) und muß es uns also nicht wundern, dieselbe gerade auch
hier anzutreff^en.
Auch der Bau der Zellen dieser Region steht mit jener Oberflächen-
tendenz der ganzen Schicht im Einklänge.
Die gelatinöse Beschaflenheit dieser Schicht wird durch den Umstand
') Auch diese Ausdehnung der Substantia gelatinosa Rolando hat nichts mit der
Substantia gelatinosa centralis zu tun, welche man besser Substantia gliosa centralis nennt.
2) Vergleiche hierzu meine Arbeit: Ueber das Rindenproblem und die Tendenz
innerer Hirnteile sich durch Oberflächenvermehrung statt duich Volumzunahme zu ver-
größern. Folia Neurobiologica; Bnd. VII, 1914.
DAS RUCKENMAKK DEU SAUGKU.
205
vernrsaclit, daß die Dendriten ihrer — relativ kleinen — Zellen sich haupt-
sächlich in einer Ebene verästeln, welche Ebene der hintern Oberfläche des
Rückenmarkes parallel liegt (Fig. 107). Auch in der Breite — d. h. von
rechts nach links — dehnen sie sich fläehenartig aus. Dendriten, welche
bis in die Substanz des Hinterhornes hinein ziehen, kommen nur selten
zur Beobachtung (Cajal).
Die Dendritenausbreitung dieser Zellen stellt also eine Art Um-
kleidung des Hinterhornkörpers dar, und infolgedessen hat die ganze
Rolando'sche Substanz das Aussehen einer umkleidenden, rindenähnlichen
Schicht (s. o.). Der gelatinöse Aspekt der ganzen Substantia gelatinosa
resultiert aus der Armut an
Markfasern und der Reichtum
der Dendriten, welche ein
dichtes Protoplasmanetz bil-
den.
Die Axonen dieser Zellen
sind nicht lang.
Sie begeben sich meistens
in die hinteren Seitenstränge,
teilweise auch in die Grund-
bündel der Hinterstränge, und
senden Kollateralen in den
angrenzenden Niveaus der ge-
latinösen Substanz i) (Cajal).
Wir haben in der Sub-
stantia gelatinosa Rolando mit
einer Anordnung zu tun, welche
die Reize der feinfaserigen
lateralen Hinterwurzelbündel
aufnimmt und dieselben nur
über relativ geringe Distan-
zen, höchstens zwei Segmente ~), ausbreitet. Nach Ranson nimmt diese
Substanz auch marklose Fasern der Hinterwurzeln auf, welche vitale
(protopathische Reize) leiten und übermittelt sie (Sano) vaso- und pilomo-
torische Reflexe, welche die Schmerzempfindungen begleiten.
Wir müssen also annehmen, daß die Vermehrung dieser Substanz, wie
sie bei den Säugern vorkommt, einer Vermehrung der vitalen Sensibili-
tätsfaktoren entspricht.
Die große Ausdehnung, welche die gelatinöse Substanz des Hinterhornes im
oberen Zervikalmark in dem Bereiche des spinalen Y-Kernes erreicht, spricht dafür,
daß die spinale Trigeminuswur/.ol in der Art ihrer Sensibilitätsleitiing dem lateralen,
Fig. 107. Längsschnitt durch die Substantia
gelatinosa n. Cajal.
Man beachte die flächenartige Topographie der
Zellen und Dendriten der gelatinösen Substanz (C).
A = Hinterstränge; B = Strangzellen.
') Die Ausbreitung des .Axons und dessen Kollateralen bleibt fast immer homolateral.
*) Es wäre möglich, daß die gleichseitigen H3'perreflexie einiger Segmente, welche
Barenne bei einseitiger Strychninapplizierung sah, auch hierdurch effeUtuiert wird.
206
DAS RÜCKENMARK DKR SAUGER.
Vorderhorn
Fig. 108. Schnitt durch das 4''' Thorakalsegment. Mensch.
feinfaserigen Wurzelbflndel des Rückenmarkes verwandt ist und nicht den grob-
faserigen medialen Wurzelbündeln, welche zu den .Schleifenkernen ziehen. Diese
Schlußfolgerung findet, wie wir später (Kap. III) sehen werden, ihre Bestätigung
in der Tatsache, daß die V-Schleife, welche der medialen Schleife analog ist, dem fron-
talen, sensiblen V-Kern
entstammt, während der
spinale Trigemiuuskern
nur EüiNGEK'sche Fasern
aussendet.
3. Im Körper des
HinterJiornes können
wir verschiedene Teile
unterscheiden:
Am meisten dif-
ferenziert ist die me-
diale Partie desselben:
die Clarke'scIic iSftule,
welche sich beim Men-
schen im Dorsalmark
(E'ig. 108) und obern Abschnitt (L I und L II) des Lumbaimarkes findet
und im Zervikalmark vertreten werden dürfte von Stilling's Zervikalkern.
Die CLARKE'sche Säule fängt bereits im oberen Drittel des Dorsal-
markes (Fig. 108) an, hat aber
ihre stärkste Entwicklung in der ■ """^^'' ''''■''■'
untern Hälfte desselben und weist
zwei Zellarten auf, kleinere
Tangential Zellen und große, oft
pigmentierte Hauptzellen. Die
großen, etwas rundlicheir Haupt-
zellen fallen sofort auf. Bei ge-
wöhnlichen Präparaten bekommt
man den Eindruck, als hätten
sie nur eine geringe Dendriten-
verästelung, was nur insofern
zutrifft, als ihre Dendriten, die
ziemlich zahlreich sind, sich
hauptsächlich auf das Areal der
Säule selbst beschränken (Ca.tal).
Die Axonen dieser Zellen
ziehen fast ausschließlich unge-
kreuzt 1) in die dorsale spino-
zerebelläre Bahn, welche aber nur teilweise von ihnen aufgebaut wird.
Wir werden bei der Besprechung dieser Faserung sehen, daß die spino-
Fig. 109. Zellen in dem Körper des
Hinterhornes n. Cajal.
A = Clarke'sche Säule. B = medio-zentraler
Kern. P = Hinterstränge. E = ZentralUanal.
') Nach Caj.\l, Horsley und Mc. Nalty sollen auch einige Axonen dieses Kernes
sich durch die Comraissura anterior auf die kontrolaterale Seite begeben.
ÜAS RÜCKKNMAUK DER SÄUGKR. 207
zerebelliiren Fasern anderer Ebenen des Markes (Zervikal- und Lumbal-
mark) aus weniger tj'pischen Zellgruppeu (Jacobson, Pirik) hervorgehen,
wie es auch noch bei den Vögehi der Fall ist, wo noch keine eigentliche
CLARKB'sche Säule vorkommt.
Im Halsmark kommen an ähnlicher Stelle, nur etwas weniger medial,
auf der Grenze von Hinter- und Vorderhorn Zellen vor, welche nach ex-
perimentellen Erfahrungen diese vertreten. Ahnliches scheint im untern
Lendenmark der Fall zu sein (Jacobson, Pirie).
Im untern Lumbahnark findet sich in dem medialen Grau des Hinterhorues
außerdem eine Gru])pe kleinerer Zellen, deren Axonen das sog. korniikommissnrnh
Bündel darstellen, welches, in der Tiefe des Hinterstranges (veutr. Hinterstr. feld :
Fig. 118) gegen die Commissura posterior liegend, namentlieli sichtbar wird, wenn
die Hinterstränge beim Menschen degeneriert sind.
Es handelt sich hierbei um absteigende sekundäre Hinterstrangneiironen, wie
wir sie auch bereits bei niedern, Tieren an derselben Stelle vorfanden (Fig. 66).
Die Lateralabschnitt des Hinterhornkörpers, dem sich im Zervikalmark
der Processus reticularis (Fig. 105), im Thorakalmarkd der intermedio-laterale
Kern (Fig. 108) anschließt, enthält multipolare Zellen, deren Dendriten sich
nach den Hinterwurzeln bis in die Roi.ANDo'sche Substanz und bis zur
Grenzschicht wenden, teilweise in der Commissura protoplasmatica pos-
terior nach der andern Seite ziehen und sensible Eindrücke der kontro-
lateralen Wurzel übernehmen.
Während die Mehrzahl der Axonen dieser Zellen ein großes Kon-
tingent von homolateralen Fasern an den Grundbündeln der Seitensträngen
liefert, findet sich unter ihnen auch eine nicht geringe Zahl von solchen,
welche sich durch die Commissura anterior nach der andern Seite in den
Vorderseitenstrang begeben und teilweise kürzere, gekreuzte spinale Reflex-
fasern und spino-bulbare Fasern bilden, teilweise die gekreuzte spino-mesen-
zephale Bahn, die sekundäre Bahn der primitiven Gcfühlsempfindungen,
Schmerz, Temperatur und allgemeiner Berührungssinn, bilden, welche als
EniNGER'sche Bahn bekannt ist i) (s. weiter unter).
Die Verteilung der Hiiiterwurzelfasern inbezug auf die graue Substanz
der Hinterhörner, ist nun so, daß während das laterale, dünnfaserige Wur-
zelbündel sich in der Zona marginalis und besonders in der Substantia gelatinosa
verästelt und somit mehr lokale Reflexe übermittelt — der Körper des
Hinterhorues, sowie die CLARKE'sche Säule und der Processus reticularis,
Kollateralen bekommen von medialen grobfasei-igen Hinterwurzeljasern, in der-
selben Weise wie die Vorderhornzellen der gleichen und der andern Seite
(siehe Fig. 110, direkte sensitivo-motorische Reflex- Kollateralen).
') Oberblickt man den Bau des Hinterhornes dann kann man sagen daß er durch
seine drei Hauptschichten: die faserhaltige Zona marginalis, die rezeptive, kleinzellige
Substantia gelatinosa und den Hinterhornk()rper mit seinen großen eferenten Zellen, eine
Organisation aufweist, wie wir sie prinzipiell in dem Bau des Neokortex zurückfinden
werden (siehe Kapitel X, zweiten Teil) als Tangentialfaserschicht, rezeptive Zellschichten
und eferente Schichten.
208
DAS RUCKENMARK DER SÄUGER.
Hinterwurzel.
Hinterhorn.
Die Hauptaxonoi des medialen Hinterwurzelbündels dichotoniisieren
sich in langen aufsteigenden und absteigenden Aste. Die absteigenden Äste
sind nicht die längsten und häufen sich infolgedessen nur wenig. Bün-
delcheif, von ihnen gebildet, finden sich im untern Zervikalmark als
ScHULTZE'sches Kommabündel (Fig. 118) zwischen dem GoLL'schen und
BuRDACH'schen Strang und als ovales Feld (Flechsig) nahe dem Septum.
Letzteres ist im Sakralmark mehr ausgeprägt (Fase, sacralis postero-medialis,
Obersteiner) und führt nur ab-
steigende Wurzelfasern (Wink-
ler, Batten und Holmes).
Die längeren aufsteigenden
Dichotomien häufen sich aber
frontalwärts ganz mächtig in
den Hintersträngen und es ist
gerade die größere Entwick-
lung dieser Fortsätze, welche
die frontale Akkumulation der
Hinterstränge bedingt, welke
für das Säugermark charak-
teristisch ist (Brouwer).
Vergleichen wir die Ak-
kumulation von dem Lumbal-
zu dem Zervikalmark bei den
Reptilien mit der der höhern
Säugern (Fig. 79 und 95) dann
fällt sofort auf, daß die Zu-
nahme der Hinterstränge im
Zervikalmark bei den letzteren
viel mächtiger ist
Es ist nicht die Relation der Hinterstränge auf die übrige weiße Sub-
stanz oder auf die graue Substanz an einer Stelle des Markes, welche das
Wesentliche für die Beurteilung dieses Fortschrittes darstellt, sondern die
Progression in diesem Verhältnis zu Gunsten der Hinterstränge, wenn man
in frontaler Richtung weiterschreitet. Bei den Reptilien beträgt diese fron-
tale Akkumulation zwischen Lumbal- und oberen Zervikalmark höchstens
5 °/o, beim Menschen ist sie sicher mehr als 100 7o-
Man kann aber einen Eindruck von jener Anhäufung bekommen, wenn
man den relativen Umfang der Hinterstränge im Zervikalmark bei ver-
schiedenen Säugern bestimmt.
In Tabelle I, welche von mir zusammengestellt wurde, ist der relative
Umfang der Hinterstränge im Zervikalmark auf der grauen Substanz in
derselben Region angegeben. Tabelle H, welche von Bkouwer zusammen-
gestellt, wurde, zeigt den Prozentsatz der Hinterstrangfasern zu der totalen
weißen Substanz des Zervikalmarkes.
Voi derhornzel len.
Fig. HO. ReflexkoUateralen dei- Hinterstränge
bei der Maus, n. von Lenhossek.
DAS JiUCKlCN.MAliK DER SAUGER.
209
Aus beiden geht liervor, daß der Prozentsatz der ilintersirange in
zweierlei Weise steigt.
Liste B zeigt in beiden Tabellen, daß in denselben Ordnungen (Mar-
supialier, Karnivoren und Aflen sind als Beispiele genommen) das größte
Tier einen größeren Prozentsatz an Plintersträngen hat. Dieser Unterschied
kommt besonders deutlich in der ersten Tabelle zum Ausdruck.
Man vergleiche Cebus mit Oedipomidas, Ursus malayanus mit Puto-
rius, Macropus mit Didelphj^s, und schließlich als Beispiel eines ganz kleinen
mit einem ganz großen, aber nicht verwandten, Tieres : Maus mit Elephant.
Tabelle I: Prozentsatz der Hinterstränge auf der grauen Substanz
im Zervikalmark.
LISTE A
NIEDERE UND HÖHERE TiERE.
Macropus 103% Mars.
Ursus malayanus . . . 106 °/o
Cebus fatuellus . . . . 112%
Homo 185%
LISTE B
KLEINERE UND GRÖßERE TiERE.
( klein : Didelphys mars. ... 41 %
I groß : Macropus rob 103 %
, _ ^ klein : Putorius putorius . . 46 °/(,
'' groß: Ursus malayanus . . 106%
.^ (klein: Oedipomidas oedipus 50 °/q
^^^ I groß: Cebus fatuellus . . . 112 "j^
klein : Mus rausculus .... 22 °/^
groß : Elephas indicus ... 292 %
Diese relative Zunahme der Hinterstränge i). bei den großem Tieren
ist leicht erklärlich in Hinsicht darauf, daß dieselben die Sensibilität des
Körpers repräsentieren. Sie werden dadurch von der Körpergröße direkt
beeinflußt.
') übrigens gilt diese Erscheinung nicht nur für die Hinterstränge, sondern auch
für die übrige weiße Substanz (Hovy) was daher kommt, daß korrespondierende Kücken-
markniveaux verschiedener Tiere die Zunalime der grawn Substanz für das entsprechende
Niveau im Grade der zweiten Potenz zeigen, während dieselben Querschnitte eine
Maus.
Aguti.
Kli'phaiit.
Zunahme der weißen Substanz (weil auch die auf- und absteigenden Fasern des oberhalb
und unterhalb davon liegenden Rückenmarks dazu beitragen) im Gjade der dritten Potenz
aufweisen (E. riE Viuics). Mau vergl. Maus, Aguti, Elephant.
Da die graue Substanz also viel weniger zunimmt (vergl. die Figur) ist die l-^"'" Ta-
belle am geeignetsten für die Liste B.
Kappers. ■14
210 r>AS RÜCKENMARK DKK SÄUGER.
Tabelle II: Prozentsatz der Hinterstränge auf der gesamten Weiszen
Substanz im Zervikaimark (n. Brouwer).
LISTE A LISTE B
NIEDERE UND HÖHERE TiERE. KLEINERE UND GRÖßERE TiERE.
Didelphys mars . . . 1G,64 7„ ^ klein : Didelphys mars. . . 16,64 "/<,
Lepus c-uniculis . . . 21,06 °/„ ' ^^^' < groß: Macropus rob. . . . 21,82%
Bos taurus 22,02 °/<, Garn. \ ^^^^jj^ f,^^«"^^^ f ^^«""^ " 1^'% °J°
' groß: Ursus malaj^anus . 2.3,86 /o
TT 1 noo,-. o/ Air ^ klein: Oedipomidas oed. . 19,74 %
Ursus malavanus . . 20,067. Arten n r. i r ^ n o,^ «oo/
' '° / groß: Cebus fatuellus . . 26,43%
Cebus fatuellus . . . 26,43 % Sorex vulgaris . . . 14,25 %
Homo 38,91% Elephas indicus . . 32,25%
Schwieriger ist die Deutung der Tatsache, welche ebenfalls aus beiden
Tabellen hervorgeht (Liste A), aber namentlich aus Tabelle II: die Ver-
mehrung der Hinterstränge, auch auf die übrige weiße Substanz, bei
höher stehenden Tieren.
Weshalb erhalten wir eine so auffallende Vermehrung der Hinter-
stränge inbezug auf die andern Stränge des Markes bei der höhern Ent-
wicklung des Tieres?
Diese Frage ist von Brouwer in eingehender Weise untersucht worden.
Zum besseren Verständnis dessen müssen wir die klinischen Erfahrungen
benutzen.
Durchschneidungen peripherer Nerven (Head und Sherren) beweisen
daß die primitiven (vitalen) Emptindungen apart verlaufen von den
feineren Reizen. Ranson machte es wahrscheinlich, daß die Fasern der
vitalen Sinne in den Nerven die dünnsten sind (vergl. S. 200).
Die oberflächliche Sensibilität, diejenige der Haut benutzt also zwei
Gruppen von Fasern ; eine, welche korrespondiert mit den vitalen
Sinnesempfindungen der niedern Tiere und eine zweite, welche mit feinern,
gnostischen Empfindungsmögliclikeiten (Diskrimination) korrespondiert.
Daß diese Empfiudungsqualitäten iu den peripheren Nerven getrennt ver-
laufen, gebt daraus hervor, daß (Head, Sheuren und Eivehs) wenn man einen
Hautast durchschneidet, die zuerst (etwa nach 1 '/j Monaten) zurückkehrende Sensi-
bilität in diesem Gebiete eine andere ist als die später zurückkehrende, nämlich
nur ein Schmerzsinn, der nicht genau lokalisiert wird. Bald darauf folgen grobe Kälte-
(unter 26° C.) und Wärme- (über 37° C.) Empfindungen, welche ebenfalls nicht
scharf lokalisiert werden, ebensowenig wie der erste Berührungssinn. Bedeutend
später (nach einem Jahre) entsteht wieder eine Empfindlichkeit für feinere Be-
rührungen, welche dann auch genauer lokalisiert werden, und werden Temperatur-
unterschiede zwischen 26° und 37° empfunden und lokalisiert. Schließlich werden
auch Berührungen, welche auf kurze Distanz von einander die Haut treffen, als
verschiedene Berührungen empfunden und genau lokalisiert : Diskrimiiiationssinn.
DAS KÜCKEN.MAHK DER SÄUGER. 211
Hieraus ergibt sich also, daß die Hautsiiine, welche wir auch phylogene-
tisch als die primitivsten kennen gelernt haben, die „vitalen' Simia (von Head
als „protopathische Sinne'' bezeichnet) sich zuerst regenerieren, während die feinern,
von IIead als epikritischc Sinne ^) von uns als gnostische Sinne bezeichnet, erst
später zurückkommen, wie sie auch erst später in der Phylogenese entstanden
sind. Es besteht also in dieser Hinsicht eine Analogie zwischen der phylogenetischen
und der regenerativen Eeihenfolge der Entwicklung der Hautempfindungen.
Die tiefen Empfindungen der Muskeln, Sehnen und Gelenke werden
durch Nervenfasern geführt, die mit den motorischen Nerven zentralwärts
ziehen und daini durcli die Spinalganglien und ilire Fortsätze ins Rücken-
mark treten. Man bezeichnet diese Fasern als diejenigen der tiefen Sm-
sibüität.
Die primitiven vitalen (protopathischen) und die neuerworbenen gnosti-
schen Hautsinne haben auch einen getrennten Verlauf im Rückenmark.
Die vitalen Sinnesfasern enden bald nach ihrem Eintritt im Rückenmark,
wo ihre Reize durcli gekreuzte Bogenfasern auf die andere Seite übertra-
gen werden, und lüer aufsteigen, während der gnostische Sinn in den
gleicJiseitigen Hintersträngen aufsteigt.
Der tiefe Sinn schließt sich dort den Bahnen des gnostischen Hautsinnes an.
Bei einer Läsion, wobei genau die Hälfte des Halsmarkes durcli-
schnitten ist (sog. BROWN-SEQUARD'schen Halbseitenläsion) zeigt sich denn
auch, daß die Temperatur- und Schmerzreize der der Läsion gegenüberliegende
Körpcrlüilfte nicht bewußt werden (nicht aufsteigen können), während
auf der Seite der Läsion die Muskel- und Gelenkempfindungen und die Dis-
krimination nicht zum Bewustsein aufsteigen.
Hieraus geht hervor, daß — wie gesagt — die vitalen Sinne nach
ihrem Eintritt im Rückenmark selber kreuzen, während der tiefe Sinn
und die feine Diskrimination der Haut im Rückenmark selber ungekreuzt
aufsteigen. (Petren, Pabritius, Brouwer).
Klinische Untersuchungen bestätigen, daß beim Menschen der primi-
tive Temperatur- und Schmerzsinn und ein nicht scharf lokalisierter
ßerührungssinn in dem gekreuzten Vorderseitenstrang (in den Edin-
GER'schen Fasern) verlaufen, während der feinere Diskriviinitation und
Muskel- und Gelenksinn an den gleichseitigen Hintersträngen entlang zieht.
Die von Petren u. A. auf klinischen Gründen basierte Annahme, daß
der Musheisinn teilweise in dem gleichseitigen Vorderseiteustrang verläuft, ist so
aufzufassen, daß es sich dabei nicht um Eeize handelt, die bewust werden,
sondern um solche, die zum Zerebellum aufsteigen (Tr. spino-cerebellaris). In
einem solchem gleichseitigen Ventro-lateralsystem verläuft auch die primitive
Muskelsensibilität der niederen Tiere.
Dagegen dürfte — meines Erachtens — der Gelenksinn gänzlich in den Hin-
') Protopathisch von protos (zuerst entstanden) und Pathos (Affekt); das heißt: was
zuerst entsteht und von einem persönlichen Affekt begleitet ist. Epikritisch von epi =
später dazu kommend und krinein = urteilen. Vergl. auch S. 35.
212 DAS RÜCKENMARK DER SÄUGER.
tersträngen bleiben, weil die hohe Organisation der Grelenke, ebenso wie die starke
Entwicklung der Hinterstränge, neueren Datums sind und größtenteils von Pa-
cinischen Körperchen (die man bei den niedersten Tieren kaum findet) perzipiert wird.
Der Tastsinn i) geht im Rückenmarck offenbar an beiden Bahnen entlang,
sowohl via Hinterstränge als an den Bogenfasern des Rückenmarkes,
denn, nach einer Läsion des Vorderseitenstranges geht immer ein Teil
des Tastsinnes der gekreuzten Seite ununterbrochen durch, während bei
einer Hinterstrang-Degeneration auch ein Teil des Tastsinnes der ent-
sprechenden Seite zum Bewußtsein kommt.
Müssen wir also sowohl der gekreuzten vitalen Bahn als der unge-
kreuzten Hinterstrangbahn die Leitung des allgemeinen Tastsinnes zuschrei-
ben, sodaß diese sich, was den Tastsinn betrifft, vertreten können, so hat sich
doch gezeigt, daß der Tastsinn, welcher von den Hintersträngen geleitet
wird, ein viel feinerer ist als derjenige, welcher an den gekreuzten Seiten-
stiängen entlang geht.
Dieser feinere Sinn, Diskriminationssinn genannt, kommt nur den Hin-
tersträngen zu.
Kombiniert man diesen Diskriminationssinn mit dem Gelenk- und be-
wußten Muskelsinn als inhärent an den Hintersträngen, dann sieht man
daraus, daß die Hinterstränge uns zu einer feinere Beurteilung der
Objekte befähigen, wozu sowohl die obengenannte Diskrimination als
der den genauen Stand unserer Gliedmaßen übermittelnde Gelenksinn,
beitragen.
Die Kombination dieser zwei Siime bildet einen stereognostischen Sinn, der
für die genaue Beurteilung der uns umgebenden Objekte eine sehr hohe
Bedeutung hat und bei den Säugern eine große Progredienz aufweist.
Peripher geht diese Progedienz parallel mit einer Zunahme der kom-
plizierten Gefühlskörperchen, zentral mit einer Zunahme der Hinterstränge.
Daß dieser Sinn, oder — wenn wir es anatomisch ausdrücken wollen — diese
Hinterstrangfasern erst mit dem Landleben zur höhern Entwicklung kommen, kann
uns nicht wundern angesichts der Tatsache, daß erst beim Leben auf dem Lande,
beim Bewegen auf einem festen Boden mittels wirklicher Gliedmaßen, Gelenk- und
Muskelsinn zu höherer Entwicklung kommen, während außerdem der Aufenthalt
des Körpers aufierhalb des Wassers — d. h. unter viel stärkerem Einfluß der
Schwerkraft • — und zwischen festen Objekten auch andere Ansprüche an die kina-
esthetischen Empfindungen stellt (vergl. van YALKENBUitQ, 1917).
Wir sehen hieraus, daß diese ganze Lehre der zwei Sinnesbaknen im Rücken-
mark, welche aus klinischen Erfahrungen so meisterhaft von Head, Petren,
und Fabritius aufgebaut luurdc, sich {wie namentlich von B. Brouwer nach-
geivicsen tvard.) genau mit der phylogenetiscJien Entwicklung dieser Systeme deckt
und die größere Entwicklung der Hinterstränge, besonders deren frontale Akku-
mulation bei den hohem Tiere (vergl. Fig. 94), speziell beim Menschen (Fig. 95)
schön beleuchtet.
') Tastsinn ist hier als Berührungssinn gemeint.
DAS RÜCKENMARK DER SÄUGER. 213
Auch die proorediente Entwicklung der Hinterstrangkerne bei den
Säugern wird hierdurch in ein klareres Licht gestellt i).
Von den zwei Hinterstrangkernen, dem BuBDAcn'schen {Nucl. cuneatus)
und dem GoLL'schen Kern {Nuclem gracilw) reicht der letztgenannte am
weitesten kaudal. Beide erstrecken sich frontal bis über den Calamus
hinaus.
Der laterale, BuRDAcn'sche Kern empfängt (bei den Primaten) die
aufsteigenden Hinterwurzelfasern des Zervikalmarks und des obern Drittels
des Thorakalmarks. Der GoLL'sche Kern nimmt die aufsteigenden Hinter-
strangfasern des übrigen Rückenmarkes auf.
Goll Burdach
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^SS^-i
Mediale Schleife
Fig. 111. Hinterstraiigkerne und spinaler V-Kern bei
Didelphys marcsupialis.
Bei den Marsupialiern (Fig. 111) sind sie noch sehr klein. Der Bur-
DACH'sche Kern weist dort eine etwas breitere Basis auf als der sehr
schmale GoLL'sche Kern. Bei den übrigen Säugern liegen verscheidene
Verhältnisse vor, je nach der Ordnung.
So ist bei den Zetazeen der GoLL'sche Kern sehr winzig, wie bei dem
Fehlen hinterer Extremitäten und der geringen Entwicklung der Sensibi-
lität bei diesen Tieren begreiflich ist. Der BuRDACH'sche Kern, wenngleich
auch nicht sehr groß, ist doch besser entwickelt, ensprechend dem Vor-
handensein oberer Extremitäten. Er geht hier frontal und lateral sehr
gleichmäßig in den mehr großzelligen MoNAKOw'schen Kern über {Nuclevs
cuneatus externus), der deszendierende Vestibularisfasern aufnimmt. Beim
Seehund fand ich beide Kerne besser entwickelt, und der BuRDAcn'sche
Kern weist hier eine gewisse Lamellierung auf, wie man sie oft in sen-
') Dieselben nehmen übrigens nicht alle Fasern der Hinterstränge auf. Ein Teil davon
dürfte bis in den Nuclei Corp. restiformis vorwärts dringen (siehe S. 215).
214
DAS RUCKENMARK DKR SAUGER.
Spin.VK.
siblen Zentren findet und die wir auch bereits in der Substantia gelatinosa,
namentlich bei den Ungulaten, gesehen haben (vergl. Fig. 106).
Ähnhch ist das Verhalten bei den landlebenden Karnivoren.
Bei den Edentaten erreichen beide Kerne eine mächtige Entwickelung
(besonders bei Myrmecophaga). Dabei fiel es mir auf, daß der GoLL'sche
Kern hier auf frontalerem Niveau dorsal eine starke seitliche Ausdehnung
erhält, welche an dem dorsalen Rande des Markes eine Kappe grauer
Substanz bildet, die über den BuRüAcn'schen Kern hinausreicht und sich
mit dessen peripherem Abschnitt oder mit dem Nucleus cuneatus externus
(MoNAKOw's Kern) verbinden kann. Von diesem lateralen Flügel des
GoLL'schen Kernes ziehen Bogenfasern an der Außeneite nach unten.
Ahnliches findet sich bei einigen Affen, besonders beim Schimpansen,
wo auch graue ^^erbindungsstücke zwischen dem GoLL'schen Kern und dem
MoNAKOw'schen Kern vor-
handen sind.
Bei den platyri'hinen
Affen, sowohl bei den Greif-
schwanzaffen (Atelidae) wie
bei den SollscJiwanzaffen
(Cebus, Fig. 112) findet man
die mächtigste Entwicklung
der GoLL'schen (und BuR-
DAcn'schen?) Kerne, welche
hier auf manchen Ebenen
schwer von einander zu
trennen sind und eine ganz
auffallende Lamellierung
und Nesterbildung aufwei-
sen.
Die besondere Entwick-
lung der GoLL'schen Kerne bei diesen Affen dürfte zusammenhängen mit
der bedeutenden Funktion, welche der Schwanz bei ihrer arborealen Le-
bensart spielt.
Beim Menschen sind beide Kerne auch gut ausgebildet, aber der
GoLL'sche Kern ist dort nicht so groß wie bei den Affen.
Er reicht bis in das erste Zervikalsegment, ist aber relativ schmal.
Audi hier weist der GoLL'sche Kern, nach meinen Erfahrungen bei
ausgewachsene Material, in seinem dorsalsten Abschnitt oft einen seit-
lichen Ausläufer von grauer Substanz auf, aus dem ebenfalls periphere
Bogenfasern hervorgehen. So ausgeprägt, wie bei einigen Affen und bei
den Edentaten, ist dies aber nicht. Die Bedeutung jener Fasern ist nicht
genügend ermittelt. Sie werden, weil sie auf ihrem weitern Verlaufe lateral
am Trigeminus entlang ziehen, als Fibrae praetrigeminales (Mingazzini)
bezeichnet und gesellen sich dem Fasermantel der Oliva inferior zu (Ziehen).
Fig. 112. Laraelliei'te Hinterstrangkerne
von Cebus hypoleucus.
DAS RUCKENMARK DER SAUGER.
215
Teilweise enden sie vielleicht, in der Olive. Auch bei den niedern Vertebraten
(wo noch keine Hinterstrangkeriie vorkommen) genann ich manchmal den Eindruck,
daß äußere Bogenfasern aus dem obern Halsniark dort hinein ziehen.
Der BuRDACH'sche Kern ist an der Basis breiter als der GoLL'sche,
erstreckt sich aber nicht so weit kaudalwärts aus. Namentlich bei Tieren,
welche ihre vorderen Extremitäten besondei's benützen fand Zeehande-
LAAR diesen Kern stark entwickelt (Talpa, Myrmecophaga).
Es ist indessen interessant, daß, während die Fasermasse des Goll-
Deplaciertei
Spin V-Korn
abschnitt
Fibr. arc. ext
Spin. V-Kern
"Vorderhornrest
Pyramidenkreuzung.
Fig. 113. Hinterstrangkerne des Menschen.
'sehen Stranges sich allmählich in der grauen Substanz des GoLi/scheii
Kernes erschöpft, diejenige des Keilstranges, ohne gänzlich erschöpft zu
werden in dem Nucleus cuneatus, sich bis in die Oblongata selber ausdehnt.
Dies kommt teilweise daher, daß einige Fasern des Keilstranges weiter
nach vorne in dem seitlichen Grau der Oblongata enden, teilweise ist es
aber der Tatsache zuzuschreiben, daß in diesem Areal auch Fasern von
216 DAS RÜCKENMARK DER SÄUGER.
der Oblongata her herunter steigen, d. i. solche der absteigenden Vestibu-
lariswurzel, welche enden in dem Nucleus cuneatus externus, dem Mona-
Kow'schen Kern, einem von BuRDACH'schen getrennten großelligen Kern.
In der Nähe des BuRDACH'schen Kernes können außerdem abgesprengte
Stücke der Substantia gelatinosa trigemini in dem Keilstrang vorkommen,
welche sich indessen durch die Kleinheit ihrer Zellen leicht von dem
Nucl. cuneatus externus unterscheiden lassen (Karplus) und absteigende
Trigeminusfasern aufnehmen.
"Wie bei Reptilien und Vögeln (s. d.) findet man bei den Säugern,
daß die GoLL'schen Kerne in der Mittellinie verschmelzen können, oder
daß dort eine aparte Anhäufung von Zellen vorkommt, welche als
BiscHOFP'scher Kern bekannt ist.
Weil er die medialsten Fasern, also die kaudalsten aufnimmt, glaubt
man diesen Kern mit der Sensibilität des Schwanzes in Verbindung
bringen zu müssen. Sein Vorkommen bei der Ratte, der Spitzmaus, dem
Känguruh, dem Tamandua und einigen Afi'en, in geringerem Grade auch bei
den Zetazeen (tiefes Gefühl des Schwanzes; Zeehandelaar), spricht dafür.
Bei allen Tieren mit erheblich ausgebildetem Schwanz kommt er jedoch
als aparter Kern nicht vor, worauf namentlich Ziehen aufmerksam ge-
macht hat, und die mächtige Entwicklung der GoLL'schen Kerne bei den
Greif- und Rollschwanzaffen, wo kein aparter BiscHOFF'scher Kern vor-
kommt, dürfte ebenfalls mit der Hypertrophie der kaudalsten sensiblen
Region, namentlich auch des Schwanzes, zusammenhängen.
Welche Faktoren gerade die Ausbildung des BissHOFF'schen Kernes
bedingen, ist nicht genügend ermittelt. AVie wir sahen, kommt er sehr
oft bei den Vögeln vor (Fig. 88).
Die aus den Hinlerstrang kernen entstehende mediale Schleife sammelt
sich als Fibrae arcualne internae in der Olivenzwischenschicht und endet
hauptsächlich in den Nuclei ventrales und teilweise auch in dem Nucleus
medialis Thalami, welche die feinern sensiblen Eindrücke dem \'orderhirn-
mantel übermitteln (epikritisclie oder gnoslische Projektion der Sensibilität).
Einige dieser Fasern (gemischt mit solchen aus dem spinalen V-Kern?)
enden auch teilweise in den Corpora mamillaria (Wallenberci : Tr. spino-
hypothalamicus. Näheres siehe Kap. VIII).
Was die aus den Hinterhörnern des Rückenmarkes entstehenden Bahnen
anbelangt (bezw. die Grundstränge siehe oben) sind hier — wie bei
den niedern Tieren — die spino-mesenzephale oder vitale Projektionsbahnen
und die spino-zerebelläre Projektion des Muskelsinnes zu erwähnen. Die-
selben entstehen in fast allen Segmenten des Rückenmarkes.
Nach den Untersuchungen von Mann und Petren verlaufen die vitalen
EoiNGER'schen Fasern nach der Kreuzung erst eine Strecke weit im Vor-
derstrang nahe dem Grau i). Nachdem sie in dieser Lage 4 oder 5 Seg-
') Dies dürfte auch den ScHiFF'sehen Versuch erklaren, dal! der Schmerz noch durch
DAS RÜCKENMARK DER SÄUGER. 217
Diente durchlaufen haben, ziehen sie mehr und mehr lateralwärts i) und kom-
men schHeßlich in die Vorderseitenstränge nehen die spino-zerebelläre Bahn.
Die Melirheit solcher Bogenfasern wird sich wohl über eine kürzere
Strecke ausdehnen und im Rückenmark selber, teilweise in der Oblongata,
ihr Ende finden.
Ein anderer Teil derselben — das GowERs'sche Kleinhirnbündel medial
begleitend — erreicht das Mittelhirn und den Meta-thalamus und endet
namentlich in dem Corpus postieum, dem Ganglion geniculatum mediale
(Mott) und dem Tectum opticum, wo die primitive Körpersensibilitiit mit
optischen und Octavus (vestibulären) — Reizen in Korrelation tritt.
Ich hatte Gelegenheit, mich an Degenerationspräparate des menschlichen
Hirnstammes von der Richtigkeit der MoTT'schen Angabe bezüglich der
Endigung jener Fasern im Mesenzephalon und Metathalamus (Ganglion
geniculatum mediale) zu überzeugen und möchte hier darauf hinweisen,
daß jene Endigung in optischen und statischen Gebieten namentlich dann
von großer Bedeutung sein würde, wenn, was nicht nachgewiesen ist,
jene Bahn auch primitive Muskelreize fülirt. In dem folgenden Kapitel
werden wir aber sehen, daß das Mittelhirn sieh durch den Besitz des
Nucleus mesencephalicus trigemini als ein primitives muskulo-sensitives
Zentrum dokumentiert.
Est ist interessant zu Ijeobachten, wie die vitalen Empfindingen
dort ein Korrelationsgebiet finden, denn auch die Optikus-ausstrahlung
zum Mittelhirn hat wesentlich eine vitale Bedeutung, für die Photostatik,
welche mit der Gravi-statik die Hauptkoordinat des Raumes ist, worin
die Körperempfindungen die dritte Koordinate darstellen.
In den spino-zerebellären Bahnen unterscheidet man zwei, das ventrale
GowERs'sche Bündel und das dorsale FLECHSio'sche Bündel.
Daß wir hierin zwei verschiedene Systeme sehen müssen, ist nicht
wahrscheinlich: vielmehr sind es zwei Komponente desselben S3'stemes.
Weitaus der größte Teil der dorsalen, spino-zerebellären Bahn entsteht
ungekreuzt aus den CLARKE'schen Zellen. Da dieselben sich nur über das
dorsale Mark und das obere Lendenmark ausdehnen, repräsentiert diese
Bahn in erster Linie die Sensibilität des Rumpfes. Doch sollen sich nach
Mc. Nalty und Hoesley auch spinozerebelläre Projektionen der hintern
Extremitätenregion (Lumb, III— Sacr. II) darin vorfinden, welche aus
andern parazentralen Zellen (s. o.) hervorgehen.
Fasern der lumbo-sakralen Region verlaufen auch in der ventralen,
spino-zerebellären Bahn, welche sonst überwiegend aus Zellen des Zervikal-
markes hervorgeht, fast nur ungekreuzt.
das Rückenmark geleitet wtid, wenn die weiße Substanz aiii einer bestimmten Strecke
fast ganz entfernt wird. Aiicli sind klinische Fülle bekannt, wubei nach Zerstörung der
Hinter- und Seitenstrange die primitive Gefühlsleitimg lilieb.
') Bei den Teleostiern (S. 142) habe ich bereits auf diesen eigentumlichen, bajonett-
formigen Vei-lauf hingewiesen.
218 DAS RÜCKENMARK DER SÄUGICK.
Nach Mc. Nalty, Horsley und Ingvar enthalten beide Bahnen
auch im Rückenmarke kreuzende Komponenten, jedoch nur wenige.
Die spino-zerebellären Bahnen verlaufen so im Rückenmark, daß die
Fasern aus der Zervikalregion gegen derjenigen der Rumpf- und Len-
denregion liegen. Sie enden, nach Abgabe von Kollateralen in der Oblon-
gata (Nucl. Deiters), größtenteils homolateral, teilweise konti'alateral in
der Rinde der Verniis cerebelli i). Vergl. Fig. 403 und 404).
Schießlich sei noch ein Faserbündel erwähnt, welches sich im Zervi-
kalmark, in der Region des antero-lateralen Bündels befindet, die Hel-
WEG'sche Dreikantenbahn, welche lateral von den Vorderwurzeln verläuft
(Obersteiner). (In Fig. 118: Fase, oliv.; etwas zu medial eingetragen).
Das Faserkaliber des Bündels ist ein sehr feines; seine Form ist nicht
selten unregelmäßig dreieckig oder halbmondförmig (Obersteiner).
Manche Autoren (u. a. Kaplan) halten diese Bahn für eine aufstei-
gende, welche in der untern Olive enden soll, daher auch ihr Name Tr.
spino-olivaris.
Andere Autoren nehmen an, daß es ein absteigendes System der Oliva
inferior ist und daß medial von ihm aufsteigende spino-oliväre Fasern ver-
laufen (Goi.dstein).
Unter den absieigenden Systemen des Rückenmarkes finden wir den Tr.
tecto-spinalis und das Bündel von Deiters zurück, welche teilweise in dem
zentralen Längsbündel und in dem \"order-Seitenstrang (Fibrae vestibulo-
spinales, Fig. 118) verlaufen; daneben absteigende Neuronen der retikulären
Zentren der Oblougata), welche fast gänzlich im Halsmark bleiben : Fase.
Thomasi, Lewandovvsky).
Dabei kommen im Hals- und Thorakalmark absteigende Bahnen aus
dem Atmungszentrum der Oblongata zu den Kernen der Respirationsmuskeln
(B^ig. 141) und als sehr wichtige Verbindungen die rubrospinalen und die
kortikospinalen Bahnen.
Der Tr.rubro-spinalif, cruc. (Monakow's aberrierendes Seitenstrangbündel)
der unter den niedern Wirbeltieren nur bei den Vögeln nachgewiesen
ist 2), hat mit der mächtigen Entwicklung des roten Kernes bei manchen
Säugern eine erhebliche Ausbildung erfahren (Fig. 118).
Er verläuft im Rückenmarke in dem Seitenstrang ventral vom
Pyramidenseitenstrang und ist bis ins Lendenmark verfolgt worden
(Lewandoavsky, Winkler).
Die wichtigste Ausbreitung der Rückenraarksfaserung stellen die
') Dabei verhalten sich die ungekreiizten zu den gekreuzten Fasern nach Horsley in
dem dorsalen FLECHSiG'schen Bündel wie 2:1, in dem ventralen GowERS'schen wie 4:1.
Der ventrale Trakt (Gowers) soll auch Fasern an den gleichseitigen Dachkern
abgeben.
') Auf der Stelle des Nucl. ruber kommen bei Reptilien und Plagiostomen auch
große retikuläre Elemente vor; vielleicht, daß sie die Vorstufe des Kernes bilden und ihre
Axonen das Mark erreichen (de Lange).
DAS RÜCKENMARK DER SÄUGER.
219
kortiko-spinalen Fasern dar, welche nur den Säugern zukommen und Varian-
ten in ihrem Verlaufe und Endigung aufweisen, welche ein interessantes
Licht auf die Gesetze der Faserbildung und -anordnung werfen.
Nu. Burd.
Nu. Goll.
Nu V-spin.
", ' M^ffi'JiP^ Hu ret. lal.
Pyr. Kreuzung zum Hinterstr.
Fig. H4. Arctomys marmota. Verlauf der Pj'ramidenfasern
zu den Hinterstlängen (vergl. auch Fig. -116).
Nu. Goll.
Nu. V-spin.
Vorderliorn rest.
Pyr. Kreuz, zur Seitenstr.
Fig. IIS. Cebus fatuellus (Rollschwanzalfe).
Verlauf der Pyramiden zu den Seitensträngen
Man unterscheidet zwei kortiko-spinale Systeme : den Pyramiden-Seiten-
strang und den Pyramiden- Vordeisirang, welche Namen, wie die meisten
220 DAS KÜCKENMARK DER SÄUGER.
in der Hirnanatomie, den Verhältnissen beim Menschen entnommen sind,
sodai3 sie oft für niedere Tiere nicht zutreßen.
Dies gilt besonders für den sogenannten Pyramiden-Seitenstrang.
Es stellt sich nämlich heraus, daß die ursprüngliche Lage dieser Bahn,
welche bei niederen Säugern noch sehr wenig — • oder kein (Maulwurf)
— Mark führt, nicht in dem Seitenstrang, sondern im Hinterstrang, ist und
daß die Lage im Seitenstrang eine sekundär erworbene ist, die erst bei höhern
Säugern und beim Menschen konstant wird. (Man vergl. Fig. 116 und 117).
Eine andere Variation besteht in ihrer verschiedenen Länge.
Bei manchen niedern Säugern reicht sie nur bis in das Zervikalmark,
bei den höhern bis ins Lendenmark oder Sakralmark.
Einige vergleichende Angaben mögen hier folgen :
Bei den Monotremen verläuft die Bahn gänzlich oder größtenteils in dem
Hinterstrang.
Bei einigen Marsnpi aliern verläuft sie ausschließlich in dem Hinterstrang
(Pseudoehirus, Phalangista), bei andern größtenteils darin (Fhascolarctus, Macropus).
Bei diesen Tieren reicht sie, soweit unsere Erfahrung lehrt, nicht über das Zer-
vikalmark hinaus, was, nach King, auch hei den Ungulaten der Fall sein soll.
Unter den Rodentiern verläuft die Bahn beim Eichhörnchen (Golüstein), bei
der Eatte, Aretomys (Fig. 114), Cavia cobaya und Cavia aperea ausschließlieh in
den Hintersträngen. Eeveley konnte sie beim letztgenannten Tier und Spermo-
philes (sehr verringert) bis in das Lumbaimark verfolgen (Fig. 116).
SuTHEULAND iSiMPSON fand sie sogar beim roten Eichhörnchen und bei der
Chipmuuk in den Hintersträngeu bis in das iSakralmark.
Unter den Nagern fand letztgenannter Autor nur bei Erethizon dorsatus zwar
die Hauptmasse in dem Hinterstrang, aber doch einen Teil im Lateralstraug.
Erst bei den höhern Tieren, den Karnivoren und Primaten liegt diese
Pyramidenbahn gänzlich in den Seitensträngen und (Fig. 117 und 118)
erreicht besonders bei den letztern ihre größte Entwicklung, indem sie bis
in die letzten sakralen Segmente verfolgt werden kann.
Einige Fasern der Pyramiden-Hinterstrangbahn oder Pyramiden-Seiten-
strang sollen nicht kreuzen, sondern in das laterale Hörn derselben Seite
eintreten. Die Endigung der gekreuzten ist nach den meisten Autoren
in den Schaltzellen zwischen Hinter- und Vorderhorn zu finden, nicht,
oder weniger, im Vorderhorn selbst.
Die Verhältnisse, wie sie hier geschildert werden, beweisen uns in
trefl^lieher Weise, daß Verlaufs- und Endigungsweise dieser sog. zentral-
motorischen Bahn nicht durch motorische Zentren, sondern durch sensible
Xreale (d. h. durch assoziative Reizverhältnisse, Neurobiotaxis) bestimmt
'^^-ferd^n 1).
Die zweite kortiko-spinale Bahn ist der Pyrainiden-V(jrdcrslrang, von
dessei> Entwicklung wir viel weniger wissen als von der hinteren Pyramide.
. 'Ei' .'kreuzt nicht in toto auf der Grenze von Oblongata und Rücken-
') Siehe: Weitere Mitteilungen über Neurobiota.'iis, Folia Neurobiologica. Bd. I, 1908.
DAS RÜCKENMARK DER SAUGER.
221
Oblong.
Kreuzung.
Zervik.
Zervik.
Thorak.
Lumbal.
Zervik.
Tliorak.
Lumb.
Sakral.
Unt. Sakr.
Fig. 116. Degeneration der
Pyrainiden-H in ter.st rangball n bei
Cavia aperea; n. Reveley.
(Verg. anch Fig. 114).
Fig. 117. Degeneration des
Pyramiden-Seitenstranges un
des Pyramiden-Vorderstrangi
beim Menschen, n. Enn.
222 DAS RÜCKENMARK DER SÄUGER.
mark i) — wie die andere P^'ramide — aber erst später im Rückenmark
selber, bündelgeraäß auf verschiedenen Niveaus.
Im Rückenmark verläuft er nahe der Fiss. mediana anterior und
dehnt sich (im Dorsalmark) seitlich bis zum ersten Pialseptum aus (Kooy).
Man nahm früher an, daß der ventrale Pyramidenstrang nur beim
Menschen und den anthropoiden Affen vorkäme und war deshalb geneigt,
ihm eine Funktion in Verbindung mit dem aufrechten Gang zuzuschreiben.
Seitdem ist er aber auch bei anderen Tieren wahrgenommen.
Bei dem kanadesischen Stachelschweine -), ist die ventrale Pyramide
sogar bis in das fünfte lumbale Segment verfolgt worden (Simpson und
King). Ich habe mich an Präpraraten des hiesigen Institutes überzeugt,
daß sie sich auch beim Menschen liis in das Lumbaimark ausdehnt (vergl.
hierzu auch die alte Abbildung 117 von Erb, Edinger's Vorlesungen
entnommen). Ein ähnliches Resultat fand Kooy.
Wahrscheinlich hat das Bündel eine Bedeutung für die Slammesmus-
kulatur, sodaß es nicht befremdend ist, daß ihre Anwesenheit auch bei den
Zetazeen konstatiert wurde (Gans), wo diese Muskulatur so sehr überwiegt.
Die ventrale Pyramide sendet ihre Fasern örtlich auf verschiedene
Niveaus durch die ventrale Kommissur zu dem medialen Abschnitt des
Vorderhorues, wo sie wahrscheinlich die medialen Zellgruppen der Stam-
mesmuskulatur innervieren.
Bei der größeren Entwicklung, der Pyramidenfasern, namentlich der
Seitenstraugpyramide bei höhern Säugern, wird ein größeres Areal des
Rückenmarks davon in Anspruch genommen, was zugleich physiologisch
einen größern Einfluß der Rinde auf den Körper und die Gliedmaßen
bedeutet.
Der Prozentsatz im Halsmark, welcher von den Pyramiden einge-
nommen wird, wurde zuerst durch von Lenhossek an Fötussen bestimmt,
wo die marklose Pj'ramide sich scharf von den umringenden Fasern
abgrenzt.
Die Zahlen, welche er fand, sind folgende :
Maus 1,14%
Kaninchen 5°l^
Katze 7°/„
Mensch 11°/,
Es ist jedoch klar, daß diese Ziffern von dem Verhältnis beim ausge-
wachsenen Rückenmark keinen richtigen Eindruck geben, wäre es nur
deshalb, weil ihr Areal durch den Mangel an Markumkleidung in bezog
auf die andern Stränge hier relativ zu klein ist.
Höher sind denn auch die Ziffern, welche Bregmann bei ausgewach-
') Daher kommt es daß sie auch wohl als direkte Pyramide bezeichnet wird.
*) Unterhalb der Nager ist es bis jetzt nicht gesehen.
I)A,S KUCKKNMAKK UER SÄL'GKK.
223
senen Individuen fand, und welche niunentlich zeigen, wie viel
grüßer der Prozentsatz der Pyramidenfasern bei den Primaten und dem
Menschen wird.
Didelphys . 3,6 %
Elephas 4,8 °/„
Hund 6,7%
Phoca vitulina .19,4%
Cebus fatuellus 20,1 %
Mensch 30%
Die hohen Zahlen bei den Primaten und dem Menschen haben einen
desto größern Wert, weil durch die schon erwähnte Zunahme der Hinter-
stränge bei den höhern Tieren die Zunalnne des Prozentsatzes der Pyra-
midenfasern beeinträchtigt wird.
Der größere physiologische Einfluß der Rinde auf die Bewegungen
bei den letzlgenanten ist sowohl quantitativ als qualitativ.
Sarr,
ü'ittior'w
Fig. 118. Schema der Einteilung der grauen und weißen Substanz
im unteren Zervikalmark des Menschen; n. Edinger, mit
einigen Modifikationen n. Lewandowsky, Winkler u. A. ').
Reizverzuche der Rinde (siehe Kap. X) bestätigen die erwähnten
Degenerationsversuche, daß bei dem einen Tier eine größere Strecke des
Rückenmarks Pyramidenfasern empfängt als bei einem andern Tier. Dement-
sprechend können bei manchen Tieren wohl die vordem Extremitäten durch
Rindenreizung influenziert werden, aber nicht die hintern.
Dazu kommt noch, daß auch die Art und der Grad des Einflusses
•) Die HELWEfi'sche Bahn (Fase, oliv.) liegt mehr lateral als in der Figur angegeben.
224 DIE XICriT-NERVÖSEN BESTANDTEILE DES RÜCKENMAraCES
verschieden ist, wie namentlich durch die Pathologie gezeigt wird, welche
uns lehrt, daß ein niederer Säuger nach kortikalen oder subkortikalen
Läsionen fast keine länger anhaltenden Bewegungsstörungen aufweist,
während eine solche Läsion beim Menschen sehr andauernde und tief
eingreifende Störungen der Bewegungen verursacht.
Zum Schluß reproduziere ich hier ein Schema der verschiedenen auf-
und absteigenden Bahnen im unteren Halsmark des Menschen (Fig. 118).
Die nicht-nervösen Bestandteile des Rücl(enmarl<es bei den Säugern
und dessen Hüllen.
Die HüUsubstanz des Säugerrückenmarkes zeigt einen hohen Grad
von Differenzierung (vergl. auch S. 45 — 49). Ich werde sie etwas aus-
führlicher behandeln, weil ihre Kenntnis für die menschliche Pathologie
sehr wichtig ist.
Der periphere Ausläufer der Ependyvizellen reicht beim ausgewachsenen
Menschen nicht mehr durch die ganze Dicke des Rückenmarkes hin,
sondern dehnt sich im ausgewachsenen Mark meistens nicht weiter aus,
als der grauen Substanz entspricht.
Die Zellen sind an der Ventrikelseite mit einem Flimraersaum besetzt,
der namentlich dort, wo die dorsale Einengung des Zentralkanals ausbleibt,
also am Ende des Conus terminalis, sehr deutlich sein kann. An dieser
Stelle findet man manchmal Öeffnungen, wodurch der Zentralkanal mit
dem perimedullären Raum in Kontakt tritt. Die Umgebung des Ependyms
ist hier oft stark vaskularisiert (Ver.meulex).
Innerhalb des Zentralkanales ist auch bei den Säugern der REissxER'sche
Faden gefunden (Hohslet, Nicholls) über dessen Bedeutung keine Sicherheit
besteht. Es ist jedoch ausgeschloßeu, daß es sieh dabei handelt um einen nervösen
Reflex- Apparat. Doch soll hier auch keine zufällige Koagulation von Eiweiß
vorliegen (Nicholls).
Die übrigen Stützzellen haben durch ihre Lage und die Entwicklung
von sekundären Ausläufern den Charakter von autonomen Gliazellen (Astro-
zyten). Man unterscheidet darin zwei Sorten. Je nach der Länge der sekun-
dären Fasern spricht man von Kurzstrahlern und Langstmhlern. Die ersteren
finden sich hauptsächlich in der grauen Substanz, die Langstrahler in
der weißen.
Die Langstraliler in der weißen Substanz sind nicht so zahlreich wie
die Kurzstrahler in der grauen.
Beide bilden um die Gefäße oder richtiger um die perivaskulären
Lymphscheiden eine geschlossene Bekleidung, die sog. „Adventitia gliosa"
oder Limitans gliosa perivascularis, welche sich bildet aus den verbreiterten
Endfüßchen der Gliafasern (vergl. S. 4G bis 48 und Fig. 32 B).
Innerhalb der perivaskulären Scheide (ViRCHOW-RoBis'schen Raum)
begeben sich nur die (nach Held von der Glia ab zu leitenden) Stäbchenzellen.
l'.Kl DKX SÄCGKUN UNI) DESSKX HÜI.I.KN. 225
An der Peri[)hei'ie des Rüekeinnarki;s Inldeii ilie Endfüiielien der
äußeren Gliazellen (Gliarandzellen) die Limitans gliosa superficialis (wie in
Fig. 32 A).
Sonst umspinnen sie die Markseheiden der Nervenfasern. Sie dringen
darin sogar ein (Pai..4Dino) wie ihre Ausläufer auch in die Ganglienzellen
eindringen können. Unter normalen Um.ständen führen sie normale Stofi-
weclisi'lproduktie davon ab. Ihre Funktion erfährt aber unter pathologischen
Umständen eine eriiebliche Exazerbation und der Glia kommt eine große
Rolle zu in der menschlichen Pathologie, wobei sie vielfach einen phago-
zytären Charakter aufweist, namentlich für Scheidensubstanz {MyelopJiagie)
mid Blutzellen aber auch Ganglienzellen gegenüber {Neaironophagie).
Außerdem soll der Glia (NACiEOTXE, Mawas) eine sekretorische Funktion
zukommen, indem iiire Mitochondrien sicli zu Sekretkörneru umbilden können.
Im Rückenmark ist dies allerdings nicht naciigewiesen, wohl im Auge und
in der Epiphyse (Vergl. auch Achuccarro).
Neben der Glia enthält das Rückenmark zahlreiche piale Bindegewebs-
septen, welche Blutgefäße, größer als Kapillaren, führen, die sich außerhalb der
Septen, namentlich in der grauen Substanz, aber auch in der weißen, in
Kapillaren aufsplittern.
Es handelt sich dabei stets um Endkapillaren, das heißt solche, welche
keine kollateralen Verbindungen haben.
Die Gefäße und Kapillaren sind umgeben von weiten perivaskulären
Lymphräumen, welche sich fortsetzeii in den Lücken der Arachnoidalhaut
und deren Perithelien, wahrscheinlich verwandt sind mit der endothelialen
Bekleidung der Arachnoidea. Wirkliche Lymphgefäsze, wie sie sonst überall
im Körper vorkommen, liegen in dem Rückenmark (und in dem Gehirn)
nicht vor.
Die Hüllen des Rückenmarkes weisen eine l)edeutend höhere Differen-
zierung auf als bei den Vögeln, indem das Arachnoidalgewebe, das bei
den \^ögeln kaum anwesend ist, sich bei den Säugern zu einem mächtigen,
spongiöseu Sack ausgebildet hat, welcher aus der Meninx secundaria der
niedern Tiere hervorgeht, die sich hier in zwei Abschitte auflöst: die Pia
Mater und die Arachnoidea.
Die Pia Mater liegt direkt dem Rückenmark auf, besteht aus mehr
oder weniger fibrösen Fasern und ist reichlich vaskularisiert.
Ihre au dem Nervensystem (dessen Membr. limitans gliosa) grenzende
Sehiclit: der Mend)rana intima Piae (Held) besteht aus endothelartigen
Zellen, welche der Membrana limitans gliosa überall folgen.
In der Pia kommen bei den Säugern, auch bei den Menschen, stellen-
weise Pigmentzellen vor.
Die Arachnoidea i) ist eine dvn-ch Bindegewebstrabekeln durclicjuerter
') In der Araohnoidea werilen iiiiinchinal KalkkonUremente gefunden, die sogai- sehr
KAPPr.ns. . 15
22ß DIE XICIIT-NERVÖSKN nESTANDTEII.E DES RÜCKENMARKES
spoiigiöser Sack, dessen Wände überall mit Endothelien bekleidet sind.
Dns innere Blatt jenes spongiösen Gewebes liegt auf der Pia, das äußere
Blatt is weit davon entfernt und beide fassen den, bei den Rodentiern
weniger, bei den Karnivoren und Primaten sehr weiten Intrnarachnoidal-
raum zwischen sich (Key und Retzius).
In dem Innenblatt der Arachnoidea und in den größeren TraViekeln
verlaufen Blutgefäße, ebenso wie in der Pia. Diese sowohl wie die pialen
Gefäße kommunizieren mit den Gefäßen der RückeuTnarkssepten, während
die intraarchno'idalen Räume kontinu sind mit den 'perivaskulären Räumen, des
Markes, sodaß die perivaskuläre Lymphe in dem Liquor cerebrospinalis
übergeht und umgekehrt.
Hieraus erklärt sich, daß Sul>stanzen, welche in dem Intraarachnoidal-
raum injiziert werden, zurückgefunden werden in den perivaskulären
Räumen und von da aus das Rückenmark erreichen können (Goldmaxn)
wenn sie (was oft nicht der Fall ist) die Limitans gliosa passieren können.
Die Flüssigkeit des Intraarachnoidalraumes wird wohl als Liquor cere-
brospinalis exicrnus bezeichnet gegenüber dem Inhalt der Hirnventrikel und
des Zentralkanals, der als Liquor cerebro-spinalis internus bezeichnet wird.
Indessen hat dieser Unterschied hauptsächlich eine topographische
Bedeutung und dürften beide Flü.ssigkeiten im we.sentlichen dasselbe sein,
umsomehr, als an den Foramina Magendi und Luschkae (vergl. das folgende
Kapitel) des vierten Ventrikels und an dem Conus terminalis eine Kon-
tinuität dieser Flüssigkeiten besteht.
Der Licpior eerebro-spinalis enthält nach der Analyse vieler Autoren
nur wenig Eiweiß, geringe Salzquantitäten und SpuT'en von Dextrose. Er
unterscheidet sich von der Körperlymphe durch einen geringeren Gehalt
an Fettkörperchen und Lymphozyten.
Der Liquor cerebro-spinalis internus bildet sich, ])hylogenetisc]i und
ontogenetisch, zuerst als Transsudat der Kapillaren, welches durch die
gliösen Grenzmembranen und durch das Chorioidepithel und Ependym ein
besonderes Gepräge erhält.
Die erste Ausbreitung der ventrikulären Flüssigkeit in den perime-
dullären Gewebsspalten (also die Bildung des Liquor cerebro-spinalis externus)
zeigt sich — beim Schwein — in einem Embryo von 14 m.m. (Weed)
durch die Dachmembran des IV Ventrikels.
Beim Rückenmark, wo Araclmoidalzotten und große venöse Sinusse
fehlen, wird der Liq. cerebro-spinalis ext. nach der Meinung der meisten
Untersucher abgeführt durch die intrafascikulären (endoneuralen) Lymph-
reichlich sein können. Ich erinnere niicb eines Falles, wo ilas Marli völlig damit ge-
panzert war.
Der Mann (er starb an Pneumonie) hatte nie Klagen geäußert, welche auf irgend eine
Reizung des Rückenmarkes oder deren Häute hinwiesen. Nach verschiedenen Unteisuchern
handelt es sich dabei um verkalkte Knorpelplättchen (vergl. KRäMEi), Citvostek. Z.\nda,
Obersteiner).
15KI DKN SÄIinKKX TIN!) DESSIOX HÜLT,KN. 227
spalten der Wuiv.eln. Roi'eits Key uml Retzh's konnten naclnveison, daß
eine intraaraeluididale FarbstolHnjektion durelidringt in die Lyniplisiialten
dei- Wurzeln und der Intervertebralganglien.
Im Gehirn, wo nur wenige Wurzeln vorkommen und dem gegenüber große venöse
Sinusse und Araehnoidalzotten vorliegen, wird dasselbe nach den Untersuchungen von
Quincke, Reiner und Sciinitzler, Spina, Ziegleb, Hill, Lewandovtsky und Weed
hanptsächlieh durch die Sinusse — also direlst durch die Blutbahn — abgeführt.
Nach Goldmann, Daxdv und Tir.ACKFAN aber sollen hier Kopflymphgefäße den
Hauptabfidirweg bilden.
Der Intraarchnoidalraum des Rückenmarkes setzt .sieh frontalwärts
fort, in den des Gehirns, namentlich in den der Hirnbasis. Mit dem ent-
sprechenden Raum des Kleinhirns und der Konvexität des (4roßhirns be-
steht auch eine N^erbindun'o;. Der Übergang darin ist jedoch nicht so leicht
als an der Basis, wie Injectionsvei-suehe beweisen (Goldm.\nn, Brot'wer).
In der Dura Mater, welche neben Bindegewebe elastische Fasern führt,
sind wieder zwei Blätter zu unterscheiden, von denen das innere Blatt
sieh dem Außenblatt der Arachnoidea anlegt, das äußere dem Periost.
Zwischen den beiden Duralblättern findet sich der Jntraduralraum,
der ebenfalls Endothelien aufweist (Sterzi) und in dem Rückenmarke sehr
klein ist, kleiner als im (Tchirn.
Der Intraduralraum kommuniziert kaum oder nicht mit dem Intraarach-
noidalraum. Stoffe, in den letzteren eingebracht, erscheinen nicht in dem Intra-
duralraum (Key und Retzius, Weed, Cushing). Dagegen kommen manche
Stoffe, welche in den Duralraum eingebracht sind, wohl in den Intra-
arachnoidalraum.
Es handelt sich hier also um eine einseitige Permeabilität zwischen
diesen Räumen. Den Endothelzellen, welche die verschiedenen Häute, nament-
li(-h auch die Arachnoidea, beklei<len, dürfte dabei eine Rolle zukommen.
Zwischen Pia mater und Dura mater erstrecken sich die Ligamenta
denticulata, mit den Wurzeln der Spinalnerven alternierend, durch den
Arachnoidalraum hindurch.
Die Dura mater ist, wie die Pia mater, reich an Gefäßen. Peripherie-
wärts kommunizieren dieselben (wie die der Pia) mit denjenigen der Ner-
venwurzeln. Die Dura selber geht in das Perineurium der Wurzeln über.
perimeningealcs Fettgewebe, so reichlich bei niedern Tieren, ist nur noch in
Spuren vorhanden, namentlich in der Umgebung des Filums.
Auf dem Filum terminale vereinigen sich die drei Hirnhäute wieder
zu einer gemeinsamen Haut. Hier findet sich also ein Stehenbleiben auf
primitiveren Verliältnissen, ebenso wie in dem Zentralkaiial des Conus
terminalis, wo die \'erl('itung des dorsalen Abschnittes desselben meist aus-
bleibt (S. 224).
228 ' ÜBEKP.I.ICK ÜBER HTE ORUAMSATION tl.\n
Überblick über die Organisation und progressive Entwicklung
des Rückenmarkes.
Amphioxus.
Überblicken wir jetzt die phylogenetische Entwicklung des Rücken-
marks dann sehen wir, daß in dem primitivsten Zustande (Amphioxus)
die Hinter- und Vorderwurzeln in ihrem peripheren Verlaufe ganz getrennt
sind und alternierend austreten, indem die Hinterwurzeln auf dem Niveau
der intermyotomalen Septen, die Vorderwurzeln etM^a auf der Mitte der
Myotome austreten.
Die Ursprungszellen der hier noch rein somato-motorischen Vorder-
wurzeln, noch nicht mit Sicherheit lokalisiert, liegen anscheinend nicht
auf dem Niveau des Wurzelaustrittes, und man muß an die Möglichkeit
denken, daß diese Wurzeln als Kollateralen von Längsfasern entstehen.
Die Hinterwurzeln enthalten drei Faserarten: erstens somato-sensible
Fasern (für die Haut) und viszero-sensible (für die Schleimhaut), welche
beide nur mit freien Ausläufern enden.
Außerdem sind darin motorische Fasern für die viszerale Muskulatui-
enthalten.
Die Ursprungszellen der sensiblen Fasern sind nocli bipolar und liegen
teilweise (V3) intramedullär, teilweise in dem extramedullären Abschnitt
der Wurzel, ohne sich dort zu einem Spinalganglion zu liäufen. Die viszero-
sensiblen Fasern verlaufen im Rückenmark zentral von den auf- und ab-
steigenden Dichotomien der somato-sensiblen Fasern.
Als sekundäre Rückenmarkszellen sind an erster Stelle die dorso-medi-
anen Riesenzellen zu erwähnen, deren Lage mit den Eintrittstellen der
sensiblen Wurzeln korrespondiert und deren Axonen ventrale Kommissur-
oder Bogenfasern bilden, wovon diejenigen des kaudalen Rückenmark-
abschnittes abwechselnd rechts und links frontal wärts laufen, diejenigen
des vorderen Abschnittes kaudalwärts, ebenfalls alternierend. Es handelt
sich hierbei um die erste sekundäre Sensibilitätsbahn für vitale (protopa-
thische Reize), deren Reflexauslösung meistens negativer Natur ist.
Außerdem kommen kleinere Zellen vor, die als homolaterale Strangzellen
zu deuten sind.
Anzestrale Bildungen, welche unter den Vertebraten nur bei Ampliioxus
vorkommen, sind die haartragenden Sinnesnervenzellen in den Tentakeln
und namentlich die Rückenmarksaugen, die haupsächlich in den ersten
und letzten Segmenten des Markes sehr zahlreich sind.
PKOGRESSIVE ENTWICKLUNG DES KÜCKENMARKES. 229
Zyklostomen.
Das Alternieren der motorischen V^order- und gemisciiten Hinterwur-
zeln ist bei den Zyklostomen noch vorhanden. Eine Vereinigung dieser
Wurzeln zu einem Stamme findet sich nur bei den Myxinoiden, nicht beim
Neunauge.
Die graue Substanz beschränkt sich nicht mehr auf den Zentralkanal,
sondern zeigt jederseits ein gemischtes, motorisches und sensibles Hörn,
das sich seitlich vom Zentralkanal ausdehnt wie zwei Striche ( — o— ) und
u. m. die Ursprungszellen der Vorderwurzeln enthält.
Diese Zellen liegen auch hier fast nie auf dem Niveau des Wurzel-
austrittes. Ihre Dendriten dehnen sich in einer Fläche aus, welche quer
auf den zahlreichen marklosen Längsfasern des Rückenmarks steht, wahr-
scheinlich infolge der irradiativen Reizausstrahlung der Längsfasern des
Rückenmarkes,- welche bei diesem Tiere nocli gänzlich marklos sind.
Diese Dendriten enden teilweise auf den MüLLER'schen Fasern, stellen
aber größtenteils ein marginales Dendritennetz dar, zu dessen Bildung
vielleicht auch trophische Verhältnisse beitragen.
Die Hinterwurzeln enthalten auch hier neben somato- und viszero-
sensiblen Fasern, viszero-motorische Komponenten.
Von den somato-sensiblen Fasern, die auch bei den Zyklostomen (wie
bei Amphioxus) nur freie Eindigungen in der Haut besitzen, entsteht nur
noch Vs aus intramedullären Zellen, die übrigen gehen aus extramedul-
lären, meistens noch bipolaren (langlienzelleu hervor.
Die zentralen Ausläufer der letztgenannten Zellen dichotomisieren sich
teilweise im dorso-lateralen Abschnitt des Rückenmarks und treten durch
Kollateralen mit der grauen Substanz der Hörner und mit dem marginalen
Dendritennetz in Verbindung. Die viszero-sensiblen Fasern enden zen-
tral davon.
Die Lage der Ursprungszellen der viszero-motorischen Fasern ist uns
ungenügend bekaiuit.
Die sekundären Systeme sind hier bedeutend mehr entwickelt als bei
Amphioxus. Darunter sind an erster Stelle die ventralen Bogenfasern der
primitiven sekundär sensiblen Bahn zu erwähnen, welche als Homologa
der Riesenzellen von Amphioxus betrachtet werden müssen, aber viel zahl-
reicher sind.
Sie verlaufen im Vorderseitensti-ang und können sich frontalwärts
in die Oblongata ausdehnen.
Daneben kommen gleichseitige Strangfasern vor, deren Axonen haupt-
sächlich in den dorsalen und lateralen Strängen verlaufen und überwiegend
als kurze intersegmentale Schaltneuronen zu deuten sind.
Auch das Rückenmark der Zyklostomen ist noch fast gänzlich ein
Lokalapparat.
230 ÜÜEKBLICK ÜliEK DIE ORGANISATION UND
Das einzige SysteiD, das ilim Reize aus frontalen Hirnabschnitten
übermittelt, wird von den MüLLER'schen Fasern gebildet, welche aus dem
Mittelhirn und der Oblongata stammen und, das ganze Mark durchziehend,
erst im Schwanziuark enden. Die sie durchlaufenden Reize üben aber auch
einen (irradiativen) Einfluß auf die Zellen des übrigen Rückenmarks aus.
Daneben erhält das Mark kleinere absteigende Bahnen aus den retikulären
Zellen der Oblongata.
Plagiostomen.
Erst das Rückenmark der Plagiostomen bildet durch die Markumschei-
duug seiner Fasern, die Anordnung seiner grauen Substanz und die kon-
stante Verbindung der Hinter- und Vorderwurzeln das Prototyp für das
Rückenmark der höheren Tiere.
Von der Vereinigungsstelle der \'ordei- und llinterwurzeln geht ein
symi^hatischer Ast zu den Eingeweiden und Gefäßen, bildet aber noch
keinen sog. „Grenzstrang".
Im frontalen Abschnitt des Rückenmarkes besteht ein erheVilicher Un-
terschied in dem Umfang der^^order- und Hinterwurzeln, indem die letzteren
dort sehr klein sind und ganz frontal fehlen (spino-occipitale Nerven).
Diese frontalsten Rückenmarkswurzeln werden als okzipitale Nerven
bezeichnet und sind bei der kaudalen Vergrößerung, welche der Schädel
der Plagiostomen (Neokranium) im ^^ergleich zu demjenigen der Zyklo-
stomen (Paläokranium) erfahren hat, darin aufgenommen worden (erste
oder protometamere Assimilation von Rückenmarkswnrzeln).
Das eigentliche Rückenmark und dessen Nerven sind ziemlich gleich-
artig gebaut, weil Lumbal- und Zervikalanschwellungen hier noch fehlen.
Der gemischte motorisch-sensible zweiflügelige Typus der grauen
Substanz, wie er bei den Zyklostomen vorliegt, wobei kein Hinter- und
Vorderhorn zu unterscheiden ist, erfährt bei den Plagiostomen zuerst eine
Differenzierung zu einer vierflügeligen Form, indem die graue Substanz' sich
jederseits in ein hinteres sensibles und vorderes motorisches Hörn trennt.
Der sensible Abschnitt unterscheidet sich (namentlich bei Haien) von
dem vorderen motorischen Abschnitt, indem ihre linke und rechte Seite
mehr oder weniger verschmolzen sind, während ventral immer zwei deut-
lich getrennte Hörner vorkommen.
Die VordcTwurzeln entstehen ungekreuzt aus Zellen, welciie auch hier
meistens nicht auf dem Niveau des Wurzelaustrittes liegen. Ihre Dendriten
bilden, wie bei den Zyklostomen, einen marginalen Plexus, namentlich an
der lateralen Peripherie des Markes.
Vielleicht enthalten die- Vorderwurzeln neigen somato-motorischen auch
viszero-motorische Fasen i .
Die Hvnterwurzc'hb cnllialten jedenfalls neben somato-sensiblen und
viszero-sensiblen Fasern auch viszero-motorische Fasern.
l'Rt)ÜUESSn'E KNTWICKIJ'NC; HKS IIÜCKKN'MARKKS. 231
Von den sensiblen Fasern stellt nur bei Embryonen noch ein Teil
liervor aus intramedullären Zellen. Beim ausgewachsenen Tier finden alle
ihren Ursprung in den extramedullären Spinalganglienzellen.
Zentral enilet ein Teil der Uinterwitrzelfasern in dem dorsalsten Ab-
schnitt des Hinterliornes, ein anderer l^eil verläuft als Längsfasern in
auf- und absteigenden Bündeln, welche dieses Hörn durchlöchern.
Eine dorso-mediale Anliäufung davon zu eigentlichen sensiblen Hinter-
strängen fehlt aber bei diesen Tieren, und eine Akkumulation von Hinter-
wurzelfasern an der Übergangsstelle von Oblongata und Rückenmark und eut-
sprechenile Hinterstrangkerne kommen bei den Plagiostomen noch niclit vor.
Der Hinter\vurzel-\^orderhornreflex wird vermittelt durch grolie Den-
driten von A'orderhornzellen, die sich liis in die graue Substanz des Hin-
terhornes verästeln und mit KoUateralen oder Endigungen von Hinter-
wnrzelfasern in Verliindung treten {primitive sensitivo-tnotorische Reflexbahn).
Unter den sekundären sensiblen Neuronen sind die Bogenfasern der
primitiven vitalen sekundären Sensibilitätsbahn außerordentlich zahlreich
und begeben sich an der entgegengesetzten Seite in den Vorderseitenstrang,
Ein Anzahl davon — namentlich aus dem Zervikalmark — steigt bis
in die Oblongata und bis zum Mittelhirn empor (Tr. spiuo-bulbaris und
Tr. spino-mesencephalicus).
Die gleichseitigen Strangjasern sind ebenfalls stark verinehrt und bilden
Bündel, welche in den Vorderstrang verlaufen und solche in den dorsalen
und den lateralen Strängen, meistens absteigend, so daß der aborale Reflex
darin überwiegt.
Auch hierunter gibt es indessen Fasern, die weit frontalwarts zielien
(Tr. spino-cerebellaris).
Das Rückenmark dieser Tiere wird außerdem von einer viel größeren
Anzahl Systeme aus höher gelegenen Zentren beeinflußt, als dasjenige der
Zyklostomen.
Solche Bahnen entstehen hauptsächlich in den (Tleichgewichtszentren
und retikulären Zellen dei' Oblongata und übermitteln dem Rückenmark
Reize der N. X. V, vestibularis, und laterales und des Kleinhirns.
Direkte Fasern aus dem Tectum opticum, den Lobi inferiores und der
Mittelhirnbasis sind nicht nachgewiesöin, aber Bahnen aus diesen Zentren
steigen in die Oblongata bis zum Anfang des Rückenmarkes ab, wo ihre
Reize, korreliei't mit andern Reizen, mittels retikulärer Elemente, deren
Axonen ein „final common path" verschiedener .Empfindungen darstellen,
auf das Rückenmark übertragen werden.
Teleostier.
Bei allen Telcostiern weist das Mark in seinem frontalen Abschnitt im
Vergleich zu dem der Plagiostomen eine Reduktion auf durch den Verlust
der okzipitalen und okzipito-spinalen Nerven.
2o2 ÜISERliLIl'K ÜBER DIE UKUAMSATION UND
Dadurch folgen wirkliche spinale Nerven mit gut ausgebildeten
Hinterwurzeln direkt auf die Branchialnerven der Oblongata. Dieselben
liegen sogar teilweise innerhalb des Schädels (auximetamere Assimilation).
Eine zweite Reduktion, welche das kaudale Rückenmark betrifft, kommt
nicht bei allen Teleostiern vor, doch ist bei den Plektognaten sehr auflal-
lend (namentlich bei Orthagoriscus und Lophius), wo ein großer Abschnitt
des Vertebralkanals nur längsverlaufende Wurzelfasern (Cauda e(iuina) und
das Filvmi terminale des Rückenmarks enthält.
Diese kaudale Reduktion liängt mit der starken \'erkümmerung des
hintern Körperahschnittes jener Tiei'e zusammen.
Peri{)her von der A^ereinigungsstelle der Vorder- und Hinterwurzeln
(außerhalb des Vertebralkanals) 1)ilden die Rami coramunicantes des
Sympathikus hier zuerst einen wirJdichen Grenzstraiig.
Die Ursprungszellen der moturlschen Wurzeln reichen bedeutend ven-
traler als bei den Plagiostomen, durch den überwiegenden Eintluß ven-
traler Refiexsysteme (Neurobiotaxis).
Dadurch kann man in ihnen oft eine dorso-mediane und eine ventru-
laterale Gruppe unterscheiden. Ihre Dendriten bilden, wie bei allen Fischen,
einen marginalen Plexus, namentlich an der lateralen Seite des Markes.
Die Vorderwurzeln enthalten hier neben .somato-motorischen Fasern
bereits eine große Anzahl viszero-motorischer Fasern (praeganglionäre oder
Wurzelfasern des Sympathicus), die ihren ursprünglichen ^"e^lauf durch
die Hinterwurzeln teilweise hierin verlegten.
Bei einigen Teleostiern (Malopteriirus und Gyiuuotus, wahrscluinlifb auch
Mormyi'us) sind mütorische Zollen zu Ursprungszellen von elektrischen Nerven
geworden. Bei (xymnotus handelt es sich dabei um somato-motorische Zellen
dat das elektrische Organ hier aus Somiten entsteht), bei Malopterurus um viszero-
(moorische Zellen (elektrisches Hautorgan).
Die Hinierwurzeln der Knochenfische enthalten noch die drei üblichen
Komponenten: somatosensible, viszero-sensible Fasern und (wenige) viszerö-
motorisclie Fasern.
Die erstgenannten Fasern entstehen bei vielen ausgewachsenen Teleos-
tiern, im Gegensatz zu den Plagiostomen, teilweise noch aus intramedullären
Zellen, die entweder über das ganze Rückenmark vorkommen, oder nur
im Zervikalmark.
Die zentralen Ausläufer dieser Zellen lassen sich frontalwärts bis zu
der deszendierenden Trigeminuswurzel verfolgen.
Die Mehrheit der Hinterwur/.eln wird aber von extramedullären spinalen
Ganglienzellen gebildet.
Die zentralen Ausläufer dieser Spinalganglienzellen treten namentlich
seillich von der grauen Substanz der Hinterhörner ein und teilen .sich dort
in auf- und absteigende Aste, welche in dem hintern Abschnitt der Seiten-
stränge verlaufen.
rUÜUKESSIVK KNTWlCKI.I'Ni; DICS lliuilCKN M AKKKS. 23o
Durch diesen überwiegend seitlichen Verlauf der Hinterwurzelfasern
sind die eigentlichen Hinterstränge sehr klein und bestehen sie haupt-
sächlich, aus deszendierenden Neuronen von Strangzellen, welche aborale
ReHexe übermitteln.
Die aufsteigenden endogenen Faseni leiten die primitive vitale Sen-
sibilität und entstehen aus Bogenfasern und aus lioinolatcralen Strang-
fasern.
Die Bogenfasern verlaufen nach der Kreuzung erst eine k\nze Strecke
im Vorderstrang und gehen dann in den Seitenstrang über.
Ein Teil derselben erreicht die (Jblongata und das Mittelhirn, nament-
lich .solche aus dem Zervikalmark: Tr. spinn-bulbaris und spino-nie.sen-
cephalicus oder antero-laterale primitive Sensibilitätsl)ahn Edingek's.
Die gleichseitigen Strangfasern verhalten sich wie bei den Selachieni.
Ein Teil davon bildet einen Tr. spino-cerebellaris (dorsalis).
Bei einigen Teleostiern sind die Hinterhörner im Halsmark stark ver-
größert, infolge einer Hj'pertrophie der Taktilität in dem Gebiete der
entsprechenden peripheren sensiblen Nerven: namentlich bei Trigla und
Lophius ist dies sehr auflallend.
Diese dorsalen grauen Massen sind jedocli nicht mit Hiuterstrang-
kernen zu vergleichen, weil sie nur eine lokale Bedeutung haben.
Bei diesen Tieren kann außerdem in dem dorsalen Seitenstrang ein
Kern vorkommen. (Nurleus fuiiiculi lateralis), der nur aufsteigende Fasern
aus dem Halsmark aufnimmt und sekundäre Neuronen zur Oblongata,
Mittelhirn und Kleinhirn sendet, also auch nicht mit den Hinterstrang-
kernen der Säuger zu homologisieren ist.
Die aus frontalem Hirnabschnitten dem Rückenmark zuströmenden
Fasern sind bei den Teleostiern denjenigen der Plagiostomen ähnlich. Wie
dort handelt es sich dabei überwiegend um optische, trigeminale und
C4eruchsrefiexe, welche ihm mittels Koordination.skernen der Oblongata über-
tragen werden.
Neben den vestibulo-spinalen Bahnen fällt namentlich die dicke Malth-
NER'.sche Faser in der Nähe des Fasciculüs longitudinalis centralis auf,
welche ein Korrelat verschiedener Oblongatareßexe, optische, Lateralis- und
Trigeminus- Reize, namentlich aber Vestibulai'-reflexe auf die Schwanzregion
des Rückenmarkes überträgt: ein typisclies Beispiel einer gemeinschaft-
lichen Endbahn multipler Reize („Final common path").
Daneben kommen, bis jetzt bei den Selachiern nicht nachgewiesene,
absteigende sekundäre Geschmacksbahnen, deren Endigungen aber auf den
Anfang des Zervikalmarkes beschränkt bleiben.
Die Zephalisation des Rückenmarkes ist hier also woiil etwas weiter
geschritten als bei den Haien, beschränkt sich aber noch auf indirekte
Mittelhirn- und direkte Nachhirn reize.
234 ÜBERBLICK ÜBER DIE ORGANISATION UNI)
Amphibien.
Auch das Rückenviark der AmpJiibien zeigt eine große Keduktiou im
Vergleich zu dem der Plagiostomen, dem es sonst in seinem histologischen
Aufl)au sehr ähnlich ist.
Anstatt der zahlreiclien okzipitalen und ükzi})ito-s{>inalen Wurzeln jener
Tiere findet man hier bloß einen Nerv dieser Art, der sich dem 11''®°
Spinalnerven zugesellt und den N. hypoglossus bildet.
Auch der erste Spinalnerv fehlt und die Zahl der übrigen wirklichen
Rückenmarksuerven beträgt nur zehn oder elf (gegen manchmal 100 bei
den Haien).
Bei der Larve des Frosches und bei geschwänzten Amphibien kommen
indessen viel mehr Nervenwurzeln vor, weil auch deren Schwanz inner-
viert wird. Erst bei der Reduktion desselben gehen diese Wurzeln verloren
und wird der hintere Abschnitt des Markes in ein atrophisches Filum
terminale umgewandelt.
Eine besondeie Eigentümlichkeit ist, daß hier zuerst eine Lumbal-
und Zervikalanschwellung auftreten, entsprechend der starcken Entwick-
lung der Extremitäten.
Die ventralen Wurzelfaseni (welche bei Embryonen bloß KoUateraleu
von längsverlaufenden Fasern sind) werden bei ausgewachsenen Amphibien
in der üblichen Weise von den A.xonen ventraler Wurzelzellen gebildet.
Man kann in diesen Zellen eine medio-ventrale Säule unterscheiden, welche
sich durch das ganze Rückenmark erstreckt, und laterale Gruppen, welche
sich namentlich in den Intuineszenzen finden und der Innervation der
Extremitäten dienen.
Das marginale Dendritennetz, welches aus diesen Zellen und andern
Elementen der Vorderhörner hervorgeht, dehnt sich fast über die ganze
Peripherie, namentlich aber über deren ventro-laterale und laterale Ab-
schnitte aus, wie bei den Haien.
Sensible Wurzelfasern aus intramedullären Zellen kommen, wie bei den
Haien und Rochen, nur während des larvalen Lebens vor. Sie senden
einen peripheren Ausläufer zu der Haut und zu den Muskeln (Muskelsen-
sibilität).
Im ausgewachsenen Zustande sind diese Zellen verschwunden und
geschieht die Sensibilitätsleitung bloß durch Ausläufer von extramedullären
Ganglienzellen.
Die zentralen Portsätze davon bilden zwei Bündel. Ein laterales zieht
in die Zona marginalis der Hinterhörner.
Ein größeres mediales verläuft in den Hintersträngen.
Die Ausbildung dieser Hinterstränge hat zu Folge, daß die sensiblen
Hintorhürner auseinander gedrängt werden und das Rückenmarksgrau nun
mehr die Form eines X aufweist.
Die sensitivo-motorisclien Reflexe (beim nicht ausgewachsenen Frosch
rK()(;RESSIVE ENTWICKLUNCi DICS KUCKE.N.M AHKE.S. loD
noch veniüttelt durch lange Dendriten der motorischen Zellen) werden beim
ausgewachsenen Frosch (zuerst in der Phylogenese) ermittelt durch lange
sensitivo-motorische Kollateralen der Hinterstränge, welche bis in die
\'orderhörner reichen.
Nach Abgabe derselben steigen die Hinterstränge weiter auf (und ab).
Obschon die Auseinanderdrängung der Hinterhörner durch die dorso-
medialen Hinterstrangfasern zwar im Zervikalmark starker ist als im Dorsal-
und Lumbaimark, dürfen wir daraus nicht schließen, dal) die Hinterwurzel-
fasern selber sich bereits bedeutend im vordem Abschnitt des Rückenmarkes
akkumulieren, weil im Zervikalmark des Frosches viele sensible Trigeminus-,
\'estibularis- imd Vagu.sfasern dazu kommen.
Wirkliche Hinterstrangkerne sind hier denn auch nicht nachge-
wiesen (ebenso wenig wie eine mediale Schleife zum Thalamus), und die
aus dem Rückenmarke und namentlich aus dem oljern Zervikalmark auf-
steigende sekundäre sensible Leitung besteht noch überwiegend aus ge-
kreuzten spino-bulbären und spino-mesenzephalen (EoiNGER'schen) Fasern des
primitiven Berührungssinnes, des Temperatur- und Schmerzsinnes (vitale
Sensibilität), was mit der Tatsaclie übereinstimmt, daß auch in der Peri-
pherie des Körijers fast nur unkomplizierte sensible Rezeptoren vorhan-
den sind, wie bei Ftschen.
Wie bei Haien und Knochenfischen kow.men ünch hiev spino-zerchellare
Bahnen vor (namentlich im Zervikalmark), welche ungekreuzt entstehen.
Das System ist indessen nur klein.
Die übrigen, kurzen sekundären Bahnen sind bei den Amphibien
annähernd wie bei den Fischen.
Die zum Rückenmark absteigenden Bahnen sind vermehrt durch W'urzel-
fasern der Y, Ylll und X (s. o.), sodaß die Funktionen des Rückenmarkes
beim P>osch stark beherrscht werden von Kopfnerven, namentlich vom
Trigeminus, der bis zum Lumbaimark absteigt,
Reptilien.
Bei den BeptiUeu zeigen sich Veränderungen, welche als ^'orstufe der
Organisation des Säugermarkes betrachtet werden können.
\'ün demjenigen des Frosches unterscheidet sieh das Rückenmark
dieser Tiere dadurch, daß es sich durch den ganzen \^ertel)ralkanal erstreckt
und nicht in ein atrophisches Filum terminale endet, was mit der Per-
sistenz der metameren Schwanzmuskulatur zusammen hängt. Sonst zeigen
die einzelnen Ordnungen dieser Klasse große Verschiedenheiten.
Makroskopisch kann man drei Rückenmarkstypen unterscheiden :
1. denjenigen der Eidechsen und Krokodilier, welche beide Rumj)f- und
Gliedmaßenmuskulatur besitzen; 2. denjenigen der Schlangen, wo nur
Rumpfmuskulatur vorluinden ist; 3. denjenigen der Schildkröten, wo keine
thorakale Rumiifmuskulatur, aber wohl Hals-, Schwanz- und Gliedmaßen-
muskulatur vorkommt.
2ot> ÜliEKBLirK ÜKliK DIK ORGANISATION UND
' Die erste Gruppe zeigt ein überall gut entwickeltes Mark mit Zervi-
kal- und Lumbalanschwelluugen, die zweite weist keine Lumbal- und Zer-
vikalansehwellungen auf, und bei der dritten ist das Rückenmark in der
Thorakalregion auffallend dünn.
Die Vorderhörner — in den Anschwellungen mit motorischen Zellen
für die Extremitätenmuskeln beträchtlich vermehrt — enthalten außer
motorischen Vorderwurzelzellen auch Hinterwurzelzellen, sog. Lenhossek-
'schen Zellen, welche, in dieser Große und Lage, zuerst bei den Reptilien
auftreten. Es liandelt sich dabei um viszerale, wahrscheinlich sympathische
Zellen, die sich (hirch ihre Ijesondere Größe von den üblichen Sympathikus-
zellen unterscheiden und namentlich (nur?) im Zervikalmark vorkommen i).
Das marginale Dendritennetz ist bei ausgewachsenen Reptilien sehr
verkleinert, vielleicht treten an ihrer Stelle die sog. Randkerne (Nuclei
■marginales) auf, welche (am deutlichsten l)ei den Krokodiliern) am lateralen
Rande des Rückenmarkes liegen, wo der marginale Dendritenplexus liei
niederen Tieren am längsten erhalten bleibt. Sie können sympathischer
Natur sein (verlagerte LENHOSSEK'sche oder sekundäre sympathische Zellen?)
oder — was wahrscheinlicher i.st — Bogenfaserzellen.
Was die Hinterivurzeln dieser Tiere anbelangt, kommen nur im larvalen
Zustande noch intramedulläre Ganglienzellen vor. Diese verschwinden
aber bald.
Die zentralen Ausläufer der definitiven, extramedullären, Ganglienzellen
zeigen verschiedene \^erhältnisse, je nach der Tierklasse.
Bei den Eidechsen ist ihr Verhalten demjenigen der Amphibien ähnlich,
indem die Hinterwurzelfasern dort größtenteils in den Hintersträiigen,
teilweise in der Zona marginalis der Hinterhörner verlaufen. Dabei gibt
das größere, mediale Hinterstrangbündel die sensitivo-motorisehen Kollate-
ralen zu den Vorderhörnern ab.
Bei Schildkröien und Schlangen finden wir ein Verhalten, welches an
die Teleostier erinnert, weil viele Hinterwurzelfasern hier in dem hinteren
Abschnitt der Seitenstränge verlaufen. Dieses Bündel ist keine Abspaltung
oder Vergrößerung des marginalen Bündels, sondern vielmehr ein verla-
gerter Abschnitt des medialen Hinterstrangbündels, weil es, wie dieses,
die sensitivo-motorisehen KoUateralen zu den Vorderhornzellen abgibt.
Die Zahl der aufsteigenden Hinterwurzelfasern ist bei allen Reptilien
erheblich vermehrt im Vergleich zu den Amphibien.
Audi treten zuerst Hinterstrang kerne auf, wovon, sei es auch sehr wenige,
mediale Schleifen fasern zum Zwischenhirn ziehen.
Da wir aus dem Verhalten bei den Säugern wissen, daß die mediale
Schleife, die feineren — • gnostischcn — Empfindungen des Körpers zum
') Beccahi ist, geneigt, ihnen eine Rolle bei ilm- zervil^alen Vergrößerung des N.
accessorius beizumessen, eine interessante .\uffassung, die Berücksiclitigung verdient, aber
bis jetzt unbewiesen ist.
PRCIfiKKSSIVE KNTWK'K'l.rNti HKS RÜrKTCNNr A R,K RP. 237
'riuilaiuus führt, können wir hieraus seiiHessen, dali nehen der priautiven
vitalen spino-niesenzephalen Projektion hier (zum ersten Male in der Phylo-
genese) eine Projektion höherer Sensihilitätsqualitäten vorkommt (stereo-
gnostischer Sinn: s. u.)- Diese zentrale Veränderung läuft parallel zu der
Entwicklung von zusammengesetzten sensiblen Endorganen {Patiinsclie Kör-
perchen u. A), in der Peripherie, wovon wir annehmen dürfen, nacii Analogie
von dem, was wir davon hei den Siuigern wissen, dal! sie eine li(")liere
{gnostiscJie oder epikritlsclie) Sensibilität (s. u.) führen.
Diese steht ihrerseits wieder im Zusammenhang mit dem Landleben,
wobei an den Haut- und Gelenksinn höhere Ansprüche gestellt werden.
Bezüglich der sonstigen, sekundären Fasern des Rückenmarkes dieser
Tiere, der gekreuzten vitalen Sensibilitätsbalin und des homolateralen spino-
/.erebellaren Systeines, liegt wahrscheinlich kein prinzipieller Unterschied mit
dem Frosche vor, nur sind sie gnlßer, namentlich das zerebellare System.
Die frontale Beeinflussung des Rückenmarkes, findet nicht (wie beim
Frosch) durch soviele absteigende Wurzelfasern statt, vielmehr durch
sekundäre und tertiäre Bahnen aus Mittelhirn und Oblongata. Ein direk-
ter Einflnli vom ^''orderhirn liegt hier noch nicht vor.
Vögel.
Das Ruckenmark der Vögel unterscheidet sich makroskopiscli von dem-
jenigen der Reptilien durch die große Länge des Zervikalmarkes und durch
den Besitz eines Sinus lumbo-sacralis, einem mit halb-flussig-transparantem
gliösem Gewebe ausgefüllten Raum, zwischen den Hintersträngen des
Lumbo-sakralmarks, welche offenbar durch die seitliche Verlagerung der
Hinterhörner (infolge der starken Hinterwurzelfaserzufnhr in diesem Ge-
biet?) entstanden ist (s. Kap. III: die Bildung des vierten Ventrikels).
Zervikal- und Lumbalanschwullungen fehlen nie. Bei den Laufvögeln
ist die Lumbo-sakralanschwellung die größere, bei exquisiten Fliegern die
Zervikalansch wellung.
Die Vorderwurzeln sind etwas dicker als die Hinterwurzeln, und die
Vorderhörner umfangreicher als die Hinterhörner, namentlich bei den
Laufvögeln.
In den Vorderhörnern lassen sich deutlich mediale und laterale Zell-
gruppierungen unterscheiden, erstere für die Stammuskulatur, letztere
für die Extremitäten. Beim Strauß sind letztere namentlich in der Intu-
mescentia lumbalis sehr vermehrt, bei den andern Vögeln in der Zervi-
kalanschwellung, weil von da aus der Hauptmuskel der Flügel (M. pecto-
ralis major) innerviert wird.
Ein marginaler Dendritenplexus kommt nur noch vor bei Embryonen.
Wie beim Krokodil findet man auch liier bei ausgewachsenen Tieren an
dem antero-lateralen Randabschnitt die Nuclei marginales stark hervortre-
ten, namentlich im Lumbaimark und im Zervikalmark.
238 ÜBERBLICK ÜBER DIE ORIJANIS ATIOX UND
Ontogenetisch lassen diese sich von Vorderhornzellen alileiten ; sie sind
vielleiclit durch eine perijihere Verlagerung solcher Elemente entstanden,
deren Dendriten in den antero-lateralen Abschnitt des marginalen Den-
dritenplexus von Embryonen hineinziehen.
Ihre Funktion ist auch hier nicht bekannt, ebensowenig wie bei den
Reptilien. Nur wissen wir auch hier, daß ihre Achsenzylinder nicht mit
den Vorderwurzeln austreten, sondern teilweise Bogenfasern bilden.
Wie bei den Eidechsen und Amjihibien verlaufen alle zentralen Aus-
läufer der Spinal-Ganglienzellen in den Hintersträngen, und in der Zona
marginalis (nicht in den Seitensträngen).
Doch sind die Hinter stränge der Vögel im \'^ergleich zu der übrigen
weißen SuTjstanz und auch im Vergleich zu der grauen Substanz bedeutend
kleiner als bei den genannten Reptilien.
Dieser geringe Umfang der Hinterstränge ist teilwiese eine Folge der
geringeren Entwicklung der Hinterwurzeln dieser Tiere, deren Hautsensi-
bilität, infolge der Federbekleidung, nicht so groß ist als bei manchen
Reptilien. Teilweise dürfte eine geringere Länge der aufsteigenden Dicho-
tomie als Ursache davon zu betrachten sein, weil dadurch keine erhebliche
Akkumulation stattfindet.
Auch sind die Hinterstrangkerne bei diesen Tieren nicht grosz, ebenso
wie die daraus entstehende mediale Schleife.
Die endogenen Neuronen sind bedeutend zahlreicher als bei den Rep-
tilien, namentlich die kürzeren intersegmentalen Neuronen.
Weiter frontalwärts aufsteigende Axonen von Bogenfasern bilden im
antero-lateralen Areal des Markes die EDixoER'sche Bahn der primitiven
vitalen Sensibilitätsleitung (Tr. spino-bulbaris und spino-mesencephalicus),
die hier sehr bedeutend entwickelt ist.
Auch die homolateralen aufsteigenden Seitenstrangfasern sind stark ver-
mehrt und bilden einen bedeutenden Tr. spino-ccrebellaris, der bei den
Vögeln zuerst aus der ganzen Länge des Markes, vom untern Lumbaimark
an, entsteht, und die ganze seitliche Peripherie des Markes einnimmt.
Er wird von absteigenden zerebello-spinalen Fasern begleitet, welche tief
herunter ins Rückenmark reichen.-
Sonstige absteigende Bahnen empfängt das Rückenmark aus den Vesti-
bnlariskernen und aus dem Tectum opticum (Tr. tecto-spinalis).
Beide enden in den Vorder- und Vorderseitensträngen.
Rubro-spinale Fasern verlaufen wahrscheinlich in den Seitensträngen.
Das Rückenmark wird — außer von sehr vielen lokalen Reflexen • —
in viel höherm Maße als bei den Reptilien, Amphibien und Fischen durch
absteigende Systeme aus den Gleichgewichtszentren der Oblongata, aus dem
Kleinhirn und dem optischen Gebiete beherrscht, was bei der besondern
Bewegungsart dieser Tiere nicht befremdend ist.
Absteigende Bahnen aus dem Vorderhirn sind hier aber noch nicht
nachgewiesen.
rriofiRKSsivK KNT^vK Ki.TTxr; dks kücucknmarkks. 239
Säuger.
Das Ilückcnviark ehr Säuger untersclieidet sich von demjenigen der
Reptilien und Vclgel zunächst dadurch, daß es fast bei keinem einzigen
Vertreter den Vertehralknnal der Länge nach ausfüllt, sodali meistens
eine große Inkongruenz zivischeii Rückenmark und Wirbelsäule besteht.
Diese Inkongruenz findet sich nicht nur im sakralen Abschnitt —
obschon sie dort am größten ist — sondern auch in den übrigen Abschnitten
des Markes, was daher kommt, daß die Wirbelsäule sich noch verlängert,
wenn das Rückenmark bereits seine definitive Länge erreicht hat.
Lifolgedessen liegt ein bestimmtes Rückenmarksegment immer h()her
als die entsprechenden Wirbel.
Daß dieses Verhalten kaudalwärts zunimmt, liegt teilweise an der
Entwicklung des Beckengürtels, teilweise daran, daß bei den meisten
Säugern der untere Abschnitt des Rückenmarkes verkümmert, weil die
Schwanzmuskulatur gänzlich oder fast gänzlich atrophiert ist, und außerdem
bei denjenigen Tieren, wo noch ein Schwanz vorhanden ist, dieser seinen
metameren Charakter verloren hat und nur Muskeln gewisser Schwanz-
segmente repräsentiert.
Beim Menschen liegt das untere Ende des Rückenmarkes (die untere
Grenze des Conus terminalis) auf dem Niveau des zweiten Lendenwirbels.
Indessen ist diese Inkongruenz bei manchen Wirbeltieren größer und
können sogar innerhalb einer selben Ordnung große Unterschiede vor-
kommen (Monotremeu).
Auch transversal besteht bisweilen eine große Inkongruenz zwischen Rücken-
mark und Wii'belsaule, wie beim Diigong und heim Wal, wo der Hohlraum des
Vertebralkanales den Rückenmarksquerschnitt (in der Zervikalregion) um das
zwölffaehe übertreften kann.
Von den zervikalen und lumbalen Anschwellungen fehlt letztere bei
einigen Tieren ohne hintere, Extremitäten: Dugong, Bartenwal. Bei Phocaena
und Delphinus, wo sie doch anwesend ist, ist sie der erheblichen Ent-
wicklung der Schwanzmuskulatur zuzuschreiben.
Bei allen andern Säugern sind beide Anschwellungen vorhanden.
Die Lumbo-sakrale Anschwellung kann die größte sein, wie beim
Känguruh, wo die Muskulatur der hintern Extremitäten und des Schwanzes
diejenige der vordem Extremitäten so sehr übertriftt.
Meistens ist aber die Zervikalansch wellung dicker, weil die aufsteigen-
den Bahnen sich oralwärts durch Akkumulation vermehren und die ab-
steigenden Bahnen oral ebenfalls umfangreicher sind, weil sie sich kaudal-
wärts auflösen. Der große Umfang der Zervikalanschwellung ist also haupt-
sächlich durch die weiße Substanz bedingt, diejenige der Lmnbalansch wel-
lung durch die graue.
Die Vorderwurzeln sind bei den meisten Säugern faserärmer, obschon
'etwas dicker als die Hinterwurzeln . Nur liei dem Zetazeen sind sie faser-
■240 ÜBERET.TI'K ÜBER DIE ORCANISATIOK TTNH
reicher, infolge einer starken Atrophie der Hautsensibilität, welche ihrerseits
wieder zusammenhängen düi'fte mit dem Mangel eines Haarkleides bei
diesen Tieren.
In den Vor der wurzeln kann man dicke und dünne Fasern unterscheiden.
Die dünnen Fasern sind .symiiathische Fasern, welche hier im Gegen-
satz zu den niedersten ^"ertebraten alle ventral austreten. Ihr Ursprung
liegt größstenteils in der Basis des Hinterhornes und in den intermediären
Zellen, welche namentlich in Thorakalmark als deutliclie Processus inter-
medio-la,terales hervorragen.
Die groben Fasern der quergestreiften Muskulatur entstehen alle unge-
kreuzt aus dem Vorderhorn, welches deutliche Zellgruppierungen aufweist,
indem die Stammesmuskulatur in den ventro-medianen, durcli das ganze
Rückenmark sich vorfindenden Zellen vertreten ist, und die Muskulatur
der Gliedmaßen in den latero-ventralen und latero-dorsalen Partien des'
Vorderhornes.
Für die Muskulatur der Gliedmaßen gilt dabei als Regel, daß die
dem Rumpfe naheliegenden Muskeln (also diejenigen der Hüfte und der
Schulter) von latero-ventralen, die von dem Rumpfe am meisten entfernten
(sog. stelopedialen) Muskeln (also diejenigen der Finger und der Zehen)
von latero-dorsalen Gruppen iinierviert werden.
Beim Menschen, dessen Finger eine große Freiheit und Feinheit von
Bewegungen zukommt, sind in Uebereinstimmung hiermit die lateralen
Partien des untern Zervikalmarkes ganz besonders entwickelt, sogar im
Vergleicli zu den anthropoiden Affen.
Nach welchen Gesetzen diese Gruppierungen sich bilden, ist bis jetzt
unbekannt. Wahrscheinlich spielen dabei Synergien, beruhend auf gemein-
samen, topographisch und funktionell verwandten Reizen (Neurobiotaxis)
die größte Rolle, wie es auch für die in dieser Hinsicht leichter zu deutenden
topographischen Unterschiede der Oblongatakerne nachgewiesen ist.
Die graue Substanz der Hinterhörner weist eine deutliche ^'erteilung
in drei Abschnitte auf: die Zona marginalis posterior, die Substantia gela-
tinosa Rolando ') und den Körper des Hinterhornes.
Die Zona margiualis unterscheidet sich nicht wesentlich von derjenigen
bei niederen Tieren.
Die Substantia gelatinosa Rolando erreicht aber bei den meisten Säugern
eine Entwicklung, wie sie sonst bei den Vertebraten nie vorkommt. Dies
scheint eine Folge der in \"erbindung mit der Behaarung vermehrten
Hautsensibilität zu sein. Dafür spricht auch die geringe Entwicklung dieser
Substanz bei den Zetazeen, wo das Haarkleid fehlt und die Hinterwurzeln
geringer entwickelt sind als bei den andern Säugern.
Sie liegt wie eine Kappe oder Rinde auf dem Kopf der Hinterhornes
>) Wohl zu unterscheiden von dei- Substantia gelatinosa centralis, die besser sub-
stantia gliosa centralis genannt wird.
I'UOGRKSSTKVK KNTWICK LUXG HKS UÜCKKNM AKKES. lil I
ausgebreitet uml kann i-'ich mit dei' Substanz der andern Seite verbinden
(Karnivoren, AiTen) oder (Ijumbo-Sakr§,lmark der Ungulaten) sieh sogar
in Windungen legen.
Ilire marklose, gelatinöse Beschafienheit entsteht durcli den Reichtum
an relativ kleinen, spindelförmigen Zellen, deren Demlriten sich fast aus-
schließlich innerhalb der Substantia Rolando selber ausdehnen.
Die Axonen dieser Zollen sind nicht lang und verlaufen in den un-
mittelbar angrenzen<len Grundsträjigen. Ihre Koilateralen enden, homo-
lateral, in derselben Substanz auf andern Niveaus, wodurch die mehr
örtliche Efiektuierung der zu dieser Substanz geführten Reize iiervortritt.
Im Hinter hornkörjjer sind verscliiedene Abschnitte zu unterscheiden.
Deutlich differenziert, beim Menschen, ist die Ci.AHKE'sche Säule oder
STiij.iXG'seher Kern, eine Ansammlung von großen, runden Zellen in dem
medialen Abschnitt des Hornes, welche nur im Dorsal- und obern Lum-
balmark vorkommt. Aus ihr entsteht ein Teil der spino-zerebellären Fasern.
Bei den meisten Tieren (auch im Zervikal- und Lumbaimark des Menschen)
sind die Ursprungszellen der spino-zerebellären Fasern nicht so markant,
und sind sie ohne weiteres nicht zu unterscheiden von den andern Zellen
des Hinterhornkörpers.
Die zentralen und lateralen Abschnitte des Hinterhornkörpers sind
weniger differenziert. In ihnen liegen die Ursprungszellen der gltjichseitigen
Grundbündel.
Hierzu gehört auch das (phylogenetisch sehr alte) absteigende endogene Bündel
der Hinterstranggrundbündel, beim Menschen als komii-kommisaurale.s Bündel oder
ventrales Hinterstrangfeld bekannt.
Ursprungszellen von Bogenfasern kommen sowohl in dem Hinterhorn-
körper als im Vorderhorn vor.
Die Art, wie die Hinterwurzeln sich in bezug auf diese Abschnitte
verteilen, ist so, daß das laterale feinfaserige Wurzelbündel sich bald in der
Zona marginalis und in der Substantia gelatinosa verästelt und also mehr
lokalen (wahrscheinlich vitalen) Reflexen dienen dürfte.
Das gröbere medialv Bündel sendet Kollateralen (ungekreuzt und ge-
kreuzt) zu den Zellen des Hinterliornkörpers und des Vordei'hornes (sen-
sitivo-niotorische Koilateralen) und steigt übrigens auf und ab.
Die sekundären Fasern der primitiven vitalen Sensibilität, welche aus
dem Hinterhorn hervorgehen, kreuzen bereits im Rückenmark selber.
Sie enden, sofern sie nicht auf das Rückenmark beschränkt bleiben,
teilweise in der Substantia reticularis des Bulbus, teilweise im Mittelhirn
und hintern Abschnitt des Zwischenhirues {Tr. spino-bulbaris et spino-
mesencephalis.
Verstärkt von gekreuzten Fasern aus dem spinalen V-kern, bringen
sie dort vitale Rückenmarksempfindungen in Korrelation mit vitalen, opt-
ischen und mit statischen Empfindungen [vitales Korrelationszentrum).
Kafm'eüs. 10
242 ÜBERBLICK ÜBER DIE ORGANISATION UND
Die spino-zerehellären Bahnen entstehen fast ganz ungekreuzt. Diejenige
aus den CLARKE'sehen Zellen dgs Thorakal- un<l olieren Lunibalmarkes,
sowie diejenige aus dem unteren Lunil)almark bilden die dorsale (Flech-
sie'sclie) spino-zerebelläre Bahn, die aus der Hals- und obern Extremi-
tätenregion des Markes bilden hauptsächlich die ventrale spino-zerebel-
läre (GowERsche) Bahn.
Beide enden in der Vermis cerebelli, wovon nur ein kleiner Abschnitt
davon freibleibt.
Als drittes aufsteigendes System des Rückenmarkes ist die Hel-
Vi^EG'sche Dreikantenbahn zu erwähnen, welche vielleielit in der Oliva
inferior endet.
Ihre aufsteigende Natur wird indessen bestritten, und es ist möglich,
daß die eigentlichen spino-olivären Fasern medial davon verlaufen, und dali
die Dreikantenbahn selber eine absteigende oliväre ^'erbindung ist.
, Die Hauptaxonen der Hinterwurzeln treten nicht in die Substanz
des Hinterhornes ein, sondern senden kurze Ausläufer kaudalwärts in
die Hinterstränge (ovales Feld, Kommabündel), während iiire Hauptaus-
läufer darin einen aufsteigenden Verlauf nehmen und frontalwärts stark
akkumulieren.
Je höher das Tier in der Mammalierreihe steht, desto erheblicher sind
diese Hinterstränge was mit der Vermehrung des stereognostischen Sinnes
zusammenhängt.
Es läßt sich nämlich (klinisch, Ijeim Menschen) nachweisen, daß die
aufsteigenden Hinterstrangfasern die räumlichen Empfindungen leiten, welche
aus zwei Faktoren aufgebaut sind, dem superfiziellen Diskriminationssinn,
(das Unterscheidungsvermögen zwischen einander nahe liegenden Reiz-
punkten) und dem tiefen Gelenk- und Muskelsinn, welcher dem Tier oder dem
Menschen erlaubt, sich über den Stand seiner Gliedmaßen zu orientieren.
Die fortgeschrittene Entwicklung dieser Sinne wird peripher von einer
Vermehrung der zusammengesetzten Tastkörperchen in der Haut (nament-
lich der Meissnerschen Körperchen) und in den Gelenken und Muskeln
resp. deren Bändern begleitet, zentral von einer Vermehrung der Hinter-
stränge, die sich außerdem viel weiter nach vorne au.sdehnen und dadurch
frontal akkumulieren.
Infolgede.ssen ist der Prozentsatz der Hinterstränge auf der gesamten
weißen Substanz im Zervikalmark der Katze 22 %, beim Affen 26 % und
beim Menschen 39 %.
In Übereinstimmung mit dieser stärkeren Entwicklung der Hinter-
strangfasern ist die Vergrößerung der Hinterstrangkerne.
Man kann deren zwei unterscheiden: den medialen GoLL'schen Kern
(Nucleus gracilis) der Lumbalfasern und untern Thorakalfasern und den
lateralen BuRDAcn'sehen Kern (Nucleus cuneatus) der obern Thorakal- und
der Zervikalfasern.
Weshalb das Endigungsgebiet jener Faseru gevado in zwei ver.si'hiedene
l'i;(liii;ESSIEVE KNTWK'KI.UNO DES KÜCKENM AKKES. 243
Kerne getreunt ist, und weshalb die Trenn iing der ürspriingsgebiete ihrer Faser-
systeme im unteren Dorsalmark liegt, ist vorläufig unbekannt. Da die Trennung
bei den Tieren nicht so scharf ist als beim Mensehen wäre es denkbar, daß die
starke Emanzipation der oberen und unteren Extremitäten darauf einen Einfluß hat.
Der Entwicklungsgrad beider Kerne kann sehr verschieden sein; na-
mentlich der mediale Kern weist sehr große Unterschiede in der Entwick-
lung auf. Bei den Zetazeen ist er sehr klein, auch weil die hintern Extre-
mitäten fehlen. Bei einigen Tieren reicht er bogenförmig dorso-Iateral über
den BuRDACHkern hinaus (Edentaten, Schimpanse).
Beide Kerne, namentlich aber der GoLL'sche, können bei starker Ver-
größerung eine Lamellierung aufweisen, wie bei den Roll- und Oreif-
sehwanzall'on, infolge ilirer exquisit rezeptorischen Charakters.
In der Medianlinie zwischen den GoLL'schen Kernen kann ein
unpaarer sog. BiscHorrkern vorkommen, namentlich bei vielen (nicht
allen) geschwänzten Tieren, abei auch wohl einmal bei solchen, deren
Schwanz nicht stark entwickelt ist.
Die aus diesen Kernen hervorgehende mediale Schleife endet haupt-
sächlich in den ventralen Thalamuskernen, teilweise auch in den medialen,
welche ihre Sensibilität dem Vorderhirnmantel übermitteln, der dadurch
ein Zentnern gnostischer (epi-kritischer) GefiiMsreize wird.
Die absteigenden Systeme, welche das Rückenmark von frontaleren Ab-
schnitten aus beeinflussen, sind bei den Säugern viel zahlreicher als bei
den niedern Tieren.
Außerhalb der vestibulo-spinalen Fasern zu dem zentralen Längsbündel
und zum Vorder- und Seitenstrang sind hier im Halsmark und Thorakal-
mark sekiuidäre Neuronen aus den Atmiungszentren der Oblongata und der
ihr nahe liegenden retikulären Substanz nachgewiesen.
Zerebello-spinale und teclo-spinale Fasern erreichen außerdem das obere
Halsmark.
Die rnbro-spinale .Hahn, im medialen Abschnitt der Seitenstränge, ist
bei manchen Säugern sehr groß und steigt weit kaudalwärts ab.
Während wir in diesen absteigenden Systemen alte Bekannte sehen
dürfen, die hier teilweise bloß vergrößert sind, ist die direkte Beeinflussung
des Rückenmarkes durch den V^orderhirnmantel mittels der kortiko-spinalen
Bahnen: der sog. Pyramiden-Seitenstrang und Pyramiden-Vorderstrang ein
Neugewinn der Säuger.
Die sog. Seitenstrangpyramide kreuzt an der Übergangsstelle zwischen
Oblongata und Rückenmark. Ihr ursprünglicher Verlauf im Rückenmark
ist im Hinterstrang, was beweist, daß ihr Auswachsen durch sensible, d. h.
assoziative (neurobiotaktisehe) Verhältnisse bedingt wird. Eine überwiegende
Hinterstranglage ist noch bei Monotremen, Marsupialiern. Ungulaten vor-
handen und namentlich bei Rodentiern sehr ausgeprägt.
Erst bei Karnivoren und Primaten flndet man eine exquisite Seiten-
stranglage als sekundären Zustand.
244 ÜBTCRBLirK ÜBER HAS RÜCKENMARK.
Doch enden die Fasern auch dort noch teilweise um die Zellen an
der Basis des Hinterhornes und medianen Zellen.
Bei den niedersten Tiei-en, auch noch bei den üngulaten, steigt das
Bündel nur bis zum Zervikahnark ab.
Bei Rodentiern reicht es aber schon bis ins Lumbaimark, ebenso bei
den Karnivoren und Primaten.
Der Pyraviiden-Vorderstrang, viel kleiner als der Pyramideii Seiten-
strang, wurde bei einem Rodentier bis ins obere Lumbaimark verfolgt.
Bei höheren Tieren ist er ebenfalls bis ins obere Lumbalraark nachweisbar.
Seine Fasern kreuzen auf verschiedenen Ebenen in der Commissura
anterior des Rückenmarks und innervieren wahrscheinlich die Stammes-
muskulaturzentren.
Gerade wie die progressive Vermehrung der \'orderbirnprojektion
mittels der Schleife, ist auch die progressive Vei'großerung der P}'rami-
denbahnen bei den höhern Säugern evident. Beim Hund bilden sie etwa
10%, beim Affen 20°/^, beim- Menschen etwa 50°/^ der gesamten weißen
Substanz.
Dies beweist den stets größer werdenden Einfluß des Vorderhirn-
mantels auf die Bewegungen und ist als eine Folge der sich stets vermeh-
renden sensiblen Projektion der Rückenmarkszentren auf die Rinde zu
betrachten.
Die Selbständigkeit der Rückenmarksfunktionen hat dadurch, nament-
lich beim Menschen, sehr eingebüßt, wie auch daraus hervorgeht, daß
Läsionen der motorischen Rindenregion bei niedern Säugern keine oder nur
kurzdauernde und geringe Motilitätsstörungen mit sich führen, während
.sie einen Menschen längere Zeit hilflos machen können.
LITTERATUK ZUM ZWEITKX KAI'ZTEL. 245
LITTERATUR ZUM ZWEITEN KAPITEL.
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DRITTES KAPITEL.
DIE MEDULLA OBLONGATA.
Allgemeines über ihre Form und Einteilung.
Unter MeduUa oblongata versteht man bei den Kranioten denjenigen
Abschnitt des Zentrahiervensj'stems, der von der Stelle, wo der Zentral-
kanal des Rückenmarks sich zu erweitern anfängt {Calamus smptorius),
bis zum Mittelhirn reicht.
Der obere Abschnitt des i^rimitiven Zentralkanals, der im Rückenmark
obliteriert, bleibt hier offen, und dessen Seitenwände werden sogar weit ausein-
ander gezogen, sodaß oberhalb der direkten Fortsetzung des sekundären
Zentralkanals (bloß von der Fi.ssura medialis i) Oblongatae repräsentiert)
ein Hohlraum entsteht {Ventriculus quartus), der vorn von dem Zerebellum,
hinten bloß von einem Plexus chorioideus überdacht wird.
Dieser Plexus chorioideus (Fig. 30) ist meistens sehr groß und weist
hinter dem Kleinhirn bilaterale Aussackungen auf: die Recessus laterales.
Diese Aussackungen, welche manchmal eine große Ausdehnung erreichen,
können kleine Löcher aufweisen : die Foramina von Luschka oder Aperturae
laterales. Eine ähnliche Kommunikationsstelle zwischen Ventrikel und
Arachnoidal-Raum -) findet sich direkt frontal vom Galamus scrijitorius und
wird als Foramen von Magbndi oder Apertura inferior bezeichnet. Sie ist
(beim Menschen) manchmal so groß, daß ein Bleistift hindurch gesteckt
werden kann. Beim Pferde kommen nur die Foramina lateralia vor, welche
dort größer sind als beim Menschen. Für andere Tiere liegen keine
genügenden Angaben vor (Retzius).
Mittels dieser Oeffnungen kommuniziert der Liquor cere])ro-spinalis inter-
nus direkt mit dem Inhalt des Arachnoidalraumes und zwar mit der sog.
Cisterna magna posterior cerebelli.
') Vor dem Calamus kann darin eine Vertiefung vorkommen: dei' Ventriculus Arrnilii,
der sehr inkonstant ist und keine besondere Bedeutung hat.
*) Auch die Pia fehlt dort, indem sie endet in den fibrösen Ring, der das Loch
umgibt.
DIE MEDULLA OBLONG ATA. FoRM UNO EINTEILUNG
267
Die Seitenwände der Oblongata, welche kaudal nur weni»; auseinander
weichen, erreichen die grüßte Distanz etwa auf dem Niveau des Trigeniinus,
des Octavus und Facialis (wo bei Fischen auch der Lateralis ant eintritt:
Fig. 119). Sie fügen sich frontal wieder zusammen, wodurch beim Übergang
zum Mittelhirn eine schmälere Stelle, der Isthmus entsteht, wo der Ventri-
culus quartus sich zu dem Aquaeductus Sylvü einengt. Hierdurch weist die
Oblongata eine Rautenform auf, und
dieser rautenförmigen Gestalt wegen wird
ihr Ventrikel auch wohl Venlriculus
rhomboidalis genannt und die Oblonga-
ta selber: Rhomhencephalon.
Auf die Entwicklungsgründe des
vierten Ventrikels und dessen Form,
welche durch die überwiegende Ent-
wicklung bestimmter Hinterwurzeln ent-
steht, werde ich bei Amphioxus zurück-
kommen.
Der hintere Abschnitt des Rauten-
hirns, dessen Spitze sich dem Rücken-
mark (M3'elon) anschließt, wird auch
Nachhirn ') (Myelencephalon) genannt.
Der vordere Abschnitt, aus des-
sen dorsalen Wänden das Kleinhirn
hervorgeht, während an seiner Basis
sich die Brücke bildet, wird dann als
Hinterhirn ~) (Metencephalou) bezeichnet.
Diese Einteilung ist bei Säugern leicht
zu machen, umsomehr, weil zwischen
diesen Abschnitten während der embryo-
nalen Entwicklung eine Knickung, die
Briickenbeuge, vorkommt.
Bei niederen Tiere wird sie mehr
oder weniger künstlich, weil eine
Brücke dort nicht vorkommt, die Lage
der sog. Brückenbeuge in den Em-
bryonen der niederen Vertebraten
nicht genau dieselbe ist, und das
Zerebellum verschieden groß sein kann, ja bisweilen fehlt.
Dazu kommt noch, daß die Oblongata in ihrer Gesamtheit eine wichtige
Empfangs- und Ursprungsstolle von einander mehr oder weniger verwandten
<- « /" :/<^2.
\
I
Fig. 119. Dorsalan-sicht dei' Oblong.ita
von Petiömyzon marinus. De Tela
Chorioidea ist entfernt. De IX und
X wurzeln sind nicht eingezeirlinet.
') Dieser Abschnitt geht aus dem 7. und darauf folgenden Oblongataneurnnieren
liervor.
M Dieser Abs(diiiitt geht aus dem G Neuroraer hervor.
268
DIE MKDULLA OELONGATA. FORM UND EINTEILUNG.
Hirnnerven ist, wovon einige ihre Wurzelfasern sowohl in dem als
„Nachhirn" wie in dem als „Hinterhirn" bezeichneten Teil der Oblongata
schicken (der Trigeminus und der Octavus). Diese Einteilung ist denn
auch für die Beschreibung dieses Hirnabschnittes bei erwachsenen Tieren,
als weniger geeignet außer, Gebrauch gekommen.
Sehr ausgeprägt dagegen und funktionell wichtig ist die Verteilung
der ganzen Oblongata in dorsale und ventrale Areale.
Namentlich die amerikanische Schule hat darauf hingewiesen.
Ebenso wie man in dem Rückenmark im allgemeinen in der dorsalen
Flügelplatte ein sensibles Areal findet und in der ventralen Bodenplatte
ein primär motorisches Areal, wird dieselbe Einteilung auch in der Oblon-
gata wiedergefunden (His).
Während aber die Scheidungslinie zwischen diesen Platten, >S'. limilans,
im ausgewachsenen Rückenmark verloren geht, bleilit sie in der Oblongata
N lat. post.
R. IS sens.
- - B. IX niot.
- ■ R. V desc.
Fig 120. Schematisierter Qiiersclinilt iliiich ileii liinteien Teil Her
Oblongata von Scyllium canicula. Der soniato-sensible Absclinitt
der Plügelplatte ist senkrecht, der viszero-sensible Ab-
schnitt liorizontal schraffiert. Die üninrlplatte
ist nicht schattiert.
bestehen und ist diese Grenze zwischen der sensiblen Flügeliüatte und der
motorischen Bodenplatte (His) meistens deutlich .^^ichtbar, was damit zusam-
menhängt, daß dieser Abschnitt des Gehirns niclit so komprimiert wird,
wie es beim Rückenmark der Fall ist.
Die Furche ist namentlich bei niedern Tieren sehr ausgeprägt (Fig. 120).
Überall ist das Areal dorsal von dieser Furche ein sensibles und Karre-
IHK MKI ULLA OP.I.nNi; ATA. IlIKK Wl'KZKLN. 269
latioii.'^anal, walii'eml das cciitnil chivou liogcudc (Jehiet lKUH)tsäclilicli pri-
märe oder sckiriuliirc effeklormlic Zciiircn enthält.
Tu dem dor.saleii Areal kann man wieder einen somato-sensiblen Abschiiiü
(senkrecht schraffiert in Fig. 120) als Endigungsgebiet von Haut- und damit
verwandten Fasern (VIII und Lat.) trennen von einem viszero-scnsiblcn Gebiet
(horizontal schraffiert) für Schleimhautfasern (Gaskioll, .Johnston, Herkick).
An manchen Stellen der Flügelplattc iil)erwiegt die primär sensible, an
andern die korrelativ-sensible Funktion. Ersteres gilt namentlich für den
hinteren Abschnitt der Oblongata, letzteres für den vorderen Abschnitt, wo
sich bei den meisten Tieren ein großes Korrelationszentrnra, das Zerel)el-
Inm, entwickelt.
In der Bodenplatte treten die primär motorischen Funktionen meistens
auf den Hintergrund im Vergleich zu den koordinatorischen Funktionen,
was namentlich frontal vom Trigeminus der Fall ist.
Ich werde später darauf zurückkommen und auch Gelegenheit liaben,
auf den Wert dieser Einteilung für unsere Deutung des Zwischenhirnes
und des A^orderhirnes hinzuweisen (vergl. Kap. VIII).
Zuerst werde ich die Oblongata, wo diese Einteilung leicht durch-
führbar ist, behandeln und werde mit deren rezeptorischen Komponenten
anfangen.
Das sensible System der Oblongata. Die Branchialnerven.
In dem verlängerten Mark der Kranioten findet man, ebenso wie in
dem Rückenmark, Vorderwurzeln und Hinterwurzeln. Während aber die
Vorderwurzeln hier sehr reduziert sind, sind die Hinterwurzeln der Oblongata
außerordentlich, stark entwickelt.
Diese Hypertrophie der Hinterwurzeln, die auch zu der seitlichen Aus-
buchtung ihres sensiblen Areales und so zu der Bildung des vierten Ven-
trikels beiträgt (Inüvak) ist von zweierlei Art. Einerseits finden wir hier eine
besondere Au.sbildung von somato-sensiblen Fasern, was mit der Entwick-
lung der Kopfsensibilität (V) und des Octavo-Lateralis-Systems zusammen-
hängt. Anderseits sind die viszeralen Komponenten der Hinterwurzeln hier stark
vermehrt, und in manchen Nerven erhalten dieselben eine üljerwiegende
Entwicklung, weil dieser Abschnitt des Zentralnervensystems den Kiemcn-
bogenajyparat und dessen Derivate innerviert.
Die Nerven dieses Apparates, die Branchialnerven Sensu strictiori, kenn-
zeichnen sich sowohl durch eine starke Vermehrung der viszeromotorisclicti
als der viszerosensiblen Komponeiiten, die, mit somato-sensiblen (=Haut)Fasern
vereint, zusammen eintreten, wie es bei niedern Tieren auch in den Hin-
terwurzeln des Rückenmarks der Fall ist.
Alles spricht dafür, daß man die Braurlikdnerren nur als besondere Aus-
bildungen der aus drei Komponenten aufgebauten, primitiven Hinterwurzeln
von Amphioxus betrachten mufi.
270
DIE MEDULLA OBLONGATA. IhRE WuRZELN.
llir A'erhalten bleibt aut-h dadurcli mehr primitiv, weil die Branchial-
wurzeln sich nicht mit den VorderM'nrzeln der Oblongata vereinen.
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Die 3Iuskeln der Kiemenbogennerven werden denn auch niclit, wie
diejenigen der ventralen Rückenmarkswm'zeln, als (Soraiten oder) Myotonie
angelegt, sondern als sog. „Seitenplatten", die keine somiten-iihnliche Ein-
IHK MEDiUJ.A (IIU.ONCATA. IllUIC WUUZKLN. 271
tt'iluii.i;' aiil'wui.scu (v.w ^\'VIII':). Ks ist ciiio liy |ifrlri)|iliiselie Hiiitcrwur-
zelmuskulatur.
Durcli (licso Eigi'iurunlii-likeit nahcni sie sich dfu urspriinglicli i'liuiiriills von
motorisfheu Komponenten der Hiuterwurzeln iniicrviorten Muskeln der Eingeweide,
von denen sie sieh nur dadurch unterscheiden, daß sie eine Querstreifung aufweisen,
die allerdings ausnahmsweise auch Muskeln der Eingeweide zukommt (Herzmuskel).
Aus den Branchialnerven entwickeln sich denn auch die Fasern für die sympa-
thischen (ianglieu der Oblongata (K I — V, Fig. 121; vergl. hierzu auch Fig. 100).
Die soisibkii Aste der eigentlichen Kiemennerven (X, XI, VII) weisen
nur einen qUcantitativen Unter.schied mit den Hinterwurzeln der Rücken-
marksnerven aiit'. wniiiit sie auch sonst durcli diMi Besitz von extramedul-
lären Ganglien, liier als Kranialganglien bezeichnet, übereinstinmien.
Diese Kopfganglien, welche bei den meisten Tieren monopolare Zellen
enthalten, sind sehr groß und oft gegenseitig verbunden. Während aber in
den Rückenmarkshinterwurzeln die zahlreichen Rezeptoren der äußeren
Haut nur mit spärlichen Rezeptoren der Eingeweide vereinigt sind, bilden
die sensiblen Fasern der Innern (Schleimhaut-) Oberfläche der Branchial-
gegend den größten Teil der rezeptorischen Fasern der Branchialnerven,
entsprechend der ^'ei-gr/ißerung. welche die Schleimliaut in der vordem
Branchialgegend erfährt.
Die Fasern für die äußere Haut, welche darin liei niedern Wirbel-
tieren deutlich nachweisbar bleiben,, erfahren in der Phylogenese eine
Atrophie. Nur in einem der Branchialnerven, dem Trigeminus, überwiegen
die Hautfasern, ja sie bilden, wenn man von spärlichen sympathischen
viszerosensil)len Fasern absieht, den einzigen Bestandteil der Rezeptoren,
weil auch die sclcnndäre Mundhalde, die Region vor der Bucco-pharj'ngeal-
Membran (etwa unserm Giaumenbogen entsprechend) als ein Derivat der
äußern Haut anzusehen ist.
In den Facialis, Glossopharyngcus und l^agiis dagegen sind bereits bei
den Zyklostomen die Fasern für die äußere Haut sehr spärlich geworden
und in dem Facialis und Glossopharyngcus mancher Tiere sogar ganz
verschwunden (die schwarzen Fasern dieser Nerven in Fig. 121 gehen
zu den Lateralorganen).
Dieser in der Reihe der Wirbeltiere stets größer werdende Verlust
der taktilen Hautrezeptoren jener Nerven ist mit einer weitern Ausdehnung
der somatischen Trigeminusfasern verbunden, welcher Nerv dadurch
das Gepräge einer hinteren Rückenmarkswurzel am meisten bewahrt
und vikariierend eintrit für die Hautäste der anderen Branchialnerven.
Amphioxus.
Betrachten wii- von diesen Gesichtspunkten aus ilen vordci'cn 'i'eil
des Markes von Amiihioxm, dann kann es uns nicht wundern, dort in
der Anordnung der Hinterwurzeln in dem der Oblongata entsprcclienden
272 Das Verhalten bei ÄMriiioxus.
Abschnitt \'erluiltnisse zu finden, welche noch viel mehr denjenigen der
dorsalen Rückenuiarksvvurzeln ähnlich bleiben, weil ein wirklicher Kiemen-
bogenapparat und ein Vestibularorgan hier fehlt.
Gerade dadurch ist es aber nicht leicht, ja ganz unmöglich, die
Nerven nach ihrem Bau und ihrer Funktion zu trennen und wird die
Numerierung der Nerven dieses Tieres vom Kopf bis zum Schwanz in
einer Reihe vorgenommen, ohne daß man von Oblongata und Rücken-
marksnerven spricht.
In dieser Numerierung wird der unpaare Riechnerv nicht mitgezählt
und wird der Nerv, der ventral vor dem Infundibulum eintritt (siehe
Fig. 42) als I. Nerv bezeichnet.
Wie wir später sehen werden, müssen wir diesen Nerven, der bei
Amphioxus überwiegend somatosensibel i) ist, mit vax Wyhe als Nervus
terminalis betrachten.
Er ist jedoch den somatosensensiblen Fasern, welche hinter dem In-
tundibulum dorsal eintreten, völlig analog, und sein ventraler Eintritt ist
einfach dem Umstände zu danken, dasz die sensible Flügelplatte des
Nervensystems frontal die Basis des Gehirns erreicht (Kap. VIII, Fig. 408).
Der darauf folgende Nerv II der Autoren tritt dorsal und hinter dem
Infundibulum ein. Er ist ebenfalls rein sensibel, versieht wie der vorige
die Haut des Rostrums und eines Teiles der sog. „dorsalen Flosse" und
ist meistens ungleich in seiner Entwicklung auf der linken und rechten
Seite, entsprechend der Asymmetrie dieses Tieres.
Dieser Wurzel entspricht auch keine ventrale Wurzel und auch führt
sie keine viszerosensiblen und viszero-motorischen Fasern. Sie tritt vor dem
zweiten Myolom in das Gehirn und i.st auf Grund davon als das Homo-
logon des frontalsten Dorsalnerven der Kranioten : des R. oplithalmicus
profundus Trigemini ~), der ebenfalls vor dem zweiten Myotom eintritt
(van Wyhe), zu betracliten.
Der hinter dem Nerv II der Autoren und hinter dem zweiten Myotom
austretende Nervus III (dem bereits "ine ventrale motorische Wurzel ent-
spricht) wäre dann das Homologon des Radix maxillo-n:iandibularis Trige-
mini. Er führt neben Haut- auch viszerale ^) Fasern.
Die kaudal von ihm eintretenden Hinterwnrzeln von Amphioxus sind
in Prinzip ähnlich, und es ist warscheinlich, daß wir in jenen Wurzeln
') N;icli KöTCHiN ist er rein somatosensibel nach Langerhans und van Wyhe fiihrt
er periphere Ganglien viszeraler Natur.
- ) Der Nervus ophthalmicus profundus und der N. terminnUs sind die einzigen frontal vom
dem zweiten Myotom abgehenden Nerven. Der bei Ammocoetes von Tretjakoff, bei
den Vögeln von Platt beschriebene N. thalamicus (dort auch von Mesdag gesehen)
is nirgends konstant und war-scheinlich ein Rest des Ophthalmicuis profundus, der die
kaudale Verschiebung nicht mit machte, welche dieser Nerv bei allen Kranioten in dei'
Ontogenese erfähi-t, in dem er sich dem N. maxillo-mandibularis Trigemini anschließt.
^) Nur viszero-sensible, keine viszero-motorische, weil die Kiefermuskulatur fehlt.
DAS VERHALTEN BEI AMPHIOXUS. 273
der sog. Buccal- und der (Peri-) Brimchialregion dieses Tieres (etwa 86) die
Urzustände der bei den Kranioten hinter dem Trigeminus liegenden Bran-
chialnerven Sensu str. zu sehen haben, umsomehr, als sie bereits bei
Amphioxus einen starken viszeromotorischen Zweig nach der quergestreif-
ten peribranchialen Ätraungsmuskulatur dieses Tieres (Min. transversi)
abgeben.
Die Bedeutung jener (etwa 36) hinter dem N. III eintretenden Hin-
terwurzeln für den Atmungsmechanismus und die infolge dessen erhebliche
Entwicklung ihrer viszerosensiblen und viszeromotorischen Komponenten
zeigt uns den Weg, welchen diese zukünftige Oblongatawurzeln bei der
Ausbildung des mächtigen Kiemenapparates der Kranioten nehmen, wo
deren weitere Ausbildung außerdem durch die Entwicklung der Sinnes-
organe des Vestibularis und Lateralis kompliziert wird.
Bei Amphio.Kus .sind aber noch keine besonderen Kopfsinnesorgane des
Vestibularis und Lateralis entwickelt, welche zu einer Spezialisierung und
Hypertrophie der Hautäste Anlasz geben können, und auch fehlt dort
die Hj'pertrophie der Schleimhautfasern, welche erst mit der Entstehung
des eigentlichen Kiemenbogenapparates auftritt.
In Übereinstimmung mit der Tatsache, daß die Hinterwurzeln in
dieser Region noch nicht die Hypertrophie aufweisen, welche sie bei den
Kranioten kennzeichnet, ist auch die seitliche Äushuclihmg des sensiblen
Oblong ata- Areales, luelehe die Bildung des Ventrierdus rhomboidalis der Kra-
nioten veranlaßt CIngvar^ bei Ampkioxus noch nicht oder kaum eingetreten,
und ist die entsprechende Region bis zu dem dritten Dorsalnerven (N.
IV. Aut.) ein geschlossenes Rohr.
Auch bei Myxinoiden liegt der Calamus noch sehr frontal, etwa auf dem
Niveau des N. Facialis (Eöthig, Black). ,
Bei Amphioxus ist die Übereinstimmung der sog. peribranchialen Nerven
mit den kaudaleren Dorsalnerven außerdem sehr groß infolge ihrer starken
Hautkomponenten und der Konstanz von mit ihr korrespondierenden (aber
nicht mit ihr verbundenen) Ventralwurzeln.
Diese Übereinstimmung macht es schwer, einen erheblichen Unter-
schied zwischen den frontalen und den kaudalen Hinterwurzeln des Markes
zu ziehen, sodaß ich die vordem gemischten dorsalen Wurzeln am liebsten
als Branchio-spinale Nerven l)ezeichnen möchte.
Bei den Kranioten findet eine Reduktion des hintern Abschnittes
der (Peri-)Branchialgegend statt, deren Elemente sich der Darmwandung
zugesellen dürften. Infolge dessen gehen die hintern branchiospinalen Nerven
verloren, oder es bleiben von ihren viszeralen Komponenten nur wenige
Fasern übrig, denen eine Bedeutung für die Eingeweide zukommt, und
welche durch die mehr und mehr von der Außenwelt abgeschlossene
Funktion des vordem Darmabschnittes zu sympathischen Systemen mit
sehr verkümmerten sensiblen Komponenten werden.
Kappers. 'IS
274 DAS VERHALTEN BEI AMPHIOXUS.
Der vordere Abschnitt der Branchialgegend erfährt jedoch bei den
Kranioten eine Hypertrophie seiner viszeralen Bestandteile, infolge-
dessen die hinter den beiden Trigeminuswurzeln (N. II nnd III von
Amphioxus) austretenden Dorsalwurzeln durch Zunahme der Schleirahaut-
fasern und durch die Entwicklung der Branchialmuskelnerven sich
weiter ausbilden und zu der Entstehung des Facialis, Glossopharj'ugeus
und Vagus führen.
Wieviele Dorsalwurzeln von Amphioxus in der Bildung dieser Nerven
aufgehen, ist nicht zu sagen ') und ist sicherlich für die verschiedenen
Kranioten nicht gleich.
Was den hintersten dieser Nerven, den Vagus, anbelangt, ist zu
betonen, daß die stets fortschreitende Atrophie kaudaler Branchialbogen
(deren man bei den Myxinoiden noch 13, bei Petromyzon 8, bei Heptan-
chus 7, Hexanchus 6 und den andern Plagiostomen 5 zählt) mit einer
stets weiter schreitenden Reduktion seiner Wurzeln zusammengeht, welche
aber ihre Verwandtschaft mit den Dorsalwurzeln des Rückenmarkes auch
noch dadurch zeigen, daß die kaudalsten Bündelchen derselben manchmal
einen Austritt aufweisen, der in der direkten Verlängerung der Austritts-
linie der hinteren Rückenmarkswurzeln liegt.
Die sensiblen Wurzeln des Vagus, Glossopharyngeus und Facialis.
Der Geschmack.
Finden wir in dem Trigeminus (N. II und III) bei Amphioxus und na-
mentlich bei den Kranioten die ausgesprochene Tendenz eine überwiegend
somatosensible Rolle zu spielen für die Tastempfindungen des Kopfes
(S. 317), so haben der Vagus, der Glossopharyngeus und der Facialis der
Kranioten dagegen außer der viszeralen Semibilität und ihrer bei den höhern
Wirbeltieren stets kleiner werdenden Somatosensibilität nocli eine Funk-
tion zu erfüllen, welche nur diesen Branchialnerven zukommt: die Per-
zeption des Geschmacks.
Dadurch entsteht nun auch ein qualitativer Unterschied zwischen den
hintern Branchialnerven (dem Vagus, Glossopharyngeus und Facialis)
einerseits und dem Trigeminus andererseits, welches mich veranlaßt, die
ersten drei Nerven zusammen zu behandeln, um dann am Schluß dieses
Kapitels den Trigeminus zu besprechen, der auch in andern Hinsichten
eine Sonderstellung unter den Branchialnerven einnimmt.
Da der Besitz von Geschmacksknospen diesen drei Nerven eine beson-
dere Bedeutung gibt, werde ich mit einer kurzen Skizze jener Knospen
und ihrer Verbreitung bei den verschiedenen Wirbeltieren anfangen.
') Die Tatsache, daß die Vorderspitze der Leberanlage, welche bei den Kranioten
gleich hinter die Kopfregion fallt, hier etwa mit dem neunten Nerven korrespondiert,
gibt uns vielleicht einen Anhaltspunkt, (van Wyhe).
DER aESCHMACK.
275
Geschmacksporus.
Geschmaclsatifte.
,<3>
^%
^:
Perigenim.
F.isern.
Die Gesehmacksknospen oder -Becher, (Fig. 122) siiul mit einer geschlos-
senen Blumenknospe 7,11 vergleichen, weil sie in der Mitte breit sind und
sich nach oben und unten zuspitzen.
Drei Zellarten nehmen an ihrem Aufbau teil: Sinneszellen, Stütz- oder
Deckzellen und Basalzellen. Die Basalzellen umgeben den Becher nur an
der untern Seite. Die eigentliche Geschmacksknospe besteht aus den
Geschmackszellen und den Sintzzellen. Beide sind ungefähr gleich lang und
dehnen sich durch die ganze Tiefe des Bechers aus. Die erstgenannten
sind oft schmäler
als die letzteren und
weisen nur an der
Stelle, wo der Kern
liegt, eine \'erdik-
kung auf.
Jede Geschmacks-
zelle trägt einen
Stift, sodaß der
Eingang zum Ge-
sell macksbecher —
der Geschmackspo-
rus — mit einem
Stiftchensaum um-
geben ist.
Die Geschmacks-
zellen sind reine
Sinneszellen, keine
Sinnesnervenzellen ,
denn sie entbehren
eines eferenten Ausläufers. Die von ihnen perzipierten Reize werden weiter-
geführt durch Ausläufer sensibler Nefven. Diese Nerven dringen in die
Geschmacksknospe ein (intrageriimale Fasern) und enden um die Neuro-
epithelzellen, teilweise wachsen sie in die Zellen ein (Boekk).
Andere, perigemmale Fasern umgeben den Becher.
Dieses Aufbauprinzip ist bei allen Wirbeltieren (außer bei Amphioxus,
dem Geschmacksknospen fehlen) zu finden, obwohl die äußere Form,
namentlich die Breite des Bechers, sehr verschieden ist. So findet man
bei den Vögeln z.B. ganz schmale Becher, bei den Amjihibien und Säugern
breitere. Auch ist der Umfang des äußern Geschmacksporus sehr ver-
schieden.
Von größerer Wichtigkeit ist die verschiedene Verbreitung der Becher
bei den verschiedenen Wirbeltieren.
Ursprünglich entodermaler Herkunft (Johnston) können die Becher
sich sehr weit verbreiten und große ektodermale Gebiete besetzen.
Bei der Larve des Neunauges finden sie sich nur in dem Phai-ynx und
Fig. 122.
Intragemm. Fasern.
Geschmacksbecher in der Zunge des Igels;
n. BoEKE.
276 DER GESCHMACK.
in den Kiemenhöhlen, bei dem ausgewachsenen Tiere jedoch auch auf der
äußeren Haut. Bei den Plagiostomen bleiben sie auf den Pharynx und die
Mundhöhle beschränkt, soweit bis jetzt bekannt ist, aber bei den Ganoiden
und Teleostiern dehnen sie sich oft über den Kopf und (liei vielen Teleos-
stiern) auch auf den Körper aus, wodurch die Zahl der Becher, namentlich
bei Bodenfischen (wie Siluroiden), eine sehr große wird und viele Zehn-
tausende betragen kann (Heriiick u. A.).
Diese Geschmacksknospen der äußeren Kopf- und Körperhaut werden
immer von einem Facialisast (Nervus recurrens facialis) innerviert (Fig. 126).
Oberhalb der Fische hört aber die Verbreitung der Geschmacksknospen
auf der äußeren Haut auf.
Bei den Amphibien, besonders bei den geschwänzten, ist ihre Zahl in
der Mundhöhle und Pharynx noch sehr groß. Dort entwickelt sich zuerst
eine muskulöse Zunge, welche hier, aber hauptsächlich bei den höhern Tieren,
eine bedeutende Rolle als Explorationsorgan des Geschmacks spielt.
Eine Reduktion des Geschmacks, welche mit dem Landleben eintritt,
wird bei Reptilien gesehen.
So ist die Zunge der Schlangen nicht in erster Linie ein Geschmacks-
organ, sondern vielmehr ein Tastorgan. Doch kommen an ihrem Hinter-
rande, wie auch am Gaumen zahlreiche Geschmacksbecher vor.
Die Zunge des Alligators soll nur spärlich mit Geschmacksknospen
versehen sein (B.iTH) und auch bei diesen Tieren sollen sich die Geschmacks-
knospen hauptsächlich bei dem Pharynx und an den Choanen befinden.
Bei den Schildkröten fand Tuckerman aber eine ziemlich große Zahl
Geschmacksknospen auf der Zunge, sowohl an deren vorderer als deren
hinterer Hälfte und ähnliches erwähnen Merkel und Leydig über die
Saurier.
Die größte Atrophie des Geschmacks findet bei den Vögeln statt. Die
teilweise verhornte Zunge dieser Tiere ist sehr spärlich mit Geschmacks-
knospen versehen, welche dort nur noch an der Zungenwurzel vorkommen.
Etwas mehr finden sich auf dem Palatum in der Nähe der Choanen, an
dem Pharynx und der hintern Seite der Epiglottis. Bei einigen Vögeln
finden sich auch noch welche an dem Unterkieferrand.
Alles zusammengenommen ist jedoch die Zahl der Geschmacksknospen
sehr gering und variiert von 40 bis 60. Nur bei den Papageien können
bis 400 vorhanden sein (Bath).
Die eigentliche Entwicklung des Geschmacks als spezielles Sinnesorgan
der Zunge kommt erst bei den Säugern, vor. Obschon bei den meisten
Säugetieren das Palatum, der Pharynx und die hintere Seite der Epiglottis
und sogar bisweilen der Larynx auch Geschmacksbecher besitzen, ist deren
Zahl im Vergleich zu denjenigen der Zunge doch außerordentlich klein.
Namentlich die Papulae fungiformes, und — bei den Rodeutiern — die
Papulae foliatae, dann die Papulae circumvallatae sind exquisite Sam-
melplätze derselbe.
GESCHMACK UND CHEMISCHER SINN. 277
Ihre Zahl ist in den einzehien Ordnungen sehr verschieden.
PoüLTOX berechnet sie für die größern Marsupialier auf etwa 10000.
Bei der kleinen Fledermaus fand Tuckerman immerhin noch etwa 800,
beim Eichhorn 4000 bis 6000, bei dem Hasen 9000, Kaninchen 17000,
Schwein und Geißbock 15000, beim Schaf 10000 und beim Rind bis 35000.
Beim ausgewachsenen Menschen _ sollen etwa 9000 Geschmacksknospen
vorhanden sein.
Hierbei ergibt sieh die interessante Tatsache, daß beim Siui^ding die fungi-
formen Papillen mehr entwickelt sind als beim Erwachsenen, wo die (auch phylo-
genetisch re/.entere) Pap. circumvallataedann mehrGeschaiacksknospen fülu'en, während
die fiingiformeu Papillen teilweise verhornen. Auch die beim iSiiugliug noch vorhan-
denen Gesehmacksknospen auf der Innenseite der Backen atrophieren später (Stahr).
Im allgemeinen findet man also bei den Säugetieren eine große Ver-
mehrung der Geschmacksknospen im Vergleich zu den Rejitilien und Vögeln.
Dabei muß betont werden, daß bei den Säugern speziell die Zunge
als Explorationsorgan des Geschmacks auftritt, eine wichtige Tatsache, die
auch in dem Bau der bulbären Geschmackszentren zur Geltung kommt.
Mit Hinsicht darauf, daß die Fische im allgemeinen so enorm viel Geschmacks-
knospen haben, ist die Tatsache befremdend, daß die Zetazeen — welche doch
auch aquatile Tiere sind — so wenige besitzen. Eawitz fand, daß die Geschmacks-
becher der Zetazeen, wenigstens bei Delphinus delphis, fehlen. Eigentümlich ist
es auch, daß bei denselben Tieren der Nervus olfactorius fehlt.
• Was die Physiologie des Geschmacks und den Unterschied zwischen dem
letztern und dem chemischen Sinn der freiendenden Hautnerven anbelangt,
sei folgendes erwähnt:
Wir wissen seit längerer Zeit, daß die somatischen (Haut-)Nerven eine
Empfindlichkeit haben, welche als „chemischer Sinn" bekannt ist und die
nur bei der Verhornung der Haut verloren geht.
Bei einem Tier, welches auf der äußern Körperhaut keine Geschmacks-
knospen hat 1), wie z. B. die Larve des Neunauges, ein Haifisch oder ein
Frosch, ist die Haut doch empfindlich für Salze, Alkalien, Säuren und
Amara (nicht für Zucker).
Auf diese Stoffe reagiert das Tier (namentlich der Fisch) gewöhnlich
am stärksten, wenn der Stofif auf den Kopf appliziert wurde; der Schwanz
und die Gliedmaßen sind weniger empfindlich und der Rumpf am wenigsten.
Diese Empfindlichkeit für chemische Eindrücke ist an freie Endigungen
der Hautnerven geljunden, denn besondere rezeptive Körperchen kommen
bei solchen Tiere nicht vor, und außerdem ist der chemische Sinn dort
') Bei Tieren, welche Geschmacksnerven auf der äußern Haut haben, wie die silu-
roiden Fische, bleibt diese Funktion der äußern Haut auch bestehen, wenn der Nerv für
die Geschmacksbecher durchschnitten wird, so daß auch hier oH'enbar die gewolinlichen
spinalen Hautnerven eine chemische Emplindlichkeit besitzen.
278 GESCHMACK UND CHEMISCHER SINN.
am besten entwickelt, wo die meisten sog. freien Endignngen vorkommen.
Man sollte meinen daß das Tier nur auf die Berührungs empfin-
dung reagiere, welche der Tropfen Säure oder ein anderer Stoff bei der
Berührung der Haut verursacht. Diese Möglichkeit wurde aber bereits als
unwahrscheinlich erwiesen durch die Versuche van Wayenburg's, der
nachweisen konnte, daß die Schwankungen in den von chemischen
Reizen hervorgerufenen Reflexen parallel mit der Konzentration der
angewandten Stoffe ist und nicht mit ihrem dabei ganz oder ziemlich
gleichbleibenden taktilen Einfluß.
Dieser Autor war der erste, der (bei Fröschen) nachwies, daß die Empfind-
lichkeit der Haut für chemische Einwirkungen dem Gesetze von Webeh und Fecuner
unterliegt und in dieser Hinsicht den andern Sinnesqualitäten analog ist. Bei
einer geometrischen Steigerung der chemischen Eeize (wobei der taktile oder Tem-
peratureindruck der damit zusammenging, annähernd gleich blieb) wurde eine
arithmetische Steigerung der Eeflese beobachtet.
Daß es sogar wahrscheinlich nicht dieselben freien Nervenendigungen
sind, die diese Empfindung und das Berühr üngsgefühl übermitteln, wurde
von Parker und Shbldon betont, welche fanden, daß bei Applikation
von Kokain die Haut zuerst für die taktilen Reize und später für diese
chemischen Reize gefühllos wird. Ein ähnlicher Versuch lehrt uns auch,
daß allgemeine chemische Empfindlichkeit etwas anderes ist als Geschmacks-
empfindung. Die Geschmacksempfindung wird nämlich nicht später,
sondern eher betäubt als die Taktilität.
Wir finden also hierin schon einen Beweis, daß der chemische Sinn
der Haut und der Geschmackssinn verschiedene Sinne sind, obgleich bei
beiden die Reizstoffe und deren Konzentration dieselben sein können, (nur
für Süß ist der chemische Sinn nicht zugänglich) und bei beiden die
negativen Ionen es sind, welche den Reiz bestimmen.
Ein größerer Unterschied zwischen beiden zeigt sich in ihrem phy-
siologischen Charakter in dem Umstände, daß die Reflexe, welche der
chemische Sinn auslöst, immer negative, d.h. Abwehrreflexe sind (van
Wayenburg, Herrick), was mit der Lehre Sherrington's im Einklänge
steht, daß die freien Endigungen in der Haut meistens eine nozirezeptive
Punktion haben. (Vergl. jedoch auch S. 35 der Einleitung.)
Ganz anders nun sind die Reflexe, welche von den Geschmacksbechern
ausgelöst werden.
Versuche welche C. J. Herkick bei verschiedenen Knochenfischen aus-
führte, zeigen, daß diejenigen Tiere, deren Körperhaut mit Geschmacks-
knospen versehen ist (Siluroiden, Zyprinoiden, Gadiden) auf sapide
Nahrungsstoffe reagieren (diese suchen), wenn dieselben mit der Haut in
Berührung gebracht werden, während andere Tiere, welche keine Geschmacks-
knospen auf dem Außenkörper haben (Prionotus, Opsanus), darauf nicht
im geringsten reagieren oder den mit der Nahrung verbundenen taktilen
oder chemischen Reiz entfliehen.
DIE SENSIBLEN BRANCHIALNERVEN DER ZYKLOSTOMEN.
279
Parker bestätigte diese Wahrnehmung und fand, daß Fisclie mit
durchschnittenen Geschmacksnerven — auch werwi sie auf Salz, Lauge, Sauer
und Bitter noch reagieren, nicht mehr positiv auf Nahrung reagierten.
Doch zeigt sich Ijei den Nalirungsversuchen, die Eigentümlichkeit,
welche von prinzipieller Bedeutung ist, daß die ungestörte Existenz der
Geschmacksknospen allein oft nicht genügt, um die positive Reaktion
hervorzurufen .
Die Nahrungsreaktion erjährt eine erhebliche Störung, ivenn die Nerven
durchschnitten sind, welche das betreffende Geschmacksknospenareal mit taktilen
Fasern versehen, sodaß die Korrelation dieser beiden Sinne offenbar bei der
Beurteilung und namentlich heim Auffinden der Nahrung (Lokalisation f) eine
große Rolle spielt. (Vergleiche hierzu auch S. 316).
Diese Wahrnehmung ist eine außerordentlich wichtige und wir werden
sehen, daß diese Korrelation zwischen Geschmackssinn und Tastsinn auch in der
Anatomie der Geschmackszentren und deren Verbindungen, wozu ich jetzt über-
gehe, zum Ausdruck kommt.
Besonders ist dies der Fall bei denjenigen Tieren, bei denen die Ge-
schmacksfasern und die taktillen Fasern, welche ihrem Areal zustreben,
verschiedenen Nerven angehören.
Die Sensiblen Branchialnerven der Zyldostomen.
Bei den Zyklostomen ist das Verhalten von Gesclimack und Berührungs-
sinn sehr einfach, weil die Geschmacks-Regionen dort ihre taktilen Fasern
wesentlich von denselben Nerven erhalten, welche auch Fasern zu den
Gescbmacksknospen senden.
Entsprechend ihrem Ursprünge aus den branchiospinalen Nerven
von Amphioxus
führen der Va-
gus, Glossopha-
ryngeus und Fa-
cialis von Petro-
myzon außer Ge-
schmacksfasern
solche für den
Berührungssinn
Fig. 12.3. Hautäste der Branchialnerven bei Petromyzon
(n. Joiinston). Die punktierten Linien sind Hautästc,
welciie bei den meisten Fischen oberhalb der
Zyklostoraen verschwinden.
und können die
letzteren wieder
in zwei Katego-
rien unterschie-
den werden: .sol-
che der Schleimhaut und solche der Außenhaut (somato-sensible Fasern).
Beim Neunauge besitzen sowohl der Vagus und Glossopharyngeus als
der Facialis auch Tastsinnfasern für die Kopfhaut, wie von .Joiinston nach-
gewiesen ist (vergl. Fig. 123).
280 DIE SENSIBLEN IJRANCHIALNERVEN DER ZYKLOSTOMEN
Die somatosensiblen Fasern des Vagus und Glossopharyngeus haben
sowohl ihren dorsalen als ihren ventralen Ast bewahrt und verbreiten sich
an der dorsalen und ventrolateralen Seite der Kiemenbogenregion.
Die sensiblen Hautäste des Facialis kommen aber beim Nennauge nur
noch an der Oberfläche des Kopfes hinter und unter der Orbita vor. Der
Dorsalast fehlt hier bereits, und sein Gebiet wird vom Trigeminus versorgt.
Die allgemein sensiblen Fasern der Schleimhaut sind viel reichlicher i)
als diejenigen der Haut und verlaufen meistens zusammen mit den Ge-
sell macksfasern.
Die drei sensiblen Komponenten jener Nerven entstammen alle
den Kopfganglien, welche den Spinalganglien analog sind, und erreichen
die Oblongata in einer gemeinsehaftlichen Wurzel. In der Oblongata findet
wieder eine Trennung jener Komponenten statt.
Diese iutrameduUäre Differenzierung geschieht in der Weise, daß die
Fasern, welche von der äußern Haut kommen, sich dem Hauptnerven der
äußern Kopfhaut, den deszendierenden Trigeminusfasern, anschließen: ein
deutliches Beispiel der auf gleicher Funktion beruhenden Faseranordnung
im zentralen Nervensystem (Neurobiotaxis). Sie nehmen mit dieser Wurzel
einen Teil der Flügelplatte der Oblongata ein, welche mehr dorsal Octavus-
und Lateralisfasern führt und wegen ihrer Bedeutung für äußere Körper-
eindrücke als somatosensibles Areal zu bezeichnen ist (siehe Fig. 120).
Die Schleimhautäste, sowohl die der allgemeinen Schleimhautsensibi-
lität als die der Geschmacksknospen, passieren aber die deszendierende
Trigeminus-Wurzel und ziehen weiter medialwärts zum Boden des vierten
Ventrikels, zu dem viszerosensiblen Areal der Oblongata (vergl. das Schema
in Fig. 120).
Diejenigen des Glossophaiyngeus und \'agus enden teils auf dem Ni-
veau ihres Eintrittes, teils mehr kaudal in einer Säule grauer Substanz in
der dorsomedialen Ecke des Ventrikelbodens, den Lobi vagi.
Kaudal fügen sich die beiderseitigen Säulen in der Medianlinie zu-
sammen und bilden den Kern der Commissura infima. Da dieser Zusam-
menschluß ziemlich bald stattfindet, dehnt sich der Lobus vagi noch eine
Strecke hinter dem Calamus aus (.Johnston).
Auch die Schleimhautäste des Facialis laufen (nachdem auch ihr kleiner
Hautast an die deszendierende Quintuswurzel abgegeben ist) weiter dorsal-
wärts, und dürfte auch auf dem Niveau ihres Eintrittes eine geringe Zahl
von ihnen enden. Die Mehrheit der Facialis-Schleimhautfasern biegt, aber
oben angelangt, nach hinten um und ist zu verfolgen bis in die gemeinschaft-
liche sensible Säule des Glossopharyngeus und Vagus: ein zweites Bei-
') Diejenigen des VII. innervieren die Sensibilitiit der vordem Hälfte der ersten Kie-
raentasche, die des IX. die Innenseite der hintern HiUf'te der ersten Kiementasclie und
die Innenseite der vorderen Hälfte der zweiten Kiementasclie, wahrend die Schleimhaut-
fasern der Vagus die restierenden Kiemenhöhlen innervieren.
DIE SENSIBLEN BKANCHIALNERVEN DER l'LAGIOSTOMEN. 2S1
spiel von Faseranordminc; und-Eniligung auf Griuul üboreinstinimfiider
Funktion.
Während es gelingt, die Tastfasern der Haut dieser drei Nerven
gesondert in die deszendierende Trigeminuswurzel zu verfolgen, war es hier
bis jetzt nieht möglich, in dem viszeralen Bündel die Geschmacksfasern
und die Tastfasern der Schleimhaut getrennt nachzuweisen.
Wir werden bald sehen, daß die Tastfasern i) der Schleimhaut sich bei
den höheren Tieren zu einem großen bis in das Rückenmark absteigenden
Bündel, Fasciculus solitarius, verfolgen lassen.
Von einem wirklichen Fase, solitarius (IX & X), wie er bei höhern
Tieren gefunden wird, d. h. von einem überwiegend absteigenden Verlauf
der IX- und X-Fasern auf einer langem Strecke ist hier aber kaum die
Rede. Nur die kaudal verlaufende Strecke der sensiblen Facialis wurzel
(S. o.) wäre als prävagaler Teil des Fase, solitarius zu bezeichnen.
Als sekundäre Systeme dieser Nerven sind Neuronen zu erwähnen,
welche im dem viszerosensiblen Grau der Oblongata entstehen und im
allgemeinen einen gekreuzten, meist nach hinten gerichteten Verlauf
nehmen, eine Art Bogenfaserzellen, welche hier überwiegend aborale Reflexe
übermitteln. Solche gehen auch aus dem Kern der Commissura imiima
hervor.
Die motorischen Wurzelfasern dieser Nerven treten in direktem medi-
alem Anschluß an die sensiblen Wurzelfasern ein, entsprechend ihrem
viszeromotorischen Hinterwurzelcharakter. Ihre Kerne weisen eine sehr
primitive Anordung auf, welche ich in Kapitel V eingehender behandele.
Hier sei bloß erwähnt, daß diejenigen des Glossopharyngeus und
A'agus etwa auf dem Niveau ihres Wurzeleintrittes eine kontinuierliche
Säule bilden, medial von dem viszerosensiblen Grau, und daß der motorische
Facialiskern ebenfalls eine dorsale Lage hat auf ihrem Wiirzelniveau und
im Anschluß bleibt an den Trigeminuskern (siehe Fig. 206).
Die sensiblen Branchialnerven der Plagiostomen.
Bei den Plagiostomen sind die eigentlichen Branchialnerven schon
bedeutend größer als bei den Zyklostomen. Bei den primitiven Selachiern
führen sie noch alle sensible Komponenten, wie beim Neunauge, d. b.
Fasern für die allgemeine Sensibilität der äußern Haut, solche für die
allgemeine Sensibilität der Schleimhaut und Geschmacksfasern.
Doch ist die Eeduktiou der somatosensiblen Fasern hier bereits weiter fort-
geschritten, indem der Vagus und der Glossopharyngeus nur noch ihre dorsalen
Hautäste aufweisen (Ewaht, Coi.e und Hawkes), während der Hautast des Facialis
noch kleiner geworden ist, ja vielleicht nicht bei allen Phigiostomeii vorkommt.
Bei Heptanchus und Hexanchus ist er — nach meinen Erfahrungen über das
zentrale Verhalten der Facialiswurzel bei diesen Tieren — noch vorhanden. Sein
') Wenn hiei' und in ilen füllenden Zeiten von ,,Tast"fasern gesprocVicn wird sind
damit alle Qualitäten des einfachen llautsinne.s gemeint.
282
DIE SENSIBLEN BRANCHIALNERVEN DER PLAGIOSTOMEN.
peripheres Verhalten konnte ich, wegen Mangels an geeignetem Material, nieht
ermitteln.
Bei Chlamydoselachus aber fand Meerit Hawkes einige kleine Äste des
VII. zur ventrolateralen Haut gehend.
Bei Heptanchus und Hexanchus gelang es mir, die viszeralen und
somatischen Komponenten getrennt nachzuweisen.
In Fig. 124 A ist das Verhalten des Vagus wiedergegeben (das Bild,
welches der Glossopharyngeus darbietet, ist genau dasselbe).
Deutlich sieht man, wie die Wurzel sich in der Oblongata in drei
Aste teilt. Die motorische Wurzel biegt medialwärts ab zu ihrem Kern
(n. X. mot). Die sensible Wurzel teilt sich in zwei Systeme, wovon das eine
Längsfasern bildet, welche der deszendierenden Trigeminuswurzel parallel
laufen, und die nur durch den motorischen Ast davon geschieden sind. Dies
ist der Hautast dieses Nerven (X sens. som. Fig. 124 A) der sich dort, wo die
motorische Wurzel aus der Schnittflcäche verschwindet, dem Trigeminus
descendens anlegt und mit ihm absteigt.
Der viszero-sensible Ast des Vagus (X sens. visc. Fig. 124 A) endet
Fig. 124 A. Die verschiedenen
Komponenten der Vaguswurzel
bei Heptanchus.
Fig. 124. B Die verschiedenen Komponente
der Facialisv^urzel bei Heptanchus-
Man beachte die Lage des Hautastes des
VII. in der Nähe des V descendens.
Überwiegend auf dem Niveau seines Eintrittes, in dem mediodorsalen
viszero-sensibleu Areal, dem Lobus vagi. In der oberen Ecke jenes Areales
bilden einige Fasern ein absteigendes Bündelchen viszero-sensibler Fasern,
welches als Fasdculus solitarius bezeichnet werden kann.
Kaudalwärts nimmt dieser primitive Fasciculus solitarius etwas an
Umfang zu; er wird jedoch bei den Haien nie sehr groß.
Obschon der viszerale Ast sowohl Geschmacksfasern als allgemein
sensible Fasern der Schleimhaut enthält, ist es wahrscheinlich, wie ich
weiter unten begründen werde, daß die absteigenden (Fasciculus solitarius-)
DIE SENSIBLEN BRANCIIIALNEKVKN DER TLAOIOSTOMEN.
283
Fasern üljerwiegend allgemeine Fasern der Schleimhaut sind, während
die Geschniachskomponenten hauptsächlich eine direkte Endigung besitzen.
Die sensible Facialiswurzel, welche viel weiter frontal die Oblongata
erreicht, strebt nach Eintritt in die Oblongata ebenfalls in dorsaler Rich-
tung, teilt sich aber in der Nähe der deszendierenden Quintuswurzel in
zwei Äste, von denen einer, offen-
bar der Hautast jenes Nerven,
kaudalwärts sich mehr und mehr
dem deszendierenden Trigeminus
anschließt (Fig. 124 B). Ein größe-
rer, mehr feinfaseriger Teil der
Wurzel, zieht jedoch zum Boden
des vierten \'entrikels und ver-
läuft, eine Erhebung des Ven-
trikelbodens bildend, nach hinten,
um in demselben Kern zu enden,
in dem auch der sensible visze-
rale Glossopharyngeus endet.
Dieser prävagaleTeil des Fas-
ciculus solitarius, d. i. die deszen-
dierende viszero-sensible Facialis-
wurzel, ist gut entwickelt und
(Fig. 125) sogar makroskopisch Au^t.c.
in dem Ventrikelboden sichtbar.
Die Säule grauer Substanz,
worin die viszero-sensiVjlen Fa-
sern dieser drei Nerven enden,
bildet eine Reihe von Erhöhun-
gen, welche sich kaudalwärts fast
bis zu dem Calamus scriptorius
ausdehnen (Fig. 125).
Mikroskopisch läßt sich diese
Säule noch weiter nach hinten
verfolgen: sie geht an dem
Calamus scriptorius in den un-
paaren Kern der Commissura in-
fima über.
Zusammenfassend niulen wir
somit auch bei den Haien, dall
die Hautäste der eigentlichen
Branchialnerven sich dem Tri-
geminus descendens anschließen, und daß von den viszeralen Asten
diejenigen des Facialis zu den Lobi vagi absteigen, während diejenigen des
Glossopharyngeus und Vagus hauptsächlich enden auf dem Niveau des
l'ig. 125. Obere Ansicht der Oblongata
eines Haies (Carcharias glaucus).
Die Tela Chorioidea ist entfernt.
284 DIE SENSIBLEN BKANCHIALNERVEN DER TELEOSTIER.
Wurzeleintrittes und nur sehr wenige davon einen absteigenden Fasciculus
solitarius bilden.
Obschon wir auch hier zentral keinen Unterschied zwischen Geschmacks-
i'asern und Tastfasern der Schleimhaut machen kr>nnen, dürfen wir es doch
als wahrscheinlich erachten, daß der größere Umfang der Oblongatakerne
speziell der Vermehrung der Geschmacksorgane zu danken ist, da die all-
gemein sensiblen Fasern bei den Haien relativ nicht eine so große Xer-
mehrung aufweisen.
Aus dem Kern der Commissura infima, namentlich aber aus der viszero-
sensiblen Kernsäule der Oblongata, gehen Reflexfasern zu den naheliegenden,
motorischen VIT-, IX- und X-Kernen und andere in ventraler Richtung,
deren weiterer Verlauf und Endigung noch nicht bekannt ist, sich aber
vermutlich zu deszendierenden, größtenteils kreuzenden Fasern für lokale
und aborale Reflexe gestalten (Fig. 12-1 A, sec. X tr.).
Die motorischen Vagus-^ Glossopliaryngeus- und Fanalis-Warzelf asern, welche
in Kapitel V ausführlicher behandelt werden (vergl. Fig. 212), treten auch
bei den Plagiostomen direkt medioventral von den sensiblen Wurzeln ein.
Während aber bei den Zyklostomen nur die motorischen IX- und X-
Kerne sich auf dem Niveau des viszerosensiblen Hauptkernes fanden und
der motorische Facialiskern die ursprüngliche Lage auf dem Niveau seines
Wurzeleintrittes beibehalten hat, ist bei den Haien — infolge der mächtige-
ren Entwicklung des kaudalen sensiblen VII-Kernes — auch der motorische
VII-Kern rückwärts gewandert (Neurobiotaxis) und bildet eine konti-
nuierliche Zellreihe mit denjenigen des motorischen Glossopliaryngeus und
Vagus.
Die hierzugehörige Kiemenbogenmuskulatur steht dadurch in ihrer
Totahtät unter dem direkten Einfluß der Kiemenbogensensibilität, wnvon
der Geschmack ein wichtiger Bestandteil ist, weil die Qualität des Atem-
wassers dadurch beurteilt wird.
Die sensiblen Branchiainerven der Teleostier.
Die Reduktion in den somalo-scnsibkn Komponenten der Branchiainerven,
welche bei den Haien schon mehr ausgeprägt war als bei den Zyklostomen,
geht bei den Ganoiden und Teleostiern — wahrscheinlich infolge der Entwick-
lung eines Kiemendeckels (Operculum) bei diesen Tieren — noch weiter.
Nicht nur der Hautast des Facialis, auch derjenige des Glossopliaryn-
geus geht hier verloren. Nur der dorsale Hautast des Vagus bleibt und inner-
viert die Okzipetalregion des Kopfes und den obern Teil des Ojierculums.
Die übrige Kopfhaut wird vom Trigeminus innerviert.
Bei manchen dieser Tiere dehnen sich die ursprünglich nur viszeralen
Geschmacksfasern weit ül)er den Kopf, bei einigen sogar über den Rumpf
aus und erhalten dadurch eine somatische Funktion.
Obschon beim ausgewachsenen Neunauge bereits einige Geschmacks-
TUE SENSIBLEN BRANCHIALNERVEN DER TELEOSTIER.
285
becher auf der Kojjfhaut gefunden werden, fängt die Verbreitung der Ge-
schmacksknospen auf dem Außenkörper erst i'echt bei den Ganoiden an,
und die größte Ausdehnung findet sicli bei den Knochenfischen, nament-
licli bei den Zyprinoiden und Siluroiden, wo das vordere Gesclimaeksareal
des Mundes sieh über den Kopf und seine Anhänge, bei den letztgenannten
auch über den Körper bis fast zum Schwanz erstreckt.
Wie bereits gesagt, ist diese Vergrößerung des proximalen Geschmacks-
areales über Kopf und Körper immer mit einer Hypertrophie der sensiblen
Facialiswurzel (nicht mit einer Hypertrophie des Glossopharyngeus und
Vagus) verbunden (siehe Fig. 126).
Da übrigens auch die inneren Geschmacksknospen bei manchen
dieser Tiere erheblich vermehrt sind (Palatumorgan), findet man hier auch
oft eine Vergrößerung der
sensiblen Glossopharyngeus- -^-^
und ^^aguswurzel.
Daß die Hypertrophie
dieser drei Nerven wirklich
eine Folge der Vermehrung
der Geschmacksknospen ist
und nicht auf einer Vermeh-
rung des allgemeinen viszera-
len Berührungssinnes beruht,
ist außer Zweifel, weil eben
eine solche Vermehrung der
allgemeinen freien Endigungen nicht gefunden wird und wohl die Zaiil
der Geschmacksbecher sehr zugenommen hat (Herrick).
Die auffallende Vermehrung der Geschmackskiiospen des Facialis auf
der äußeren Körperhaut ist Ursache, daß die Fasern dieses Nerven sich
in Gebieten ausdehnen, deren gewöhnliche Taktilitätsreize von andern
Nerven übermittelt werden, ein wichtiger Punkt, der auch in der Anord-
nung der Zentren und deren Verbindungen eine Rolle spielt.
Das Gebiet, dessen Areal Geschmacksfasern vom Facialis enthält, ist
an erster Stelle das Trigeminusgebiet, für die Gadiden außerdem das zer-
vikale Sensibilitätsgebiet der vordem Flossen und für einige Siluroiden das
spinale .sensible Gebiet, wie z. B. bei Ameiurus melas der Fall ist, wo die
sensible Facialis- Wurzel (siehe Fig. 126) sich über die ganze Körperober-
fläche ausdehnt, ebenso wie bei Silurus glanis. {R.recwrens facialis).
Infolge der erheblichen Vermehrung der Geschmacksfunktion weisen
ganz bestimmte Areale der Oblongata eine enorme Vergrößerung auf (siehe
Fig. 127 A und B), welche darauf hindeutet, daß es namentlich die lokalen
Oblongatazentren sind, welche die Zentren des Geschmacks darstellen und
nicht die Fasern des Fase, solitarius, welche hier nicht vermehrt sind.
Ich werde die zentralen Verhältnisse bei einigen Tieren, wo sie am
auffallendsten sind, kurz besprechen und wähle dazu die besonders von
Fig. 120. Ausbreitung der Facialis-Gesclimacks-
fasern auf die äußere Haut von Ameiurus
nielas; n. C. .1. Hkrrick.
286
DIE SENSIBLEN BKANCHIALNEEVEN DER TELEOSTIEE.
Herrick studierte Gruppe der Zyprinoiden und Siluroiden, die auch von
Berkelbach V. D. Sprenkel und von mir darauf untersucht wurden.
Wie Fig. 128 zeigt, schließen sich die Hautfasern de'S Vagus (Rad. X
som. seils. Fig. 128) bei Tinea bald nach ihrem Eintritt dem Trigeminus
descendens an, wobei sie das motorische Wurzelbündel jenes Nerven (Rad.
X mot.) kreuzen. Die viszero-sensiblen Vagusfasern (wie die Glossopharjni-
geusfasern) steigen dorsalwärts empor und endigen in einer als Lohtis
Glossophai-yngei et Vagi bezeichneten halbmondförmigen Verdickung der
Oblongata.
Lob. IXetX.
Lob. sens. VU.
Lub. aens. X.
Fig. 127 A. Oben- und Seitenansiclit
des Gehirnes von Carpiodes velifer
n. C. L. Herrick.
Fig. 127 B. Dorsalansicht des
Gehirnes eines Siluroiden:
Malaptenis electricus.
Da speziell die peripheren (kapsulären, in meinen Schnitten etwas
dunkler gefärbten) Fasern (Fig. 128. Rad. X visc. sens. p. ext. ; Fibr. caps.)
bei der Vermehrung der Geschmacksknospen zunehmen, ist es wahr-
scheinlich, daß diese den Geschmacksfasern entsprechen, und daß die weniger
zahlreichen zentralen Fasern (Fig. 128 R. visc. sens. p. int.) taktile Schleim-
hautfasern sind (Herrick).
Während also der lokale Oblongatakern des Vagus hier ganz mächtig ist,
sind die absteigenden viszeralen IX- und X-Fasern (Fasciculus solita-
rius) auch bei diesen Fischen nur wenig entwickelt i).
Der Eintritt des sensiblen Fadalis findet, im Gegensatz zu den Zyklos-
') Ein absteigender Charakter kommt hier unter den IX. und X. Fasern eigentlich
nur einigermaßen in dem sensiblen Glossophar3'ngeus zum Ausdruck, welche (wenigstens
bei einigen Teleostiern) etwas absteigt, bevor sie ihren Endkern erreicht.
Kaudal von dem Kern der Commissura infima ist ein feinfaseriges Bündel zu ver-
folgen, welches bis etwa zum Niveau des ersten Spinalnerven in der parazentral gelegenen
Säule grauer Substanz sich autlöst; aber es handelt sich dabei wahrscheinlich nicht um
ein absteigendes Wurzelbündel des X. oder XL, sondern um sekundäre Fasern wie bei
Petrorayzon.
DIE SENSIBLEN BRANCHIALNERVEN DER TELEOSTTER.
287
tomen und Haien, bei manchen Teleostiern nicht in direktem An-
schhiß an die motorische Wurzel jenes Nerven statt, sondern oft frontaler
und dorsaler, sodaß zahlreiche Vestibularisfasern ihn von der motorischen
FaciaHs-Wurzel trennen.
Bei manchen .Siluroiden (siehe Fig. 35 G und 357 Arius) ist der Eintritt der
sensibk^n VII. Wurzel so weit nach vorne verlegt, daß sie sich der sensiblen V. AV^urzel
anschließt. (St.a.nnius, Heurick und Bekkelbach van dtai SphknkeI/.)
Seine Fasern streben in schräger Richtung dorsal- und kaudalwärts
und enden, wie bei den Plagiostomen, in einem Kern, der immer bedeu-
Fibr. cap?.
r^,^^
Lobus
Glossopbaryn-
gei et Vagi.
R. Xvisc. sena
p. ext.
R. X visc.
sens. p. int
aa Zmol
R. X som. sens.
Fig. 128. Verschiedene Komponenten der
Vaguswurzel bei Tinea (Zyprinoide).
Nu. raot. X
Tr. gust. sec.
R. desc. \r
tend kaudal von dem Eintritte der Wurzel liegt, dessen Lage jedoch
bei den verschiedenen Teleostiern verschieden ist.
Die verschiedene Lage jenes Kernes ist eine Folge der Verschiedenheit
in den peripheren Verästelungen des Nerven. Bei den Zyprinoiden und
Siluroiden ist der Kern von dem Lobus Glossopharyngei et Vagi ziemlich
unabhängig; er liegt größtenteils frontal davon (Fig. 127 B und 131).
Bei den Zyprinoiden ist der mächtige Kern der beiden Seiten in der Mit-
tellinie verschmolzen und schließt als Tuberculum impar den vierten Ventri-
2SS
DIE SENSIBLEN BRANCHIALNERVEN DEK TELEOSTIER.
kel nach oben ah, während er an seiner hintern Seite schalenförmig von
dem LoIkis Glossopharyngei et Vagi umfaßt wird. (\'ergl. Fig. 129 A und B).
Bei den Sihiroideii kommt eine solche Verschmelzung in der Mittellinie
nicht vor (Vergl. Fig. 130) ; man findet dort beiderseits manchmal sogar
zwei 4iihäiifungen grauer
Substanz, eine laterale
lind eine mediale, welche
beide eine große Zahl
von Facialisfasern auf-
nehmen (s.w. u.)
Lob. IX
Tr. FCC. IX ,-
et X V
R. T desc.
Tuh.
impar
VII
■^.^i
Dergroße frontale,
sensible Facialiskern
dieser Tiere nimmt
nur die Geschmacks-
fasern der äußeren
Haut auf, während
die VII Fasern der
SchlehnJiaut nach hin-
ten ziehen und sich,
wie bei den Haien, in
den Lobus IX und X
verlieren (Herrick).
Wir müssen in der
Verbindung des letz-
ten Teiles der sensi-
Vjlen Facialisfasern mit
dem Zentrum des Glos-
soj^haryngeus und Va-
gus wieder einen Aus-
druck ihrer periphe-
ren Verwandtschaft als
Geschmacksfasern der
Scideimhaut sehen
(Neurobiotaxis).
Indessen zeigt sich
bei den vorderen
Kern in deutlicher
Weise die Korrelation,
welche zwischen dem
Hautgeschmack des
^'II. und den taktilen Trigeminusfasern seines Areals besteht.
Dieser rein örtliche korrelative Verband (der Trigeminus führt keine
Geschmacksknospen) kommt in der Oblongata in folgender Weise zum
Ausdruck :
VII seiis
Tr..sec. VI
Fig. 129 A u. B. Lateral: sensibler Glossopharjngeiiskern
medial: das Tuberculum irnpar sensibilis VII
bei Tinea tiiira (Zyprinoule).
DIE SENSIBLEN BRANOHIALNKK VEN DER TELEOSTIER.
289
Auf dem Niveau, wo die deszendierende Trigeminuswurzel das Tuber-
culum impar facialis passiert, steigen von dem Trigeminus eine große Zahl
von Kollateralen dorsalwärts auf und verlieren sich in einen Abschnitt des
sensiblen Pacialiskernes, den Herrick als Nucleus intermedius Facialis be-
zeichnet hat, und der offenbar ein Korrelationskern zwischen diesen zwei
verschiedenen Sinnesfunktionen (Geschmack und Tastsinn) desselben Area-
les darstelt.
Aus diesem Kern gehen Kefiexfasern für die motorischen Zentren
hoi'vor.
Ein zweites Beispiel einer Annäherung zwischen Geschmacksbahnen
tr aust ant J ~ " j ifiucl 7IImot.
fip. n.VKciüt.
Fig. 130. GeschmacUskeni (Nucl. VII seiis.) und vorilere
(ioschmacksbahn (tr. gust. ant.) eines Sikuonleii : Ariiis.'
n. Van der Höhst.
und Tastfasern wird uns gegeben durch den eigentümlichen \'erlauf der
aufsteigenden sckuiuliiren Geschmaclcshahn. Diese Bahn — ■ auch bei ilen
Siluroiden sehr groß (Fig. 130: tr. gust. ant.) — entsteht teils aus dem
Facialis - (Fig. 129), teils aus dem Yago-Glossopharyngeuskern (Fig. 128)
und zwar aus der dorso-medialen i) Peripherie jener Kerne, wo die
Geschmacksfasern enden (Herrick).
') Bei den Sduroiden (siehe Fig. 130) liegt ilir Urs|irnngsgebiet im medialen VII. Kein.
Kai'PP.us. 19
290
DIE SENSIBLEN BRANCHIALNERVEN DER TELEOSTIER.
Nach ihrer Entstehung begeben sich diese sekundären Geschmacks-
fasern ventralwärts zum Grau der deszendierenden Trigeminuswurzel
(vergl. Fig. 128, 129, 130, 131) und verlaufen an dieser Wurzel entlang
(Fig. 131; v.s.G.B.) in frontaler Richtung nach dem vorderen Geschmacks-
kern (v.G.K.) oder „Rindenknoten", welcher auch Kollateralen der sensiblen
Trigeminuswurzel aufnimmt. Dieser vordere, sekundärer Geschmackskern
erweist sich also ebenfalls als ein Korrelationszentrum zwischen Tastgefühl
des Trigeminus und dem Geschmack des Facialis.
Die Ausdehnung des Facialisgeschmacks beschränkt sich bei diesen
Tieren aber nicht nur auf die äußere Haut des Kojrfes, sondern erstreckt
sich auch auf den Körper, wo der Geschmackskomponent also mit zervi-
kaler oder sogar spinaler Sensibilität in Korrelation tritt.
Auch diese periphere Korrelation findet in den Faserverbindungen
des sensiblen VIT. Kernes einen Ausdruck, indem aucli absteigende,
sekundäre Fasern aus diesem Kern, namentlich aus dessen lateraler
Peripherie, ihren Ursprung nehmen und mit den Hinterliörnern des Zer-
vikalmarks in Verbindung treten.
Diese absteigende, sekundäre Oesckmacksbahn (H. S. G. B. Fig. 131). läuft
ebenfalls grclßtenteils an der deszendierenden V. Wurzel entlang, auf
ihrem Wege zu ihrem zervikalen Korrelationszentrum (N. F. Fig. 131).
Aus diesem spinalen Korrelationszentrum gehen dann zahlreiche Re-
flexfasern zu motori-
schen Regionen her-
vor (die teilweise auch
aus dem lateralen Ab-
schnitt der Oblongata-
kerne hervorgehen).
Interessant ist, daß
die absteigende Ge-
schmacksbahn nur
aus dem Facialis-Ge-
schmackskern hervor-
geht, also aus jenem
Kern, der den Ge-
schmack der zervika-
len Gegend aufnimmt.
(:,<:(.. cilicZ
Fig. 131. Geschmackskerne nnd Bfilinen eines Zyprinoiden.
Schematisch dargestellt; n. IIerrick.
{N. F. = Nucl. Funiculi).
Docli besitzt der Lobus IX — X auch einen Korrelationskoru mit kaudalen
Systemen. In diesem Falle aber handelt es sich vermutlich nur um taktile Systeme
der Schleimhäute.
Es ist eine Verbindung mit einem Kern, den ich schon eher nannte, und der
am Calamus scriptorius die beiderseitigen Vagusareale verbindet: dem Nneleus
Commüsurae infimae (Fig. 131 : N. Comm.).
Dieser Kern, welcher mehr oder weniger in einer kontintiierlichen Linie mit
dem Nneleus intermedius VII und dem Nucleus intermedius IX und X liegt (s.o.),
enthält neben Fasern der hintersten Vaguswurzel, (welche wohl kaum mehr Geschmacks-
DIE SENSIBLEN liRANC'IIIALNERVEN DER TELEOSTIER. 291
reize führen, aber wohl hauptaächlieh taktiler Natur sind) solche aus einem
Abschnitt des IX. und X. Kernes (Fig. 130, sec. desc. X) der dem Nneleua inter-
medius VII ähnlieh ist. Auch aus diesem Kommissurkern gehen eferente Neuronen
in die Substantia reticularis motoria der Umgebung.
Wir lernen aus diesen anatomischen Tatsachen zweierlei :
1. Daß Systeme, welche eine periphere Reizverwantschafi besitzen, sei eft, daß
sie angrenzende Areale mit analogen WaJirnehmimgsnerven vefselien (wie die
Geschmacksäste der Schleimhaut des VII. und des IX. und X.) oder sei es, daß
sie verschiedene, aber örtlich, zusa/inmenwirkcnde Wahrnehmungen {Tast und Ge-
schmack desselben Areales) innervieren, zentrale Verbindungen eingehen.
2. Übereinstimmend mit der physiologischen Tatsache, daß Zusammenivir-
knng von Geschmackn- und Tastempfindung zwar nicht nötig, aber doch erwünscht
ist für das Zustandekommen des Nahrungsreflexes (S. 279) finden wir, daß die
eferenten Bahnen zu den motorischen Gebieten gerade aus den Korrelationszentren
von Geschmack- und Tastsinn ihren Ursprung nehfinen, also ein „final common
path" in dem, Sinne Sherrington's darstellen.
3. Diese Geselzmäszigkeiten sind in Uebereinstemmung mit den in Kap. I
erörterten neurobiotaktischen Gesetzen.
Während bei den meisten Teleostiern das Zusammenwirken des Faci-
alis-Geschmacks mit der Trigeminussensibilität überwiegt und dies sich
auch zenti-al zeigt, haben die Gadiden eine große Zahl von Geschmacks-
knospen auf den vordem Flossen, welche als förmliche Explorationsorgane
des Geschmacks und des Tastsinnes dienen (Herrick).
Es ist nun interessant zu sehen, wie bei diesen Tieren die periphere
Korrelation zwischen der zervikalen Taktilität der vordem Flossen und dem
auf diese ausgedehnten VII. Geschmack zentral zum Ausdruck gelangt.
Diese Korrelation zeigt sich zunächst dadurch, dal) das Facialiszentrum
und der Lobus Glossopharyngei et Vagi sich anders zu einander verhalten.
Während bei Siluroiden und Zyprinoiden das Zentrum des Facialis-
geschmacks hauptsächlich frontal von demjenigen des IX. und X. lokali-
siert ist und mit TrigeminuskoUateralen in Verbindung steht, findet man
bei den Gadiden, daß der sensible Facialiskern sich am Glossopharyngeus
und Vaguskern entlang nach hinten ausdehnt, an dessen Außenseite sich
anlagernd (Herrick).
Es liegt also der Facialiskern beim Kabeljau hauptsächlich neben
dem Lobus IX und X. (Fig. 132).
Nicht alle sensiblen VII. Fasern ziehen jedoch in diesen (lateralen)
Facialiskern hinein. Ein kleinerer Teil nimmt — wie bei (Zyprinoiden und)
Siluroiden — einen andern Verlauf und endet in dem Lobus IX und X.
Es liegt die Vermutung nahe, daß es sich dabei hier, wie dort, um
diejenigen Aste des Facialis handelt, welche den Geschmack und die VII.
Sensibilität des vordem Abschnittes der Mundhöhle versorgen und also in
pei'ipherer Verwandtschaft mit der sensiblen IX. und X. Wurzel stehen,
welche den Pharvnx und die Kiementaschen versorgen.
292
DIE SENSIBLEN ERANCHIALNERVEN DER TELEOSTIER.
Dieser Kern, der also liauptsfichlich Mund- und Schleimhautkern
ist, hat dieselben ^'erbindungen, wie bei andern Fischen. Er steht kaudal
in Verbindung mit dem Nucleus Commissurae infimae und frontal mit dem
Rindenknoten.
Der laterale VII. Kern stellt wahrscheinlich einen Endkern des Ge-
schmackes der Flossen dar.
Die Verbindungen des lateralen VII. Kernes sind aber andere als die-
jenige des Tuberculum inipar bei den Zyprinoiden. Erstens nimmt er kaum
einen Anteil an dem Aufbau der vordem, sekundären Geschmacksbahn,
aber dehnt sich so weit nach hinten aus, daß er fast kontinuierlich ist mit
dem sensiblen Grau des zervikalen Markes und demonstriert bereits da-
durch den intimen Zusammenhang, welcher zwischen dem Flossengeschmack
dieser Tiere und der (zervikalen) Taktilität der Flossen besteht.
R. vn.
Lob. seus. vir. seas. Lob. sens. IX -X.
It. V desc.
( R. niax. maniL
f It. opbth.
Tr. soc. giLst.
* Fibr. desccruc.
Flg. 132. Gegenseitiges Verhalten der sensiblen Kerne des VII. und IX — X.
Sekundäre Geschniacksbahn (Tr. sec. gust.) aus dem sensiblen IX — X Kern und
deszendierende (motorische) Bahn (Fibr. desc. cruc.) aus dem Lobus VII.
Auch durch sekundäre Bahnen kommt dies zum Ausdruck. In erster
Linie durch eine Bahn aus dem lateralen sensiblen VII. Kern zir dem
zervikalen, sensiblen Korrelations-Zentrum, an zweiter Stelle durch eine
sehr mächtig entwickelte direkte Bahn ans dem VII. Kern zu der moto-
rischen Region des Zervikalmarkes, wodurch die Geschmacksem2>findungen
der Flossen mit der Motilität dieser Flossen auch in direkten Zusammen-
hang gebracht werden.
Wir finden somit bei den Gadiden, entsprechend dci' besondern Lokali-
sation des Facialisgeschmacks auf den Flossen, eine ganz andere Topographie
des zentralen VII. Geschmackskernes, und die peripheren Verhältnisse
desselben zur zervikalen Sensibilität und Motilität weisen ein zentrales
DIE SENSIBLEN BRANCHIALNERVEN DER TELEOSTIER. 293
Ebeiiljikl auf, dessen Entstehung leielit iiuf den Gesetzen der Neurubiutaxis
zurückzuführen ist.
Von Interesse ist auch hier wieder, daß sowohl für die viszeralen als
für die äußern Geschmackempfindvinrren und Tastempfindun,i^en ein Korrc-
lationszentrum in dem Nucleus C'oniniissurae intiniae gefunden wird, aus
welchem Reflexfasern zu motoiischen Zentren gehen („final common [)ath",
im (Sinne Sherrington's).
Auch in der Anordnung der motorischen Kiemcnbogoi kerne finden wir
einen Ausdruck der besondern Verhältnisse bei den Knochenfischen.
Während wir bei den Haien den Einfluß des gemeinschaftlichen sensiblen
VII., IX. und X. Kernes darin wahrnehmen, daß die entsprechenden
motorischen Kerne eine geschlossene Zellreihe bilden, auf dem Niveau der
sensiblen Säule, finden wir hierin bei den Knochenfischen insofern eine
Veränderung als nur der motorische Vaguskern konstant diese Lage bei-
behält. Der Glossopharj'ngeuskern kann auch darin bleiben (Menidia,
Pleuronectiden und Zyprinoiden), er kann aber auch teilweise in Ver-
bindung mit dem Facialiskcrn verlagert sein, von dem entweder nichts
oder nur ein Teil der Vagussäule einverleibt bleibt (vergl. Fig. 222 und 223).
Die starke Ausbildung der sekundären Geschmacksbalmen in dem
Areal der deszendierenden Trigeminuswurzel (der Kopfsensibilität) zeigt
hier aber ihren Einfluß auf den motorischen Zentren dadurch, daß die
Melirheit der motorischen Facialiszellen sich von der Vagussäule getrennt
und einen nähern Anschluß an die frontalwärts an der deszendierenden
Trigeminuswurzel entlang verlaufenden sekundären Geschmacksbahn nimmt
(Fig. 130), welche mehr frontalwärts auch die Lage des motorischen
Trigeminuskernes bedingt.
Auch die kaudalwärts verlaufenden sekundären Geschmacksbahnen
können einen Einfluß auf die Lage jener Kerne ausüben, welche indessen
auch von verschiedenen anderen Systemen influenziert werden.
Ich verweise aber für die Details bezügl. der motorischen Kerne der
Branchialnerven nach dem Kapitel über das eflektorische System der
Oblongata.
Die Sensiblen Branchialnerven der Amphibien.
Gegenüber den stark entwickelten und ditterenzierten Verhältnissen
bei den Knochenfischen liegt bei den Amphibien wieder eine einfachere
Anordnung vor, welche namentlich bei den geschwänzten Amphibien
(Salamander, Triton u.s.w.) den bei den Plagiostomen gefundenen Verhält-
nissen mehr ähnlich ist.
Dies zeigt sich schon in dem einfacheren Aspekt des Ventrikelbodems
(Fig. 133), welcher bei diesen Tieren nicht solche mächtigen Erhebungen
aufweist als bei den Teleostiern und sogar bedeutend einfacher ist als bei
den Haien und Rochen.
294
DIE SENSIBLEN BRANCHIALNERVEN DER AMPHIBIEN.
Insofern liegt aber eine größere Übereinstimmung zwischen den
gescliwiinzten Arai^hibien und den Plagiostomen vor, daß nicht nur der Vagus,
sondern — bei manchen RejM-äsentanten der geschwänzten Amphibien —
^^^^^^^ auch der Glosso-
-5uU parac^ [""^^^^H^P^^^^^^S^ pharyngeus(z.B. bei
Necturus) und der
FaciaUs noch Haut-
üste aufweisen (Co-
GHILL, NORRIS).
Da auch die Am-
phibien, wie die Pla-
giostomen, keiu Oper-
fulum besitzen, spricht
dies für die Auffas-
sung, daß das Ver-
schwinden der VII.
und IX. Hantäste bei
den Teleostiern mit
der Bildung des Kie-
mendeckels zusam-
menhängt.
Die zentralen
Verhältnisse ken-
nen wir am besten
aus den Arbeiten
von Gaupp, Strong,
KiNGSBURY, Her-
rick UND RÖTHIG 1).
Ich selber hatte die
Gelegenheit, sie mit
Ha.mmer zu studie-
ren bei dem Ochsen-
frosch, wo sie beson-
ders deutlich sind.
Die folgende Dar-
stellung bezieht sich
im wesentlichen auf
dieses Tier.
Der Vagus nähert
sich der Oblongata nicht in so vielen Würzelchen, wie es bei den Haien
meistens der Fall ist, sondern hat nur zwei Hauptwurzeln.
Nachdem er seine Hautäste in der üblichen AVeise an die deszendie-
rende Trigeminuswurzel abgegeben (Fig. 1345) hat, verläuft der Nerv
nreaTrlgem
i-CaL. Script
.3uLc cnterm
Fig. 133. Obere Ansicht der Medulla Oblongata von
Rana mugiens (catesbyana). Wachsrekonstruetion von H.^mmer.
Die Strichellinie gibt die Ansatzstelle des Plexus
chorioideus an.
') Noch nic.bt jiubliziert, erscheint in Oi'Pkls Handbuch der Gewebelehre.
DIE SENSIBLEN BRANCHIALNERVEN DER AMPHIBIEN.
295
(lurs;il\v;ii1s und endet teilweise auf dein Niveau seines Eintrittes in dem
Nueleus sensibilis Glossopharvngei et Vagi, der in der Masse des liirn-
stammes eingebettet liegt und den Boden nicht oder kaum hervorwülbt
(siehe Fig. 134).
Fase. Kol. R. ilDSc VÜI.
K. dose. V.
Fortsotz. dP.- _i^R:&VÄ'^^ '' ' \ ] ■■' !» U^ ife^
Nu niot. X
ot ascend
E. XII.
Fig. 134/1.
Nu. R. desc. VIII.
Fase.
sol.
N. X.
R. desc. VIII.
iisc. sol.
Nu sens IXotX
K. desc. V mit
llautastB des
N. X.
Nu. sens. IX <1)
i * .- et X.
Nu. X mot. Fig. 1340.
Fig. 134.4 en B. Zwei Querschnitte durch die Vagus gogend von Rana
inugiens, üben (.4) kaudal, unten (B) frontal.
Dasselbe gilt für den Glossopharj^ngeus.
Im Gegensatz aber zu den niedern Wirbeltieren biegt hier der größte
Teil der viszeralen Glossopharyngeus- und Vagusfasern nach hinten um und
296 DIB SENSIBLEN BRANCHIALNEKVEN DER AMPHIBIEN.
bildet einen ausgeprägten Fasciculus soliiarius IX et X, der medial und
dorsal von der absteigenden V. Wurzel kaudalwärts läuft.
Der F. solitarius ist hier bereits ein ganz mächtiges Gebilde, ähnlich
dem Verhalten bei höheren Wirbeltieren (Fig. 1345). Kaudalwärts wird
er auffallend ärmer an markhaltigcn Fasern (Fig. 134J) und verlagert
sich dabei mehr und mehr dorsalwärts.
Das Bündel ist während seines Verlaufes in der Üblongata an seiner
medialen Seite von einer Säule grauer Substanz begleitet, welche beson-
ders frontal (auf dem Niveau des Glossopharyngeus-Eintrittes) sehr mäch-
tig ist und die markhaltigen Wurzelfasern aufnimmt. Infolgedessen wird
der Fasciculus solitarius in kaudaler Richtung (obwohl er verstärkt wird
von neuen AVurzelfasern) dünner und markloser.
Er endet, nachdem er teilweise gekreuzt und Fasern an das (irau der
Commissura infima abgegeben hat, erst im zweiten und dritten spinalen
Segment (vergl. Wallenberg).
Die Facialiswurzcl, welche bei den geschwänzten Amphibien viel
größer ist als beim Frosch, tritt auf dem Niveau des VIII. ein. Dort, wo sie
Hautfasern führt i), treten diese in die deszendierende Quintuswurzel über.
Der viszerale Teil biegt, nachdem er sich dem Boden des Ventrikels
genähert hat, rückwärts und endet (wie bei den Haien) kaudal in dem
Kern des Glossopharyngeus, der dadurch sehr umfangreich ist.
Histologisch läßt sich kein Unterschied zwischen Geschmacksfasern
und den taktilen Schleimhautfasern machen, wie wir aber gleich sehen
werden, ist es wahrscheinlich, daß die deszendierenden Fasern des Fascicu-
lus solitarius den gewöhnlichen Schleimhautfasern entsprechen.
Als aufsteigende sekundäre, sensible Bahn sind bei den geschwänzten Amphi-
bien Fasern zu bezeichnen, welche aus den Zellen hervorgehen, die den
Fasciculus solitarius in der Oblongata begleiten (Herrick).
Diese Faseni, die ich beim Ochsenfrosch nicht fand, steigen an der-
selben Seite auf und ende'n — wie bei den Fischen — in dem Gebiete
des Isthmus in einem Kern, welcher dem Rindenknoten der Teleostier
(dem vordem sekundären Geschmackskern) homolog sein muß (umsomehr,
Aveil er auch tertiäre Neuronen in den Hypothalamus sendet).
Daneben gibt es absteigende, sekundäre viszcrosensible Fasern (auch beim
Frosch), die in der Raphe unter dem Fase. long, centralis kreuzen und
dadurch an die hintere sekundäre Geschmacksbahn der Fische erinnern.
Finden wir hierin eine Übereinstimmung mit dem Verhalten bei den
Fischen, so liegt insofern eine Differenz Vor, daß diese Fasern viel weniger
zahlreich sind als bei den Knochenfischen, während der Fasciculus solitarius
Sensu strictiori, d. i. das absteigende Bündel der viszeralen Glossopharyngeus-
und Vaguswurzcln, hier viel mehr entwickelt ist und nicht nur umfang-
reicher ist, aber auch weiter kaudalwärts absteigt als bei den Fischen.
') Bei den L'rodi'len Aiiipliibien (NoRRis).
DIE SENSIBLEN BRANCHIALNERVEN DER AMPHIBIEN. 297
Die Ur.saclie dieser Ersehciiuing, welche namentlicli l)ei den Reptilien,
Vögeln und Säugern ganz uiiflallend ist, hat man noch nicht genügend erkannt.
Daß es sich dabei um CJeschmacksfasern handelt, ist nicht wahrschein-
lich; denn erstens weisen die Amphibien keine besondere Entwicklung
des Geschmacks auf und zweitens fanden wir bei makrogustatorischen
Tieren gerade eine lokale H3'pertrophie der Oblongatakerne.
Die Tatsache aber, dal! die absteigenden Fasern- teilweise in dem Nu-
cleus der Commissura intima enden und die letzte sensible Vaguswurzel,
welche den geringsten Anteil an der Geschmacksversurgung hat, daran auch
einen beträchtlichen Teil ihrer Fasern abgibt, sowie die Tatsache, dal) dei-
Nucleus der untern Kommissur bei den Fischen bereits die Bedeutung eines
Korrelationszentrums mit taktilen Reizen hatte, lassen uns vermuten, dali
das Absteigen einer soviel grölleren Zahl von IX. und X. Wurzelfasern bei
den Amphibien nicht mit dem Geschmack in Zusammenhang gebracht
werden muß, sondern wahrscheinlich mit Korrelationen und Reflexen der
Schleimhautsensibilit'it, wie dies auch bei der deszendierenden V. Wur-
zel für die Emjifindliclikeit der Haut gilt. Während aber bei der letzteren
die Ursache ihres zentralen Verhaltens eine sehr augenfällige ist, weil
dadurch eine Zusammenwirkung der äußern Sensibilität des Kopfes mit
derjenigen von Hals und Körper zum Ausdruck kommt, läßt sich
bei dem Absteigen des Fasciculus solitarius über die hintere Grenze
der letzten Vaguswurzel hinaus die Frage stellen, welche Korrelation hier-
bei zustande kommt und wodurch dieselbe bedingt wird.
An erster Stelle muß man daran denken, daß mit dem Eintritt der
Lungenatmung, welche teilweise ihre Zentren im Rückenmark hat, die
sensiblen Fasern der Mund-, Zungen-, Pharj'nx- und Larynxwand in aus-
gedehntere Korrelation mit kaudalen Respirationszentren treten, welche
Korrelation schon deshalb wichtig wäre, weil bei Amphibien auch durch
die Schleimhaut von Mund, Zunge und Rachen ein erheblicher Sauerstoff-
austausch stattflndet.
Die Tatsache, daß die Wurzeln des Glossopharyngeus und namentlich
des Vagus nach Abgabe von Fasern an die Commissura infima bis ins 3.
spinale Segment absteigen i), muß uns veranlassen, diese Möglichkeit in
den Vordergrund zu stellen. Die Wurzeln enden (nach Marchidegeneratio-
nen zu urteilen) an der Basis des Septum mediale posticum (Wallenberg)
also in den ventromedialen Teilen der Hinterhörner, einem, nach unserer
jetzigen Kenntnis, sympathischen Areal. Es würde dann das absteigende
Bündelchen seinen alten Namen „Fascirulus respiratorius'" -} wohl verdienen.
') BeUanntlicli entwickelt sich der N. phrenicus aus dem IV (und 111.') Halssegment.
Obschon ein Diaphragma im eigentlichen Sinne erst bei den Reptilien auftiitt, findet bei
den Amphibien bereits (Fürüringer) eine Verbindung der Myocommata des Sternohyoids
mit dem Herzbeutel statt.
^) Dieser Name ist indessen bei den Saugern auch (fälschlich) benützt für Accesso-
riuswurzelfasern.
298 DIE SENSIBLEN BKANCHIALNERVEN DER AMPHIBIEN.
Neben diesei' Mögliolikeit- gibt es aucli sonst bei den Amphibien Nenigkeiten,
welche eine Veränderung der sensiblen Leitiingsbahneu in kaudaler Eichtung beein-
flussen könnten.
Ich meine die Tatsache, daß bei den Amphibien znerst eine muskulöse Zunge
auftritt, welche, Hypoglossus-JIuskulatur führend, von einer Schleimhaut bedeckt wird,
die vom Trigeminus, Glossopharyngeus und Facialis ihre sensible Innervation
erhiilt.
Mit Hinsicht auf die Rolle, welche dieser Zunge mehr und mehr als Explorations-
organ des Geschmacks und der diesen begleitenden Taktilität zukommt, wäre eine
Korrelation der Emptindungen ihrer Oberfläche mit den übrigen Empfindungen der
Mundhöhle eine mögliche Ursache dieses absteigenden Faserverlaufes. Die übrige
iSensibilität der Mundhöhle ist nämlich in dem dorsalsten Teil des absteigenden Trige-
minus repräsentiert, und da dieser im obern Zervikalmark bei dem Calamus einen End-
kern besitzt, konnte auch die Korrelation mit diesem System einen Einfluß auf den
mehr ausgesprochenen deszendierenden Verlauf der Innern sensiblen Fasern ausüben.
Die erstgenannte Korrelation, der Zusammenhang mit der Lungenatmung, ist aber
bei weitem die wahrscheinlichste Bildungsursache des Fase, solitarius ; denn der
Fasciculus solitarius hat gerade dort seine größte Ausdehnung, wo die. Sensibilität
der Zunge, sowohl deren Tastempfludung als der Geschmackssinn, sehr gering ist, d. i.
bei den Vögeln, deren Zunge teilweise verhornt ist.
Die Anordung der motoriachoi Kerne, für deren detaillierte Beschrei-
bung ich auf Kapitel V verweise, bietet nichts Überraschendes.
Bei den Urodelen finden wir genau dasselbe Verhalten wie bei den
Haien, indem die motorischen Kerne des VII. IX. und X. dort eine kon-
tinuierliche Zellsäule bilden (Fig. 237 Ceratodus, Molge; Taf. III Crypto-
branchus), welche sich auf dem Niveau der gemeinschaftlichen sensiblen
VII., IX. und X. Keinsäule ausdehnt.
Bei den ungeschwänzten Amphibien aber ist ein Zustand vorhanden,
der fast gänzlich mit demjenigen von Petromyzon übereinstimmt, indem
dort nur die IX. und X. Kerne an der gemeinschaftlichen sensiblen VII.,
IX., X. Säule entlang liegen und der motorische VII. Kern seine Lage
auf dem Niveau seines Wurzeleintrittes behalten hat. Wie beim Neunauge
liegt er dort in fast direktem Anschluß an den motorischen V. Kern
(Fig. 237: Rana catesbyana und Taf. II Rana).
Daß Rana in dieser Hinsicht eine größere Übereinstimmung mit
Petromyzon zeigt als die geschwänzten Amphibien, kommt dadurch, daß
die sensible VII. Wurzel hier, wie dort, weniger entwickelt ist als bei
Salamaudrinen, und der reflektorische, neurobiotaktische Einfluß seines
kaudalen, sensiblen Kernes auf die Lage dieser Zellen deshalb weniger
bedeutend ist.
Die sensiblen Branchialnerven der Reptilien.
Bei den Reptilien findet man einige Differenzen in dem Aufbau der
Branchialnerven, je nachdem man Schildkröten, Krokodile, Schlangen oder
Eidechsen untersucht.
DIE SENSIBLEN BRANC'HIALNERVEN DER REPTILIEN.
299
Fars inipar.
mes. ..
Tect. opt. -
cor. -
N. VUI -.
IG
Hab.
-N
IV.
■-N
V.
-F.
cer. post
- VIII dcsc.
,- V
desc.
Fig. 135. Obere Ansicht des Hirnstarniues von
Crocodilus porosus.
Man heachte Hie Einengung des Ventrikels duix-h die
starke Entwicklung der Soraato-sens. Region
(besonders des V. desc).
Es hat aber keinen Zweck, hier die A'^erhältnisse bei allen vier Unter-
klassen eingehend zu erörtern. Ich werde nur den Bau der in Kede
stehenden Systeme der Krokodile und Eidechsen beschreiben, weil sie
dort am deutlichsten sind.
Beim Krokodil zeigt
schon das äußere Bild der
Oblongata (Fig. 135), daß
hier ganz andere Systeme
überwiegen als bei den
Fischen. Das dorsale, soma-
tosensible Areal (Trigemi-
nus und Octavus) ist dort
dem viszeralsensiblen Areal
gegenüner so sehr entwik-
kelt, daß ein Einblick in
den vierten Ventrikel kaum
mehr möglich ist.
Von den viszeralen Ner-
ven hat nur der A^igus hier
noch einen Hautast, der
auch hier nahe der deszen-
dierenden Trigeminuswur-
zel verläuft. (Fig. 136; X
som. s.).
Alle IX. und die gi'oße
Mehrheit der X. Fasern
ziehen weiter und bilden
den großen Fasciculus soli-
tarius, während auch ein
kleiner Teil der Fasern an .
der medialen Seite dieses
Fasciculus umbiegt und in
dem medial davon gele-
genen Grau endet. (Siehe
Fig. 136.)
Aus diesem Grau ent-
stehen Fasern (Tr. sec. X,
Fig. 186), welche medial-
wärts gehen und sich zwi-
.schen dem motorischen X. '•^'J- Alligator sklerops. Die Kompünenten des Vagus.
Kern und dem Fase. long,
centralis (sive posterior) dem Auge entziehen.
Letztgenannter Kern, sowie das System des Fase, solitarius werden
kaudal bedeutend geringer, dann verschmelzen die Kerne der beiden
300
DIE SENSIBLEN BRANCHIALXERVEN DER REPTILIEN.
X Gnui.
Seiten mit eiuiinder und endet der inzwisclien sehr verschmälerte F.
solitarins, teilweise in der Commissura inlima kreuzend, hinter dem Calamus.
Obschon einzelne Fasern sich in dem Rückenmark fortsetzen, konnte
ich nicht mit Sicherheit ermitteln, wie weit sie darin absteigen.
Die Fadaliswiirzel, die beim Alligator kleiner ist als bei dem gleich
zu licschreibenrlen Varan (Fig. 137), tritt auf dem Niveau des N. "\'esti-
Imlaris ein, durch den letzteren von der motorischen Wurzel getrennt.
Unter dem Ventrikel biegt sie um und zieht kaudalwärts, um sich dann in
denFasciculus solitarius zu verlieren, einen prävagalen Teil desselben bildend.
Beim Varan ist der Eintritt der Vagus- und Glossopharyngeus- Wurzeln
wie beim Alligator.
Da die hinteren Vagus-
wurzeln durch die absteigende
Trigeminus- Wurzel nach oben
gedrängt sind, geschieht der
Eintritt der kaudalsten Wur-
zelbündelchen fast von dorsal
nach ventral. (X.S. Fig. 137.4.)
Die Abgabe von Haut-
fasern au den deszendierenden
V, lindet in übliclier Weise
statt. Von dem großem, visze-
ralen Rest der Wurzelfasern
geht auch hier der größte Teil
in den Fasciculus solitarius,
an dessen Aufbau sowohl Va-
gu.s- als Glossopharyngeusfa-
sern teilnehmen.
Ein kleinerer Teil endet
aber auf dem Eintrittsniveau,
jedoch nicht nur in einem dor-
salen Kern, sondern auch in einem medialen Kern, der neben der Raphe
liegt. Dieses mediale Grau scheidet den motorischen Vaguskern vom zen-
tralen Längsbündel (Fig. 136).
Der Unterschied mit dem Alligator liegt hauptsächlich darin, daß
beim Varan das dorsale Grau kleiner ist, das mediale Grau größer.
Die sensible Facialiswurzel wird von der motorischen Wurzel durch
Vestibularis-Wurzelfaseru getrennt und tritt infolgedessen fast dorsal ein
(Fig. lo7B). Unter dem Ventrikel biegt sie rückwärts und schließt sich auf
dem (41ossopharyngeus-Niveau dem Solitärbündel an, in dessen Grau sie sich
bald erschöpft i).
Fig. 137^. Varanus Salvator.
Die KumiKiiieiiten des Vagus.
') Nacli Beccäui gibt die sensible VII, Wurzel nach Dichotomie aufsteigende Äste zum
Zerebellum ab, was ich nicht bestätigen liann. Ich lialte sie für Vestibularisfasern.
DIK SENSIBLEN BRANCHIALNEUVEN DER REPTIIJEN.
301
Bei beiden Reptilienarten ist dus absteigende Solitärbiindel noch größer
als bei den Amphibien; namentlich beim Alligator ist es sehr stark ent-
wickelt, obschon hier die Gesclimacksknospen relativ viel geringer sind als
beim Frosch.
Vieles spricht denn auch dafür (wie wir besonders bei der Beschreibung
der Vögel sehen werden), daß die Vergrößerung des Solitärbündels nichts mit
dem Geschmack /ax tun hat, sondern mit der Korrelalion der Schleindiaut-
sensibilität mit spinalen Zentren. Wahrscheinlich ist auch hier der
Geschmack in der Oblon-
gata selber lokalisiert, wie
bei den Fisschen.
Als Kerne dafür kom-
men bei den Repitilien so-
wohl das dorsale wie das
mediale sensible Grau in
Betracht.
Dieses mediale sensible
Orau, welches zwischen dem
zentralen Längsbündel und
dem motorischen Vagus-
kern liegt, enthält außer-
dem sekundäre Fasern aus
dem dorsalen, sensiblen X.
Kern. Es nimmt kaudal-
wärts an Umfang zu und
ist aucli bei der Commis-
sura infima noch ziemlich
gut entwickelt, stets erkenn-
bar durch sein feines Netz markhaltiger Fasern.
Dort, wo der Eypoglossus^Kern bereits in den Schnitten erscheint, schiebt
sich ein Teil jenes medialen Graus zwischen den XII. und den motorischen
Vajjus-Kern ein und verdient dadurch den Namen Nuclcus intcrcalatus.
iAIB. Kintritt der sensiblen
Facinliswuizel bei Varanus
und niütorisclien
Salvator.
Über die viszeralen motorischen Kerne kann icli mich hier kurz fassen,
da sie später ausführlich beliandelt werden. Hier sei bloß erwähnt, daß
der dorsale motorische Vaguskern (Lungen, Magen und Speiseröhre) dem
Fasciculus longitudinalis centralis nicht mehr so nahe liegt als bei Haien.
Er ist etwas lateraler und dorsaler gerückt, näher dem dorsalen, sensiblen
Grau, von dem er Reize aufnimmt (Neurobiotaxis), und seine Wurzelfasern
machen eine Schlinge. (Fig. 136), welche eine Folge dieser Verlagerung ist.
Der Glossopharj'ngeuskern ist mit dem Facialiskern vereinigt. Beide
liegen l>eim Alligator teilweise noch ziemlich dorsal, beim ^"aran etwas
mehr ventral (vergl. Fig. 24U und Tafel 11 und III).
i
302 DIE SENSIBLEN BRANCHIALNERVEN DER VÖGEL.
Die sensiblen Brancliialnerven der Vögel.
Sehr lehrreich für eine richtige Würdigung der sensiblen Faserkategorien
dieser Nerven ist das Studium der ^"^)gel.
Wie ich bereits bei der Besprechung der peripheren Nerven und deren
Endorgane bemerkte, ist der Geschmack bei diesen Tieren sehr atrophisch,
namentlich in dem proximalen Geschmacksgebiet des Facialis.
Dementsprechend ist die sensible Facialiswurzel sehr klein.
Der Glossopharyngeus und namentlich der Vagus sind grüßer und
treten ziemlich dorsal in die Oblongata. Sie verlaufen medialwärts über und
durch das obere Drittel der deszendierenden Trigeminuswurzel, die vom
\'agns und, wie es sclieint, auch vom Glossopharyngeus Fasei'ii erhält.
Von den Schleimhautfasern, welche in medialer Richtung weiterziehen,
begibt sich die Mehrheit in das Solitärbündel, das bei den X'ögeln im
allgemeinen und namentlich beim Kasuar ganz mächtig entwickelt ist
(siehe Fig. 138.1 und B).
Cajal unterscheidet beim Spatzen sogar an jeder Seite zwei Solitärbün-
del, wovon das dorsolaterale gekreuzte Fasern (namentlich des Glossopharyn-
geus) aufnehmen soll. Kaudalwärts verschmelzen diese Bündel jedoch.
Bedenken wir nun, daß der Geschmack gerade bei diesen Tieren sehr
gering entwickelt ist, so liegt schon hierdurch die Vermutung nahe, daß
von allen sensiblen Glossopgaryngeus- und \^agusfasern das Solitärbündel
wohl am wenigsten mit dem Geschmack zu tun hat.
Ein Vergleich mit den Säugern bestätigt dies. So sind die korrespon-
dierenden Durchschitte vom Kasuar in Fig. 138 und vom Kaninchen in
Fig. 142 etwa gleich groß. Beim Kasuar ist aber das Solitärbündel grö-
ßer als beim Kaninchen. Bedenkt man nun, daß die Zahl der Geschmacks-
knospen bei den Vögeln zu der beim Kaninchen sicii ungefähr verhält
wie 100:17000, dan geht auch daraus hervor, daß eine direkte Verwandt-
schaft zwischen Solitärbündel und Geschmack nicht warscheinlich ist.
Der größte Teil des Fasciculus solitarius, etwa drei Viertel, kreuzt
in der Commissura infima und endet in dem Kern dieser Kommissur. Ein
anderer Teil seiner Fasern zieht weiter kaudalwärts und verliert sich im
obern Halsmark (Brandis).
Obschon die Mehrheit der Wurzelfasern des Vagus und Glossopharyn-
geus in diesem Bündel verläuft, schlägt doch ein anderer, viel kleinerer
Teil einen andern Weg ein und begibt sich, nachdem er das Solitär-
bündel eine kurze Strecke begleitet hat, an dessen unterer Seite weiter
medialwärts. Ein Teil davon endet dorsal von dem Fasciculus solitarius.
Dieser dorsale Bulbärkern — sehr auffallend beim Krokodil — ist jedoch
bei Vögeln nur klein. — Etwas zahlreicher (namentlich beim Kasuar) sind
die Fasern, welche zwischen dem zentralen Längsbündel und dem
dorsalem, motorischen Vaguskern enden. Dieselben bilden medial von
letztgenanntem Kern ein feines Netzwerk (dorso-med. Vagus-Grau Fig. 138).
DIK SENSIBLEN BRANCHIALNERVEX PER VOOET,.
303
d(nAe- faf-
dtrUo- ty]td
Fig. l'iHA. Vaguswurzel, Fasciculus solitarius
unfl dorsomediales Grau mit Fasernetz
beim Kasuar (ziemlich kaudal).
(Neben dem Fase. long, centr. drei XII. Zellen).
Dieses Netz ist bei dem Kasuar viel deutlicher entwickelt als hei
andern Vögeln: Spheniscus,
Col3'mbus, Ciconia, wo ich
es kaum angedeutet fand.
Wie beim Varan wird es
auch beim Kasuar kaudal-
wärts größer, es ist aul'
dem Niveau der Commis-
sura infima unterhalb der-
selben noch deutlich ent-
wickelt.
Wo der Hypoglossus-
kern in den Schnitten auf-
tritt, dehnt sich der me-
diale, sensible Vaguskern
etwas über ihn aus und
keilt sich zwischen ihn und
den dorsalen, motorischen
Vaguskern ein (vergl. Fig.
1384), wie beim Varan, so-
dasz er auch hier als ein
primitiver Nucleus intercalatus betrachtet werden kann.
Die kleine sensible Facialiswurzel der Vögeln ist wahrsclieinlich mehr
allgemein sensibel als
gustatorisch in ihren
Bestandteilen.
Bedenkt man näm-
lich, dnQ die meisten
Vögel nur 40—00
Geschmacksknospen
haben, und die große
Mehrheit derselben
im Glossopharyn-
geusgebiet liegt, dann
bleibt für den Facia-
lis höchstens ein Drit-
tel dieser Zahl zur
Innervation übrig.
In der Oblongata
angelangt, biegt er
Fig. 1.38/i. Glossopliarvngeiiswurzel und I'ascieulus solitarius i i i i i ■ ,
., „ A II' t i • T^ bald nach hmten, um
mit l'asern zum norso-med. rasernetz beim Kasuar
(frontal von Fig. 1:«,.). sich als priivagaler
Teil dem Fasciculus
solitarius anzuschließen.
30 i DIE SENSIBLEN BRANCHIALNERVEX DER VÖGEL.
Hierin stimmt er also V(")llig mit dem übliclien A'erhalten dieser Wur-
zel ülierein.
Die Hauptsache von dem, was uns die Vogel in bezog auf den Bran-
chialnerven lehren, ist dieses, daß wir hier bei einer ausgesprochenen
Atrophie des Geschmacks eine auffallend starke Entwicklung des Fase,
solitarius, d. i. der absteigenden IX. und X. Fasern haben, und daß es
also sehr unwahrscheinlich ist, daß die absteigenden Vagus- und Glosso-
plmryngeus-Fasern etwas mit der Geschmacksfunktion zu tun haben.
^ Was die iiiotorischcii Kerne dieser Nerven anbelangt, verweise ich auf
Kap "\\ Hier sei nur erwähnt, daß der motorische Glossopharyngeuskcrn
ganz, der ^"aguskern grcißtcnteils dorsal liegt. Der Vagusabschnitt ist, ent-
sprechend dem großen Magen un<l ilem muskulösen Beimagen (Kropf)
mancher Vögel, jedoch viel größer als bei Reptilien (A^ermeulen).
(Tbrigens stimmt der dorsale IX und X Kern in der Bezieliung mit
dem dorsalen Vagimkcrn letztgenannter Tiere überein, daß seine Wurzelfasern
eine Schlinge (Fig. 138 A) machen durch den seitlichen Abschnitt des
Fase, longit. centralis, welche Schlinge, wie dort, der Ausdruck ist einer
sekundären, seitlichen Verlagerung jenes Kernes, die bei den Säugern
noch viel weiter geht und dort zu einer fast völligen Verschmelzung des
dorsalen motorischen Vaguskernes mit dem sensiblen Kern jenes Nerven
(Neurobiotaxis) führt. (Die Schlinge geht bei den Säugern verloren).
Während von dem Glossopharyngeuskern bis jezt keine ventrale
A'erlagörung bekannt ist, kann man dies wohl vom Vagusabschnitt sagen.
Hinter dem frontalen Viertel der ganzen Säule zeigt ein ventro-
mediales Stück des Kernes, eine mehr oder weiniger eigene Individualität
dadurch, daß die Zellgrupe, um die es sich handelt, teilweise von dem
Rest des Kernes abgetrennt ist. Ein mehr kaudaler Abschnitt zeigt eine ven-
trolaterale ^Verlagerung (siehe weiter Kap. V, Fig. 254 und 256).
Ein besondere Veränderung zeigt der motorische Facialiskern, dessen
A'erhalten mit Hinsicht auf die Atrophie des Geschmacks bei diesen Tieren
ein sehr deutliches Licht auf die Bedeutung der Neurobiotaxis wirft.
Wie wir l)ei den niedern Vertebraten gesehen haben, wird die Lage
dieses Kernes sehr durch seine sensible Wurzel und deren A'erl)indungen
beeinflußt.
Wir haben gesellen, daß bei Tieren mit gering entwickeltem sen-
sililem Facialiskern, die motorischen Facialiszellen ihre primitive Lage
auf dem Wurzelniveau beibehalten, während sie bei stark entwickeltem
kaudalem sensiblem Facialiskern kaudalwärts wandern und sich dem mo-
torischen Glossoi)haryngeus und Vaguskern anschließen.
Dementsprechend ist zu erwarten, daß bei den Vc'igeln, wo der (kandale)
sensible Facialiskern so gering entwickelt ist, auch die kaudale A'erlage-
rung des motorischen \TI. Kernes ausbleibt.
Dies ist nun tatsächlich der Fall ; ja, es zeigt sich sogar, daß
DIE SENSIBLEN BKANCHIAI.NEKVEN DER SÄUGER. 305
der Kern hier frontalwllrix gewandert ist und sicli dem Trigeminuskern
anschließt. Bedenkt man nun, daJi dv.r motorische Facialiskern der Vögel
neben dem geringen Constrictor colli hauptsächlich den hintern Bauch
des Muse, digastricus innerviert, dessen vorderer Bauch vom Trigeminus
innerviert wird, dann sieht man hierin wieder ein Beispiel dafür, wie
die sensible Reflexen die Lage der Kerne influenzieren, denn für beide
Teile des Musculus digastricus gilt der Trigeminus als reflexauslösendes
Moment. (Vergl. Fig. 253—2.55 und Tafel III).
Die sensiblen Branchiainerven der Säuger.
Von den drei in Rede stehenden Nerven führt auch bei den Säagern i)
der Vagus noch wirkliehe Hautäste. Diese bilden den R. auricularis jenes
Nerven, welcher, entstehend aus dem Ganglion jugulare, die Haut der
Ohrmuschel und des Meatus auditorius extei'iius innerviert.
Dieser Hautast entspricht zweifellos den Fasern, welche vom Vagus
intramedullär an die deszendierende Trigeminuswurzel abgegeben werden.
Von den sensiblen Glossopharyngeusfasern ziehen ebenfalls einige
Hautfasern (mit dem R. auric. X) nach dem äußern Ohr. Sie entstammen
dem Ganglion superius Glossopharj'ugei und sollen sich intramedullär der
deszendierenden V. Wurzel anschließen (Hekrick).
Tatsächlich hat Caj.al bei der Ratte Glossopharj-ngeusfasern in die
deszendierende V. Wurzel eintreten sehen.
Die sensiblen Schleimhautfasern des Glossopharyngeus- und Vagus
streben medialwärts und finden verschiedene Endigungsstellen. Die Mehr-
zalil biegt kaudalwärts um (warseheinlich ohne frontale Dichotomie) und
bildet das absteigende, solitäre Bündel, welches zwar nach einigen Autoren
hauptsächlich aus Glossopharyngeusfasern besteht (Forel, Bechterew und
Brun) aber sicher auch Vagusfasern enthält (KcIlliker, Bruce, Stüurman,
KoSAK.\ und YAfilTA).
In der Oblongata verläuft jenes Bündel direkt unterlialb der Area
Vagi (Fig. 139), welche den sensiblen und motorischen Oblongatakern
jener Nerven enthält.
Der Fasciculus solitarius der Säuger kreuzt mit einem großen Teil
i^k) seiner Fasern in der Commissura infima und endet dann auf der
kontro-lateralen Seite in dem Kern dieser Kommissur, dem CAJAL'schen
Kern. Die übrigen Fasern steigen ungekreuzt in das Zervikalmark ab.
Es ist nicht genau bekannt, bis wie weit diese absteigenden Fasern
reichen. Bei der Maus und der Katze sind sie kaudal von den Hinter-
strangkernen noch vorhanden (Cajau) und dürften sie vielleicht ins 2.
Halssegment liineinreichen.
Der Fasciculus solitarius wird in der Oblongata von einer Säulo grauer
') Für die sympathischen Knmponcnten dor Br.inchialnerven der r^juger siehe
Kig. -100.
Kappers. 20
306
niE SEXSIBLTCN r.PvAXrHIALXlCRVEX DER SÄUGER.
Substanz begleitet, deren größerer Abschnitt, an der medialen Seite gelegen,
als Nuclem fasc. solitarii bekannt ist, während der ihn an der ventro-
lateralen Seite begleitende Kern von Kohnstamm und Wolfstein als Nucleus
parasolüarius (Fig. 140) bezeichnet wurde.
TuMBELAKA (Fig. 140) fand beim Menschen die großen Zellen des
Nucleus parasolitarius bei einer gekreuzten Affektion des mittleren Drittels
des ventrolateralen Neothalamuskernes degeneriert, sodaß wir annehmen
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Fig. 139. Obere Ansicht des vierten Ventrikels des Menschen.
dürfen, daß jene Zellen die aufsteigende thalamische Verbindung (die
Glossopharyngeus- und ^'agusschleife) abgeben. Ähnliches wurde aucli von
V. Monakow nacligewiesen.
Der Nucl. parasolitarius soll auch Zellen enthalten, welche mit der Regu-
lierung der Atembewegungen zu tun haben, indem ihre Axonen mit der
lateralen Formatio reticularis in Verbindung stehen, die ihrerseits absteigende
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308
DIE SENSIBLEN BRANCHIALNERA'EN DER SÄUGER.
Bahnen, meistens gekreuzten, zum Rückenmark senden für die kostale und
Diaphragtnabewegungen (Fasciculus Thomasi : Thomas, IjEwandowsky,
Kohnstamm).
Nach Rothmanns Experimenten verläuft diese Bahn hauptsächlich im
Vorderseitenstrang, soweit sie die Innervation des Zwerchfelles anbelangt.
Die Bahn für die Thoraxatmung soll zum größten Teil durch den lateralen
Abschnitt des Vorderstranges ziehen.
Kosaka und Yagita fanden außerdem eine direkte Bahn, Fascicu-
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Fig. 141. Die nach Lilsion des Fasciculus solitaiius uiul ilossen in
nächster Umgebung aufsteigenden (oben) und absteigenden
(unten) Degenerationen, n. HiiiOSE (iVlARcmprepar.).
lus solitario-spinalis, aus der Umgebung des Solitärbündels zu den Atmungs-
zeutren des Rückenmarkes. Sie konnten ihre Fasern durcli das zentrale
Längsbündel, worin sie teilweise kreuzen, verfolgen bis in die Vorder-
stränge des Rückenmarks und zu den Vorderhürnern des Hundes.
DIK SENSIBLEN J5KANCHIALNERVEN DER SÄUGER. 309
Dieses Bündel erstreckt sich nündestens zum 4. Zervikalsegment (Phre-
nicus- Ursprung) und dient zweifellos der Respiration, was auch experimen-
tell nachgewiesen ist. Die Verbindung wurde von Hieüse (Fig. 141) beim
Kaninchen bestätigt i).
Da der Fasciculus solitarius nebst Fasern des Ganglion jugulare auch
solche des G. nodosum enthält und neben sensiblen Fasern des Magens,
des Oesopiiagus und des Pharynx solche der Schleimhaut des Larynx, der
Trachea und der Bronchien führt, bestätigen diese Tatsachen die Meinung,
daß die absteigenden Wurzelfasern mit der allgemeinen Sensibilität der
obern Eingeweide, namentlich auch mit deren Einflui^ auf die Atmung zu
tun haben.
Daß sie nicht, oder wenigstens nicht an erster Stelle Geschmacksfasern
sind, geht schon daraus hervor, daß der Vagusanteil au dem Solitärbündel
sicher recht erheblich ist und der sensible Vagus bei den Säugern kaum
noch Geschmacksknospen innerviert.
Die Endiguug von Vagus- und Glossopharyngeusfasern in dem Fasci-
culus solitarius und dessen Kernen ist jedoch nicht die einzige Endigungs-
art dieser Nerven.
Wie beim Kasuar gi))t es außerdem zwei andere Endigungen: einen
dorsalen und einen medialen Kern.
Fasern, welche an der medialen Seite des Fase, solitarius vorüljer ziehen,
enden in dem dorsalen Kern (B'ig. 142), den man — teilweise mitPecht —
als eine kaudale Fortsetzung des Nucleus triangularis Vestibularis (s. u.) be-
trachtet. Dieser Kern ist aber, wie bereits von Sala nachgewiesen wurde,
sicher nicht nur ein absteigender Vestibulariskern ; sein medialer Abschnitt
erhält eine nicht so ganz kleine Zahl von Wurzelfasern aus dem Glösso-
pharyngeus und den vordem X'aguswurzeln.
Ein anderer Teil der sensiblen Fasern läuft in medialer Richtung
weiter, um in den Nucleus intcrcalatus Staderini einzudringen, wie auch
von Brun und Fuse wahrgenommen wurde (Fig. 142: N. Stad.).
Bei den Säugern verlaufen diese ventral vom motorischen dorsalen
X. Kern, während sie beim Varan und Kasuar oberhalb dieses Kernes,
(zwischen ihm und dem Ventrikelljoden) zu dem entsprechenden Kern liefen.
Diese Diflerenz im Verlaufe von sensiblen IX. und X. Fasern zu dem
Nucl. intcrcalatus muß zweifellos dadurch erklärt werden, daß nicht
der Verlauf dieser Fasern sich geändert hat, sondern daß namentlich die Lage
des motorischen dorsalen Vaguskernes bei den Säugern eine mehr laterale
geworden ist, wie eine Vergleichung sofort zeigt (vergl. Fig. 138 und 142).
Die Endigung in dem STADERiNischen Kern läßt sich am schönsten
beoljachten bei den Edentaten : Tamandua vmd namentlich bei dem x\mei-
senfresser, Myrmecophaga jubata. ist aber auch beim Kaninchen recht deutlich.
M Dieser Autor fand auch einige Fasern, welche sich in dei' med. Schleife und im
zentralen Längsbündel nach oben begaben.
310
DIE SENSIBLEN BKANCHIALNEKVEN DEK SATGEK.
Der Nucleus intercalatus Stadekini (oder mediales sensibles IX und
X Grau) dehnt sich bei diesen Tieren, im allgemeinen bei Säugern, recht
weit kaudalwärts aus. Er liegt nicht nur interkaliert zwischen den moto-
rischen Vagus- und Hypoglossuskernen, sondern dehnt sich in das Gebiet
des sog. Nucleus funicidi teretis (Fig. 142) medial wärts aus, den Hypo-
glossuskern wie eine Kappe bedeckend, sodaß in hintern Abschnitten der
Üblongata die beiderseitigen Nuclei intercalati aneinander stoßen und Fasern
austauschen.
Frontalwärts vereinigt sich das mediale sensible Glossopharyn-
geus- und Vagusgrau mit dem dorsalen sensiblen IX. X. Grau, was
auch ihre funktionelle
A'erwandtschaft demon-
striert. Sekundäre Fasern
vom dorsalen Kern zum
medialen Kern oder N.
intercalatus, wie sie beim
Alligator in spärlicher
Zahl vorkommen, sind
von FusK und mir auch
bei Säugern beobachtet.
Erstgenannter hat sie
u. m. beim Menschen als
Triang u laris-iiUercalatus-
Bündel beschrieben.
Das mediale und dor-
sale sensible Grau der
Glossopharyngeus- und
Vagusfasern ist m. E.
eher mit dem Geschmack
und dessen Korrelationen
in A'erlnndung zu brin-
gen als der Fasciculus solitarius (s. weiter S. oV2).
Der Eintritt der sensiblen Facialisivurzcl i) {N. inlermedius Wrisbergi) und
ihr \\n-lauf nach hinten, direkt dorsal vom Grau der deszendierenden
Trigeminuswurzel, ist bei den Säugern ziemlich konstant.
Der Nerv führt — jedenfalls beim Menschen — außer Geschmacksfasern
gewöhnliche sensible Fasern der Zunge (Cushing, Opi'enheim), was daraus
hervorgeht, daß bei Trigeminus-Exstirpation die Zungenspitze ihre Empfind-
lichkeit für taktile Reize teilweise behalten kann. Außerdem vermittelt er
nach Hunt Sensibilität eines kleinen Teiles des äußern Ohres, des Mittel-
ohres, des Innern Ohres, der Tuba Eustachii und der Ccllulae mastoideae.
Es handelt sich dabei also wesentlich um ursprüngliche somato-sensible
Fig. 142. VagLiswurzel, Fasciculus solitarius, dorso-lat.,
Grau; dois. niot. X. Kern, luicl. Staderini uud im. XII
beim Kaninchen.
') Auch wolil N. glosso-palatinus genannt (Ra.m.sav Hunt).
DIK SKNSIBLKN BKANUHIAI.NKRVEN DEK SÄUGER.
Ul
Fasern, die erst später (weil iler Mund ein sekundäres Gebilde ist s. S. 317)
größtenteils zu sekundär-viszeriilen Fasern geworden sind. Anfänglich liegt
denn auch die absteigende VII Wurzel nahe dem V descendens.
Kaudal schließt sie sich aber dem Fasciculus solitarius an. Dieses
^\•rhalten ist indessen nicht befremdend, da nach den Wahrnehmungen
W.VLLENBERGS aucli die Fasern des Rani, lingualis Y. sich dem Fase,
solitarius anschließen (Fig. 143).
Letzteres beweist natürlich keineswegs, daß derRamus lingualis desTrigc-
minus Geschmacksfasern enthält' (wie Wai,leni!erg angibt). Eher das
Umgekehrte: denn ich habe schon darauf hingewiesen, daß es sich auch
beim Fasciculus solitarius wahr-
scheinlich an erster Stelle um
allgemein sensible Fasern innerer
Oberflächen handelt.
Wo die sensiblen Facialis-
fasern genau enden, und ob ilire
Geschmackskomponenten eine an-
dere Endigung haben als ihre tak-
tilen Fasern, ist nicht genügend
ermittelt. Letztere enden aber
wahrscheinlich in dem Grau des
Fasciculus solitarius, wo auch der
Ramus lingualis trigemini sich
auflöst.
Die ganze Phylogenese des
Fasciculus solitarius spricht also
dafür, daß es mit der allgemeinen Sensibilität der oberu und tiefern Luft-
wege zu tun hat und namentlich mit der Lungen-Atnuuig in Verbindung
steht, weil es erst dann in typischer Ausbildung auftritt, wenn die Kiemen-
atmung von der Lungenatrnung ersetzt wird.
Daß auch Fasern der Mundhöhle sich ihm anschließen, ist nicht
befremdend. Der Einfluß der peripheren Iteizung der R. r. linguales \', \'II
und IX auf die Atmung ist doch längst eine anerkannte Tatsache, die auch
durch die Versuche van Melles über Labokdes Methode der künstlichen
Atmung durch Zungentraktion bewiesen wurde.
Demgegenüber wissen wir durch vergleichende Untersuchungen bei
niedei'n Tieren (Fischen), daß Hj'pertrophie des Geschmacks gerade mit
Hypertrophie der bulbären Kerne zusammengeht, nicht mit Bildung ab-
steigender Fasern, die gerade dort, wo der Geschmack am meisten ent-
wickelt ist, am geringsten sind.
Wir werden denn auch wohl nicht fehlgehen, wenn wir auch bei
Säugern das bulbäre VII. IX. X. Grau als Hauptzentrum des Geschmacks
ansehen. Schwierig — unmöglich bis jetzt — ist aber die Entscheidung,
welchem der zwei bulbären Systeme dabei die Hauptfunktion zufällt: dem
Fig. 143. Verhalten der l-aseni tles diittoii
IVigeminusastes (naineiillicli des R. lin-
guali.s V) zum Fasciculus solitafius
beim Menschen; n. Wallenberg.
312 DIE SENSIBLEN BRANCHIAI.NERVEN DER SÄUGER.
dorsalen (das bei den Fischen, z. B. bei den Haien, die wiclitigste Rolle
spielt), oder dem medialen oder STADERiNischen Kein.
Die Tatsache, ilaß erst bei den Säugern der StaderiniscIic Kern seine
größte Ausdehnung besitzt, dürfte uns vielleicht dazu führen, bei den
Säugern jedenfalls dem letztern eine Hauptfunktion, namentlich für den
Geschmack der Zunge, zuzuschreiben.
Als Argument zu Gunsten dessen darf auch angeführt werden, daß
unter den Säugern der STADERiNische Kern gerade bei den Eodentiern
und Edentaten so mächtig entwickelt ist, deren Zunge reich an Geschmacks-
knospen ist, M'ährend er beim (fast) geschmackslosen Delphin sehr dürftig ist.
Diese Auffassung würde auch erklären, weshalb der Nucl. Staderini
l_>ei den Fischen, wo eine wirkliche Zunge fclilt, nicht vorkommt. Schließlich
spricht auch die Lage des ST.\DERiNischen Kernes, zwischen dem moto-
rischen Zentrum des Magens (Nucl. mot. dors. X) und der Zunge (XII)
sehr für diese Auffassunir.
Auf die motorischen Kerne des Vagus, Glossopharyngeus und Facialis
wei-de ich hier nicht weiter eingehen. (S. Kap. X. Tafel II und III).
Nur sei erwähnt, daß von den motorischen Vaguszellen nur die motorischen
Zentren der ungestreiften Muskulatur des Oesophagus, des Magens und der
Lunge ihren dorsalen Platz behalten haben (Kohnstamn, Kosaka, Yagita,
Vermeulen, FIudovernig, Stuurman n. a.).
Die einzige Differenz, welche ihre Lage mit der bei den Submammaliern
aufweist, ist diese, daß sie bei den Mammaliern mehr lateral liegen, dem
Grau des Fasciculus solitarius stark genähert, mit dem sie hier fast völlig
einheitlich geworden sind (vergl. z. B. Fig. 142 mit Fig. 124^).
Außerdem kommt bei manchen Säugern (Ungulata) am Calamus ein
Nucleus commissuralis motorius Vagi vor, welcher von Vermeulen zuerst
Ijeschrieben wurde, und der ebenfalls ein Ausdruck neurobiotaktischer
Einflüsse ist (siehe Fig. 274).
Frontal hat das viszero-motorische Zentrum der Speichelsekretion
(N. .Jacodsonii IX und Chorda t\'mpani des VII) eine mehr oder weniger
dorsale Lage bewahrt in der Nähe des sensiblen Zentrums jener Nerven.
Nach den Untersuchungen Yagitas und Hayamas finden sich diese
Zentren in der Nähe des Prontalpoles des sensiblen VII- IX. Kernes, d. i.
also in der Nähe derjenigen Nerven, welche den Geschmack innervieren,
und von welchen Kollateralen oder Schaltneuronen die Speichseisekretion
direkt beeinflussen dürften. Dabei bildet das Speichseizentrum der Chorda
tympani (VII) mit demjenigen des N. Jacobsonii (IX) eine gemeinsame
Zellgruppe, wie wir es aucli bei denjenigen Tieren wahrnahmen, wo noch
die ganze VII. IX. Muskulatur unter dem direkten Einfluß der ent-
sprechenden sensiblen Zentren stand (Haie).
Was die sonstigen sympathischen Zentren des Facialis anbelangt, so ist über ihre
DISKUSSION DKR PEKII'HEREN GESe'HM ACKSLIilTUNG. 313
Lage in der Oblongatii nur wenig bekannt. Es ist aber wahi-sfheiulicli, dal5 der
sog. NucleuH facialis dorsalin, den ieh in Kap. V. näher besprechen werde, die
zentrale Innerviitionsstelie der Traiieiiseliretion entspricht (Yagita).
Diskussion der peripheren Geschmaci<sleiiung in
Bezug auf den Trigeminus.
Bevor ich dazu übergehe, das zenti-ale Verhalten des Trigeminus
zu bespreelien, Avill ich zuerst einen Punkt erörtern, der in direkter
^'erllilldung mit dem bereits behandelten steht, nänilicli die Frage, ob dieser
Nerv* auch einen Anteil an der Geschniacksleitung nimmt, oder ob nur
die bis jetzt erwähnten Fasern des VII., IX. und X., dafür in Betracht
kommen.
Diese Frage ist namentlich für die menschliche Klinik von Wichtig-
keit, aber immer noch nicht mit völliger Sicherheit gelöst.
Darüber sind alle Forscher einig, daß die kaudalen Geschmacksareale
der Mundhöhle und des Rachens vom Glossopharyngeus und vom Vagus
innerviert werden.
Auch beim Menschen besteht in dieser Hinsicht kein Zweifel, wenn
auch dort das "N^agus-Geschmacksareal bedeutend eingeengt ist und nur
spärlichen Fasern des Nervus laryngeus superior eine solche Funktion noch
zukommt. Was den Glossopharj'ngeus anbelangt — der auch bei niederen
Wirbeltieren ein Ilauptgeschmacksnerv ist, bleibt ihm das hintere Drittel
der Zunge und der Pharynx von allen Autoren als Geschmacksareal
zugewiesen.
Über die Innervation des proximalen Geschmacksgebietes bestehen
aber Kontroversen, indem manche dem Trigeminus diese Funktion zu-
schreiben, während andere den Facialis als Geschmacksnerven der vor-
dem zwei Drittel der Zunge (und des (iaumens) betrachten.
Persönlich möclite ich für die Innervation des proximalen Geschmacks-
areales nur den Facialis in Anspruch nehmen, und zwar aus folgenden
Gründen :
1. Eine Hypertrophie des proximalen Geschmacksareales, wie sie bei
Fischen vorkommt, geht immer mit einer Hypertrophie der sensiblen Facia-
liswurzel gepaart, nie mit einer Hypertrophie der sensiblen Trigeminus-
wurzel.
2. Während in der Mundhöhle, wo sowohl Trigeminus als Facialis-
fasern zu den vordem zwei Dritteln der Zunge gehen, noch Zweifel mög-
licli ist über die Frage, welcher von beiden die Geschmacksknospen
innerviert, wird bei denjenigen Fischen, wo das proximale Geschmacks-
areal über die Lippen imd den Kopf hinaus sich auf den Rumpf oder die
Flossen ausdehnt, immer nur eine dementsprechende Vergrößerung der
peripheren Facialis und nie der peripheren Trigeminusäste gefunden.
3. Atroj^hie des proximalen Geschmacksareales geht stets mit einer
314 DISKUSSION DKR rEKIPHEKEN GESCHMACKSLEITUMG ■
Atrophie der sensiblen Facialiswnrzel Hand in Hand. Namentlich ist bei
den Vögeln, *wo die Gescliraacksorgane der vordem zwei Drittel der Zunge
fast völlig fehlen, die Chorda tympani und die intfamedulläre sensible
Facialiswurzel winzig klein. Demgegenüber ist aber bei vielen Vögeln der
Trigeminus stark entwickelt.
4. Alle Autoren, auch diejenigen, welche den Trigeminus als proxi-
malen Geschmacksnerven betrachten, schreiben der Chorda tympani den
peripheren Verlauf dieser proximalen Geschmacksfasern zu.
Die Chorda tympani erhält aber ihre Fasern aus dem Facialisgang-
lion, dem Ganglion geniculi, wovon */5 der Zellen nach Durchschneidung
der Chorda degenerieren (Gaetaxo und Amaf.ilixo).
Daß diese Zellen ihre zentralen Ausläufer in den Trigeminus schicken
sollten (etwa durch eine Verbindung mit dem Nerv, petrosus superfi-
cialis major), dafür besteht kein triftiger Grund.
5. Die Chorda tympani wird von allen rezenten Autoren, welche iin-e
Abkunft vergleichend anatomisch untersucht liabcn, von einem Facia-
lisast der niedern Wirbeltiere abgeleitet i).
Den Ramus petrosus superficialis major selber müssen wir, mit Dixox,
CoLE und Herrick, ebenfalls als einen Facialisast betrachten, auch
weil, wie Weiüner und Streetek bewiesen, die Zellen dieses Astes iin
Ganglion geniculi liegen. Wenn also Läsionen dieses Nerven (der u. m.
die Rami palatini abgibt für den Geschmack des Gaumens) Geschmacks-
Störungen ergibt, dürfen diese nicht als ein Argument zu Gunsten des
Trigeminus angeführt werden.
Betrachten wir demgegenüber die Argumente derjenigen, welche dem
Trigeminus die Rolle eines Geschmacksnerven zuschreiben, so sehen wir,
daß diese hauptsächlich auf der namentlich von Krause gemachten An-
gabe beruhen, daß bei der Exstirpation des Ganglion Gasseri der Ge-
schmack auf der vordem Zunge im Anfang oft gestört ist. Dasselbe wurde
von Sjierrixgton experimentell bei Aöen nachgewiesen.
Wallenberg, der eine teilweise Trigeminusganglion-Degeneration un-
tersuchte, wobei auch der Nervus lingualis degeneriert war, konstatierte,
daß Taktilität und Geschmack des entsprechenden (linken) Zungenrückens
gestört waren. (Eigentümlicherweise war auf der Spitze der Geschmack
nicht gestört).
Die Lehre von der Bedeutung des Trigeminus für die Geschmacks-
leitung bei den Menschen fand außerdem eine Stütze in einer Ar))eit
') Voll EwAUT, Coi.K, SriiONi:, Gheen uikI Bender wiid sio auf Jen Uaiiiiis inainJi-
bularis internus der Selachier zurückgefiilirt. Herriciv fühlt sie auf denselben Nerven
der Teleostier zuiücii und CotiHlLl, und Bender. demonstrierten dasselbe für die Amphi-
bien. Was das Verhalten bei den Reptilien und Vögeln anbelangt, verweise ich auf die
schone Arbeit Be.nder's über die Schleinihautiiste der VII., IX. und X., worin dieser
Autor zu demselben Schluß komt.
IN BEZUG AUF DEN TRIGEMINUS. 315
Köster'sI), deren Inhalt ich liier nicht eingehend kritisieren kann, gegen
die aber wichtige Bedenken erhoben werden können.
Ich möchte demgegenüber hervorheben, daß bereits Dana den Ge-
schmack ungestört fand in einem Fall von Paralyse des Trigominus,
und daß kurz darauf Bkuns betonte, daß bei der Exslirpation des Gang-
lion-GasHeri die Geschmacksstörung erheblich variieren kann.
Letztgenannter Autor l^eschrieb sogar einen guten Fall, wobei die
ii"/(X'.sseitige Totalextirpation jenes Ganglions gut gelungen war und der
Geschmack links ungestört erschien. Dieser Fall ist umsomehr wertvoll
für uns, weil bei demselben Patienten an der rechten Seite eine Facialis-
lähmung bestand, die mit Geschmacksstörung auf der vordem rechten
Hälfte der Zunge zusammenging.
Gushing, dem wir eine eingehende Untersuchung über dieses Thema
verdanken, betont ausdrücklich, daß er bei Trigeiaiinus-Exstirpation in 17 von
18 Fällen bei Untersuchung einen Monat nach der Operation keine Ge-
schmacksstörung konstatieren konnte, und Dävies, dessen Arbeit über
dieses Thema ich sehi' empfehle, fand in 17 gut untersuchten Fällen von
Trigeminusexstirpation 15 Mal den Geschmack völlig ungestört.
Dazu kommt, daß bereits LussaNxV .sich aus guten Gründen bestimmt
für den Facialis aussprach und Delprat in einem Fall von doppelsei-
tiger, zentraler Facialisparese den Geschmack auf dei- Zunge sehr gestört
fand. Anderseits gibt es Fälle von Trigeminusparalyse, wo auch der Ge-
schmack auf dem hinteren Drittel der Zunge erschwert war, welche doch
Consenu Omnium vom Glossopharyngeus innerviert wird.
Wir dürfen hier beifügen (Zwaakdemaker 1903) daß aus denjenigen
Fällen, wo nach Paralyse oder Exstirpation des Ganglion Gasseri der
Geschmack gestört war, noch nicht geschlossen werden darf, daß der
Trigeminus die Geschmacksinnervation für dieses Gebiet führt. Vollkom-
men Analoges is,t, nämlich mit Rücksicht auf den Geruchssinn, festgestellt
worden. Sowohl' von Kkausb- als von Wektheim Salomonson wurden chi-
rurgische Fälle beobachtet, wo nach Trigeminu.s-Durchschneidung an der
operierten Seite nicht nur (Tcschmackslähmung, sondern auch Anosmie
aufgetreten war und auch in Wallenbergs Fall von linksseitiger Trige-
minus-Läsion war der Geruch links gestört. Wir müssen m. E. in solchen
Fällen von Trigeminusläsion oder -Exstirpation sowohl die Ageusie als die
Anosmie als eine Sekundärerscheinung auffassen, die vielleicht infolge
des Ausfalles des trophischen Einflusses des Trigeminus auf die Schleim-
haut von Mund und Nase auftritt. Daneben ist wahrscheinlich bei der
') KöSTBR (im »Deutschen Archiv f. Klin. Med." Bncl. 68, 1900, S. 341^ und 505)
betiachtet in seiner lesenswerten Arbeit über den Facialis diese.i Nerven niclit als Ge-
schmacksnerven (S. 518) und bezieht sich dabei namentlich auf seine Fälle 33, 40 und
41, welche mich aber nicht überzeugen liönnen, umsoweniger, als Kösteü selber angibt,
daß die Geschmaclisfasern widerstandsfähiger siiid als die motorischen Fasern.
316 DER NERVUS TRIÜBMINUS.
Beurteilung des Geschmacks die Korrelation von eigentlichen Geschniacks-
reizen mit allgemeinen Empfindungen des Trigeminus notwendig.
Geschmacks- und Tastempfindung wirken auch beim Menschen bei
der Beurteilung schmeckender Substanzen sehr wesentlich zusammen (Van
Wayenbukg), wird doch der mehr oder weniger „croquante" oder (in
unangenehmen Sinne) der gelatinöse oder zähe Charakter der Sjaeisen,
sowie ihre Temperatur, welchen Faktoren bei der Beurteilung der Speisen
eine große Rolle zukommt, zweifellos vom Trigeminus ermittelt.
Mit Rücksicht darauf will ich hier an den bereits erwähnten Befund
Herricks erinnern, daß die Nahrungsreaktion auf Geschmack bei Fischen
gewöhnlich nui' durch Zusammenarbeiten von Geschmack- und Tastsinn
ausgelöst wird ; und daß Wegnahme eines von beiden genügen kann, das
Ausbleiben der Reaktion hervorzurufen (vergl. hierzu S. 279).
Auch der Versuch Paekers — (bei Durchschneidung des korrelativen
Verbandes zwischen Körpergeschmack imd Körpersensibilität blieb die
Xahrungsreaktion aus, während der Geschmack doch intakt war) — spricht
in diesem Sinne.
Man miili bei Läsiuntm des Trigeminus außerdem d;iuiil rechnen, daß das
entsprechende Areal der Zunge durch diese Liisiou nicht nur seine taktile Inner-
vation größtenteils einbüßt, sondern auch eine erhebliche Störung in der Em-
pfindung des undifterenzierteu cheniischeu (Sinnes erfährt (Shei.don).
Bedenkt man, daß Geschmacksempfindungen in der ganzen Tierreihe
immer mit Tastempfindungen des Trigeminus (auch mit dem undifferen-
zierten chemischen Sinn) korreliert sind, dann kann man sich lebliaft
denken, daß der Wegfall einer von zwei korrelierten Empfindungen den
Verband derart stört, daß zeitweise oder länger eine Ageusie entsteht,
sogar bisweilen auch dann, wenn die Trigeminusläsion nicht einmal sicht-
bare Störungen in der Trophik zur Folge hat.
Was die Innervierung der Geschnmcksknospeii selber anbelangt, müssen
wir aber auch für die Säuger und den Menschen daran festhalten, daß
ihr proximales Areal vom Facialis, das mittlere vom Glossopharyngeus
und der hinterste (beim Menschen sehr atrophische) Abschnitt desselben
vom ]''agus innerviert wird.
Der Nervus Trigeminus.
Ich werde denn auch den Trigeminus, oliwohl er zu den Branchial-
nerven gehört, gesondert behandeln. Nicht nur weil dieser Nerv keine
Geschmacksknospen innerviert, sondern auch weil er in anderen Hinsichten
sich unterscheidet von den übrigen — eigentlichen — Branchialnerven.
Während der Vagus, Glossopharyngeus und der Facialis sich bei
ihrer Entwicklung aus den branchiospinalen Hinterwurzeln von Amphi-
oxus durch einen fortschreitenden Verlust der Hautkomponenten und
eine Hypertrophie der viszero-sensiblen Fasern kennzeichnen, findet beim
DER NERVUS TRIGEMINUS. 317
sensiblen Trigeminus (Portio major dieses Nerven) das Umgekehrte statt.
Bereits in dem ersten Dorsalncrven von Amphioxus (Nerv II An-
tor.), der dem R. oplithalmicns V cntspriclit, sind die viszero-sensiljlen
Fasern verloren gegangen. Nur in dem zweiten Dorsalnerven dieses
Tieres (Nerv III Autor.) der dem 1!. maxillo-mandibularis V entsprechen
dürfte, sind solche vorhanden. Bei den Kranioten führt der Trigeminus
aber fast keine viszero-sensiblen Fasern mehr, (wenn man von den wenigen
sensiblen Sympathicusfäserchen zum Ganglion ciliare — ■ Fig. 121 — absielit).
Wirkliche Schleimhautäste führt er hier nicht. Zwar schickt er einen
Teil seiner Fasern in die Mundh<ihle, aber bekanntlich ist die Mund-
höhle der Wirbeltiere ein sekundär erworbener Besitz, welcher als eine
ektodermale Verlängerung des Primordialmundes aufti-itt, dessen ursprüng-
liche Vordergrenze von der Buccopharyngealmembran — etwa der Stelle
des Gaumenbogens entsprechend — gebildet winl.
Kaudal nun von dieser Stelle, entsendet der Trigeminus keine Aste.
Seine sensible Faserung ist also, von diesem Standpunkt aus betrachtet,
eine rein somatische.
Weil aber die sekundäre Mundliöhle sich bereits früh in der Keihe der Wir-
beltiere, ausbildet, und sie spater seitlich von der Außenwelt durch Backen-
muskulatur abgetrennt wird, wird die.ses Tnnervationsterritoriuin in mancher Hinsicht
allmählich ein „inneres", indem es funktionell stets mehr Anschluß an die Inner-
vation der Eaehen-Kehlkopfgegend erhält, und somit in funktioneller Hinsicht
ein „sekundär viszerales" Inner \'ationsterritorium genannt werden konnte.
Wir liaben bereids gesehen, daß dieser stets ausge[)rägter werdende funlitionelle
Ansciduß des Mundteiles der Trigeminussensibilität an diejenige des Eachens sich
phylogenetisch auch mehr und mehr in dem zentralen A'ei'halten jenes Nerven
manifeistiert (S. 311, Fig. 113).
Der größere Abschnitt der Trigeminussensibilität (Trigeminussensibilität
des äußern Kopfes) beiiält überall vollständig seinen Charakter als
„äußere" somatische Sensibilität.
Das Verbreitungsareal jener exquisiten Ilautäste vcrgrc'ißert sich sogar
in der Phjdogenese, was damit zusammenhängt, daß die Hautfasern des
Facialis und Glossopharyngeus bald verloren gehen und diejenigen des
Vagus ein stets kleiner werdendes Areal einnehmen.
Der Trigeminus hat noch eine andere auffallende Eigentümlichkeit,
durche welche er .sich von den andern Branchialnerven unterscheidet und
den somatischen Nerven der Rückenmarkshinterwurzeln mein' ähnlich ist,
nämlich den Besitz von intrazerebralen sensiblen Ganglionzellen.
Diese Ganglienzellen, welche den Nncleus meseyiceplialicus Trigemini
bilden, senden vielleicht bisweilen ihre Axonen teilweise in den 1. und 2.,
fast immer aber nur in den dritten Ast jenes Nerven.
Sie sind nicht vorübergehend, wie die transitorischen Zellen des
Rückenmarks, sondern bleiben während des ganzen Lebens bei allen Tieren
anwesend, stets in der Wand des Gehirns eingebettet, gerade wie die intra-
meilullären Ganglionzellen int Rückenmark der Zyklostomen (Fig. 58 und 59).
318 TRKiKMINl'.S-IIOMOLOlilKN T.FA AMPHIOXUS.
Es ist höchst eigentümlich, daii sensible Wurzelzellen im Rückenmark
entweder nur bei niedren Tieren oder in jungen Entwicklungsstadien vor-
kommen, während bei allen Wirbeltieren ein Teil der sensiblen Zellen des
Trigeminus bleibend im Mittelhirn vorkommt.
Am Schluß dieses Kapitels werde ich hierauf zurückkommen.
Hier will ich nur erwähnen, daß diese Zellen mit der Sensibilität
der Kaumuskeln zu tun haben, welche Muskeln sie mit dem mandibularen
Ast erreichen.
Auch in dieser Beziehung weisen sie also eine Übereinstimmung auf
mit den intramedullären Spinalganglienzellen (Vergl. Fig. 72) welclie
ebenfalls teilweise mit Muskelsensibilität zu tun haben (daneben führen
sie, wie jene, vielleicht taktile Fasern).
Daß diese Zellen in dem Mittclhirn liegen (obschon iln-e Fasern dem
Pars maxillo-mandiliularis und nicht dem vorderen Pars ophthalmicus zuge-
hüren) ist in Uebereinstimmung damit, daß wir das Mittclhirn werden
kennen lernen als ein ausgesjirochenes Korrelationsorgan von primitiven,
somatischen Eindrücken mit optis&hen und statischen Reizen, ein soma-
tiscli- vitales Korrelationsorgan (vergl. auch S. 323: Kleindruck).
Auch durch den Besitz jener intrazerebralen Ganglienzellen ist der
Trigeminus also den primitiven somatischen Rückenmarkshinterwurzelfasern
ähnlich, während die Tatsache, daß dieser Nerv keine Geschmacksbecher
innerviert, uns insofern nicht befremden kann, als diese Becher ursprüng-
lich entodermale Gebilde sind (.Johnston) und also von Anfang an dem
viszero-sensiblen System zugeh(")ren.
Diese obengenannten Faktoren, der exquisit somalosensible Charakter des
Trigeminus und der Mangel an Geschmackshechern in seinen Endigungen, gehen
dem Nerven einen so aparten Charakter im Vergleich zu dem Facialis, Glosso-
pharyngeiis und Kaf/t« und lassen seine sensible Wurzel sich so sehr einer dor-
salen^ somatischen Rückcnmarksivurzcl nähern, daß eine gesonderte Besprechung
wohl angewiesen ist.
Die Homologie des Trigeminus bei Amphioxus.
Daß der Trigeminus wesentlich zwei Nerven enthält, ist bereits er-
wähnt. Vermutlich entsteht er aus dem 1. und 2. Dorsalnerven von
Ampliioxus (Nerv II &, III Autor.), welche den Ranius ophtkahnicus, der
vor dem zweiten Myotom austritt und den Raums ■inaxillo-mandibtilaris, der
hinter dem zweiten Myotom austritt, bilden.
Die Kenntnis dieses Verhaltens verdanken wir den Untersuchun-
gen v.\N WvrtKs, welche später vielfach bestätigt worden sind, und welche
nachwiesen, daß das sensible Ganglion des Ramus ophthalmicus ^' (also
des ersten Quintusastes) in jüngsten Stadien der Entwicklung bei den
Kranioten auf dem Niveau des Mittelhirns angelegt wird und erst sekundär
kaudalwärts verscliiebt, um mit dem Ganglion des Nervus maxillo-mandi-
bularis (des zw'eiten und dritten Quintusastes) zu verschmelzen. Dieser
TKICEMINUS DKK ZVKr.OSTOMKX. 319
Vori>-anf;- wiederholt sieh in fa.st allen Klassen, mit Ausnahme der Zyklos-
tomeu und einzelner Ganoi'den und Selaehier (FuoRiicr).
Während aber die beiden den Trigemiuus der Kranioten zusammen-
setzenden Nerven bei Amphioxus wohl vorhanden sind und sich nur da-
durch von den Trigeminuskomponenten der höheren Tiere unterscheiden,
daß sie bei Am})hioxus getrennt bleiben (und iler hinteren der zwei, der
dem N. maxillo-mandibnlaris entspricht, die motorisclic Komponente der
Kiefermuskulatur fehlt), liegt auch insofern ein primitiver Zustand bei
Amphioxus vor, dali die somato-sensiblen Wurzelfasei'n, die sie zusammen-
setzen, zentral nicht ein so weit kaudahväi'ts deszendierendes Bündel bilden
als der Radix descendens Trigemini der Kranioten.
Ein solches Bündel ist hier aber, wegen der reichlichen Ausbildung
der somato-sensiblen Elemente in den hinter den primitiven Trigeminus-
wurzeln eintretenden bi-anchios]iinalen Wurzeln bei Amphioxus nicht zu
erwarten.
Das weite Absteigen des Radix spinalis \' bei den Kranioten beruht
doch offenbar auf der großen Reduktion der Somato-Sensibilität der anderen
branchialen Nerven, wodurch das nächste — • wenigstens das wichtigste —
Korrelationszentrum der Kopfsensibilität bei den Kranioten erst im Zervi-
kalmark liegt.
Ob von den intrazerebralen Spinalganglicnzellen, welche beide Trige-
minuswurzeln, wie alle Dorsalwurzeln des Amphioxus aufweisen, irgend
welche als Vorstufe der mesenzephalischen, intrazerebralen Zellen der
Kranioten zu deuten sind, ist nicht zu sagen.
Aus dem Gesagten geht hervor, daß wir in den beiden Dor.salnerven,
welche bei Amphiosus dem Trigemiuus entsprechen dürften, eine noch
größere Analogie mit den Hückenmarksliinterwurzeln finden, besonders
mit den somatosensiblen Komjwncnten derselben, als bei hciheren Tieren.
Dazu trägt noch l)ei, dass der hinteren Trigeminuswurzel von Amphioxus
eine motorische Komponente abgeht, infolge der .\bwesenheit von Kiefei'-
muskeln.
Der Trigeminus der Zyklostomen.
Bei den Zyklostomen weist der Trigeminus bereits einen ganz anderen
Charakter auf und erhält er zuerst sein besonderes Gepräge.
Bei Peiroiiiyzoni€7i un<l Myxlnoidoi ist dieser Nerv sehr groß. Bei
den letztgenannten Tieren tritt er auch dadurch noch besonders hervor,
daß die übrigen Oblongatanerven dort so sehr atro})hiert sind (Woiitiiing-
TON, Rötiiig).
Bei der Larve von Pctromyzon: Ammoeoetes (Tiiet.tako1''f) tritt der
Trigeminus noch mit zwei getrennten Bündeln ein, dem R. ophthalmicus und
dem R. maxillo-mandibularis, welche sich beide in der Oblongata dichoto-
mieren. Die aufsteigende Dichotomie ist aber eine sehr kurze und macht nur
den Eindruck eines Kollaterals. Die absleigenden DiclKitnniicn heiilcr Wurzeln
320 TKIGEMINUS DER ZYKLOSTOMEN.
können jedoch (mehr oder weniger getrennt) in der Oblongata weit nach
hinten verfolgt werden, namentUch diejenige des R. ophtliahnicus, welche
kaudal von den nicht sehr reichhchen Hautfasern des FaciaUs, Glosso-
pharyngeus und Vagus (S. 279) begleitet wird.
Beim ausgewachsenen Tier treten beide Aste vereint in die Oblongata.
Die am meisten kaudal eintretenden V. Fasern, welche dem Ganglion
maxillo-mandibulare entstammen, nehmen dfebei in der Oblongata eine
etwas dorsalere Lage ein als die Fasern des er.sten Astes.
Die erstgenannten Fa.sern splittern sich in der Oblongata allmählich
auf und ihr entsprechendes Bündel ist schon sehr dünn, wenn es den
Calamus scriptorius — die Übergangsstelle von Oblongata und Rücken-
mark — erreicht.
Einen mehr kaudalen Verlauf nimmt der R. ophthalmicus Trigemini.
Tretjakoff gibt sogar an, daß dieser bei der Larve allein den Ramus
descendens trigemini bildet. Er steigt bis ins Zervikalmark ab, wo er mit
der Sensibilität der oberen Halsnerven in Korrelation tritt, und wo seine
Reize, also die Reize von der Spitze des Kopfes, auf die motorischen Zentren
des Rumpfes übertragen werden.
^'a\ Vai.kenburü hat in seiner Trigeminus-Arl)eit darauf hingewiesen
— und wii- werden dies in den folgenden Zeilen häufig bestätigt finden —
daß im allgemeinen die sensiblen Fasern des ersten Astes am weitesten
absteigen und diese also Reflexe des Rumpfes hervorrufen können, während
die Fasern der Kieferäste des Nerven bereits eher aufgelöst werden und
— mittels sekundärer Verbindungen — vielmehr Einfluß auf motorische
Zentren der Oblongata ausüben.
Der überwiegend deszendierende Charakter der sensiblen Trigeminus-
fasern, welcher mit der überwiegenden Ausbildung der aszendierenden
Dichotomie der Hinterwurzelfasern des Rückenmarkes stark kontrastiert,
wird zweifellos durch das Hauptgesetz der Neurobiotaxis: die Bedeutung
korrelierter Reize für die Bahnbildung, bedingt, da am Kopfe das sensible
Areal des Trigeminus an dasjenige der obersten Spinalnerven grenzt, und
deren oft stattfindende gleichzeitige oder nacheinander erfolgende Reizung
zentral eine gegenseitige Annäherung der sie innervierenden Wurzelfasern
mit sich führt, irmsomehr, als die Hautäste der andern Branehialnerven
so kümmerlich entwickelt sind.
Daß die sensiblen Fasern der Kieferäste sich dabei eher auflösen als
diejenigen des ersten Astes, ist dem Umstände zuzuschreiben, daß deren
funktionelles Territorium mehi' den viszeralen Oblongatazentren ver-
wandt ist.
Von eigentlichen sensiblen Kernen des Trigeminus kann man bei
Petromj'zon nicht reden.
Die deszendierende Wurzel ist überall von kleinern und größeren
Zellen begleitet, welche in Bau und Anordnung mit dem somatischen
Rückenmarksgrau übereinstimmen und Fasern, namentlich gekreuzte sog.
TRIGEMINUS DER PLAGIOSTOMEN. 321
Kommissur- oder Bogenfasern nach den angrenzenden motorischen
Gebieten abgeben.
In der Oblongata ist es an erster Stelle die Umgebung des motorischen
Trigeminus- und des Facialiskernes, welche solche sekundäre Bogenfasern
aufnimmt, und im obern Zervikalmark ist es das Areal der motorischen
Rumpfzellen.
Ein intrazerebraler sensibler (mesenzephaler) Kern ist bis jetzt bei den
Zyklostomen noch nicht mit Sicherheit nachgewiesen i), und zwar weder
auf dem Niveau des Wurzeleintrittes, wo man ihn entsprechend seiner
Verwandtschaft mit den RoHON-BEARD'schen Zellen des Rückenmarkes
erwarten könnte, noch in dem Mittelhirndach, wo der Korn bei den höhern
Wirbertieren liegt.
Der motorische Kern des Trigeminus besteht bei Petromyzon aus sehr
großen pallisadenförmigen Zellen, welche eine sehr primitive Lage — in
der Nähe des Ventrikelependyms — einnehmen (Vergl. Kap. V).
Kaudalwärts geht er direkt in den motorischen Facialiskern über,
mit dem er bei den Bewegungen des Saugapparates funktioniert und
der auch auf sensible Trigeminusreize reagiert (siehe Fig. 206 und
Schema Fig. 205).
Bei den Myxinoiden sind beide Kerne in sehr ventrale Lage gekommen
(RöTHiG, Black), ganz in Anschluß an das Grau der sensiblen V. Wurzel
siehe Fig. 211, n. Röthig).
Der Trigeminus der Piagiostomen.
Bei den Piagiostomen nehmen die kaudaist eintretenden Fasern des
Trigeminus, diejenigen der maxillo-mandibulären Äste, in dem Areal des
V descendens die dorsalste Lage ein, während die mehr frontal eintretenden
Ophtalmicusfasern die ventralste Lage in diesem Areal haben. Der letzte
Abschnitt kann auch etwas kompakter sein als der erstgenannte obere
(maxillo-mandibuläre) Teil der Wurzel, ein Unterschied, der bei Teleostiern
(Fig. 145) manchmal ganz auifallend ist.
Daß bei einigen Haien die deszendierende V. Wurzel von Plautfasern
des Facialis (Fig. 124 B), bei allen von Hautfasern des Glossopharyngeus
und Vagus (Fig. 124^4) begleitet wird, ist schon erwähnt.
Der ganze Komplex dieses nunmehr aus verschiedenen Fasern auf-
gebauten, absteigenden Bündels wird von einer ziemlich gleichmäßigen
Säule grauer Substanz begleitet und endet auch hier teilweise in der
Oblongata selber in der Nähe des Ventrikelbodeus (Wallenberg).
Die Mehrheit der Fasern — namentlich des ventralsten, ophthalmischen
') In Verbindung mit der ganz andern Organisation der Mundmuskoln ließe dies sich
vielleicht erklären, da die Radix sensibilis mesenc. der andern Vertebratcn — soweit
bekannt — die Sensibilität der Kaumuskeln innerviert (siehe Seite 344).
Kappers. 21
322
TRIGEMINUS DER PLAÖIOSTOMEN.
Bündels- endet ziemlich weit kaudal in dem Zervikalmark, im Anschluß
an Endigungen sensibler Zervikalnerven.
Ein wirklicher frontaler sensibler V. Kern, auf dem Niveau des Nerven-
eintrittes, kommt auch bei den Selachiern noch nicht vor (van Valken-
burg), eben so wenig wie eine Trigeminusschleife zum Zwisehenhirn.
Aus dem spinalen V. Kern entstehen aber, auiier reflektorischen Neu-
ronen zu den Vorderhörnern, auch aufsteigende Fasern, welche in der Oblon-
gata lateral von der Oktavusschleife verlaufen und wie jene in dem Tektum
und der Mittelhirnhaube enden,
ventro-lateral von den Oktavusfa-
scrn (s. Kap. VIII, Fig. 418—420).
Diese Projektion des kaudalen
Kernes ist die älteste frontale Trige-
minusprojektion.
Sie entspricht aber nicht einer
Schleife, sondern ist als Homolo-
gon der primitiven, vitalen Projek-
tionsbahn des Rückenmarks zu be-
>-.
o/,^
Fig. 144a. Lage des mesenzeplialen V. Kernes
und zentraler Verlauf seiner Wurzel bei
Scyllium; n. Johnston. A. medial, C. lateral.
Fig. 144!). Austritt der mesenzephalen
Trigeminuswurzel bei
Scyllium; n. v. Valkenburg.
trachten und In'ingt die vitalen Kopfempfindungen in Korrelation mit
gravi-statischen und photo-statischen Empfindungen.
Im Gegensatz zu den Zyklostomen ist der mesenzephale Trigeminuskern
hier sehr evident (siehe Fig. 144a und 1446).
Der Kern besteht aus großen runden oder birnförmigen Ganglienzellen
(Fig. 144a), welche sich nahe der Raphe des Mittclhirndaches häufen, von
der Commissura posterior (c.p.) zum Velum anticum cerebelli, manchmal
zwischen den Ependymzellen des Ventrikels liegend.
Ihre Dendriten sind kurz, mit Ausnahme des großen zellulipetalen
Ausläufers, der zur Peripherie geht, und der auch ein Dendrit ist.
TRIÜEMINUy DER TELEOSTIER.
323
Den Aquaeductus Sj'lvii umgebend, ziehen dieselben kaudalwärts als
mesenzephalisehe V. Wurzel, lateral von der aufsteigenden Trochlearis-
wurzel. Auf dem Niveau des motorischen Trigeminuskernes biegt sie dorsal
von der motorischen Wurzel seitwärts um auszutreten (siehe Fig. 1-lib).
Der weitere Verlauf ist nicht genügend ermittelt. Wahrscheinlich
begibt sie sich in den maxillo-mandibulären Teil des Nerven (nach Analogie
mit dem Verhalten bei höheren Tieren, s. S. 342 — 344).
Die Tatsache aber, daß die Zellen bei deu Plagiostomen im Mittelhirndach,
also in dem Oplithalmieus — Neuromer liegen, laßt uns vermuten, daß der Ansehhiß
an die mandibularen l''asern ein sekundär erworbener Zustand ist.
Die mesenzephalische Trigeminuswurzel gibt etwa auf dem Niveau, wo
sie zur Peripherie tritt, Aste ab, an den motorischen V Kern und weiter
kaudal.
Diese Aste sind als die Achsenzylinder des Nerven zu betrachten.
Es handelt sich bei dieser Wurzel also um eine sensible Wurzel, deren
Ursprungszellen (Ganglion) im Mittelhirndach liegen und deren zentri-
petale Ausläufer nur kurz sind und fast unmittelbar in den motorischen
Trigeminuskern und weiter kaudal (im Facialiskern ?) enden.
Der Umfang der Portio motoria ist viel geringer als die sensible
Wurzel und wird deshalb als Portio minor bezeichnet.
Ihr Kern liegt dorsal auf dem Niveau des Wurzeleiiitrittes.
Im Gegensatz zu den Zj'klostomen ist er nicht mehr kontinuell mit
dem motorischen VII. Kern,
weil letzterer hier kaudal-
wärts gewandert ist und an
den motorischen IX. und
X. Kern Anschluß bekom-
men hat; (siehe weiter Kap.
V und Fig. 212).
Der Trigeminus der
Teleostier.
Bei den Tcleoslier)i sind
die beiden Abschnitte der
absteigenden sensiblen Trige-
minuswurzel meistens deut-
lich getrennt, namentlich bei
Lophius piscatorius (siehe
Fig. 145 und HG), docli
f
ac.
idiriq.fi.m.m.
f^
c. n u.
Fig. 145. Unterschied in Farbe und Umfang zwischen
dem Pars niaxillo-mandibulans(r. d. trig. p m. m.) und
dem Pars ophthalmicus (r. d. trig. p. o.) des Trigeniinus
bei Lophius piscatorius. (Vergl. Fig. 132.) (Zeichnung
von Droogleever Fortuyn).
auch bei Gadus (Fig. 132).
In der Oblongata ver-
läuft der R. ophthalmicus
ventral von den etwas kaudaler eingetretenen losen Faszikeln des Ramus
324
TRIGEMINUS DER TELEOSTIER.
E. 111. 1)1. V Lob. Seiis. X
R. X
maxillo-mandiliularis, von welchem er sich durch die dunklere Farbe
unterscheidet (siehe Fig. 145, 132).
Der dorsale und ventrale Abschnitt der absteigenden Trigeminuswurzel,
des Pars maxiilo-mandibularis und des Pars ophthalmicus, verlaufen mehr
kaudal bei Lophius ganz getrennt (v. Valkenburg): Zwischen diesen beiden
tritt der Nervus vagus aus (Fig. 140). Die dorsale Abteilung kommt dann
mehr und mehr dorsal und endet unter steter Abgabe von Markfasern in das
benaclibarte Grau, (Fig. 146), noch bevor die spinalen Nerven eintreten.
Die ventrale Abteilung, der R. ophthalmicus, reicht weiter kaudalwärts
und verliert dort einen beträchtlichen Teil seiner Fasern. Was noch
übrig bleibt, wivtl unigeben von zwei Nervenbündeln, aufsteigende Faserndes
R. niax. niaiui. V crstcn uud zweitcu sen-
siblen Zervikalnerven,
die — wie ich bei der Be-
schreibung des Rücken-
markes erwähnte — star-
ke Wurzelbündel in fron-
tale Richtung (Fig. 70)
schicken.
Erst hinter dem ersten
Spinalnerven entzieht
der R. ophtlialmicus V
sich einer weitern Ver-
folgung.
Wir finden also auch
hier, daß der Kieferast
sich mehr in der Oblon-
gata auflöst, während der
Ramus ophthalmicus, der die veiitralste Lage in dem deszendierenden
Bündel einnimmt, am weitesten kaudalwärts absteigt und Korrelationen
mit dem Rückenmark (Schultergürtel und Brustflossen) hat.
Wahrscheinlich ist diese Sachlage wichtig mit Hinsicht auf Flossen-
reflexe, welche von Kopfempfindungen (Angelapparat) ausgelöst werden.
Obwohl die graue Substanz der Rad. spin. V frontal bei manchen
Teleostiern etwas reichlicher ist (Nucl. princeps, V Fig. 302), ist auch hier
eine in dieser Region entstehende V. Schleife nicht nachweisbar, obschon
wenige gekreuzte Fasern zum kaudalen Abschnitt der Mittelhirnbasis ziehen.
Dagegen kommen aus dem großen spinalen Kern zahlreiche Bogenfasern
hervor, worunter auch solche zum Mittelhirndach. Sie sind begleitet von
sekundären Fasern der zervikalen Sensibilität und sind den EoiNGERSchen
Fasern der primitiven vitalen Sensibilitätsleitung zu homologisieren.
Außer der deszendierenden, sensiblen Wurzel ist auch bei den Teleo-
stiern eine sensible mesenzephale Wurzel vorhanden, welche zuerst von van
Gehüchten beschrieben wurde.
Fig. 146. Trennung des R. max. mantl. V von dein
R. Ophthal m. V durch die eintretende X Wurzel.
Der R. max. mand. fangt an zu enden.
Der R. ophthalmicus geht weiter kaudalwärts
TEIGEMINUS DER TELEOSTIEK.
325
Die Ganglienzellen jener Wurzel liegen bei diesen Tieren jedoch nicht
in der dorsalen Mittellinie des Tectum opticum, sondern haben sich unter
dem frontalen Abschnitt desselben angehäuft, oder dort, wo das Tektuni
in die posthabenuläre Region des Gehirns übergeht (nahe dem Niveau der
Comraissura posterior; Fig. 147).
Dort bilden sie rechts und links einen Kern von birnenförmigen,
großen Zellen mit kurzen, sich bald, aber spärlich, verästelnden Dendriten.
Tect opt.
.^^i^Bäm
Co. trans
^l/^lli.
Der periphere Ausläufer (eigentlich Hauptdendrit) dieser Zellen verläuft
unterhalb des Ventriculus tecti optici rückwärts und tritt in dem frontalsten
Abschnitt des V. Wurzel-Austrittes aus, etwa auf demselben Niveau, wo auch
die motorische V. Wurzel austritt, dorsal von und parallel derselben.
Obschones wahrscheinlich ist, daß die peripheren Ausläufer in den man-
dibularen Ast gehen, Nu. mes. V
ist dies bei den Te-
leostiern nicht sicher
bekannt. Wohl erhält
man den Eindruck,
daß sie Fasern abge-
ben (aus dem Dendrit
entstehenden Axonen),
die das Niveau des
Wurzelaustrittes nach
hinten überschreiten
und dem motorischen
Trigeminus (und Faci-
alis?) -Kern zustreben.
Die motorische V.
Wurzel der Teleostier
— die Portio minor — ■
weist zentral je nach
dem Tier, welches man
untersucht, verschie-
dene Verhältnisse auf,
welche von der Lage ihres Kernes a])hängen (vergl. Kap. V).
Man findet bei den Knochenfischen — - je nach der Ausbildung der
Bahnen, welche den Kern reizen (namentlich der sekundären Geschmacks-
bahnen : Zyprinoiden, Siluroiden, in andern Tieren auch unter Einfluß
zerviko-bulbärer Keflexe: Lophius, Orthagoriscus) eine sehr verschiedene
Topographie, indem der hintere Abschnitt des Kernes die Tendenz hat, sich
in ventro-lateraler und kaudaler Richtung zu verlagern (Neurobiotaxis).
Bei einigen (Chipea, Osmerus) hat nur ein kleiner (kaudaler) Abschnitt eine
^ erlageruDg in ventrolateraler Richtung erfahren, bei andern fast der ganze Kern
(Fig. 223).
Fig 147. Lage des niesenzephalen Trigeminuskernes
unter dem vorderen Tekturaabschnitt bei Monop-
terus albus; n. Van deu Horst.
326 TRTGEMINUS DER AMPHIBIEN.
Angesichts der Tatsache, daß der hintere V. Kernabschiiitt in dem Grade und
der Richtung seiner Migration eine sehr große Analogie mit dem Faeialiskern zeigt,
ist es möglich, daß er denjenigen Abschnitt der V. Muskulatur innerviert, welche
am meisten mit der Facialismuskulatur zusammenwirkt, d.i. den Eetractor mandi-
bulae. Übrigens verweise ich nach Kapitel Y.
Der Trigeminus der Amphibien.
Die Teleostier sind im allgemeinen scharf differenzierte Tiere.
Bei den AmpMbien sind die A'erhältnisse in diesem Gebiet nicht so
leicht übersichtlich und nicht überall dieselben.
Bei den geschwänzten Amphibien — wobei außer dem Vagus auch
der GlossophaiTngens und Facialis noch Hautäste aufweisen, wird die
deszendierende A' Wurzel von Fasern aus diesen drei Nerven verstärkt
(Vergl. S. 294). — Beim Frosch könnte ich darin nur Zusätze aus dem
Vagus nachweisen (Fig. 134 B).
Dabei machen die Präparate des Frosches den Eindruck, daß ein Teil
des dorsalen Abschnittes der Radix descendens sich bereits in der Region
der Oblongata in dem, dem Ventrikel benachbarten Grau erschöpft.
Interessant ist aber die von Wallenberg beim Frosch auf degenerati-
vem Wege festgestellte Tatsache, daß ein großer Teil der deszendierenden
V. Wurzel dort bis in das Lumbaimark (ins 8. Spinalsegment) absteigt,
teilweise am Calamus kreuzend, und, den lateralen Abschnitt der Hiuter-
stränge bildend, zu der A'^ergrößerung des Hinterstrangareales beiträgt
(Vergl. S. 153): Es handelt sich dabei um Ophthalmicusasern.
Ebenso wie bei den Teleostiern die Sensibilität des Kopfes besonders
in Korrelation tritt mit der zervikalen Sensibilität und (indirekt) mit der
Motilität der Brustflossen, so wird beim Frosche eine Korrelation zwischen
der Sensibilität der vordem Kopfspitze und der Sensibilität und Motilität
des Lumbahnarkes zustande gebracht, was (Valkexburg) damit in Verbin-
dung stellten dürfte, daß, ebenso wie bei manchen Fischen, die Brustflossen
die wichtigsten Organe für die Fortbewegung des Körpers sein dürften,
diese Rolle bei den Fröschen von den hintern Extremitäten erfüllt wird.
Die deszendierende V. Wurzel der Amphibien hat auch eine Projek-
tion auf das Mittelhirn. Schon beim Axolotl sind von Herrick in dem
Grau dieser AVurzel Zellen nachgewiesen (deren Dendriten auch mit dem
Grau des Fase, solitarius in Verbindung stehen), deren Achsenzylinder nach
Kreuzung zum Tectum opticura aufsteigen, wo sie kaudal von den spino-
tektalen Fasern und im Anschluß an dieselben enden. Ebenso wie die
spinotektalen Fasern sind die tektalen Fasern des Trigeminus als sekun-
däre Bahnen der primitiven, vitalen Sensibilitätsleitung zu betrachten.
Auch beim Frosch gibt es solche Fasern aus der Region des spinalen
V Kernes.
Ob aber aus dem frontalsten Abschnitt jener grauen Substanz, dem
sog. frontalen sensiblen Trigeminuskern, bereits eine Projektion (Trigeminus-
schleife) zum Zwischenhirn hervorgeht, ist zweifelhaft.
TRIGEMINUS DER KKPTILIEN.
327
Nu. mes. V
com cb /
com. cb
^'on Bindewald wurde bei Proteus eine komraissurelle Verbindung
jener Kerne beschrieben (Commissura intertrigemina), deren Natur jedoch
noch einer weiteren Untersuchung bedarf (Fig. 148 Com. cb?).
Auch die sensible mesenzephale Wurzel ist bei den Amphibien vorhanden
(Cajal, Johnston, Hekrick) und Hegt, wie bei den Haien, hauptsächHch
nalie der Mittellinie des Tectums (Fig. 148). Die Zellen dürften sich aber
nicht so weit frontalwärts ausdehnen, wie bei den letztgenannten. Interes-
sant ist eine Wahrnehmung Johnston's, der bei Larven von Amblystoma
und Desmognathus jene Zellen in einer so oberflächlichen Lage fand,
daß .diese an die Lage der intramedullären sensiblen Ganglienzellen, der
RoHON-BEARD'schen Zelle der Fische erinnert, mit denen diese Zellen
tatsächlich zu homologisieren sind. Silberpräparate zeigen, dali sie im
Prinzip denselben Bau haben wie bei den übrigen Tieren.
Der A''erlauf der kaudalen Fortsätze (Fig. 148) ist derselbe wie bei
allen andern Tieren.
Li der Nähe der motorischen
Wurzel zieht das Bündel lateral-
wärts, und tritt mit den Fasern der
sensiblen Radix descendens V aus.
Bevor er austritt, gibt er Kollate-
ralen (eigentlich seine Achsenzy-
linder) an den motorischen Trige-
minuskern und sogar an den moto-
rischen Facialiskern ab (Herrick).
Die motorische V. Wurzel (Vergl.
Kapitel V) auch bei den Amphibien
bedeutend kleiner als die sensil)le,
entstanniit einem auf dem Niveau
des Wurzeleintriltes dorsal gelege-
nen Kern.
Beim Frosch liegt der motorische Facialiskern in seiner direkten Nähe i)
(ohne damit jedoch kontinuell zu sein, wie bei den Zyklostomen).
Der Trigeminus der Reptilien.
Bei den Reptilien zeigt der sensible Trigeminus große Unterscliiede,
je nach der untersuchten Ordnung.
Am größten ist er bei Krokodillen, wo namentlich die deszendierende
Wurzel sehr auffällt (Fig. 150.) was mit der Verlängerung der Schnauze
bei diesen Tieren zusammenhängt.
Schon makroskopisch sieht man, daß die mächtige Entwicklung der Eadix
descendens den vierten Ventrikel zu einer schmalen Spalte einengt. (Fig. 149.)
Fig. 148. Lage des Nucleus raesen-
cepbalicus Trigemioi bei Nectuius;
n. G. J. Herrick.
') Bei den geschwänzten Amphibien liegt dei- motorischen Facialisitern weit davon
entfernt, in der Nähe des motorischen Giossopliaryngeus- und Vaguskei'nes.
328
TRIGEMINUS DER REPTILIEN.
Pars inipar.
nies
Hab.
Fig. 149. Obere AiiKicht des lliinstanimes von
Crocodilus poiosiis.
Man beaclite die Einengung des Ventriliels durch die
starlie Entwicklung der somato-sens. Region
(besonders des V. desc).
Bei den Schlangen dagegen ist die mesenzephale Wurzel sehr stark.
Bald nach seinem Eintritt gibt der Trigeminus (Beccaki, Ingvar)
einige Fasern zum Cerebellum ab, welche dem oberen Abschnitte des-
selben zu entstammen schei-
nen und also tler Sensibi-
lität der unteren Aste {Mus-
kelsensibilität ?) entsprechen
dürften.
Diese Fasern begleiten
die dorsale spino-cerebellare
Bahn (siehe Fig. 369).
In der Oblongata zeigt
sich bloß ein geringer Un-
terschied in der Struktur
des obern (maxillo- mandi-
bularen) und des unteren
(ophthalmischen) Abschnit-
tes.
Die deszendierende Wur-
zel kommt allmählich dor-
saler, und auf dem Niveau des Vaguseintrittes schließen sich die Haut-
fasern jenes Nerven ihm an (Fig. 135). Der ventralste Abschnitt scheint auch
hier am weitesten kaudalwärts abzusteigen. Wie weit er absteigt, ist aber
ohne degenerativen Untersuchungen nicht zu sagen.
Die deszendierende Wurzel ist beim Alligator auf ihrer ganzen Länge
von einer Säule grauer Sub-
stanz, dem sog. Grau der
deszendierenden V. Wurzel, be-
gleitet, ^vie es auch bei niedern
Wirbeltieren der Fall ist.
Frontal von dem Niveau
des VI. und VII. Kernes fängt
diese graue Substanz der Wur-
zel mächtig zu schwellen an und
wird sie bald zu einem großen
nierenförmigen Körper, dessen
Ililus medialwärts gerichtet
ist. Dies ist der frontale sen-
sible V. Kern (Fig. 150), der
auf dem Niveau des motori-
schen V. Kernes, den er fast
berührt, seinen größten Um-
fang erreicht.
Dort ist die graue Substanz beim Alligator viel mächtiger entwickelt
SSSflil^
Fig. ISO. Frontaler sensibler Trigeminuskern
bei Alligator sklerops; nach de Lange.
TRIGEMINUS DER REPTILIEN.
329
und unterscheiden sich die Reptilien von den niedern Tieren besonders da-
durch, daß hier ein ausgeprägter frontaler sensibler Trig&minmkern vorkommt.
Als spinaler Trigerninmkcrn ist das Grau zu betrachten, welches auf
dem Niveau des ersten Zervikalnerven den Kopf des Hinterhornes bedeckt.
Dieses Grau weist zuerst bei den Reptilien einen gelatinösen Bau auf
(Substantia gelatinosa Rolando), welcher jedoch bei den Vögeln (Fig. 88 A)
und namentlich bei den Säugern (Fig. 111 und 113) viel ausgeprägter wird.
Aus beiden Kernen kommen sekundäre Fasern zum Vorschein.
Die aus dem frontalen sensiblen V. Kern traversieren den Kern teil-
weise. Sie begeben sich zum Teile in etwas dorsaler Lage zu der kontra-
lateralen Hälfte der Oblongata und sind vielleicht Reflexfasern für den
motorischen Kern der andern Seite. Doch begeben sich auch gekreuzte
Fasern aus diesem frontalen sensiblen V. Kern in ventraler Richtung. Ob
diese bereits eine Trigeminusschleife darstellen, d. i. ob Fasern aus diesen
Kern zu den Thalamuskernen ziehen, läßt sich ohne weiteres nicht sagen.
Es ist mir jedoch wahrscheinlich, daß eine solche Trigeminusschleife aus
dem frontalen V. Kern hier schon vorhanden ist, weil auch der mediale
Thalamuskern (b.) (siehe Kapitel VIII) schon bei den Reptilien anfängt
sich auszubilden und dieser Kern, wie bei den Säugern, ein thalamischer
V. Kern sein dürfte.
Es wäre nicht befremdend, gerade bei den Reptilien zuerst diesen
Projektionsweg zu fin-
den, der (wie die me-
diale Schleife des Rück-
kenmarkes) eine höhe-
re Bedeutung haben
dürfte, weil man auch
grade hier in dem
peripheren Trigemi-
nusgebiet zahlreiche
zusammengesetzte
Tastkörperchen (u. a.
PACiNi'sche Körper-
chen) findet, die einer
hölieren Sensibilitäts-
projektion entsprechen
dürften.
Aus dem Grau des
spinalen V. Kernes und
dem angrenzenden
Rückenmarksgrau ge-
hen kreuzende Bugen-
fasern hervor, welche
meistens als kurze Reflexfasern zu den benachbarten motorischen 2fentren
Nu. magii.
Ku. lam. '
^tact. -futsE
iTT
Fig. 151. Sagittalschnitt durch das Kleinliini und Mittel-
hirn von Alligator sklerops; n. de L.\nge.
330
TRIGEMINUS DER REPTILIEN.
ZU deuten sind und retiektorische Kopf- und Nackenbewegungen hervor-
rufen, teilweise auch spino-raesenzephale (EoiNGERSche) Fasern sein dürften.
Wie bei den andern Tieren ist aucli l)ei den Reptilien die Radix
descendens nicht der einzige sensible Trigeminusabschnitt. Auch hier
kommt eine Badix sensibilis mcsencephalica vor, welche von Johnston
für die Schildkröten, von v. Valkenburg auch für die übrigen Reptilien
beschrieben wurde.
Beim Alligator und bei Chelone finden sich ihre Zellen über die
ganze Länge des Tectums und kommt — ähnlich wie bei Scyllium — ein un-
Ccr. Nucl. V. nies.
Tectuni opt.
Fi
52. Mesenzophaler Trigeminus-
kern einer Schlange: Eunectes;
Sagittalschnitt n. v. Valkenburg.
Coip. post.
paarer Mediankern vor, der sich beim
Alligator in dem frontalsten Drittel, nahe
der Commissura posterior (Fig. 151), bei
Chelone im hintern Abschnitt des Tek-
tums anhäuft.
Bei Eidechsen und Schlangen findet
man die Zellen nicht so sehr in der
dorsalen Medianlinie als etwas lateral
davon, durch die ganze Länge des Tek-
tums. Sie häufen sich, namentlich bei
den Schlangen, im hintersten Abschnitt
zu einem ganz mächtigen Kern (Fig.
152), der deshalb bei der Schlange so
groß sein dürfte, weil die Unterkiefermuskulatur, deren Sensibilität sie inner-
vieren (siehe die Betrachtung am Schluß dieses Kapitels) dort so groß ist.
Die Wurzel verläuft in
üblicher Weise lateral von
der aufsteigenden Trochle-
ariswurzel nach hinten. Am
besten ist sie zu folgen auf
Frontalschnitten, nament-
lich bei der Schlange wo
sie (Fig. 153, Boa constric-
tor) kurz vor ihrem Austritt
ein dickes Bündel seitlich
vom hinteren Längsbündel
bildet. Sie tritt parallel mit
der motorischen Wurzel
nach außen, wobei ihre Fa-
sern sich der Portio minor
anscldießen.
■ Die viotorische Trigemi-
vvsivurzel der Reptilien ent-
stammt einem Kern, der in Lage und Bau gewissermaßen an den ent-
sprechenden Kern bei manchen Teleostiern erinnert.
Vi
K. lues. V
Tr. oot.müs.
^i^jl
N. IV
'//
l^f^
Fig. 153. Verlauf der mesenzephalen Trige-
minuswurzel bei Boa Constrictor.
TRIGEMINUS DER VOGEL.
331
Bei den aquatilen Reptilien (Schildkröten und Krokodilen) liegt
er größtenteils dorsal (Fig. 150) und ist nur ein kleiner kaudaler Abschnitt
in ventrolateraler Richtung verlagert (siehe Figur 244 und 245,
Kapitel V).
Bei den Eidechsen ist die ventro laterale Verlagerung des Kernes weiter-
geschritten und dehnt sich über einen größern Abschnitt desselben aus,
während der Kern sich bei den Schlangen in seiner Totalität von dem
Ventrikelboden entfernt hat. (Fig. 240).
Daß die Verlagerung des Kernes eine ventro-kaudale Tendenz aufweist,
hängt hier wahrscheinlich zusammen mit den oben erwähnten Reflex-
fasern aus dem spinalen Trigeminus-Kern und mit Schaltneuronen aus
dem sensiblen Grau des Rückenmarkes, weil diese Fasern in den Vorder-
seitenstrang laufen.
Der Trigeminus der Vögel.
Der Trigeminus der Vögel weist in seinen peripheren Verästelungen
sehr auffallend gebaute Endorgane auf: die Körperchen von Grandry
und Herbst, wek-lie namentlich in der Wachshaut des Schnabels, erstge-
nannte auch in der Zunge, vorkom-
men. Bei den GRANDRy-Körperchen
Fig. 154 A. Querschnitt durcli ein Körperclien
von Grandry, n. Heringa.
Zwischen den Sinneszellen Fibrillen des sensiblen
Trigeminus, welche in die Zellen übergehen.
Fig. 154 B. Längsschnitt durch ein Körperchen
von Grandry, n. Heringa.
Cbergang der Trigeniinusfibrillen in der Zelle.
a. z. = afferenter Nerv. K. z. = Kapselzellen.
handelt es sich um zusammengesetzte Endorgane, aus zwei oder drei
Sinneszellen gebaut, worin die Fibrillen der sensiblen Fasern eindringen
(vergl. Fig. 154).
Ein HERPSTsches Endorgan ist in Fig. 27 wiedergegeben.
332
TRIGEMINUS DER VOGEL.
Die Mehrheit der Fasern endet aber in freien Endigungen oder als
Tastscheibeu, was die Haut anbelangt, und in Muskelspindeln, insofern
es die Muskeln betrifft.
Die Größe des sensiblen Astes wechselt mit der Größe und Ausbildung
des ICopfes, namentlich des Schnabels.
Betreffs der Eadix descendens ist im Gegensatz zai den Reptilien auffallend,
daß der frontale sensible Trigeminuskern, welcher beim Alligator noch
kontiiiuierlicli war mit der übrigen grauen Substanz der deszendierenden
V. Wurzel, hier ein fast selbständiger, mehr dorsal liegender Kern geworden
ist, der daher als sensibler dorsaler Haupthern (Fig. 155) bezeichnet wird.
Dieser Kern, der viele große Zellen enthält, ist durch eine deutliche Mark-
kapsel von der Umge-
bung getrennt. Er emp-
fängt zwar eine große
Zahl von sensiblen V.
Wurzelfasern, aber liegt
nicht Inder direkten Fort-
setzung des spärlichen
Graues der Radix des-
cendens, welche in etwas
ventralerer Ebene kau-
dalwärts läuft, nur von
wenig grauer Substanz
begleitet.
Die R. descendens zieht
nach hinten unter dem
Eintritt des Vagus ent-
lang, von welchem sie
somatische Fasern auf-
nimmt, steigt in dorsaler
Richtung auf au der
Grenze von Oblongata
und Rückenmark und
besitzt dort wieder eine
erheblichere Masse grauer Substanz : den spinalen sensiblen Trigeminuskern
(vergl. Fig. 88 A).
Ich neige der Annahme zu, daß der vordere sensible V. Kern über-
wiegend maxillo-mandibuläre Fasern bekommt, und daß wir darin also
hauptsächlich den Kern des Schnabels sehen müssen, während die Radix
descendens hier vielleicht überwiegend ophthalmische Fasern führen
dürfte.
Ob die yTrigeminuswurzel bei den Vögeln Fasern zum Zerebellum
abgibt ist nicht sicher, aber keineswegs ausgeschlossen.
Aus dem frontalen sensiblen Hauptkern entstehen mindestens zwei
Nu. mot. V
Fig. 155. Frontal- sensibler und motorischer
Trigeminuskern eines Vogels
(Catharishes Urubu).
TRIGEMINUS DER VOGKL.
3^3
Nu. mes. trig.
Nu. in
Systeme sekundärer Fasern. Das eine besteht aus groben Fasern, die dorsal
kreuzen und an der entgegengesetzten Seite sich in die Substantia reticu-
laris des Bulbus auflösen. Das zweite System, bis jetzt nur bei Vögeln
nachgewiesen, ist der Tractus qu'mlo-Jrontalis WALi.ENr.ERGs, welcher nach
teil weiser Kreuzung im Bulbus nach dem basalen Abschnitt des Vorder-
hirn.« verläuft und dadurch Gefühlsempfindungen des Kopfes, „Oralsinn",
mit dem Olfaktorium korreliert. Eine V Schleisse ist nicht nachge-
wiesen, wohl gibt der Kern sekundäre Fasern an den untern Abschnitt
des Nucl. lateralis mesencephali und an die tiefere Schicht des Tectum
opticum ab (Tr. quinto-mesencephalicus; Wallenberg).
Aus dem spinalen Quintuskern, welcher namentlich beim Kasuar mit
einer ausgedehnten Kappe gelatinöser Substanz bedeckt ist (F'ig. 88 A), gehen
ebenfalls gekreuzte Fasern hervor, die größtenteils in der umgebenden
Substantia reticularis motoria enden, aber auch teilweise in dem antero-
lateralen Bündel zum Mittelhirn
und hintern Thalamus ziehen
dürften und als primitive Gefülils-
bahn des Trigeminus zu betrach-
ten sind.
Die gelatinöse Substanz selbst
dürfte wohl mehr lokale Verbin-
dungen besitzen, deren Natur uns
noch nicht genügend bekannt
ist (vergl. S. 203—205).
Auch die viesenzepJuilc Wur-
zel dieses Nerven hat einige Eigen-
tümlichkeiten, durcli welche sie
sich unterscheidet.
Die großen bläschenförmi-
gen Zellen jenes Kernes finden
sich bei diesen Tieren zwar bis-
weilen durch das ganze Tektum
hin, aber eine Anhäufung von
ihnen findet fast immer in dem
hinteren Abschnitt desselben statt.
(Fig. 156 und 157.)
Bei einigen Vögeln findet man die Zellen hauptsächlich in oder nahe
der Mittellinie lokalisiert (Fig. 156 Gatharistes), ob.schon dort auch lateralere
Gruppen vorkommen. Bei andern (Storch und Truthahn Fig. 157) sind
die Zellen meistenteils lateral gelagert.
Die größte Anzahl findet sich auf dem Niveau des Okulomotoriuskernes
und sie begleiten die mesenzephale Wurzel noch eine kurze Strecke
nach hinten bis etwa zu dem Niveau des Trochleariskernes. Das Wurzel-
büudel konnte bis jetzt nicht mit genügender Sicherheit in der extrabulbären
se
Fig. "156. Mesenzephale Trigeminus-
zellen v.an Catharislies iirubii.
334
TRIGEMINUS DER VoGEI,.
Wurzel verfolgt werden; es liegt aber kein Grund vor, daran zu zweifeln,
daß dasselbe in die mandibulare motorische Wurzel eintritt, und (wie bei
den Säugern) für die sensible Innervation der Trigeminusmuskeln dient.
Außerdem sind Kollateralen (Aclisenzylinder) zu dem medialen (Dach-)
Kern des Kleinhirns wahrgenommen worden, während andere in den
motorischen Trigeminuskern und >Substantia reticularis bis auf das Niveau
des Glossopharyngeus verfolgt wurden (Wallenberg).
Nu. nies. V
::,:.•>:
"■■■ ''n'".''.'
Fig. "157. Mesenzeplialische Trigeminuszellt'n des Truthahns; n. Kos.\k.\.
Der 'motorische Trigemiaiis entsteht nur noch bei den primitivsten Vögeln
aus einem Kern, der, wie beim Krokoilil, fast gänzlich dorsal liegt. Bei allen
anderen (Fig. 155 i)) liegt ein höher differenziertes ^''erhalten vor, indem
die motorische Wurzel aus einem Kern hervorgeht, der ventro-lateral liegt.
Manche seiner Wurzelfasern nehmen nach ihrer Entstehung aus diesem
Kern einen bogenförmigen Verlauf in dorsaler, dann in lateraler Richtung,
bevor sie austreten.
Dieser knieförmige Verlauf stimmt mit der Tatsache überein, daß der
Kei'n dorsal angelegt ist und erst sekundär in ventro-lateraler Richtung
migriert, wie embryologisch leicht nachweisbar ist (Biondi, Bok).
Ein anderer Teil der motorischen Wurzelf'asern hat sich aher bei den meisten
Vögeln bereits in dem »Sinne der neuen Lage des Kernes angepaßt, daß sie dii-ekt
') Bisweilen findet man auch hier noch einen kleinen dorsalen V. Kern der die
ursprüngliche Lage beibehalten hat (BloxDi).
TRIGEMINUS DER SAUGKR.
335
von dem ventralen Kern zur Peripherie treten (ein Yerlialten, welches wir bei den
Säugern als das allein vorkommende finden werden).
Der große ventro-laterale Trigeminiis-Kern gren/t direkt an den größten der
zwei VII. Kerne, der den hinteren Bauch des M biventer innerviert. Bei einigen
Tieren ist er sogar damit kontinuell (siehe Kapitel \, Fig. 253 — 255 nnd 258).
Der Trigeminus der Säuger.
Bei den Säugern siiielt der Trigeminus eine sehr wichtige Rolle, weil
hier die Schnauze — y.usammen mit dem Geruch — vielfach als Ex-
plorationsorgan benützt wird.
Mu ettr^Vnidesc. Mutrian^.
Corp.restif;
nu,Corpr?it-
Corp trap-restlF. Ydesc
Fig. 158. Die deszendiei-pmle Ti-igemiiiHswiirzel von Echidna. n. Schepman.
Namentlich ist diese Rolle von Bedeutung bei Tieren, die mit der
Schnauze in der Erde wühlen, wie Echidna (Fig. 158), Maulwurf, und
Schwein. Beim Maulwurf stellt das Eimersche organ, beim Schwein stellen
eine große Zahl von Tastmenisci die Sensibilitätsorgane dieses Nerven dar.
Eine andere, aber nicht weniger wichtige Rolle, spielt der Trigeminus
bei Tieren, wie Maus und Katze, wo die Schnurbarthaare eine Funktion
336
TRIGEMINUS DER SAUGER.
verrichten analog den Tastern der Insekten, zur Orientierung im Raum i).
Diese Haare werden, weil sie in ihrem Balg venöse Sinusse aufweisen,
auch wohl als „Sinushaare" bezeichnet (Tafel I).
Die Größe der sensiblen Wurzel ist aber nicht nur bedingt von der
Feinheit der von ihr perzipierten Wahrnehmungen. Das Areal der Inner-
vierung spielt dabei eine überwiegende Rolle. So erreicht der Trigeminus
bei den Monotremen (Fig. 158) wo ihr peripheres Gebiet sich sehr weit aus-
dehnt, eine ganz auffallende Größe. Letzteres ist aber auch der Fall bei
der Feldmaus (Sorex), wo melir die Feinheit der Innerviering als die Größe
des innervierten Areales als Ursache dessen zu betrachten ist.
Das Ausbreitungsgebiet des Trigeminus beim Menschen — (berüchtigt
weil er ein vielfacher Sitz von Neuralgien ist) ist in Fig. 159 aangegeben,
inuestheslt
grenze.
'Analgesie
grenze.
'•^M
Fig. ISO. Trigeminusaroal des Menschen. Links, nach Exstirpation des
Ganghon Gasseii bestimmt durcli Göshing Rechts, Dasselbe
iliirch anatomisches Preparieren bestimmt durch Boi.ic
I, II lind 111 sind die Areale der entsprechenden Aste.
rechts nach einer Präparation Bolk's, links nach einer Bestimmung der
Gefühlsgrenzen nach Exstirpation des Ganglion Gasseri durch Cusiiinp,.
Dieses sensible Areal entspricht dem deszendierenden Ast (dem sich
zentral auch noch somatische Fasern des Glossopharyngeus, und des R.
auricularis vagi anschlieszen).
Die zwei Hauptbestandteile desselben, der Pars maxillo-mandibnlaris
und der Pars ophtlialmicus Trigemini, sind meistens leicht erkennljar.
Hierbei zeigt sich wieder, daß der ophthalmische Teil am frontalsten ein-
') Einige Forscher sind geneigt in den Schnurbarthaai-en ein Organ zu sehen, womit
das Tier sich über die Breite der Löcher und Gänge orientiert.
KAPPERS.
Tafel I.
Die Nervennndigungen (rot) an einein Tast-oder Sinushaare; n. Trktjakoff.
Verlag : De Erven F. Bolm, Haarlem.
Erklärung der Abbildung.
Tafel I. Simishaar des Bindes. Teile des Haarbalges: A, äußere Balglamelle;
Ar, Arterie; B, Sinusbalken; G, Glashaut; F, bindegewebige Fasern; H, Haar;
I, innere Balglamelle ; 7v', konischer Körper ; Ki, Sinuskissen ; P, Papille ; 8. Sinus-
raum ; Seh. schirmförmige Verbreiterung der äußeren Wurzelscheide ; T, Talgdrüse ;
V, Vene; W, Anschwellung der äußeren Wurzelscheide. Nervöse Gebilde: 1, in
den Balg eintretende Nervenbündel ; 2, unteres ringförmiges Geflecht ; 3, einfacher
Schaltapparat unterhalb des ringförmigen Geflechtes an der inneren Fläche der
äußeren Wurzelseheide ; 4, komplizierter Schaltapparat in derselben Lage ; 5, Sehalt-
apparat auf dem längs der inneren Fläche der äußeren Balglamelle aufsteigenden
Bündel ; 6, Schaltapparat in der äußeren Balglamelle ; 7, Schaltapparat in Verbin-
dung mit der baumförmigeu Endiguug in der äußeren Balglamelle; S, Schaltapparat
des mittleren Gebietes des Haarbalges; 9, oberes ringförmiges Geflecht — oberer
Nervenring; 10, Fasern, die in das subpapilläre Bindegewebe nach oben verlaufen ;
II, Endverzweigung in der äußeren Balglage unterhalb des unteren ringförmigen
Geflechtes; 12, dieselbe Endigung in dem mittleren Gebiet des Haarbalges; 13,
dieselbe Endignng im oberen Gebiet der äußeren Balglamelle; 14, Endkolben mit
einem zentralen Endfaden; lo, Endkolben mit verzweigtem Endfaden (Golgt-
MAZZoxisches Körperchen): 16, eingekapselte Endverzweigung mit plättchenförmigen
Verbreiterungen; 17, baumförmige Endigung, präterminale Endigung; i<9, dieselbe
Endigung, Spindelendigung ; 19, dieselbe Endigung, Knäuelform; 20, Endigung
auf dem Sinusbalken; 21, sensible Endplatte unterhalb der Wurzelscheidenansehwel-
lung; 22, sensible Endpiatte an der Wurzelscheidenanseh wellung : 23, sensible
Endplatte im konischen Körper; 24, verzweigte Endplatte, die dem Boden der
Talgdrüse anliegt ; 25, Tastscheibe in der oberen Hälfte der Wurzelscheiden-
anschwellung; 26, Tastscheibe in der unteren Hälfte der Wurzelscheidenanschwel-
lung ; 27, unteres ringförmiges Geflecht oder unterer Nervenring ; n. Tretjakoff.
TRIGEMINUS DER SÄUGER.
337
tritt und daß der maxillo-mandibuläre Teil erst kaudaler hinzukommt.
Ob der V direkte Wurzelfasern in das Zerebellum schickt, ist noch immer
eine umstrittene Frage, woraus wohl hervorgeht, daß, wenn es solche
gibt, dieselben jedenfalls auch bei den Säugern spärlicli sind i).
Wie üblich, legt sich der oph thalmische Teil am meisten ventral, der
maxillo-mandibuläre am meisten dorsal in der Oblongata.
Dies wurde von Beegmann, Bochenek und Wallenberg für das
Kaninchen nachgewiesen. Letzterer Autor konnte sogar beim Menschen
zeigen, daß von dem mandibularen Teil des Ramus lingualis V wieder
am meisten dorsal läuft und sieh dem Fasciculus solitarius nähert (siehe
Fig. 143).
v. Valkenburg hat die ventrale Lage des R. ophthalmicus für den
Menschen bestätigen können und fand außerdem — wie Bregmann für
das Kaninchen — daß der ophthalmische Abschnitt am weitesten kaudal-
wärts reicht, wie es auch bei niedern Wirbeltieren den Fall ist.
Wie weit die Radix descendens Trigemini in das Halsmark hinunter-
zieht, ist für die verschiedenen Säugerordnungen verschieden. Bei
manchen dürfte sie jedenfalls mit ihren kaudalsten Ausläufern ins zweite
Zervikalsegraent 2) reichen.
Auch physiologisch läßt zieh nachweisen, daß die Reize aus dem
obern Abschnitt des
Kopfes( Umgel;)ung des
Auges) den größten
Einfluß auf die Bewe-
gungen der Halsmus-
kel haben und daß die
maxillo-mandibulä-
ren, wenigstens die
letztgenannten Fasern,
mehr Bulbärreflexe
auslösen.
Es ist interressant,
daß die Lage, welche
der deszendierende
Quintus in der Oblongata einnimt, nicht bei allen Säugern dieselbe ist
(van Vai.kenburg).
Bei einigen liegt der halbmondförmige Querschnitt dieses Bündels
mehr peripher und bildet sogar eine Ausbuchtung der Oblongata (siehe
Fig. 160, Erinaceus), bei andern ist auf demselben Niveau die obere Spitze
des Halbmondes (der pars maxillo-mandibularis) viel mehr nach innen
Fig. 160 Verschiedene To|)Ographie des Radix descendens
N. V. (Schwarz) beim Igel (links) und Ameisenbaien
(rechts) nach v. Valkenburg.
') Aus myelogenetischen Untersuchungen scheint mir dies nicht ausgeschlossen.
^) Schon deshalb, weil der erste Zervikalnerv meistens keine sensible Wurzel liat
und eine sensible Korrelation mit dem zweiten Zervikalsegraent wohl vorliegen wird.
Kappers. 22
338 TRIGEMINUS DER SÄUGER.
gedreht und nähert sich mehr dem Ventrikelboden (siehe Fig. 160:
Tamandua).
Diese Verschiedenlieiten hängen oifenbar mit der verschiedeneu Aus-
bildung und Funktion der entsprechenden Trigeminussensibilität zusammen.
So dürfte beim Ameisenbären, der mit seiner außerordentlich langen
Zunge seine Nahrung aufnimmt, wohl eine besondere Ausbildung der
Zungensensibilität die Ursache sein einer stärkeren Entwicklung der Lin-
gualisfasern und eines vermehrten Anschlusses dersell)en an die dorsal
verlaufenden Fasern des Rachens und Kehlkopfes (F. solitariu.s).
Überhaupt muß mau die eigentümlichen Lageverhältnisse in dem
Trigerainus descendens nicht als bloßen Zufall auflassen, worauf bereits
VAN \^ALKBNBURG liiuwies, soudem muß darin eine durch neurobiotaktische
Einflüsse bedingte Anordnung sehen, wodurch die Fasern so geordnet
werden, daß Bahnen, welche oft zugleich gereizt werden, zusammen laufen.
Deshalb fanden wir auch die Trigeminussensibilität des Innenraumes
der Mundhöhle (namentlich vom E.. mandibularis innerviert) bei allen
Tieren zentral am meisten derjenigen des Rachens, Kelilkopfes und der
Speiseröhre (Fase, solitarius) genähert. Daß diese Annäherung bei den
Säugern mehr hervortritt als bei den Nichtsäugern, braucht uns nicht zu
befremden, weil, wie bereits im Anfange erwähnt wurde, l)ei den Säugern
die Sensibilität des Innenraumes des Mundes durch die Entwicklung der
Backenmuskulatur den Charakter einer sekundären viszeralen Sensibilität
erhält. Auch tritt zuerst bei den Säugern das Kauen der Nahrung auf,
wodurch auch eine weitere Korrelation des Mundtrigeminus mit Palatum- und
Rachensensibilität zustande kommt. Die Fasern des ersten Astes, aus der
Umgebung der Augen und von den Augen selber herstammend, suchen
dagegen den intimsten Anschluß an die Bahnen, welche in dem ventralen
Tegmentum bulbi verlaufen, wo u. m. aufsteigende spino-mesenzephale Fasern-
bahnen und gekreuzte Reflexbahnen des Octavus enden, und reiciien bis
zu den Halszentren, an dessen Sensibilitätsareal das ihrige grenzt, hinab.
Eigentümlich ist dabei, daß die Fasern des zweiten Astes (E. maxillaris)
manchmal einen näheren Anschluß an die ophthalmisehen Fasern haben als an
die mandibularen. Diese R. secundus spielt namentlich bei der Innervation der
8chnurbarthaare der Tiere und im Oralsinn eine große Rolle, stimmt also darin
mit dem Ramus ophthalmicus überein, daß sie besonders für Perzeptionen der Außen-
welt dient 1).
Die Radix descendens wird von kurzen Neuronen begleitet, welche
verschiedene Höhen ihrer grauen Substanz untereinander verbinden und
welche bei einer Degeneration der Wurzel intakt bleiben. (Marburg und
Breuer: Fibrae concomitantes Trigemini.)
Bei fast allen Säugern sind der frontale und der spinale Trigeminus-
') KoLLiKKR spricht sogar von einem mandibularen und einem maxillo-ophthalrai-
schen Abschnitt bei Echidna und Ornitliorhynchus, was jedoch mit der Entwicklung
jenes Nerven streitet (siehe S. 318).
TRIGEMINUS DER SÄUGER. 339
kern kräftig entwickelt. Beide empfangen Fasern des maxillo-mandibulären
und des ophthalmischen Astes, aber gerade wie bei den Vögeln erhält
der frontale sensible Trigeminuskern Hauptkontingent von den niaxillo-
mandibullären Fasern, während der spinale V. Kern überwiegend ophthal-
mische Fasern empfangen dürfte. (Van Valkenburg.)
Der ■ frontale Trigeminuskern ist bei manchen Säugern größer als
bei Vögeln, liegt aber nicht so weit dorsal und enthält neben großen Zellen
viele kleinere Elemente.
Der spinale Trigeminuskern ist mit einer ausgeprägten Substantia
gelatinosa bedeckt, welche dem frontalen Kern völlig fehlt (Fig. 111 — 115).
Schon hieraus geht hervor, daß beide Kerne wenigstens teilweise
verschiedenen Funktionen dienen dürften, und daß der spinale Kern mehr
dem Körper der Rückenmarkshinterhörner ähnlich ist, der ebenfalls mit
einer gelatinösen Kappe bedeckt ist. (Fig. 105 und 106).
Der frontale Kern ist dem gegenüber mehr den medialen Schleifen-
kernen des Rückenmarkes (Nuclei Goll und Burdach) homolog.
Dies geht hervor aus den aus ihnen hervorgehenden aufsteigenden
Projektionsbahnen.
Sowohl aus dem spinalen Trigeminu.skern als aus dem frontalen V
Kern der Säuger entstehen sekundäre Bahnen.
An erster Stelle kurze Neuronen zu den umgebenden retikulären
Zellen : meistens kreuzende, aber auch ungekreuzte Fasern.
Außerdem gehen aus beiden Kernen längere, frontale, sekundär
sensible Bahnen hervor, welche jedoch verschiedenen Charakters sind.
Aus dem frontalen Kern entstehen die Fibrae transversae trigemini oder die
sekundäre dorsale Quintus-Bahn, weil sie die Oblongata dorsal durchqueren.
Es sind Reflexfasern, welche namentlich aus dem dorsomedialen Ab-
schnitt des Kernes entstehen- und zum motorischen V. Kern der andern
Seite, auch zum Oculoniotoriuskern ziehen (dors. sek. V Bahn Fig. 161).
Die frontale Trigeminusschleife entsteht aus demselben Kern aus relativ
kleinen Zellen, als dünne Fasern, welche in ventraler Richtung der
Medianlinie zustreben (Fig. 161: Trig. Schleife).
Kaudal von der Bindearm-Kreuzung überschreiten sie die Raphe,
teils ein wenig dorsal von der medialen Schleife, teils durch die mediale
Schleife selbst hindurch tretend. Auf der andern Seite legen sie sich
gänzlich in das Areal der medialen Schleife, teilweise darüber.
Obschon bis jetzt isolierte Läsionen der Trigeminusschleife klinisch
kaum studiert wurden, spricht dieser Anschluß an die Schleifenfasern der
Hinterstrangkerne dafür, daß auch die Trigeminus-Schleife ähnlichen
stereognostischen Di,skriminationen dient, namentlich auch Gelenk- und
Muskelempfindungen, i) Nachdem sie einige Fasern in das Corpus mammil-
') Dabei ist nicht nur an die Muskeln des Trigeminus, sondei-n aucii an diejenigen
des Facialis zu denken (vergl. Fußnote 2, S. 344).
340
TRIGEMINUS DER SÄUGER.
lare abgegeben hat, strahlt sie in den kaudalen Teil des Zwischenhii-ns,
teilweise in dem ventralen Tlialamuskern, größtenteils al;er via Laniina
medullaris interna in das Centre median (Nuelens medialis b, von
V. MoxAKow) aus, während schließlich frontaler noch Fasern enden in
dem Grau des <lritten Ventrikels und in den mittleren Partien des ven-
tralen Tiialamuskernes bis zu dem Nucleus anterior (Wallenberg).
Dors. Sek. V Bahn Läsion
Trig. schleife
Fig. 161. Sekundäre Degenerationen nach Läsion des frontalen sensiblen
Trigeminuskernes beim Kaninchen; n. Wallenberg.
(Auch die Fiocculus-Kommissur der Kleinhirns ist auf der, der Läsion ent-
gegengesetzten Seite degeneriert, weil der Stich durch den Flocculusstiel ging).
Diese Trigeminusschleife entstellt nur aus. dem frontalen sensiblen
Trigeminuskern (Hösicr., Wallenberg, Lkwaxdowskv, v. IMonakow).
Die Reflea'faserii des spinalen Trigeminuskernes enden in dem um-
gebenden Grau der Vorderhörner und scheinen nur gekreuzt zu sein
(Wallenberg).
Aus dem spinalen Grau des V descendens entstehen auch aufsteigende
Fasern. Diese schließen sich nach Kreuzung jedoch nicht der medialen
Schleife und weiter frontalwärts auch nicht der Trigeminusschleife an,
sondern begleiten die EoiNGERschen, spino-mesenzephalen Fasern, in ähn-
licher Weise also, wie bei niederen Tieren.
Hieraus geht hervor, daß der frontale sensible V. Kern in seinen Ver-
bindungen mehr den BuRDACHselien und GoLLschen Kernen des Rücken-
marks homolog ist, während der kaudale Unsprungskern der anterolateral
aufsteigenden V. Fasern dem Körper der Rückenmarkshinterhörner zu
homologisieren ist, woraus auch die spino-mesenzephalen EoiNGERschen
Fasern der primitiven, vitalen Sensibilität, entstehen (siehe Kapitel I).
TRIGEMINUS DER SÄUGER. 341
Diese aus anatomischen Walirnelunungen gezogeneu Schlüsse werden
durch die von Brouwek u. anderen nachgewiesene Tatsache bestätigt,
(hüi bei Läsionen des kaudaleu sensiblen Trigeminuskerues Schmerz- und
Temperatursinu gestört sind, während der allgemeine Tastsinn nur eine
ganz geringe Beeinträchtigung erfährt.
Mit Hinsicht hierauf ist es auch von besonderem Interesse, daß der kor-
neale Trigeminusretlex, ein exquisit vitaler, nozirezeptiver Reflex, ermittelt
wird durch die absteigende Trigeminuswurzel, wie durch Wallenbekg in
Fällen von lokalisierten Herden in dieser AVurzel nachgewiesen wurde.
Alles weist also darauf hin, daß die sensible Wurzel dieses Branchial-
nerven sich ähnlich den rein somatosensiblen Rückenmarksnerven ausge-
bildet hat, und daß darin eine ähnliche Funktionstellung vorkommt wie dort.
Cerebell. ---
Fio-. 162. Mesenzephaler Tiigeminuskern von Onychogale
frenata (Sagittalschnitt); n. v. Valkenburg.
Der Kern der sensiblen mesenzephalcn Wurzel des V. dehnt sich bei
vielen Säugern durch die ganze Länge des Tectum opticum bis zu der
Ebene der Commissura posterior aus, wie bei: Echidna, Onychogale. (Fig.
162), Vesperugo, Tamandua, Phoca u.a. Auch beim Menschen reichen die
Zellen noch ziemlich weit frontal (van Valkenburg).
Die stärkste Anhäufung findet sich aber fast ausnahmlos auf <ler Ebene
des Oculomotoriuskernes, dorsal oder dorso-lateral davon.
Bei Echidna und bei den Marsupialiern kommt es auf dieser Höhe zu
der Bildung eines ausgesprochenen dorsalen Mediankernes. Bei den meisten
andern Tieren Hegen die Zellen mehr dorso-lateral oder lateral vom Aquaedukt,
und sind sie mit ebenfalls sehr großen, aber mehr polygonalen Zellen
gemischt, welche vielleicht Ursprungselemente der Commissura posterior
sind oder absteigende tektale Bahnen (Kohnstamm's Nucl. intra-trigemi-
nalis) aussenden.
Bei manchen Tieren (Cavia, Mus rattus u. a.) begleiten die großen
bläschenförmigen Zellen des R. mesencephalieus die Wurzel auf einer
erheblichen Strecke nach hinten. So wird bei Cavia und beim Schwein
542
TRIGEMIXUS DER SAUGEK.
(HuLLEs) die Trochleariswurzel noch von solchen Zellen umgeben, und beim
Maulwurf, Kaninchen und der Ratte erreicht eine groIte Zahl derselben
sogar die Ebene des motorischen V. Kernes (Fig. 163).
Diese Verlagerung der Ganglienzellen in der Richtung des Wurzel —
austrittes entspricht der Tatsache, daß es sich um Zellen handelt, die ihre
Reize von der Peripherie erhalten, also um sensible Ganglienzellen, welche
bei dieser (neurobiotaktischen) Verlagerung ihre Reizquelle aufsuchen und
sich 7-ur Peripherie verschieben. Ob .sie dabei so weit kommen, daß sie zu
Cereb. Nu. mes. V Nu. sens. front. V
S^^^^&'ifi^j.^*-
1
y^ap^gS;
Flocc, cer.
R. mot. V
Nu. mot. V
Nu. jet. sup.
Fig. lös. Der mesenzephale, der frontale sensible und der
motorische Trigeminuskern beim Kaninchen.
wirklichen extrazerebralen Zellen werden (wie bei den spinalen Riesengang-
lienzellen der Teleostier der Fall ist: Fig. 70), läßt sich nicht sicher sagen
Dafür spricht vielleicht der zuerst von May und Horsley gemachte, von
Allen bestätigte Befund, daß nicht alle Fasern der R. mesencephalica den
Mittelhirnzellen entstammen, sondern ein Teil davon im Ganglion semilunare
(Gasseri) seinen Ursprung nimmt, dessen Zellen sonst (wie bei den Spinal-
ganglien) sicher als Neuralleiste angelegt werden.
Die mesenzephale Wurzel selber ist bei vielen Säugern auch auf
degenerative Weise verfolgt worden (v. Londen, Van Valkenburg, May
und Horsley, Kosaka, Allen). Diese Untersuchungen führten auch zu dem
Schluß, daß, wie bereits Johnston angegeben hatte, es sich hier nur um
eine sensible Wurzel handelt. Nach Kosaka's Erfahrung stehen ihre Wurzel-
fasern hauptsächlich, nach May und Horsley und Allen ausschließlich
mit dem dritten Ast des Nerven in ^'erbindung.
TRIGEMINUS DKK SÄUGER. 343
Ihre Fasern zielien doi'solateral an dem motorischen V. Kern vorüber,
an welchen sie ihre Achsenzj'linder abgeben (Ca.ial, Willems i)) wovon
ein Teil weiter kaudalwärts bis auf das Niveau des VJI. und IX. zu ver-
folgen ist (Pkobst), wie bei manchen niederen Tieren.
Es ist gewiß sonderbar, daß (mit Ausnahme von v. \'.\lkexburg)
kein Autor Fasern der mesenzephalen Trigeminuswurzel in dem Ramus
ophthalmicus nachgewiesen hat, welcher doch auch ursprünglich dem
dem Mesenzephalon angehörigen Neuromer entspricht (S. 823: Kleindruck).
Dies wird von Kos.\K.i dem Umstände zugeschrieben, daß die Entfernung
zwischen dem Austritt des Pi. ophthalmicus und des R. mesencephalieus
größer ist als zwischen dem Austritt des R. maxilo-maxillaris 2) und des
R. mesencephalieus.
Diese Erklärung ist also eine rein mechanische.
Es ist zwar nicht zu leugnen, daß die Nerven bei ihrem Wachstum
manchmal die Neigung haben, sich den in der Nähe liegenden Bahnen
anzuschließen, ihr Endpunkt wird dadurch aber nie bestimmt, und die
mesenzephale Wurzel verlauft nicht nur mit jenem Ast, sondern verteilt
sich auch peripher in dessen Gebiet, sodaß wir eher eine funktionelle
Verwandschaft annehmen müssen.
Was nun die Bedeutung jener Fasern anbelangt, dürfte diese an erster
Stelle in einer sensiblen, reflektorischen Funktion für den Kaukern bestehen,
an welchen sie ilire zentrii^etalen Ausläufer abgibt.
Daß die Durchsehneiduug jener Fasern (welche von May und Hoesley unter-
nommen wurde) keine wahrnehmbare funktionelle Störung nach sieh zieht, muß
m. E. dadurch erklärt werden, daß auch andere Fasern des Trigeminus mit der
Muskelsensibilität in Verbindung stehen (Edgeworth 3). Die Meinung von Hobsley,
daß nicht alle Fasern dieser Wurzel ihren peripheren Endpunkt erreichen, sondern
ein kleiner Teil in dem Ganglion Gasseri stecken bleibt, ist nach Allen, der
diesen Punjjt eingehend untersuchte, nicht richtig.
Daß die sensible mesenzephale Wurzel sich wesentlich der mo-
torischen Wurzel beimischt, dafür sprechen auch die vortretHichen Unter-
suchungen von Willems, der nachwies, daß die Zahl der Fasern (4800)
in der Portio minor V beim Kaninchen etwa ebenso viel beträgt als die
Zahl der mesenzephalischen (1600) und motorischen Zellen (2900) zusammen
(4500).
Das numerische Verhalten der mesenzephalischen zu den mo-
') Dieser Autor hat nachgewiesen, daß dort die A.xonliügel liegen.
2) Nach KoSAKA soll außer der N. mandibularis, der N. raaxillaris Fasei-n hiervon
führen. Diese sollen //ausfasern sein. Jene Aulfassung ist indessen in Streit mit den
Resultaten Mays, Housleys und Allens.
') KosAKA glaubt denn auch, daß „der Nucleus mesencephalieus nervi V als Rest
einer phylogenetischen Urform nur eine rudimentäre Bedeutung hat".
344 TRIGKMINUS DER SÄUGER.
torischen Fasern (30%) entspricht dem Verhalten von sensiblen zu
motorischen Fasern, wie dies von Sherrington in den Muskeln bei der Katze
als untere Grenze gefunden wurde. Aus diesen Daten schließt Willems,
und DoNALDsoN, der vorzügliche Statistikus des Nervensj'stems, bestätigt
es, daß es sich hierbei um sensible Fasern handelt und zwar, daß der R.
mesencephalicus Muskelsensibilität führt, obgleich nicht ausschließlich,
weil nicht alle mesenzephalische Zellen nach Muskelextirpation zu Grunde
gehen und auch einzelne Fasern davon nach Kosaka in rein sensiblen
Ästen des zweiten Trigeminusastes verfolgt i) sind.
Willems verdanken wir auch den Nachweis, daß die Abgangsstelle
der Fasern aus den Zellen des Nucleus mesencephalicus nie einen Axonhügcl
aufweist, welche wir nur dort finden, wo die Kollateralen (Achsenzylinder)
zu dem Kaukern abgehen.
Die Tatsache, daß diese Wurzel jedenfalls hauptsächlich der Mus-
kelsensibilität dient, erklärt besser den überwiegenden Verlauf dieser Fasern
in dem dritten Trigeminusast als die mechanische Theorie Kosakas.
Nach Allen ist es namentlich der M. Masseter ") dessen Muskelsen-
sibilität hierdurch (teilweise) innerviert wird.
Dies würde auch erklären, weshalb die mesenzephale Wurzel so auf-
fallend groß ist bei den Schlangen (Verg. Fig. 153), dei'en Unterkiefer-
muskulatur so mächtig ist.
Schließlich ist es in Übereinstimmung mit dem, was wir von den
(transitorischen oder bleibenden) intramedullären Ganglienzellen wissen,
welche (außer einer Verästelung in der Haut) auch eine solche in den
Muskeln aufweisen (Fig. 72).
Hehkick ejachtet es als möglich, daß die mesenzephalen V. Fasern nur eine
Art Muskelsensibilität führen (z. B. Muskelspindel innervieren), wahrend andere
sensible V. Fasern vielleicht andere Empfindungen des Muskels leiten.
Der motorische Kern des Trigeminus variiert je nach der Entwicklung
der Kaumuskulatur, welche (mit dem Ten.sor tympani) von ihr innerviert
wird. So ist er bei dem zahnlosen Ameisenigel (Echidna), der nicht oder
kaum kaut, sehr klein, bei den Karnivpren am größten.
Bei Echidna hat der Kern noch eine mehr dorsale Lage.
Bei allen andern Säugern, welche ich untersuchte, liegt er etwa in
der Mitte der Oblongata in der Nähe seines Reflexzentrums d. i. : in der
Nähe des frontalen sensiblen Hauptkernes, der einen großen Abschnitt
der maxillo-mandibulären Fasern oder deren Kollateralen und Axonen
der Radix mesencephalica aufnimmt. — (Siehe Fig. 163 und Kap. V)..
■) Nach VAN VALKENiiURG beim Menschen auch in dem 1 Ast.
') Die Facialismusl<ulatiir erhält ihre sensiblen Fasein wahrscheinlich aus dem lt.
niaxillo-mandibularis und R. ophthalmicus selber (Siehe Fußnote S. 339).
ÜBERBLICK ÜBER DIE ENTWICKIAWO DER BRANCHIALNERVEN. 345
Ueberblick über die Entwicklung der Branchialnerven und deren
zentrale Verbindungen.
Wir Iiabcn in den vorigen Seiten gesellen, dail die Oblongaüi sich
wesentlich dadurch unterscheidet vom Rückenmark, daß die Hinterwur-
zeln hier stark überwiegen über die Vorderwurzeln, wodurch (vorgleiche
den Sinus lumbalis der Vögel) i) die Flügelplatten nicht verlöten, son-
dern sogar weit auseinander weichen unter Bildung des Ventriculus
rhomboidalis (oder quaitus).
Die Ursache dieser Hypertrophie der Hinterwurzeln ist die Ausbildung
des Kieraenbogen-Apparates und spezieller Sinnesorgane.
Die Nerven jener Sinnesorgane (N. VHI und N.N. laterales) sollen
in dem folgenden Kapitel behandelt werden.
Diejenigen des Kienienbogenapparates, die Branchialnerven, sind zu
betrachten als besondere Ausbildungen der ursprünglichen Form von Hin-
terwurzeln — wie sie bei Amphioxus allgemein ist — welche neben somato-
scnsiblen und viszero-sensiblen Fasern auch viszero-motorische Fasern
führen und sicli niclit mit ventralen motorischen Wurzeln verbinden.
Bereits bei Amphioxus aber Itesteht eine Differenzierung in den frontalsten
Hinterwurzeln in dem Sinne, daii die vorderste dorsale Wurzel (Nerv. II
Aut.) infolge Atrophien in dem proximalen Körperende nur somato-sen-
sible Fasern führt. Es ist wahrscheinlich, daß dieser Nerv dem R. ophthal-
micus Trigemini der Kranioten entspricht, auch weil er vor dem zweitem
Kopfmyotom austritt.
Der hinter dem zweiten Myotom austretende zweite Dorsalnerv
(Nerv. III Aut.) entspricht dann dem R. maxillo-mandibularis. Dieser
Nerv fübrt bei Amphioxus auch viszero-sensible Fasern und untersclieidet sich
nur dadurch von den kaudal von ihm austretenden Hinterwurzeln der
bukkalen und peribranchialen Region, daß die letztere neben somato-sensiblen
und viszero-sensiblen Fasern auch viszero-motorische Elemente enthält.
Letztere sind die ^^orstufen des Facialis, Glossopharyyigeus und ]'agus
(Branchialnerven s.slz.) auch weil ihre viszero-motorischen Fasern bei der At-
mung die M. M. transversi des Peribranchialraumes innervieren.
Alle diese Nerven weisen jedoch eine so große Übereinstimmung mit den
Hinterwurzeln des postbranchialen Rückenmarkes auf, daß sie am besten
als Branchiospinalnerven zu bezeichnen wären.
Ihre Anzahl ist viel größer (etwa 36) als die der eigentlichen Bran-
chial wurzeln der niedrigsten Kranioten (13). Dies kann uns jedoch nicht
wundern, weil auch innerhalb der Kranioten eine weiterschreitende Re-
duktion der hinteren Branchialnerven oder wenigstens der Kiemenbogen,
denen sie zugehören, stattfindet: so hat Petromyzon bloß 8, Heptanchus 7,
Hexanchus 6, die übrigen Haie 1)loß 5 Kiemenbogen.
') Wo bei aber tl as Auseinanderweiclien erst mich der Vei-lötung (also seluindiir) st iittiiiul et.
346 ÜBERBLICK ÜBER DIE ENTWICKLUNG DER BRANCHIALNEEVEN.
Wiilirend also die hintern branchialen Nerven reduzieren, geht die
Ausbildung der vordem branchialen Nerven von Atnphioxus (mit Aus-
nahme der zwei primitiven Trigeminus-wurzeln ; s. o.) zu den Branchial-
nerven Sensu str. der Kranioten gejaaart mit einer Hypertrophie
ihrer viszerosensiblen und vizsero-inotorischen Fasern, infolge der Aus-
breitung der Kiemenschleimhaut und Ausbildung von wirklichen Kiemen-
mqskeln.
Andere sekundäre Abweichungen von dem ursprünglichen Hinter-
wurzelapparat, welche der Vagiis, Glossopharyngeus und Facialis, aufweisen,
sind: 1°, der Zusatz von Elementen aus den Kiemenspaltorganen Frorieps
{Epibranchialplahoden Kuj^ffer's) zu ihren Ganglien, 2° die Entwicklung von
Geschmacksbechern in ihrem peripheren Areal (welche bei Amphioxus noch
fehlen) und 3° die fortschreitende Atroj^hie ihrer Hautfasern.
Dem letzten Punkt steht gegenüber, daß somato-sensible Elemente der
Oblongata spezialisiert werden für besondere Funktionen, diejenigen des
Labyrinths und des Lateralissystems (siehe : Kap. IV).
Durch die starke Entwicklung dieser sensiblen Systeme, namentlich
auf dem Niveau des Facialis, Octavus und N.N. laterales wird infolgedessen
die Flügelplatte der Oblongata gerade dort weit auseinander gezogen und
der Calamus scriptorius, der bei Amphioxus schon hinter dem dritten Dor-
salnerv (N. IV Aut.) liegt, weiter nach hinten verlegt.
Reine Hautäste des Facialis und Glossopharyngeus sind nur noch
bei Zyklostomeh, einigen Selachiern und Amphibien vorhanden. Bei den
andern Tieren wird ihr sensibles Kopfareal vom Trigeminus ersetzt. Der
sensible Hautast des Vagus bleibt bis zum Menschen (wo auch noch
einige IX. Hautäste vorkommen) als Ramus auricularis vagi bestellen.
Die Hautäste des Vagus, Glossopharyngeus und Facialis schließen
sich in der Oblongata der deszendierenden Trigeminuswurzel an, mit deren
Fasern schließlich alle Hautäste kaudalwärts laufen, eine Anordnung aus
peripher-funktionellen Gründen, die von dem Standpunkt der Neurobio-
taxis leicht verständlich ist.
Die sensiblen Schleimhautfasern und die Geschmacksfasern Ijleiben
zentral zunächst beisammen und enden medial von dem somato-sensiblen
Areal in dem viszero-sensiblen Gebiet der Flügelplatte. Zunächt enden die
sensiblen IX. und X. Fasern ziemlich direkt, rl. h. nahe dem Niveau ihres
Eintritts. Nach diesem Zentrum steigt die sensible VII. Wurzel von vorne
her kaudalwärts ab.
Dieser Zustand ist überwiegend bei allen Fischen.
Die Ausbildung absteigender Wurzelfasern des Glossopharyngeus und
Vagus wird erst bedeutend bei Amphibien, tritt dann sehr in den Vor-
dergrund bei den Reptilien und wird Ijei Säugern und namentlich bei
Vögeln sehr auffallend.
Diese spezielle Sonderung absteigender viszeraler Fasern hat nicht an
erster Stelle mit der Geschmacksfunktion zu tun, weil bei Tieren mit
ÜBERBLICK iir.ER UIK KiNTWU'KLUXG DER BRANCHIALNERVEN. 3-17
Hypertrophie des Geschmacks gerade die örtlichen Oblongatakerne des
(Facialis) Glossopharyngeus und Vagus hypertrophieren, und auch weil die
absteigenden Solitariusfasern am auffallendsten bei den Vögeln sind, deren
Geschmack stark atrophisch ist.
Die Ausbildung der absteigenden Bahn des Fasciculus solitarius hängt
wahrscheinlich mit allgemeinen Schleimhautempfindungen der obern Einge-
weide zusammen, auch mit denjenigen, welche von den Atemwegen herrühren.
Dies wird dadurch bewiesen, daß die Bildung eines richtigen Fase,
solitarius Glossopharyngei et Vagi erst bei denjenigen Tieren auftritt,
bei denen die Kiemenatmung durch die Lungenatmung ersetzt wird und
bei denen ein Zentrum der Lungenatmung im 4. Zervikalsegment (N.
phrenicus: Diaphragma) und im Thorakalmark vorkommt.
Im Hinblick hierauf ist es wichtig, daß nachgewiesen wurde, d&Ö
tatsächlich sensible Fasern der Luftwege (X) in den F. solitarius absteigen,
und daß dieses Absteigen bei einigen Tieren bis ins 3. Zervikalsegment
verfolgt worden ist, während sekundäre absteigende Neuronen von der
Umgebung des Fasciculus solitarius ins vierte Zervikalsegment und
weiter absteigen.
Die Geschmacksfasern bleiben auch bei höbern Wirbeltiern (Mam-
maliern) wahrscheinlich in den bulbären Kernen lokalisiert und zwar
dürfte von dem dorsalen und dem medialen (oder STADERiNischen) Oblon-
gatakern dem letzteren, als Zentrum des Geschmacks, die größte Be-
deutung zukommen. Es ist nämlich auffallend, daß dieser STADERNische
Kern erst bei denjenigen Tieren zu völliger Ausbildung gelangt, bei denen
die Zunge das exquisite Explorationsorgan des Geschmacks wird, den
Säugern. Er fehlt bei Tieren ohne muskulöse Zunge (Fischen) und ist bei
Säugern mit vielen Geschmacksknospen auf der Zunge (Rodentier und
Edentaten) viel größer als bei denjenigen, bei denen der Geschmack der Zunge
atrophisch ist (Zetazeen).
In dieser Hinsicht ist auch seine Topographie zwischen dem moto-
rischen Zungenkern und motorischen Magenkern wichtig.
Schließlich sei noch bemerkt, daß von den zentralen Projektionen
der viszeralen Sensibilität, außer einer nicht sehr bedeutenden Projektion
auf den ventralen Neothalamuskern, wenig bekannt ist, was wohl beweist,
daß diese nicht im Vordergrunde stehen, wie auch bei dem überwfegend
viszeralen Charakter ihrer Reize zu erwarten ist.
Was die motorischen Kerne dieser Nerven betrifft, siehe Kapitel V.
Die sensible Trigeminuswurzel entsteht wahrscheinlich durch Vereini-
gung der l)eiden vordersten Dorsalnerven von Amphioxus (dem II. und
III. Septalnerven der Autoren), von denen der vorderste vor dem zweiten
Myotom, der hintere hinter dem zweiten Myotom austritt, was auch für
den R. opthalmicus und den R. maxillo-mandibularis gilt. Auch bei
Embryonen weist sie zwei Wurzeln auf: den R. ophthalmicus, welcher der
frontalste ist und mit den II Septal (vordersten Dorsal-) Nerven von
348 ÜBERBLICK ÜBER DIE ENTWICKLUNG DER BRANCHIALNERVEN.
Amphioxus korrespondieren dürfte und des N. niaxillo-niandibularis, welcher
dem ITI. Septal- (2. Dorsal-) Nerven von Anipluoxus entsprechen kann.
Im Gegensatz zu den übrigen Ihani'hialnerven weisen diese Nerven
bei den Kranioten eine Atrophie ihrer viszero-sensiblen Elemente und eine
H^vpertrophie ihrer somato-sensiblen Elemente auf.
Zum hintersten Abschnitt, dem N. maxiJlo-niandibularis, gehören
bei den Kranioten auch Fasern, welche dem Ganglion mesenccphalicum
N. quinti entstammen und welche meistens gänzlich dem Ramus man-
dibularis einverleibt werden (womit sie zu den Kaumuskeln ziehen,
deren Sensibilität sie innervieren), vielleicht bisweilen auch einige Haut-
fasern an den R. maxillaris und R. ophthalmicus abgeben.
Es gibt keine genügenden Argumente, weder phylogenetische noch 2»atho-
logische, welche beweisen, daß der Trigeminus Geschmacksbecher innerviert.
Die Geschmacksbecher, welche in seinem Areale vorkommen, werden
vom sensiblen Facialis innerviert.
Obschon ein großer Teil des Trigeminus die Mundhöhle innerviert,
müssen diese Aste doch als somato -, nicht als viszero-seusible Fasern gedeutet
werden, weil ihr Verbreitungsareal vor der primitiven Mundhöhle liegt,
in dem Ciebiet vor der Buccopharyngealmembran (etwa dem Gaumenbogen
entsprechend), welches ektodermaler Herkunft ist.
Weil al)er das Areal der sekundären Mundhöhle, namentlich bei der
Entwicklung der Backenmuskulatur, mehr und mehr ein „inneres", ge-
wissermaßen „sekundär viszerales" Areal wird und sich direkt dem Areal
der viszeralen Sensibilität anschließt, nehmen die Mundfasern dieses Nerven
auch mehr und mehr einen „sekundär" viszeralen Charakter an.
Der Einfluß dieser phylogenetischen Veränderung in der Peripherie
macht sich auch geltend in dem zentralen Verlauf ihrer Fasern.
Zentral zeigen die verschiedenen Aste des Trigeminus ein ganz be-
stimmtes Verhalten in dem Ramus descendens trigemini.
Die Anordnung in dem letzteren entspricht der i)eripheren Funktion
in dem Sinne, daß diejenigen Trigeminusfasern, deren peripheres Areal
sich dem Areal des Facialis und Glossopharyngeus anschließt, in der
Oblongata nahe den zentralen Fasern des Facialis und Glossopharyngeus
(Fasciculus solitarius), also dorsaler, verlaufen als die Fasern des R. ophthal-
micus, welche in dem Bulbus die ventralsten Bestandteile des Radix des-
cendens N. V bilden.
Namentlich bei den Tieren, welche ihie Nahrung kauen, also bei den
Säugern, wird der Anschluß der mandibularen Fasern, insbesondere der
Lingualisfasern des Trigeminus an den Fasciculus solitarius sehr eng, weil
ihre funktionelle Verwandtschaft mit den allgemein sensiblen viszeralen
Systemen der Rachenhöhle größer wird.
Außer in der dorso-ventralen Anordnung zeigen die Bestandteile der
Radix descendens N. V einen Unterschied in der Länge ihrer Ausdehnung,
indem der Ramus maxillo-mandibularis entsprechend demselben funktio-
iniERÜLICK Ül'.KR DTK 10XT\VTrKT,TN'l ; DFAl lillAXCIl I ALNKU VKN. 349
nellen Gesetz sich eher, schon teilweise in der Ohlongata auflöst, und der
Ramus ophtliahniciis sicli weiter nacli liintcn fortsetzt, dadiircli mehr mit
der zervikalen als mit der Inilhären ((jllo.ssopliaryngeus und N'agus) Takti-
lität in ^'erbinding tretend, weil doch die äuliere Kojif'taktilität korreliert
ist mit dem Taktilitätsareal der oberen Zervikalnt-rven und niclit mit
dem jenigen des Rachens.
Man darf denn auch annehmen, dat! die Reflexe der Kopfliaut teil-
weise, ja größtenteils im oberen Zervikalmark verwertet werden, bei den
Fröschen sogar im Lumlialinark, ein Unterschied, der wahrscheinlicli in
der besondern Bedeutung dieser Abschnitte des Markes für die Flucht- und
andern Bewegungen des Tieres hat (Brustflossenregion bei Fischen, hintere
Extremitätenregion beim Frosch, Halsbewegungen beim Menschen).
Der größte Unterschied, den die Trigeminuswurzel phylogenetiscli
aufweist, liegt in der Ausbildung ihrer sekundären frontalen Projektion.
Bei den Tieren unterhalb der Reptilien, ist (abgesehen von dem Grau,
welches die V. Wurzel begleitet) nur von einem Jcaudalen sensiblen Kern die
Rede imd zwar am obern Zervika mark {spinalei- sensibler V. Kern), von
dem keine eigentliche schleifenähnliche Projektion auf das Vorderiiirn
ausgeht, wohl aber, neben kurzen reflektorischen Fasern, eine gekreuzte
antero-laterale Bahn entsteht, welclie mit den EniNGERsctei Fasfrn der^)?-/iH('-
üven (vitalen) Empfindungen nach vorne zieht
Diese Bahn endet im Mittelhirn, es sei im Tectum opticum, in den
Kernen des Tegmentum oder sogar teilweise in dem Ganglion Isthmi
(Corp. genic. mediale), sodaß wir dort ein wichtiges Korrelationszentrum
jener Empfindungen mit der Optik und Statik haben.
Hierdurch zeigt sich, daß der spinale Trigeminuskern ain meisten
den vitalen Endstellen der Rückenmarksnerven ähnlich ist, welche in dem
Hinterhorne selber liegen, eine Obereinstimmung, die namentlich auch
durch die Tatsache bestätigt wird, daß sich sowohl auf dem spinalen V.
Kern als auf dem Rückenmarkshinterhorn im Laufe der Phylogenese die
Substantia gelatinosa Rolando entwickelt, ein sensibles Areal, welches nament-
licli lokalen Reflexen zu dienen scheint, möglicherweise mit den Tast-
haaren u. d. zu tun hat.
Erst bei den Reptilien (wo auch zuerst die mediale Schleife aus den
Hinterstrangkernen des Rückenmarkes entsteht) ist das frontale Ende der
grauen Substanz, welches den V. desc. begleitet, zu einem wirklichen
frontalen sensiblen V. Kern) oder Nucleus princeps sensibilis U) angeschwollen.
Obsclion wir die dort daraus sicher hervorgehende frontale Fastrung
noch nicht genügend in ilirem Verlauf verfolgen können, spricht die Ent-
wicklung der thalamischen Kerne bei den Reptilien zugunsten der Anwesen-
heit einer wirklichen (gnostischen oder epikritischen) Trigeminussclileife.
Dies ist deshalb .selir wichtig, weil vieles dafür spricht, daß die Trigeminus-
scldeife der Projektion einer hohem (slercognostisclien) Sensibilität ent-;priclit
und gerade auch bei den Reptilien zuerst in der Peripherie des V. konii)li-
350 ÜBERBLICK ÜBER DIE ENTWICKLUNG DER BRANCHIALNERVEN.
zierte Tastkörperclien (auch Vater — PACiNische Körperchen) vorkommen.
Bei den Vögeln und den Säugern kennen wir die Projektionsbahnen
genauer. Bei den erstgenannten entstehen (aui^er den dorsalen reflektorischen
Fasern zu dem umgebenden Tegnientum) zwei Projektionsliahnen aus dem
frontalen sensiblen Kern: eine zum Thalamus: die gekreuzte Trigeminusschleifc
und eine zu der Basis des Vorderhirns: Tr. qainto-Jroiitalis.
Bei den Säugern ist außer den reflektorischen Fasern zum umgebenden
Tegmentum, namentlich die geki-euzte thalamische Verbindung: die Trige-
minusschleife vorhanden, welche, wie die V. Schleife der Vögel, der medialen
Schleife aus den Hiiiterstrangkernen zur Seite zu stellen ist und als eine
Projektionsbahn der höhern Sensibilität (des stereognostischen Sinnes)
betrachtet werden muß i).
Bei Vögeln und Säugern sind denn auch die entsprechenden thalamischen
Kerne mächtig entwickelt und geben sie eine liedeutende Faserung zum
Vorderhirn ab.
Wir finden also, wenn wir die sekundären Verbindungen dieses Branchial-
nerven mit denjenigen des V^IL, IX. und X. vergleichen, daß bei dem
Trigeminus die thalamische und die daran anschließende Vorderhirn-
projektion viel mehr ausgeprägt wird, widirend diese bei den VII., IX.
und X. Zentren im Hintergrunde bleibt.
Auch dadurch tritt die somatische Natur des Trigeminus und ihre
Übereinstimmung mit den somatischen Rückenmarkswurzeln deutlich zu
Tage, daß man in seinen primären Endigungen, sowie in dessen Verbindungen
dem niedern (spinalen) vitalen Zentrum (Nucl. cerv. V) ein pliylogenetisch
jüngeres frontales Zentrum (Nucl. frontalis principalis V) entgegenstellen
kann, aus dem die liöhere sekundäre Gefühlsbahn des Trigeminus, die
Trigeminusscbleife, hervorgeht.
Bezüglich des mesenzephalen Trigcmiiiuskernes ist zu betonen, daß er als
ein Analogon der Rohon — BEARDSchen (intraraeduUären oder supramedul-
lären) Ganglienzellen des Rückenmarkes betrachtet werden muß. Der Verlauf
seiner peripheren Ausläufer in der mandibularen Wurzel (dritter Ast) macht
es wahrscheinlich, daß sie die Muskelsensibilität des motorischen Trigeminus
leiten. Bekanntlich führen die BEAROschen Zellen (neben Hautfasern) aucli
Muskelsensibilität. Diese Autfassung wird durch dem Umstand bestätigt,
daß die Wurzel namentlich bei den Schlangen mit ihrer großen ünter-
kiefermuskulatur stark vergrößert ist und ihre Ausläufer Axonen an
den motorischen V. Kern, bei einigen Tieren sogar auch an den moto-
rischen VII. Kern, abgibt.
Das Vorkommen dieser Zellen ist bei den Zyklostomen noch nicht
bewiesen. Möglicherweise ist der Kern dort, in Verbindung mit der ganz
') Der quinto-fiontalen Bahn homologe Fasern sind auch beim Kaninchen nach-
gewiesen worden; sie reichen aber nur bis zum Ganglion entopedunculare.
ÜBERBLICK ÜBKR DIE ENTWlCK'M'Ni 1 DICH BRANCUIALNERVEN. 351
andern Organisation der motilen Funktion des mandibularen Astes, dein
sicli ihre peripliere Fasern beimischen, nicht vorlianden. Weil der Kern
selten oder Iceine Fasern in den R. ophthalmicus scliickt, ist die Lage ihrer
Usprungszellen im Mittelhirnsegment selir merkwürdig und möglicherweise
ein Rest aus einer Zeit, da auch der Ophtlialmicus noch aus solch einem
Kern Fasern erhielt.
Bei den Selachiern liegen seine Zellen durch das ganze Tectum opticum
nahe der Mittellinie. Bei den Teleostiern sind sie unter dem Vorderrande
des Tektums, mehr lateral angehäuft. Bei den Amphibien findet man sie
liauptsächlich in der liintcrn Hälfte des Tektums, nahe der Mittellinie und
dasselbe gilt für die Schlangen, Saurier und für Chelonier, bei denen die Zellen
zwar über die ganze Länge des Tektums gefunden werden, aber sich
hauptsäcliüch im hintern Abschnitt desselben häufen, während die Mehrheit
derselben bei den Hvdrosauriern in dem vorderen Abschitt des Daches liefft.
Bei den Vögeln findet man sie hauptsächlich nahe und in dem Velum
anticum cerebelli und seitlich davon, und bei manchen Säugern erhalten
sie eine noch melir kaudale Lage, sodaß sie (namentlich bei den Rodentiern)
bereits auf dem Niveau des motorischen V. Kernes, also in der Oblongata
selber, vorhanden sind.
Bei den Säugern soll die Wurzeln auch Fasern enthalten, deren Zellen
in dem Ganglion Gasseri selber liegen.
Diese kaudale Verlagerung ist als eine neurobiotaktische Erscheinung
aufzufassen, eine \^erlagerung in der Richtung ihrer Wurzelreize.
Dafür spricht auch die Tatsache, daß diese kaudale Lage bei den
Säugern (welche ihre Nahrung kauen) am meisten ausgejjrägt ist.
Besondere zentrale Projektionen des mesenzephalen Trigeminuskernes
sind bis jetzt nicht bekannt, was mit der hervorragend reflektori.schen
Verwertung der ihm zugeführten sensiblen Reize übereinstimmt, welche, wie
gesagt, wesentlich in dem motorischen Kaukern, teilweise auch in mehr
kaudalen Ebenen in dem Facialiskern ihren Abfluß finden.
Uebrigens ist zu betonen, daß die mesenzephale Trigeminuswurzel nicht
der einzige Teil des Trigcminus ist, der Muskelsensibilität führt.
Ein nicht geringer Teil der Trigeminus- und Faeialismuskulatur schickt
seine sensiblen Fasern in die Radix descendens.
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VIERTES KAPITEL. •
DAS LATERALIS- UND OCTAVUSSYSTEM.
Allgemeines.
Während die Umbildung der vorderen Dorsalnerven von Amphioxus
zu den Branehialnerven der Kraniotcn (mit Ausnahme des zukünstigen
Trigeminus zusammengeht mit einer Hypertrophie der Sehleimhautfasern,
in deren Gebiet sich auch Geschmacksknospen ausbilden, ui\d einer
gleichzeitigen Hypertrophie der dorsalen (viszeralen) motorischen Elemente,
fanden wir, daß die Hautfasern jener Nerven (wieder mit Ausnahme der-
jenigen des Trigeminus) stark reduziert werden.
Dem letzten Punkt gegenüber steht, daß bei den Kranioten eine große
Zahl von Hautfasern in diesem Gelnete eine Modifikation erfährt infolge
der Ausbildung neuer Funktionen : denjenigen des Labyrinthes und der
Lateralorgane, welcJie Organe bei Amphioxus noch völlig fehlen.
Dort (Pärkeb) werden Schwingungen des Wassers vielleicht perzipiert
von haartragenden Sinnesnervenzelleu auf den Tentakeln und dem Velum
(DooiEi>, KuTCHiN). Daß die Zellen von Joseph (siehe Fig. 42) dabei eine Rolle
spielen, int giinzlich unbewiesen. Eine Uebereinstimmung zwischen diesen Zellen
und den Purkinjezellen des Zerebellums — von BoeiCe angenommen — kann
ich nicht sehen.
Namentlich die amerikanische Schule hat darauf hingewiesen, daß die
Nerven, welche die statischen Organe innervieren, zu der Kategorie der
somato-sensiblen Fasern gehören, auch weil die von ihnen innervierten
Sinnesorgane dem Ektoderm entstammen im Gegesatz zu den Geschmacks-
knospen, welche zuerst in dem Entoderm auftreten (S. 275).
In Hinsicht auf diese Tatsachen ist es nicht befremdend, daß die
sensiblen Wurzelfasern der statischen Nerven gerade an derjenigen Stelle
der Oblongata austreten, wo die unmodifizierten Hautfasern stark reduziert
werden, d.i. vom Facialis bis zum Vagus.
364
ALLGEMEINES ÜBER DAS LATEIIALIS- VXD OCTAVUSSYSTEM.
Während der Labyrinthnerv selber, als N. Octavus, direkt hinter dem
Facialis — wesentlich im Anschluß an ihn — austritt, finden die Nerven
der Lateralorgane ihren Ursprung im Bereiche des Facialis (N. Lateralis
anterior oder N. late-
ralis Facialis) und im
Bereiche des Glosso-
pharyngeus und Vagus
(N. lateralis Glosso-
pharyngei oder Vagi).
Die statischen Ner-
ven unterscheiden sich
von den gewöhnlichen
Hautfasern auch
dadurch, daß sie nicht
nur aus der Neural-
leiste der Oblongata
(wie es bei den Spinal-
nerven der Fall ist)
hervorgehen.
Ebenso wie dieBran-
chialnerven Zusätze
erhalten aus dem Ek-
toderm (Epibranchial-
plakoden v. Kupffers
oder Kiemenspaltor-
gane Frorieps), wer-
den auch die drei
Nerven der statischen
Sinne während ihrer
Ausbildung verstärkt
aus ektodermalen Ver-
dickungen, die an an-
deren Stellen gelegen
sind als die Epibran-
chialplakoden und als
Seitenorganplakoden be-
zeichnet werden.
in diesen Plakoden
der statischen Organe
sind drei Gruppen zu
unterscheiden.
Die vordere Gruppe, die des LateraHs anterior, befindet sich an dem
Kopfe und bestellt aus drei Anlagen, derjenigen der Canalis supraorbitalis,
der Canalis infraorbitalis und der Canalis maudibularis. Die mittlere, die-
Fig. 164. Ektodermkontakte Ijei einem 12 mm langen
Torpedo-Embi'j-o. Seitenorganplakoden quergestrichelt, Kie-
menspaltorgane (Epibranchialplakoden) dunkelschwarz,
Nerven grau.
Nach Froriep aus Edinger's Vorlesungen.
AI.LGEMEINKS ÜniCK DAS LATKRAUS- UND OCTAVUSSYSTKM. 365
jenige des Labyrinthes, umfaßt nur eine Plakode, und die liintere Gruppe,
bildet die Seitenlinie des Körj^ers.
Obschon die Funktionen der Lateralorgane und des Labyrinthes nicht
dieselben sind, weisen sie eine so grolie Verwandtschaft auf, daß eine ge-
meinschaftliche Behandlung derselben wohl zu rechtfertigen ist.
Bevor ich dazu schreite, möchte icli darauf hinweisen, daß — ebenso
wie in den gewöhnlichen Hautfasern — auch hier eine Einteilung der
Funktionen in primitive vitale (oder protopathische) und höhere, gnostische
(oder epikritische) möglich ist und zwar in dem Labyrinth.
Während die genannten Nerven in ihrer primitiven Punktion nur
dazu dienen, Reize, welche direkt mit dem Stand und der Haltung des
Körpers zu tun haben, zu perzipieren und diese unmittelbar (reflektorisch)
zu effektuieren, also für das subjektive Verhalten des Tieres von großer
Wichtigkeit sind, entwickelt sich im Anschluß an das primitive Labyrinth
ein Organ — die Cochlea — welches dem Hören dient und das, namentlich
in höheren Entwicklungsstufen, mehr und mehr benutzt wird für solche
Reize, deren Wahrnehmung für das subjektive Verhalten des Tieres nicht
direkt notwendig ist und in Uebereinstimmung damit auch nicht stets
sofort effektorisch elaboriert wird.
Ein großer Teil der Gehörswahrnehmungen steigt zum Bewußtsein
auf und trägt als epikritische Perzeptionen zur Kenntnis (Gnosis) der
Außenwelt bei.
Wir werden von dieser physiologischen oder, wenn man will, psycho-
logischen Tatsache auch in der Anatomie der zentralen Verljindungen jener
Nerven Ausdrücke finden, indem von allen Empfindungen, um die es sich
in diesem Kapitel handelt, nur oder fast nur die Gehörsempfindungen eine
Projektion auf der Rinde erhalten, während die anderen Reize entweder
direkt aboral oder in Verband mit anderen Bewegungskorrelationszentren
(Zerebellum) effektuiert werden.
Bevor ich dazu schreite diese zentralen Verhältnisse näher zu erörtern,
zunächst noch etwas über die peripheren Endorgane selber, auch in ilirem
Bau eine große Verwandtschaft aufweisen.
Diese Verwandtschaft (Fig. 165 A, B und C) besteht darin, daß die
Neuroepithelzellen von allen di-ei im Prinzip ähnlich gebaut sind und
zwar als kolbenförmige Zellen, welche (im Gegensatz zu dem Verhalten
der Neuroepithelzellen in den Geschmacksknospen) erheblich kürzer sind
als die sie umgebenden Stützzellen, nicht so tief reichen wie diese.
An ihrem obern freien Ende sind sie mit langen, feinen Wimpern
versehen, welche sich von denjenigen der Geschmacksorgane durch ihre
Dünnheit und Länge unterscheiden. Während die Borsten der Geschmacks-
zellen kurze, steife Härchen sind, sind die Haare der Octavus- und Lateralis-
Sinnesorgane im allgemeinen so gebaut, daß sie leicht bei Vibrationen der
sie manchmal bedeckenden Kutikularmembran oder der umgebenden Flüs-
sigkeit in Bewegung geraten, ja f()rmlich jede Bewegung derselbe mitmachen.
3(>(5
Ar.r.GEMEINKS ÜBER DAS LATERALIS- INI) OPTA VISSYSTEM.
Diese Flüssigkeit kann das Wasser sein, welclies den Körper umspült,
Haarzeiieu. oder es kann eine eingekapselte
*> Körperflüssigkeit sein, welche den
/ ', \ Hohlraum, in dem das Sinnes-
' ' '-^ Organ vorkommt, füllt.
Die vibrierende Membran
mit oder ohne Kalkablagerungen
(Otolithen) spielt dabei manchmal
eine große Rolle (Maculae acus-
ticae, Cochlea).
Auch zeigendie Lateralorgane
und das Labyrinth darin eine Ver-
wandtschaft, daß sie ursprünglich
eine offene Kommunikation mit
dem umgebenden Wasser haben.
In den Lateralorganen geht
die offene Kommunikation mir selten verloren, doch fehlt sie konstant
bei den SAvischen Bläschen und bei den ICanälen einiger Fische.
Sinneshaar.
StützzeUen.
Fig. 165 A. Lateralorgan einer Catostomus-
larve, n. Johnston.
Sinnes-
zellen. '^5~^
Diplosom .
Stützzelle.
Sens. Nerv. — — — — — L ,'■
Bind. 7..
Markscheide.
Fig. \&öh. Sinneszellen und Stützzellen einer Crista aciistica
von Proteus anguinens n. Hetzius.
ALLGKMIOIN'KS ÜP,KK UAS I.A'I'KU.U.IS- VS[.> I HTA VUSSYSTKM.
3G7
Das T.al)yrintli hat nur iiocli bei ^\^^n Plagiostomen (Fig. 171) eine
W'iliindung mit dem umgebenden Wasser durch den Ductus endolympha-
ticus. Bei den höheren Formen feldt diese offene Kommunikation.
Die eingekapselte Flüssigkeit kann jedoch leicht in Schwingung
gebracht werden, entweder weil die sie von der Außenwelt trennende
Arrafr/i V. Mensen Mennbrana Tectoria
Haarzellen
Limbus
spiralis.
Membr-
Basilaris
Pfeilerzellen
Nerv. Cochl.
Sulcu.s spiralis.
Fig. 105 C. Das CoRTische Organ eines 6 Tagen alten Kaninchens,
n. Held.
Membran nur dünn ist (Cochlea), oder weil die Schwingung an der
Hohlraumsflüssigkeit selber angreift (Vestibularapparat).
Kurzgefaßt kann man sagen, daß der Bau aller dieser perzipierenden
Organe stets ein solcher ist, daß er der Rezeption von dynamischen Reizen
der Flüssigkeit angepaßt ist.
Diese Reize sind meistens (vielleicht immer) rhythmisch. Es handelt
sich hierbei also um taktile Organe, welche eine periodische Druckwirkung
erfahren, sei es von massalen Bewegungen, sei es von rhytmischen Vibra-
tionen, und man kann die Gruppe dieser Sinneswerkzeuge als Ziuingimgs-
rezeploren bezeichnen.
Ich kann wenigstens kein besseres Wort finden, um die Verwandt-
schaft zwischen diesen Organen anzudeuten, welche ihre Ascendenz weit
nach unten bis in die Reihe der wirbellosen Tiere ausdehnen, indem dort
an verschiedenen Stellen der Körperoberfläche (wie auch an den Zirri
und Tentakeln von Amphioxus) Zellen mit haarförmigen Au.släufern vor-
kommen, welche (neben Tastempfindungen?) massale Bewegungen und
"N'ibrationen der umgebenden Flüssigkeit perzipieren dürften.
Die erste Spezialisierung solcher Rezeptoren zu einem bestimmten
Organ steht im Dienste des Gleichgewichtes und des Muskeltonus und
zeigt sich bei den Wirbellosen als Statozysle.
Untej' den Wirbeltieren treten erst bei den Kranioten besondere End-
organe für spezialisierte Schwingungsrezeptionen auf.
368 ALLGEMEINES ÜBEK DAS LATERAIJS- UND OCTAVÜSSYSTEM.
Den am wenigsten komplizierten spezialen Apparat dieser Art finden
wir bei den Fischen in den Lateralorganen, deren Funktion (man vergleiche
die Untersuchungen von Parker, Hofer und Steinmann) darin bestehen
dürfte, daß sie den, beim Hin- und Herschleudern des Schwanzes während
dies Schwiramens vom Wasser in Periode damit ausgeübten Gegendruck
perzipieren. Auch sollen sie dienen für die Wahrnehmung der reflektierten
Schwingungen bei der Näherung an feste Gegenstände. So sollen sie es
dem Tier ermöglichen, auch im Dunklen und in trüben Wassern seinen
AVeg zu finden, ohne sich an feste Objekte zu stoßen.
Die Seitenlinien des Körpers und des Kopfes, in welchen jene Organe
meistens enthalten sind, sind schon längst bekannt, weil sie bei manchen
Fischen direkt auffallen.
Meistens findet man davon vier, wovon eine sich wie eine gerade Linie
auf der Körperseite erstreckt und dem ganzen Apparat den Namen gegeben
hat. Die drei andern linden sich am Kopfe und sind wieder so geordnet,
daß eine über oder um das Auge verläuft (C. S. O.), eine unter demselben
(C. I. 0.) und eine dritte sich über den Unterkiefer erstreckt (C. H. m.,
Vergl. Fig. 168).
Daß diese Kanäle Sinnesorgane enthalten, ist erst in der Mitte des
vorigen Jahrhunderts von Leydig bei den Fischen entdeckt und, etwa 1870,
wurden die Organe von Schulze auch bei den Amphibien nachgewiesen.
Bei deii Urodelen Amphibien sind die Lateralorgane während des
ganzen Lebens anwesend, nur senken sie beim Landleben in die Tiefe hinein,
vermutlich durch Eintrocknen, und kommen im folgenden Frühjahr wieder
an die Oberfläche.
Auch bei Fiselien, namentlich t'ypriiio'iden, können sie zeitlich verloren gehen
durch Verhornuiig; sie bilden dan sog. Perlorgane, werden aber durch neue ersetzt.
Die Anuren haben solche nur während der Larvalzeit.
Die einfachste Form des Lateralorganes liegt vor bei Petromyzon und
den Amphibien.
Dort findet man reihenmäßig geordnete Gebilde von kurzem, z\'lin-
drischem Epithel mit großen Stützzellen, die von einem Grübchen um-
geben sind, sodaß die Ränder des Organes tiefer liegen als die umgebende
Haut 1), während die Mitte desselben etwa mit dem Niveau der Haut
gleich ist.
In eigentliche Kanäle sind dieselben hier nicht versenkt.
Letzterer Zustand findet sich aber bereits bei den Selachiern, und bei
den Holocepiialen (Chimaera) ist diese Kanalbindung schon makroskopisch
sehr aufl'allend.
') Weil sie meistens tiefer liegen als die Haut, werden sie in der englischen Literatur
„pit Organs" oder „neuromasts" genannt, im Gegensatz zu den Geschmac.ksknospen der
Haut, wovon auch ihr Neuropithel sich, wie oben erwlihnt, unterscheidet.
ALLGEMEINES ÜBER DAS LATERALIS- UND OCTAVUSSYSTEM. 3G9
Sie kommt dudurcli zustande, daß die diese Organe umgebende Wand
sich bedeutend erhöht, resp. daß das Organ mehr in die Tiefe versinkt.
Indem nun um jedes Organ, oder zwischen zwei Organen, die Epider-
misfalte sicli erhöht, bleibt direkt oberhalb desselben ein Perus offen,
der die Kommunikation mit dem Wasser und die direkte Perzeption von
dessen Vibrationen ermöglicht.
Bei einigen Fischen werden die Kanäle fast gänzlich geschlossen (Der-
cüm), sodaß eine direkte Wahrnehmung dieser Vibrationen kaum möglich
ist. Meistens ist aber die äußere Haut darüber dann so dünn, daß eine,
wie durch ein Trommelfell erfolgende Fortpflanzung der Molekularbewe-
gungen auf die in den Kanälen l)efindliche Flüssigkeit vor sich gehen dürfte.
Eine bedeutend tiefere Einsenkung zeigen zwei Abarten der Lateral-
organe : die LoRENZiNischen Ampullen und die SAvischen Bläschen.
Erstgenannte Organe kommen I)ei Selachiern in Gruppen am Kopfe
vor (Fig. 168), in der Form von in die Tiefe eindringenden Ptöhren.
Sie setzen sich fort bis weit unter die Epidermis und enden in einer
ampullenartigen Erweiterung, welche kleine seitliche Ausbuchtungen auf-
weist und einen Ast des N. lateralis antei'ior erhält.
Das in dieser Ampulle sich findende Sinnesorgan zeigt denselben Bau
wie die Kanalorgane, ist aber mit einer Gallertmasse bedeckt, die sich bis
zu der äußern Öffnung erstreckt. Daher kommt es, daß diese Organe auch
wohl Gallertröhren genannt werden.
Bei der zweiten Abart von Lateralorganen, den Sa vischen Bläschen,
hat eine gänzliche Abschnürung von der Außenwelt stattgehabt.
Sie finden sich nur bei Torpedo und zwar in der Nähe der elektrischen
Organe als mit Plattenepitbel ausgekleidete Bläschen, welche auf dem Boden
große, mit Wimpern versehene Sinneszellen aufweisen.
Die Bläschen sind mit einer Flüssigkeit gefüllt, und wir müssen an-
nehmen, daß es die Vibration dieser Flüssigkeit ist, welche von den Sin-
neszellen perzipiert wird.
Hier finden wir also einen Übergang von dem offenen zu dem ge-
schlossenen System von Vibrationsorganen.
Ich habe bereits darauf hingewiesen, daß auch der andere Apparat für
Vibrations-Perzeptionen, der Vestibularapparat anfänglich ein mit der Außenwelt
frei kommunizierendes Gebilde ist, dessen flüssiger Inhalt mittels des Ductus
endolymphaticus in direkter Kontinuität mit dem umgebenden Wasser steht. Audi
hier tritt (oberhalb der Elasmobranchier) eine Scheidung ein und hört die direkte
Kommunikation mit der Außenwelt auf.
Oberhalb der Selachier nimmt die Zahl der Lateralorgane ab, ihre
Größe jedoch zu. Die größten Organe finden sich bei den Teleostiern, wo
auch das Hautskelett sich an ihrem Bau beteiligt (Gegenbaur).
Eine ganz mächtige Entwicklung erreicht der Aj^parat auf dem Kopfe
einiger Tiefseefische (Macruridae; Pfüller) sowie bei Mormyrus.
Wie bereits gesagt wurde, kommen die Lateralorgane noch vor bei
Kappers. 24
370 ALLGEMEINES ÜBER DAS LATERALIS- UND OC.'TAVUSSYSTEM.
den wasserlebenden Amphibien, namentlich bei den Perennibranchiaten,
aber auch bei den Caducibranchiaten. Sie sind dort nicht mehr in Kanäle
eingeschlossen, sondern zeigen wieder die primitive Form, wie bei den
Zyklostomen.
Bei den Larven der schwanzlosen Amphibien findet man sie ebenfalls,
doch zeigen sie dort bei der Metamorphose den Ziirückgang durch Ver-
hornung der Stützzellen, wovon bereits oben die Rede war. Wenn später
die verhornte Platte abgefallen ist, findet n:ian die Stelle nur wieder durch
einen Mangel an Pigment.
Diese „Flecken" sind als Tastflecken bekannt; daß sie aber eine bedeutende
Funktion beim Tasten spielen, ist nicht wahrscheinlich (Ge&enbauh).
Die Nerven, welche die Lateralorgane innervieren, sind verschieden
ausgebildet, je nach der untersuchten Fischordnung. Man unterscheidet
deren zwei, den Nervus lalei-alis posterior und den Nervus lateralis anterior,
wovon letzterer mit zwei Wurzeln, einer obern und einer untern, die Oblon-
gata verläßt.
Der erstgenannte Nerv versieht die Seitenlinie des Körpers mit
Fasern, der letztgenannte die Organe des Kopfes.
Der Nervus lateralis posterior wird auch wohl Nervus lateralis vagi
oder N. lat. glossopharyngei genannt, weil er meistens auf dem Niveau des
Vagus oder des Glossopharyngeus in die Oblongata tritt.
Der Nerv, lateralis anterior wird auch unter dem Namen eines Nervus
lateralis Facialis oder (seltener) Nervus lateralis Trigemini beschrieben, weil
er, wie bereits erwähnt, auf dem Niveau des VILEintrittes in die Oblon-
gata tritt aber peripher vielfach mit sensiblen Asten des Trigeminus zu-
sammen läuft.
Das periphere Eudorgan und die verschiedenen Aeste des N. octavus
werden besser bei jeder Klasse gesondert behandelt, weil sie in den ver-
schiedenen Klassen der Wirbeltiere einen sehr verschiedenen Entwicklungs-
grad erreichen.
Das Lateralis- und Octavussystem der Zyklostomen.
V'on den beiden Ordnungen der Zyklostomen sind die uns interessie-
renden Systeme am geringsten bei den Myxinoiden entwickelt, wie aus
den Untersuchungen Ayers und Wortiiingtons hervorgeht.
Es gilt dies sowohl für die peripheren Endorgane dieser Nerven als
für ihr zentrales Verhalten.
Da wir darin viel eher regressive als primitive Verhältnisse sehen
müssen, werde ich darauf nicht weiter eingehen und verweise ich auf
Untersuchungen der genannten Forscher.
Bei den Petromyzonten sind die Lateralnerven und der N. octavus gut
ausgebildet und enden hauptsächlich in dem sog. Tuberculum acusticum
DAS LATERALIS- UND OCTA VUSSYSTEM DEK ZYKLOSTOMEN. 371
der Oblonjrata, besser Tuberculum staticum oder Area statica genannt, dem
dorsolateralen Abschnitt der Oblongata, der sich kaudalwärts an das Areal
der Hinter wurzehi anschließt.
Die Area statica von Petromyzon ist durch den Besitz ähnlicher
Zellen gekennzeichnet, wie man sie in dem Hinterhornareal des Rücken-
marks und in dem spinalen Trigeminuskern findet, d.h. große Zellen mit
einem nach auswärts gewandten Dendritennetz, dessen Neuriten ßogen-
fasern bilden. Übrigens enthält sie körneränliche Zellen, deren genaue \'er-
bindungen noch nicht bekant sind (Johnston).
Die Art, wie ihre graue Substanz sich gliedert, ist am deutlichsten
auf dem Niveau des Vestibularis-P]intrittes zu sehen. (Fig. 166).
Dort kann man drei Areale darin unterscheiden. In erster Linie ein
dorsales Areal, welches hauptsächlich die Elemente des N. lateralis anterior
aufnimmt (mit Ausnahme der feineren Fasern) und deshalb als Lotus liniae
lateralis anterioris bezeichnet wird (nu. dors. Fig. 166).
\'entral davon findet sich ein Gebiet, welches als medialer Kern be-
zeichnet werden kann (dorso-medialer Kern Johnstons) und neben den
feineren Fasern des N. lateralis anterior hauptsächlich die Fasern des N.
lateralis po.sterior aufnimmt. (Fig. 166: nu. med.) Zuletzt kann man ein
ventrales Areal {veiitro-lateraler Kern Jofinstons) unterscheiden, welches der
Hauptsache nach als Endgebiet des Vestibularis betrachtet werden muß.
(nu. ventr. Fig. 166),
In allen diesen drei Kernen kommen die genannten zwei Zellarten vor.
Dabei tritt in dem Lobus Nervi lateralis anterioris oder Dorsalkern
noch eine Art großer spindelförmiger Zellen auf, welche größtenteils im
frontalsten Abschnitt nahe dem Zerebellum liegen (Nucl. octavo-motorius),
teilweise im liintern Abschnitt dieses Lobus vorkommen.
Die ganze Area statica ist von einer Fortsetzung der Molekularschiclit
des Zerebellums bedeckt, einem bei Petromyzon noch ziemlich dünnen
Neuropil, welches Dendriten von großen Zellen und zahlreiche Endauf-
pinselungen von Wurzelfasern enthält, die Crista cerebellaris.
Die großen Zellen, welche dahin einen Teil ihrer Dendriten senden,
scliicken auch Dendriten nach innen in das zentrale Grau des Lobus.
Sie gehen frontalwärts allmählich in die Purkinjezellen des Zere-
bellums über, wobei die nach innen auswachsenden Dendriten verloren
gehen und nur das äußere Dendritennetz in der Molecularis übrig bleibt.
Von den drei Kernen selber, dem dorsalen, medianen und ventralen,
geht namentlich der mediane Kern, also der Kern unterhalb des Lobus
lateralis anterior, in das Zerebellum über (Johnston).
Der Verlauf der Lateralnerven ist nun wie folgt.
Der N. lateralis posterior tritt auf dem Niveau des N. glossopharyngeus in
die Oblongata ein, etwas frontal und dorsal von der sensiblen IX-Wurzel.
Seine Fasern, die meistens nur ein Bündel bilden, fallen durch ihre
Dicke auf und verlaufen in der dorso-lateralen Peripherie der Oblongata
6fi
DAS LATERALIS- UND OCTAVUSSYSTEM DER ZYKLOSTOMEN.
frontalwärts. Sie enden meistenteils in dem medianen Kern der Area sta-
tica. Ein Teil derselben tritt in die Crista cerebellaris der Oblongata ein,
wo ihre Endaufpinsehinoen sich an die Dendriten der Purkinje-artigen
Zellen legen, während ein dritter Teil in das Zerebellum selber hinein
zieht, wo sie teilweise kreuzen (dickfaseriger Abschnitt der Commissura
Cerebelli), teilweise nngekreuzt enden.
Dichotomien sollen nicht vorkommen iu den Wurzelfasern des N. lateralis
posterior, aber ein Teil derselben soll absteigen (Teetjakoff.)
Der Nerv, lateralis anterior (oder Nerv, lateralis VII) tritt auf dem
Niveau des Facialis und "\'estibularis
in die Oblongata ein, oberhalb des
letzgenannten Nerven und etwas fron-
tal davon.
Er besteht deutlich aus zweierlei
Wurzelbündeln, welche sich durch
das Kaliber ihrer Fasern unterschei-
den (vergl. Fig. 166).
Die dünneren ventralen Fasern
enden meistenteils in de medianen Kern,
in den auch der größere Teil des N.
Lateralis posterior eintritt. Andere
steigen zum Kleinhirn auf.
Das dickfaserige dorsale Bündel
(R. d. N. 1. a.) legt sich jedoch in den
dorsalsten Abschnitt der Oblongata,
den dorsalen Kern oder Lobus Nervi
lateralis anterioris und verläuft dort
auf- und abwärts.
Die aufsteigenden Fasern der
dichotomisierenden Wurzelen enden
größtenteils um den vordem octavo-
motorischen Kern (Fig. 167), um dessen Zellen sie sich mit einem spatei-
förmigen Ende anlegen. Von hier gehen Bogeiifasern zur Mittelhirnbasis.
Die absteigenden Fasern verästeln sich innerhalb des Lobus lateralis
anterior um kleinere und größere Zellen, wovon die größern hauptsächlich
im kaudalsten Abschnitt des Lobus einen mehr oder weniger ausgepräg-
ten Kern bilden, den man als Nucl. octavo-motorius posterior bezeichnen
könnte, im Gegensatz zu dem ebengenannten vordem Kern. Von diesen
Zellen gehen Bogenfasern in kaudaler Richtung.
Da auch in dem medianen Kern, der wesentlich den Hauptkern des
Lateralis posterior darstellt. Lateralis anterior-Fasern enden, sind die Lateral-
Systeme nicht streng geschieden und kommt eine Korrelation ihrer Reize
namentlich im medianen Kerne zustande.
Fig. 166. Die Wiirzelfasein des N. VIII
und des N. lateralis anterior.
Der Nucl. dorsalis, medialis und ventralis
bei Petromyzon, n. Johnston.
R. d. N. l. a. = Radix dorsalis Nervi
lateralis anterioris; R.v.lSl.l. rf. = Radix
ventralis Nervi lateralis anterioris.
DAS LATERALIS- UND OCTAVU8SYSTEM DER 7.YKLOSTOMEN.
373
Das Vestibular-Organ der Zyklostomen ist viel komplizierter in seinem
Bau als die Lateralorgane.
Bei den Myxinoiden besteht es aus einem Saccus communis, an dessen
Seitenenden der eine Bogengang dieses Tieres inseriert. An dem Saccus
endet der N. VIII in zM^ei Asten: dem R. posterior und anterior (Retzius).
Bei Petromyzon weist der Saccus communis jedoch zwei Abteilungen
auf und hat auch der Bogengang sich in zwei Kanäle differenziert, Canalis
anterior und posterior, wovon der erste den Ram. ant., der zweite den
TVC.
e/ulil
eiJlti
TV. itcUi/iri/ mMt c^ni
aar. TT
nx A*'>v6."ir
Fig. 167. Der Niicleiis Octavo-motorius anterior bei Petromj'zon.
Zeichnung v. v. Hoevell.
Ramus posterior des N. VIII in sein ampuUenförmiges Anfangsstück auf-
nimmt. Andere Fädchen bleiben mit dem Saccus comm. in Verbindung.
In seinen zentralen Endigungen ist der N. Ocfavus von Petromyzon den-
jenigen der N. N. laterales sehr verwandt, namentlich zeigt er eine große
Übereinstimmung mit dem N. lateralis anterior.
Der Ramus posterior VIII, welcher der dorsalen Wurzel des Octavus
entspricht, hat überwiegend dichotomisierende Fasern, welche frontal- und
kaudalwärts ziehen. Hierunter fällt eine Gruppe von sehr feinen Fasern
auf, welche in dem dorsalsten Abschnitt der Area statica enden und also
eine Korrelation mit dem Lateralissystem darstellen.
Die nicht dichotomisierenden Fasern der oberen Wurzel verlaufen
frontalwärts, in der Richtung des Zerebellums,
374 DAS LATERALIS- UND OCTA VUSSYSTEM DER ZYKLOSTOMEN.
Auch die Fasei-n der untern Wunel (R. anterior) dichotomisieren sich
meistens. Doch scheinen auch darin nicht-dichotomisierende Fasern vor-
zukommen (Tretjakoff), welche aber nicht, wie diejenigen der obern Wurzel,
aufsteigen, sondern einen absteigenden Verlauf nehmen. Diese Fasern unter-
scheiden sich durch ihr grobes Kaliber (änlich wie bei den Teleostiern).
Man würde geneigt sein, aus diesem Verhalten zu schließen, daß zwar
beide Wurzeln analoge Funktionen haben, insofern beide auf- und abstei-
gende dichotomisierende Fasern bilden, aber daß die untere Wurzel hier
bereits mehr aboralen Reflexen dient, die obere mehr eine Korrelation
mit frontalen Zentren (Zerebellum?) darstellt.
Die Mehrzahl der dichotomisierenden Fasern endet in dem ventralen
Kern (ventrolateralen Kern Johnstons) der Area statica.
In diesem Kern kommt eine Zahl von größern Zellen vor, deren
Neuriten eine ventrale Kommissur bilden (Dekussation) und dann über-
wiegend neben dem Fase. long. post. absteigen. Sie sind als octavomoto-
rische Reflex-Neuronen zu betrachten, welche die Gleichgewichtseindrücke
auf niedere Zentren übertragen. (Tretjakoff.)
Vielleicht, daß einige dieser Zellen den MAUTHNEEschen homolog sind, welche
bei höhereu Fischen die Eeize des Octavo-Lateralissystems auf die Sehwanzregion
des Eückenmarkes übertragen ; vielleicht sind sie näher dem Tangentialkern ver-
wandt, welchen Cajal bei Fischen beschrieb, und dessen Elemente dieselbe Ver-
biuduugsart mit den zuführenden vestibulären Fasern aufweisen, welche sich wie
ein Löffel dem Zellkörper anlegen.
Da das ganze Gebiet der Area statica frontal mit dem Kleinhirn und
kaudal mit dem Areal der Hinterwurzelfasern des Rückenmarkes konti-
nuell ist, wird dadurch ihre bereits am Anfang dieses Kapitels erörterte
^"erwandtschaft mit den somatosensiblen Reizen demonstriert.
Auch gellt ans dieser Auseinandersetzung hervor, daß das Kleinhirn
von Petromj'zon bloß eitie Fortsetzung und weitere Differenzierung des
statischen Areales ist, worauf ich in dem entsprechenden Kapitel näher
eingehen werde.
Das Lateralis- und Octavussystem der Plagiostomen.
Bei den Plagiostomen ist sowohl das Lateralis- als das Octavussystem
viel bedeutender entwickelt als bei den Zyklostomen. Dies geht an erster
Stelle aus dem Verhalten an der Peripherie hervor.
Die Endorgane des Lateralissystems haben den Zyklostomen gegenübei-
sehr zugenommen. Mehr als hundert Kanal Organe finden sich am Körper
und Kopf, welcher (Fig. 168) daneben auch noch LoRENZiNische Ampullen
(und, bei Torpedo, auch SAVische Bläschen) trägt.
Die Nerven des Lateralapparates und auch die zentralen Endigungen
SHid zwar dieselben wie bei Petromyzon, aber sehr vergrößert.
Der Nerv, lateralis postei-ior tritt bei den Selachiern, wie bei Petromyzon,
DAS LATERALIS- UND OCTAVUSSYSTEM DER PLAGIOSTOMEN.
375
auf dem Niveau des Glossopharyngeus ein (obschon er peripher eine
Strecke zusammenläuft mit dem Vagus), während der N. lateralis anterior
dorsal vom Facialis und Vestibularis eintritt.
Die gesamte Area statica ist viel mächtiger als liei den Zyklostomen,
doch hissen sich die drei dort erwähnten Areale auch hier darin unterschei-
den, namentlich bei den Formen mit evertiertem Nachhirn, wie Hexanchus.
Zunächst ist auch hier als dorsaler Kern der Lobus Nervi lateralis
anterioris zu erwähnen, welcher als ganz aparter Höcker der Oblongata-
A.
N. lat anterior
R.dors. R.ventr.
N vest
C fO
C.Hm. A
Fig. lüS. Das System iler Lateralorgane und LorenziniscIibu Ampullen
bei Luemargus borealis (n. E\v.\kt).
Auf deru Kopf:
C. S. 0. = Canalis sufua-orbiialis (verlauft um das .\ugengebiet); C. 1. 0. = Canalis
infra-orbitalis; C.H.ni. = Canalis Hyo-mandibulaiis; A. = Ampullen von Loüenzini.
A u f d e 111 K ö r p e r :
C. L. = Canalis lateialis.
wand autliegt und nur mittels einer schmalen Zone mit derselben verbun-
den ist (siehe Fig. 170: L, L. A. := Lobus Liniae anterioris).
Die beiden andern Kerne (der mediale und ventrale Kern von Petro-
myzon) sind in dem obersten Abschnitt der eigentlichen Oblongatawand
und in dem mehr ventrolateral gelegenen Areal wiederzufinden.
Der mediane Kern, welcher, wie bei Petromyzon, hauptsächlich den
N. later. posterior aufnimmt (aber doch auch Lat. ant.-Fasern), ist
deshalb wohl als Lobus N. lateralis posterioris bezeichnet (Fig. 169: L.
Sens. Som.).
Diese beiden Kerne sind wieder mit einer Crista ce^-ebellaris bedeckt,
welche bei Selachiern viel dicker ist als bei Zyklostomen und sich fast bis
zum Calamus scriptorius ausdehnt (Fig. 109 und 170).
376
DAS LATERALIS- UND OCTAVUSSYSTEM DER PLAGIOSTOMEN
In diesen beiden Kernen liegen, neben zahlreichen kleinen Granula-
ähnlichen Zellen, große Elemente.
Darunter findet man solche, welche in der grauen Substanz der Lobi
selber eingebettet sind und ihre Dendriten ziemlich gleichmäßig in alle
Richtungen, wenn auch namentlich nach außen schicken. Ihre Neuriten
bilden innere Bogenfasern.
Andere große Zellen liegen nahe der Crisia und senden die Mehrheit
ihrer Dendriten in die Crista selber hinein.
Die Dendriten der letztgenannten Gruppe sind mit kleinen Verdickun-
gen (Dornen) besetzt und sind dadurch den Purkinjezellen noch mehr
ähnlich als es bei Petromyzon der Fall war. Sie unterscheiden sich aber
fibr desc.Iat.ant.
Crista cen
\ troct motori'us
n.lat.post.
[r Ol cer
R.dssc.Y
fasc. med.
Fig. 169. Eintr'itt de.s Nei-v. lateralis posterior bei Scylliutn canicula, n. ScfiEPMAN.
auch hier noch dadurch von den letzteren, daß sie doch auch Dendriten
haben — sei es auch wenige — , welche sich in die innere Masse des
Lobus ausdehnen (Houser, Johnston).
Der untere, ventrale Kern der Area statica, der den Octavus aufnimmt,
ist anders gebaut als die l)eiden erstgenannten ; er enthält weniger körner-
ähnliche Zellen und mehr größere Elemente, namentlich in seinem uu-
DAS LATERALIS- UND OCTA VUSSYSTEM DER PLAGIOSTOMEN. 0(l
tersten Abschnitt. Letztgenannte sind gewissermaßen als Homologa der
noch großem MAUTHNERSchen Zellen der Teleostier zu betrachten.
Die Verbindungen der Nerven mit diesen Kernen sind im Prinzip wie
bei den Zyklostomen.
Der Lateralis posterior (Fig. 169 rechts) verläuft mit der Mehrheit seiner
Fasern an der dorsolateralen Peripherie der Oblongata frontalwärts und
verliert sich auf dem Niveau des VII — VIII Eintrittes in der Crista cere-
bellaris und der darunterliegenden Granularsehicht des Lobus N. lateralis
posterioris oder des medianen Kernes.
Ein Teil der Fasern strebt weiter nach vorne und tritt (lateral von
der aufsteigenden Vlll-Wurzel) in die Aurikel des Kleinhirns ein, ver-
liert sich darin teilweise und zieht teilweise bis zu der Emineutia lateralis
Cerebelli (einer Verdickung der Seitenwand des Kleinhirns, wo dasselbe
in die Oblongata übergeht; s. Kapitel VII).
Daß die Lateralorgane Verbindungen mit den Kleinhirnohren haben
scheint auch daraus hervorzugehen, daß unter den Plagiostomen letztere
bei Tieren mit großen Lateralorganen mehr entwickelt sind als bei anderen,
sogar körperlich größeren Tieren (vergl. Kap. VII).
Eine geringe Zahl von Wurzelfasern des Lateralis posterior verläuft
abwärts, ebenfalls lateral von der absteigenden Vestibulariswurzel, und
läßt sich weit kaudalwärts im Bulbus verfolgen.
Der Lateralis anterior (Fig. 170) hat, wie es bei Petromyzon bereits der
Fall ist, zwei Wurzeln, eine obere und eine untere.
Ein auffallender Unterschied in Faserkaliber — wie dort — besteht,
jedoch bei den Selachiern niclit, obschon die obere Wurzel in Weigert-
präparaten etwas dunkler ist.
Die untere Wurzel des Lateralis anterior (H. v. N. 1. a. Fig. 170) zieht
in den oberen Abschnitt des medianen Kernes (hat also dieselbe Endi-
gungsstelle wie die feinen Fasern des vordem Lateralnerven bei Petromj'zon).
Der mediane Kern stellt also auch hier einen Korrelationskern der
beiden Lateralnerven dar (vergl. Fig. 169 links: fibr. desc. lat. ant.).
Bei primitiveren Arten lassen diese Fasern sich gut unterscheiden von den-
jenigen des Vestibularis, bei Acanthias sind sie aber mehr z\vischen diese ge-
mischt (Schepman).
Ein kleiner Teil dieser Fasern dürfte durch die schmale Verbindungs-
brücke zwischen Lobus posterior und anterior auch den letztern erreichen.
Die obere Wurzel des Lateralis anterior (R. d. N. 1. a. Fig. 170) endet
in den genannten aparten Lappen, den Lobus Liniac lateralis anterior oder
Dorsalkcrn (L. L. A. Fig. 170), der bei den meisten Selachiern medial vom
Lobus Liniae posterioris liegt, doch bei He.yanchus nach außen umge-
klappt ist.
Ihre Fasern verlaufen darin sowohl vorwärts als rückwärts.
Die Eudigung derselben findet wesentlich in der Masse des Dorsal-
378
DAS LATERALIS- UND OCTA VUSSYSTEM DER PLAGIOSTOMEN.
kernes statt, vielleicht hauptsächlich in der Molekularschicht oder Grista,
um die Dendriten der Purkinje-arligen Zellen, also eine Art von Kletter-
fasern darstellend .
Möglicherweise gehen von diesem olleren Aste des Lateralis anterior
auch einitre Fasern zum Kleinhirnaurikel.
,,:&^ ^-j'
... Aur o.BI,
'f^rC^ Aur.u.Bl.
.... Cnista cer.
R.d. N.Vest
R.v.M.i.a.
Fig. 170. Eintritt des Nervus Lateralis anterior und des N. vestibularis bei
Scyllium Canicula, n. Sciiepm.\n.
Im allgemeinen kann man sagen, daß die Verbindungen der Lateral-
nerven bei den Haien und Piociien viel deutlicher sind als bei den Z}--
klostomen.
Das Labyrinth der Plagiostomen ist den Zj'klostomen gegenüber sehr
vergrößert. Während Petromyzon nui- zwei Bogengänge hat, die Canalis
posterior und anterior, weisen die Solachier noch einen dritten Bogengang,
Ganalis externa, auf und zeigen dadurch bereits die üblichen drei Bogen-
DAS LATERALIS- UND OCTAVUSSYSTEM DER PLAGIOSTOMEX.
379
can anr
can.poft.
giiiigr, welche auch weiterliiii in der Vertebratenreihe das bleibende Be-
sitztum l)ilden.
Außerdem hat der Saccus coinniunis sich iu einen Saceulus und Utriculus
differenziert (Fig. 171).
Im Anschlulä an den Saceulus entwickelt sich hier die Laijena (Fig. 171,
p. lag.), noch wenig scharf davon abgegrenzt. Schließlich bildet auch die
Macula, besser (Benjamins i)) „Crista" neglecta einen Endapparat, welchen
wir bei den Zyklosto-
men noch nicht vor- tpidormrs g
fanden (nicht bezeich-
net in Fig. 171).
Der Odavus der Se-
lachier empfängt also
seine Fasern aus einer
viel größeren Zahl von
Endstellen als bei den
Z_yklostomen.
Zentral wärts sam-
meln sich seine Fasern
aber in zwei Wurzeln,
welche wir auch wei-
terliin bei den Verte-
braten vorfinden wer-
den.
Der vordere Ast, Ramm aiilerior, sammelt seine Fasern aus der Am-
pulla anterior, der AmpuUa externa und dem Utriculus. Der hintere Ast,
Ramus posterior (an den sich bei den höhern Vertebraten der N cochlearis
anschließt) sammelt sich aus der Ampulla posterior, dem Saceulus, der
Crista neglecta und der Papilla lagenae.
Zentral kann man den- Ramus posterior als dorsale und den Uamus
anterior als ventrale Wurzel unterscheiden (Fig. 172).
Die dorsale Wurzel (N. VIII dors. Fig. 172) endet teilweise in der
Nähe ihrer Eintrittsebene um große Zellen, welche mit den großen Ur-
sprungselementen der Fibrae arcuatae von Petromyzon, mit den Deiters-
zellen der höhern ^'ertebraten verglichen werden können.
Dieselben liegen lateral und laterodorsal von der deszendierenden
V-Wurzel und senden ihre Axonen größtenteils kaudalwärts.
Die Fasern der dorsalen VUl-Wurzel steigen ab und auf. Die abstei-
genden und aufsteigenden Bündel sind einander dabei in Größe und Form
Fitr. 171. Labyrinlli von Acanthias vulgaris, n. Hetzius.
') Dieser Autor hat darauf liingewiesen, daß die von Retzius endeclite und als
Macula neglecta bezeiclinete Endstelle keine Membrana tectoria und Otokonien führt und
auch in Hinsicht auf ihren liervorrngendi-ren Bau gehört sie zu der Kategorie der Cristae
acusticae.
380
DAS LATERALIS- UND OCTAVUSSYSTEM DER PLAGIOSTOMEN.
SO ähnlich, daß man den Eindruck bekommt, daß es sich hier um Dicho-
tomien handelt. Sie liegen in der Oblongata sehr nahe an der Ventrikel
als ovale kompakte Bündel. Die absteigenden Fasern (VIII desc. Fig. 172)
sind bis an die Übergangsstelle von Oblongata und Rückenmark zu
verfolgen.
Die ähnlich gebauten frontalen Bündel verlaufen ebenfalls nahe der
Ventrikelecke medial von den aufsteigenden Lateralisfasern (Fig. 172
Fibr. ad. lob. lat. ant.) und lassen sich bis an den Aurikel und die Emi-
nentia lateralis Cerebelli verfolgen. In den Körper des Kleinhirns ziehen
die Fasern nicht hinein.
Die ventrale oder vordere WU-Wurzel (Fig. 172: VIII ventr.) liegt
n lat.ant.dors.
M.lat.postas
s t a
j.#.V '^W^A-^ 3^5A .^^.;^-
f br ad lob lat ant
•Till desc.
-Ydesc.
•Ym dors.
Fig. 172. Eintritt und Verlauf der Vestibularisfasern bei
Acanthias vulgaris, n. Schepman.
direkt gegen die Vll-Wurzel an, kommt dann medial von derselben und
verläuft an der Basis der Oblongata, allmählich ein etwas dorsaleres Niveau
einnehmend, nach hinten.
Etwa in der Mitte zwischen der Ebene des Eintrittes von VII und IX
kreuzt ein Teil ihrer Fasern und verliert sich teilweise in dem ventralen Ab-
schnitt des Bulbus. Teilweise dürften sie bis zu dem Rückenmarke zu verfol-
gen sein, wo sie sich in den ventrolateralen Teilen des Vorderhornes (von
sekundären Bahnen begleitet?) aufsplittern (Tr. octavo-spinalis cruciatus:
Wallenberg).
Die Endkerne des N. Lateralis und Vestibularis sind kommissurell
verbunden mittels Fasern, die im ventralen Tegmentum kreuzen.
DAS LATERALIS- UND OCTAVUSSYSTEM DEIl PLAGIOSTOMEN. 381
Ans der ganzen Area statiea entstehen außerdem reflektorische und
koordinatorische Fasern, welche auf- und absteigend im hintern Längs-
bündel und darunter verlaufen und den Tr. ociavo-motorius darstellen.
Sie verlaufen mit den zerebello-niotorischen Fasern nahe an dem Ven-
trikel entlang als dorsale Bogenfasern zum prädorsalen Bündel, gekreuzt
und ungekreuzt.
Die große Mehrheit dieser Fasern hat einen aboraleu Verlauf. Nur
wenige steigen zu den vorderen Augenmuskelkernen auf.
Die großen Zellen, denen sie entstammen, liegen in dem dorsolateralen
Rand der Oblongata und sind vielleicht teilweise dem DEiTicRS-Kern zu
vergleichen, obwohl sie noch nicht so kompakt zusammen liegen.
Außer diesen sekundären Neuronen, welche sehr reichlich sind, kann
man bei den Selachiern noch zweierlei sekundäre Systeme aus den obern
und mittlem octavo-lateraleu Kernen degenerativ verfolgen.
Die einen gesellen sich den Koordinationsbaiinen des zentralen Längs-
bündels bei und enden im Thalamus und in dem Hypothalamus {Tr.
odavo-thalamicus et hypolhalamicm ; vergl. Kapitel VIII, Fig. 420 en 421).
\\e\ stärker ist das sog. laterale Längsbundel oder die laterale Schleife,
welche als Fibrae arcuatae dorsales aus dem Gebiete der Area statiea her-
vorgeht und frontalwärts ziehend, sich teilweise im Tectum (Wallen-
BERCi) hauptsächlich unterhalb des Ventrikels des Mittelhirns in einer als
medialer Mitlelhirn-Haubenkei'n (Nvcl. tegmenti mesen.cephali viedialis) bezeich-
neten Zellmasse verliert, welche bei einigen Selachiern einen ventralen
Ausläufer aufweist (Nucl. profundus mesencephali : Kap. VIII).
Ich will hier bereits erwähnen, daß die Zellmasse unter dem hintern Ab-
schnitt des optischen Ventrikels, der mediale Mittelhirn-Haubenkern, das primitive
Homologon des Torus semicireularis der Teleostier und des Corpus quadrigemiuum
posticuni der Säuger ist.
Aus dieser Verbindung mit sensiblen Gebieten des Mittelhirnes, welche
bei Petromyzon noch kaum nachweisbar ist, geht hervor, welche intimen
Verknüpfungen zwischen dem Endgebiet des Lateralis und Vestibularis
einerseits und den optischen Zentren andererseits bestehen: eine faser-
anatomische Korrelation, die offenbar eine Folge der simultanen Reizung
von Retina und Labyrinth bei Lageveränderungen und Raumorientierungen
des Körpers ist, eine Korrelation der Gravistatik und Photostatik.
In Verband hiermit ist zu betonen, daß die laterale Schleife, welche
diese Verknüpfungen bildet, teilweise aus demjenigen Abschnitt des octavo-
lateraleu Gebietes entsteht, welches mit der dorsalen Wurzel des Vesti-
bularis zu tun hat (die ventrale Wurzel übermittelt mehr direkte
spinale und bulbäre Reflexe). Da die dorsale oder hintere Wurzel mit
dem hintern Ast des Vestibularis korrespondiert, sind es also namentlich
die Reize der Ampulla posterior, des Sacculus, der Crista neglecta und
der Lagena, welche diese Korrelation mit dem Mittelhirn eingehen.
382 DAS LATERALIS- UND OCTAVUSSYSTEM
Übrigens ist wohl zu betonen, daß dieses Projektionsbündel zum Mit-
telhiru bei den Fischen zu einem nicht geringen, vielleicht dem größten
Teil eine Projektion von Lateralisreizen ist, wie namentlich dadurch be-
wiesen wird, daß das Bündel eine enorme Hypertrophie bei Tieren auf-
weist, wo die N. N. laterales hypertrophieren.
Solche Hypertrophien kommen bei den Teleostiern vor, zu deren Be-
schreibung ich jetzt schreite.
Das Lateralis- und Octavussystem der Ganoiden und Teleostier.
Für die Beschreibung des Lateralis- und Octavussystems und ihrer
zentralen \\'rbindungen bei den Teleostiern wähle ich als Beispiel die
Siluroiden, wo namentlich das Lateralissystem eine sehr starke Entwicklung
zu verzeichnen hat und ausführlich von Berkelbach van der Sprenkel
bei Silurus glanis untersuclit wurde.
Im Anschluß daran werde ich einiges über das Verhalten bei Mor-
myrus erwähnen, wo es zu einer exzessiven Ausbildung dieses Apparates
kommt (Stendell, Berkelbach) ebenso wie bei einigen Tiefseefischen,
wo namentlich die Kopforgane eine ganz auffallende Ausbildung erlangen.
Der N. lateralis j)Osteri(yr (Fig. 173) tritt bei diesen Tieren, wie üblicli,
nur mit einem Wurzelbündel in die Oblongata ein. Der Lateralis anterior
(Fig. 175), hat aber — wie auch bei den Selachiern — zwei Wurzelbün-
del, ein ventrales und ein dorsales, welche jedoch nahe aneinander
schließen und bei ihrem Austritt manchmal mit dem sensiblen Facialis
und peripher mit dem Trigeminus verlaufen, wovon sie fast nur durch
ihr Faserkaliber unterschieden werden können.
Der Bau der zentralen Kerne der Area statica ist durch die kom-
primiertere Form des Teleostierhirns weniger deutlich gegliedert als bei
den Selachiern.
Doch läßt sich auch hier die dort erwähnte prinzipielle Einteilung
erkennen in einen dorsalen Kern oder Lobus liniae lateralis anter ioris
(Fig. 175), einen nwdianen Kern, welcher auch hier Fasern der beiden
Lateralnerven aufnimmt, aber doch hauptsächlich zur Aufnahme des Late-
ralis posterior dient und daher als Lobus Nerv, lateralis posterioris bezeich-
net ist (Fig. 173), und den darunter liegenden ventralen Kern oder besser^
gesagt das ventrale Areal, welches überwiegend vestibuläre Fasern auf-
nimmt.
Die beiden erstgenannten Kerne sind auch hier mit einer Crista cere-
bellaris bedeckt, welche gerade bei den Siluroiden sehr groß ist (Fig. 173).
Man kann in dieser Crista, wie bei Selachiern (Fig. 170), zwei Ab-
schnitte unterscheiden, von denen jeder mit einem <ler genannten dorsalen
und medialen Kerne korrespondiert.
Von diesen beiden Abschnitten dehnt sich bei einigen Siluroiden (Silu-
rus glanis) die Crista des Lobus anterior weiter kaudalwärts als diejenige
DKR GANOIDEN UND TELEOSTIER.
383
des Lobus posterior. Bei anderen (Arius: Fig. 173) ist es umgekehrt.
Frontal nimmt aber die Crista des Lobus jtosterior viel melir an Um-
fang zu als diejenige des Lobus anterior und verschmilzt sie eher mit der
Molecularis des Zerebellums als die Crista des Lol)us anterior, welche nocli
eine kurze Strecke unter dem Zerebellum durch verläuft, dann (bei Siluris
lob.lin la Post.
(.cristaw ,
Kig. 173. Eintritt der N. lateralis posterior in den Lubus liniae lateralis
posterior (Nucleus medianus) mit Crista cerebellaris eines
Siluroiden (Arius) n. van der Horst.
glanis) mit dem kontralateralen Lobus verschmilzt und erst darnach
eine Verbindung mit dem Zerebellum eingeht.
Frontalwärts nimmt auch die Körnerschicht des Lobus posterior stark
an Umfang zu und bildet die Massa granularis (Franz), welche teilweise
dem Aurikel der Selachier entspricht, aber in Verband mit dem kompri-
mierteren Charakter des Teleostierhirns hier ihren spaltförmigen Hohlraum
verloren hat und massiv geworden ist (vergleich hierzu das Kapitel Klein-
hirn, Fig. 356).
Die Fasern des N. lateralis posterior, die auf dem Niveau des IX ein-
treten, verlaufen an der dorsolateralen Periiiherie frontalwärts (Fig. 173
384
DAS LATERALIS- UND OOTAVUSSYSTEM
Lat. post.). Nur ein kleiner Teil derselben verläuft kaudal, neben den ab-
steigenden Fasern des Vestibularis, bis zum Anfang des Rückenmarkes. Sie
sollen Bifurkationen eines Teiles der frontal verlaufenden Fasern sein (Tello).
Die frontalen Fasern- weitaus die Mehrzalü-enden hauptsächlich dort,
wo der Lobus posterior seinen größeren Umfang erreicht hat und scheinen
sich sowohl in der Crista
als in der Granularis auf-
zusplittern, was namentlich
bei Mormyrus, wo dieser
Nerv und dessen Endgebie-
te einen enormen Umfang
erreichen (Fig. 174) sehr
deutlich ist.
Sie werden — dies ist
bei Silurus sehr deutlich —
darin von Fasern des Late-
ralis anterior (und Vestibu-
laris) begleitet, sodaß der
mediane Kern hier sowie
l)ei den Plagiostoraen nicht
ausschließlich dem hintern
Seitennerven gehört.
Ein Teil der Lateralis
posterior-Fasern erreicht das
Zerebellum, oder wenigstens
denjenigen Abschnitt des-
selben, der dem Aurikel
entspricht.
Die Zusammensetzung
des Nerv, lateralis anterior
und dessen Verlauf sind
komplizierter. Ihre zwei
Wurzelbündel sind nicht so
leicht trennbar als bei Se-
lachiern (die Unterschei-
dung in dicke und feinere
Fasern entspricht keinen
bestimmten Wurzeln).
Die frontalsten Latera-
Xs.e.
Fig. 174. Exzessive Entwicklung und gegenseitige
Verschmelzung des Lobus lateralis posterior.
(Endgebiet des N. lat. post.) bei Mormyrus
Cashive, n. BERKELn.\CH v. d. Sprenkel.
Cr. l. = Crista lobi lat. postei'ioris; L. of C. = Zell-
schicht des Lob. lat. post.; M. of L. = Markschicht
des Lob. lat. post.; Tr.Sp.c. = Tractus Spino-cere-
bellaris.
lisfasern sind ziemlich fein
und steigen — wie auch von Tello beim Karpfen beschrieben wurde —
zum Kleinhirn empor, wo sie vielleicht teilweise in der Decussatio Veli
kreuzen. Die übrigen, hiervon etwas getrennten Fasern dringen in den
Lobus lateralis anterior selber ein.
DKK (iANOIDKN 1NI> TELKOSTIKl!. 385
Einige dieser Fasern kreuzen die llaiihe und enden in der kontralate-
ralen Crista.
Das ventrale Wurzelbündel des Lateralis anterior enthält bei den
Biluroiden auttallend dicke Fasern, die kaudalwärts laufen und in oder
nahe dem Nnel. tano'entiali.s (s. u.) und den MAUTHNERSchen Zellen enden.
Obschon ein 'Teil dieser dicken Fasern auch den. Lohns lateralis posterior
erreicht, hegleitet die Mehrzahl derselben das i'estibularissijstem, dadurch den
intimen Zusammenhang zwischen diesen beiden Apparaten demonstrierend.
Aus welchen Kopfseiten-Organen gerade die großkalibrigen Lateralis anterior-
Fasern stammen, ist mir nicht bekannt. Ihre Dicke und ihre direkte Verbindung
mit dem motorischen Tegmentum des Bulbus weist auf ihre direkte reflektorische
Natur hin.
Das Labyrinth der Teleostier unterscheidet sich von demjenigen der
Selachier dadurch, daß der Ductus endolymphaticus, welcher bei den Se-
lachiern noch eine offene Kommunikation mit der Außenwelt hat, hier,
von der Meninx bedeckt, blind endet. Außerdem ist bei manchen Teleo-
stiern i) (Siluroiden und Zyprinoiden) die Lagena erheblich mehr differen-
ziert als bei den Selachiern.
Der N. octavus der Teleostier ist uns namentlicli durch die Unter-
suchungen von Retzius, Cajal und Tello bekannt.
Die sieben vestibulären Perzeptionsstellen : die drei Cristae der Ampul-
len, der Utriculus, der Sacculus, die. Macula, besser „Crista" ~) neglecta
(welche bei den Plattfischen und noch einigen änderen, wie Raniceps,
Gobius, Lophius, Zeus, Calliouymus, Gadus, fehlt; Retzius) und die Papilla
Lagenae enthalten, wie wir bereits durch die Uiatersuchungen von Retzius
wissen, Vestibularisfasern von verschiedenem Kaliber.
Die Fasern der drei Ampullen sind teilweise sehr grob, teilweise fein,
die der Crista neglecta sind sehr grob, diejenigen des Utriculus und Sac-
culus sind mittlem Kalibers, und die der Papilla Lagenae sind sehr fein
und wenig zahlreich.
Die Art, wie die Fasern auf die beiden Vestibulariswurzeln verteilt
sind, ist so, daß die ventrale Vesbihulariswurzel, welche dem Ramus anterior
vestibularis entspricht, die groben und feinen Fasern der Ampulla anterior
und externa und die (mittelkalibrigen) Fasern des Utriculus führt.
Die dorsale Vestibulariswurzel, welche dem Ramus posterior Ylll ent-
spricht, führt die groben und feinen Fasern der Ampulla posterior und
der Macula, besser „Crista" neglecta, die (mittelkalibrigen) Fasern des
Sacculus und die feinen Fasern der Lagena 3).
') Eine selten vorkoiuniende Eigentümlichkeit weist des Labyrinth von Cynoscion
regalis auf, wo Sacculus und Utriculus nicht miteinander verbunden sind (Parkkr).
'-) Siehe Seite 379.
^) Nur bei einigen Teleostiern (Sahno salar, Clupea harengus und Anguilla) gibt
auch der R. anterior einen Ast an den Sacculus ab (Retzius).
Kappers. 25
386
DAS LATERALIS- UND Of'TAVUSSYSTEM
Während also jede Wurzel Fasern verschiedenen Kalibers führt, tren-
nen sich in der Oblongata die groben Fasern von den feinen und mittle-
ren und haben alle ihre besondere Endigung.
Die sehr groben Fasern aus den drei Ampullen und der Crista neglecta
enden ziemlich rasch nach ihrem Eintritt in die Oblongata in den bereits
erwähnten tangentialen Kern. (Tei.lo), in den (bei Silurus) auch die groben
Fasern des Lateralis anterior eintreten.
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Fig. 175. Kintritt der Vestibiilariswurzel in die Oblongata von
Amia Calva, n. Schepman.
Die Art, wie sich die Ve-stibularisfasern den Zellen des Tangential-
kernes anlegen, ist sehr tyj)isch und stimmt mit demselben Verhalten bei
dem Spindelzellkern (Nu. octavo-motorius anterior: Fig. 168) der Zyklosto-
men und dem Tangentialkern der Reptilien und Vögel überein, indem
sie durch eine löfFelartige Verbreiterung des Endastes erfolgt.
Bei einigen Fischen kann man in dem Tangentialkern zwei Abschnitte unter-
scheiden: einen vordem, mehr ventral unterhalb des sog. DEiTERskernes dieser Tiere
gelegenen Abschnitt, und einen hinteren dorsaleren Abschnitt, welcher sich kaudal
an den DEiTEKskeru anschließt (Tello).
Die mittelkalibrigen Fasern des Utriculus enden um den etwas mehr
dorsal liegenden DEiTERskern. (Nucl. vest. Fig. 175).
Diejenigen des Sacculus enden teilweise an retikulären Zellen (s. u.).
Ein Teil der Sacculusfasern bildet aber mit feineren Elementen der Am-
pullen und der Lagena auf- und absteigende Wurzelbündel in dem dor-
salen Abschnitt der Oblongata. Das aufsteigende Bündel endet in dem
DER GAXOinEX UNH TELEOSTIER. 387
übereil tlr;ui und in dessen Cri.sta. Es ist von Endiisteii der N. N. late-
rales begleitet und o;il)t audi Käsern an das Kleinliirn ab, sowold ge-
kreuzte als ungekrenzte.
Das absteigende Bündel verläiü't mit dem letztgenannten erst zwischen
den absteigenden V- und Vll-Wnrzeln und schließt sieb dann den ab-
steigenden Elementen der Lateralnerven an.
Überblickt man dieses Verhalten, so zeigt sich, daß die groben Fasern,
welche durch ihr Kalil)er bereits den Eindruck reflektorischer Elemente
machen (also die groben Am pullenfasern und die groben Neglectafasern)
direkt dem tangentialen Kern zuströmen in dem — bei Siluroiden — auch
die groben Elemente des N. lateralis anterior enden (s. S. oSö).
Ihre Reize werden von hier aus durch sekundäre Bahnen i) reßektorisch
verwertet, hauptscächlich kontrolateral.
Ähnliches gilt für die dicken Utriculus- und Sacculusfasern, deren
Reize aber von den etwas mehr dorsal liegenden DiciTERszellen und
retikulären Zellen iiauptsiiclilicli honiolateral in absteigendem Sinne ver-
wertet werden.
Die anderen Fasern dagegen (ein Teil der Ampullen und der Sacculus-
fasern und alle Lagenafasern) bilden auf- und absteigende Fasern in dem
dorsalen Abschnitt der Area statica (Fig. 175 Fibr. dors. A'estib.) wo sie,
in dessen innerm Grau, wie in dessen Crista, enden. Ihre Reize werden
nicht sofort, wenig.stens nicht nur zu motorischen Zentren, übertragen,
sondern werden, wie wir gleich sehen werden, mittels des Fasciculus
longitudinalis lateralis (laterale Schleife) auf das Mittelhirn projiziert.
Zusammenfassend finden wir also, daß die Funktionstrennung, ivelvlie im
zentralen Ne^-vensystem durch die verschiedenen Endig ungszentren und deren ver-
schiedene Vei'bindungen bestellt, bereits in der Peripho'ie durch das verschiedene
Kaliber der Fasern angedeutet ist, und daß man darin bereits die mehr direkt
reflektorischen. Elemcnie durch ihre besondere Große unterscheiden kann.
Wichtig ist es dabei, zu. bemerken, daß alle Lagenafasern zu der Kategorie
der feinen, nicht direkt reflektorischen, Elemente gehören und in, den dorsalen
Abschnitt der Oblongata treten (s. die Bctracldung am Hchluf)).
Die Zellen, welche im Dienste der direkten motorischen Reizübertra-
gung stehen, sind teilweise den Müi.LERschen Zellen der Zyklostomen
verwandt und bilden einen Teil der retikulären Zellen des Bulbus, des
sog. Nucleus raotorius reticularis -), d. b. jener meistens großen Zellen,
welche ursiarünglich mehr in der Nähe der motorischen Zellen des Bul-
bus angelegt, sekundär, neurobiotaktisch, ein intimeres Verhalten zu den
') Diese sekundären absteigenden Bahnen werden auch noeh von einzelnnn piimliren
Neuronen begleitet (Wallkmikug).
') Der Name Nucl. motoriiis togiiienli (Ehinukr) ist nicht so gut, weil man ursprüng-
lich unter Tegmentum (= Haube oder Kappe) einen dorsalen Teil versteht, welchei- dcf
Flügelplatte entspricht und weil es sich hier um Bestandteile der Basalplatte handelt.
Besser ist Nucl. motorius reticularis.
388 DAS LATERALIS- TINP OCTAVUSSYSTKM
primär-sensorischen Kernen erhalten (Bartelmez), und eine diesen Kernen
entsprechende Differenzierung aufweisen (Kap. VI).
Diese neurobiotak tische Annälierung an die sensorisclien Systeme
sehließt eine vermehrte Adaptierung für schnelle Reflexe zwischen jenen
sensorischen Zentren und den Zentren der somatischen Muskulatur in sich.
Es ist nicht befremdend, daß gerade eine große Zahl dieser Zellen
sich in dem Gebiet des Vestibulariseintrittes anhäuft, wo so wiciitige und
oft, ich möchte fast sagen: stets in Reizung sich befindende sensorische
Fasern, die des Gleichgewichtes, enden.
Diese Zellen sind teilweise den MüLLERSclien oder großzelligen Ele-
menten des Lobus staticus bei den Zyklostomen zu homologisieren.
Teilweise auch entstammen sie erst bei den höheren Fischen zu dieser
Ausbildung aktivierten Neuroblasten.
Einige dieser Zellen finden sich in der Nähe der Rajjhe, wo sie unter
mehr Kollateralen der vestibulo-lateralen Dekussation empfangen.
Unter diesen retikulären Elementen ist bei den Teleostiern eine Zelle
sehr weit gegangen in ihrer Differenzierung, nämlich die MAUTHNKRSche
Zelle, welche durch ihre Größe bereits sehr lange die Aufmerksamkeit der
Untersucher auf sich gezogen hat, und in letzter Zeit namentlich durch
die Untersuchungen von Beccaei, Bartel.mez und Kivoyasu Mariu besser
bekannt gewoi'den ist. Es lohnt sich hier, etwas Näheres davon mitzu-
teilen (vergl. auch S. 31).
Der Zellleib und die Dendriten dieser Zelle sind enorm.
Mittels eines lateralen Dendriten i) und der sogenannten Axonkappe
(Ax. cp. Fig. 176 B) steht sie in Verbindung mit gleichseitigen Vestibu-
lariswurzelfasern (namentlich des Sacculus, Beccaki; Fig. 176 A und B).
Auch senden gekreuzte Ve.stibularisfasern Kollateralen in diese Kappe
und in das Netzwerk von Tel.odendrien, welches die Zelle umspinnt.
Außer diesen direkten Vestibularisverbindungen hat die Zelle eine
Menge sekundärer Octavo-Lateralis-^'erbindungen, indem äußere und innere
Bogenfasern des ventralen und dorsalen Kernes, gekreuzt und ungekreuzt
Axonen und Kollateralen in das Netzwerk oder in die Axonkappe senden,
welche auch Fasern des Tractus cerebello-motorius (Tr. cerebello-tegmen-
talis) enthält, und solche aus dem vordem sensiblen Trigeminuskern, dem
Mesenzephalon und sogar aus dem Tectum opticum erhält.
Die zerebello-motorischen Neuronen, sowie diejenigen aus dem Nucleus
princeps Trigemini (frontaler sensibler Trigeminuskern) enden hauptsächlich
um einen speziellen Dendriten, den obern ventralen Dendriten '^), während
die ventralen Octavuskerne und die gekreuzten und ungekreuzten tekto-
') Es sind nanieutiich Sacculusfasern, welche dort enden (Beccari).
2) Das hier beschriebene Verhalten gilt für Araeiurus. Bei den meisten Ti^leostiern
kommt nur ein ventraler Dendrit vor (siehe Fig. 176 B), welcher den Verlauf des obeni
ventralen Dendriten von Ameiurus hat.
DICK liANlIlDKN INI» TICLEOSTIER.
389
Achsenzy.
linder
Axonhtigel.
Auerbaclisclie Endfüschcn von
Telodcndrien.
.M(J Sh
f ' lal Den
CDend'
;nf VentDend
Med Denä'
Fig. -176 A. Mauthnersche Zelle eines Knochenfisches n. Bartelmez.
.Man beachte die Axonkappe, welche den A.'conhiigel umgibt und die Auer-
liALiischen Endfiischen des N. vestibularis auf den lateralen Dendriten.
Md. Sh. =^ Marksclieide des Achsenzylinders; Gl. = Gliazellen; C. Dend. =
kleine dendritische .Xusläufer, welche in die A.\onkappe hineinragen.
Fig. 17(1 15. .Mauthnersche Zelle eines jungen Lachses,
n. Baiitelmez.
F. L.M. — Fasciculus longitudinalis niedialis (= centralis):
A.t. = Axon; A.r.Cp. = Axonkaijpe: Nucl. D. = DEiTEiis-kern.
390 DAS LATERALIS- UND OCTAVUSSYSTEM
bulbären Fasern mit dem unteren ventralen Dendriten der Zelle in Ver-
bindung treten.
Die Mauthnersc/ic Zelle ist also ein. deutliches Beispiel eines gemciiiscliaji-
lichen Endweges versdiiedener Reize (final common path Sheeringtons), und
ihre Verbindungen beweisen die wichtige Funktion dieser Zelle für die Erhal-
tung des Gleichgewichtes und, weil das Axon bis in das Schwanzsegment des
Rückenmarkes zu verfolgen ist, insbesondere für die Rolle, xvelche der Schwanz
dabei spielt.
Mit Hinsicht darauf ist es interessant, daii namentlich Fische mit einer
starken Schwanzmuskulatur diesen MAUTHNERschen Apparat am deut-
lichsten zeigen, z.B. der Lachs (Fig. 176 B: vergl. auch S. 395).
Ähnliche Verbindungen mit dem \'estibularapparat, wie der untere
ventrale Dendrit der Mai TUNERschen Zelle, hal)en auch die anderen, hinter
diesem Areal gelegenen retikuläi-en Zellen (Nncleus motorius reticularis,
Pars postmauthneriana von Baktelme/).
Außerdem kommen aus dem oberen Abschnitt der üblongata reflek-
torische Fasern hervor, welche wie die octavomotorischen Bahnen der Selachier
verlaufen und, dui'ch zerebellomotorische Fasern verstärkt, auf dem Wege
des zentralen Längsbündels und der ventrolateralen Stränge gekreuzt und
ungekreuzt auf- und alnvärts ziehen.
Die aufsteigenden Fasern ziehen zu den vordem Augenmuskelkernen
(Nucl. III und IV), die absteigenden zu dem Abducenskern und zu der
liegion der spinalen Nervenkerne.
Was die sonstigen sekundären Verbindungen der Octavo-lateralis-Kerne
anbelangt, muß zunächst erwähnt werden, daß die dorsalen Areale der
beiden Seiten — wie bei den Selachiern — durch kommissurelle Fasern
verbunden sind.
Während die Octavo-Lateralis-Kommissur bei den Selachiern aber
ventral verläuft, wird sie Ijei den Teleostiern von dorsalen Bogenfasern
dargestellt (Cj'prinu.s), welche direkt unterhalb des Fasciculus longitudinalis
centralis kreuzen, ja, bei den Gadiden sogar durch eine Kommissurplatte,
welche oberhalb des vierten Ventrikels die Lobi der beiden Seiten verbindet.
Bisweilen kann man zwei solche Kommissurbündel unterscheiden.
Das mächtigste aufsteigende Korrelationsbündel des gesamten Octavo-
Lateralis-Systemes bildet indessen auch hier wieder der Fasciculus longitu-
dinalis lateralis oder der laterale Lemniscus (laterale Schleife), welcher bei
Teleostiern aus dem dorsalen und medianen Kern der Area statica entsteht,
direkt unterhalb des Fase. long, centr. kreuzt und zum Torus semicircu-
laris des Mittelhirnes, dem Homologon des Nucl. tegmentalis medialis der
Selachier. zieht.
Direkte Verbindungen mit dem Tectum optieum, wie wir dort noch
fanden, scheinen hier nicht mehr vorzukommen (Wallenberg; Kap. VIII).
Auch zum Zwischeuliirn, Thalamus uud Hypothalamus lassen sicji verein-
zelte sekundäre Neuronen des Octavo-Lateralis-Webietes verfolgen (Wallenkehg).
DER GANOIDEN UND TELEOSTIEK.
391
Da die Projektionsbahn dieses Gebietes hauptsächlich dem dorsalen
und medianen Kern des Lobus staticus entstammt und diese Kerne an
erster Stelle (neben dorsalen Vestibularisfasern) LateraHsfasern empfangen
(Lob. nerv. lat. ant. und Lob. nerv. lat. post.), kann es uns nicht wundern,
daß dieser laterale Lemniscus bei einer Hypertrophie der N.N. laterales h^yper-
troi)hiert, wie die ganz auttallend ist bei Mormyrus (Stendell, Berkelhaou).
Dort wachsen diese Ker-
ne zu einer enormen Größe
an ; der mediane Kern oder
Lobus lateralis posterior, er-
reicht dort einen solchen
l'mfang, daß eine bilate-
rale \'erschmelzung in der
l'^orm einer großen Kappe
statttindet, welche den klei-
nern Lobus n. lateralis ant.,
der auch eine bilaterale Ver-
schmelzung aufweist, nach
oben und hinten gänzlich
umschließt (siehe Fig. 174).
Oljschon nun der Vesti-
bularapparat dieser Tiere
relativ klein ist, ist doch die
obengenannte Projektions-
bahn zum Mittelhirn : der
Lemniscus lateralis (Lem. 1.
Fig. 177) und ihr Kern im
Torus semicircularis sehr
vergrößert und weist auch
die tertiär mit diesem Kern
verbundene Valvula Cere-
belli eine riesige Ilyjtertro-
phie auf. Tatsächlich beruht
die enorme Valvulabildung
bei dieseniTiere auf den dem
Kleinhirn mittels des Lem-
niscus lateralis und des
Torus semicircularis zuge-
führten Reizen der ver-
größerten Lateralnerven.
MW
CAlfi.ce'^
Hc lYtiuct
Kig. 177. (Querschnitt durch die Mitteliiirn-
Oblongata Grenze von Mormyrus Cashive;
van GiESON-Präparat.
Man heaolite die starke Entwicklung der lateralen
Schleife (Lern. L).
Lob. in f. = lobus inferior hypothalanii.
Valv. cer , Corp. cer. = Valvula und Corpus Cere-
belli, n. Burkelbach van der Sprenkel.
Ich möchte schließlich mit wenigen Worten die Frage berühren, od
<lk Fische hören; ob also ein Teil der hier beschriebenen Fasern auch der
Hörleitung dient.
392 . UB DIE FlSf'HE HÜKKN ?
Diese Frage ist eine viel umstrittene. Sie scheint mir aber dadurch
gelöst zu sein, daß Pipkr nachweisen konnte, daß der N. octavus eines
Herings eine negative Schwankung aufweist, wenn in der direkten Nähe
des Wassers, in welchem sich das Experiinenttier befindet, ^'ioliusaiten in
Schwingung gebracht werden.
Außerdem hat Pakkkk nachgewiesen, ilaß jedenfalls gewisse Fische
reflektorisch auf diejenigen Schwingungen des Wassers reagieren, welche
von einer Stimmgabel von 128 Vibrationen i) per Sekunde verursacht
werden. Der dadurch ausgelöste Reflex l^estand aus einem plötzlichen
kleinen Sprung mittels Schwanz und Pektoralflosse.
Durch Durchschneidung der N. N. laterales wurde der Reflex nicht
beeinträchtigt. Hierdurch wird also bewiesen, daß es der N. Xlll, nicht
der Lateralis ist, welcher diese Gehörschwingungen perzipiert. Diese Auto-
ren haben nicht ermittelt, welche Fasern des N. VHI diese Perzeption
leiten oder ob alle dazu imstande sind.
Wir wissen jedoch, daß die Schwanzmuskulatur stark von der Mauth-
NERschen Zelle beeinflußt wird und daß deren lateraler Dendrit mit Sac-
culusfasern in intimer Verbindung steht (Bkccari). Es ist also nicht un-
möglicli, daß dieser primitive Hörreflex von dem Sacculus übermittelt
wird (Baktelmez). Dies ist um so wahrscheinlicher, weil viele Physiologen
(namentlich Hensen) eine Empflndlichkeit des Sacculus (auch bei den
Säugern) für Geräusche annehmen.
Außerdem wissen wir, daß die Papilla Lagenae sich aus der Macula
Sacculi differenziert. Da aber die Papilla basilaris Cochleae der hohem Ver-
tebraten (Amphibien), wie wir gleich sehen werden, sich wieder aus der
Papilla Lagenae, oder besser in Anschluß daran entwickelt, ist es wohl
wahrscheinlich, daß auch die dorsal endenden Lagenafasern der Fische auch
zu dieser Perzeption beitragen.
Die Endorgane des Lateralissystems perzipieren nach den Exi)erimen-
ten Parkees, Hofers' und Steinmanns periodische Druckänderungen des
Wassers, welche entstehen beim Hin- und Hersclileudern des Schwanzes
während des Schwimmens oder durcli Anprall des Wassers gegen harte
Gegenstände. Die Art der dadurch verursacliten Scliwingungen ist — wie
diejenige des Gehörs — auch longitudinal — sinussoider Natur. Die Periode
soll aber nur ungefähr 6 per Sekunde sein. Das primitive Hören ist also
nicht daran gebunden, umsoweniger, als erst bei Amphibien, wo (bei den
Anuren) das Lateralorgan verschwindet und in Anschluß an die Lagena
die Papilla basilaris Cochleae sich entwickelt, das Hören als ein ausge-
sprochener, sei es auch (Edinger) wenig entwickelter Sinn aufti-itt.
Das Lateralis- und Octavussystem der Amphibien.
Das Lateralis- und Octavussystem der Amphibien ist verschieden ent-
') Dies übersteigt schon die untere Grenze der Gehörschwingungst'requenz.
DAS 1-ATEKAI.IS- (NM) Ot'TAVUriSiYSTEM DKR AMPHIBIEN.
393
wickelt, je nachdem man die geschwänzten oder ungeschwänzten Repräsen-
tanten dieser Ordnung untersucht.
Dies gilt sowohl für die peripheren als für die zentralen Verhältnisse,
über die wir l)ezüglicli der geschwänzten Amphibien durch Strong,
KiNiiSBiTRY, Beccari, Herkicic, Röthig, Schepman, betreüs der schwanz-
losen Formen durch Gokdün Holmes, Gaupp, Deganello, Hammer und
Röthig orientiert sind.
Beide Ordnungen i) sind während des Larvallebens mit Latei'alner-
ven ausgestattet. Während aber die Anuren sie bei der Metamorphose
verlieren, haben die ürodelen sie auch später noch. Sie funktionieren
jedoch nur, solange diese Tiere im Wasser leben. Jedesmal nach der
Laichzeit gehen die Tiere aufs Trockene, die Organe senken sich dann
in die Tiefe, um erst nach- p,b', arc.dors. LLIat dors.
stes .Jahr wieder an die ; Pnm. cochl.kern , «-: tracta
Oberfläche zu kommen. — Flp '; ^xj^lfr';'. LLIat med
s#* i^'^^W- ^^■:, . tra ct. b.
,^-LLIatventr
-Nerv.
'^^^».^^2' Cochl.
Dies wiederholt sich perio-
disch.
Bei diesen Tieren tiii-
det man denn auch noch
eine Ausdehnung der Crista
cerebellaris auf der Oblon-
gata (Fig. 178) welche beim
Schwund der Lateralnerven
(Fig. 180) verloren geht.
Da ich beabsichtige,
hier namentlich die zentra-
len \'erhältnisse zu skizzie-
ren, wie sie beim Frosche
vorliegen, werde ich hier
nicht weiter auf die Ver-
bindungen der Lateralner-
ven bei den ürodelen Am-
phibien eingehen, welche ja auch in viel klassischerer Weise bei den Fischen
vorkommen. Man lese hierüber namentlich den interessanten Artikel von
KiNGSBURYS und C. J. Herricks und die Arbeit Schepmans, der ich bei-
gehende Figur 178 entnehme.
Das überwiegende Interesse des Aiuphibiengehirnes liegt für unser
Problem in der weitern Ausl)ildung des N. octavus, sowohl in dessen
peripherem als in seinem zentralen Verhalten.
Auch was den Net-vus Octavus anbelangt, liegen Unterschiede in dem
peripheren Verhalten bei dem genannten Ordnungen vor.
7%:m
Nerv.VHmot
; Vdesc.
Visc. asc.
Fig. 178. Verlauf der Lateraliswurzellaserii
unter der Crista cerebellaris Oblongatae bei Molge
cristata, auf dem Niveau des Einti'itts der Fasern
der Lagena und der Papilla Ijasilaris.
Tract. (( und b (Kingsbury) scheinen Assoziations-
fasern zu sein. n. Schepm.^n (verg. Fig. 180).
') Auch bei e.xtinkten Foi'iuen von Anipliibieri sind Lateruiorgane in starker Kiit-
wicklung nachgewiesen (Mooim:).
394
DAS LATERALIS- UND OCTAVÜSSYSTEM DER AMPHIBIEN.
Bei beiden Amphibienarten teilt sich tler Octavus in zwei Äste, einen
Ranius posterior und einen Ramus anterior, und bei beiden versieht der
Ramus anterior die Ampulhi externa, Anipulla anterior und den Uli'icuhis
mit B^isern, wäln-end der Kamus jiosterior die AmpuUa postei'ior die
Crista neglecta, Papilla Lagenae und Pai)illa basilaris Cochleae versieht.
Was die Nervenverbindung des Sacculus anbelangt, zeigt sich aber
ein Unterschied in dem Sinne, daß die geschwänzten Amphibien (welche
auch in andern Eigentümlichkeiten des Zentralnervensystemes sich stark
den Selachiern nähern) eine Nervenverästelung haben (Retzius), die mit
derjenigen der Plagiostomen übereinstimmt, wo die Sacculusfasern von dem
Ramus posterior herstammen, ^vährend die Sacculusfasern bei den unge-
schwänzten (froschartigen) Amphibien in dem Ramus anterior verlaufen i).
In dem Labyrinth der Amphibien entwickelt sich zuerst im Anschluß
an die Lagena der Anfang einer Cochlea, flie Pars basilaris Cochleae, welche
ihre Nervenfasern auch aus dem Kamulus Lagenae erhält, also bei allen
1'ieren aus dem hintersten
Cl.endof. Ast des N. Octavus.
;' Diese Cochlea- Anlage
/ ,can.post
can.ant.
-can.exr.
■■P- bas, cochf.
ist anfänglich noch sehr
klein und fehlt sogar bei
einigen geschwänzten Am-
phibien (Proteus, Meno-
branchus, Amphiuma).
Im allgemeinen ist sie
bei den ungeschwänzten
Amphibien (Fig. 179) größer
als bei den geschwänzten
und man dürfte also sagen,
daß dort, unter den Amphi-
bien, die akustische Funk-
tion am meisten entwickelt
ist 2).
Inmierhin müssen wir
wohl daran denken, daß die
Zahl der Fasern, welche aus der Papilla basilaris Cochleae kommen, auch
bei den Froschartigen, nur einen ganz kleinen Teil der Hinterwurzel dar-
stellen, und daß die Mehrheit der Fasern den andern Endstellen des R.
posterior dieser Tiere, nämlich der Ampulla posterior, der Crista neglecta
sacc.
F'\^. 179. Laliyrintli des Frosches n. Retzius.
(Man beaclite die Anwesenheit eines Pars basilaris
Cochleae im Gegensatz zu dem Verhalten bei Acant-
thias: Fig. 17'2 A.
') Nur ein 'I'ier, Amphiuma, nimmt eine Mittelstellung ein, weil dort der Sacculus
.sowohl Fasei'n von dem R. anterior als von dem R. posterior empfängt (Retzuis).
^') Eine andei-e Besonderheit des Labyrinthes dieser- Tiere, welche man namentlich
beim l'rosch findet, ist die außeronlentliche Ausdehnunp; des Ductus endolymphaticus in
dem V('rtid)ialkanal. welchen ich in dem Kapitel ulier ilas Riickenmai-k (S. l.'iO) be-
schrieben habe.
DAS LATERALIS- CN'D OCTAVUSSYSTEM DER AMPHIBIEN. 395
u])(] (1er Papilla Lagenae entstaiuuit'U, also wohl hauptsächlich vestibulären
Funktionen dienen.
Ich. werde nun die zentralen Verhältnisse beschreiben, wie sie beim
P'roschc vorliegen, weil dei' Cochlearapparat dort am meisten entwickelt
ist und die Verhältnisse der Fasern und der Kerne <lort am deutlichsten
nnd am besten studiert sind.
Außerdem hatte ieli selber Präparate des Ochsenfrosches *) (Rana
mugiens) zu meiner Verfügung, bekanntlich der größte Repräsentant dieser
.Sorte, sodaß ich (zusammen mit H.-i.mmer) die Angaben der Autoren
daran prüfen konnte.
Man findet beim Frosche die zwei Octavuswurzeln, die zwei getrennten
Ganglien, dem (ninglion acusticum posterius und anterius, entstammen,
ziemlich ileutlich getrennt, aber ungefähr auf demsellien Querniveau in
die Oblongata treten (Fig. LSD).
Die dorsalst eintretenden Fasern entsprechen dem hintern Ast, welche
neben Fasern der Ampulla posterior, Crista neglecta und Lagena auch
solche der Papilla basilaris oder Cochlea führt.
Der PMmus anterior, welcher i'ein vestibulär in seinem Charakter ist,
tritt, wie l)ei den Fischen, etwas mehr ventral in die Oblongata.
Die Endigungen der beiden Wurzeln sind verschieden.
Die ventrale Wurzel zieht jedenfalls nicht zu dem dorsalen magno-zel-
lulären Keriij sondern endet ventral davon in verschiedener Weise (Fig. IStl).
In erster Linie sendet sie einen Teil ihrer Endigungen (nach Dicho-
tomie) in den sog. ventralen VIII-Kern, welcher teilweise als das Homologon
des DEiTERschen Kernes der iKihern Tiere zu betrachten ist, bei niedern,
geschwänzten Amphibien al)er (Bicccari, Herrick) nocli seinen retiku-
lären Charakter durch den Besitz einei- MAi'TiiXEK'schen Zelle zeigt, deren
Axon in der üblichen Weise neben oder in dem Fasciculus longitudinalis
centralis kaudalwärts läuft und einen Einfluß auf die S(;hwanzbewegungeii
hat. Diese MAUTHNERsche Zelle wird jedoch bei den schwanzlosen Tieren
nicht mehr gefunden (vergl. auch S. 390).
Andere Fasern der ventralen Wurzel bilden längere auf- und abstei-
gende Äste.
Erstgenannte steigen bis in das untere Gebiet des Zerebellums auf,
letztgenannte sind von Wallenbkrg bis in das 6. spinale Segment ver-
folgt worden.
Auliw dieseu dorsal endenden Riickenmarksfasern Wallenbekgs hat Deca-
NELLü nach Abtragung des Labyrinthes Degenerationen in den A'entralsträngen
de» Rückenmarkes wahrgenommen und noih manche andere, welche nach meiner
Meinung aber mit Voraicht gedeutet werden müssen, weil es sich dabei ebenso
gut um sekundäre Bahnen, vielleicht um Degenerationen handeln kann, welche nichts
mit der ^'estibuIariswul'zel zu tun haben.
') Wir vertluiiken dieses weitvullc .Material Piof. Uöthig in Oliarlottenburg.
396
nAS LATERALIS- UM) OCTAVUSSYSTEM DER AMPIIir.IEN.
Sowohl unter denjenigen Fasern, welche in dem ventralen Kern selber
enden, als unter den auf- und absteigenden Fasern gibt es gekreuzte
Elemente, wie einstimmig von allen Autoren angegeben wird. Diese bilden
einen Teil der Fibrae arcuatae dorsales und steigen mehrenteils ab.
Die dorsale, hintere Wurzel endet größtenteils um einen großzelligen
Kern in dem dorsolateralen Abschnitt der Area statica. Die Stelle, wo
dieser Kern : der Nudeiis dorsalis magno-cellularis (Fig. 180) liegt, entspricht
dem Gebiete, welches ich bei den Fischen als medianen Kern bezeichnete,
und das dort außer Octavusfasern hauptsächlich Lateralisfasern aufnahm.
nu dors,
majnocell
nu ventr.
vin. .
R dors.
Nvni
R ventr
NWI
numot
VE
0 I. S U [
Fig. 180. Eintritt der dorsalen und ventialen Octavuswurzel bei Runa nuigiens.
Dorsaler und ventraler Octavuskern. Die Crista cerebellaris gehlt (vergl. Fig. 178).
Hier bildet er den dorsalsten Abschnitt der Üblongata, weil der Nucleus
dorsalis (Lobus lateralis anterior) der Fische, welcher nur Lateralis anterior-
Fasern hat, hier weggefallen ist.
Die Lateralis posterior-Fasern zu diesem Kern der Area statica fehlen
natürlich auch beim Frosch, und da diese Region sich von nun ab mehr
und mehr als akustische, kochleare Region der Oblongata entwickeln wird,
kann dafür von nun an zweckmäßig der übliche Name Tuberculum acusti-
cum gebraucht werden (s. auch Fig. 133).
Wir müssen dabei aber sofort wieder betonen, daß gerade wie diese
Region bei den Fischen auch ^"estibularisfasern enthielt, solche Fasern
auch mit der dorsalen Wurzel in das Tuberculum acusticum des Frosches
eintreten. Ob diese Fasern aber alle um den magno-zellulären Kern enden,
ist fraglich, umsomehr, als man tatsächlich den Eindruck erhält, daß
ein Teil der Dorsalwurzelfasern ventral von dem magnozellulären Kern
weiter medialwärts zieht und in vestibulären Kernen endet.
DAS r.ATRr.AMS- tINI) OCTA VUSSYSTEM UKU AMrilllUTCN. oOT
Die sc/cKiidilnui Bahnen ilfs ( )i;la\'U.s ') siiiil nur iii;iiii;clliart lickainil.
\'iin den ^^'^llilllluno■('^, \vclrli(> mit der l'lrliiiltiuig des ( deu'hgewiclites
zu tun lialien, kuimeu wir or(il>i' auf- und naiiuMitlich absteigende Axonen
des ventralen Kei'nes, welche als ilellexfasern y,u motorischen Schaltzentren
de§ Mittelhirnes, des Bullnis und des Jüiekeinnarkes ziehen und mit
den groben Ri:flex-Famrn, welche wir auch bei Fischen fanilen, zu ver-
gleichen sind (Fig. ISO tr. oetavo-raot.).
Aus den dorsalen Partien des Bulbus, vielleiclit aucli aus dem dorsalen
Kern selber zieht dagegen ein festgeschlossenes Bündel hervor, welches
viel mehr den Charakter eines Korrelationsbündels hat, weil es nach Kreu-
zung einen aufsteigenden ^'erlauf nimmt und in dem hintern seitlichen
Abschnitt des Tectum opticum und in dem Corpus quadrigemiiiuni poste-
rius endet (tr. bulbo-mes. (lemn. 1.) Fig. ISO).
Wir liuben gesehen, daß dieser Fai^ncu.las lon.gitudinalis lateralis oder
laterale Schleife bereits in derselben F^rm auch bei den Fischen — sehr
deutlich bei den Knochenfischen (Fig. 177) — vorhanden war UTid dort
ebenfalls aus dem dorsaleren Abschnitt der Üblongata entstand.
Dort dürfte man wohl noch kaum von einer sekundären Hörbahn
sprechen. Hier ist dies sicherlicli bereits der Fall, weil der peripliere Hi'ir-
apparat in den dorsalen Acusticuskern seine Endigungen schickt.
Die Entwicklung des peripheren Gehorapparates, und des Nucleus
magnocellularis geht mit der Ausbildung eines andern aber sekundären
Kernes bei den Amphibien zusammen, dessen Bedeutung als akustischer
Apparat bei den höhern Vertebratien bereits längst bekannt ist, ich meine
die Oliva superior (Fig. 180).
Während von einer solchen ventralen Anhäufung kleinzelliger Ele-
mente in dem A'erlaufe der lateralen Schleife, auf dem Niveau des Octa-
vus-Areales selber, bei den Frischen noch keine Hede war, findet man beim
Frcsch etwa in der Mitte zwischen VII- und IX- Wurzeleintritt, also auf
dem Niveau des Octavuseintrittes eine deutliche Ansammlung von kleinen
Zellen, welche durch ihre Art und ihre Lage der obern Olive der höheren
Vertebraten entsprechen.
Obsclion das Eintreten von Schleifen-Kollateralen in diese Zellgruppe
noch nicht mit Silberi)räparaten verifiert ist, spricht doch das ganze ana-
tomische Verhalten dieser Bildung sehr dafür, daß sie — eben.so wie die
Oliva superior der Säuger — dazu dient, akustische Reflexe auf die
Oblongata zu übertragen.
ScHEPMAN hat darauf liingewiesen, daß jener Kern eine große dorso-
ventrale Au.sdehnung hat, wie es bei manchen Reptilien auch noch vor-
kommt (.siehe dort).
Ob in frontaleren Niveaus auch die sogenannte Kerne des lateralen
') Sie sollen aarli Dmganello teilweise von |irim:ii('ii Neiiidneii begleitet weiileii
(vergl. auch Teleostier, Vögel, Säuger).
39S DAP OrTAVTISSYSTENf DEK REPTILIEN.
Lemiüscu.s sc-liuii hei dfii Aiiijihiliicu vurliegen, hcdiii'f uorli näherer Naeh-
forsc'hun,^en (vergl. hierzu (he ReptiUen, Vögel und Sauger).
Es verdient, hervorgehohen zu werden, daß die Endstelle der lateralen
Schleife bei den Fröschen ein Bild aufweist, welches dem topographischen
Verhalten der Corpora quadrigenhna posteriora der Säuger schon mehr
ähnlich ist als bei den Fischen.
Während docli die ihr entsprechende Tori semicirculares der Teleostier
einen von iler Medianlinie entfernte Lage einnehmen, findet man, daß die
jenen entsprechenden Gebieten bei den Amphibien in der Mittellinie
zusammengewachsen sind, einen Teil des Ventriculus opticus zwischen
sich schließend, unter Bildung eines wirklichen Aquaeductus Sylvii (vergl.
Kap. VIII).
Nur an ihrem vordem Ende sind sie noch frei von einander und
weisen sie dort dadurch ein primitiveres Verhalten auf.
Es muß jedoch betont werden, daß auch der hintere Abschnitt der
Corpora puadrigemina posteriora noch ganz vom Tectum opticum bedeckt
bleibt, sodaß an der Außenseite des Gehirnes von einer Gliederung des
Mittelhirndaches in vier Hügel noch nichts zu sehen ist (vergl. Fig. 443).
Die äußere Hervorwölbung der hintern Vierhügel findet erst bei den Repti-
lien statt, wobei nicht nur die Vergrößerung der hinteren Hügel, sondern auch
die relative Verkleinerung der vordem durch die stärkere Ausbildung des Corpus
geniculatum laterale als Aufnahmestelle des Sehnerven, eine KoUe spielt (siehe
Kapitel VIII).
Das Octavussystem der Reptilien.
Bei den Reptilien weist der Octavus ebenfalls zwei Aste auf, den
Ramus posterior und den Ramus anterior.
Die Verteilung dieser Aste ziegt jedoch einige Differenzen.
Der R. 'posterior innerviert bei den Schlangen und Eidechsen den Sac-
culus, die Ampulla posterior, die Macula neglecta, die Lagena und die
Papilla basilaris Cochleae, während der R. anterior dort die Ampulla ante-
rior und externa und den Utriculus innerviert (Retzius).
Bei den Hydrosauriern, wenigstens beim Krokodil, wird der Sacculus
aber vom R. anterior innerviert und bei den Cheloniern oder Schildkröten
erhält der Sacculus Fasern von beiden Ästen.
Es liegt also bei den Reptilien dasselbe Wechselverhalten vor wie
hei den Amphibien, und dabei schließen sich die Schildkröten bei Amphiuma
an, während die Krokodilier sich den Anuren und die Schlangen und
Eidechsen den geschwänzten Amphibien anschließen (vergl. S. 394).
Ich werde meine Beschreibung mit Zeichnungen von dem Verhalten
bei Krokodilen illustrieren, weil dort infolge des Fehlens des Ramus Sacculi
in dem hintern Ast und durch die stärkere Entwicklung des Cochlear-
apparates (Fig. 181), die Verbindungen des Ramus posterior noch am
DAS OrTAVTISSYSTRM DER TJRPTTI.TEN.
?,m
can ant
canpost.
can exH
p.bas.eochl.
meiston iil.s ukustische gelten krmncn, ubschon die Ain]nill:i posterior (.s.
Fig. l<Si) und die Crista neglei,-t;i uueii Fasern jenes Astes erhalten.
Außerdem hat der
Oochlearisabschnitt sich
an der Eintrittsstelle von
dem übrigen Abschnitt
des R. posterior durch
seine dorsalere Lage mehr
oder weniger getrennt
Die beiden Octavus-
äste treten in ziemlicher
Entfernung von einander
in die 01)longata, der R.
ventralis auf einem fron-
taleren Niveau (Fig. 182)
als der R. dorsalis oder
posterior (Fig. 183).
Man kann in der
Radix anterior (ventralis)
zwei Faserarten unter-
scheiden.
Die groben Fasern des
Vestibularis (welche aus-
schließlich den Ampullen
entstammen) enden bald
nach Eintritt in die
Oblongata in einem Kern,
den wir bereits bei den
Teleostiern vorfanden, dem Nucl. tangentialis ; wie dort legen sich ihre
löttelförmigen Endigungen den birnffirmigen Zellen dieses Kernes sehr intim
an, sodaß man kaum eine Trennung zwischen beiden sehen kann (Bec-
CARi ; Eidechse).
Bisweilen — aber selten — gabelt eine grobe Faser sich und geht
ein Ast derselben in die aufsteigende Vestibulariswurzel nach oben, während
der andere um eine Zelle des Tangentialkernes endet (Beccari).
Gelegentlich können auch beide sich mit zwei solchen Zellen verbinden.
Der Tangentialkern erhält grobe Fasern aus der vordem \'estibu-
lariswurzel und aus dem \'estibularis-Anteil der hintern Wurzel. Die Axonen
ihrer Zellen bilden (vergl. auch Ö. 386) aufsteigende und namentlich abstei-
gende gekreuzte Reflexbahnen in uml nahe dem zentralen Längsbündel.
Etwas feinere Vestibularisfasern entstammen dem Sacculus, dem Utriculus
nnd liilden einen Teil der Ampullenfasern.
Sie teilen sich durch Dichotomie nach Eintritt in die Oblongata in
absteigende und aufsteigende Fasern (vergl. auch S. 386).
Fig. 181. Labyrinth des Alligators n. Retzius.
(Man beachte die mehrere Ausbildung der Pars basi-
laris Cochleae Im Veigleich zum Frosch, Fig: 179).
400
DAS Or'T.VVUSSYSTEINr DEF. REPTII,IEN.
entr Vjn
Die letzteren sind l>is in die nntcrn Kluinliirnabschnitte zu verfolgen.
Sie passieren dabei eineii auf dem Niveau des Trigeminus im medialen
Absclniitte des C!orpus restiforme liegenden Kern, der von Beccari als
Nucleus vestibularis superior l)ezeichnet wurde und m. E. das Homologon
des BECHTEREw'sclien Kernes der Säuger darstellt, welcher eljenfalls der
aufsteigenden Vestibulariswurzel einverleibt ist und an ähnlicher Stelle
liegt. Die deszendie-
renden Vestibularis-
fasern erreichen den
Anfang des Rücken-
markes, ja ziehen
vielleicht noch eine
kürzere oder längere
Strecke darin hinab.
Ein Teil dersel-
ben endet jedoch
nicht weit von dem
Niveau des Eintrittes
der Wurzel um die
Zellen des Deiters-
kernes, der sich bei
den hier beschriebe-
nen Eidechsen und
Krokodilen haupt-
sächlich auf der
Ebene des Facialis-
wurzeleintrittes und
eiwas frontal davon
findet.
Der ÜEiTERskern,
obschon ein mächtig
entwickeltes Gebilde
von großen polygo-
nalen Zellen, hat bei den Reptilien noch nicht die erhebliche kaudale
Ausdehnung wie bei den Säugern, wo er sich fast bis zur Ebene des
Glossopharyngeus erstreckt.
Da wir wissen, daß der vordere Ab.?chnitt des DEiTERskenies der Säuger nament-
lich mit Hals-, Kopf- und Augeubewegungen zu tun hat, liißt sich vermuten, daß
es dieser Abschnitt ist, der bei den Reptilien entwickelt ist.
Doch lassen sich in ihm bei den Eidechsen verschiedene Zellgruppen
unterscheiden, eine zentrale, eine dorsale und eine hintere Gruppe.
Die zentrale Zellgruppe steht hauptsächlich mit der vordem Vestibu-
lariswui'zel in Verbindung, die dorsale mit der hintern Wurzel.
f.arc.dors
ol.sup.
f anc.ventr
Y. desc.
Fig. 182. Eintritt der Vorderen VIII (Vestibularis) Wurzel
beim Alliffator n. ue Lange.
DAS OCTAVI'SSYSTKM DfCU KKPTTIJKX.
401
Letztgenannte (rru}>pc>, welche nahe ilein ilorsalen Coelilcariskern liet^t,
empfängt anch Kollateralen des Cochlearis (vcrgl. S. 402 und 42S).
Aus beiden Gruppen ziehen Fasern in das zentrale Längsljündel
(gWißtenteils sich kreuzend), Avährend der größte Al:)schnitt des homolatera-
len DEiTERschen Tr. vestibulo-spinalis d(>r hinlern Gruppe von Deiters-
zellen entstammt (Beccari).
Der hintere Ast des N. octavus führt sowohl ilie Fasern der Cochlea
als diejenigen der Ainjiulla posterior und (hei Eidechsen) des Sacculus.
Die Ampulla posterior- und Sacculus-Fasern haben zentral jedoch die-
selbe Endigung, wie die Vestibularisfasern, welche die Radix anterior
darstellen (Beccari).
nu dors
maffnVnr
cochlearis .
Fihp ancdons
Fig. 183. Eintritt des R. posterior VIII und Nucl. magno-
celliilaris doi;'iaIis beim Alligator, n. de Lange.
Die dorsalen Cochlearü fasern enden jedoch größtenteils anders.
Man kann in dem dorsalen Abschnitt der Oblongata zwei Zellgruppcn
unterscheiden, welche offenbar beide zu dem System der dorsalen Wurzel
gehören.
Die hinterste Zellgruppe (Fig. 183) des acustischen Gebietes liegt
auf dem hintern Abschnitt der Distanz zwischen VII- Wurzel- und IX-
Wurzel-Eintritt in ganz dorsaler Lage.
Sie besteht aus ziemlich großen, nicht sehr eckigen Zellen und ent-
spricht dem dorsalen magnozellulären Acusticuskeni der Amphibien.
In diesen Kern tritt die Hauptmasse der dorsalen oder hintern Octa-
vuswurzel ein (Fig. 183).
Frontal van diesem Niveau findet sich ein zweiter Kern, in dem
Kappers. -'^
402
DAS OCTAYrSSYSTEM DER REPTILIEN.
Cochlearisfasern enden : der A\(clens angularis, der dorsal und gauz an der
Peripherie der Oblongata liegt (Fig. 184).
Dieser Kern (von Holmes beim Krokodil nnd von Bi;c(Ari bei La-
certa als Dorsalkern beschrieben) scheint nur am besten mit dem Nucl.
angularis, dem Eckheni der Vögel, zu vergleidicii, mit dem er in seiner
frontalen und lateralen Lage übereinstimmt.
Eine Eigentümlichkeit des Nucl. angularis ist die, bei Vögeln noch
mehr entwickelte, Tendenz zur Flächenausdehnung. Schon bei den Kroko-
dihen ist er napfförmig in seinem Bau.
Um diesen Kern enden aufsteigende Fasern der Cochleariswurzel.
Seine Axonen verlaufen als äußere Bogenfasern und fügen sich der
lateralen Schleife zu (tr. sec. Cochleae ventral; Fig. 184).
min ^f*~^ —>_ 'S
Nu V;
Fig. 484. Nucleus angularis und Nucl. larainaris beim Krokodil, n. Schepman.
Außerdem hat Beccari aufsteigende Cochlearisfasern zum Kleinhirn
gefunden, welche von aufsteigenden Vestibularisfasern i) begleitet werden,
und bei der Eidechse sah er vereinzelte Cochlearisfasern in den Deiters-
kern treten (vergl. bei den Säugern, S. 401 und 428).
Zwischen dem Eckkern und dem Nucl. magnocellularis bildet sich,
im Anschluß an letzteren, bei den Krokodilien der Nucl. laminaris, so
genannt weil er ganz flach ist (Fig. 184).
Dieser Kern, der bei keinem Reptil so gut -) entwickelt ist, wie beim
Alligator und Krokodil, ist nicht als direkter En<lkern der Hinterwurzel
zu betrachten, hat aber einen topographischen N'erband mit dem magno-
zellulären Kern, indem sein lateraler Ausläufer damit verbunden ist.
') Beccari erwähnt, dall aucli VII Fa.sern zum Kleinhirn aufsteigen, was jedoch einer
weiterer Bestätigung bedarf.
^) Beim Varan ist er auch ziemlich deutlich. Bei Schildkröten und Schlangen konnte
ScHKPMAN ilin nicht nachweisen.
DAS OfTAVrSSYSTEXr DEI! KKl'Tir.TKX. 403
SeiiU' \'cil)iiiiluii.i;('n siii<l liis jetzt l.>ei den lleptilien nur studiert an
Silberprüparaten ; daher ktlnnen wii- wenig iSicluires darüber sagen.
Es ist indessen nicht zweifelliai't, daß es sich hier um das Homologon
des gleieluianiigen Kernes der Vögel handelt, dessen Verbindungen uns
besser l>ekaiint sind.
Man <larf auf Grund dessen annehmen, daß es sich um einen Endkern
von gekreuzten und ungekreuzten Neuronen aus dem Nucleus magnocel-
lularis handelt.
Aus dem laminaren Kern soll nach Holmes eine ungekreuzte Bahn
zum Zerebellum emporsteigen (siehe, was diesen Punkt anbelangt, bei den
Vögeln, S. 411, Kleindruck).
Deutlicher ist heim Alligator, daß der Nucleus laminaris gekreuzte
ventrale Fasern abgibt, welche wie eine laterale Schleife nach Kreu-
zung an dem lateralen Rand der Oblongata vorwärts ziehen zum
Ganglion isthmi und namentlich zum Corpus quadrigeminuvi posticum, dem
Homologon der Tori semicirculares der niederen Tiere, welches sich von
den Reptilien an mehr und mehr von dem Corpus quadrigeminum anticum
(Tectum opticum) abgrenzt, sodaß man, wenigstens bei Schlangen und
einigen Eidechsartigen bereits von Vierhügeln sprechen kann.
Die hintern Vierhügel wöll)en sich aber viel weniger äußerlich hervor
als die vordem, und die Hauptmasse des Endkernes der lateralen Schleife
ist bei allen Reptilien noch von dem Tectum opticum bedeckt (vergleiche
hierzu Fig. 151 und Fig. 460).
In dem Lemniscus lateralis, welcher sicher auch Fasern des niagno-
zellulären dorsalen und des angulären Kernes enthält, liegt wie bei den
Amphibien — eine deutliche obere Olive eingeschaltet.
Die Oliva superior der Rejitilien hat etwas Interessantes, was nähere
Erwähnung verdient.
Namentlich bei Eidechsen (siehe Tafel III: Varan) und Krokodilen
zeigt sich, wie dieses Organ (schwarz in Tafel III), welches bei den Säugern
ein ventrales Gebilde ist, (beim Frosch aber noch eine große dorso-
ventrale Ausdehnung hat) sich entsprechend dem Verlauf der Schleife
ausbildet.
Wir finden hier n.l. kaudal mehr dorsale und frontal mehr ventrale
Partien, die sich offenbar an der Schleife entlang angesammelt, resp.
differenziert haben, und deren kaudale Hauptmasse aus dem dorsalen
Grau der Oblongata hervorgeht.
Dies ist namentlich interessant mit Hinsicht auf die Herkunft der
pontinen Kerne und der unteren Olive, deren Zellmassen — wie Essick
zuerst nachwies und wie von Koov bestätigt wurde — sich ursprünglich
ebenfalls aus der dorso lateralen Seite der Oblongata sammeln.
Diese sekundären Kerne derivieren also, wenigstens teilweise, ihre
graue Substanz von dem Areal, wo die primären sensiblen Fasern
enden.
404 DAS OOTAVUSSYSTEM DRR üF.rTIIJEX.
Ein Teil der Olive bildet sieh offenbar in mehr ventraler Ebene, denn die
obengenannte Masse stößt mit ihrer ventroi'rontalen Spitze an eine Ansammlung
ähnlicher Substanz, die ganz ventral und frontal von derselben in dem Anfang
des Längsverlaufes der lateralen Schleife eingeschaltet ist. Dies ist sovrohl beim
Varan als beim Alligator zu beobachten, und wir werden sehen, daß auch die
Verhältnisse bei den Vögeln auf eine derartige doppelte Herfcunt der oberu Olive
hinweisen.
Schließlich sei erwähnt, daß in dem frontalen Abschnitt der lateralen
Schleife ähnliche Ansammlungen grauer Substanz vorkommen, welche
zweifellos als Nuclei lemnisci lateralis zu deuten sind.
Wir finden also, daß bei den Reptilien und namentlich bei den
Krokodilen inid Eidechsen der Acusticusapparat, wie wir ihn bei den
Säugern kennen lernen werden, fast liereits in all seinen Einzelheiten aus-
gebildet ist.
Bezügl. der Frage, welcher Cochleai-iskern der Reptilien (und Vögel)
als die Vorstufe des ventralen Cochleariskernes der Säuger zu deuten ist,
werde'n wir weiter unten sehen, daß es sehr wahrscheinlich der dorsale
magno-zelluläre Kern ist, welcher durch eine ventrale Verlagerung zur Aus-
bildung des ventralen Cochleariskernes der Mammalier Anlaß gibt, wie
bereits von Brandis und Cajal angegeben wurde.
Der Eckkern dagegen bildet wahrscheinlich das primitive Homologon
des Tuberculum acusticum (siehe für weitere Details die Säuger)".
Ich habe bereits darauf hingewiesen, daß die liintere Octavus-Wurzel
der Krokodile nicht nur Cochlearis- und Lagenafasern führt, sonder auch
solche der Ampulla posterior, der Macula neglecta (besser „Crista" neglecta)
und bei Eidechsen und Schlangen alle, bei den Schildkröten einen Teil
der Sacculitsfasern. Die Endigung dieser Fasern, welche den untern (ven-
tralen) Abschnitt der Radix posterior darstellen, wurde (bei der Eidechse)
eingehend von Beccari studiert, der fand, daß sie dieselben Endigungen
wie die übrigen Vestibularisfasern (die Radix anterior) aufweisen, sodaß
die funktionell zusammen gehörenden Fasern ihre Verwandtschaft auch
durch ihre zentralen Verbindungen aufs deutlichste demonstrieren, ein
Verhalten, das wir auch bei den Vögeln finden, und woraus wieder her-
vorgeht wie maßgebend die Reizverhältnisse für die zentrale Anordnung der
Bahnen sind, welche wesentlich bedingt wird durch das Hauptgesetz
der Neurobiotaxis : die zeitliche oder inhaltliche Reizverwandtschaft.
Das Octavussystem der Vögel.
Das Octavussystem der Vögel ist, was seine periplieren Verhältnisse
anbelangt, namentlich von Retzius, was seine zentralen Verbindungen
betrifft, in letzter Zeit sehr eingehend von Ca.jal und Bok studiert, während
ScHEPMAN auch die Verbindungen des peripheren Organs mit den zentralen
Kernen verfolgte.
Die periphere Ausdehnung der Octavuswurzelfasern, wie sie von dem
DAS OCTAVUSSYSTEM DER VOGEL.
405
''Nr.
can. ant.
.scliwedischen Anatomen l)('i den Vc'igeln gefunden wurde, weist nocli am
meisten Anklang an die Eidechsen und Schlangen i) auf.
Sie ist eine solche, daß der hintere Ast des Nerven die Ampulla
posterior, den Sacculus, die Macula, besser „Crista" neglecta, mitsamt
der Papilla Lagenae und der Membrana basilaris Cochleae innerviert.
Die Membr. basilaris Cochleae,ist-bei den meigten Vögeln zwar größer
als bei den Reptilien, hat jedöcli "noV'h keinen gewundenen Charakter
(Fig. 185), wie es bei
den meisten Säugern
der Fall ist. Die an
ihrer Spitze vorkom-
mende Lagena ist im-
mer gut entwickelt
(vergl. Fig. 185). Ihre
Fasern unterscheiden
sich von den Cochlea-
risfasern durch ihre
größere Dicke (Ca.tal).
"can pobf
can.exL
Kig. 185. Ij;il)yrintli einer Gans, n. Retzius.
lu selteueu Fällen
fand Eetzius den Saccu-
lus (wie es bei den
Hydrosauriern der Fall
ist) vom E.. anterior in-
nerviert (Columba, Tur-
dus) was übrigens doch
beweist, daß das Wech-
selverhalteu in diesem
Bündelcheu. wie wir es
bei Amphibien und Reptilien fanden, auch bei Vögeln vorkommt, sei es nur
ausnahmsweise.
Bezüglich der zentralen Kerne dieser Wurzeln ist Folgendes zu be-
merken: (vergleiche hierzu' die Abbildungen).
Der Ramus anterior {Nervus vestibidaris) hat verschiedene Zentralstellen,
welche wir am besten durch die Untersuchungen Cajal's kennen. Man
kann in ihm einfache (nicht dichotomisierende) Fasern und dichotomi-
sierende Fasern unterscheiden.
Von den erstgenannten kennt man wieder dickere und weniger dicke
Fasern.
Die dirkcii. Fasern drr Amiiullcn und der Crista neglecta enden auch
hier in einem Kern, der mit dem Nucleus tangentialis der Fische und
Reptilien (Ca.tai.) zu vergleichen ist (vergl. S. 387 und 399).
Er liegt nahe dem Eintritt des Nerven und besteht aus großen spin-
delförmigen Zellen (Fig. ISG und 187 A). Die eintretenden vestibulären
') Dies ist einüjcrrnalii^ii IjelVeindeml, weil das zentrale Verhalten hei den Viigeln
vieliiielu' (lern der llvdro^aiiriei' äliidieh ist.
4(J6 DAS OCTAVUSSYSTK.M DEK VÖGEL.
Fasern legen sich mit einer löifelförmigen Abfläcliung gegen den Zellleib,
während das \'estibularisaxon selber noch etwas ^Yeiter durchgehen kann.
Ahnliche Verhältnisse haben wir bei den Keptilien und Fischen kennen
gelernt.
Die Achsenzylinder der Zellen des Nucl. tanyeaüalis begeben sich
medialwärts in die direkte Fortsetzung der eintretenden Wurzel selber und
werden bald mit absteigenden Fasern des DEiTERskernes gemischt.
Nach Kreuzung in der Raphe bilden die P^asern absteigende Systeme
im zentralen Längsbündel (wie wir sie ebenfalls bei den Teleostiern und
Reptilien vorfanden), teilweise auch ventral davon (Tr. octavo-spinalis
cruciatus lateralis). Auch dürften Verbindungen mit den Augenmuskel-
kernen vorliegen; jedoch sind genauere Angaben darüber noch nicht
vorhanden.
Außer diesen groben einfachen Wurzelfasern des Vestibularis, welche
zum Nucl. tangentalis gehen, gibt es feinere Fasern, welche ebenfalls
keine Bifurkationen abgeben. Sie bilden das gekreuzte Veslibularisbündcl
(Fase, transv. N. vest. Fig. 186), welches — wie es scheint — auf der
kontrolateralen Seite in ein deszendierendes System übergeht (Ca.ial).
Dieses Bündel hat mit dem Tangentialkern nichts zu tun. Es wird
als transversale Vestlbulariswurzel bezeichnet und scheint si<-h um retikuläre
und Schaltzellen der andern Seite zu verästeln.
Alle übrigen Vestibularisfasern, auch die aus Sacculus und ütriculus,
dichotomisieren nach ihrem Eintritt in der Oblongata.
Die Dichotomie hndet in der Nähe des Nucleus tangentialis statt.
Der absteigende Ast der Bifurkation besteht aus recht dicken Fasern
und verläuft in dem dorsalen Abschnitt der Oblongata, kaudalwärts, all-
mählich Fasern an Zellen abgebend, die als Kern der deszendierenden
^'estibulariswurzel zu deuten sind (Nucleus spinalis N. VIII).
Noch auf den kaudalsten Abschnitten der Oblongata am Calamus
scriptorius ist diese deszendierende Wurzel medial von dem Accessorius-
wurzeleintritt zu finden, dann hört sie erst allmählich auf in dem medialen
Grau an der Basis des "Hinterhornes i), wo wir auch bei Re})tilieu und
Amphibien die absteigenden Fasern verfolgen konnten.
Die aufsteigende Vestibulär iswiirzel hat eine größere Anzahl von wohl
differenzierten Endstationen, wovon folgende die wichtigsten sind :
Ziemhch medial liegt der große DEiTERS-Zie?-?), der frontal dünner wird
'und aus sehr großen Elementen besteht. Dorso-lateral von ihm liegt der
piriforme Kern, dessen Zellen viel kleiner sind und seitlich grenzen an den
Nvclevs vestibulo-eerebcllosus. Beide letztgenannte Kerne bilden (Fig. 186)
einen Komplex. Lateral von diesem Komplex liegt eine aparte Gruppe
') Dieses Grau differenziert sich Ijei den Säugei-n als ein separater ( MoN'AKow'scher)
Kern, der auch dort zwischen dem Hinterstrangkein (^BuRrMCirschen Kern) und dem
spinalen Trigeminuskern cinliegt ( s. S. 213),
PAS Of'T AVUSSYSTEM DER VOGEI,.
407
von ziemlicli großen Zellen, welche von Cajal a.h J\ucleii^ juxtapeduncalaris
(oder Nucleus quadr angularis) bezeichnet ist, und in einem dorsaleren Niveau,
nahe der Ecke des Ventrikels beim Übei'gang zum Kleinhirn, finden sich
schließlich zwei Zellhaufen, welche als Nu. bigeminus bezeichnet werden,
und offenbar dem BECHTEREw'schen Kern der Säuger homolog sind.
Dieser Kern besteht ebenfalls aus großen Zellen (nicht gezeichnet in
Fig. ISß; er liegt mehr frontal).
nuci vestib
nucl. quadrang. . cerebe
Corpus
trapezoides
nucl. pirif
, Front ende
>^-'' nucl. lamin.
\
^^____- Kern v.
Deiters.
Fase, frans V.
Fig. 186. Die V'estiljiilari-; KiM'iie eines Vogels, n. Cajal (Passer doinesticus).
Ich werde über all diese Kerne nicht ausführlich berichten. Ilire Dif-
ferenzen liegen namenthch in der Größe der Zellen und dem (nicht immer
genau bekannten) absteigenden oder aufsteigenden Charakter ihrer Axonen.
Der DKiTERskern (vergl. Fig. 1S6 nach Ca.tal) ist weitaus der größte
und besteht auch aus den größten Zellen. Er "schließt sich medio-dorsal
an den bereits erwähnten Tangentialkern an und sendet, wie dieser, ab-
steigende und aufsteigende Fasern zu den motorischen Kefiexzentren des
Rückenmarkes, des Bulbus und des Mittelhirnes (Augenmuskelkerne),
größtenteils ungekreuzt.
Diese Axonen verlaufen teilweise in der retikulären Substanz des
Bulbus, teilweise in dem Fasciculus longitudinalis centralis (s. posterior).
Die Axonen des Xucl. ju.clapcdunculariti oder qaadraugularis und des
BECHTEREWschen Kernes Ijegebeu sich ebenfalls zu den motorischen Schalt-
gebieten des Bulbus und der Mittelhirnbasis, und .sind also auch als moto-
rische Reflexkerne zu betrachten.
Die Verbindungen der andei'u \'estibulariskerne sind nicht so leicht
zu verfolgen, alier dürften einen aufsteigenden Charakter luiben. Diejenige
40S
7)AS OfTAVUSSYSTKM DKK VcXIKL.
des Nud. piriformis scheinen sich zn dem Nucle
zu begeben, deren Schaltstück der Nncl. piriformis
oo
Fasern der Ampulln posterior, des Saccnlus und
HS vestibnlo-cerebellaris
7Ai l)ilden sclieint.
Der Nudeus vesti-
bulo-cerebellosus selber
sendet seine Axonen
als anfsteigendeFasern
zum Zerel)ellum, wo
sie in dem hintern
Abschnitt der Rinde
des Corpus cerebelli,
vielleicht auch in der
Rinde des Flocculus
enden.
Ob diese Fasern zu-
sammen mit dem Tr.
eodileo-cerebellaris Boks
(s. u.) den Tr. octavo-
floccularis Shiaiazono's-
bilden, ist nicht ausge-
macht.
Soviel ist sicher,
daß die Markreifung der
Flocke sich bei den
Vögeln, wie bei den Säu-
gern, direkt derjenigen
des Octavusareales an-
schließt.
Schließlicli endet
ein Teil der Vestibu-
larisfasern auch direkt
in der Rinde des
untern Kleinhirnab-
schnittes, der also bei
Vögeln eine erhebliche
Menge von indirekten
und direkten Vestibu-
larisfasern empfängt.
(Siehe hierzu Kapitel
VII.)
Der Raums poste-
i-ior des N. odavua
wird gemeiniglich als
Nerv, cochlcaris 1 )ezeich-
net, obschon er aucli
[er Crista ueglecta führt.
iiAS ncTAVFssvs'i'KM riKi; \o(;ki..
409
wie bei der Taube von Gokdon Holmes füi- die Fasern der Ani])ulla
posterior mit. Sicherheit nachgewiesen wurde.
Letztere unterscheiden sitdi von den dorsaler eintretenden kochleiiren
Fasern durcli ihren ventraleren Eintritt und ihre Dicke und können da-
durcli aucli zentral davon unterschieden werden. Sie enden in dem meist
dorsalen Teil des Nucleus tangentialis.
Wie bei den Keptilien und Amphibien tritt die dorsale Oochlearis-
wurzel in den dorsal und kaudal gelegenen Xucl. magno-cellilaris dorsalis
ein (Fig. IST und 188 A), welcher — gerade wie bei den obengenannten
Tieren — als der llauptkern dieser \\^irzel zu betrachten ist ^).
"^|r _ nu. anjul.
nu.macm dorsVüI
R.dorsVm
Fig. 188 A. Eintritt iler R. Coclilearis l)ei F'ratincola rubicola.
In Bezug auf seine höchstwahrscheinliche Homologie mit dem ven-
tralen Cocbleariskern der Säuger ist es interessant, daß Bok bereits bei
den Vögeln einige Zellen dieses Kernes eine etwas mehr ventrale Lage
einnehmen sah (Fig. 189: Gell, ventr. Cochl.).
Der niagno-zelluläre oder Haupt-Endkern ist jedocli nicht der einzige
') Lue Angabe von Hoi.Mics ilali aur.li Aiuimlla piistcridr-Faseni ilafiii (ka.iiilal) ciiiicii,
Ijoilarf wolil ndch niilierer Kontiollf.
410
DAS Of'TAVU.SSySTEM DER VOGEL.
Kern des Coelilearis. Ein Teil der Fasern biegt sofort nacli Eintritt in die
Oblongata frontalwärts al) und endet in einer Gruppe von etwas kleineren
Zellen, welelic mehr frontal (näher dein Ansatz des Zerebellums) liegt, von
einigen absteigenden zerebellären Fasern von der Aulienwand der Oblon-
gata geschieden.
Dieser Kern (Fig. 187 und 1S8 B), der Niicleus au(jularis ^), ist kein
Novuni bei den Vögeln, obschoi] er dort viel besser entwiekelt ist als beim
Alligator.
Bei den Amphibien fanden wir ihn jedoch noch nicht, und damit
nu maQ;n.dors.
iVffl
Rbr arc.dors.
Kig. I^i8 H. Xucl. angiihiris i>oi fratim-nla.
stimmt es auch, daß er nach BoKS Untersuchungen sicli einen ganzen
Tag später als der Nncl. magno-cellularis in der Ontogenese des Huhnes
bildet.
') Der NiUiie Niicl. angularis Uann leicht AiilalJ geben zu Verwechslungen mit dem
sdg. IvUkern ilcr Säuger, dem BKciiTEiiEWschen Kern, der jedoch im Gegensatz zu den
Nncl. angularis iler Keptilien und Vögeln medial, nehen der Ventrikel-Ecke, liegt und
ein Vestibularis. kein Coclileariskern ist (siehe Seite 4Ü7 : Xu higeniinus).
PAS OfTAVÜSSYSTKNf DKK VÜriEL. 411
Die seiiun bei ilm Kcptilieu ungutkaitete Olx'rliiichuiKiu.shroituiig dieses
Kernes zeigt sicli auch bei den Vögeln, wo er napfförmig ist (Fig 187 B).
Die Form seiner Zellen, die beim großzelligen Kern meist rundlicli
ist, ist annähernd spindelförmig (ScHEPNrAN).
Beides spricht zvi (Gunsten der Hypothese, daß der Xuelens angularis
homolog ist mit dem Kern des Tuliei'culuin acusticnm der Säuger (S. 426).
i-'ehließlich sei ei-wähnt, diüi Bok auch ganz vereinzelte Fasern des
U. dorsalis direkt zu der Olive treten sah i) (vergl. die Säuger S. 427).
Während hiermit die direkten Verbindungen des dorsalen Astes
erwähnt sind, kommen wir jetzt zu dessen sekundären Verknüpfungen,
welche sehr wichtig sind und manche Anklänge an das ^\■rhalten bei den
Reptilien aufweisen.
An erster Stelle is eine aufsteigende gekreuzte Verbindung des Nucleus
magno-cellularis mit dem lateralen Kern des Kleinhirns zn erwähnen,
welche von Bok als Tr. cochleo-cerehvllaris bezeichnet wurde, und deren
Homologon wir vielleicht auch bei den Reptilien kennen.
In welchem Abschnitt des Kleinhirns (Corjius oder Flocke) diese Fasern
enden, ist nicht bekannt (vergl. hierzu das Kapitel über das Kleinhirn).
Nach Mesdac liomuit diese Bahn aus dem Nucleus lamijjaris deiselben iSeitc
(s. S. 4.03). Nach Bok ist dies nur scheinbar so, indem sie, von der entgegen-
gesetzten .Seite kommend, nach ihrer Kreuzung an dem Nucleus laminaris ent-
lang zieht. In beiden Fällen ist der von Bok gegebene Name richtig und haben
wir es bei dieser Bahn mit einer Verbindiuig von akustischen Zentren mit dem
Kleinhirn zu tun, was für meine Auffassung von der Akustik in Verband mit Mus-
keitonus wichtig ist. (Siehe die Bemerlsuug am Schlüsse dieses Kapitels). Nach
ScuEPMAN fügen sicii ilim auch Vestibuhu-is Fasern derselbeu Seite zu.
Als eine zweite, nicht weniger wichtige sekundäre Verbindung des
magnozellulären Kernes ist diejenige des Nucleus magnocellnlaris mit dem
Nucleus laminaris zu erwähnen.
Der Nucleus laminaris ist hauptsäcldich iVonto-niedial von dem magno-
zellulären Kern gelegen und l)esteht aus kleinern Zellen, die sowohl in
dorsaler als in ventraler Richtung Dendriten aussenden.
In dem Ganglion enden zwei Nervenbahnen, die eine kommt von der
Außenseite, die andei'c von der Raphe-Seite der Oblongata.
Man hat ursprünglich gemeint. <\:ii\ diese Fasern Wurzelfa.sern des
Octavus seien, eine Auflassung, die jcdocli aufgegeben ist, seitdem Wal-
LENBEKG bowies, daß nach Durchschiicidung der Coehleariswurzel keine
Degenerationen im Nucleus laminaris vorkomnu.Mi und Gajai, und Bok
mxcliweisen konnten, daß die Fasern, welche von außen, .sowie von innen
zu dem Kern kommen, Axonen von den Zellen des magnozellulären Kernes
' ) Einen ilerartipen Verlauf von priiuareii Fiisorn in Begleitung von Sekundären
ist auch von WAi.LKNiiiaK! i'IVli'nstici-, Auiphiliii'u ) wahrgiMioinmen, und vom Winkt, Kl;
(bei den Säugein).
412
DAS OCTAVUSSYSTEM DER VOGEL.
sind, welclie gekreuzt und inigekreuzt damit in ^'erbindung stehen, wobei
die gekreuzten Fasern sich an den Dendriten der ventralen Seite und die
ungekreuzten Fasern an denjenigen der dorsalen Seite des Nucleus lami-
naris verästeln.
Inzwischen stellt der Nucleus niagno-celluiaris nicht nur mit dem
Kleinhirn und dem Laminarkern in ^'erl^indung.
AVallenberg fand nach Stichverletzungen dieses Kernes auch Fasern,
welche sicli nach mehr ventraler Ebene begeben und, naclidem sie Kolla-
teralen an die gleichseitige Oliva superior abgegeben haben, sich auf der
andern Seite der Oblongata in der lateralen Schleife weiter frontalwärts
begeben.
Nr Anoi/laris
N. Cockl.
Cetl.Vcntr.
Cocbl
PriDKire
Cochl. Fasern
im
Syst. Vciitr.
Oliva Snp.
II. Lcmn. Lat
Ventr. .Aiislinifer
•des
Nc Magiioeell
Ne Laminaris
Tr. Coclileo-
Ccrebcllaris
Dors. Coe/i/raris-
Ko'niiiissiir
Ventr. Cochl.-
Koniinissur
Fig. 189. Verhiuf iler |jrim;u'en und sekundären Cochlearisliisei-n
beim Huhn. Schema n. Bok.
Die sekundären Verbindungen des Eckkernes sind weniger gut bekannt.
Nur scheint es (Cajal) ziemlich sicher zu sein, daß auch dieser Kern
gekreuzte (und ungekreuzte?) Axonen zu dem Laminarkern sendet, wenn
deren Zahl auch bedeutend geringer ist, als die, welche aus dem mugno-
zellulären Kern iicrvorgehen.
Außerdem konnte ich mit Sicherheit eine ganz erhebHche Zahl von
äußeren Bogenfasern aus diesem Kern in die laterale Schleife verfolgen.
Auch aus dem Laminarkern selber entsteht eine Balin, die als Zusatz
zur lateralen Schleife (s. o.) zu betrachten ist: Tr. lamino-viesencephalicns. Sie
entsteht senkrecht aus dieser Zeil-Platte, wie dies (BoKS Ge.setz der stimu-
logenen Fibrillation gemäß) oft der Fall ist mit sekundären Bahnen. Ihre
Fasern kreuzen in der ventralen Ebene der Oblongata, Kollateralen an
die Oliva. superior abgebend, um alsdann an dem lateralen Rand iles
IIAS OrTAVrssYSTEM TiKR VÖOEl.. 41 ?>
Bulbus entl;in,i> zum C'orjius |)osficuni aufzusteigen (dorsalei' Absc-linitt des
Nucleus lateralis mesencepliali der V(igel; Wali-enher«), alles in älmlidier
Weise, wie wir es bei den Krokodiliern bereits gesehen haben.
Die eigentümliche Stelhing des Nitcl. lamiiiaris iu der Anatomie der Octaviis-
zentren der Reptilien und A'ögel laßt ims die Frage stellen : Ist dieser Kern mit
einem Kern des im allgemeinen bekannteren Oetavns komplexes der Siiiiger
zu homologisieren V Ca.i\i, hat in sehr scharfsinniger Weise versucht, diese Homo-
logie aufzufinden und meint, in dem Nucleus laminaris die Vorstufe der obern
Nebenolive der Sauger sehen zu dürfen, deren zelluläre Elemente damit insofern
übereinstimmen, daß es ebenfalls nicht große, fusiforme Zellen sind, die an beiden
.Seiten Dendriten aussenden (was übrigens auch für die obere Hauptolive gilt).
Dabei hat auch die mediale Xebenolivc eine flache Form. Wir wissen aber nicht —
wie C.\.iAL selber bemerkt — ob die mediale Nebeuolive aufsteigende gekreuzte
Fasern in die laterale Schleife sendet und ob ihre Axonen nicht viel eher abstei-
gende Nenronen sind. Die Homologie wird denn auch von Cajal nur als Mög-
lichkeit gegeben, nicht als Sicherheit. Überdies ist bei den niedersten Säugern keine,
oder wenigstens keine lamellenföruiige Nebenolive anwesend.
In der Oliva swperior der \'(")gel kann man, gerade wie bei den Repti-
lien, zwei Abschnitte unterscheiden, einen dor.saleren Abschnitt und einen
ventraleren. Der dorsale Abschnitt i)ildet den kaudalsten Teil dieses Kör-
j^ers und ist meistens der größte. Er entspricht dem hintern obern Ab-
schnitt der Keptilien-Olive, hat aber bei den Vögeln — mit Ausnahme
der Laufvögel — • bereits eine etwas mehr ventrale Lage eingenommen,
obschon er noch — wie bei den Reptilien — • in dem bogenartig verlaufen-
den Anfangsstück der lateralen Schleife liegt (vergl. Fig. 241 und 259).
Der dünnere ventrale Abschnitt, der sich im Gegensatz zu dem erst-
genannten in dem ventralen Tegmentum ansammelt (Fig. 189), kann damit
durch einen dünnen Auslänfer verbunden sein, aber auch davon getrennt
bleiben (vergl. hierzu auch Tafel III). Dieser Teil erstreckt sieh bei
manchen Vögeln recht weit vorwärts in den longitudinal verlaufenden
Abschnitt der lateralen Schleife.
An derselben Stelle, aber mehr frontal auf der kaudalen Grenze des
Mittel hirns, treten in der lateralen Schleife wieder neue graue Massen auf,
die aber wenig erheblich sind : Nuclei lemnisci lateralis.
Die Zellen der obern Olive (sowie wahrscheinlich diejenigen der late-
ralen Schleifenkerne s. u.) senden ihre Axonen in das umgebende Grau
des Tegmentum Bulbi und übermitteln wahrscheinlich Gehörreflexe an die
umgebenden retikulären Elemente. Längere aufsteigende oder absteigende
Bahnen geben sie nicht ab.
Ein Nucl. Corporis trapezoides (siehe Säuger) ist bei den Vögeln bis jetzt
nicht nachgewiesen. Da er bei den niedrigsten Säugern aber bereits vor-
handen ist, besteht die M<>glichkeit, daß er sich in dem ventralen Teil der
Schleife — nahe der Kreuzung des Corpus trapezoides — aus großen reti-
kulären Elementen der Vögel anhäuft.
Man findet bei den Vögeln dorsal in dem Anfangstück der lateralen
414 DAS Or:TAVUSSYSTK>r DKH SÄT-GEK.
Schleife ein beträclitliche Menge ganz großer Zellen, nnd (!s sclieint mir
sehr plaufsibel, daß diese — wie andi die Olive — sich später weiter
ventral verlagern (Neurobiotaxis).
Eine analoge Erscheinung findet man auf mehr frontaler Ebene inso-
fern, als die großen Elemente des Nnel. reticularis superior dort sowohl
bei den Reptilien als Ijei den Vclgeln, eine Tendenz aufweisen, sich der
Schleife zu nähern (van Hoevf.ll, vergl. Fig. 306 und Fig. 309).
Es handelt sich dann um eine Verlagerung retikulärer Elemente nach
sekundär sensiblen Systemen.
Das Octavussystem der Säuger.
Bevor ich dazu schreite, die zentralen \'erhältnisse bei den Säugern
zu beschreiben, will ich auch hier etwas von der peripheren Verästelung
des N. octavus mitteilen, weil dies zum richtigen Verständnis seiner Ver-
bindungen notwendig ist und weil es öfters bei der Besclireibung und auch
bei der Deutung der zentralen Verhältnisse unterlassen wird.
Ebenso wie bei den anderen Vertebraten ist die Verteilung des N.
octavus bei den Säugern so, daß er (im Meatus auditorius internus) einen
Ramus anterior und einen Ramus posterior abgibt.
Erstgenannter Ast (auch als Ramus superior bezeichnet) entstammt
dem Pars superior des Ganglion Scarpae und zieht zu der Ampulla anterior
und Ampulla externa (hör.) und zum Utriculus. Außerdem fand \'orr — ■ und
OoßT konnte dies bestätigen — ein Bündelchen davon zu der Macula
Sacculi (vergl. Fig. 190) ziehend.
Der Ramus posterior oder inferior besteht aus zwei Teilen. Ein Teil, der
dem Pars inferior der (ianglion Scarpae entstammt, begibt sich zu der Am-
pulla posterior und zu dem Sacculus; der a)idere Teil, dessen Ganglienzellen
in der Cochlea selber liegen, innerviert die Membrana basilaris Cochleae.
Die Crista neglecta — bei Echidna und Maulwurf von Alexander,
bei den übrigen Säugern von Benja.mins nachgewiesen, (der darauf hin-
weist, daß sie auch hier durchaus den Character einer Crista hat) — wird
ebenfalls vom R. posterior innerviert (nicht angegeben in Fig. 190).
Die Astchen für die Ampulla posterior und den Sacculus können zu einem
gemeinschaftlichen, sogenanuten Eamus medius verbunden sein (s. Fig. 190).
Der Ast zu der Membrana basilaris wird als R. cochlearis oder Ramus
posterior Sensu strictiori bezeichnet.
Beim Kaninchen und bei der Katze wurde, von Oort, eine phyloge-
netisch sehr interessante Verbindung (Fig. 190 bei *) gesehen von dem
Ganglion Sacculi mit dem R. cochlearis, indem ein Ast des genannten
Ganglions sich dem Cochlearis zufügte, gewissermaßen eine Erinnerung an
den Zustand bei den Fischen, wo der Ramulus Lagenae (aus dessen
Entwicklung der Ramus Cochleae entsteht) noch ein Ast des Ramus Sac-
cularis ist.
DAS Of'TAVTSSYSTEM KVAi SÄTTGER
11 ;
Inilcsscii kdiiiiiil. iMiic l'njiilla Tja,i;'cn;io ') und a.lso aucli eine llaiiiulii^
La.^enae unter den Siiugeni nur noch bei den MoiKitremeii vor (Alioxas-
ukr): bei den liölieren Säugern nicbt niclir.
\\'eslialb die Lagena, bei den meisten niederen Wirlx'ltiercn. aucli l)ei
den Vögeln, so gut entwickelt, bei <len meisten Säugern fehlt, ist eben so
unbekannt wie deren Funktion.
R
post^s.infj
R. unt
Sam.
Fio;. 190. Schema zur Verästelung des Nervus octaviis
beim Kaninchen, n. Oort.
Der K. anterior, welcher- die Macula utiiculi vei'-sorgt, gibt Soi-
tenäste ab an die beiden vorderen Ampullen, außerdem den kleinen
Zweig an die Macula sacculi (Vorr). Der R. posterior, teilt sich
in zwei Aeste. Der Zweig, welchei- sich zur Macula sacculi begibt,
innei'viert außerdem die Arnpulla posteiior. Von diesem selben
Zweig geht außerdem hoch ein kleines Bündel ab *, welches mit
dem Nerv, cocblearis zur Cochlea vetläuft. Dieses Bündel stellt
demnach eine Verbindung zwischen den Gebieten des Nerv,
cocblearis und des Nerv, vestibularis dai-.
Wie sich dei- Ramus Sacculi und der Ramus Ampullae posterioris
zentral vorhalten, ob deren Fasern sich dort den Vestibularis-Endigungen
zugesellen odei- mit der Cochleari.s-W'urzel vei-laufen, darauf werde ich bei
der Besprechung der zentralen Verhältnisse näher eingelien.
Die Vesiilndarüwurzel tritt als Radix anterior etwas frontal von der
Cochleariswurzel ein, zugleicherzeit etwas dorsaler.
') Zwai- spricht man in der Anatomie des menschlichen Horiippaiates von einer
Lagena Cochleae, hiermit ist aber nur die Spitze der Schnecke gemeint. Also ein rein
topographischer Begriff.
41C
DAS OCTAVUSSYSTEM DKK SÄI'GER.
Üvula^J
— ^
.RspV
,JV/ NVlll
c
■r.
/i
lift/enerierte Fasern
znr ümilarinde.
/?( f/CT" Com ims!,ura cei-ebelli
fiich kreuzende Fasern.
{Zum Nuclejis
terti.)
Degenerierte Fasern
zur Lingnlarinde .
Fig. 191. Degeneration der vestibulären Wurzelfasern.
Marchipreparate von dem Kleinhirn nebst Mednlla
nblonsatn einer Knt7e; n. S. Ingvar.
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DAS ncTAvrssYSTK^r dkf; sÄrriici;. ^117
Ilire zentralen N'crliinilunn'cn sind hri den Säugern weniger kunipli-
ziert als bei den X'ögeln, was wulil ilaniit zusammenhüugt, daß bei fliegen-
den Tieren besonders liolie Ans|iriirlic an diesen Apparat gestellt werden.
Die Zahl der Kerne, wolehe niiin darin bei den Säugern unterscheidet,
ist geringer.
Der liei den A'öyclii ( IJopl iliiMi iiinl TcliMistiern) auf seinem Eintrittsiiiveaii
gelegene Taiuiriitialkrrii (der sicdi kennzeiehnet durch den löftelartigon Kontakt
von direkten Wiiv/.elfasern mit seineu Zellen) ist bei den Säugern nicht nachgewiesen,
es sei denn, d;i(i die s|)ai'li<-hen iutersliiielleu /eilen (Sala, CA.rAr,) als solclie zu
deuten sind.
Eine geringe Zahl der Vestibularisfasern kreuzt bei den Säugern.
ScHEr.\r.\N' konnte bei einer Kongenital tauben Katze, deren Vestibidaris von
DK Kr.EYX durchschnitten wai-, dnrsal und ventral kreuzende Fasern be-
obachten (Fig. 198), die aber nicht sehr zahlreich waren.
Die dorsalen kreuzenden W'urzelfasern entsprechen dem transversalen
\'estibularisbündel Ca.tai.s.
Die ventral ki'euzenden l'^isern onts])rechen den vestibulären 'l'rapez-
k('irpcr- Fasern WiNKr.Rus (vei'gl. S. 428)
Die übrigen Vestibnlariswurzelfasern teilen sich bald nach ihrem Ein-
ti'itt in den Rullms durch Bifurkatiun in zwei Aste: einen auf.sleigenden
und einen al)steigenden Ast.
\'om aufsteigenden Bihuhi gelien Fasern direkt zum Zerebellum (Euin-
(iKii, VAX Gehuchten, Ca.ial, TnojrAs). Sie durchqueren den Nucleus
Bechterew, an den sie Kollateralen abgeben, und gelangen mediahvärts
vom Corpus restiformc zum Zentrum medulläre des Kleinhirns.
IxiiVAR (vergl. Fig. l'dl ) hat zeigen können, dal5 die Endigung dieser
Fasern aulierhalb im Nucleus Tecti nur in der Rinde bestimmter Zerebel-
lum-Abschnitte statthnilet: nämlich in derjenigen des Nodulus, der Uvula,
der Lingula und des Flocculus. Es gibt somit im Säugei'-Zerebellum
einen ringförmigen Basalabschnitt, der direkte vestibuläre Einflüsse erhält
und so zu sagen die vestibuläre Basis für das übrige Kleinhirn bildet.
Als Kern der nafskigcnilen VeHÜbidarmvurzel ist der BECHTEHEVVSc/tß
Kern (Nucleus vestibularis superior) zu erwähnen, welcher, in der frontalen
Fortsetzung des DEiTEijskernes gelegen, an der Übergangsstelle von Oblon.
gata unil Kleinhirn zwischen ^^entrikelwand und Corjnis restiforme
vorkommt.
Der Nucleus Bechterew, tler seinen größsten Umfang bei den Pri-
maten und beim Menschen erreicht i), erhält zahlreiche Kollateralen jener
Wurzel, welche sich um ihre Zellen verästeln.
') V.v wiril hier uuih wohl ;iIk Xucleus angularis bezeichnet, weil er medial au der
seitlichen Ecke des vierten Ventrikels liegt. Dieser Name ist jedoch irreführend, weil
der Nucl. angularis der Vögel, dei- ganz latei-al an der Peripliei'ie des Bulbus liegt — ein
primärer Cochleariskern ist (siehe Kuliuote auf S. 405).
Kappers. 27
418 DAS OCTAVUSSY8TEM HER SÄUGER.
Die Axonen dieser Zellen verlaufen teilweise rückwärts und {gesellen
sich gekreuzt und ungekreuzt den Bahnen des DEiTERskernes (s. u.) zu.
Leidler hat aber nachgewiesen, daß nur sehr wenige Fasern aus
ihm in das hintere Längsbündel übergehen und .sich zum Oculomotorius
(und Trochleariskern ?) derselben Seite begeben. Auch genügt eine Schädi-
gung dieses Kernes allein iiicht, um erhel>liche Störungen der Augen-
motilität zu verursachen.
Der BECHTEREWSche Kern steht vielleicht mit dem Flocculus (Floc-
culusstiel Obersteiners) in Verljindung, von dem er zahlreiche Fasern
zu empfangen scheint.
Der Tr. nnqiilaris Löwts, worin jene Fasern verlaufen, enthält auch zerebel-
lipetale Komponenten, welche wahr.scheiuHeh dem Triangnlariskern entstammen.
Sogar beim Wal sind solche Fasern erwähnt (von IIatscheic und Sohlesingee),
obschon dort der Triangidarkern (s. n.) entsprechend dem kleinen Labyrinth dieser
Tiere (Gbat) nnr wenig entwickelt ist. -
Das absteigende Vestibularishündel biegt lateral vom DEiTERsÄiern kaudal-
wärts um, sendet zahlreiche Kollateralen in diesen Kern hinein und
splittert sich während seines Verlaufes allmählich um ziemlich große
polj'gonale Zellen auf, welche es begleiten [Kern der absteigenden VIII
Wurzel).
Die Art, wie seine Kollateralen um die Zellen des DEiTERskernes
sich verästeln, ist eine sehr intime und erinnert gewissermaßen an die
Art und Weise, wie die Kletterfasern (ebenfalls teilweise Vestibularisfasern)
im Kleinhirn sich um die Dendriten der PuEKiN.jEzellen schließen.
Mittels des Deiters Kernes (der auch eine große Anzahl von zerebel-
laren Fasern aufnimmt; Lewando\vsky u. A.) werden seine Reize (mit
solchen aus dem Kleinhirn korreliert) auf beiden Seiten des Rückenmarkes
überti'agen, wo sie teilweise in dem Fase, longitudinalis centralis, teilweise
im ^'order-Seitenstrang verlaufen {Tr. Deiters descendens).
Die absteigende Wurzel selber ist kaudalwärts zu verfolgen, bis zu
einem Kern, der lateral vom BuROACHschen Kern und medial von dem
Hinterhornrest liegt.
Dieser Kern, (zuerst von Blumenau erwähnt) welcher sich durch größere
Zellen von dem BuRDAr'Hschen Kern unterscheidet (mit dessen vorderm
Abschnitt er verbunden ist), ist mehr als Kern von Monakow (S. 213)
bekannt. Er dürfte statische Reize des Vestibular-Apparates mit stereo-
gnostischen Impulsen der Hinterstrangkerne vermitteln und hat sich, wie
diese, aus dem medialen Grau der Hinterhornbasis, der er noch bei den
Vögeln eingeschlossen ist, herausdifferenziert.
Von Monakovv- konnte nachweisen, daß die Zellen jenes Kernes ihre
Axonen in das motorische Gebiet der Umgebung senden, namentlich auch
des Rückenmarkes.
Wie weit sie sich babei ausdehnen, ist bis jetzt nicht mit Sicherheit
DAS OCTAVtlSSYSTiar DKH SAUGER.
419
nachgewiesen, nni- wcili man, dali die gleichseitigen Zellen dieses Kernes
nacii Hnlhseitendui-chtrcuiiung des Rückenmarkes degenerieren ( v. Mo-
nakow).
Auliei- um die /eilen des DiornoRskernes, des absteigenden Kei'nes
nnd des MonakowscIhui i\ernes sendet die a,bsteigende Wurzel eine große
Zalil von KoHateralen in eine ZcUmasie, die wir bei den Vögeln in dieser
Nu. \
DeiliTs. ( ,
Nil. ali.il
\ •■ ?■
■ >3 ">Nu. triang.
iJ^r^ sivt) piiuc.
-Nil. aliiiuc
.N. \ 1 i.isc. long, centr.
Fiu;. 192. Deiterskoin uml Xucl. tviiuiguhiris (principalis) vestilnili Ijoiiii Kiniiiii'lii'ii.
Lage und Größe noeli niciit vorfanden i) nnd die als kleinzelliger Vesti-
liiilariskern, Nucl. principalis oder Nnd. triangularis dorsalis bezeichnet ist.
Derselbe dehnt sich dorsal und medial vom DEiTERskern bis zum Boden
des vierten \'entrikels aus und läßt sich bis weit nach hinten verfolgen
(l)is zum Anfang des Hypoglössus-Kerns).
Seine medialen Zellen sind die kleinsten. Die lateralen sind bedeutent
größer und haben eine ausgesprochen polygonale Gestalt. Dieses Ver-
halten erinnert uns an dasjenige, welches zwischen dem Nuclevis piriformis
der Vögel und dem mehr lateralen Nucleus vestibulo-cerebellosus (Fig. 18G)
besteht und (auch weil sonst keine Homologie jener Kerne bei den Säugern
nachzuweisen sind) wäre es möglich, daß wir diese in dem Nucleus trian-
sjularis dorsalis zurück finden.
') Nach GoRiiON' FTot.MKS kommt eino Andeutung dieses Kernes bei den letzt-
genannten Tieren vor in der grauen Sul)slanz nahe dem Ventrikel. .Jedenfalls wäre er
dann sehr klein. Mir ist es iiii-lit gelungen, ihn an jener Stelle nachzuweisen.
420 DAS OCTAVUSSYSTEM DER SÄUGER.
Außerdem soll (nach BRrcE) iler Nucleus triangularis (ebenso wie der
Nucl. vestibiilo-cerebellosus der ^^■^gel) taufsteigende zerebelliire Verbindun-
gen aufweisen, wie auch Hatschek und ScnLESiN(;£R (s. o.) angeben.
Von einigen Autoren sind sogar aufsteigende \'erbindungen des
Nucleus triangularis speziell mit der Uvula und dem Nodulus beschrieben,
was im Einklang stehen würde mit der ol)en erwähnten direkten Zerebel-
larverltindung des N. vestil)ularis in diesen Teilen (Inuv.vr, Fig. 191).
Inzwisschen sind nähere Untersuchungen über die phylogenetische
Entwicklung des Nucleus principalis vestibularis sehr erwünsclit und sind
die aufsteigenden zerebellären ^^erbindungen sicher nicht die einzigen und
wichtigsten eferenten Neuriten jenes Kernes.
Andere Neuriten begeben sich in den Ahducenshern (der offenbar unter Ein-
fluß dieses Kernes und des dorsalen Abschnittes des DEiTERskernes seine,
bei manchen Säugern so auffallende, dorsolaterale Verlagerung erfährt;
vergl. das folgende Kapitel). Vielleicht sind die Ursprungszellen jener
Fasern dem Nucleus (juadrangularis der V"gel homolog (S. 407).
Bevor ich die zentralen Verbindungen der R. corldearia bespreche,
werde ich in Kürze die Frage berühren, ob die Fasern der AmpuUa po.ste-
rior und des Sacculus, welche diese Wurzel peripher begleiten, sich beim
Eintritt in die Oblongata von der Wurzel al)spalten, oder ob dieselben
auch zentral mit den Cochlearisfasern auf einer gn'ißcrn '»der kleinem
Strecke zusammen bleiben.
Ich möchte dazu folgendes mitteilen :
Sowohl bei der Katze, als beim Kaninchen treten die hintern ampul-
lären und die sakkulären Fasern im Anschluß an den Ramus Cochlearis,
also mit der Radix posterior in die Oblongata. Zentral aber divergieren
die Fasern. Während der größte Teil der Radix posterior im Ganglion
ventrale und im Tuberculum acusticum endet, treten eine Anzahl Fasern
direkt um das Corpus restiforme herum in einen lateralen Ausläufer des
Nucl. triangularis (eines vestibulären Kernes) ein.
Bereits Ca.tai, hat darauf hingewiesen, daß Fasern der Radix posterior,
welche direkt an dem Corpus restiforme entlang, das Gebiet des Deiters-
kernes und der zentralen retikulären Substanz erreichen, und Brouwer
fand bei einer kongenital tauben Katze, bei der die primären akustischen Kerne
ganz fehlten, einen Teil der Striae acusticae, unmittelliar auf dem Corpus
restiforme, erhalten, was er ebenfalls für möglich erachtet durch- die Deutung
dieser Fasern als vestibuläre Elemente.
Daß es sich hierbei tatsächlich um Sacculus- oder Ampulla posterior-
Fasern handelt, wird dadurch bewiesen, daß bei Abtragung der Cochlea
dieser Teil der Fasern der Radix posterior unversehrt bis in den Vestibu-
larkern verfolgt werden kann (Winkler).
Noch ein zweites Ai'gument wird von Winkler hierfür angegeben.
DAS OCTAVUSSYSTEM DEU SAUGER.
421
Wiilireiid näiiilicb heim Menschen der Vestibularis bereits in einem
23 cm langen Embrj^o myclinisicrt wird und der Cochlearis erst bei 28 cm,
erhi'ilt ein Teil der Radix posterior — und zwar aueli wieder nur der
tiefere, gegen das Gor[)Us restiforme gelegene Abschnitt — auch bereits
sein Mark beim 23 cm Embryo.
Zugunsten dieser Deutung spricht auch, daß Schep.man bei der schon
oben genannten kongenital tauben Katze nach Labyrinthextirpation dege-
nerierte Fasern fand, welche, kaudal von der Radix anterior eintretend,
sich um das Corpus restiforme lagern und, wahrscheinlich dichotomisiert,
in den Nucleus triangularis und in das Zerebellum eintreten.
Es ist also nicht zu bezweifeln, daß auch bei den Säugern die Radix
posterior, ebenso wie bei den Reptilien und Vögeln, kein reiner Cochlearis-
nerv ist, wenn auch die Zahl der wirklichen Cochlearisfasern darin .sehr
zugenommen hat.
Ob aber die saccuhiren und hinteren ampullären Fasern zentrale
Endigungeu besitzen, welche übereinstimmen mit cochleären Endigungen,
ist also fraglich, um so mehr, als auch bereits bei Reptilien von Beccäri
nachgewiesen wurde, daß die vestibulären Komponenten der Radix pcste-
rior dieselben Verbindungen haben als die R. anterior (s. S. 401).
Can. post.
Can. ext.
Can. aut.
Cotlil.
■ Can. ant.
Sac.
- M. bas. cochl.
Fig.
19.1 A. Labyiiiitli von Kcliiiiiia II. (iii.w. Fig. 193 6. Vom Kaninchen n. Hf.tzhjs
Man beaclite ilif geiingo Kntwioklung der Cochlea bpini Ecliirlna.
Finden wir übrigens in dem gemischten Chai'akter der Radix jjoste-
rior einen direkten Anklang an das \'ei-lialten bei den Submamnialiern,
namentlich auch bei den ^^">geln, so ist die Homologie der CochlearLskerne
liei Vc'igeln und Säugern nicht so leicht aufzufinden.
Nur das Studium der niedersten Säuger ist imstande, uns den Ein-
Mick in sie /.u erleichtern.
422 DAS ÜCTAVUSSYSTEM DER SÄUGER.
Ich werde daher zuerst (he zentralen Verhältnisse beschreihen, wie
sie bei den Monotremen und einigen ]\Iarsupialiern vorkommen.
Schon der periphere Octavusapparat dieser Tiere weist eine erheblich
einfachere Entwicklungsstufe des cochleären Abschnittes auf als bei den
höheren Säugern, indem die nicht oder kaum gewundene Cochlea, welche
(bei Echidna) auch noch eine Papilla Lagenae führt, viel mehr an das
Verhalten bei Vögeln erinnert (vergl. Fig. 193 A mit Fig. 185).
Die zentralen Verhältnisse bei Echidna sind am besten studiert worden
von KöLiJKER und Sciiepmax, wäin-end wir bezüglich der Marsupialer
wertvolle Angaben besitzen von Holmes und Stokes.
ScHEPMAN konnte bei Ecliidna zwei Cociileariskerne nachweisen,
einen großzelligen Kern (Fig. 104 A), mit dem deszendierenden Ast des Coch-
learis verbunden, und einen Kern mit spindelförmigen Zellen (wie die-
jenige des Nuclcds angularis der Reptilien), welcher mit der aufsteigenden
Bifurkation jener Wurzel verbunden ist (Nu. dors. cochl. Fig. 194 B).
Der Nucleus magnocellularis endet nach vorn in zwei Spitzen, wovon
eine lateral vom Corpus restiforme, die andei'e medial davon liegt (Fig.
194A). Der Spindelzellkern aber liegt ganz medial (Fig. 194 B).
Dieses Verhalten findet man wieder bei den Marsupialiern.
Gordon Holmes hat darauf liingewiesen, daß, ebenso wie bei den
Vögeln und Reptilien, bei Macropus die koclileären Kerne größtenteils
medial vom Corpus restiforme liegen und niclit, wie bei den höhern
Säugern, lateral oder ventral davon.
Bedenken wir nun, daß der Nucleus dorsalis cochlearis u. a. aufstei-
gende Cochlearisfasern empfängt und also wahrscheinlich das Homologon
des Nucleus angularis der Vögel bildet (womit auch seine Zellform über-
einstimmt), dann fällt es uns auf, daß die Lage dieses Kernes beim Opos-
sum insofern eine Übereinstimmung mit derjenigen bei den Vögeln dar-
bietet, daß auch bei den ^^ögeln der Eckkern von zerebellären Fasern von
der Peripherie getrennt wird (vergl. S. 410).
Wir finden also in diesem Verlialten eine große Stütze für unsere
Annahme einer Homologie zwischen Eckkern und dem sog. dorsalen Kern
des Tnberculum acusticum der Säuger.
Noch wichtiger sind die Verhältnisse beim Opossum in bezug auf
den großzelligen „ventralen" f'ochleariskern der Säuger (Fig. 195 A und B).
Dieser Kern verdankt, wie wir weiter unten sehen werden, seinen
Namen „ventraler" Cochleariskern Ijei den Säugern der Tatsache, daß die
große Mehrheit seiner Zellen tatsächlich bei den meisten, fast allen Säugern
eine sehr ventrale Lage einnimmt, ja gi'ößtenteils als Säckchen an der
ventrolateralen Peripherie des Bulbus nach außen liängt (Fig. 19ü inid 19S).
Diese ventrale, teilweise sogar extrabulbäre Lage des „ventralen"
Cochleariskernes der Säuger macht es auf den ersten Blick schwierig, in ihm,
ein Derivat des Nucleus magno-cellularis der Vögel, Reptilien und Amphi-
liien zu erkeinien, weil letztgenannter Kern eine gänzlich dorsale Lage in
DAS OCTAVUSSYSTEM DER SÄUGER.
423
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Fig. 194 A.
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Nu. vc'iitr.cochl. | Nu. Pastig.
Nu.dors.cochl.
I (Tub. acust.)
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hu trianoulapi;
.,r*f5 f1-K
RocC. Cer. Corptnap y
1Si"poü
/
Fibr. meaiai. f'^^:^':
Tdesc
Fi--. 11)4«.
Fiir. 194 A uinl H. Dir ViTliimliiiineii der li. CoitliloaiMS bei FcliidiKi n. Sckei'Man.
424
UAS OCTAVUSSYyTKM 1>KK SÄUGER.
der pblüiiguta luit, und (icrade deshalb kt es wichtig, zu konstatieren, daß bei
den niederste)). Säugern
nu.dors. B.cochl.
I
;;3if(»'222J«
nu.ventr.
P cochl
Rvpst.---
corp.trap.
ol.sup.
Fig. -195 A.
nu.dors. P.cochl.
nu.ventr R. cochl.
tr. desc.N.vest
d vesC.
Fig. 195 B.
Fig. i95 A und B. Verhalten der Oetavuskerne
beim ()|)üssurn, n. Stokes.
maßen .seinen eintretenden Fasern
die Lage dieses Kernes
auch noch größtenteils
eine mehr mediale und
dorsale ist (Fig. 195 A
und B: Nu. ventr. R.
Cochl.).
Nur der hintere
Alisehnitt jenes Ker-
nes ist auch bei den
AplazentaUern etwas
naeh unten verlagert.
Vergleicht man die
Abbildungen, welche
ich hier vom Ujios.sum
und von der Fleder-
maus (Fig. 195 und
Fig. 196) gebe, dann
füllt sofort der Kon-
trast auf und sieht
man, welch eine wich-
tige Zwischenstufe
diese Tiere für unsere
Kenntnis dieses Ver-
haltens bilden.
Stokes ist geneigt,
die mehr und mehr
nach außen hin nei-
gende Lage des ven-
tralen Cochlearisker-
nes bei den höhern
Säugern der Tatsache
zuzuschreiben, daß der
Bulbus bei den böhern
Tieren eine stets zu-
nehmende Zahl von
Strukturen enthalt,
welche dadurch diesen
Kern nach außen
drängen sollten und
den ventralen üoch-
leariskern gewisser-
entgegentreten lassen.
DAS (IC'l'AVrsSYSTICM IUCK .SATT(4ER.
4-25
Icli kuiiu ilicsu Ei-klariiii<;' iiiclit aunelnnen, weil aus rein nieflianischen
(iniiiilen niclit einzusehen ist, wesliall) die Dislozierung gerade den Coeh-
leuriskern trifft, und weslialb ilieser gerade in seine Wurzel hinein sich
verlagert. Ich bin vielmehr geneigt, in der X'erlagerung des ventralen
kochleären Kernes bei den Säugern eine Erscheinung von Neurobiotaxis
zu sehen, welclie die Zellen in die iüchtnng der iinien zustrebenden Iteize
verlagern lälit und dadurch Anlaß gibt, daß dieser Kern wie Stores es
i-iehtig ausdrückt, in die Wurzel hinein (d. h. dem zugeführten Keiz
entgegen) wandert, welche bei Säugern viel größer ist als bei \'ögeln.
Diese Erklärung stimmt auch völlig mit der Tatsache überein, dali
die Verlagerung des ventralen Kernes nach außen nicht am stärksten bei
denjenigen Säugern ist, deren Bulbus am meisten mit neuen Strukturen
komiiliziert wird, d. h. bri den höchsten Affen und Ijeim Menschen, son-
dern bei denjenigen, bei denen infolge der stark entwickelten Cochlea (Fig.
193 B) die Cochleari.sreize die zahlreiclisten sind, d.i. bei den Ohiropteren,
Rodentiern und Karnivoren (auch beim Wal). Die \''erlagerung des magno-
zellulären Cochleariskernes ist sogar am stärksten bei Fledermaus und Wal,
obschon dort die innere Oblongata auf einer relativ niedern Stufe der Ent-
wicklung steht (Fig. 196).
R.cochi
corp. Ir-ap.
nu ventc coohl.
'"ig. 190. Veiitialef Ciirlileai'iskcrn, corpus trapezoides, Oliva siiperior.
und Corpora qiiadi-igciniiui püstcrior (c, q. |i.) bei Vespeiiiiga iinrtula.
Die Verlagerung des niagnu-zcllulären Cochleariskernes, seiner Wurzel
entgegen, hat einen Einlluß auf die Nomenklatur der Octavuswurzeln bei
den Säugern geliabt, welche icii gleich im Anschluß hieran erwähnen nniß.
Wir siml nändich gewohnt, die hintere Wurzel des Octavus (welche
die k(jchleären Fasern enthält) liei den Reptilien und \'('igk'n auch wnbl
426
DAS 0CTA\'rsSY;5TEM PER SAUaER.
als dorsale Wurzel zu bezeichnen, weil sie dort dorsaler als die vordere
oder vestibuläre Wurzel eintritt, welche deshalb auch ventrale Wurzel
genannt wird.
Bei den meisten 8äup;ern ist dieses Verhalten durch die ventrolaterale
Verlagerung des magnozellnlären Kernes geändert, indem die ventrale
Aussackung so weit geht, daß der Eintritt des R. coclilearis oder R. poste-
rior in das zentrale Grau tatsächlicli ventraler gekommen ist als der
Eintritt der vordem oder vestibulären Wurzel, und man deshalb in der
Säuger-Anatomie die hintere oder kochleäre Wurzel als ventrale Wurzel
und die vordere oder vestibuläre Wurzel als dorsale Wurzel bezeichnet.
Wir linden also, daß die oben erörterte Lageveränderung der zen-
tralen grauen Substanz eine topographische \^eränderung in dem ^'erhalten
der Wurzeleintritte hervorgebracht hat.
Auch der vordere Cochlearis Kern — der Eckkern bei den Reptilien
und Vögeln — bei den Säugern als Tiiberctdum acusticum bezeichnet — erfährt
eine Umgestaltung bei
den Säugetieren, indem
er sich auf Kosten des dor-
salen Oblongatagraus ver-
größert und eine noch stär-
kere Tendenz zur Ober-
Hächenbildung aufweist.
Diese Vergrößerung rüiirt
nach ScHEPMAN von dem-
selbem . Grau her, aus
dem auch das Corpus
})ontobulbare (siehe Kap.
VII, Fig. 406) hervor-
geht. Er erstreckt sich
Ti.
V
sp.
;■-::/
bei manchen Tieren
(Katze) über den groß-
zelligen Ventralkern hin-
aus (Fig. 197).
A\'ir werden jetzt
sehen, daß auch der in-
nere Verlauf der Wurzel
im Zusammenhang mit
der Verlagerung und dem
Wachstum der Kerne,
speziell alier unter Einlluß ibrer \''ergrößerung sich bei den Säugern ändert.
Die Ausdehnungsverhältnisse der zentralen Cochleariskerne lassen sich
bei denjenigen Säugern, bei denen sie am deutlichsten entwickelt sind, kurz
folgendermaßen beschreiben:
Der dorsale Kern, das Tuljerculum acusticum, der Säuger (Homologen
/ N\icl. veiitr.
J
Fig. lf)7. Das Tubercuhmi aoiisticiini luul der
Niicl. ventralis Vtll in ihrem gegenseitigen
Verlialteii h. iL Katze: n. FuSE.
DAS O^TAVTJSSYSTE^^ DER SÄUGER. 427
des Nucl, angularis ilor V(").ü;el), sowie der ventrale Kern (Tromologon des
Nucl. iiiaiTno-cellularis der Vögel) sind beide außerordentlich vergrößert,
der dorsale oder Eckkeru nach hinten, der ventrale oder niagnozelluläre
Kern auch etwas nach hinten, aber namentlich nach vorne, sodaß beide
Kerne im Gegensatz zu den meisten Vögeln, teilweise auf denselben
Querschnitten vorkommen, noch weit kaudalwärts vom Octavusein-
tritt.
Es ist deslialb wichtig, dies zu betonen, weil wir bei den \^ögeln den
Eckkern nur in \'erbindung mit aufsteigenden Fasern der Radix posterior
sahen untl bei den Scäugern sehen, daß dieses Verhalten sich geändert
hat, indem das weit nach hinten sich ausdehnende Tuberculum acusticum
selbstverständlich auch eine Menge von deszendierenden Fasern enthält.
Umgekehrt geht die frontale Vergrößerung des magnozellulären —
hier ventralen — Kernes mit der Tatsache zusammen, daß ein Teil
der Wurzelfasern, die in ihm enden, einen aufsteigenden Charakter hat.
Diese beiden Punkte sind wohl zu betonen, weil man sonst erwarten könnte,
daß die Verhältnisse der aufsteii^enden und nicht aufsteigenden Fasern der Radix
posterior bei den Säugern in bezug auf die homologen Kerne dieselben sein
müßten wie bei den Vögehi, und es deutlich ist, daß die Lageveränderungen und
erhebliclien Ausdehnungen dieser Kerne das Verhalten der Wur/el fasern sogar
teilweise umkehren.
Nach dieser Auseinandersetzung, welche zur Aufklärung des schein-
bar gegensätzlichen Verhaltens der ei'wähntcn Wurzelfasern bei Säugern
und Nicht-Säugern notwendig ist, werde ich nunmehr ganz kurz die Ver-
bindungen des N. Octavus beschreiben, wie sie sich im allgemeinen bei
den Säugern vorfinden.
Diese, sind in den Hauptziigen folgende : Nahe der Stelle, wo die
Radix ■posterior in die 01)longata eintritt (Fig. 19G), liegt der ventrale oder
niagnozelluläre Kern, in dessen Areal sich die Wurzel durch ])iciiotomie
in einen aufsteigenden und einen absteigenden Ast teilt.
Die Endigungsweise dieser beiden A.ste ist verschieden.
Die meisten Endfasern des aufsteigenden Astes haben HEi.Dsche
Körbchen als Endigungsweise (Ca.ial) und enden hauptsächlich in dem
ventralen Kern, während die absteigenden Fasern sieh aufsplittern in
l)erizelluiären Plexussen, hauptsächlich in dem Tuberculum acusticum.
Nach Held und Winklki; weist der Gehörnerv aucii noch andere
P]ndigungen auf, und zwar sollen Fasern desselben direkt zu sonst über-
wiegend sekundären Zentren gehen, z. B. direkt durch das Corjius trape-
zoVdes in die Oliven (vergl. auch die Vögel, S. 411).
Ein zweiter Punkt, auf den namentlich der letztgenannte Autor liin-
gewiesen hat, ist die Verbindung der Kadix cochlearis mit Zentren, welche
sonst liaujitsächlieh der R. vestibularis dienen.
(.)bKchun iiriiiziuiell t'inc nähere Verwand ts(diaft zwiscluui ('dchlearis-
42S
DAS OCTÄVUSSYSTEM DER SÄUGER.
un<l Vestibiilariseiidungen sich auf (Jrmid phylogenetischer Tatsachen
uiclit ausschließen läßt, niuß man iiierbei zunächst die Möglichkeit in
Betracht ziehen (auch auf Grund von Winklers eigenen Angaben), daß die
Radix posterior-Fasern, welche zu sonst überwiegenden Kadix anterior-
Kernen gehen, dem Sacculus oder der AmpuUa posterior entstammen, und
somit nicht als cochleäre, sondern als vestibuläre Fasern zu Ijetrachten sind.
Corps, rasttp.
Str ac int
Hu princ TBH
J F lono p
Nu. m ^m^'^y.^' W^^^^i Ccp
"R afc v/esi.
iJV u. vent n
coc K 1 .
Fig. t98. Eintritt des N. VIII beim Menschen (rechts).
Links: der \u. ventralis Cochleae und das Tub. acusticum.
Indessen hat Wixkler auch wirkliche Cochleari.sfasern in den dorso-
medianen Abschnitt des DEiTEKskernes eintreten sehen, wie bestätigt
wurde von Schep.man (vergl. auch S. 402).
Schließlicii zielien einige Cochlearisfasern in das Corj:)Us trapezoi'des,
sonst ein überwiegend sekundäres ( Jehörssystem.
\'on den sekundären Fasern der Cochleariskerne siml diese, aus dem
magnozellulären ventralen Kerne kommenden Fasern, die auß'allendsten.
Während diese sekundären Fasern aber bei den Vögeln, entsprechend
der dorsalen Lage des magnozellulären Kernes bei den Vögeln, wesent-
licli ein ilorsales System von kreuzenden Fasern darstellen, tinden
wir l)ei den Sängern die sekundäre Bahn des veuti-alen Kernes in ventraler
Lage, und l.>iidet dieselbe das Corpus trapezoides, welches sich bakl in die
laterale Scideife frontalwärts licgibt, al.)er, wie zuerst von Wtnki.ek nach-
gewiesen und von IxiivAK und S(;mkpmax bestätigt wui'de, neVist cochleäre,
auch vestibuläre Wurzelia.sern enthält (s. Fig. 191 : '2).
Diese ventrale Lage der sekundären Cochlearisbahneii ist sicher einer-
seits eine l'olge der ventralen Verlagernng des inagnozellulären (venti'ulen)
DAS OCTAVXISSYSTEM DER SAUOER.
429
Kornes, amlei-seits dürfte sie inu-li /,ii staurle kommen infolge einer intimem
Korrelation ihrer Fasern und Kollateralen mit dem ventralen Tegmentum,
worauf das \'orliandensein eines kloinen ventralen Olivenabschittes bei den
Vögeln bereits hinwies.
Die ventrale Verlagenmg der sekvmdären Cochlearisliahn nimmt all-
mählich zu in der Säugerreihe.
So findet man bei Echidna, mit einem noch wenig entwickeltem ven-
tralen Kerne das Corpus trajjozoides nur als einen dünnen Beleg gegen
den Aulienrand der Oblongata. ^'iel deutlicher ist doi't die dorsale Kreu-
zung (ScHEPMAx). Schon DideJpiiys al>er hat eine kräftige ventrale Kreu-
7.ung, während die dorsale Kreuzung dort sehr wenig entwickelt ist.
Die ventrale Trapezoidkreuzung, der sich auch Fasern aus dem Tul)er-
(iorsale
Kreuzung
Ventrale Kreuzung oder Corp. trapezoides.
Fio;. 199. Seciindäre .Aciisticus-fasernng bei der Katze.
culum acusticum zugesellen, bildet aber bei den höheren Säugern nicht
den einzigen Bestandteil des Lemniscus lateralis. Auch hier strömen von
der dorsalen Seite Fasersysteme in ihn ein, und zwar zwei (Fig. 199): erstens
Fasern der dorsalen oder MoNAKOwschen Kreuzung; zweitens solche der
intermediären oder HELDschen Kreuzung.
Die Fasern, welche die dorsale oder MoNAKOWsche Kreuzung der
lateralen Schleife darstellen, entstammen dem Tuberculum acusticum und
begeben sich als Striae Monakow, über das Corpus restforme oder direkt
unter dem Boden des vierten ^^entrikels entlang zur Raphe, wo sie dii'ekt
ventral vom Fascieulus longitudinalis centralis (s. posterior) zur Kreuzung
übergehen.
Es ist hierbei zu betonen, daß die sog. Klangfasern des A^eutrikelbodens (der
430 DAS oriTAVUSSYSTEVr der SÄT'aER.
Klangstab BniiG:\iAXNS oder Striae lucdiillares ar-iistioae (Piocolomini, Fis;. 1;H6)
mit dem (Tehör nichts zu tan haben.
Es handelt sich dabei ganz oder hauptsächlich um A'crbindungcn des Klein-
hirns mit den Xuclei arciiati.
Auf mehr frontalen Ebenen laufen die Fasern der MoNAKOWschen
Kreuzung mit den ventral kreuzenden Fasern zusammen in der lateralen
Scldeife.
Ein Bündel von sekundären Fasern, welches in seinem ^'erlaufe eine
Zwischenstufe zwischen den dorsalen MoxAKOwschcn Fasern und den
ventralen Trapezoid fasern einnimmt, sind (he B\isern des HELnschen oder
iiUcrniediiireii Bündels, welclie aus dorsalen Abschnitten des venti-alen Kernes
stammend und über das ('orpus i-estiforme liin verlaufend, darnach in
ventrale Lage kommen und die liaphe etwa zwisclien der dorsalen Kreu-
zung und dem Corpus trapezoides überschreiten, um sich dem letztei-n
anzuscldießen.
Während also die Kreuzung der sekundären akustischen Bahn bei den
Vt'igeln gn'ißstenteils dorsal war, ist sie bei den Säugern über den ganzen
Querschnitt der Oblongata verteilt, jedoch hauptsächlich ventral.
Auch die Zellgruppen, welche in den sekundären akustisclien Faser-
systemen vorkommen, haben eine ventrale ^"erlagerung erfahren.
Der lamelläre Kern der Reptilien und ^^ögel ist gemäß der ventralen
\\!rlagerung des magnozellulären Kernes und dessen Faserung, mit der
er in \"erbindung steht, ebenfalls in ventrale Ebene gekommen uml wäre
nach Ca.tai. als O/iva acccssoria medialis wiederzufinden.
Die Homologie der Niicl. laniiuaris mit der Nebenolive der Säuger halte
ich keineswegs filr sichei', um so mehr, als eine deutliche Nebenolive bei den
niedersten Säugern fehlt. .
Auch läßt sich bis jetzt nicht sagen, ob die mediale Nebenolive ■ — wie der
Lamellarkern der Vogel — u;ekreuzte Bahnen in das Corpus trajiezoides und in
die laterale Schleife sendet.
Die Hauptolive ist mit Kollateralen der sekundären akustischen Fasern
verbunden und sendet kurze Neuronen zu den motorischen (Tensor Tym-
pani, äußere Ohrmuskeln, M. Stapedius) und retikulären Zellen der Um-
gebung (Ca.ial). Die größste Olive wird denn auch gefunden bei den
Tieren, bei denen die Gehörreflexe stark sind. Die Hauptolive liegt ganz
ventral und ist stark vergrößert bei den Säugern. Bei manchen Säugern
kann man nocli eine Einteilung in zwei Teile darin vorfinden (Hoffmann).
Ob diese Teile ^korrespondieren mit den beiden Teilen, welche ich
darin nachweisen konnte bei den Reptilien und Vögeln, ist bis jetzt nicht
zu sagen.
Außerdem findet man bei den Säugern einen neuen Kern in der
CiehörV)ahn eingeschaltet, dessen Homologon bis jetzt nicht bei niedern
Vertebraten- nachgewiesen ist, aber sich vielleicht aus retikulären Zellen
der Umgebung gesammelt hat: den Nucleus corporis trapezoides, einen groß-
DAS Or'T.WrSSYSTlCM DKR SATORR.
131
zelligeii, median von der Nelxiidlive gelegenen Kern, dessen Axoneii sieh
nncli Kreuzung der lateralen Schleife zugesellen.
\'nii den Zellen der Oliven unterscheiden sich diejenigen dieses Kernes
anllci' durcli ilire (4rüße, auch durch ihre Gestalt (vergl. hierzu Fig. 22).
In dem weitern frontahiu N'erlaufe der lateralen Schleife zum Corpus
posticmn und Corpus genieulatmn mediale des Mittelhirnes sind nochmals
Anhäufungen grauer Suhstanz eingebettet, welche wir auch liereits bei
niederen Tieren angedeutet fanden, die Nuclei Lemnisci Internles, wovon
man einen oberen und einen untern Kern unterscheidet.
llire Axonen haben haujitsächlich eine Bedeutung für die Übermitt-
lung der Reize auf das umgebende Gebiet, wohin sich ihre Neuriten sowohl
gekreuzt als ungekreuzt begeben (die gekreuzten Fasern liildcn einen
Teil der sog. PRor.sTseben Kommissur).
Uriui-li. i'oni
■ A
e. q. p.
N. V
Poiis
Ponsgrati.
Fig. 200 A. Corpora quarlrigeniina posteriora (C. q. p.) und
Lateiale Schleife (L. I.) bei Pliocaena communis.
üezeiclinet n. einem Präparat van .(Er,GEnsMA. L. 1. = Lemnisciis lateralis
(in fler links flei- obere Schleifenkern eingebettet ist).
Es verdient weiter Erwähnung, daß die großen retikulären Zellen
des Isthmus: der Nucleus reticularis superior der Autoren, sich in dieser
Gegend mit ihrem untern Abschnitt stark der lateralen Schleife genähert
hat, sodaß man den Eindruck erhält, daß sie sich unter dem Einfluß
von Reizen (Kollateralen?) der lateralen Schleife oder unter Einfluß darin
liegender Schaltzellen in dieser Richtung verlagert haben.
432
DAS OCTAVUSSYSTn:>r DER SATTJER.
C- auadr.iin t.
""Tr. sp.et. bulbo-tect
13 rc
Nach seinem weiteren frontalen \'erlanfe endet die laterale Schleife
im Mittelhirn an zwei Ivernen, dem Corpus qiuidrigeminum jwsterim (oder
Corpus postinuii (.l''is'- -"" A) und dem Ciaaglion geniculatum mediale
(Fig. 200 B).
^"on diesen beiden Kernen muß der /.nletzt genannte m. E. als das
Homologon des Ganglion Isthmi der niederen Tiere betrachtet werden,
während der Kern des Corpus posticum das Homologon des Nucleus late-
ralis mesencephali der Vögel, des Cor[)Us posticum der Reptilien, des
Torns semi circülaris der Fisclio ist.
Das Corpus posticum ist bei den Säugern viel stärker entwickelt als bei
den Nichtsäugern und wölbt sich hinter dem optischen Zweihügel als zwei
Höcker liervor, wodurch das Mittelhirndach dieser Tiere nun als ein Vier-
hügeldach 7A1 bezeichnen ist.
Bei den meisten niedern Manimaliern sind die Corpora quadrigemina
posteriora bedeutend
kleiner als die vordem
Zweihügel (bei Marsu-
pialiern, Ungulaten z.
B.). Bei anderen Tie-
ren (Carnivora, Ceta-
cea) sind sie jedoch
eben so groß (Fig.
200 A) oder grölkr.
Das zweite aku-
stisclne Ganglion des
a .Mittclliirnes, das Cor-
■^ E pus geniculatum iiicdi-
^.f-iff. ,t ah; ist dem Gangl.
Istlnni gegenüber viel
weiter nach vorne ge-
lagert. Es verhält sich
bei den Säugern dem
Corpus posticum ge-
genüber Avie das Gang-
lion geniculatum late-
rale zum Corpus anti-
cum : es ist der Pro-
jektionskern zum Vor-
derhirn (Fig. 200 B).
Man sieht denn auch, daI3 es größer wird in der steigenden Reihe der
Säugetiere, je nachdem die Rindenprojektion des Octavus (auf der ersten
Temporalwindung, oder dessen Homologon) sich vergrößert.
Schließlich möchte ich noch bemerken, daß, obschon eine Teilnahme
der Vestibularis-Kerne an dem Aufbau der lateralen Schleife bis jetzt bei
.m
l f, lemn pe
Fig. 200 B. Schnitt diirrli den Hiinstainin des Men?r,hen
auf dem Niveau des Ganglion "eniculatinn mediale.
DAS Of'TAVrSSYSTEM DFR SÄUGEK. 4"')
den Säugern nicht mit Sicherheit nachgewiesen ist, wir keinen genügenden
Grund liuben, anzunehmen, daß nur die Gehörreize sich auf dem Mittel-
hirn projizieren.
Die ganze Phylogenese des Octavus-Systemes weist darauf hin, daß
zwischen den Endorganen, den peripheren Nerven und zentralen Endstellen
des Vestibularis und des Cochlearis eine größere Verwandtschaft besteht als
bis jetzt im allgemeinen realisiert wurde. Daß auch der Projektionsweg
zum Mittelhirn, (dessen mediale Geniculatum-Verbindung ein Zweig ist),
ein sehr altes System ist, wurde in diesem Kapitel öfters betont. Fanden
wir ihn doch bereits bei Haien und Knochenfischen in starker Ausbildung.
Mögen dort auch die Kerne der Lateralnerven viel zu seinem x\ufbau
beitragen, aucli beim Frosche, wo diese Nerven fehlen und die Gehörs-
fasern in dem N. Octavus nur äußerst spärlich sind, ist die laterale
Schleife zu groß, um ihre Ausbildung nur auf die Gehörskerne bezielien
zu können.
Schließlich möchte ich darauf hinweisen, daß auch die Physiologie
rhythmischer Bewegungen eine funktionelle Verwandtschaft zwischen
Cochlea und Vestibuluni wahrscheinlich macht.
In dieser Hinsicht möchte icii eine interessante Wahrnemung von
HoRNBOSTELS 1) Über melodischen Tanz erwähnen, worin betont wird,
daß nicht nur die zeitliche Entfernung, sondern auch der Stärkegrad der
Bewegungsimpulse dem Akzente der Musik entspricht und auch die Melo-
diebewegung Bewegungsimpulse und Bewegungsvorstellungen auszulösen
vermag, so daß die Richtung der Körperbewegung, welche von einer
Melodie ausgelöst wird, stets zusammenfällt mit der Bewegungsrichtung
der Melodie: bei steigender Melodie haben wird die Tendenz, Kopf, Arm,
Bein und Thorax zu heben, bei fallender Melodie die Gliedmaßen sinken
zu lassen und auszuatmen. Die melodische Körperbewegung ist el^enso der
adäquate Ausdruck der musikalischen Bewegung, wie die Melodiebewegung
einen realen Bewegungsvorgang auszudrücken vermag.
Auch die Erfahrungen, die das Studium des Tanzes, der Marschmu.sik
etc. uns gibt, alles weist darauf hin, daß zwischen Vestibularis und Coch-
learis, jedenfalls insofern eine Verwandtschaft besteht, als beide Einfluß
ausüben auf Muskelspannung.
Interessant ist auch die Theorie der Rumpfstände, aufgestellt von
RuTz, später aufgenommen und vertieft von Sievers. Diese lehrt, das beim
Hören von Musik, Gedichten und Prosa, je nach dem Temperament und
der Art des Verfassers, ein anderer Stand des Rumpfes angenommen wird,
durch jedemal andere Muskelspannungen.
Der Raum verbietete mir, hier tiefer in diese Materie einzudringen.
') Zeitschrift der internationalen Musiltgesellschaft, Jahrgang V. Heft 12, S. 482
bis 488 und briefliche Mitteilung des Verfassers.
IvArPKHS. 28
434 ÜBERBLICK ÜBER DEN BAU UND DIE VERBINDUNGEN
Überblick über den Bau und die Verbindungen der Octavus-
und Lateralorgane.
Während bei der Umbildung der vorderen Dorsalnerven von Am-
phioxus zu Oblongatanerven die Hinterwurzeln (mit Ausnahme des Trige-
minus) eine Reduktion der Hautfasern aufweisen, finden wir anstatt
dessen bei den Kranioten eine große Zahl von modifizierten Hinterwurzel-
fasern sich ausbilden im Anschluß an besondere Sinnesorgane, diejenigen
der N. N. laterales und des N. Octavus.
Gerade wie die eigentlichen Branchialnerven verstärkt werden durch
ektodermale Zusätze (Epibranchialplakoden, oder Kiemenspaltorgane) ist
dies auch der Fall bei den Sinnesnerven obengenannter Organe, wie sich
durch die Entwicklung von Lateral- und Lab_yrinthplakoden zeigt.
Schon das Auftreten derartiger Zusätze zu jenen sensiblen Nerven
ist ein Hinweis auf die zusammengesetztere Natur jener Bildungen
und ihre speziellen Funktionen, — in diesem Falle die Perzeption von
Schwingungsverhältnissen umgebender Medien, welciie bei Amphioxus noch
von einfachen Siilnesnervenzellen, hier aber durch eine Kombination von
Sinnesepithel und Nerven übermittelt werden.
Obschon die Wahrnemungen, welche von den Seitennerven und vom
Nervus octavus übermittelt werden, nicht dieselben sind, und wir sogar
in dem letztgenannten Nerven bei den höheren Tieren (vielleicht schon
bei den niederen) zweierlei Art von Perzeptionen unterscheiden müssen,
die rein protopathischen (vitalen) Perzeptionen des Gleichgewichtes und
die mehr epikritischen (gnostischen) Perzeptionen des Gehörs, stimmen
doch alle drei darin überein, daß sie Vibrationsrezeptoren, sind, weil sie
Schwingungen der umgebenden Medien direkt oder indirekt (durch eine
Membran) perzipieren.
Auch anatomisch weisen ihre Endorgane eine große Verwandtschaft
auf, indem bei allen dreien ein perzipierendes Epithel vorkommt, welches aus
birnförmigen Sinneszellen besteht, die bedeutend kürzer als die umgeben-
den Stützzellen und mit einem langen Haar versehen sind.
Schließlich findet sich insofern eine Übereinstimmung, als die End-
organe in dem primitivsten Zustand ihrer Entwicklung mit der Außen-
welt (dem Wasser) eine ofiene Kommunikation haben, welche sich bei
weiterer Ausbildung schließt.
Auch zentral ist die Verwandtschaft dieser Vibrations-Rezeptoren deut-
lich ausgeisrägt Alle drei haben ihre Zentren in dem dorso-lateralen,
somato-sensiblen Areal der Oblongata, entsprechend ihrer Herkunft von
und Verwandtschaft mit Hautfasern.
Von diesen drei Rezeptoren sind diejenigen der Lateralorgane nur bei
wasserlebenden Tieren vorhanden, die der Cochlea hauptsächlich bei luft-
lebenden Tieren, obschon wir wahrscheinlich annehmen dürfen, ^laß der
DER OCTAVUS- VSTi LATERALORG ANK. 435
Saccnlus (und die Papilla Lageiiae?) der Fische bereits für Geräusche empfind-
lich ist. Nur der Vestibularapparat ist bei allen Vertebraten vorhanden.
Bei den kieraenatmenden Vertebraten : den Fischen, den perennibran-
chiaten Amphibien (während ihrer aquatilen Periode), sowie bei den caduci-
bi'anchiaten Amphibien (während der larvalen Periode) findet man auf
der Körperseite und am Kopfe die Lateralorgane (Kanalorgane, Lorinzinische
Ampullen und bei den Torpidineen die SAVischen Bläschen), welche longi-
tudinale sinussoide Schwingungen der umgebenden Flüssigkeit perzipieren,
deren Schwingungsfrequenz sehr gering ist (6 pro Sekunde) und unterhalb
der Frequenz der akustischen Schwingungen (10 — 20.000 pro Sekunde)
liegt. Sie dienen zur Orientierung beim Schwimmen (S. 368).
Diese Perzeption ist in dem dorsalsten Abschnitt der Oblongata loka-
lisiert, der mit einer Fortsetzung der Molekularschicht des Kleinhirns
(Crista molecularis) bedeckt ist, was wohl beweist, wie eng die Funktion
der Lateralorgane mit der Funktion des Kleinhirns verbunden ist.
Die zentrale Endigung der Lateralisfasern ist überwiegend gleichseitig
und findet derartig statt, daß die Fasern des N. lateralis anterior, sowohl
in der Oblongata aufsteigen als absteigen, während diejenigen des Lateralis
posterior überwiegend bis zum Niveau des Lateralis anterior-Eintrittes
aufsteigen und nur ein kleines absteigendes Wurzelbündel aufweisen.
Die Fasern des Nervus lateralis anterior, (welche die Kopfkanäle und
eventuell die Lorenzinischen Ampullen und SAvischeri Bläschen) inner-
vieren, enden teilweise (R. superior) in dem dorsalsten Abschnitt der Oblon-
gata — Dorsalkern oder Lobus lateralis anterior — , teilweise (R. inferior)
in einem unterhalb desselben gelegenen Gebiet, das als Mediankern oder
als Lobus lateralis posterior bezeichnet wird, weil darin auch die Haupt-
masse der Fasern des N. lateralis posterior (Körperseitenlinie) endet.
Letztgenannter Kern ist also als Korrelationskern der beiden N. N.
laterales zu betrachten.
Außerdem steigen Fasern dieser Nerven bis zur Ansatzstelle des Auri-
culus (primitiver Flocculus) Oerebelli empor.
Die Endigung der Fasern findet sowohl statt um Körnerzellen, das
innere Grau jener Kerne, als an größeren Zellen, deren Dendriten in die'
Crista molecularis hineinziehen.
Die Ausdehnung jener Crista, auch wohl als Crista cerebellaris bezeich-
net, auf der Oblongata, hängt denn auch offenbar zusammen mit der
Verästelung jener Nerven, weil sie bei jenen Tieren, wo die Lateral-
nerven fehlen (schwanzlosen Amphibien) nicht mehr auf der Oblongata
anwesend sind.
Bei den Knochenfischen, läßt sich außerdem ein Bündel von ganz
groben Lateralis-anterior Fasern verfolgen zu dem Tangential-Kern und
der Mauthnerschen Zelle, welche sonst überwiegend Vestibularisreize
aufnehmen.
Als sekundäre Verbindungen sind, außer den Axoncn des genannten
&
436 ÜBERBLICK ÜEKR DKX BAU t'ND DIE VERBINDtTNGE\
Kernes und der Mauthnerschen Zelle, welche gemeinschaftliche aborale
Bahnen darstellen (common final path), Bogenfasern zu erwähnen, die teil-
weise Reflexfasern des dorsalen Oblongataabschnittes bilden, teilweise als
laterale Schleife aufsteigen und im Tegmenium, teilweise (bei den Plagio-
stomen) auch in dem Tectum des Mittelhirnes enden.
Dieses Mittelhirngebiet ist wesentlich als em Korrelationsgebiet von
vitalen statischen und vitalen optischen Reizen zu betrachten.
Der große Einfluß der Lateralnerven auf die Ausbildung jener
Schleife bei den Fischen geht daraus hervor, daß bei den Tieren, welche
große Lateralnerven haben, diese Schleife und deren Endgebiete und
ihre Nebenkerne (\'alvula Cerebelli) hypertrophieren (Mormyrus).
Bei den Fischen und wasserlebenden Amphibien besteht aber eine
große Verwandtschaft zwischen der Endigung der Lateralnerven und der-
jenigen des Nervus Vestibularis.
Der Nervals Oetavus weist bereits bei den niedern Vertebraten zwei
Äste auf: einen vordem Ast oder Ramus anterior und einen hintern Ast
oder Bamus posterior.
Der Ramus anterior — ursprünglich der ventralste bei seinem Eintritt
in die Oblongata — führt in den meisten Fällen die Fasern der Ampulla
anterior, Ampulla externa und des Utriculus.
Der Ramus posterior — ursprünglich derjenige, welcher am dorsalsten
eintritt — ■ führt bei den Fischen die Fasern der Ampulla posterior, der
Crista neglecta, des Sacculus und der Papilla Lagenae.
Der Sacculus kann aucli ganz oder teilweise von R. anterior innerviert
werden.
Ln Anschluß an die Lagena entwickelt sich bei den Amphibien die
Papilla basilaris, welche der Anfang der Cochlea ist. Letztere wird bei
den höheren Tieren so groß, daß weitaus die Mehrheit der Fasern des Ramus
posterior dort von Cochlearisfasern gebildet wird.
Man nennt die ganze Hinter wurzel bei den Säugern manchmal „Radix
cochlearis" und vergißt dabei oft, daß sie auch Fasern des Sacculus und
der Ampulla posterior führt und, mindestens durch die letztgenannten,
auch vestibuläre Funktionen leitet.
Interessant, in Hinsicht auf die Phylogenese der VIII- Verbindungen,
ist auch der Nachweis, daß bei den Säugern sich ein Astchen vom Sacculus-
ganglion dem peripheren V^erlaufe des Cochlearis beimischt.
Wir werden indessen sehen, daß die nicht eochleären Bestandteile
der Radix posterior, schon von den Amphibien an, wesentlich den vesti-
bulären Zentren zufließen.
Von den zentralen Verbindungen der Radix anterior und des R.
posterior zeigen sich diejenigen der Radix anterior als die konstantesten,
während diejenigen des Radix posterior in Übereinstimmung mit der
DER OCTAVUS- UND LATERALORGANE. 437
Entwicklung der Cochlea am meisten in der Phylogenese verändern.
Die eigentlichen vestibulären Verbindungen sind im Prinzip bei allen
Vertebraten einander ziemlich ähnlich: die Mehrheit dichotoraiert.
Die aufsteiji enden Fasern reichen bei allen Tieren bis zur Kleinhirn-
basis und deren Dachkern. In diesem aufsteigenden V'esiibularisbündel sind
der Nucl. vestibulo-cerebellosus (Vögel) und der BECHTEEEWsche Kern
(Säuger) die wichtigsten Kerne.
Die absteigenden Fasern ziehen bis ins Rückenmark (Amphibien) oder
bis zum Übergangsgebiet zwischen Oblongata und Rückenmark, wo sie
den Bahnen nahe kommen, welche die Statik des Körpers beherrschen,
was namentlich bei den Säugern seinen Ausdruck findet in der Entwick-
lung des MoNAKowschen Kernes im Anschluß an den BuRDACHschen Kern.
Meh'r örtliche Endigungen des Nerven werden von dem DEiTERskern
dargestellt, dessen Homologon bei allen Vertebraten vorhanden ist und
von großen retikulären Elementen gebildet wird, die sich bei höhern Ver-
tebraten mehr und mehr zu einem einheitlichen Kern sammeln, wovon
bei den Reptilien eigentlich bloß der frontale Abschnitt besteht, dem sich
aber bei Säugeria kaudal eine große Anzahl Zellen anfügen.
Der DEiTERskern darf aber nicht als ein spezifischer Vestibulariskern
betrachtet werden, weil er auch viele zerebellofugale Fasern und Kollate-
ralen des Tr. spino-cerebellaris dorsalis aufnimmt und seine Axonen also
korrelierte Reize des Rückenmarks (und der Augenmuskelkerne) über-
mitteln (final common path).
Dasselbe gilt für die Verbindungen der MAUTHNERschen Zelle bei
den Fischen, wovon auch noch bei den geschwänzten Amphibien ein
Homologon sich vorfindet. Diese Zelle überträgt Vestibularis-, Lateralis-
und-Trigeminus Reflexe zu den Kernen der Schwanzmuskulatur.
Weiter findet sich bei den Fischen, Reptilien und Vögeln noch der
Tangentialkern Cajals, welcher ebenfalls hauptsächlich aborale Reflexe leitet.
Der Nacl. principalis oder triangularis Vestibuli ist aber nur mit Sicher-
heit bei den Säugern nachgewiesen und dient vielleicht (nur?) für feinere
Augenmuskel-Koordinationen, während er vielleicht auch aufsteigende
Fasern zum Zerebellum schickt.
Bei Säugern ziehen auch Fasern in das Corpus trapezoides hinein.
Die Veränderungen, welche die zentralen ^'erbindungen der Badi.r
posterior erleiden, sind natürlich viel größer und gehen der Entwicklung
der Cochlea parallel. Da dieselbe am engsten mit der Lagena i) der Fische
verwandt ist, ist es wichtig, daß wir die Endigung der Lagenafasern bei
') Eine einfache Ausdehnung der Lagena ist die Cochlea aber niciit, ilonn die Lagena,
welche bis zu den niedersten Säugern neben der Cochlea bestehen bleibt, führt einen
Otolith. Bei Vögeln kann man aber sehen, daß die Membrana tectoria eine Fortsetzung
der Lagena-otolith ist.
438 ÜKEKIUJCK ÜBER DEN BAU UND DIE VERBINDUNGEN
diesen Tieren kennen und wissen, daß dieselben in dem dorsalsten Abschnitt
der Oblongata stattfindet.
Bei den AmjyJiibien schon, wo sich auch bereits eine wirkliche Papilla
basilaris Cochleae findet, ist in diesem dorsalsten Abschnitt der Oblongata
ein Kern nachweisbar, welcher die dorsalsten Fasern der R. posterior
aufnimmt, und, zweifellos als Cochleariskern betrachtet werden darf: der
Nucleus magno-cellularis Cochleae, welcher auf einem ziemlich kaudalen Niveau
liegt. Ob ein zweiter Cochleariskern bereits bei den Amphibien auftritt,
ist fraglich; jedenfalls ist dies nicht mit Sicherheit konstatiert.
Als sekundärer Kern des akustischen Systemes ist hier die „Oliva
superior" zu bezeichnen, deren genaue Verbindungen noch weiterer Unter-
suchung bedürfen.
Die übrigen Fasern des R. posterior der Amphibien sind vestibulärer
Natur. Sie ziehen an dem magnozellulären Kern vorüber und enden in
ventraleren Ebenen, wo auch die Fasern des R. anterior enden.
Bei den Reptilien sind in den kochleären Fasern der R. posterior bereits
zwei Kerne und Fasersysteme erkennbar.
Das hintere System zieht dort ebenfalls zu dem Nucl. magnocellularis,
der hier, namentlich bei den Krokodilien, bereits viel größer geworden
ist als bei den Amphibien, und, wie dort, ganz dorsal liegt.
Ein nach vorne abzweigender Faserzug zieht jedoch zu einem Kern,
welcher auf einem viel frontaleren Niveau liegt, etwa hinter der Stelle, wo
das Zerebellum aus der Oblongata hervorgeht und der als Eckkern be-
zeichnet ist.
Dieser — ebenfalls akustische — Kern ist kleiner und besteht auch aus
kleinern, spindelförmigen Zellen.
Vereinzelte Cochlearisfaserii stehen schließlich in Verbindung mit dem
Deiters-Kern, sonst wesentlich ein Vestibularer-Endkern.
Angesichts des schon bei den Amphibien wahrgenommenen Verhaltens
ist es nicht befremdend, daß die nicht kochleären Bestandteile des
R. posterior (die Fasern des Sacculus und der AmpuUa posterior) auch bei
den Reptilien an dem magnozellulären Kern vorüberziehen, obschon viel-
leicht ein Teil derselben (siehe Vögel, sacculäre Fasern?) in dem magno-
zellulären Kern endet.
Als sekundäre und tertiäre akustische Kerne der Oblongata sind bei
den Reptilien der Nucleus laminaris und die Oliva superior zu nennen.
Der erstgenannte Kern liegt dorsal, vor und etwas medial von dem
magnozellulären Kern und dehnt sich weit nach vorn aus.
Die Oliva superior liegt teilweise dorsal, teilweise ventral in der
Oblongata und ist in der, hier teilweise aus den Nuclei magno-cellularis
und angularis, teilweise aus dem Nucleus laminaris i) stammenden Balin
zum Mittelhirn (lateralen Schleife) eingeschaltet.
') Wo dieser vorkommt, d. li. bei den Eidechsen und Krokodilen.
ri£R OCTAVUS- UXD LATERALOKGANE. 439
Bei den Vögeln ist das Verhalten der Cochleariskerne ähnlich wie bei
den üeptilien, aber viel deutlicher ausgeprägt.
Die Hauptmasse der Fasern der R. posterior endet in dem dorsalen
magno-zeUulären Kern, der hier wieder größer ist als bei den Reptilien.
Der vordere, mehr kleinzellige Eckkern ist inzwischen auch gut ent-
wickelt, sehr viel deutlicher als bei den Reptilien, und liegt an derselben
Stelle wie beim Alligator, medial von Corpus restiforme.
Die Radix posterior enthält jedoch auch hier, neben seinem kochlearen
Bestandteil, Fasern der Ampulla posterior und des Sacculus.
In dem magnozellulären Kern zieht vielleicht auch ein Teil der non-
cochleären Elemente der R. posterior.
Aus beiden Kernen gehen Schleifenfasern hervor, aus dem magno-
zellulären Kern außerdem solche zum Kleinhirn.
Der sekundäre Nucl. laminaris ist ähnlich aber größer als beim Alligator
und erhält sekundäre, gekreuzte und ungekreuzte Fasern der beiden
primären Cochleariskerne, während er solche in die Schleife schickt.
Die Oliva superior liegt bei den Vögeln noch teilweise dorsal, größ-
tenteils schon ventraler, in der lateralen Schleife eingeschaltet und dient
oHenbar für bulbäre Reflexe.
Überblickt man schließlich das Verhalten des cochleären Systemes
der Säuger, und vergleicht man es mit demjenigen der Vögel und Reptilien,
dann sehen wir viele übereinstimmende Punkte und einige ganz charak-
teristische Differenzen.
Die Übereinstimmungen liegen in der Anwesenheit von zwei Cochlearis-
Endkernen, den sekundären Bahnen, welche diese Kerne mit Olive und
Nebenolive (Nucl. lamin.) verbinden und dem Aufsteigen solcher Bahnen
zum Mittelhirn.
Eine quantitative Differenz, die mit dem größern Umfang der Cochlea
zusammenhängt, liegt in der Ausbildung des kleinen Eckkerns zu dem
viel größeren Kern des Tuherculum acusticum der Säuger, welcher sich über
eine viel größere Strecke der Oblongata und auch seitlich weiter ausdehnt.
Auffallend ist auch die Vergrößerung und namentlich die ventrale
Verlagerung des ursprünglich dorsal gelegenen magnozellulären Kernes,
hier als ventraler Kern bezeichnet.
Eine Zwischenstufe zeigen Echidna und Opossum, wo dieser Kern,
wie auch derjenige des Tuberculum acusticum noch teilweise wie bei
Submammaliern, medial vom Corpus restiforme und also auch mehr
dorsal liegt.
Die starke ventrale Verlagerung des Nucl. magno-cellularis bei den
höhern Säugern zu einem Nucl. ventralis ist zweifellos eine Erscheinung
der Neurobiotaxis, eine Verlagerung der Zellen in der Richtung der Reize,
welche durch die enorme Vergrößerung derCochlea so sehr zugenommen haben.
440 ÜBKRHIJCK ÜP.KR DEN BAU UND ME VERBINDUNtiEN U S. W.
Sie führt zu großen Konsequenzen für die Konstellation der übrigen
Cochlearisbahnen, indem nun auch die aus diesem Kern hervorgehende
gekreuzte sekundäre Bahn (im Gegensatz zu der dorsalen Kreuzung aus dem
Tuberculum acusticum) ventral zu liegen kommt (Corpus trapezoides), ebenso
wie der mit dieser sekundären Bahn in Verbindung stehende Nyxi. olivaris
acc&ssorius medialis, welcher dem ursprünglich dorsalen Nucl. laminaris
der Reptilien und Vögel entsprechen dürfte.
Auch die in diese sekundäre Faserung eingeschaltete Hauptolive liegt
liei den Säugern in ihrer Totalität ventral und ist außerdem viel stärker
entwickelt, als bei den niederen Tieren.
Diese Verhältnisse bei den Saugern lassen sich schließich alle aus der
Vergrößerung des peripheren akustischen Apparates erklären und aus der
dieser entsprechenden vermehrten Reizzufuhr zum Nucl. magnocellularis,
welcher sich mit allen seinen sekundären Annexen ventral verlagert, während
der kleine Eckkern der Vögel lateral über das Ganglion ventrale auswächst
und beide Kerne sich in antero-kaudaler Richtung stark vergrößern.
Es sei noch erwähnt, daß dies sogar einen Einfluß auf die Eintritts-
höhe der beiden VIII Wurzeln hat.
Während bei allen Tieren unter den Mammaliern R. anterior und
R. ventralis Synonym waren, ebenso wie R. posterior und R. dorsalis, hat
bei den Säugern der R. posterior oder Cochlearis einen ventraleren
Eintritt als der R. anterior oder vestibularis erhalten.
Dies kommt daher, daß durch die neurobiotaktische Verschiebung
des magnozellulären Cochlearis-Kernes, dieser in die Wurzel hinein ge-
wachsen ist, und die Vereinigungsstelle von R. cochlearis und Oblongata
daher bedeutend ventraler gekommen ist.
Schließlich sei betont, daß auch bei den Säugern die Radix posterior,
nicht nur als Gehörsnerv aufzufassen ist, weil auch dort neben dem Ramus
cochlearis die ältesten Bestandteile der R. posterior: die Aste zur Ampulla
posterior und zum Sacculus — noch in dieser Wurzel verlaufen und somit
bei deren Eintritt in die Medulla oblongata eine Mischung von vestibulären
und kochleären Fasern darin vorkommt, welche jedoch sehr wahrscheinlich
in dem Bulbus selber getrennte Wege nehmen, indem die nicht coch-
leären Bestandteile über das Corpus restiforme hin zu vestibulären
Zentren ziehen.
Indessen ist es wohl wahrscheinlich, daß der R. Cochlearis selber auch
Verbindungen hat mit Zentren (mit einem Teil des Deiterskernes), die
sonst dem Vestibularis zukommen, und daß Vestibularisfasern sich dem
sonst akustischen Corpus trapezoides anschließen, sodaß die genetische Ver-
wandtschaft, welche zwischen diesen beiden Nerven besteht, sich auch
bei den Säugern zentral nachweisen läßt.
Die Verwandtschaft zwischen den vestibulären und cochleären Funk-
tionen findet auch in der Pliysiologie der Gehörsfunktion einen Ausdruck,
indem die Folgen rbytmischer (musikalischer) Reize auf den Bewegungs-
niK ^VICHTIGSTEN GEHÖRSTHEORIEN. 441
(Muskel-)Apparat, wie man bei Tanz- und Marschmusik beobachtet, sich
dadurch viel besser erklären lassen.
Die wichtigsten Gehörstheorien.
Im Anschluß hieran möchte ich von den Gehörstheorien dasjenige
mitteilen, was nötig ist, um einzusehen, daß die Rezeption des Klanges
im Prinzip wie die in den vestibulären Organen vorgeht, nämlich durch den
Druck einer kutikulären (in Vestibulum oft verkalkten) Deckmembran.
Es gibt vier Hörtheorien : 1. die Kesonanztheorie, 2. die Telephon-
theorie, 3. die Klankbildertheorie Ewalds und 4. die Theorie Göbels.
I. Die Resonanztheorie ist die älteste und hat die meisten Anhänger.
Wie Hei.mholtz sie 1863 aufstellte, lautet sie: Der Klang wird von
den Gehörsknöchelchen in das häutige Labyrinth geleitet, tritt an der
Basis in die Cochlea ein, die Endolymphe gerät in Schwingung, und wenn
diese geleitet ist bis dort, wo die Pfeilerzellen auf diesen Ton gestimmt
sind, nehmen diese die Schwingungsenergie über. Die auf dieser Höhe
liegenden Haarzellen müssen mit vibrieren, und so wird der Nerv gereizt.
Später meinte Hensen, daß die Membrana basilaris aus absonderlichen
Saiten bestünde, deren jede mit einem bestimmten Ton mitvibrierte, und
änderte Helmholtz seine Theorie in diesem Sinne, auch schon deshalb, weil
Vögel und Reptilien keine Pfeilerzellen besitzen.
In neuer Zeit zeigte Shambaugh jedoch, daß die untere Windung der
Cochlea oft keine Membrana basilaris hat und in andren Fällen eine, die
zu steif ist, um vibrieren zu können.
Weiter fand Hardesty, daß die Membrana basilaris nicht aus abson-
derlichen Saiten besteht. Auch liegt sie nicht frei, ist durch mehrere Zel-
lagen und das Vas Spirale ungleich beschwert.
Darum betrachtet man jetzt meistens die Membrana tectoria, welche ein
Analogen der Otolithen i) ist, als tonanalysierendes Organ, wobei der Cortische
Apparat, der mit dieser Membran in Größe zunimmt, als Dämpfer wirken soll.
II. Die Tclephontheorie, auch schon ziemlich alt, meint, daß bei jeder
Schwingung die ganze Membran (durch die ganze Cochlea) in Vibration
gelangt, aber je nach der Tonhöhe mit verschiedener Frequenz. Die älteren
Autoren dachten dabei wieder an die Membrana basilaris.
Hardesty aber wendete diese Theorie auf die Membrana tectoria an.
Die höheren Töne, welche weniger Energie haben als die niedi'igen,
können nur den basalen Teil der Membran in Schwingung versetzen. (Also
doch eine gewisse Lokalisa^tion). — Die Resonanztheorie hat sich in späterer
Zeit der Telephontheorie in dem Sinne genähert, daß sie behauptet, daß
jeder Ton einen größeren Teil der Membrana tectoria in Anspruch nimmt,
dessen Mitte aber bei jeden Ton eine andere Lage einnimmt.
III. Ganz anders ist die Theorie Ewalds, welche von den Klang-
I) Vergl. die FulJnote auf S. 437.
442 DIE WICHTIGSTEN GEHÖRSTHEORIEN.
figuren, von Chladni endtdeckt, ausgehend, meint daß jeder Ton eine
andere leichte Rumpfung der ganzen Membran zur Folge habe, und so dadurch
jedesmal andere Haarzellen gereizt würden.
Ewald faßt dabei wieder die Membrana basilaris ins Auge, Held
dagegen meint, daß die Membrana tectoria diese Funktion habe.
Ein Argument gegen diese Meinung ist, daß letztgenannte Membran
nicht zwischen zwei festen Punkten ausgebreitet ist, und auch nicht überall
gleich dick ist, wie für Chladnis Klangfiguren postuliert wird.
Experimente der letzten Jahre sind sowohl für die Resonanz als für
die Klangbilden-theorie als Beweise angeführt.
Indessen hat AVittmaack bewiesen, daß ein bestimmter Ton einen be-
stimmten Teil der Cochlea vernichtet und Yosjii, der mit verschiedenen
Schwingungszahlen arbeitete, bestätigte dies, indem er fand, daß die höchsten
Töne die unteren, engen Windungen antasten, die niedrigen Töne dagegen
die oberen, geräumigeren Windungen.
[Man muss nämlich wohl bedenken, daß die häutige Schnecke, im
Gegensatz zu der knöchernen, in der Richting der Spitze größer wird.]
Auch Ewald nimmt jetzt eine gewisse Lokalisation an, und so sieht
man die verschiedenen Theorien sich einander nähern i).
Es ist am wahrscheinlichsten, daß sowohl der Ort der Rezeption, als die
Frequenz der Vibration, beide bei der Tonanalyse wirksam sind, i)
IV. Es sei noch ern-ähnt, daß Goebel iu seinen nicht sehr deutlichen
Artikeln einen besonderen Standpunkt einnimmt.
Er meint, daß nicht Schwingungen, sondern nur Luftüberdruek iu dem Labyrinth
wirksam ssi, daß durch diesen Überdruck, dessen Intensität je nacli der Tonhöhe sich
ändert, die Lamina ossea, woran die Membrana tectoria befestigt ist, und die
Membrana basilaris, nicht gleich weit durehbeugen, und demzufolge an einem
bestimmten Ort kontakt zwischen Membrana tectoria und Haarzellen zu stände komme.
ScHEPMAN bringt gegen diese Theorie ein, daß es nicht bewiesen sei, daß
ein Ton im Labyrinth nicht als Schwingung, sondern als Überdruck anlange.
Ich möchte schließlich auch hier nochmals sagen, daß wahrscheinlich
nicht nur die Cochlea, sondern — wenigstens bei Fischen — auch der Sacculus
einen Hörapparat (für Geräusche ohne Tonanalyse) darstellt (Hensen).
Mir scheinen die ^'ersuche Farkers mit Cynosciou regalis, einem Fische,
der auf Gehörseindrucke reagiert, in dieser Hinsicht beweisend.
Bei jenem Tiere fehlt der Kanal zwischen Utricucus und Sacculus.
Wird nun der ütriculus vernichtet, dann zeigt das Tier Bewegungsstö-
rungen, doch werden Gehörsreaktionen ausgeführt, welche aber wegbleiben,
wenn den Sacculus vernichtet wird. •
Weil hier eine Cochlea fehlt, ist dies — ebenso wie der bereits erwähnte
Versuch Pipers (S. 392) — beweisend für die Gehörsfunktion des Sacculus.
') Abweichende — nui- vorläufige — Resultate fand GruiNUERG bei den Vögeln.
Die physischen Verhältnisse sind in dieser Klasse aber nicht mit denen den Säuger
zu vergleichen.
LITERATUK ZT'M VIERTEN KAPITEL. 443
LITERATUR ZUM VIERTEN KAPITEL.
Allgemeines.
Benjamins. Beitrag zur Kenntnis des häutigen Labyrinthes. Ueber eine vierte
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FÜNFTES KAPITEL.
DAS EFFEKTORISCHE SYSTEM DER MEDULLA OBLONGATA
(UND DES MITTELHIRNS).
Die motorischen Wurzeln und deren Kerne.
Bevor ich dazu schreite, die motorischen Wurzeln und deren Kerne
bei den Kranioten zu beschreiben, will ich einiges über das Verhalten
jener Elemente und ihrer peripheren Endorgane, der Muskeln, bei den
Akraniern, bei Amphioxus, mitteilen.
Zuerst aber einige Worte über die Entstehung der Muskeln im all-
gemeinen.
Fig. 2ol. Zwei Querschnitte durch einen Tritonembryo n. Hertwig.
A Hurch die Gegend des Rumpfes, wo die Medullarplalte (ra. p.) noch niclit geschlossen
ist und ili(> Ursegment höhlen (U s h) sich von der Leibeshöhle (1. h.) abzuschnüren anfangen.
H durch die Gegend des Rumpfes, in welcher das Nervenrohr (n) geschloßen ist und die
Ursegmento sich gebildet haben. ch = chorda; d.h. ^ Darmhöhle; ep = epidermis; ni.k' =
parietales Blatt des Coeloms; mk^ = viszerales Blatt des Coeloras.
Die Muskeln bilden sich aus dem Mesoderm als Abschnürungen des
Kopf- und Körper-Coeloms, und diese Abschnürungen, Myotonie, weisen
dementsprechend als Ursegmente (u s h) noch einen Hohlraum auf, welcher
ursprünglich mit dem Hohlraum des Coeloms (1. h.) zusammenhängt (vergl.
Fig. 201 A, rechts), bald aber (Fig. 201 B) ganz geschloßen ist.
Kappek.?. ti'J
450 DTE XrOT.ORlSr'HKN WT-RZELN UND DEREN KERNE.
Während das Coelom einen großen ventro-lateralen Hohlraum bildet,
schnüren sich die Myotonie also an der medialen, perichordalen Seite als
zahlreiche in einer Reihe angeordnete Muskelglieder davon ab. Diese
dorsalen gegliederten Muskelräume bilden den Anfang von Muskelsegmenten,
von denen je eines von einer ventralen Nervenwurzel innerviert wird i).
Sie bilden das Anfangsstadium der sogenannten somatischen Muskulatur.
Dieser Vorgang geschieht in der Kopjhöhle und in der Körperhöhle in
ähnlicher Weise, sodaß die Entstehungsart der somatischen Muskeln an
Körper und Kopf dieselbe ist.
Neben dieser somatischen Muskulatur, welche in Segmente gegliedert
ist, entwickelt sich am Kopfe außerdem noch eine sog. viszerale (oder
hranchiale) Muskulatur, welche aus demjenigen Blatt der wirklichen Coe-
lomwand hervorgeht (van Wyhe), welches dem Innern Keimblatt zuge-
wandt ist, die viszerale Platte (mk-) des Coeloms. Diese viszerale (oder hran-
chiale) Muskulatur wird aber von motorischen Fasern der dorsalen Wur-
zeln ") innerviert.
Sie zerlegt sich nicht in myotomenähnliche Teilstücke, sondern bildet
eine große laterale Platte muskulösen Gewebes, welche zwar Abschnitte
aufweist, aber viel kleinere, als den Mj^otomen entspricht.
Auch in der Coelomwand der Leibeshöhle können sich hier und dort Muskel-
fäserchen in der dem Entoderm zugewandten Viszeral platte entwickeln, aber mehr
diffus und in spätem Entwickhmgsstadien (Darmmuskulatur.)
Die Art, wie sich nun die einzelnen Abschnitte der Muskelanlageu
des Kopfes bei den verschiedenen Tieren entwickeln, ist sehr verschieden.
Es kann vorkommen, daß ein Coelomabschnitt, welcher bei einem
Tier eine dorsomediale Muskels|)rosse, ein Myotom, bildet, bei einem
andern Tier als reiner Kopf-Coelomraum bestehen bleibt, während wieder
andererseits dadurch in der Interpretation Scliwierigkeiten entstehen kön-
nen, daß man im Zweifel sein kann, ob ein Muskel ein Derivat eines
Myotoms ist oder ein Teil der viszeralen Platte, weil ja beide schließlich
aus Änderungen der Coelomwand hervorgehen.
Wir werden beiden Schwierigkeiten begegnen.
Die Kopfmuskulatur von Amphioxus und ihre Homologa
bei den Kranioten.
Bei Amphioxus, der kein bewegliches Auge hat, fehlen dementspre-
chend die Augenmuskeln.
') Ausnahmsweise soll es vorkommen, daß Fasern von einer Wurzel auch nach einem
angrenzenden Myotom gehen (Johnston).
-) Wir finden hier also, daß ventralere Muskelteile von dorsaleren Fasern innerviert
werden als mehr dorsomediale Teile. Im Rückenmark fanden wir, daß die stelopodialen
(ventralen) Teile dorsalere Zentren besitzen als die dorsalen Teile. Ob hier ein ilnhliches
Gesetz vorliegt?
DIK KüPFMUSKULATUR VON ANtPHIOXUS UND IURE IIOMOI.OGA. 451
Eine dem ersten oder Oculomotorius-Myoiorn der Kranioten entsprechende
Muskelbildung lindet nicht statt. Die entsprechende Region ist bei
Amphioxus Kopfcoelom geblieben und liegt zwischen dem I. sensiblen
Nerven (iV. terminalis) und dem II. sensiblen Nerven (dem ersten dorsal
austretenden Nerven oder N. ophthalmicus).
Muskelsprossen gehen bei Amphioxus aus diesem Abschnitt des Coe-
loms nicht hervor, weder somatische noch viszerale, sodaß dem I. Dorsal-
nerven (dem^N. ophthalmicus) keine motorischen Fasern entsprechen.
Das zweite Myotom ist dagegen vorhanden und steht mit einem mus-
kulös veränderten Abschnitt der ]' iszeralplatte in Verbindung. Aus diesem
Viszeralplattenabschnitt, der von dorsalen motorischen Fasern des zweiten
dorsalen Nerven (dritter Septalnerv) innerviert wird, entwickeln sich
Muskeln des Trigeminus. Der perichordale Mi/otomabschnitt erhält aber
ventrale Wurzelfasern.
Nach der Meinung van Wyhe's und Goldschmidt's geht aus dem
Myotomabschnitt jener Region der Muse, obliquus superior hervor und
sollen die ventralen Wurzelfasern, welche ihn bei Amphioxus innervieren,
später (bei den Kranioten) zu den dorsal austretenden Fasern des Troch-
learis der Kranioten werden. Andere nehmen, an daß Trochlearismuskel
und -Nerv ursprünglich viszeral seien (Vergl. auch S. 454).
Alltoren (wie HorrMAXN und Platt), welche Granglienzellen in dem Verlauf
des Trochlearis fanden, sind der Meinung, daß der Troehlearis von Anfang an ein
viszeraler Nerv und seine Muskulatur dementsprechend viszeraler Natur sei, eine
Meinung, die durch die. Entdecking Bok's (vergl. iS. 4.55) gestützt wurde, der
fand, daß der N. trochlearis beim Hühnchen in der Reihe der viszeromotorischen
Nerven und nicht in derjenigen der somatomotorisehen Nerven aktivert wird. Dies
tut jedoch der Tatsache keinen Abbruch, daß bei Amphioxus die entsprechende
Stelle einen wirkliehen Ventral (= Myotom-) nerven aufweist. Ich werde später auf
diesen Punkt zurückkommen.
Aus dem dritten Myotom von Amphioxus entwickelt sich bei den
Kranioten der Abducensmuskel, der Rectus externus, während die ihm ent-
sprechende Viszeralplatte ebenfalls (s. o.) zu dem Aufbau der Trigeminus-
muskulatur beiträgt.
Das vierte und fünfte Myotom, welche bei Amphioxus wohl zur Ent-
wicklung kommen und ventrale Wurzelfasern empfangen, gehen bei den
Kranioten verloren (nur das fünfte Myotom wird dort noch zeitweise an-
gelegt). Die ihnen entsprechende viszerale Muskulatur, von dorsalen Nerven-
fasern innerviert, bildet die Facialismuskulatur.
Das sechste, siebente, achte und neunte. Myotom bilden die von sog.
spino-okzipitalen Nerven innervierten Muskeln, ans denen bei den höhern
Kranioten die Zungenmuskeln hervorgehen, während ihre Nerven den N.
hypoglossus bilden.
Die ihrer Region entsprechenden viszeralen Derivate, welche ein Ganzes
darstellen, bilden die Muskeln der Nervi glossopharyngeus, vagus et acessorius.
452 DIE KOPFMUSKt'T.ATUR VON AirPHIOXUS UND IHRE HOMOLOÖA.
Das zehnte Myotom bildet den Anfang der somatischen Rückenmarks-
muskeln. Eventuelle ihnen entsprechende viszerale, von dorsalen Fasern
innervierte Muskelfasern sind sympathischer Natur.
Bezüglich der zentralen Lage der Ursprungszellen der ventralen und
dorsalen motorischen Wurzeln bei Amphioxus sind keine genauen Angaben
zu machen.
Am wahrscheinlichsten ist, daß beide eine mehr oder weniger kon-
tinuierliche Reihe bilden (ventral oder lateral vom Zentralkanal), und
daß von einer scharf gesonderten somatomotorischen und viszeromotorischen Kern-
säule hier noch keine Rede ist.
Auch bei sehr jungen Embryonen der Kranioten ist die ursprüngliche Lage der
somatomotorischen und viszeromotorischen Zellen gleich. Sie liegen aufangs in genau
derselben Reihe, sodaß die Unterscheidung einer viszeromotorischen und einer
somatomotorischen Zellsäule in dem jüngsten Stadium nicht zutrifft, wie Beccari
für die Reptilien und Bok für die Vögel nachwies.
Betrachten wir jetzt den Zustand, wie er bei ausgewachsenen Kranioten
vorkommt, dann finden wir dort eine sehr erhebliche Differenzierung.
Die regelmäßige Anordnung des Myotome hat sich dort zu ganz be-
stimmten Muskelgruppen diiferenziert. Das Kopfcoelom von Amphioxus,
dem e7-sten Myotom entsprechend, umgreift das Auge und hat zur Ausbil-
dung der Oculomotoriusmuskeln Anlaß gegeben.
Viszerale Muskelfasern kommen aber dem Ojihtlialmicus auch bei den
Kranioten nicht zu.
Dem zweiten. -Myomer i) entstammen die Muskeln, des Trigeminus und
Trochlearis. Ihre Nerven weisen bezüglich ihres Austrittniveaus bei vielen
Tieren (Zyklostomen, Amphibien) noch eine große Verwandtschaft auf,
indem sie bei sehr primitiven Tieren, wie Petromyzon und Molge fast auf
einer Ebene austreten (vergl. Fig. 205 B und 237). Ob die Trochlearisraus-
kel dabei einem Myotom- (v. Wyhe) oder einem Viszeralplatten-Abschnitt
(Hoffmann, Platt, Bok) entstammt, ist eine Streitfrage (s. S. 454 — 455).
Die somatischen und viszeralen Muskeln des dritten. Myomers, Abducens-
und Trigeminusmuskeln, zeigen nur bei den Zyklostomen durch ihre
Nerven noch eine topographische Verwandtschaft, indem der Abducens mit
dem Trigeminus zusammen (etwas ventromedial davon) in die Oblongata
eintritt (Fig. 205 B). Bei höhern Wirbeltieren verlagern sich die Abducens-
wurzeln, infolge Kernverlagerung, zunächts nach hinten und entsteht eine
größere Trennung zwischen diesen beiden Nerven.
Die posttrigeminale Branchialmuskulatur, diejenige des Facialis, Glosso-
pharj'ngeus, Vagus und Accessorius, geht aus der Viszeralplatte liinter
dem Areal des dritten Myomers hervor und entspricht einer großen Anzahl
von Mj'omern, welche auf der vorigen Seite erwähnt sind.
') Der Aiistinick ,,M3'omer" ist hier gebraucht für die gesauite auf einer gewissen
Querschnittsebene anwesende Muslielanlage (sowohl für die perichordale Mj'otomanlage als
für das viszerale Blatt).
DIE KOPFMUSKULATUR VOX AMnilOXUS UND IHRE 1IO^[ÜI.OGA. 453
In dieser Gegend bildet sicli auch das spino-okzipitale System, welches
aus dem 6. bis 9. Myotom hervorgeht (N. hypoglossus, s. o.). Ihm schließt
sich das 10. Myotom als erstes Rückenmarksmyotom an.
In dem Kapitel über das Rückenmark habe ich bereits darauf hinge-
wiesen, daß bei den Fischen, mit Ausnahme der Teleostier (und Ganoiden)
in dem Übergangsgebiet zwischen Oblongata und Rückenmark eine Anzahl
\'entralwurzeln austritt, welche bei den Zyklostomen noch gänzlich außerhalb
des Schädels (Paläokranium) liegen, welcher bei diesen Tieren mit der
Labyrinthregion abschließt.
Bei Selachiern (S. 123) dehnt sich der Schädel weiter nach hinten aus und
wird eine Anzahl der frontalsten Rückenmarksnerven in den Schädelraum
aufgenommen (protomere Assimilation). Diese Nerven, welche keine bleibende
sensible Hinterwurzel haben, nennt man die okzipitalen Nerven. Bei höhern
Tieren dehnt sich der Schädel noch weiter nach hinten aus und wird eine
zweite Anzahl von Nerven darin aufgenommen (auximere Assimilation) :
die okzipitospinalen Nerven.
Die ganze Gruppe (die okzipitalen und die okzipitospinalen zusammen)
nennt Fürbringer die spino-okzipitalen Nerven, mit welchem Namen sie
in meinen Diagrammen angedeutet sind (oder mit Buchstaben).
Solche Nerven, welche also von Rückenmarksnerven zu Kranial-
nerven werden, bilden schließlich den Hypoglossus; daher werden sie
hier ausführlicher als in dem Kapitel über das Rückenmark behandelt.
Wir werden nämlich sehen, daß zu dieser Veränderung in den Schädel-
verhältnissen sehr große Veränderungen in der Lage der entsprechenden
Kerne hinzutreten, welche in diesem Kapitel näher erörtert werden sollen
und infolgedessen die spino-okzipitalen Nerven nicht nur deshalb wirkliche
Kopfnerven werden, weil der Schädel sich nach hinten ausdehnt, sondern auch, weil
ihre entsprechenden Zellen sich frontal verlagern (siehe die farbige Tafel II).
Die spino-okzipitalen Nerven (also auch der Hypoglossus) gehören als
ventrale Wurzeln zu den somatomotorischen Nerven.
Die zentralen Ursprungszellen der somatischen und viszeralen Musku-
latur bilden vor ihrer weiteren Entwicklung eine gemeinsame Neuroblasten-
reihe (Bok, Beccari), deren Ausbildung, nahe der Medianlinie, verursacht
wird durch Reizströme, ausgehend von der ersten zentralen Bahn (Fasci-
culus longitudinalis centralis) deren Reizströme an bestimmten Stellen (welche
bedingt sind durch die mit jenen Reizströmen korrelierten Kontraktionen
angrenzender Myomere) diese Neuroblasten zur Ausbildung von Wurzel-
neuriten aktivieren (Gesetz der stimulogenen Fibrillation, Bok S. 64 und 72).
Wir werden in diesem Kapitel sehen daß auch die sekundäre Lage
jener motorischen Kerne bedingt wird durch besondere, mit der Funktion
ihrer Muskeln korrelierte sensible Zentren (Neurobiotaxis).
Von den Kernen der somatischen Nerven unterscheiden sich diejeni-
gen der branchialen effektorischen Wurzeln bei den Kranioten bereits
kurze Zeit nach ihrer Bildung durch ihre Lage.
454 DIK KOPFMUSKULATUR VON AMPHIOXUS UND IHRE HOMOLOGA.
Dieser Unterschied ist also sekundär und zeigt sich darin, daß die
Ursprungszellen der viszero-oder branchiornotorischen Wurzeln bei ausge-
wachsenen Tieren eine mehr dorsolaterale Lage einnehmen, während die
Ursprungszellen der somatomotorischen Wurzeln im allgemeinen eine mehr
mediale Lage beibehalten.
Zu diesem Unterschiede gesellt sich ein anderer, ein entwicklungs-
geschichtlicher Unterschied, welcher von Bok bei Hühnern gefunden wurde,
nämlich diesei-, daß die Axonen der viszeromotorischen Wurzeln eher zur
Peripherie auswachsen (etwa 20 Bebrütungsstunden eher) als die somato-
motorischen.
Dieser Punkt veranlasst mich, hier noch einmal einen Augenblick bei der
Frage zu verweilen, zu welcher Gruppe von Nerven der Trochlearis gehört, zu den
somatischen oder zu den viszeralen.
Was ihre peripheren Unterschiede anbelangt, habe ich bereits darauf hinge-
wiesen, daß die Muskeln dieser beiden Gruppen verschiedenen Ursprunges sind.
Während die Muskeln der somatischen Wurzeln aus Myotomen hervorgehen,
stammen diejenigen der Brauchialnerven aus den Viszeralplatteu der Kiemenbogen-
gegend, welche nicht somiten-ähnlich aufgebaut sind.
Ein zweiter Unterschied zwischen diesen motorischen Wurzeln beider Gruppen
liegt darin, daß die motorischen Wurzeln der somatischen Nerven eine ventrale
Austrittsstelle in der Oblougata haben, übereinstimmend mit den ventralen Wurzeln
des Rückenmarkes, und von den sensiblen AVurzeln, wenn diese vorhanden, weit
getrennt sind, während die viszeralen motorischen Fasern mit den Hinterwurzel-
fasern die Oblongata verlassen.
Während bezüglich der spino-okzipitalen Nerven (des Hypoglossus) und be-
züglich des N. abducens und N. oculomotorius kein Zweifel über ihre somatomo-
torisehe Natur besteht, weil alle in obigen Zeilen erwähnten Kennzeichen dersel-
ben vorhanden sind und mit einander übereinstimmen, und ebensowenig der ur-
sprünglich viszerale oder brauchiale Charakter des Aeeessorius, Vagus, Glossopha-
ryngeus, Facialis und Trigeminus bezweifelt werden kann, weil auch für sie alle
obenerwähnten Merkmale branehialer Nerven übereinstimmen, ist dies mit dem
Trochlearis anders bestellt. Die Herkunft des Muskels, welchen er innerviert, des
(^bliquus superior, ist keineswegs sieher. Die meisten Autoren nehmen an, daß
dieser Muskel dem perichordalen (also myotomalen) Abschnitt des zweiten Myomers
entspricht. Es gibt jedoch auch solche, die ihn aus der Visy.eralplatte desselben
Myomers herleiten möchten.
Können wir also auf Grund dessen nicht zu einer sichern Entscheidung kom-
men, so spricht die laterale, sogar dorsolaterale Lage seines Kernes bei Petromyzon
(Fig. 20S) und der überall sich zeigende dorsale Austritt der Wurzel zweifellos
zu Gunsten eines viszeralen Charakters jenes Nerven, während schließlich auch noch
von einigen Autoreu (Hopfmann und PLiTT) Ganglienzellen ') in ihrem Yerlaul'e
wahrgenommen sind, welche darauf hin zu deuten scheinen, daß in ihm Reste von
sensiblen (also auch Dorsal wurzel-) Fasern vorkommen.
Hierzu kommt nun noch die sehr interessante, von Bok entdeckte Tatsache,
daß der Nerv zu denjenigen Nerven gehört, deren Axonen zuerst auswachsen, in
der Reihe der viszeralen Nerven.
') Von den Gegnern der Lehre, daß der Trochlearis ein viszeraler Nerv sei, werden
diese Zellen zwar anerkannt, aber als emigrierende Sciicidcuzellen gedeutet. Ihr nervöser
Charakter scheint aber nicht zweifelhaft.
DIE KOPFMÜSlCrLATtn Vd.X AMl'IIIOXUS UND IHKK H0MOU)UA. 455
Das periphere Wachstum der Xerveuwiirzeln erfolgt nämlich so, daß die
viszeromotorischen Wurzeln etwa 20 — 24 IStiiudeu eher auswachsen als die sDinato-
motorischeu Wurzeln, i) und innerhalb jeder Grruppe das Auswachsen so geschieht,
daß die oralsten "Nerven derselben Gruppe zuerst auswachsen.
Wäre nun der Trochlearis ein somatischer Nerv, so müßte er später aus-
wachsen als der Oculomotorius, weil er kaudal davon liegt.
Er wächst aber bedeutend eher aus und eröffnet die Keihe des Auswachsene
der viszeromotorischen Nerven, während der Oculomotorius erst bedeutend später,
das Auswachsen der somatomotorischen Wurzeln eröfinet.
Wir finden somit, daß alle drei Merkmale, welche wir für den Nerven selber
haben, um seinen Charakter zu bestimmen: Auswachsungsmoment, Austrittsrichtung
aus dem Gehirn und dorso-laterale Kernlage, alle zu Gunsten der Deutung
sprechen, daß der Trochlearis der Kranioten ein viszeromotorischer Nerv ist und
nicht, wie in allgemeinen angenommen wird, ein somatomotorischer Nerv. Wir
müssen dann aber annehmen, daß das Myotom des zweiten Myomers, welches bei
Amphioxus vorhanden ist, bei den Kranioten eine andere Funktion erhielt wie
dasjenige der Obliquusbildung, oder daß es verloren ging. Hierüber sind nähere
Untersuchungen abzuwarten. Das Problem des Trochlearis bleibt also vorläufig
noch ein Problem, obschon vieles darauf hinweist, daß der Trochlearis der Kranioten
etwas anderes innerviert als das zweite Myotom von Amphioxus.
Was die allgemeine Einleitung zu diesem Kapitel betrifft, möchte ich
es hierbei bewenden lassen.
Nur noch einige Worte zur Erläuterung der in diesem Kapitel vor-
kommenden Diagramme.
Dieselben sind hergestellt, um die sagittale Topographie der motorischen
Kerne anzudeuten, also ihre Lage zu einander in der Längsachse des
Stammes und ihre Lage in Bezug auf die Eintrittsstelle ihrer Wurzeln.
Diese sagittale Lage ist dargestellt auf Grund von Zählungen der
Schnittenzahl in Frontalserien, ist also in dieser Hinsicht mathematisch
korrekt.
Die obere Grenzlinie eines jeden Diagranuiies stellt den Boden des
Ventrikels dar, die untere die Basis der Medulla oblongata und des Mittel-
hirns, welche beide gestreckt gedacht sind.
Nun liegen die motorischen Kerne der Oblongata nicht in derselben sagit-
talen .Fläche, weil die viszero-motorische Reihe, wie bereits gesagt, bei aus-
gewachsenen Kranioten meistens lateraler liegt als die somato-motorische
Reihe.
Doch ist jeder Kern so eingezeichnet, wie er in seiner eigenen Sagittal-
tläche projiziert werden kann. Ich müßte daher eigentlich zwei Diagramme
für jedes Tier geben, eins für die viszeromotorischen und eins für die
somatomotorischen Kerne. Da jedoch die Topographie der sämtlichen
viszero- und somatomotorischen Kerne zu einander dann nicht so leicht
zum Ausdruck kommen würde, sind diese beiden Flächen aufeinander
gelegt gedacht und in einen Rahmen eingezeichnet.
') Dieser Unterschied ist ein sehr großer, wenn man bedenkt, daß das Auswachsen
in 4 Tagen, also in nur 4 X 24 Stunden vor sich geht.
456
DAS MOTORISCHE SYSTEM DER ZYKLOSTOMEX.
Meine Mitarbeiter und ich haben in \'ieljährigen Untersuchungen die
Erfahrung gemacht, daß diese Art der Darstellung die einleuchtendste ist
und sich am besten eignet zu Vergleichungen.
Nach diesen Auseinandersetzungen werde ich jetzt dazu übergehen,
den Bau und die Lage der effektorischen Zentren bei den Hauptklassen
der Kranioten zu skizzieren und dabei anfangen mit den Zyklostomen.
Das motorische System der Zyklostomen
Das Verhalten der motorischen Kerne ist bei den beiden Ordnungen
der Zyklostomen : den Petromyzonten und den Myxinoi'den sehr verschieden
(vergl. Fig. 205 : Petromyzon und Bdellostoma).
Ich werde zuerst die mehr primitive und komplettere Anordnung bei
Petromyzon beschreiben und dann einiges von dem stark reduzierten Ver-
halten der Myxinoi'den erwähnen.
In dem kaudalen Abschnitt der Oblongata von Petromyzon marinus
kann man ohne Mühe zwei Zellsäulen unterscheiden: eine dorsomediale
und eine dorsolaterale Zellsäule. Beide bestehen aus großen multipolaren,
reichlich mit Dendriten versehenen Elementen. Die Zellen der dorsomedialen
Säule (Fig. 202) unterscheiden sich von denen der dorsolateralen Reihe
(Fig. 203) dadurch, daß sie einen mehr polygonalen Bau haben. Durch-
schnittlich sind sie vielleicht auch etwas größer, obschon auch unter den
dorsolateralen Elementen ganz große vorkommen.
Fig. 202. Spino-okzipitaler Kern
von Petromyzon (Schnitt
durch den Calanuis).
Fig. 203. Vaguskern von Petromyzon
(etwas frontaler als Fig. 202).
Die dorsomedialen Elemente, welche hier gemeint sind, entsenden ihre
Wurzelfasern ventralwärts in den spino-okzipitalen Nerven i) ; die dorso-
lateralen Zellen sind die Ursprungszellen des lateral austretenden Vagus.
Die ersteren bilden die direkte Fortsetzung der Vorderwurzel-Zellsäule
des Rückenmarks.
Eine hintere Grenze ist dadurch an dieser Zellreihe nicht festzustellen.
') Da bei den Zykiüstoriien noch praniandibuläre Segmente vorkommen, ist die
Homologie dieser Nerven mit derjenigen dei- IMagiostoiiien niilit ganz richtig. Daher die
griechischen Buchstaben, statt lateinischen, in den Diagiammen.
DAS MOTORISCHE SYSTiar DER ZYKLOSTOMKN.
457
Auch wäre es uielit leicht, die vordere (Frenze mit völliger Sicherheit
anzugeben, wenn man hloß auf die Zellen selhcr achten wollte. Die ZcUsäule
doch ist mit retikulären Zellen (Fig. 298) durchsetzt, deren Achsen/.ylinder
nicht in die spino-okzii>italen Wurzeln übergehen, sondern in absteigender
Richtung intraniedullär verlaufen.
Es sind die primitiven Homologa von sekundären retikidären Zellen,
welche hier, entsprechend dem einfachen Charakter der Oblongata, noch
eine peripend^'male Lage einnehmen.
Während nun die spino-okzipi-
tale Wurzelzellsäule frontalwärts
bald aufhört, setzen diese Elemente
sich weiter fort (Fig. 204).
Die Grenze der spino-okzipi-
talen Säule kann dadurch nur be-
stimmt werden, indem man die
Fasern der spino-okzipitalen Wur-
zeln verfolgt.
Diese lassen sich von ihrer
Austrittsstelle in der Ulflongata in
dorsaler und frontaler Richtung
verfolgen zu ihren Ursprungszellen, woraus hervorgeht, dai) die spino-
okzipitale Zellsäule sich also etwas frontal von dem Wurzeleintritt der
entsprechenden Nerven ausdehnt, wie wir es weiter unten in noch höherem
Maße bei den Selachiern und Teleostiern wieder finden werden.
Die Ausdehnung dieser Säule und ihre Lage in Bezug auf die viszerale
Säule ist in dem nebenstehenden Diagramm von Petromyzon verdeutlicht
(Fig. 205 B).
Daraus ergibt sich, daü die spino-okzipitalen Zellen und ihre Wurzeln
eine sehr kaudale Lage einnehmen. Namentlich ein Vergleich mit den
später zu beschreibenden Tieren macht dies deutlich (farbige Tafel II).
Spino-okz. Zol
Fig. 204. Sagittalschnitt (medial) iluich
die spino-okzipitale Zellsäule.
Die viszerale Zellreihe von Petromyzon teilt sich (Fig. 206) in zwei Cirup-
pen, die durch eine deutliche Lücke (zwischen Facialiswurzel und (ilosso-
pharyngeus Wurzel) getrennt sind.
Die hintere Gruppe enthält die Wurzelzellen des Glossopharyngeus und
des \"agus.
Ob wir in den hintern P'aseru des letztern auch Aecessoriuselemente erblicken
dürfen, hängt davon ab, ob die Myologie irgend einen Muskel des Kiemen-resp.
iSchultersystems dieses Tieres dem M. trapezius homolog erachtet.
Da letzteres bis jetzt nicht mit Sicherheit ausgemacht ist, muß auch die Frage
eines Accessorius-Kernabschuittes für Petromyzon vorläufig noch als unbeantwortet
betrachtet werden 1).
') Teil iiiiili liier erwähnen, ilali Tiietj.vkoff bei Ammucoetes von einem N. aixes-
sorius spiiclit, ohne dies jedoch myologisch zu begründen.
458
DAS MOTORISCHE SYSTEM DER ZYKLOSTOMEN.
Wie aus dem Diagramm hervorgeht, erstreckt sich die liintere viszerale
oder IX — X-Zellsäule von einer frontal vom IX Wurzeleintritt liegenden
Distanz bis zu einer Distanz hinter dem letzten Vaguswurzel-Eintritt.
= nucl.6 rad HI
= nucl.a- rad.Yn
(•'•~k> •'«'•'•'•'4
= nucl.<5 rad.r/ ^ffiffissä-nucl & rad.Y
= nucl.K nuci /''
<^^ = nucI 71
= nucI & rad occ.
J^j
= nucl. 6 rad spin l = calamus scnptonus
F"ig. 205 X. Zeichenerklärung.
L
^•••••* ••^^SV' "■■■-■"■ -■•■■■-1
»••••• • ••H. /«■■:-:■:-"■*■■ ■:■■■■■■
^> «»•»•• »«Mi^ ■ .yf •■'■:•::•::-.:': ':-:J
jMMJMwwMWggeiggaa
Fig. 205 B. Petromyzon luarinus L. (Kappers (33)).
I fö • • • • • • #1* • • • ••:--:i.-;-:-:' ■;■!•:- ■>:■:■
■ [••• •••••;[•••••;- -V ?- --■-^■»
TH
XV
^«^^^x
Fig. 205 0. Bdellostotna Dombey Lacep. (Black).
Fig. 205.. Diagrauinjatiiiche Darstellung des topographischen Verhaltens der motorischen Wurzel
und Kerne bei zwei Zyklostomen.
Die Vordergrenze der hintern Säule ist genau zu bestimmen; bei der
hintern Grenze ist dies schwieriger. Man geht aber wohl nicht fehl, wenn
man annimmt, daß sich der Vaguskern kaudalwärts etwa so weit aus-
dehnt, wie es dem frontalen Anfang der spino-okzipitalen Zellsäule
entspricht. Johnston gibt den Calamus scriptorius (Pfeil des Diagrammes)
als Grenze an, was mit dieser Annahme niclit in Streit ist.
Die Grenze zwischen den Glossopharyngeuszellun und den \'aguszellen
ist nicht scharf markiert. Der Übergang ist ein allmählicher, wenngleich
perlschnurartige Verdüimungen der Zellsäule an der Stelle nicht selten sind.
Die ganze Säule hält eine dorsale Lage ein.
.'j) Dieselbe Schraflierung deutet auch den Accessorius Kern an, wo er vorkommt.
DAS MOTORISCHE SYSTEM DER ZYKLOSTOMEN.
459
-^^^^^i»..
Irgend eine Andeutung von ventralei- Verlagerung ist nicht zu sehen.
Ihre Dendriten dehnen sich aljer in vielen Richtungen aus. Einige größere
hegeben sich in hiteraler und ventro-lateraler Richtung: ein Beweis, dai^
die Ausläufer diesei; Zellen bereits die Reize ventrolateraler Fasersysteme
empfinden, welche wohl
liauptsächHch durch Ver-
ästelungen der Trigemi-
nuswurzel und der diesen
sich anlegenden Hautfasern
der andern Kiemenbogen-
nerven gebildet werden.
Die vordere viszerale Zell-
säule (Fig. 206) enthält in
ihrem hintern Abschnitt den
VII-Kern iFig. 207), in dem
vordem den V-Kern.
Es ist nicht unwahr-
scheinlich, daß zwischen
beiden Zellen liegen, welchen der Abducens seinen Ursprung verdankt;
denn, wie bekannt, gehen die Fasern der Abducenswurzel intrakraniell und
intrazerebral mit der ^^-wurzel zusammen und lassen sich in der Oblon-
Fig. 206. Sagittalschnitt (lateral von Fig. 204)
von Petromyzon marinus. Die hintere und
vordere viszerale Zellsäule.
[
' A
N. lat.ant.
'\ß
R. sup. ■
"TTä-
l
N.VIII 1
dors. \
N.VII-
m'
•i'.Si
v<.
-—Nil Vir in.
Fig. 207. Motorischer Facialis-Kern von Petromyzon
marinus. Silber-Präparat.
gata auch nielit wieder von letzterer trennen (Tketjakoff: Animocoetes).
Es ist daher wahrscheinlich, daß die entsprechenden Wurzelzellen dem
Trigeminuskern einverleibt oder wenigstens angrenzend sind.
460
DAS MOTORISCHE SYSTEM DER ZYKLOSTOMEN.
Wenn dies näher bestätigt wird, haben wir darin insofern eine inte-
ressante Tatsache zu erblicken, als dann in diesem Abschnitt noch eine
wenig scharfe Trennung zwischen der viszero- und somato-motorischen
Säule vorliegen würde, was sehr wohl möglich ist, mit Hinsicht auf das,
was wir von dem primitiven Verhalten dieser Säulen wissen (vergl. S. 453).
Wir dürfen übrigens nicht aus dem Auge verlieren, daß in der vordem
viszei'alen Säule der Oblongata die motorischen Zellen eine weit größere,
breitere Strecke des "\''entrikelbodens einnehmen als in der hintern viszero-
motorischen Säule. Während sie sich in der letztern auf die dorsolaterale
Region beschränken, treten sie in der vordem Region viel nährer an die
Medianlinie heran und schon auf Grund dessen ist es nicht auszuschließen,
daß die mehr medianwärts gelegenen Elemente dieser Säule tatsächlich
somatomotorische wären, dem Abducens zugehörend. Von einer scharf
gesonderten Abducens-Gruppe ist hier aber jedenfalls keine Rede.
Der Facialis-Kern von Petromyzon liegt ganz dorsal auf dem Niveau
des VII- Wurzel-Eintrittes und dehnt sich etwas kaudalwärts davon aus.
Dies ist die primitivste Lage jenes Kernes (Fig. 207), die uns nur deshalb
wundert, weil wir mehr an die außerordentlich komplizierten und sekundär
veränderten Verhältnisse bei Säugern gewöhnt sind.
Der Kern stellt bei Petromyzon ein einheitliches Gebilde mit dem
Trigeminus-Kern dar (nur dann und wann durch eine große MüLLER'sche
Zelle davon getrennt) Dieser Zusammenhang beruht wohl auf dem Ura-
Nu. IV. Stande, daß die motorische ^'11,
zusammen mit der motorischen
V-Wurzel einen erheblichen Anteil
an der Innervierung der Muskula-
tur der sogenannten „Zunge" der
Zyklostomen nimmt, deren Sensibi-
lität hauptsächlich durch den Trige-
minus sorgt wird.
Der Trigeminus-Kern hält eben-
falls seinen dorsalen Platz inne,
und von einer ventralen, bezw. ven-
trolateralen Verschiebung ist auch
hierbei keine Rede. Der Kern liegt
genau so wie der in Fig. 207 abgebildete Facialis-Kern, nur sind seine
Elemente etwas größer.
Die Augenmxiskelkerne des Trochlearis und Oculomoiori.us zeigen beim
Neunauge Eigentümlichkeiten, die für unsere Kenntnis jener Nerven von
größtem Interesse sind. Der Trochleariskern liegt nicht, wie bei den meisten
Tieren, ventral vom vierten "N'entrikel, sondern dorsal davon im Velum
anticum cerebelli (Fig. 208), oberhalb des Sulcus limitans und hinter seinem
eigenen Wurzelaustritt, etwa in dem Areal des Trigeminuseintrittes (vergl.
das Diagramm, Fig. 205 B). Est ist eine ganz auß'allende Tatsache, daß der
Fig. 208. Tiochleariskern von Petromyzon
niarinus. Kombinierte ZeichnunK.
PAS MOTORTSf'IIK SYSTKXr DKR ZYKI.OSTOMKX. 461
Kern nälier beim Tiia^eininuskern als beim Oculomotoriuskeru liegt, was
aber völlig in G'bereinstimmung mit dem von Hof.manx bei Acanthias
gemacbten Befunde ist, daß der M. obliquus superior der Trigeminus-Mus-
kulatur entstammt und die Trochleariswurzel sich vom Trigeminus sekundär
abspaltet (der ihn bei Amphibien, s. d., wohl einmal zu vertreten scheint).
Außerdem ist es in völliger Cbereinstimming mit der BoK'schen
Deutung des Trochlearis als viszeralen Nerven (S. 455. )■
Der Oculoynotoriuskern besteht aus zwei Zellanhäufungen, die bei dem
einen Tiere derselben Art mehr getrennt bleiben, bei dem andern (in dem
im Diagramm wiedergegebe-
nen Falle) fast ganz ineinan-
der übergehen. — (Fig-
209). — • Die dorsale Gruppe,
welche sich mehr kaudalwärts
ausdehnt, Viesteht aus etwas
größern Zellen als die ven-
trale Gruppe.
Es haben sich Stimmen dafür ^'S- 2"^- Oculomotoriuskern von
erhoben, den ventralen Kern nicht Petromyzon mannus.
zum Oculomotorius- Wurzelkern zu
rechnen. Tretjakoff z.B. gibt mit ziemlich großer Bestimmtheit a,n, daß die Achsen-
zylinder des ventralen Kernes nicht in die Wurzel hineingehen'
Die meisten Autoren behaupten dagegen, daß letzteres wohl der Fall sei, und
die Tatsache, daß der ventrale und der dorsale Kern in einem Falle, wie dem
hier abgebildeten, so gleichmäßig ineinander übergehen, während der ventrale Kern
in seiner Lage ganz dem Wurzelaustritt des HI. entspricht, läßt vermuten, daß
der ventrale Kern dem Oculomotorius-Komplcx zugerechnet werden muß.
Nähere Untersuchungen sind hier aber notwendig.
Myxinoiden.
In dem stark reduzierten Gtehirn der My.rinoiden fehlen verschiedene Nerven.
So ist bei der gänzlichen Reduktion der Augen keine Spur von Augenmuskelkernen
vorhanden (Sanders, Holm u. A.). Auch ist es so gut wie sicher, daß der motorische
Glossopharyngeus hier nicht voriianden ist und vielleicht auch der erste eigentliche
Vagusast fehlt (Johnston, Eöthig, Black).
Dabei ist das Gehirn von Mysine (auch dasjenige von Bdellostoma; Black)
in frontokaudaler Richtung sehr komprimiert (Fühbuinueh). Letzteres ist auch wohl
Ursache, daß man aus den Diagrammen den Eindruck bekommen könnte, als dehne
sich die spino-okzipitale Zellsäule bei diesem Tiere weiter nach vorn aus als bei Petro-
myzon. Diese Kompression ist auch Ursache, daß die Verkürzung der vorderen Spitze
der hinteren viszeralen Säule nicht in dem Diagramme zum Vorschein tritt und diese
Säulen in der Rekonstruktion von Petromyzon und Bdellostoma fast zusammenfallen.
Da wir aber wissen, daß die Zahl der hinteren Kiemenbogen hier größer ist als bei
Petromyzon, während der Glossopharyngeus hier fehlt, ist es wahrscheinlicher, anzu-
nehmen, daß Redaktion an der Vorderspitze von einer Apposition an dem hinteren Ende
ergänzt ist, umsomehr, da das Verhalten des hintern Endes der Vagussäule zur spino-
okzipitalen Säule bei Bdellostoma für eine Verlängerung in kaudaler Richtung spricht.
462
DAS MOTORISCHE SYSTEM DER ZYKLOSTOMEX.
driingung, welche das fTehirn veii hinten her i'i'fahren
^m/mmjj^^/^ ' '
1 ^^s^
Fig. 210«
1 1
1 1
L
210 h.
Fio. 210«.
Fig. 210 h,
Hinterer Abschnitt der Oblongata
von Petromyzon.
Hinterer Abschnitt der Oblongata
von Myxine; nach Röthig.
Diese Yerrnntung wird nun bestätigt, wenn man bei Mt/jcine die Zusammen-
hat, redressiert und die
vorderen Grenzen der
spino-ükzipitaleu Ner-
ven untereinander stellt
(Fig. 210« und 2105),
wie RöTHiG es tat.
Es stellt sieh dann
heraus, daß die Verkür-
zung, welche die hintere
viszerale Säule bei Myxi-
ne aufweist, hier sicher
den vorderen, d. i. den
Glossopharyugeus- Ab-
schnitt, betrift't.
Eine andere Diffe-
renz mit Petromyzon zei-
gen die Myxinoiden dar-
in, daß alle viszeromoto-
rischen Zellen eine viel
ventralere Lage haben.
Tritt dies sehou'in der
Vagussäule hervor, so ist
es noch auffallender in
der Zellmasse, welche
dem Trigeminus und dem
Facialis ihren Ursprung
gibt. Die vordere viszerale Säule, ans der diese Nerven entstehen, hat eine ganz
ventrale Lage angenommen und liegt an der grauen Substanz der sensiblen des-
zendierenden Trigeminuswurzel entlang (Fig. 211) (Röthig, Myxine; Black,
Bdellostoma).
Facialisivurzel und -Jcern
sind nicht groß. Auch die
Ursprungszellen selber des
VII sind etwas kleiner als
diejenigen des Trigeminus.
Sie liegen in dem kaudal-
sten Abschnitt des hintern
Trigeminuskernes. Der Tri-
geminus selber weist zwei
deutlich getrennte moto-
rische Wurzelbündel auf,
welche jedes zu einem mehr
oder weniger getrennten
Kern ziehen, von denen der
vordere der größte ist (Fig.
205 C), während der hintere
auch V die Ursprungszellen
des Facialis enthält.
Der große Unterschied, welchen Myxine und Bdellostoma im Vergleich mit
Petromyzon aufweisen, liegt außer in der obenerwähnten Reduktion verschie-
dener motorischer Wurzeln (III, IV, VI, IX) und in der kaudalen Kompression
/
Spin.-okz.
Zellsäule.
Fig. 21'!. Seitlicher Sagittalschnitt durch die
Oblongata von Myxine glutinosa; n. Röthig.
DAS MOTORISCHE SYSTKM MKK IM.AOIOHTOMEN.
463
des Gehirnes auch in der geringern Entwicldiing viszeral-sensibler Systeme.
Padureh hat die hier gerade hv[)ertrophierte sen8il)le deszendierende Trigeminus-
wurzel einen so überwiegenden Eindiil! auf die reilektorische Tätigiseit und somit
auf die Topographie der moto-
rischen Zentren, 'daß diese fast
gänzlich dem Verlaufe der
deszendierenden Quiutusvvurzel
entspricht.
Diese Tatsachen sind aiu-li
in völliger Übereinstimmung
mit der -parasitischen Lebens-
weise dieser Tiere, welche sich
mit ihrem Saugmunde an
n.ihrungshaltige Objekte fest-
heften und im Dunklen, mei-
stens- in ziemlich großer Tiefe,
leben (Ateüs und Woething-
ton).
Fig. 212. Acanthias acanthias (L.)
nach "V.\N per Horst.
Als Beispiele der Anordnung der motorischen
Elemente bei den Plagiostomen gebe ich hier
verschiedene Rekonstruktionen von Haien und Rochen. (Fig. 212, 214
und 220).
Daraus geht Folgendes hervor :
Die spino-okzipitale Zellsäule, welche sich im Zervikalmark selber etwas
mehr ventralwärts ausdehnt, fängt bereits kurz hinter dem Calamus scrip-
torius an, siali etwas mehr auf die dorsomediale Region zu beschränken.
Es scheint, daß die mediozentralen Zellen des Rückenmarks sich am weitesten
frontalwärts ausdehnen (Fig. 212).
5 N. acc.
Fase. sol.
464 DAS MOTORISCHE SYSTEM DER PLAGIOSTOMEN.
Ob die zwei vordersten Wurzeln von Petromyzon (« und ^i) homolog
sind mit den zwei vordersten von Heptanchus und Hexancbus {w und x) ist
zweifelhaft, weil bei den Petrom_yzonten noch praemandibuläre Segmente
vorkommen sollen. Jedenfalls treten die mit lateinischen Buchstaben an-
gegebenen Wurzeln bei den Plagiostomen durch das protomer vergrößerte
Cranium aus, was bei den Petromyzonten mit den mit griechischen Buch-
staben bezeichneten Wurzeln nicht der Fall ist, weil das Cranium dort hinter
der Ohrblase abschließt. Die mit lateinischen Buchstaben versehenen (w, x,
y, z) Wurzeln und deren Kerne gehören den occipitalen Nerven Furbrin-
ger's an. Ihre Zahl ist verschieden bei den Haien, und bei den Rochen
(vergl. Fig. 220) fehlen sie. Dort treten alle kaudalen ^^entral-Wurzeln hinter
dem Cranium aus. In wieferne diese topographischen Differenzen auch
mit intrinsiken Unterschieden zusammen gehen, inwiefern also die Abwe-
senheit von okzipitalen Nerven (wie bei den Rochen und, wie wir später
sehen werden, bei den Teleostiern) stets mit einem entsprechenden Schwund
peripherer Muskeln zusam-
mengeht, ist nicht in jedem
Falle gleich. Wohl wissen
wir aber, daß mit der Ver-
kürzung des Zervikalgebie-
tes, welche, bei jenen Tieren
vorliegt tatsächlich Skelett-
und Muskelreduktionen zu-
sammengehen. Für weitere
Nu\cc. Details dieser Frage ver-
Fibr. arc. ext. / w , ' • „ weise ich nach der Arbeit
Oliv. ini. Nu. spino-occ.
Fükbeingkr's und nament-
Fig. 213. Querschnitt durch die Calamus-Gegend lich auch nach der vorzüg-
von Galeus canis. liehen Darstelling von van
DER Horst (s. auch S. 474).
Die Lage der vorderen okzipitalen Zellsäule ist in Fig. 213 wiedergegeben.
Die hintere viszerale Säule der Plagiostomen unterscheidet sich prinzipiell
von derjenigen des Neunauges, indem auch der Facialiskern — • welcher
beim Neunauge in der vordem viszeralen Säule liegt — sich hier der hintern
Säule angeschlossen hat(Fig. 212, 214 und 220).
Die Gründe hierfür sind die mächtige Entwicklung des Geschmacks-
sj'stems der sensiblen VII-, IX- und X-Wurzel und die Endigung der
sensiblen VII- Wurzel in dem gemeinschaftlichen sensiblen VII — IX-Keru
auf dem Niveau des IX-Wurzeleintrittes, wie ich in einem vorigen Kapitel
(S. 283) ausführlicher beschrieben habe.
Da die große sensible Wurzel des XII bei den Haien in dem sensiblen
IX-Kern endet, ist das Hauptreflexzentrum des motorischen ^'H-Kernes
nach hinten verlegt. Dies hat die Verlagerung des motorischen \'II-Kernes
und seinen Anschluß an die motorische Glossopharyngeussäule zur Folge
DAS MOTORI.SCIIK SYSTKM DER PLAOIOSTONriON.
4(;
Daß den GeschmacksreHexen diese Kolle zukommt, wird lüelit nur dureli
(las Unterbleiben dieser Verlagerung bei Petromj'zon bewiesen, wo der
kaudale Geschmackskern, wie früher betont, sehr wenig entwickelt i.st,
sondern auch durch das Verhalten bei den Vögeln (s. S. 507).
Es ist selbstverständlich, daß durch den Anschluß des motorischen
VII-Kernes an den IX-Kern die hintere viszerale Zellsäulc in ihrem vor-
deren Abschnitt verlängert wird im Vergleich zu Petromyzon.
Iw ' 1
VI ^
Fig. 214 A. Heptanchiis cinereus (Gm.).
m. U^ iJJtA
YI K
Fig. 214 B. Hexanchus griseiis (Gm.
y\ Vi
Fig. 214 C. Acantliias acanthias (L.).
Fig. 214. Diagrammatische narstellung des topographischen Verhaltens dei- motorischen
Wurzeln und Kerne bei einigen Haien, n. van der Horst.
Der horizontale Schenkel des Facialiswurzelknies ist also bereits bei
den Haien gebildet, indem sich die motorische Facialiswurzel von ihrem
Eintritt in die Oblongata zuerst dorsomedialwärts zum Boden des Ventrikels
wendet und dann unterhalb des Ventrikelbodens, meistens im Anschluß an
den Fasciculus longitud. centralis (Fig. 216: r. VII m.), kaudalwärts läuft.
Ein absteigender Schenkel fehlt aber den Haien, denn die Vll-Zellen
behalten ihre dorsale Lage bei, obgleich die Tendenz zu ventrolateraler
Wanderung durch die Richtung, in welche ihre Hauptdendriten auswachsen,
und auch durch die Form des Kernes angezeigt sein kann (vergl. Tafel ITI).
KAPrER.*.
:'.()
40(1
DAS MOTORISCHE SYSTEM DKK PLAGIOSTOMEX.
Der Kern ist völlig kontinuell mit dem motorischen Glossophiiryngeus
und Vaguskern (vergl. Fig. 214).
Die letztgenannten Kerne sind genau so gebaut wie der Facialiskern,
nur liegt in dem Verlauf der Wurzelfasern ein Unterschied vor, indem
diejenigen des Glossopharyngeus auf ihrem Wege manchmal den Facialis-
kern durchqueren und außerdem eine ganz kurze Schlinge machen durch
den seitlichen Abschnitt des Fasciculus longitudinalis centralis (vergl. Fig.
215), was vielleicht ein Ausdruck dessen ist, daß die ursprüngliche Anlage
dieser viszeromotorischen Zellen
noch mehr medial war, als sie
im ausgewachsenen Tiere scheint.
Wir werden die laterale Lage
in auftallenderer Weise bei den
Eeptilien und Vögeln finden (vergl.
Fig. 238 B und 252), während der
Wurzelverlauf durch den Vll-kern
bei den Teleostiern eigentümliclie
Folgen mit sieh bringt (S. 476).
Die hintere Grenze der vis-
zeralen Zellsäule dehnt sich bei
manchen Haien, namentlich bei
Hesanchus (Fig. 214 B), weiter
aus als bei den Rochen (Fig.
220). — Bei den erstgenannten
übertrifft sie auch in kaudaler
Ausdehnung die Petromyzonten ;
bei Raja ist die Ausdehnung
etwa gleich der bei den Petromy-
zonten (siehe die Diagramme)
Fig. 215. "VeHauf der motorischen Glosso-
jiharyDgeus Wurzel durch den motorischen
"VIl-Kern bei Scj'llium.
Die Ursache dieses Unterschiedes zwischen den Haien und Rochen liegt
vielleicht in manchen Fällen darin, daß die erstgenannten manchmal einen
Trapezmuskel besitzen und daher einen N. accessorius und die Rochen nicht.
Ebenso wenig indessen eine Sonderung des Nervus accessorius vom
Vagusstamme bei den Fischen vorhanden ist, ebenso wenig ist eine
Sonderung des XI-Kernes von dem Vaguskern dort nachweisbar.
Der Abducens-Kern der Haie besteht aus ziemlich diffus angeordneten
großen Elementen, neben dem zentralen Längsbündel (f. 1. p.) zerstreut.
Es ist meistens schwer, den Kern zytologisch abzutrennen. In der Mehrheit
der Fälle muß die Wurzelfaserausdehnung über die Grenzen ihres Ursprungs-
gebietes Aufschluß geben.
Bei allen Haien liegen die Zellen sehr dorsal, und ihre Ausbreitung
erstreckt sich etwa über das mittlere Drittel der Distanz zwischen VII-
und IX- Wurzeleintritt. Entsprechend dieser Topographie treten die Wurzel-
fäden etwa in der Mitte zwischen VII- und IX- Wurzelniveau aus nahe
DAS >rOT0KISCHK hSYSTKM DICH I>LA(;Tf )STOMRX.
467
der Medianlinie (wie es auch bei den spino-okzipitalen und Riicken-
markswurzeln der Fall ist). In der Oblongata (Fig. 216) steigt die Wurzel
mit einer medialen Konvexität nach oben und streift die seitliche Partie
Nuclells VI.
W(.t. V-Kein
Nervus VI.
Fig. 2i6. N. Abrlucens hei Acanthias. f. l. p. = zentrale.s Längsbümlel.
des zentralen Längsbündels, um dann ihren Ursprungszellen zuzustreben, wie
dies namentlich bei Hexanchus und Acantliias sehr deutlich ist.
Die dorsale Lage des Abducenskernes bei den Haien hängt zweifellos
mit der enormen Entwicklung
der dorsalen vestibulären (und
optischen) Reflexbahnen zusam-
men, welche dem Längsbündel
bei diesen Tieren seine autiallend
große Ausdehnung geben (ver-
gleiche Fig. 216).
Es ist nämlich autiallend,
welch einen großen Zuwachs von
zerebello- und octavomotorisohen
(vestibulomotorischen) Fasern,
das zentrale Längsbündel gerade
an der Stelle des Abducenskernes
empfängt. Dies erklärt auch seine
kaudalere Lage zwischen YIl- und IX-Niveau, weil dort die Vestibularis-
kerne am meisten entwickelt sind (N. VIII).
Der Abducens wird dann auch wohl als die funktionelle Vorderwurzel
des Octavus betrachtet, obschon er ursprünglich dem Trigeminus-Neuroraer
zugehört (S. 452).
Fig. 217. Lage de.s motorisclien
Trigemimis-Kernes bei Raja clavata.
468
DAS MOTORISCHE SYSTKJf DER PLACtIOSTOMEX.
Der Trigeminuskern zeigt bei allen Plagiostomen etwa dieselbe Anordnung
(Fig. 217). In diesem Kern ist, im Gegensatze zu dem Verhalten bei Petro-
myzon, die Andeutung einer ventrolateralen Verschiebung bereits deutlich
vorhanden (Fig. 217), und zwar gilt dies für fast die ganze Länge des Kernes.
Das Grau der sensiblen deszendierenden Trigeminuswurzel (deren
dorsaler Teil die mandibularen Fasern führt), hat wohl diesen Einfluß auf
die Lage des motorischen V-Kerns (vergl. Myxine und die Säuger).
Ein interessantes Verlialten zeigen die vordem Augenmuskelkerne
bei diesen Tieren, wenn man sie mit denen des Neunauges vergleicht.
Während die sagittale Topographie des III-Kernes dieselbe geblieben ist
und dieser Kern — ob-
gleich jetzt ganz dor-
sal gelagert — noch
auf dem Eintrittsni-
veau seiner Wurzel
liegt, istder Trochlearis-
kern frontalwärts ge-
wandert und hat (s.
Fig. 214 und 220) An-
schluß bekommen an
dem Oculomotorius-
kern, indem er zu
gleicher Zeit unter den
Ventrikel — resp. "
Aquäduktboden ge-
kommen ist (Fig. 218).
Da der IV- Wur-
zel-Eintritt jene starke
Verlagerung nicht so-
weit mit macht, findet
man den Kern jetzt
frontal von seinem
Wurzeleintritt (vergl.
die Diagramme).
Bei den von mir
untersuchten Tieren
ist bei Spinax der
Wurzeleintritt des TV
tr cer diene
Fig. 218. La^e des Trochlearis-Kernes (auf dem f. I. p.) und
Verlauf der Trochleariswurzel bei Acanthias,
n. VAN DER Horst.
bedeutend mehr nach vorn verschoben als bei den anderen Plagiostomen.
AVeshalb bei dem einen Tiere die Wurzel sich mehr nach vorn verschiebt
als beim andern, habe ich nicht mit Sicherheit konstatieren können. Es ist
wahrscheinlich, daß die verschiedene Lage des Velum anticum, welche diese
Unterschiede in der Lüge des TV^- Wurzeleintrittes bedingt, von den Variationen
DAS ^rOTORISCHE SYSTEM DIOR I'LAI UOSTOMEN.
469
in dem gegenseitigen Verhalten von Tectum optieum und Zerebelluni ab-
liängt, namentlich auch von Form und Größe des hintern Tectumabschnittes.
Bei fast allen von mir untersuchten Haien und Rochen geht der Troch-
leariskern allmählich in den III-Kern über, sodaß es oft schwer ist, die
Grenze festzustellen.
Die Lage des Trochleariskernes (Fig. 218) in Hinsicht auf das zentrale
Längsbündel und den ^^entrikel ist übrigens bei allen Haien dieselbe. Er
liegt in der Form eines liegenden Halbmondes dicht unter dem Ependym
des Ventrikels, dorsolateral vom Fasciculus longitudinalis centralis (f. l.p.),
teils darin eingebettet. Seine Länge im Vergleich zum HI-Kern wird von
dem Diagramm angegeben (Fig. 214 und 220).
Der Oculomotoriuskern der Selachier weist insofern einen großen Unter-
schied mit dem des Neunauges auf, als er größtenteils dorsal und sehr
medial, teilweise zwischen dem linken und rechten zentralen Längsbündel
gelagert ist (Fig. 219: Nu. III).
Bei Heptanchus und Hexanchus reicht der Kern frontal etwas ventraler,
was mit einer ganz tiefen Einstülpung
der medialen Spalte des Aquäduktes
zusammengeht, dessen unterer Teil
nicht geschlossen ist, sondern fast bis
zur Commissura ansulata durchdringt.
Ich bin geneigt, anzunehmen, daß dies
dazu beiträgt, daß der III-Kern dort
einen etwas mehr ventralen Platz ein-
nimmt.
Bei den andern Selachiern geht
die eben erwähnte Spalte an dieser
Stelle nicht so tief hinunter.
Der Oculomotoriuskern liegt dann
zwischen den Längsbündeln, teil-
weise (namentlich kaudal) darüber
sich seitlich ausdehnend und reicht
weniger weit ventralwärts als bei den eben erwähnten Selachiern.
Eine Einteilung in Zellgruppen läßt sich bei den Haien kaum voi--
nehmen. Man könnte höchstens den medianen Teil zwischen den beiden zen-
tralen Längsbündeln, resp. zwischen diesen und der medianen Ventrikelsj^lte
von dem hauptsächlich kaudal vorkommenden Abschnitt, welcher seitlich
etwas über das zentrale Längsbündel uinbiegt, unterscheiden. So würde man
von einem medianen und einem dorsolateralen Teil sprechen können,
welch letzterer also mehr der Lage des ihm benachbarten Trochlearis-Kernes
entspricht. Diese Teile gehen aber gleichmäßig ineinander über und unter-
scheiden sich auch nicht durch den Zelltypus von einander. Von zwei ver-
schiedenen Zellgruppen ist hier also kaum die Rede, im Gegensatz zu den
Knochenfischen.
Fig. '219. Oculoinotoriiiskei'n vun
Selache maxinia, n. Black.
470
DAS MOTORISCHE SYSTEM DER PJ.AGIOSTOMEN.
Zum Schluß möchte ich noch erwähnen, daß der Oculomotoriuskern,
ebenso wie der Trochlearislvern, kaum von bestimmten kleinzelligen retiku-
lären Grupi^en, wie wir sie bei höhern Tieren als konstantes Ergebnis
finden, umgeben ist.
Es liegt hier also nur eine großzellige Masse voi', die keine wirklichen
Gruppenbildungen aufweist.
Fig. 220 A. Selache maxima (L.)
Fig. 220 B. Raja clavata L.
m
"1
Fig. 220 C. Raja circularis Couch.
Fig. 220. Diagramniatische Darstellung des topographischen Verhaltens der motorischen Wurzeln und Kerne
bei einem Hai (Selache) und zwei Rochen. Nach v\N her Horst.
Ob bestimmte Teile mehr speziell für die gekreuzten Fasern und
ungekreuzten Fasern bestimmt sind, darüber möchte ich mich ohne De-
generationsversuche nicht aussprechen ; wohl scheint es mir, daß die
Zahl der gekreuzten Fasern bedeutend kleiner ist als die der ungekreuzten.
Das Verhalten der Kerne und Wurzeln bei den Rochen (Fig. 220 B, C) ist
dem der Haie (Fig. 220 A) sehr ähnlich. Nur fehlt hier das spino-okzipetale
System; auch ist die hintere viszerale Säule manchmal kürzer (S. 466).
DAS MOTORISCHE SYSTE^r DER GANOIDEN UND TELEOSTIEK.
471
Das motorische System der Ganoi'den und Teleostier.
Die Anordnung der motorischen Wurzelelemente, welche wir bei den
Plagiostomen haben kennen gelernt, geht einerseits (Fig. 221) über die
Crossopterygier (Ganoi'den) über in diejenigen der Knochenfische, anderseits
über diejenigen der Dipnoi in die Anordnung der Amphibien (Fig. 237).
Die große Verschiedenheiten, welchen wir bei den Teleostiern finden
und welche, wie van der Horst in meisterhafter Weise nachwies, manch-
Fig. 221 A. Calamoichthys calabaricus J. A Smith.
m
fm
^r -^
K
VI
Fig. 221 B. Lepidosteus osseus (L.) (Tiieunnissen).
Fig. 221 C. Megalops cyprinoides (Brouss.)
Fig. 221. Üiagrammatische Darstellung des topogiaiihischen Verhaltens der moteiischen Wurzeln und Kerne
bei zwei Ganoiden und einem Teleostier (Megalops) nach van der Horst.
mal einen ausgesprochenen taxonomischen Charakter zeigen, versteht man am
besten, wenn man mit der Anordnung bei den Crossopterygiern und Ganoiden
beginnt, deren Verhalten wir namentlich durch die Untersuchungen von
VAN DER Horst, Theunissen und Droogleever Fortuyn kennen.
Aus diesen Untersuchungen geht hervor, daß das Bild, welches z. B.
Calamoichthys calabaricus (vergl. Fig. 221 A, n. van der Horst) zeigt in den
meisten Punkten noch eine treffende Aehnlichkeit aufweist mit dem Ver-
47*2 DAS .MOTOÜISCIIK SYSTEM DER GANOiDEX UND TELEOSTIER.
halten bei den Selachiern. Die somato-motorische Säule, welche den
Uebergang zum Rückenmark darstellt, weist zwei deutlich entwickelte Okzi-
pitalwurzeln auf (y und z), die hintere viszerale Säule ist kaudalwärts sehr
lang und enthält die Facialis-, Glossophar3'ngeus- und Vaguselemente,
auch solche, deren Wurzelfasern zum M. trapezius ziehen und somit einen
Accessorius-Kern darstellen, welche jedoch so gleichmäßig übergeht in die
dorsale Vagussäule, daß sie nicht apart markiert werden kann.
Der einzige Unterschied findet sich in den frontaleren Abschnitten der
Oblongata, indem der Abducens-Kern (sehr klein bei Calamoichthys und
sehr diffus ; nicht genau abzugrenzen in Lepidosteus) etwas weniger dorsal
liegt, was vielleicht mit der geringeren Entwicklung des zentralen Längs-
bündels bei diesen Tieren zusammenhängt.
Der Trigeminus Kern dagegen weist eine geringere ventrale ^'erlage-
rung auf als bei den Plagiostomen und ist mehr der Länge nach aus-
gedehnt.
Der meist typische Unterschied liegt schließlich darin, daß die nicht
großen Trochlearis- und Oculomotorius-Kerne bei all diesen Tieren (für
Polyodon, s. Black) getrennt bleiben und die IV- Wurzel kaudaler austritt.
Das moiorüclie Sijstem der Teleostier ist sehr verschieden, je nach dem
Tier, welches man untersucht. Bei den primitivsten Teleostiern findet man
ein Verhalten, welches an die Ganoiden erinnert. Eine Übergangsform wäre
Amia calva (Fortuyn), welche kaum von den Crossopterygiern abweicht.
Ähnliches fand van der Horst bei Megalops (Fig. 221 und 222), obschon
durch den Mangel an okzipetalen Wurzeln und durch die ventralere Lage
des III-Kernes das Bild dort schon mehr dem allgemeinen Teleostiertypus
ähnlich wird.
Außer den okzipitalen Wurzeln fehlt manchen Teleostiern auch die erste
spinale Wurzel (Fig. 224 und 226).
Die spinale Zellsäule unter.scheidet sich denn auch von der okzipitalen
Säule der niederen Fische, daß sie sich weiter ventralwärts ausdehnt Da
ihre dorsale Grenze meistens dieselbe bleibt, ist also der dorsoventrale
Durchmesser dieses Kernes bei den Teleostiern recht groß, und trägt auch
die vordere Spitze dieses Kernes dadurch völlig den Charakter eines
Rückenmarkshornes (Fig. 223).
Durch innere Bogenfasern, welclie in den Hinterhörnern des Rücken-
markes ihren Ursprung nehmen und teilweise als reflektorische Pasern
(absteigende Neuronen) zu betrachten sind, werden die Vorderhörner dann
und wann in zwei Teile geteilt, einen mediozentralen Abschnitt, nahe dem
Zentralkanal, und einen ventrolateralen Abschnitt (s. auch Fig. 69 und 70).
Bei Teleostierlarven sind die zentralen Zellen etwas größer und haben
sie eine reichliche Zahl von großen, sich ganz dunkel färbenden Fibrillen.
Ihre Dendriten verästeln sich teils in angrenzenden Abschnitten der Sub-
stantia reticularis, teils in dem zentralen Längsbündel, wo sie mit den
DAS MOTOlüSCHK SYSTKM DKK GANOIDKN UND TKLEOSTIEß.
I
473
474
DAS MOTORISCHE SYSTEM DER GANOIDEN UND TELEOSTIER.
X-Kern.
Sp. Kern.
Heflexb.
Fig 223. Vaguskern (weisz) und
Spinale Kerne (schwarz bei
Lopliius piscatorius.
MAUTHNER'schen Riesenfasern (einer vestibulomotorischen) Bahn in Kon-
takt treten.
Die ventralen Zellen sind dort kleiner und haben auch kleinere, sich
schwerer tingierende Neurofibrillen. Ihre Dendriten lassen sich nach allen
Richtungen verfolgen (Tello).
Die Abwesenheit der occipitalen (in. den Diagrammen weiß punk-
tierten) mediozentralen Zellgruppe, welche bei den Plagiostomen so
groß ist, entspricht einer Reduktion in der ventralen (hypobranchialen)
medianen Rumpfmuskulatur bei den Teleostiern, wo das Uebergangs-
gebiet zwisscben Kojjf und Rumpf
große Einschränkungen erfahren liat.
Beide, die zentrale und ventrale Zell-
gruppe, dehnen sich meistens gleich weit
frontalwärts aus und ihre Vordergrenze
(Fig. 221 C, 224 C, 226 A und B) ent-
spricht merkwürdigerweise oft (van der
Horst) dem Calamus scriptorius.
Ich bekam den Eindruck, ebenso
wie auch Tello, daß die zentromedialen
Zellen (welche in Gegensatz zu den
Selachiern hier erst ziemlich kaudal
gefunden werden) von den zentrome-
dialen Faserbündeln beeinflußt werden (Fasciculus longitudinalis centralis
und MAUTHNER'sche Fasern) und daß die ventrolaterale Gruppe sehr unter
dem Einfluß der al)steigenden Tr. tecto-bulbaris ventralis und der ventro-
lateralen Vestibularisbahn steht, namentlich unter dem Einfluß des von
Wallenberg beschriebenen Tr. octavo-motorius cruciatus ventro-lateralis,
der nach seiner Kreuzung in der Octavus-region an dem ventrolateralen
Rand der Oblongata kaudalwärts zieht, dann an dem hintern Abducens-
kern und an der ventrolateralen Seite des Stammes direkt unterhalb der
peripheren Vorderhornzellen, entlang verläuft (Fig. 223).
Diese Bahn splittert sich in der peripheren Zellgruppe auf.
Ob die zentrale und die periphere Zellgruppe aparten Muskelsystemen
oder besondern Bewegungen dienen, ist bis jetzt nicht experimentell ent-
schieden. Ich habe oben, anläßlich des Unterschiedes in der Zellauordnung
dieser Region bei Selachiern und Teleostiern, schon erwähnt, daß bei
den Selachiern die weiter frontalwärts sich ausdehnende zentromediale
okzipitale Zellsäule nur ventrale Medianmuskeln innerviert. Die vordere
spinale Zellmasse der Teleostier beherrscht aber neben (kaudalere) Ventro-
medianmuskeln auch die Muskeln der Schultern und Flossen, namentlich
dort wo die 1. spinale Vorderwurzel fehlt (Fig. 224 und 226). Gerade
wie beim Säugerrückenmarke dürfen wir also auch die ventro-laterale Gruppe
jenes spinalen Graus bei den Teleostiern in Verband bringen mit Extre-
mitäten-Muskulatur, weil wir wissen daß die ventro-lateralen Zellgruppen
DA.S MOTORISCHK SYSTEM ]<EK GANÜIDKN UND TELKOSTIER.
475
des Rückenmarkes den stelopodialen (Bolk) oder, im Allgemeinen, peri-
pheren Gliedmaßmuskeln entspreclien (vergl. Kapitel I, Seite 192).
Interessant ist der Befand van der Horst's, daß bei einigen Teleostiern
die ventro-laterale Zellgruppe sieh sogar weiter nach vorne ausdehnt als
die zentro-mediane (siehe Fig. 280), ein Beweis für die bedeutenden fron-
talen Reflexe welche die Wurzelzellen der Extremitäten empfangen.
Fig. 224 A. Tinea tinca (L.) (Kappers).
Fig. 224 B. Siliinis glanis L. (Berkei.bach van der Sprenkel).
Fig. 224 C. Exocoetes evolans L.
Fig. 224. Diagraniniatische Darstellung des topographischen Verhaltens der motorischen Wurzeln
Kerne bei einer Schleie, beim Wels (Berkelbacii van der Sprenkel) und
beim Fliegenden Fisch (van her Horst).
Die viszerale Zellsäule zeigt bei fast allen Teleostiern eine erheblich
größere Differenzierung als bei den Selachiern und Ganoiden.
Obschon die meisten Teleostier i), ebenso wie die Ganoiden, keinen
wirklichen Trapezmuskel haben und somit von einem Accessoriuskern keine
und
') Nach der Angabe Herrick's soll bei Menidia ein wirklicher M. Irapezius vorkorniiien
und somit auch ein N. acces^orius. Van der Horst hat dieses Thema wieder aufgenommen,
in Verband mit der Tatsache, daß er die Länge der hinteren viszeralen Säule bei ver-
schiedenen Teleostiern sehr verschieden fand. Man vergl. hierzu seine Arbeit.
476
DAS MOTORISCHE SYSTEM DER GAKOIDEN UND TELEOSTIER.
Rede sein kann, delmt die hintere viszerale Säule sich hier im allgemei-
nen niclit viel weniger kaudalwärts aus als durchschnittlich bei den
Selachiern der Fall ist, was vielleicht (v. d. Horst) dem Umfang der
M.M. arcuati transversi zu danken ist, welche vielleicht derselben Anlage
entstammen als der Trapezius (Dietz).
In dem hintern Teil dieser Säule findet man bei allen Teleostiern sonst
als eine ziemlich geschlossene Zellreihe den Vaguskern, dessen vorderer
Abschnitt bei den primitiven Teleostiern auch die IX- und (Fig. 222) alle
Facialiswurzelfasern aussendet. Bei weniger primitiven Arten kann man nur
einen Teil der Facialisfasern darin verfolgen, während andere aus einem
aparten Kern hervorgehen, der bei einigen Arten (Siluris glanis, Fig. 224 B)
alle Facialis-Fasern entsendet. Schließlich können auch die Glossopharyn-
geus Zellen sich von der dorsalen viszeralen Säule lostrennen (Fig. 226).
Die Art, wie die GlossopharytigeitswuTzeliasern ihren Kern erreichen
in den Fällen, wo er noch einheit-
lich ist mit dem Vaguskern, und der
Facialis-Kern sich ganz oder teil-
weise sequestriert hat, ist eine sehr
eigentümliche.
Nach ihrem Eintritt verlaufen
die Glossopharyngeusfasern dann
weit nach vorne, durchqueren den
frontalen MI-Kern (s. Fig. 227)
und kommen wieder medial von
diesem Kerne zum Vorschein.
Neben dem zentralen Längs-
bündel ziehen sie dann, eventuel mit
denjenigen Vll-Wurzelfasern, die zum hinteren VII-Kern gehören, kaudal-
wärts, um mit den letztgenannten in den vorderen Abschnitt der Vagus-
säule einzutreten i).
Diese frontale Bucht, welche die IX-Wurzel beschreibt, wird durch
die frontale Verlagerung des vordem VII-Kernabschnittes verursacht, durch
welchen Abschnitt die IX-Wurzel bereits bei den Haien hindurchtritt
(vergl. hierzu Fig. 215).
Wenn der Glossopharyngeuskern sich von der Vagussäule abtrennt
(Fig. 226), kann er mit dem Facialiskern eine ventralere Lage, unter-
halb des Vaguskernes, einnehmen, was möglicherweise auf eine Reizung
durch ventro-laterale spino-bulbäre Fasern zurückzuführen ist (vergl. auch
Fig. 230). Man findet dies nämlich .speziell dort, avo die zervikale oder
spinale V Sensibilität hypertrophiert ist (vergl. Seite 14 1 ; auch 494).
Fig. 225.
AViirzi»
Motorischer Vaguskern und
bei Lopliius piscatorius.
') Wie man beincrlst, gebe icli die Beschreibung des Wurzelvetiani'es gegen den
ReizstroMi fnach der Ursprung>zelle hin), weil man die Wurzel auch in Praxi meistens
auf diese Weise verfolgt.
DAS .MoTOKlSCinO SYS'I'KM DKi; (! A X( )1 DK.N IIXD TKLI'XISTI iOH.
477
Die auüallendste Ersclieiuung au den Facialmvurzelzcllcii der Teleostier
ist ihre bereits erwähnte Teilung in zwei Kerne, von denen der vordere
oft ganz frei wird, während der hintere dem IX-Kern angeschlossen
bleibt (Fig. 226).
Die Ursache dieser Differenzierung ist uns noch nicht sicher bekannt.
Fio;. 2'26 R. Lopliius piscatorius L.
Fig. 22ß C. Orthagorisciis iriola L.
22ß. Diagiammatische Darstellung des topograpliischen Veihaltfiiis der motorischen Wurzeln iiml Kernt;
beim Schellfisch, Anglerfisch und Mondfisch (n. V\n der Horst).
Es scheint mir möglich, daß der vordere Kern, welcher in seiner
Topographie oft mit dem V-Kern übereinstimmt, bei dem Schluclvakt funk-
tioniert, während der Facialiskern, welcher dem IX-kern angeschlossen
bleibt, mit dem Kiemenapparat zu tun hat. So wäre es denkbar, daß die bei
den Teleostiern vom Facialis innervierten Levator und Adductor Operculi
in dem hintern ^'II-Kern ihre Repräsentation hätten.
Der vordere VII-Kern verschiebt sich oft weiter nach vorne (Fig. 224),
der hintere manclnnal nach hinten (Fig. 22ß und 230).
478
DAS M0T0K7SCIIE SYSTfOM DER GANOIDEX UND TEI.EOSTII«;!;.
Wie Fig. 228 zeigt, legen sicli die
Tn.yn
Fig. 227. Durchtritt der motorischen
Glossopharyngeuswurzel durch den frontalen
Facialiskern beim Schellfisch.
R.VIIaens. E.VIImot.
vorderen Facialis-Zellen teilweise
an dem Grau der vordem Ge-
schinacksbahn (Tr. see. gust.)
entlang. Bei einem Tier wie
Tinea, wo die Geschmacksfase-
rung noch sehr viel größer ist
als bei Gadus, ist diese An-
näherung noch auffallender. Am
meistens evident ist sie jedoch
l»ei den Siluroiden (Berkelbach
v. ]>. Svrenkel: Fig. 224 B).
Als Argument für die Auf-
fassung, daß der Platz dieses
Kernes durch jene Faserung
bedingt wird, gilt also, daß
seine ventrolaterale bezw. ven-
trale Verschiebung größer ist, je
nachdem diese (ventrolateral lie-
gende) Bahn größer ist.
Auch der hintere VII-Kern
kann sich vom Vaguskern se-
questrieren, wie z.B. schon beim
Gadus der Fall ist (Fig. 226).
Ku.VIpo.st.
Nu.VII ant. Tr. tecto-bulb. \vi]tr.
Flg. 228. Vorderer motorischer Facialiskern und hinterei'
Alidui-eiisliorn bei Oadus mciriliun.
DAS MdTdUIS
IS(;HK SYSTEM DER GANOIDEN UND TELEOSTIEK.
479
•fac=
Bei Lophius und Orthagoriscu.s (Fig. 226) weist der ganze Kern eine
große Selbstständigkeit auf:
kein vagaler Vil-Kern be-
steht, und die Wurzelzellen
des VII-Nerven verteilen
sich über einen großen dor-
salen und einen noch etwas
größern ventralen VII-Kern,
die durch eine enge Brücke
von Vll-Zellen verbunden
sind (Fig. 229). Der untere
Kern, gleichzeitig die mehr
kaudale Partie, enthält auch
den Glossopharyngeuskern.
Daß hier, wie bei Tetro-
don (Fig. 230), wahrschein-
lich spinale V Reflexe eine
Rolle spielen ist bereits
erwähnt. --
ccJ.tng.p.m.m.
dc n u.
fr.t.-b
Fig. 229. Der dorsale (d. f'ac. nu ) und ventrale
(v fac. nu.) Facialiskern von Lophius pisca-
torius, nach Üroogleever Forti;yn
TotindiiM spec.
Fig. 230. Die motorischen Wurzeln und Kerne bei einem Kugelfisch, nach van dku Höhst.
480
DAS MOTÖRISCHK SYSTE>[ JlKR GAXOIDKN UND TKI.ROSTIKR.
nucl.VIImot
.vnmot
nMsen:
Auch der Abducenskem der Teleostier (Fig. 231) verhält sich ganz anders
als bei den Selachiern. Anstatt dorsal, liegt er ventral (Fig. 228 und 231).
Außerdem hat er sich bei fast allen Teleostiern in zwei deutliche Kerne
gegliedert (siehe Fig. 224, 226 und 230).
Da bei den Teleostiern die ventralen Reflexbahnen überwiegen, nament-
lich die tekto-bulbäre Faserung, während im Verhältnis zu den Selachiern
der Fase, longitudinalis centralis sehr gering entwickelt ist, kann diese
ventrale A'erlagerung der Vl-Zellen uns nicht wundern. Es ist eines der
evidentesten Beispiele von Neurobiotaxis (Fig. 231).
Bei fast allen Teleostiern findet man zwei deutlich getrennte Haupt-
kerne, die meistens jeder
nur eine Wurzel haben.
Von den Wurzeln liegt
die eine nahe dem Ni-
veau des Vll-Wurzel-
austrittes (mehr medial
natürlich), die andei'e
zwischen den VII und
IX Wurzeln.
Die Wurzeln liegen
oft etwas frontaler als
der ihnen entsprechende
Kernteil.
Bezüglich der Schleie
ist zu l^emerken, daß von
der vordem W Wurzel
die Faserbündelchen in
drei verschiedenen Rich-
tungen hin vei'folgt wer-
den können. Die Mehr-
heit geht zu dem vor-
dem ventralen Kern, ein
kleiner Teil biegt nach
Eintritt lateralwärts ab
zu einer zweiten ventra-
len oder ventrolateralen
Zellgruppe, die in der
Subslantia reticularis ventro-lateralis eingebettet liegt, und ein drittes Bün-
delchen, das kleinste, strebt dem Fasciculus longitudinalis centralis zu,
in dessen Nähe eine kleine Zellgruppe liegt i), welche ebenfalls Abducens-
oust.ant.
\
tr oct mot.
n.YI
Flg. '231. Tetiodon speciosus. Nervus ot nucleus
abducens posterior und Nucleus niotorius
facialis anterior, n. van deh Horst.
Die Fasnrhündel medial vom VIKern bilden den
Tr. tectobulbaris ventraüs.
') Diese Zpll^ru]ipen sind
weil sie so klein waren.
meinem Diagramm von Tinea niilit eingezeichnet,
DAS MOTORISCHE SYSTKXf DER OANoTöEN TND TELEOSTIER. 481
fasern abgibt i). Also eine neurobiotaktische Differenzierung, die außeror-
dentlich weit geht.
Bei den Plattfischen ist es auffallend, daß ihre Abducens-Kerne, wie
auch die entsprechenden Würzelchen, etwas frontaler liegen als bei manchen
andern Teleostiern, sodaß der vordere Vf-Kern auf das Austrittsniveau
der Vll-Wurzel fällt, und die entsprechende VI- Wurzel bei Pleuronectes
und Khombus sogar vor dem VII-Austritt. Die mehr frontale Verlage-
rung der Abducenskerne bei den Plattfischen steht im Einklänge mit der
großem Entwicklung der frontalen Reflexbahnen dieser Tiere. Die ventralen
tekto-bulbären Bahnen sind gerade bei Plattfischen — wohl im Zusammen-
hang mit den Eigentümlichkeiten ihrer Augenbewegungen — stark ausge-
bildet. Deren Neuriten und Ivollateralen splittern sich in den Abducenskernen
und der sie umgebenden retikulären Substanz auf.
\'an DER Horst fand die frontale Verlagerung noch ausgeprägter
bei Gasterosteus und einigen andern Tieren met besonders entwickelten
Augen (Tetrodon Fig. 230 und Orthagoriscus Fig. 226). Weshalb meistens
nur, oder jedenfalls hauptsächlich der vordere Teil des Abducenskernes sich
so weit frontalwärts verlagert, weshalb nicht der Kern als Ganzes an
dieser Verlagerung teilnimmt, sondern sich in zwei Abschnitte teilt, ist bis
jetzt nicht bekannt.
Man kann einerseits den Umstand dafür verantwortlich machen, daß mit
Hinsicht auf die rasche Aufsplitterung der ventralen tektobulbären Eeflexbahn in
ihrem kaudalen Verlauf die vordere Spitze des Abducenskernes mehi' damit in
Kontakt kommt als die hintere. Obgleich dies sicher dem frontalen Kernabsehnitt,
wenn er einmal so viel frontaler gekommen ist, zum Vorteil gereicht, kann es doch
schwerlich als Ursache dessen angesehen werden, daß der hintere Kernabsehnitt
seinen ursprünglichen Platz beibehält, denn dessen Lage korrespondiert im sagittalen
Niveau etwa mit der Lage dieses Kernes bei den mehr primitiven Selachiern und
Ganoiden.
Es liegt sicher ein Faktor vor, der diesen Abschnitt auf seinem kaudaleren
Platz hält, und es scheint nicht unmöglich, daß der Tr. octavo-motorius ventro-
lateralis cruciatus (Wallenberg), den ich auch bei der Besprechung der ventralen
spinalen Kerne erwähnte (S. 474) in engen Kontakt mit dem hintern Abducenskern-
abschnitt tritt, während er mit dem vordem nicht in Verbindung zu stehen scheint.
Es wäre denkbar, daß wir diesem Umstand das Haftenbleiben dieses Abschnittes
auf dem Octavuskern-Niveau zuschreiben müssen.
Der Trigeminuskern weist bei den verschiedenen Vertretern der Knochen-
fische erhebliche Unterschiede auf. Immerhin liegen auch einige konstante
Merkmale vor.
In Übereinstimmung mit den Ganoiden dehnt er sich auch bei den
Teleostiern weit nach hinten aus, bis zum Niveau des Facialis- Wurzel-
eintrittes, ja bis hinter dasselbe (Silurus, Fig. 223; Lophius und Ortha-
') Schon Cajal fand bei embryologischem Material mehr als zwei Gruppen (wie
auch Tello). Bei primitiven Teleostiern fand van der Horst sogar eine größere Anzahl
von Zellgruppen (vergl. Fig. 221 C und 222 Megalops).
Kappers. 31
482
DAS Mi.lTORIsrilK SYSTEM DJCK IJAXOIDISN l'XD TELEOSTIEK.
j^ /A^l:
''•'/^> .?;
Dendi-.
Fig. 232. TrigeiiiiiiusUorne von Lopliius piscatorius.
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nucl. Vmot anf.
Fig. 233. Aiius Linlis Niicleus motoriiis Trigeniiiii posteiiur. rechts Nucleiis
motoi-ins Trigemini anterior. Ventral der Niiel. reticularis superior,
n. VAN DKR Horst.
UA.S MOIDKISCHE SYSTKM DKK (iANdlDKX TMi TKI.KOSTIEU.
483
top Sem
goriscus, Fig. 226). Er unterscheidet sicli jedocli von diesen dadurch,
daß bei fast allen Knochenfischen hinter einer Gruppe von meiir dorsal
bleibenden Zellen, eine andere sich findet, die eine mehr ventrale Lage
einnimmt. Letztgenannte ist desto größer, je mehr die vordere sekun-
däre Gesehraacksbahn Herkicks entwickelt ist. Daher kommt es, daß
die ventrale \'erlagerung so groß ist bei Tinea und Arius, wo diese Bahn
so mächtig ist (vergl. Fig. 129 und Fig. 233), und daß sie fast
immer an der kaudalen Spitze des Kernes am meisten ausgeprägt ist.
Wie in einem der vorigen Kapitel (III) Ijcschrieben wurde, nimmt diese
Geschmacksbahn etwa an der Stelle, wo die Trigeminuswurzel austritt,
einen dorsaleren Verlauf (Fig. 131). In Übereinstimmung damit liegt der
vordere Teil des Ker-
nes, meistens dorsaler
(Fig. 224 und 226 A).
Bei Tinea, Lophius,
Exocoetus und vielen
anderen Teleostiern
findet man eine völlige
Teilung des Kernes in
zwei Abschnitte (Fig.
224 und 226).
Tello teilt sogar
den vordem Trigemi-
nuskern wieder in zwei
Abschnitte, einen ven-
traleren und einen dor-
saleren Abschnitt, ein.
Nach ihm sollen die
Dendriten des erstge-
nannten Abschnittes
mit dem Tractus tecto-
bulbaris ventralis in
Verbindung treten.
Inines
cep
Fase -long posF
Fig. 234. Troclileaiiskern des Aales (Anguilla). Zeichnung aus
mehreren Schnitten zusammengesetzt. Nach van lieü Höhst.
Die vordem Augenmuskelkerne zeigen manche Eigentümlichkeiten.
Der Trochleariskern der Teleostier liegt auf etwa demselben Niveau wie
bei den Haien (anscheinend mehr frontal, weil der Abstand zwischen
ihm und seinem Wurzelaustritt größer ist als bei den Haien. Dies ist aber
der relativ kaudalen Lage der Trochleariswurzel zu danken).
Eine Eigentümlichkeit der Trochleariswurzel bei einigen Teleostiern
ist ihre Zersplitterung, durch den Tractus mesencephalo-cerebellaris dorsalis
(tr. mes. cer. Fig. 235) oder andere Ursachen.
Während ich für eine eingehendere Beschreibung auf die Veröffent-
lichungen von HtTET, VicTOK Fkanz und namentlifh van dek Horst ver-
484
DAS MOTORISCHE SYSTEM DER GAXOIDEN UND TELEOSTIER.
weise, will ich hier nur mitteilen, daß ein Teil der Wurzelfasern dieser
Nerven bei manchen Teleostiern nach der Entstehung aus dem Kern direkt
um die seitlichen Ecken des Aquäduktes herum in das Veluni medulläre
übergeht. Dort kreuzen sie, und nach der Kreuzung wenden die Fasern
sich seitwärts, um auszutreten. Ein anderer Teil wendet sich nach ihrem
Entstehen aus dem Trochleariskerne mehr zur Peripherie des Hirnstammes.
Unter den Tr. cerebello-mesencephalicus dorsalis hindurch biegen andere
an dessen lateraler Seite herum und laufen dann wieder vorwärts.
Bei Tieren, welche eine große Valvula cerebelli haben, welche
weit unter dem Tectum hervorragt, können wieder andere Verlaufs-
varietäten der Wurzel auftreten, welche namentlich von van der
Horst beschrieben
sind (Fig. 235).
Der Verlauf
erklärt sich oft
durch den Einfluß,
welchen das Velum
erfährt bei ihrer
Umbildung in Val-
vula und die Ver-
schiebung, welche
die Oberfläche des
Velums aufweist
(vergl. hierzu auch
Fig. 222).
Die vüu Bela
Haller gemachte An-
gabe, daß eine Troch-
leariswurzel aus dem
Zerebellum selber ent-
stehen soll, trift't nicht
zu, findet aber viel-
leicht im Obener-
wähnten ihre Erklä-
rung.
Sac. vasc.
Fig. 235. Verhxuf iler Trochleariswurzel beim Flußbarsch,
n. v.\N DER Horst,
Der Trochleariskern geht bei den meisten Teleostiern gleichmäßig
in den Oculomotorius-Kern über, bei anderen liegt zwischen beiden eine
Lücke, wodurch Fasern treten.
Letzteres ist der Fall bei manchen primitiven Teleostiern, aber auch
bei Perca, Amodytes, Symbranchidae, Anguilla, Hippoglossus und Rhombus.
Welche Ursachen dem Umstand zu C4runde liegen, daß bei dem einen
Teleostier diese Kerne gleichmäßig ineinander übergehen und bei einem
andern nicht, ist unbekannt. Es ist desto schwerer, dies zu entscheiden,
weil sogar bei einer verwandten Gruppe, wie den Plattfischen, darin noch
DAS MOTOKISCHE SYSTEM DER GAXOIDEN UND TELEOSTIER.
485
^ - ^:.^f^---^
so-lat. III-Kern.
Unterschiede vorkoininen, da bei Pleuronectes die Kerne ineinander über-
gehen und bei den
oben genannten Platt-
fischen nicht.
Der Oculomotorius-
kern weist eine
erliel)Hchf ventrale
Ausbuchtung auf. Die
ventrale Verlagerung Rad.iii.«^
eines Teiles seiner Zel-
len geht so weit, daß '
die Zellen nur noch
durch die Commissura
ansulata von der Basis
des Gehirns getrennt sind, (Fig. 236 A).
Der ventrale Teil ragt oft weiter nauli hinten als der dorsale.
veiitromed. UI-Kcrn.
comra. angulata
Fig. 236 A. Ociiloraotoriuskern von Garlus moirliua.
tor sem
f.l.l.
trt.b
fr mes. cerpost
nucl.nidors
tr tectocep.
nuciniventp.
trt.b cruc.
n.JU
Fig. 230 B. Oculoriiotoriiisltern und Wurzel bei einem Nerflinj!
(Idus idus), n. van der Horst.
480 DAS MOTORISCHE SYSTEM DEK AMPHIBIEN'
Gerade dieser Faktor deutet in interessanteste* Weise auf den neuro-
biotactischen Faktor in dieser Konstellation hin.
Wie wir ja aus den Untersuchungen de Lange's wissen, kreuzen die
tekto-bulbären Fasern der Teleostier auf verschiedenen Niveaus. Während
die dorsale tecto-bulbäre Bahn in einem ziemlich frontalen Niveau dekus-
siert, findet die Kreuzung der ventralen tekto-bulbären Bahn erst weiter
kaudalwärts statt.
Es ist nun sehr interessant, zu konstatieren, daß die dorsale tekto-
bulbäre Kreuzung etwa mit dem vorderen Niveau des dorsalen Oculomo-
toriuskernes zusammenfällt, während die ventrale Kreuzung erst auf dem
Niveau stattfindet, wo der ventrale III-Kern seine ventralste Spitze auf-
weist. Nun werden die Augenmuskelkerne sehr erheblich von diesen ge-
kreuzten Fasern innerviert. Namentlich gilt dies für den ventralen Abschnitt.
Während bei den Zyklostomen (Fig. 209) der ventrale III-Kern eine
ganz laterale Lage aufweist, zeigt er bei den Teleostiern gerade eine mediale
Lage, nahe der Raphe, und während bei den Zyklostomen die dorsalen
Kerne die mehr medial gelegenen sind, ist die gesamte Topograpliie. des
Oculomotoriuskernes der Teleostier eine solche, daß gerade die dorsalsten
Zellen die am meisten laterale Lage aufweisen. In Uebereinstimmung damit
ist, daß die lateralen Flügel des III-Kernes gerade viele ungekreuzte tekto-
bulbäre Fasern aufnehmen.
Aus welchem Teile des III-Kernes die gekreuzten und aus welchem
Teile die ungekreuzten Wurzelfasern des III entstehen, darüber möchte ich
keine allgemein gültige Regel geben. Im allgemeinen scheint wohl der
ventrale Teil des III-Kernes einige gekreuzte Wurzelfasern abzugeben. Wir
werden weiter unter sehen, daß auch bei den Vögeln der ventrale Kern-
abschnitt die meisten gekreuzten Fasern aussendet, im Gegensatz zu den
Säugern.
Die gekreuzten Wurzelfasern des III-Kernes sind aber viel weniger zahl-
reich als die ungekreuzten.
Das motorische System der Amphibien.
Die Anordnung der motorischen Wurzelzellen in der Oblongata und dem
Mittelhirn der Amphibien weist — im Gegensatz zu der der letztbeschriebenen
Fisch-Ordnung — wieder primitivere Verhältnisse auf.
In mancher Beziehung bilden diese Verhältnisse einen Anschluß an den-
jenigen bei den Dipnoi (deren Anordnung uns durch die Untersuchungen
VAX DER Hokst's bekannt sind) und den Plagiostomen. In anderen Punkten
sind sie deshalb als wichtig zu betrachten; weil wir sie als Grundstufe für
die Anordnungen der hohem Vertebraten, einschließlich der Säugetiere und
des Menschen ansehen dürfen.
•Aus den Untersuchungen Röthig's sowie "aus' meinen eigenen Unter-
• süblmngOnUrat sieh'lieraHSgestelk',iÜ!aß-dife'lilH^*l^'JA'iü{?llti%i6A'''öiöi'-'^W^^^
DAS MOTORISCHE SVSTK.M DEM AMPHIHIEN. 487
Ähnlichkeit mit den oben erwähnten Fischen, aufweisen. Eigentümlich ist
dabei, daß nicht nur die Pei'ennibranchiaten aber auch die Caducibranchiaten,
welche doch nur eine kurze Zeit ihre Kiemenatmung beibehalten, diese
(Jbereinstimnmng mit den Plagiostomen zeigen. Diese Ül^ereinstinimung
iiuiiert nämlich in der Aiiordnung der Kiomenkerne, namentlich in der
Lage des Facialiskernes.
Die Fortsetzung des Rückonmarkgraus dehnt sich bei den Amphibien
eben so weit nach vorn aus als beim Lunglisch (Fig. 237). Nach Fürhringer
fehlen aber bei den erstem die occipitalen Elemente.
Es ist mir indessen wahrscheinlicher, daß dies nur teilweise richtig ist.
Jedenfalls kommt bei Kana ein Art Hypoglossuswurzel vor (XII, Fig.
'2o7 C), die sich jjeripher dem 2. Spinalnerven anschließt.
Der 1. Spinalnerv geht nämlich diesem Tiere ab (vergl. Seite 147).
Eine Trennung in eine Zellgruppe, aus der die spino-okzipiialev. (oder
XII) Fasern entstehen, und eine solche des Zervikalmarks, läßt sich nicht
vornehmen bei den Amphibien. Nur kann man sagen, daß beim Frcsch das
Grau der motorischen Zellen im Zervikalmark eine melir ventrolaterale
Ausdehnung erreicht als in der Oblongata (vergleiche auch Röthig
und Bl.'\ck).
In Bezug auf die viszeralen Kerne zeigen sich größere Differenzen zwischen
den Urodelen einerseits und Rana andererseits.
Während bei beiden Gruppen der Vagus- und Glossopharyngeuskern
eine einheitliche Säule bilden (aus deren hinterstem Abschnitt ein Acces-
soriuswürzelchen hervorgeht) gesellt sich bei den geschwänzten Amphibien
dieser Säule noch der Facialiskern hinzu, welcher damit also eine einheit-
liche Zellreihe bildet, wie bei den Dipnoi und den Plagio.stomen.
Beim Frosch dagegen findet man einen Zustand, den man auch l)ei den
Zyklostomen antrifft, daß der Glossopharyngeus- und Vagus-Kern (fast)
eine einheitliche Säule bilden, während der VII-Kern davon getrennt
auf dem Niveau seines eigenen Wurzelaustrittes liegen bleibt. Er unter-
scheidet .sich nur insofern vom Facialiskern bei Petromyzon, als er
nicht mit dem Trigeminus-Kern verbunden ist (vergl. Fig. 237 C).
Es drängt sich hierbei sofort die Frage auf, weshalb dieser Unterschied
zwischen den geschwänzten und ungeschwänzten Amphibien besteht.
Als Antwort darauf darf man sagen, daß die große Ähnlichkeit der
Urodelen mit den Dipnoi und Plagiostomen uns nicht wundern darf, weil-
beide kiemenatmende Tiere ohne Operculum oder mit nur einem kleinen
Operculum sind und der enge Anschluß der genannten drei Kiemen-
mu.skelkerne zu einer Säule bei beiden stattfindet unter dem Einfluß
der kaudalen Lage des sensiblen Kiemenzentrums, welches hier prinzipiell
dasselbe verhalten aufweist wie bei den Plagiostomen.
Befremdend ist aber, daßdiese Anordnung auch bei den Caducibranchiaten
bleibt, weil diese nicht ihr ganzes Leben kiemenatmende Tiere sind.
1" #'^gzä^'aliFrie^&'-^4'cM^'iiuVfiMc«l\'ib(^i*''1b\3yiyfkefl}^ltIä^^
488
DAS MOTORISCHE SYSTEM DER AMPHIBIEN.
Facialis, welcher an erster Stelle die Reflexe und damit die Lage des mo-
torischen Facialiskernes bedingt, bei Caducibranchiaten genau denselben
Verlauf und, was mehr sagt, eine nicht geringere Entwicklung hat als bei
Perennibranchiaten. Auf Grund der Gleichartigkeit der Lage und Größe
dieses Zentrums in der Fortsetzung des sensiblen Glossopharyngeuszentrums
können wir also bei Molge keine andere Lage als bei Necturus z. B. erwarten.
Fig. 23T A. Neoceratodus forsteri (Krell't).
Ir/
Fig. 237 B. Molge cristata Laui'.
Fig. 237 C. Rana calesbyana Shaw.
Fig. 237. Diagrammatische Darstellung des topographischen Verhaltens der motorischen Wurzeln und Keine
bei einem Lungfisch, beim Jfolch (n. van der Horst) und beim Ochsenfrosch (n. Black).
Daß aber der sensible Facialis, d.h. die Geschmacksempfindung des
Facialis, bei den ungeschwäuzten Amphibien nicht mehr von so großer Bedeu-
tung ist, habe ich bereits in dem Kapitel über die Branchialnerven erwähnt.
Der Äbducenskei-n nimmt bei den urodelen und anuren Amphibien in
der dorsalen Topographie etwa denselben Platz ein.
In sagittaler Richtung scheint eine gewisse Differenz vorhanden
zu sein, indem der Kern bei Rana kürzer ist in der Rekonstruktion
DAS MOTORISCHE SYSTEM DER AMPHIBIEN. 489
als bei Molge. Ich glaube, daß dies dem mehr diffusen Charakter des
Kernes zu verdanken ist oder der Anwesenheit anderer Elemente, welche
die Abgrenzung beim Molch schwieriger machen.
Der .\bducenskern selber ist aber auch beim Frosch ein wenig kom-
paktes Gebilde von groiien Zellen, die ziemlich diffus angeordnet sind.
Hinsichtlich des motorischen Trigeminus-Kernes dieser Tiere ist bereits
gesagt, daß er hier auf dem Niveau seiner Wurzel, teilweise dahinter liegt,
in ganz dorsaler Lage. Beim Frosch ist er nur durch eine kleine, aber
deutliche Lücke geschieden von dem Facialis-Kern mit dessen Zellen die
seinigen völlig übereinstimmen.
Die Fasern aus dem Kern konvergieren nach vorn, sodaß ihr Austritt
mit dem vordem Abschnitt des Kernes korrespondiert.
Bezüglich der vordem Augenmuskelkerne der Amjjhibien muß ich erwähnen,
daß es mir nicht gelungen ist, bei Siren lacertina eine Trochleariswurzel
nachzuweisen, und daß auch das Bestehen eines Trochleariskemes bei
diesem Tiere von mir in Zweifel gezogen wird.
Die IV-Wurzel ist auch von Von Plessen und Rabinovicz für Sala-
mandra mal vermisst worden, wo ich den Kern jedoch antraf (auch von
andern ist er wohl einmal dort gefunden worden). Ob der IV bei Siren
durch einen Ast des Trigeminus II ersetzt wird, wie es in dem Fall von
V. Plessen beim Salamander geschah, habe ich nicht nachprüfen können.
Molge und Rana zeigen bezüglich der vordem Augenmuskelkerne ein
verschiedenes Verhalten, nämlich darin, daß der Trochlearis-Kern, der beim
Molch auf einer großen Distanz vom Owiloniotoriuskern liegt, bei Rana
bereits mehr frontal liegt, in direktem Zusammenhang mit dem Oculomoto-
riuskern (vergl. Fig. 237; für Necturus und Cryptobranchus s. Röthig).
Bei Bufo und Rana fusca weist er eine frontale Ausreckung auf, welche
als Anfang einer Verlagerung in der Richtung der Oculomotoriuskernes
gedeutet werden kann (Röthig) : also ein "Übergaugsstadium (vergl. S. 496).
Bei einigen Amphibien kann man in dem Oculomotoriuskem eine Ein-
teilung in einen medialen und einen dorsolateralen Abschnitt vornehmen,
wovon wir weiter unten zeigen werden, daß sie die Vorstufe deutlicher
Einteilungen bei den Reptilien darstellen.
Von einem ventralen Kern, wie bei den Teleostiern, ist bei diesen
Tieren keine Rede; alle Zellen nehmen einen dorsaleren Platz ein.
Bezüglich des Verhaltens und der Lokalisation der gekreuzten und
ungekreuzten Wurzelfasern des Oculomotorius Uegen bis jetzt keine sichern
Angaben vor.
Das motorische System der Reptilien.
Das niotorische i>ydem der Reptilien, bietet eine Reihe von Entwicklungs-
stadien dar, die im Hinblick auf die Entstehung des definitiven Säuger-
typus, sowie mit Hinsicht auf den Vogeltypus von großem Interesse sind.
490
DAS MOTORISCHE SYSTEM DKR liEl'Tir.IKN.
nr.X
Bei diesen Tieren fangen die Differenzierungen an, die wir später }>ei
den Säugern oder bei den Vögeln weiter ausgebildet finden.
Dies gilt namentlich vom Vagus-System und dem System der Augen-
muslcelkerne. Die Differenzierungen im Gebiete des Vagus-Systemes sind
indessen nicht sehr auffallend, wie es ja für den IX- und X nicht Wunder
nehmen kann, weil die weitere Ausbildung der Pharynx- und Larynx-
muskulatur, auf deren feinerer Organisation die Differenzierung der ventralen
Kerne des Glossoi)haryngeus und Vagus großenteils berulit (Nucleus am-
l)iguus), noch nicht bei diesen Tieren eingetreten ist.
Auch die Trapezius-Muskulatur und deren Nerv haben nocli nicht die
große Ausbildung wie bei den Säugern erlangt (siehe weiter S. 491).
Können wir somit im allgemeinen niclit erstaunt sein, bei den
Reptilien noch einfache Zustände anzutreffen, so wundert es uns doch, daß
wir in dem Rypoglossusareal dieser Tiere noch keine sciiärferen Sonderungen
ffnden, weil die Zungenmuskulatur bei einigen Reptilien doch ganz scharfe
Differenzierungen aufweist. Immerhin hat die bei einigen Reptilien be-
deutsame Entwicklung des Ge-
schmacksystems auf der Zunge,
welches System bei der Differen-
zierung und frontalen Verschie-
bung der Hypoglossuszellen eine
so große Rolle spielt, bereits
einige Veränderung hervorge-
rufen.
\'^ergleicht man die Rekon-
struktionen von Ohelonc, Alliga-
tor, Boa und Foramts (Fig. 247 A —
D) mit denen der Fische, so
sielit man, daß die entsprechende
Zellsäule bei den erstgenannten
Tieren weiter frontalwärts ge-
rückt ist (vergl. die farbige
Tafel II). Die medialen Zellen
(XII) dehnen sich am weitesten
nach vorn aus.
Durch die größere Distanz, welche den Hypoglossuskern der Reptilien
von der ventralen Peripherie der Oblongata trennt, erhalten seine Wurzeln
jetzt auch mehr den verlängerten Aspekt, welchen wir von den Hypo-
glossuswurzeln der Säuger gewohnt sind.
Eine völlige Isolierung eines Hypoglossuskernes von der motorischen
Säule des Zervikalmarks kommt jedoch auch bei Reptilien noch niclit vor.
Es ist mir wenigstens nicht gelungen, sie naclizuweisen.
■ Die Differenzierung des- Hypoglossuskernes ist namentlich wenig
^•'''«iktek^tÜ-Mgiisil?! bi?iVlöv'#!mi%feF{Ji'y%l'<!'VcW4'ii# diV^AAWf W Tl^^^^'s),
/<>
^x
Fig. 238 A. HN'poglossuskern beim AlHgator,
n. VAN HOEVULL.
DAS MOTOIUSCIIK SYSTEM DER KEI'TILIKN.
I'.M
wo das Rückenmarksgrau sein- wenig entwickelt ist und eine erliebliclie
laterale Ausdehnung der \'orderhörner (vergl. Fig. 80 A und B) fehlt.
Die hintere Grenze des Hypoglossuskernes läßt sich also nur bestinnnen,
wenn man die hinterste Wui'zel, welche diesem System angehört, zentral
verfolgt. .Man sieht dann aber gleich, dali keine Lücke die Grenze zwischen
.\II-Kern und zervikaler Zellsäule andeutet.
In den Diagrammen liabo ioli iiiu- eine Hypoglo.ssusvvur/rl eingezciclinel., «eil uns
baiiptsäcblich die Vordergrenzu dieses (lebictes interessiert. Audi ist hier(«io bei Kann)
der Hypoglossns-Kern mit derselben Markierung (sehwar/.) angegeben als das zervikale
(xraii, obschun er als spino-okzipitaler Kern eigentlicb weiß [lunktiert si'in müßte.
Mehr Besonderheiten bietet das Studium der hintern viszeralen Siiu/c. An
erster Stelle ist es eigentümlich, daß die ganze Säule hier etwas mehr seitlich
gelagert ist als bei den Fischen
und ihre Wurzelfasern infolge
dessen eine kleine Schlinge bil-
den (Fig. 238 B), weil dieWur-
zel fixiert wird vom zentralen
Längsbündel.
Ihre Vorderspitze dehnt
sich bei allen Reptilien fast
gleich weit nach vorn aus.
Die Hintergrenze der dor-
Fis.
'i38 B. Alligator Sclilingenförmiger.
Verlauf der mot. X-Wuizel.
salen Vagussäule ist aber bei
den Hydrosauriern,Cheloniern
und Lazertiliern einerseits und
den Schlangen andererseits
(vergl. Fig. 240 A— D) ver-
schieden.
Am weitesten dehnt sie
sich nach hinten aus bei der,
Schildkröte, wo .sie noch etwas
weiter kaudalwärts geht als in
dem Diagramm angegeben ist ;
denn auf dem letzten Schnitt
meiner Serie war der Kern noch deutlich vorhanden. Dasselbe gilt für
den Alligator.
Die geringste kaudale Ausdehnung ist bei den Schlangen vorhanden.
Es ist aus mehreren Gründen wahrscheinlich, daß wir in dem kaudalen
Abschnitt des dorsalen \'aguskernes einen Accessorimkerii erblicken müssen.
Deshalb dürfte auch bei den Schlangen die kaudale Ausdehnung
dieser Säule so gering sein, weil ein Trapezius, wie überhaupt ein Schulter-
gürtel diesen Tieren fehlt. Auch die weite Ausdehnung der kaudalen
Spitze bei den im Wasser lebenden Reptilien spricht für einen' XI-K'erTi.
i "I I^iirch iiiFilUi^.tJ^^G%;R b^ i'' Ai-bl'itelf l- iÄl'-"#ocll'''<f_MUiinn't',:^UU(^*^'di^'-<-A&«m'^'i'ius-
492
DAS MOTORISCHE SYSTEM DER REPTILIEN.
muskulatur namentlich bei den im Wasser lebenden Reptilien ein ziemlich
bedeutend entwickeltes System darstellt.
Die XI- Wurzel läßt sich beim Krokodil bis ins 2. Zervikalsegment
verfolgen und tritt sehr dorsal aus (Fig. 270 B).
Ich möchte noch erwähnen, daß die dorsale viszerale Säule in den
kaudalen Schnitten eine etwas ventrolateralere Lage einnimmt (wie ich
es in dem Diagramm von Varanus (Fig. 240 D) anzudeuten versuchte). Sie
erinnert hierdurch sehr stark an das Bild, welches der embryonale Acces-
soriuskern der Schafembryonen im oberen Zervikalmark bietet (Fig. 271 B).
Nach den Untersuchungen von Beccari sollen wir in diesem hintersten
Abschnitt der Säule nur den sog. kranialen, nicht den spinalen Accessorius
vorfinden. Letzterer soll nach ihm erst bei den Säugern entstehen aus
Zellen, deren Homologa die LENHOssEKSchen Zellen bei den Reptilien und
Vögeln (S. 171) sind. Ich komme darauf später zurück.
Ein zweiter wichtiger Punkt in der Entwicklung der hintern viszeralen
Säule ist die Enstehung eines ventro-lateralen Kernabschnittes bei den Reptilien.
Die einfachste
Form jener Zell-
-V.
Zentraler-
Vaguskern.
-=i^?5"-
Seitlich verls^. Vagus-
zellen.
Hypogloss.-
Kern.
;V,
Fig. 239. Die Verschiebung von Vaguszellen in seitlicher
Richtung beim Alligator.
Verschiebung findet
man bei Chelone,
wo zwischen dem
mittlem und hin-
tern Drittel dieser
Säule eine deutliche
ventrolaterale Zell-
verlagerung auf-
tritt, die jedoch an
allen Stellen ihren
Zusammenhang
mit der dorsalen
Säule beibehält
fFig. 240 A).
Etwa an derselben Stelle findet man eine ventrolaterale Zellgruppe
beim Alligator, die ebenfalls mit Wurzelfasern des Vagus in Verbindung
steht, deren Natur also genau dieselbe ist, die aber etwas mehr Selbstän-
digkeit erworben hat (Fig. 239 und 240 B).
Auch beim Varan ist genau in derselben topographischen Lage eine
Zellverschiebung zu beobachten. Diese ist aber geringer in frontokaudaler
Ausdehnung. Was ihre Selbständigkeit anbelangt, gleicht sie den ausge-
wanderten Zellen des Alligators. Bei Boa scheint- dieser Kern sehr klein
zu sein oder zu fehlen.
Obschon ich anfangs mehr geneigt war, in dieser Gruppe den Anfang
eines ventrolateralen Accessoriuskernes zu erblicken, hat sich doch meine
Meinung in dieser Hinsicht geändert auf Grund einer exakten topo-
I1A8 MOTORISCHE SYSTEM DER REPTILIEN.
493
graphischen Vergleichung mit den Vögehi und niedern Säugern.
Derselbe Kern kommt nämhch vor bei den Vögeln, wo dessen Homo-
logie mit demjenigen der genannten Reptilien keinen Zweifel läßt. Bei den
Tnrai
^M^- '^n.
Fig. 240 A. Schildkröte (Chelone mitlas).
1>. J.
Fig. 240 R. Alligator.
i
''^^J/W///////?
imii #>
mmf
\
n
Fig. 240 C. Schlange (Boa constrictor).
Fig. 240 D. Eidechse (Varanus salvator).
Fig. 240. Diagrammatische Darstellung des topographischen Verhaltens der motorischen Wurzeln und
Kerne bei den Reptilien. Die schraffierte Figur D.— D. = DEITERS-Kern.
Vögeln aber ist die Vagusnatur jenes Kernes völlig sicher. Ein Vergleich
mit den Säugern weist darauf hin, daß er mit dem hinteren Drittel des
Nucl. ambiguus korrespondiert (vergl. weiter S. 505).
4!i4
DAS MOTORLSrilK SYSTE.M ]>KR KKPTILIKX.
Der Glossopharyngeuskerii der Reptilien bietet große Schwierigkeiten.
Vergleicht man die frontale Ausdehnung der hintern viszeralen Säule der
Reptilien mit der der nächstliegenden Amphibien und Vfigel, dann fällt
zuerst auf, daß dieselbe bei den Reptilien weit hinter dem Eintritt der
IX- Wurzel aufhört, während sie bei den Amphibien und Vögeln das Niveau
dieses Wurzeleintrittes frontalwärts überragt.
Eine Fortsetzung der dorsalen Vagu.?säule bis zum Glossopharyngeus-
wurzeleintritt findet sich also bei den Reptilien nicht.
Es scheint mir denn auch nicht wahrscheinlich, daß der motorische
IX in der dorsalen Vagussäule entsteht, denn nie ist es mir gelungen, die
IX-Fasern dahin zu verfolgen (nur beim Alligator habe ich wohl einmal ge-
zweifelt, daher die Kontroverse zwischen Fig. 240 D und der farbigen Tafel II).
-p:-r;*««^r-^ I
-^i:.
N. cocül.
Abd.-Kt-]
Facialiskeni
Fi{j. 241. Facialis- und Abilucenskern beim Alligator.
Die motorischen IX-Fasern laufen meistens eine kurze Strecke frontal-
ivärts nach dem Eintritt in die Oblongata, und es scheint, daß die Wurzel
aus derselben Zellgruppe hervorgeht, aus welcher auch die Facialis-
wurzel entsteht (Bezügl. Boa kann ich nichts Sicheres sagen, deshalb fehlt
die Platzangabe des XI-Kernes in Fig. 240 C).
Es würde eine solche Vereinigung der motorischen Glossopharyngeus-
und Facialiskerne zu einem gemeinsamen ventraleren Kern nicht verein-
zelt dastclicn. weil wir liei einigen Telcostiern ähnliches fanden (Fig. 226).
IiAS MoTdIMSCHK SYSTEM UICK i; ICI'TII.IEN. 49."
Beim Allicfator (Fia'. -41) gibt es zwei Fanalis-Kernc : einen dorsalen
und einen ventralen Kern. Weniger sdiarl' ist eine solclie Trennung beim
Varan, wo ül>rigens der ganze Komplex mehr ventral liegt (Fig. 242) und
das Facialiswurzelknie dem der Säuger ähnlich ist (fai*l). Tafel III).
Die \"erschiebung in diesem Komplex ist nieiit nur ventrolateral,
sondern auch kaudalwärts. Die kaudale \'erlagerung ist am geringsten beim
Alligator (vergleiche Fig. 240 B).
Die Tatsache, daß der VII-Kern bei den Rei>tilien hinter ihrem
Wurzeleintritt liegt, ist wohl teilweise dem Einfluß der kaudalen
Reflexgebiete zu danken. Wahrscheinlich handelt es sicii dabei um spino-
bulbäre und trigemino-bulbäre Reflexe (aus dem spinalen V-Kern).
Päd desc NV - ':.:'i^''<- '' '
: / -J V ..
Nuc! VII d A'-- M- '■^^--^■- '-
Nuci VII V -~^'', /'}'■/■::
■ *■;
' .■/;^^.;. ;-■
Fig. 242. Mütorisclie Facialiskernu beim Vaian.
Schließlich sei noch bemerkt, daß der VII-Kern bei denjenigen Tieren
unter den Reptilien, welche eine obere Olive haben, medial von der Qlive
liegt. Namentlich Deim Alligator ist das sehr deutlich, weil VII-Kern und
obere Olive in einer und derselben Schnittfläche vorkommen, und man
sich also leicht überzeugen kann, daß der \'II-Kern dort medial (s. Fig. 241)
liegt. Es ist deshalb wichtig, darauf hinzuweisen, weil bei den höhern
Säugern (und beim Menschen, Fig. 280) der Facialiskern lateral von der
obern Olive liegt. Dies ist sicher teilweise der bei den Säugern mehr
ventro-medialen Lage der Olive zuzuschreiben, worauf ich bereits S. 403
hinweis.
Von großem Interesse sind die Reptilien für das Studium der Augen-
niuskelkernc, weil innerhalb dieser Klasse sich die X'eränderungen abspielen,
welche von den wenig differenzierten und wenig kompakten Augenkernen
496
DAS MOTORISCHE SYSTEM DER REPTILIEN.
TL
Nu. lam.
Nu. Deiters
der niedern ^"ertebrateii zu den fein differenzierten, kompakten Kern-
massen der höheren Vertebraten hinüberleiten.
Bei dem Alligator, sowie bei Chelone weist der Abducenskern noch viele
Eigenschaften auf, welche an den von den Amphibien dargebotenen Typus
erinnern. Bei den wasserlebigen Eeptilien ist dieser Kern nämlich noch sehr
diffus gebaut, und ein großer Teil von ihm liegt sehr weit kaudal vom
VII- Wurzeleintritt, .sogar bis zum IX-Wurzeleintritt bezw. über demselben.
Entsprechend dieser Kernlage ist auch die Wnrzellage.
Bei keinem Tiere sind die Abducenswurzeln imd auch der Kern über
eine so große Strecke zerstreut (Fig. 240 A, B).
Dies hat seinen Grund in dem Umstände, daß der Kern von den
Reptilien an eine frontale Wanderung durchmacht. Während nämlich die
kaudale Lage seines hinteren Abschnittes der Ausdruck des primitiven
Verhaltens ist, wie es
auch bei den Amphi-
bien (und Selachiern)
vorliegt, ist die fron-
tale Ausreckung (ver-
gl. S. 489) ein neuer
Faktor, eben der An-
fang einer frontalen
Wanderung, die erst
bei den höhern Rep-
tilien auch an dem
kaudalen Abschnitt
des VI-Kernes auftritt.
Vergleichen wir
das Verhalten von Che-
lone mit dem bei Boa,
so sehen wir, daß bei
dem letztgenannten
Tiere bereits der
Kaudalpol des VI-Ker-
nes bedeutend einge-
schrumpft ist und der Kern sich nicht mehr so weit ausdehnt. Gleichzeitig
haben auch alle seine Wurzelfäden einen frontaleren Austritt genommen
und verlassen sie die Oblongata frontal vom VII- Wurzel-Niveau (vergl.
Fig. 240 A— D).
Dieser Prozeß erreicht seinen Höhepunkt beim Varan, wo der Zustand
der Vögel und der Säuger bereits eingetreten ist (Fig. 240 D und 287).
Hier ist der ganze Kern so weit frontal gewandert, daß er frontal das
Niveau des Facialiswurzeleintrittes schon überragt und — wie bei den
Säugern — in der Mitte zwischen V und IX Wurzel liegt. Gleichzeitig
ist der Kern bedeutend kompakter geworden. Daß diese frontale Ver-
f. 1 c.
Nu. VI
Fig. 243.
/-xc
Abducenskern von Alligator sklerops,
n. VAN HOEVELL.
IIAS MOTORISCHE SYSTEM IJiClv KEPTILIKN.
491
//lr-^
lajrerung des dorsalen ^"I-Kernes in der Reptilienreihe tatsächlich statt-
findet, läßt sich nicht nur in Bezug aut die VII- und IX-Wurzeln
nachweisen, sondern auch in Bezug auf andere Punkte in der Oblongata,
wie eine genaue Betrachtung der in Fig. 240 gegebenen Rekonstruktionen
sofort zeigt.
Man erhält den Eindruck, daß der VI-Kern, der sich dem Deiters-
kern allmählich nähert von dessen Reflexbahnen stark beeinflußt wird.
Oberhalb meiner Reptilien-Diagramme ist für Alligator, Boa und Varan
die Lage des DEiTERskernes mittels eines karrierten Feldes (D — D) ange-
geben, und es ist auff'allend, daß sich der VI-Kern diesem Felde mehr
und mehr nähert, und schließlich auf dessen Niveau liegen bleibt.
Der DEiTEüskern der lleptilien ist — wie aus obigen Diagrammen hervor-
geht — nicht so ausgedehnt wie bei den Säugern, wo er sich bekanntlieh bis zur
Nähe des IX-Wurzeleintrittes erstreckt (vergl. S. 400).
Lewt hat aber nach-
gewiesen, daß der hintere
Teil des DEiTERskernes der
Säuger bei Durchschneidnng
des Halsmarks atrophiert.
Nur der vordere Teil,
welcher dann unverändert
bleibt, dient den bul baren
DEiTETischen Rettesbahnen
als Ursprung. Auch Kohn-
STAJIM hat in dem vordem
Abschnitt des DEriERsker-
nes das Reflexzeutrum für
die Augenmuskelkerne nach-
gewiesen. Es ist offenbar
dieser Teil, welcher sich
phylogenetisch zuerst bildet,
und wesentlich dem karrier-
ten Areal in Fig. 240 ent-
spricht, welches, wie gesagt,
die Lage des Abducens-
kernes zu bestimmen scheint.
Daß überhaupt der Vesti-
bularapparat dessen Lage
(vergl. S. 467) beeinflußt, werde ich später, wenn ich die dorsolaterale A'erlagerung
jenes Kernes bei den Säugern bespreche, näher beweisen können.
Man findet bei den wasserlebigen Reptilien, welche in den obigen
Diagrammen abgebildet sind, einen überwiegend dorsal gelagerten Trige-
minuskt^n. Nur ein kleiner Teil dieses Kernes ist ventrolateral gewandert,
und zwar der hinterste Abschnitt.
Sowohl bei Chelone (Fig. 244) als namentlich beim Alligator (Fig. 245)
ist dieser ventrale Abschnitt des V-Kernes sichtbar, bei dem letztge-
nannten Tiere völlig abgetrennt von dem übrigen Abschnitt, wie man es
sonst nur bei Knochenfischen findet.
Kai'pers. -^2
Fig. 244 Trigeminuskern (mittlerer Abschnitt) bei
der Schildkröte.
a und h sind retikuliire Zellen, n. van Hoevell.
498
DAS >rOTORISCHE SYSTEM DER REPTILIEN.
Während aber bei den meisten Teleostiern die sekundäre Geschmacks-
^ .^ bahn (vergh Fig. 483) für die ^'erlage-
rung des kaudalen V-Kern-Abschnittes
verantwortlich gemacht werden muß,
ist diese Ursache bei den ReptiUen
nicht nachweisbar.
Hier dürfte es vielmehr die sekun-
däre Bahn aus dem spinaleia Trigemi-
nusgrau sein, und diei spino-bulbären
Reflexfasern, welche die genannte Ver-
schiebung verursachen, wie es auch für
den Facialiskern dieser Tiere wahr-
scheinlich ist.
Bei Boa ist der ganze V-Kern von dem
Ventrikelboden entfernt und ihrer
sensiblen Wurzel näher gerückt.
Ob das mit dem komplizierteren
und feinern Kiefermechanismus dieser
Tiere im Zusammenhang steht, läßt
sich vorläufig nicht entscheiden. Die
Tatsache ist aber auffallend und beruht
Zusammenarbeiten von Mundhühlensensibili-
0€ Sty,
Fig. 245. Trigeminuskerne (kaudaler
Schnitt) beim Alligator.
h sind retiliuläre Zellen, n. van Hoevell.
sicher auf einem intimeren
tat und Kiefermuskulatur
(vergl. hierzu S. 329 und
330) bei diesen Tieren.
Die vordem Augenmus-
kelkerne der Reptilien bieten
gerade wie der VI-Kern alle
Stadia der Entwicklung dar,
von den einfachen, we-
nig differenzierten Kernen
der Chelonier zu dem kom-
pakten, in verschiedene
Gruppen gegliederten und
hoch differenzierten Oculo-
motoriuskern, welcher für
die Säuger und '\''ögel t}'-
pisch ist.
Auch das gegenseitige
Verhalten des Trochleuris-
kernes zum Oculomotorius-
kern bietet Verschiedenhei-
ten in der Reptilienreihe.
Beim Alligator, bei Ghe-
R. N,
Fig. 246. Trochleariskern einer
n. S. J. DE Lange.
Schildkröte.
DAS MOTORISCHE SYSTEM DER REPTILIEN.
499
lone und Boa sind Trochleariskern und Oculomotoriuskern keine ange-
schlossenen Gebilde; eine deutliche Lücke trennt die beiden Kerne. Beim
Varan dagegen ist der Anschluß ein ganz intimer geworden. (Fig. 240 D).
Bei einer Varanart, deren Speziesnamen mir nicht bekannt ist, ist
sogar eine gewisse Überdeckung vorhanden.
Der Trochlearis-Kern liegt auf dem zentralen Längsbündel, (Fig. 246,
Chelone midas, f. 1. c.) und ist sehr groß. Doch ist der Trochlearis-
kern noch nicht von sovielen kleinzelligen oder großzelligen retikulären
Elementen umgeben, wie es bei manchen Säugern der Fall ist (Fig. 290
und 291).
Eine besondere Erwähnung verdient der IV-Kern eines Varans.
Dieser liegt in einer Vorwölbung, nicht aber in einer Vorwölbung,
welche aus dem Boden des Aquäduktes hervorgeht, sondern welche aus
der dorsolateralen Partie der Ventrikelwand entsteht.
In Hinsicht auf die ursprünglich dorsale Lage des IV-Kernes (bei
Zyklostomen) im Velum anticum ist dies wohl interessant.
Die Trochlearis-Wurzel bietet keine Besonderheiten.
Der Oculomotoriuskern zeigt bei den verschiedenen Reptilien eine Reihe
von Gestaltsveränderungen.
Den einfachsten Zustand findet man bei den Schildkröten.
Bei diesen Tieren ist die Spalte des Aquäduktes tief in die Basis des
Mittelhirns eingedrungen.
Seitlich von dieser Spalte liegt der Oculo-
motoriuskern, zwischen ihr und dem zentralen
Läng.sbündel, welches die seitliche Begrenzung
des III-Kernes bildet.
Eine dorsolaterale Flügelbildung ist an dem
Kern angedeutet. Man kann hier aber kaum voii
einer dorsolateralen und einer medialen Kern-
gruppe reden. Die ganze dorsoventrale Zellsäule
macht mehr den Eindruck einer einheitlichen
Zellmasse.
Beim Alligator (Fig. 247) kann man eiier
von einer Gliederung des Kernes sprechen.
Der ganze Kern ist dort mehr auf die dor-
sale Abteilung der Mittelhirnbasis beschränkt.
Er gruppiert sich zwischen der Raphe und dem
zentralen Längsbündel. Die dorsalen Zellen des
IILKernes dehnen sich über das Längsbündel
seitlich aus und häufen sich an der lateralen Seite desselben noch-
mals wieder an, sodaß man einen ventromedialen Kern und einen dorso-
lateralen Kern unterscheiden kann. Kaudal fangen diese beiden Gruppen
auf demselben Niveau an (Fig. 249). Die dorsolaterale Gruppe entspricht
dabei etwa der Lage des Ti'ochleariskernes. Frontalwärts besteht aber eine
sSn
Eig. 247. Oculomotoriuskern
des Alligators.
500
DAS \fOTORlSCHE SYSTE.Nr DKR REPTII.IKN'.
Dors. III-Kern-
Vciitr. in-Kc-iii_
f^^^-il
^^~^pf^\
?^'fc^
J-.
Fig. 248. Oeiiloiiiotoiiuskern eini's ('hani;ileüns.
Fig 249.
15 K C l rv
= •^«4 UTK.
Sagittale Topographie des IV- und Ill-kernes
beim Alligator.
Differenz (Fig. 249), indem der dorsolaterale Kern sich weiter ausdehnt
als der ventro-mediale.
Deutlicher wieder
als beim Alligator ist
die Trennung des III-
Kernes in einen dorso-
lateralen Hauptkern
und einen ventronie-
dialen Hauptkern
l)eim Chamäleon und
beim Varan (Fig. 248,
250). Genau wie beim
Alligator dehnt sich
auch hier die dorsola-
terale Kerngrujipe am
weitesten frontalwärts aus, während kaudal die dorsolaterale und die ventro-
mediane Gruppe etwa ^„.r^-rr^n-r..-^
f , „ ^v- .fTTTTTITTTrnTTTTrrrs
auf demselben JNiveau
anfangen. Der dorso-
laterale Kern geht
hier allmählich aus
dem Trochleariskern
hervor.
Beim Varan sind bereits Zellen dazu gekommen, die sonst erst ^Is
regelmäßiger Befund bei den Vögeln und
bei den Säugern auftreten.
Oberhalb des dorsolateralen Kernes,
namentlich auf dessen mittlem Drittel,
findet man eine Zellgruppe (Fig. 250), die
sowohl durch ihre Anordnung als durch die
kleinere Gestalt ihrer Zellen und ihre Ab-
grenzung von den übrigen Gruppen durch
eine deutliche Marklamelle, eine selbstän-
dige Stellung einnimmt. Ihr ganzes Verhal-
ten spricht dafür, daß sie das Homologon
des EoiNGER-WESTPHALschen Kernes der
Säuger ist. Ob er ein wirklicher Wurzel-
bestandteil des HI-Kernes ist (Edixger.
Cajal), oder ein eingefügtes retikulärer
Bestandteil (Tsuchida), darüber sind für
die Säuger die Meinungen geteilt. Für
die letztere Autfassung spricht, daß bei den
^'ögeln und Säugern nachgewiesen ist, daß
er auch ontogenetisch (genau wie phylogenetisch) erst später auftritt
Nu. acc.
Fig. 250. Querschnitt durch den
Ociiiüniiitoriuskern eines Varans.
n einem HoUunderbeercnsaft-
prii parat.
DAS MOTORISCHE SVSTKM DKP, VÖOEI.. 501
als die anderen Zellen jenes Kernes. Ich halte es indessen für wahrschein-
licher, auf Grund von degenerativen Erfahrungen bei Vögeln und Säugern,
daß er wohl Wurzelfasern aussendet und der Innervation innerer Augen-
muskeln dient (vergl. S. 512).
Der Varan ist das einzige Reptil, bei dem ich .ihn fand ; sogar beim
Chamäleon, dessen Augenmuskelkerne sonst so kräftig entwickelt sind, habe
ich ihn nicht mit Sicherheit nachweisen können.
Bezüglich des genauen Ursprungs der gekreuzten und ungekreuzten
Wurzeln des dritten Nerven, sind bis jetzt noch keine genauen Angaben
zu machen.
Es scheint mir jedoch, daß die Reptilien nicht so viel gekreuzte HI-
Fasern haben als die Säuger und daß dieselben, wie bei Teleostiern und
Vögeln, hauptsächlich dem ventralen Kern entstammen.
Das motorische System der Vögel.
Das motorische System der Vögel bietet uns einerseits schöne Ubergangs-
formen zwischen dem der Rejatilien und der Säuger, andererseitz ganz
spezielle, nur den Vögeln eigene Strukturen.
Ein Übergangsstadium zu der Mammalier->Struktur ündet man gewisser-
maßen in dem Bau des kaudalen Oblongatäteiles. Eine den Vögeln ganz
eigene Topographie weist der Facialiskern auf.
Fangen wir mit dem erstgenannten Gebiet, dem kaudalen Abschnitt
der Oblongata an (vergl. die Rekonstruktionen: Fig. 202, 253, 254).
Das Hypoglossussystem der
V^'igel zeigt den Reptilien gegen-
über eine ganz besondere Eigen-
tümlichkeit, indem die hintere
somatische Säule zwei Teile auf^ \ «J^-fS:" /-Nu. cerv.
weist. Der untere Teil ist die
direkte Fortsetzung des zentralen
Abschnittes der zervikalen Vor-
derhörner. Er hegt etwas ven- p.^ 354. Querschnitt durch das hintere
traler als der XII Kern bei den ^^^^^ der Oblongata vom Storch
Reptilien (Nu. cerv. Fig. 251 (schematisiert).
und 256).
Nach den Untersuchungen Kosaka's und Yagita's enthält dieser Ab-
schnitt keine wirklichen Hypoglossuszellen (keine Wurzelzellen).
Eine scharfe Trennung dieser Zellgruppe von dem Zervikalmarke ist
mir bei den in den Diagrammen rekonstruierten Tieren unmöglich
gewesen.
Anders steht es mit den Zellen, welche von dieser Säule aus nach oben
gewandert sind und teilweise einen Anschluß an einigen nach unten ver-
lagerten Vaguszellen (Nu. int. Fig. 251) erhalten haben, denen sie sich bei
den von mir untersuchten Tieren namentlich an der frontalen Spitze an-
502
DAS MOTORISCHE SYSTEM DER VOGEL.
schließen. KosAifA und Yagita fanden diesen Anschluß bei der Ente in
dem kaudalen Teil, und bei Hühnern gar keinen Anschluß. Bei Colj'mbus
fand ich auch in dem kaudalen Abschnitt diesen Anschluß an den dorsalen
Vaguskern. Man kann dieselben als Zellen des Hypoglossuskerues erkennen
wegen des Verlaufes der Wurzelfäden dieses Nerven, welche sich darin ver-
folgen lassen und ferner durch degenerative Untersuchungen (vergl. Brandis
und Kosaka). Diese Zellen des XII-Kernes finden sich nur auf einer relativ
kurzen Strecke. Weit hinter der Vorderspitze der IX — X-Säule anfangend,
erstrecken sie sich kaudalwärts nie so weit wie der dorsale Vagus-Kern.
Die Frage, ob sich diesem Hypoglossus-Kern Vagus-Zellen anschlies-
zen. wird von Kosaka verneinend beantwortet. Brandis, Bok und ich
sind dagegen der Ansicht, daß letzteres wohl der Fall ist, und dies scheint
mir auf einen funktionellen Zusammenhang hinzuweisen. Welches die
vermutliche Art dieses Zusammenhanges ist, werde ich bei der Besprechung
der hintern viszeralen Säule näher zu erörtern versuchen. Hier will ich nur
darauf hinweisen, daß der Hypoglossuskern der Vögel nicht bloß die nur
gering entwickelte Zungenmuskulatur dieser Tiere innerviert, sondern
hauptsächlich zur Innervation derjenigen Muskeln dient, welche der eigen-
tümlichen Erweiterung der
Trachea direkt oberhalb der
Bronchien, bekannt als Sy-
rina; angehören und zur Pro-
duktion von Lauten dienen.
Die Muskulatur der Syrinx
entstammt dem Sterno-
hyoideus, welcher bei den
Säugern vom R. descendens
hypoglossi innerviert wird.
Der sogenannte Ramus la-
ryngeus XII der Vögel,
welcher die Syrinx inner-
viert, ist das Homologon
dessen, und es ist nun eben
interessant, daß, während
der R. descendens bei den
höhern Säugern dem Vor-
derhornrest des Zervikal-
marks entspringt (Kosaka), der Syrinxnerv der Vögel nach demselben Autor
den dorsaleren und frontaleren Xll-Zellen entstammt, was eben auf einen
größern funktionellen Zusammenhang mit dem dorsofrontalen Gebiete,
namentlich mit dem sensiblen Glossopharyngeus- Vagus-Areal hinweist.
Der vordere Abschnitt des Hypoglossuskerues der ^'ögel, der die
eigentlichen Zungenmuskeln enthält, ist wahrscheinlich bestimmt von der
Lage des sensiblen Rachen-Zentrums.
Fig. 252. Schlingenförmiger Verlauf der
inotoriscben Vaguswurzel, durch das zentrale
Längsbündel beim Casuar.
DAS MOTORISCHE SYSTEM DER VÖGEL. 503
Die hintere viszerale Säule (vergl. auch Kapitel II) zeigt bei \'^ögeln
insoferne dasselbe Verhalten wie bei den Reptilien, als eine geringe laterale
Verlagerung jener Säule (im Vergleich zu den Plagiostomen) auch hier
angedeutet ist und sich äußert durch eine eigentümliche rückläufige Schlinge,
indem die motorischen Vaguswurzeln erst von dem Kern in die seitlichen
Partien des Fase. long, centr. eindringen und erst dann lateralwärts ziehen.
In fronto-kaudaler Richtung weist die Säule aber ein anderes Verhalten
auf als bei den Reptilien.
Während die hintere Grenze dieser Säule bei den Vögeln etwa mit
derjenigen bei Varanus übereinstimmt, was mit der etwa gleich großen
Entwicklung des M. trapezius (XI-Kernes) in Übereinstimmung ist, liegt
die frontale Grenze derselben bei den Vögeln viel weiter nach vorn,
indem sie sich bis über das Niveau des Eintrittes der IX-Wurzel aus-
dehnt, während sie bei den Reptilien bereits eine Strecke weit hinter
dieser Wurzel aufhört. Bei den Reptilien habe ich darauf hingewiesen, daß
dies dem Umstände zuzuschreiben ist, daß der IX-Kern sich (ganz oder
teilweise?) dem VII-Kern hinzugesellt hat. Bei den Vögeln aber läßt sich
mit Leichtigkeit der Nachweis erbringen, daß der vordere Abschnitt
der dorsalen Zellsäule die IX- Wurzelfasern entsendet und man braucht
nicht daran zu zweifeln, daß die größere frontale Ausdehnung der dorsalen
viszeralen Säule bei diesen Tieren der Tatsache zu danken ist, daß der
Glossopharyngeuskern hierin erhalten geblieben ist.
Während wir also in dem motorischen Glossopharyngeuskern ein sehr
primitives Verhalten finden, kann dies nicht mehr von den übrigen Teilen
der hintern viszeralen Zellsäule gesagt werden.
Hierin findet man zwei deutliche Andeutungen von ventro-lateralen
Zellverlagerungen: die eine, nur geringfügige, fängt etwas mehr frontal an
als die zweite, deren Verschiebung erheblicher ist.
Die erste Zellverlagerung, welche sich allmählich aus dem dorsalen
X-Kern ableiten läßt, mit dem sie, bei den von mir untersuchten Vögeln,
teilweise vereint bleibt, bildet mit einem dorsal verlagerten Teil der Hypo-
glossussäule den Nucleus intermcdius (Fig. 251).
Diese verlagerten X-Zellen hören auf einer ziemlich großen Strecke von
der hintern und vordem Spitze des dorsalen Kernes auf. Die Bedeutung,
welche diesen Zellen zukommt, ist nicht sicher. Man weiß, daß in der dorsalen
^'agussäule selber die Motilität des untern Oesophagus, des Magens und
der Lungen, entweder direkt oder indirekt (mittels sympathischer Ganglien),
lokalisiert ist. Diese Zentren bleiben bei den Säugeim (wo sonst eine erheb-
liche Zellverlagerung stattfindet im X-Gebiete) dorsal liegen. — Dort
wandern ventral — außer dem IX-Kern — der Larynx- und der Herzkern.
Wir werden wahrscheinlich auch in demjenigen Teil des Vaguskernes
der Vögel, welcher ventral sich zu verlagern anfängt, entweder den Larynx-
oder den Herzkern erblicken müssen. Mit welchem von beiden wir hier zu
tun haben, läßt sich nicht mit Sicherheit sagen. Wir können bloß auf
504
DA.S MoTiJKISCilE SY^iTEM DER VÖGEL.
Grund von Vergleichungen Vermutungen äußern. Nun i.st es auffallend,
daß der obere Teil der verlagerten Zellen des X-Kernes sich teilweise
zusammen gruppiert mit dorsal verlagerten Xll-Zellen, mit denen sie den
Nuclcus interrncdius bilden (S. 502). Auf irgend eine Herztätigkeit kann
das nicht hinweisen. Wenn man dagegen nachzuforschen versucht, inwiefern
das mit der Funktion des Larynx zu tun haben kann, erhält
einige Anhaltspunkte, die Hinweise in dieser Richtung geben.
32-^, ^
man
Fig. 253. Casuaiis ').
Fig. 234. PinsLiiii.
VlIXAVy.'/A;// , ;/. ' 7//// ////LS»
Fig. 255. Colymbus
Flg. 253, 204 und 255. Diagnimmatis.'he Darstellung des topograpliisclieii Verhaltens der motorischen
Wurzeln und Kerne bei einigen Vögeln.
Der erste Punkt ist negativer Natur ; es ist der geringe Umfang dieses
Kernes, der nicht sehr mächtig ist, namentlich wenn man in Betracht
zieht, daß. seine Zellen nicht dicht aufeinander liegen.
Bekanntlieh ist auch die Larynxmuskiilatur der Vögel nur sehr schwach
entwickelt, und würde also die geringe Entwicklung ihres Kernes damit
') Der VII Kein er.^treckt sich mit einer Spitze etwas weiter nach vorn als hier
angegeben ist und erreicht nist den ventralen TrigeminiisUern.
DAS MOTORISCH p; SVSTJC-Nr DIvK V("KiKI,. 5()5
im Einklänge stehen. Das wäre aber ein ullzu geringer Grund, wenn nicht
die geringe Entwicklung der Lurvnxmuskulutur der \'ögel eine Neben-
erscheinung mit sich führte, welche für die Bestätigung unserer Auf-
fassung von großer Wichtigkeit ist. Die Lautproihiktion der V'ögcl
geschieht nämhch nicht nur, sogar nicht hauptsächlich, durch den
Larynx, sondern durch die Syrinx, welche vom Hypoglossus innerviert
wird. Die Lautproduktion würde somit ein Zusammenarbeiten von ^"agus-
zullen und Hypoglossuszellen erfordern, und es ist sicher auffallend, daß der
Nucleus intermedius X — XII der Vögel gerade das anatomische Substrat
eines solchen Zusammenarbeitens geben würde.
Ich will hiermit keineswegs als bewiesen eraiuhten, daß <lie Annä-
herung von X-Zellen und Xll-Zellen, welche wir in dem Nucleus inter-
medius finden, das Lautproduktion.szentrum dieser Tiere darstellt, aber es
scheint immerhin eine wohlbegründete Möglichkeit.
Wir kommen jetzt zu dem zweiten ventrolateralen Ausläufer der hin-
tern viszeralen Säule bei diesen Tieren, welche sich ein wenig kaudaler,
auf und etwas hinter dem Calamus scriptorius findet (Fig. 253 — 255).
Dieselbe Zellgruppe ist auch von Ca.tal gesehen worden, der ihre Verbindung
mit den austretenden Wurzflfasern der Vagusgruppe ebenfalls wahrgeuümmen hat.
Er rechnet diese Zellgruppe, deren vordere und hintere Grenze nicht von
ihm erwiihnt werden, von der er aber eine sehr schöne Abbildung gibt, dem
Acceasorius (seinem Nervio espinal) zu.
Es kann aber sehr gut sein, daß Ca.ia], hier den vagobulbäreu Teil des Acces-
sorius meint, den er sonst (bei Säugern) auch selber zum Vagus rechnet. Dies ist
umso wahrscheinlicher, als er auch einen sensiblen Ast dabei zeichnet.
Dann würde zwischen ihm und mir keine Kontroverse bestehen.
Die einzige Art, zu entscheiden, ob es sieh hier um einen ventralen X-Kern
oder um einen XI-Kern handelt, besteht darin, die Wurzel, die aus ihm hervorgeht,
bis zur Peripherie zu verfolgen.. — Eekanntlich ist das auch nicht leicht, denn wir
wissen, dali die hintern Vagus-Wurzelfäden bei einigen Tieren mit dem Accessorius
austreten und dann den Stamm dieses Nerven wieder verlassen, um in das Ganglion
nodosum einzutreten (R. internus accessorius). — Man müßte also den ganzen
peripheren Verlauf dieser Wurzel verfolgen, um Sicherheit über ihre Natur zu erlangen.
Vergleichen wir, um nachzr.forschen, ob wir es hier mit einem hintern
Teil des Nucl. ambiguus der Säuger könnten zu tun haben, die Topographie
dieses Kernes mit der Topographie des Nucl: ambiguus der Mammalier,
so finden wir, daß seine frontokaudale Ausdehnung tatsächlich innerhalb
der kaudalen Ausdehnung des 'Nucleus ambiguus der Säuger fällt, wie
deutlich aus der farbigen Tafel II in diesem Kapitel hervorgeht.
Auch von einem anderen Standpunkte aus spricht die sagittale Topo-
graphie dieses Kernes eher für einen Vaguskern als für einen Accessoriuskern.
Vielfach doch wird angegeben — bei der manchmal schwierigen Grenz-
bestinnnung von Nucl. ambiguus und Nucl. accessorii l)ei den Säugern —
daß man erst dann von Nucl. accessorii reden soll, wenn die hintere
506
DAS MOTORISCHE SYSTEM DER VOGEL.
Olive aus dem Quersclmitt verschwunden ist. Bei den V^'ögeln (Fig. 253 — 55)
habe ich nun die Ausdehnug der untern Olive mittels des mit Kreuzen
markierten Meniscus angegeben und es ergibt sich die eigentümliche
Tatsache, daß der genannte Kern der Vögel die untere Olive bei keinem
meiner Exemplare nach hinten überragt.
Auch dieses Verhalten spricht also zu Gunsten eines Vaguskernes.
Es liegt aber noch ein Grund vor, weshalb es nicht wahrscheinlich
ist, daß wir es hier mit einem Accessoriuskern zu tun haben, nämlich
die Tatsache, daß der Nucleus dorsalis Vagi von dessen Vagusnatur wir
völlig überzeugt sein können, und der fragliche ventrale Kern in fronto-
kaudaler Ausdehnung teilweise übereinstimmen, ja, der ventrale Kern
gänzlich innerhalb jenes Niveaus fällt.
Nu. dors. X. ■
-*»■■
a
Nu. iutei-m.
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/r'
"X 'i*
• 4- V
Nu. corvic.
'■V ,! 'T"
Fiff. 256. Vaffu.skerne und oberes zervikales Grau beim Pineuin.
Gegen die Accessoriusnatur dieses Kernes spricht schließlich die
Tatsache, daß seine Wurzel bei ihrem Eintritt von sensiblen Wurzelfasern
begleitet ist.
Es ist also sehr wahrscheinlich, daß es sich hier um einen Vaguskern
handelt (was auch Kos.\ka meint), und daß wir es hier mit dem untersten
Drittel des Nucleus ambiguus der Säuger zu tun haben, das dort den
Larynx- und Herzkern enthält. — Da wir nun mehr Anhaltspunkte haben,
um den Vagusteil des Nucleus intermedius als Larynxkern zu betrachten,
würden wir es hier dann mit dem Herzkern zu tun haben, der auch noch
bei den Säugern eine ventralere Lage beibehält als der Larynxkern.
Daß der ventrale X-Kern sich frontalwärts so viel weniger weit aus-
dehnt als der Nucleus ambiguus der Säuger, muß selbstverständlich der
Tatsache zugeschrieben werden, daß der IX-Kern bei den Säugern mit im
DAS MOTORISCHE SYSTKM DER VOGEL.
507
Nucl. am]>iguus einbegriffen ist, wührend er bei den Vögeln nocli seinen
dorsalen Platz bewahrt hat.
Die vordere viszerale Säule der Vogel bietet Eigentümlichkeiten dar, die
gerade den schönsten Beweis für die nenrobiotaktische Natur der Zell-
verlagerungen liefern.
Während wir bei den Laufvögeln (Kasuar, einem der niedrigsten Vögel)
noch Verhältnisse finden, welche mehr denjenigen beim Alligator ähnlich
sind, wenigstens in Bezug auf den Trigeminuskern (vergleiche Fig. 253
mit Fig. 240 B), zeigen die übrigen Vögel ganz andere Verhältnisse.
Alle weisen sie in der Topographie ihres Facialiskernes insofern ein
prinzipiell verschiedenes Verhalten auf, als der Kern hier nicht hinter
Nu. Vn dorsal.
Oliva super.
Nu. VII veutr.
■ ■ ■ 'i
-Nu nbd.
L.
Fig. 257. Die Facialiskerne und der Abdiicenskern beim Storch.
(Vergl. liierzu auch Fig. 309.)
ihrem Wurzelaustritt liegt, sondern darauf (Kasuar) oder größtenteils davor.
Meistens weist er zwei Teile auf, einen größern dorsalen Teil, et wain der
Mitte der Oblongata gelegen, und einen kleinern ventralen Teil.
Der dor.salere Teil liegt dem Trigeminuskern fast an, oder verschmilzt
sogar bei einigen Tieren mit einem Teil derselben.
Das Fehlen einer kaudalen \"erlagerung des VII-Kernes bei den Vcigeln
ist ein auffallend deutlicher Beweis für die Richtigkeit der von mir ange-
gebenen Gründe für die kaudale Verlagerung bei andern Tieren, welche
dort in der kaudalen Lage des Geschmackskernes ihren Grund findet (siehe
bei den Haien, S. 464, 465). Es ist nämlich auffallend, daß gerade bei
Vögeln die Entwicklung des Geschmacks sehr gering ist (siehe Kapitel,
508 DAS MOTOKISCIIE SYSTKM DKK VÜGKI,.
Ö. 303). Zwar hat Batji durch eingehende Untersuchungen Geschmack?;-
becher nachweisen können. Diese liegen aber fast ausschließlich in dem
peripheren Verbreitungsgebiet des Glossopharyngeus. Das Facialis-Ge-
schmacksgebiet ist sehr verkümmert i). Es kann also nicht Wunder
nehmen, dalä der Einfluß des Facialisgeschmackskernes auf den moto-
rischen VII-Kern dieser Tiere nicht zur Geltung kommt. Nach dem
Geschmack aber ist die gewöhnliche Taktilitätsempfindung der MundlKÜile
und des Kopfes wohl der hauptsächlichste Reflexfaktor für den Facialis-
kern der niedern Tiere, und man sieht denn auch, daß bei den Vögeln,
wo der Geschmack als lage-bestinnuender Faktor für den V^II-Kern ausfällt,
die Trigeminusemptindungeu dessen Platz vertreten. — Daher kommt es,
daß die motorischen Facialiszellen der Vögel, anstatt rückwärts zum Glosso-
pharyngeusniveau, frontalwärts zum Trigeminusniveau wandern.
Interessant ist die von Kosaka und Hikaiw.\ nachgewiesene Tatsache,
daß der dorsalere -) der beiden VII-Kerne (Fig. '257 und 809), der sich dem
"Nu. sens. V.
-Nu. mot.
■ K. niot. V
Flg. 'JOS. Motorische und sensible Trigeminnskerno
l)eirii Storcli (vergl. auch Fig. 155).
Trigeminus-Keru anlegt, ja bisweilen (Fig. 255) damit verschmilzt, den hin-
tern Bauch des M. biventer innerviert, dessen vorderer Bauch vom V. inner-
viert wird. Offenbar stehen Trigeminuskern und Facialiskern bei diesen Tie-
ren unter ähnlichen Einflüssen. Ähnliches fanden wir bei den Zyklostomen.
Audi der motorische Trigeminuskern der Vögel M'eist oft zwei nahe an-
einander liegende Gruppen auf (nicht apart eingetragen, weil sie sich decken).
') Die ganze Zahl der (leschmacksknospen bei Vögeln (Papageien ausgenommen)
verhält sich zu denen der Säugetiere durchschnittlich wie 1 : 100. Für die genaue Zahl
bei ver-schiedenen Vögeln und Säugern verweise ich auf das Kapitel HI, S. 270 und 277.
2) Die ventrale Gruppe innerviert den Sphincter colli.
DAS ^rOTnRTS^■HK SYSTEM hlOH VdCEI,.
;')()'. t
Ein kleinerer medialer V-Kern (sehr (ieutlich bei Chrysoruitris) hat
eine flachere Form. Er sendet seine Wurzelfasern in Bogenform erst dorsal-
wärts und dann lateral nach außen. Es ist dieser Kern, welcher bei einigen
Tieren eine direkte \'er.schmelzung mit dem dorsaleren der VII-Kerne eingeht
und also wahrscheinhch den vorderen Bauch des M. biventer innerviert.
Der größere Kern, lateral davon sendet seine Wurzelfasern direkt ventro-
lateral nach außen (vergl. Fig. 258). Dieser Kern ist mehr rund und dehnt
sich etwas weiter nach vorn aus. Der ganze Komplex, namentlich aber der
letztgenannte Teil des Kernes, liegt im untern Drittel der Oblongata.
Beim Kasuar (l'ig. 253) ist der Ziist:ind anders und weist primitivere Verhält-
nisse auf, welche au die bei Alligator und Chelone erinnern. Auch hier findet
man eine Andeutung von zwei Trigemiuuskernen, von denen der kleinere, kaudalere
eine ventrolaterale Verlagerung aufweist. Dieser Kern entspricht vielleicht dem
mehr medialen flachen V-Kern der andern Vilgel. Die größere Masse bleibt hier
aber gänzlich dorsal liegen 1), ganz nahe dem Boden des vierten Ventrikels, sodaß
wir in der Anordnung
der V-Zellen bei die-
sem Tiere einen viel
primitiveren Zustand
vor uns haben als bei
den andern Vögeln. jt^r^. _^^ ^«,«11 n ___^-— _.r- -j___
Ich habe den
VII- und ^-Kern
der ^'ögel zusam-
men behandelt, weil
gerade in ihrem ge-
genseitigen Verhal-
ten das Wissens-
werte über jene
Kerne bei diesen
Tieren liegt. Jetzt
werde ich mit weni-
gen Worten das
Verhalten des VI-
Kernes und dessen Wurzeln erwähnen. '
Der Abducenskern (Fig. 259) der Vögel ist ein einheitliches Gebilde.
Der Kern liegt seitlich gegen das zentrale Längsbündel an, teilweise auf
dem Niveau des Facialiswurzeleintrittes, teilweise frontal und kaudal davon.
Er ist ziemlich voluminös, seitlich etwas abgeflächt.
Bei den meisten Vögeln treten die Abducenswurzeln, wie bei den
T Jtic-
cialiskcru heim Casuar.
') Auch bei andern Vögelo kann ein kleiner Teil des V-Kernes dorsal bleiben,
sodaß dann im wesentlichen drei Kerne zu unterscheiden sind. Ich bin nicht davon
überzeugt, daß dies konstant ist. Ontogenetisch sind aber (beim Huhn) alle Obergangs-
stadien vorhanden (Bok, Bioniii).
510 DAS MOTORISCHE SYSTEM DER VÖGEL.
höhern Eeptilien und den meisten Säugern, frontal vom Niveau der VII-
Wurzel aus. Der Name eines „sechsten"' Nerven ist hier also gut
angebracht. Eigentümlich ist aber, daß der Kasuar, der auch in andern
Hinsichten primitivere \'erhältuisse aufweist, hiervon wieder eine Ausnahme
macht, indem dort die Mehrheit der Abducenswurzeln hinter dem Niveau
der VII- Wurzel austreten (Fig. 253).
Dies entspricht dem phylogenetischen Entwicklungsgang vollkom-
men, ebenso wie die Tatsache, daß Mesdag bei jungen Hühnerembryonen
einen Teil der Wurzeln in ganz kaudaler Lage fand (vergl. auch Belo-
golowy).
Die sagittale Topographie des VI-Kernes der Vögel bietet insofern
keine Besonderheit, als wir dessen Lage auf dem Facialis- Wurzelniveau
auch bereits bei dem Varan fanden. Der Kern ist bei Vögeln ganz
besonders groß, entsprechend der Tatsache, daß er nicht nur den M.
rectus esternus innerviert, sondern auch die Muskeln bezw. den Muskel
der Membrana nictitans, wie es auch bei den Reptilien der Fall ist.
Ein Vergleich mit Säugetieren wird uns zeigen, daß der Kern der Vögel
sich von dem der Säugetiere dadurch unterscheidet, daß er keine Tendenz
zu dorsolateraler Verlagerung aufweist, wie z. B. beim Kaninchen und beim
Menschen (vergl. Fig. 289 und Fig. 280). Dies steht vielleicht damit in
Zusammenhang, daß der Kern der Vögel etwa ebenso viele kontrolaterale
als homolaterale Reflexfasern aus den Vestibulariskernen und dem Klein-
hirn bekommt, während er bei vielen Säugern mehr homolaterale Reflex-
bahnen aufnimmt, deren Reize dort eine Verlagerung in dorsolateraler
Richtung verursachen (vergl. Fig. 289).
Die vordem Augenmuskelkerne der Vögel zeigen ein hochdifferenziertes
Verhalten, indem der Oculomotoriuskern eine deutliche Zergliederung in
verschiedene Zellgruppen aufweist (Fig. 261).
Trochleariskern und Oculomotoriuskern gehen direkt ineinander über.
Bei Colymbus überdecken die beiden Kerne einander sogar einige Schnitte
weit, in dem Sinne, daß der mediale Teil des III-Kern sich etwas unter,
bezw. zwischen den beiderseitigen Trochlearis Kernen ausdehnt.
Der direkte Übergang vom Trochleariskern in den Oculomotoriuskern bei
den Vögeln, welcher, wie wir wissen, phylogenetisch ein sekundär erworbener
Zustand ist, ist auch ontogenetisch erst in späteren Stadien entstanden, wie die
interessanten Befunde von Mesdag und Bok beweisen. Bei einem Hühnerembryo
von S'/j Tagen liegt zwischen III- und IV-Kern eine Distanz, die ebenso groß
ist wie die Länge des Oculomotoriuskernes bei diesem Embryo beträgt. Bei einem
Huhn vom 9. Bebrütungstage berühren sie einander fast, aber auch am 13. Bebrü-
tungstage sind sie noch nicht ganz verschmolzen. Der Zustand des völligen Über-
gangs des einen Kernes in den andern erfolgt also erst später und geschieht in
der Weise, daß der IV-Kern dann in der kaudalen Fortsetzung des dorsolateralen
III-Kernabschnittes liegt.
Der Trochleariskern liegt dorso-lateral vom zentralen Längsbündel, wie
bei den meisten höhern Vertebraten. Eine Zergliederung in Gruppen weist
DAS MOTORISCHE SYSTEM DER VOGEL.
511
Nil. IV
I''. I. c.
er nicht auf (Fig. 260). Retikuläre Zellen haben sich ihm nur wenige hin-
zugesellt.
Der Oculomotoriiiskerii der Vögel bietet
sehr interessante Verhältnisse (vergl. Fig.
261 — 202). Bei allen von mir untersuchten
Vögeln ließ dieser Kern sicli ohne jeglichen
Kunstgrift' jederseits in wenigstens vier
Gruppen zergliedern (vergl. hierzu auch
Jelgersma und Cajal): 1. eine ventrome-
diale Grujipe, welche zwischen zentralem
Längsbündel und Raphe liegt, 2. eine dor-
somediale Gruppe, welche die dorsale Fort-
setzung davon bildet, aber mehr oder weni-
ger davon getrennt bleibt; 3. die dorso-
laterale Gruppe, welche dorsal seitlich vom
dem hintern Längsbundel angetroffen wird,
und schließlich kommt ein vierter Kern
ganz konstant bei den Vögeln vor, welcher von Brandis und Cajal als Nucl.
Edinger-Westphal, von Mesdag als Nucl. accessorius III bezeichnet wurde.
Fig. 260. Trochleariskern des
Storches (Ciconia alba).
Van GiEsoNpräparat.
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Nu. access. --«w». ,■-
(Ed.-Westph.) • . •
Nu. dorso-Iat. --
Nu. dorso-med. — — • » .. _ ,
Nu. veiitro-med. ""^
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U^;
Fig. 261. Oculornotoriiiskern des Huhnes, n. Vermeulen.
NissLprilparat.
Letztgenannte Gruppe liegt dorsal, bezw. dorsolateral von dem Nucl. dorso-
lateralis und unterscheidet sich von all den andern Kernen des dritten Nerven
durch den kleinern Umfang und die geringere Tingibilität seiner Zellen.
Diesen Nucl. accessprius Oculomotorii fand ich unter den Reptilien nur
512 DAS >rOTORIsr'HE SYSTEM DEE TÖGEL.
beim A'aran in genau derselben Lage, Zellform und Größe (vergl. Fig. 250).
Die frontokaudale Au.sdehnung der verschiedenen Zellgruppen l)ietet
insofern eine Übereinstimming mit dem Verhalten beim AUigator, als
der dorsolaterale Kern sich weiter nach vorn ausdehnt als der Komplex
des ventromedialen und des dorsomedialen Kernes (vergl. Fig. 249 und 262).
Was nun die sagittale Topographie des hinzugekommenen Nucleus
accessorius oculomotorii anbelangt, ergibt sich dasselbe wie bei ^'aranus,
indem dieser Kern in dem kaudalen Abschnitt des Oculomotoriuskernes
nicht vorhanden ist. Er fängt erst vor dem hintern Drittel des Oculomo-
toriuskernes an und dehnt sich meistens bis 7AI der ^'orderspitze des
dorso-lateralen Kernes (also bis zum frontalen Ende des III-Kernes) aus.
Ich fand dasselbe Verhalten beim Menschen (Fig. 297).
.<rTTTrMT]T[TTTTTT>.(liilJJLM
/llTT = Jy. I<.,ffl= 6io! Sa f»t- HL K-.fe = T^fd^ m K^Bi = aecUK
Fig. 262. Sagittale Topographie des Trochlearis- und Oculomotoriuskeines
beim Pinguin.
Aus dem ganzen Verhalten des Nucleus accessorius Oculomotorii bei
den V(')geln geht hervor, daß die schon von Brandis für möglich gehaltene
Homologie mit dem EoiNGER-WESTPHALschen Kern der Säugetiere (s. dort)
richtig i.st.
Auch aus dem akzessorischen III-Kern entstehen Wurzelfasern (Cajal,
Mesdag). Brouwer, der diesen Kern bei einem Sperling, dessen Augen
völlig atrophisch waren, degeneriert fand, ist geneigt, darin die Innervation
der inneren Augenmuskeln zu sehen (wie Edinger bei den Säugern).
Den DABKSCHEWiTScn'scÄera Kern habe it-h in diesem Zusammenhang nicht erwähnt,
weil ich es nicht für richtig halte, ihn zu dem direhten Verbände des Ocnlomo-
toriuskernes zu rechnen. Er ist wahrscheinlich eine Zellgruppe, die ihre Fasern
schickt in die Commissura posterior (wie auch Ca.tal angegeben hat) und in das
zentrale Längsbündel. Topographisch schließt er sich bei den Vögeln, namentlich
bei Casuaris und Spheniscus, dorso-lateral Nucl. accessorius III an. Er liegt aber
mehr frontal und hat eine größere Breite (vergl. weiter Kap. VIII).
Von den Wurzelfasern des Oculomotorius kreuzt eine nicht unbe-
trächtliche Menge, namentlich solche aus dem ventro-medialen Kern.
Die Art, wie diese Kreuzung sich bildet, ist eine sehr eigentümliche
und ist von Biondi beschrieben, dessen Angaben der Hauptsache nach von
BoK bestätigt wurden.
Es stellt sich nämlich heraus, daß in einem 4 tägigen Hühnerembryo
alle Wurzelfasern noch ungekreuzt austreten. Am sechsten Tage der Inku-
bation fängt aber eine Migration von Zellen durch die Kaphe an, wenn die
DAS MOTOHISCHK SVSTRM DER SÄIIGÜR.
513
r
Axonen schon größtenteils
Wurzelfasern einen ge-
kreuzten Ursprung —
namentlich diejenige
des ventro-medialen
Kernes. Diese Migra-
"tion (siehe Fig. 203)
endet am achten Tage
der Inkubation und
Hndct zweifellos statt
infolge van gekreuz-
ten, den Oculomoto-
riuskern beeinflus-
senden Fasern (Ncuro-
biotaxis).
Das motorische System
der Säuger.
gebildet sind. Infolgedessen erhalten manche
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Die Anordnungen
der motorischen Ele-
mente in der Oblon-
gata und dem Mittel-
hirn der verschiedenen
Säugetiere bieten einer-
seits so zahlreiche
Punkte von Überein-
stimmung, daß man
die Klasse als solche
ruhig von einem Ge-
sichtspunkte aus ])e-
trachten kann.
Andererseits aber
liegen auch l)ei den
verschiedenen Ord-
nungen dieser Klasse
genügend Unterschie-
de vor, um einige De-
tails sehr schön in
ihrem ursächlichen
Verbände zu beleuch-
ten. Ich werde daher
zuerst das Verhalten
bei Echidna (Fig. 264) besprechen un
Kappeus.
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dann die hauptsächlichsten
Unter-
33
514
DAS MOTORISCHE SYSTEM DER SAUGER.
schiede, welche die Kerne bei den höheren Säugern aufweisen, jeden für
sich erörtern. (Vergl. hierzu die Diagramme).
Während wir bei den Vögeln bereits eine gr<">ßere Differenzierung im
Hypoglossussystem konstatieren konnten, indem seine Zellen dort anfangen
sich von der Fortsetzung des zervikalen Graus los zu lösen, haben wir
bei den meisten Mammaliern das Recht, von einem ganz selbständig ge-
wordenen Hypoglossuskern zu sprechen.
Fig. 264 C. Talpa.
Fig. '264. Diagrammatische Darstellung des topographischen Verhaltens der motorischen
Wurzeln und Kerne bei einigen niederen Säugern. Beim Maulwurf fehlen die Augen-
muskelnerven (mit Ausnahme des III). Die zwei vertikalen Striche | | geben die Lage
des Vll-Wurzelknies an. (Der ventrale X Kern dehnt sich etwas weiter nach hinten
aus als in diesen Diagrammen angegeben ist: vergl. Fig. 273).
Der Unterschied zwischen dem Hypoglossuskern der Säuger und dem
Hypoglossuskern der Vögel besteht darin, daß die Zellen bei den Säugern
eine noch dorsalere Lage eingenommen haben.
Ein anderer Unterschied mit dem Xll-Kern der Vögel ist dieser, daß
der Hypoglossuskern der Mammalier sich weiter nach vorn ausdehnt und
bedeutend größer ist.
DAS MOTOKISGHR SVSTKM HKl! SÄriiKR. 515
Bei den Sängern ist also der XII total in den Gehirnstamm aufge-
nommen und hat er seine Verwandtschaft mit dem Rückenmarke meistens
gänzlich aufgegeben.
Diese frontale Verschiebung des Kernes geht mit der frontalen Ver-
lagerung seiner Austrittswurzeln zusammen, welche direkt hinter dem
Niveau des IX. Nerven erscheinen, ja, wohl einmal vor diesem Niveau
(Macropus) ein Wurzelfädclien aussenden. Wir finden hier somit dasselbe,
was wir auch bei dem Abducenskern gefunden haben: daß die Wurzel-
verlagerung mit der Kernverlagerung gleichen Schritt halten kann.
Ich sage hier absichtlich Schritt halten Icann, denn wir haben in der Facialis-
wurzel lind in der Trochleariswurzel deutliehe Beispiele dafür, daß die Wiirzelver-
Ingening keineswegs mit der Kernverlagernng Schritt halten miiji.
Die räumliche Möglichkeit der Wurzelverschiebung muß eben vorhanden sein.
In dem Falle des Trochlearis gibt es hemmende Einflüsse der Corpora quadrigemina
und des Zerebellums. In dem Falle des Facialis ist es das Verhalten des Corpus
trapezoides, welches erhebliche Verlagerungen verhindern kann.
Welche Faktoren bestimmen die Lage dieses Kernes bei den Säugern?
Zur Beantwortung dieser Frage ist es erforderlich, die Reflexe, welche die
Hypoglossusmuskeln beeinflussen, näher zu betrachten.
W'ährend bei den niedersten "\^ertebraten die Muskulatur des spino-
okzipitalen Systems keine Zunge bildet, finden wir von den Amphibien
an, daß diese Muskulatur mehr und mehr zum Bewegunsorgan einer wirk-
lichen Zunge wird.
Die Sensibilität dieser Zunge ist von zweierlei Art: einerseits die spe-
zielle Geschmacksempfindung, andererseits die Taktilität. Die erste wird vom
Facialis und vom Glossopharyngeus, die zweite außer von diesen, von
Zweigen des Trigeminus versorgt. Diese drei Hirnnerven innervieren also
die Haut, welche über die Zungenmuskulatur ausgespannt ist, das will
sagen : nach dem Verluste der eigenen Hinterwurzel (XII sensibilis, wovon
embryologisch Reste vorkommen : Froriep) sind die genannten sensiblen
Kopfnerven im funktionellen Sinne die Hinterwurzeln des XII geworden,
sie innervieren die Haut (und Muskelsensibilität), welche die Xll-Musku-
latur beherrscht und bilden deren hauptsächlichstes Reflexsystem.
In Anbetracht dieser Tatsache kann es nicht in Erstaunen versetzen, wenn
wir finden, daß der motorische Hypoglossuskern sich von den Reptilien an
dem sensiblen System dieser Kopfnerven anschließt (farbige Tafel II).
Wir wissen (Fig. 143), daß der Trigeminus (Wallenberg) einen Teil
seiner Fasern, und gerade die der Mundschleimhaut, in das Grau in der
Nähe des Fasciculus solitarius hineinschickt. Wir wissen weiter, daß aus
das sensible Endkernen des VII, IX und X, die, aus gekreuzt und un-
gekreuzt verlaufenden kurzen Neuronen aufgebaute, „via central del
V, VII, IX y X" von Cajal, medial vom Fasciculus solitarius, direkt an
dem Hypoglossus entlang verläuft, der in sie eine große Zahl seiner Den-
driten entsendet.
516
DAS MOTORISCHE SYSTEM DER SÄUGER.
Es treten hierbei aber noch andere Factoren auf.
Zu den Systemen, welche die Lage des Zungenkernes bestimmen,
muß auch der STADERiNi'sche Kern gerechnet werden, welcher zwischen
XII- und dorsalen motorischen X-Kern eingekeilt liegt (siehe das Kapitel
III, Fig. 142 und S. 312). Der neurobiotaktische Einfluß all der genannten
Systeme bedingt offenbar
y -*JL *■ ^.^^T""'*"*^, *^'^ Lage des motorischen
Zungenkernes.
Daß der Geschmack
der Zunge dabei eine
Hauptrolle spielt, wird
durch die von Vermeu-
LEN entdeckte Tatsache
bewiesen, daß der Kern
bei Phocaena (wo der
Geschmack atrophiert ist:
Rawitz) viel weniger
weit nach vorn verlagert
ist und seine Verbindung
mit dem Grau des Zervi-
kalmarkes beibehalten
hat (vergl. Fig. 265).
Zwar findet man
auch bei Gameliden und
bei der Giraffe daran
erinnernde Verhältnisse,
der primitive Typus wird aber unter den Säugern nirgends so stark vor-
geführt als bei Phocaena (VERAfErT.EN).
Ich werde jetzt
noch einige Details
jenes Kernes bei ver-
schiedenen Säugern
erwähnen.
Der XII-Kern
von Ecliidna und
Didelphj's ist klein
und nimmt eine late-
rale Lage ein, sich
seitlich in der Rich-
tung des dorsalen Va-
guskernes ausdeh-
nend (siehe Fig. 266 und 275).
Eine deutliche Einteilung in Gruppen habe ich bier nicht wahr-
nehmen können.
Fig. 265. Hypoglossuskern (XII), V = Vonlerhornrest,
ffl = Ambigiiuskern hei Phocaena, ii. Vermeulkn.
y.-*^--
, '~- ' >• ■. —
i^ .' - .
>i$'"«
■-.-=5,^:-^
' -.-y.
■~ . - . .
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»^•■: .*?'-,-
#^^
■•^■<k'
^
Jf^ß
■j'-vS"
i<^
^■./■\.\
'-<-^. ■
xf;-^V
.•^.>.>
*•:
Vi'.
'200. Ilvpoglussuskei-n des Opsosuiiis
(Didelphys marsiipialis).
DAS MOTORISCHE SYSTEM DKK SÄÜGEK
517
Letzteres i?t wohl der Fall bei Karnivoren, wo man, bei Canis familiaris
mindestens drei Zellgruppen unterscheiden kann.
Die längste Gruppe liegt ventro-median, über die ganze Länge des Kernes.
In seiner vordem Hälfte weist der Kern außerdem eine ventrolaterale
Gruppe auf, welche etwa der Richtung des Wurzelverlaufs entspricht, lateral
davon liegt, und eine ziemlich große Anzahl Zellen umfaßt. Frontal von der
Mitte des XII-Kernes nimmt diese Gruppe an Umfang zu, um sich dann
allmählich mit dem ganzen Kern zu verkleinern.
Die dritte Zellgruppe des XII-Kernes fängt an auf dem 2. Fünftel der
Kernlänge — vom hintern Pole angerechnet. — Anfänglich liegt sie dorso-
lateral, mehr nach vorn zu rein lateral. Diese Zellgruppe hat namentlich
in ihrem hintern Abschnitt Anschluß an die Zellen des dorsalen X-Kernes
(Vergl. S. 502) und scheint diejenige zu sein, in welche Kosaka und Yagita
den R. descendens XII beim Kaninchen und Hund lokalisieren, in Über-
einstimmung mit früher von Pakhon und Goldstein gemachten Experi-
menten. In der Nähe der Zellen des R. descendens, etwas oberhalb der-
selben, liegt der Kern des Hyo-glossus Und Stylo-glossus (Stuurman), während
die Genio-hyoideus und Genio-glossus ihren Ursprung in dem vordem ventro-
lateralen Abschnitt finden. Die M.M. verticales und transversi, welche die zen-
trale Masse des Zungenfleisches bilden, werden
.- schließUch von der erst erwähnten, ventromedia-
./ . " -^'V'-^ nen Zellgruppe innerviert (Stuurman : Maus).
'Nu. dorsolat.
.\II.
Nu venlro
nn.'d. ut Nu.
r.iphes Xn.
-■if-
"T
"Nu.vcntro-lat.
XII.
m--
Kig. 267. Hypoglus.sü.ski 1 u i,lv.nKlal|)ol)
eines Ameisenbaren (Myrmecophaga).
Fig. 268. Ilypoglossuskei-n (in dei- Mitte)
eines Ameisenbären (Myrmecophaga).
Sehr interessant ist auch der XII-Kern der Ameisenfresser durch seine
enorme Größe, die mit der großen Länge der Zunge dieser Tiere korrespon-
diert, und durch seine exquisite Zellgruppierung.
Insofern zeigen Mj/rmecophaga ju.hata (Fig. 267 und 268) und Tamandua tetra-
dactyla (die im Prinzip miteinander übereinstimmen) eine Übereinstimmung mit
der ebenerwähnten Zellgruppieriing des Hundes, daß man einen ventromedianen
und einen dorsolateralen Kern deutUch unterscheiden kann. Von diesen beiden
518
DAS MOTOKISCHE SYSTEM DER SAUGER.
S5
ist auch wieder die ventromediane Gruppe diejenige, welche fast durch den ganzen
Kern hin zieht, während die dorsolaterale Gruppe bei Myrmecophaga im hintern
Drittel (beim Hund nur im hintern Fünftel) fehlt (Fig. 267.) Der dorsolaterale
Kern legt sich dem dorsalen X-Kerne sehr nahe an. Die ventrolaterale Gruppe
weist keinen auffallenden Unterschied zum Verhalten beim Hunde auf.
Namentlich interessant bei diesen Tieren ist der Umstand, daß die
ventromedianen Kerne der rechten und linken Seite sehr eng aneinander-
stoßen, sehr groß sind und frontal vom hintern Drittel (Fig. 268) eine
Raphegruppe ^) bilden, die sehr mächtig wird. Fron talwärts endet zuerst der
Raphekern, dann der Rest des ventromedianen Kernes, während der dorso-
laterale Kern am längsten bestehen bleibt.
Nach Stuurman stimmt diese Entwicklung des ventromedianen Kernes
überein mit der Tatsache, daß die M.M. verticalis und circularis bei diesen
ia Tieren sehr stark
sind. Ob das Fehlen
eines Zungen-Sep-
tums bei diesen
Tieren und die da-
her starke Zusam-
menwirkung bei-
derseitiger Muskeln
den Raphekern her-
vorruft, ist nicht
sicher, aber sehr
wahrscheinlich.
Auch der Hypo-
glossuskern der Pri-
maten und des
Menschen (Fig. 209)
weist deutliche Zell-
gruppierungen auf,
(vergl. hierzu na-
mentlich Gold-
stein und Minea,
MiNGAZZINI, HUDO-
•z
a
.-'
/'
Nucleus
_ ventro-
lat.
-Nu. Rol-
ler.
Fig. 269.
Hypoglossuskern des Mensc
des Kernes.
leii. .Mittel.-tiick
VERNiG, Parrhon Und Papinian). Hierbei tritt als größte Differenz hervor,
daß der R. descendens XII bei den Primaten nicht mehr vom XII-Kern,
sondern vom oberen Zervikalmark innerviert wird.
Bezüglich der Nebenkerne des XII : des Nucleus antero-lateralis von
Duval und des Nucleus accessorius von Roller, kann ich kurz sein.
') Bei dem sehr großen XII-Kern der Giraffe fand Vermeulkn ebenfalls eine Andeutung
eines Raphekernes, was bei dei- ebenfalls sein- beweglichen und langen Zunge dieses Tieres
nicht befremdend ist.
DAS MOTORISCHE SYSTE\f DER SÄUOER. 519
Der RoLLERsche Kern (Fig. 269) ist kein Hypoglossuskern, wie aucb
schon aus seiner kleinern Zellgröße hervorgeht, sondern eine frontale
Fortsetzung der retikulären Elemente des zervikalen Graues (Cajal) i).
Was den anterolateralen Kern von Düval betrifft, so glaube ich nicht,
daß er einem abgesprengten Stück des XII-Kernes ~) (dem Nucleus praeposi-
tus Marburg's) entspricht, sondern daß es sich um kleinere, wahrscheinlich
retikuläre Elemente handelt, welche fast konstant am Vorderpole des Hypo-
glossuskernes bei allen Säugern (viellicht mit Ausnahme von Echidna) ge-
funden werden: retikuläre Elemente des Höhlengraus.
Es ist nämlich ein interessanter Unterschied zwischen der Umgebung
des XII-Kernes der Mammalier mit der niedern Vertebraten ; bei den Säu-
gern ist der Kern mehr und mehr von kleinen retikulären Elementen um-
geben, die sich ihm dorsal als Zellen des Höhlengraus anschließen (bei
Myrmecophaga namentlich an der vordem Hälfte des Kernes). Dies ist eine
Eigentümlichkeit, welche allen motorischen Kernen der Säuger eigen ist,
(wie wir weiter unten beim Abducenskern, S. 544, auch sehen werden).
Die Kerne der hintern viszeralen Säule weisen bei den Säugern die
größten Veränderungen auf im Vergleich zu den Nicht-Säugern. Das zeigt
sich sofort an dem Verhalten des Accessorius-Kernes.
Man teilt den Nervus accessorius der Säuger wohl in zwei Teile ein,
einen bulbären und einen spinalen Abschnitt, auch wohl bekannt als Nervus
vago-accessoriv^ und Nervus accessorius spinalis.
Nähere Untersuchungen haben indessen gezeigt, daß der Nervus vago-
accessorius Autorum aus dorsalen, (oder, nach andern, aus ventralen —
Ambiguus — ) Vaguszellen seinen Ui'sprung nimmt und deshalb ein Unter-
schied zwischen N. accessorius bulbaris und N. accessorius spinalis gleich
ist einem Unterschied zwischen hinterer Vaguswurzel und N. accessorius
(spinalis) weil der sog. N. accessorius bulbaris eben als der hinterste Ab-
schnitt des Vagus zu betrachten ist (Kosaka).
Will man aber denjenigen Teil des spinalen XI-Kernes (Fig. 273) der bei
Verfolgung in frontaler Richtung noch in der Oblongata zu erkennen ist,
Nucleus accessorius bulbaris nennen, dann liegt manchmal ein bulbärer
Abschnitt jenes Kernes vor, dessen Fasern aber peripher mit dem N. accesso-
rius spinalis verlaufen.
Als Grenze der Oblongata wird bei Säugern im allgemeinen die Pyra-
midenkreuzung genommen, und manchmal dehnt sich der Accessoriuskern,
den man leicht vom Rückenmark nach vorne verfolgen kann, über diese
') Es scheint mir nicht unmöglich, daß er mit dem zervikalen grauen Fortsatz
unterhalb des XII-Kernes der Vögel korrespondiert.
') Solch ein frontal abgesprengtes Stück, aus dem tatsächlich Wurzelfasern hervor-
gehen, kam einmal zu meiner Beobachtnnff. Auch hinten, zwisschen XTI unil Vorderhorn
kann eine solche Zellgruppe vorkommen.
520 T)AS MOTORISCHE SYSTEM DER SÄUGER.
Grenze frontalwärts hinaus. In diesem Sinne genommen, kommt also bei
vielen Säugern ein bulbärer Accessoriusabscbnitt vor.
Indessen wäre es unrichtig, diesen Abschnitt als etwas anderes zu be-
trachten, als einen bloßen Fortsatz des N. Accessorius spinalis, und es wäre
also der Unterschied zwischen bulbärem und spinalem Accessoriuskern bloß
topographisch, sodaß man schließlich um Verwirrung vorzubeugen, am besten
tut, nur vom einem Accessoriuskern im allgemeinen zu sprechen und nur
von einem Nervus accessorius, dem sich frontal auf einer kurzen oder längeren
Strecke wirkliche Vagusfasern zugesellen können.
Wie wir gesehen haben, ist der Accessoriuskern, d. i. der Kern des
Trapezius und Sterno-cleido-mastoideus, bei den niedern Tieren noch ganz
in einer Säule mit dem dorsalen Vaguskern einbegrififen.
Während sich bei den Säugern nun aus der gemeinschaftlichen dor-
salen Zellsäule derNucleus ambiguus (s. u.) in ventrolateraler Richtung sondert
differenziert sich der Accessorius-Kern aus der dorsalen Säule in kaudo-
lateraler Richtung, und wird er außerdem im Rückenmark durch Apposition
vergrößert .
In Hinsicht darauf ist es interessant, daß Vermeulen bei Cameliden,
Giraffe, ja bei allen Ungulaten und auch bei Phocaena noch einen Verband
des Accessoriuskernes (natürlich des intrabulbär liegenden Frontalpols dessel-
ben) mit dem dorsalen Vaguskern fand (vergleiche Fig. 272 und Fig. 273).
Kaudalwärts erstreckt sich der Accessoriuskern bei dem Menschen von
etwa dem hintern Pole der Oliva inferior bis ins 5. oder 6. Zervikalsegment
hinein, beim Pferde, wo er zur Hebung der Vorderbeine beiträgt, bis in
daß 7. Segment. Nicht bei allen Säugern reicht er jedoch so weit hinab.
Seine Zellen haben in allgemeinen im Rückenmark eine laterale,
perlschnurähnliche Anordnung, und seine Wurzeln zeigen die Eigentüm-
lichkeit, daß die kaudaleren etwas dorsaler austreten als die frontaleren, ein
wichtiger Anhaltspunkt, der auch für die Wurzelfäden der hinteren viszeralen
Säule der Reptilien sehr deutlich ist (vergleiche hierzu Fig. 270 A, B und
C und auch Fig. 105).
Die Würzelbündel des Nerven vereinigen sich zu einem Stamm, der
im Vertebralkanal zwischen Vorder- und Hinterwurzeln aufwärts steigt und
direkt hinter dem Vagus durch das Foramen jugulare den Schädel ver-
läßt. Eine Ausnahme machen nur die Cameliden, wo jedes Accessorius-
würzelchen für sich den N'ertebralkanal verläßt (Lesbre, Wingate Todd i)
und Vermeulen) und wahrscheinlich nahe den Hinterwurzeln der entspre-
chenden Segmente aus dem Vertebralkanal zieht.
Da der Unterschied zwischen dem Accessoriuskern der Säuger unfl
demjenigen der Nichtsäuger zu groß ist, um ein Bild von der Entwicklung
des Mammalier-Accessoriuskernes aus demjenigen der Submammalier geben
zu können, habe ich die Ontogenese dieses Kernes bei Schafembryonen
') Briefliche Mitteilung.
DAS MOTORISCHE SYSTEKF DER SADOER.
521
verschiedenen Alters studiert; Prof. Röthig hatte die Güte, mir verschiedene
sehr schön gefärbte Serien derselben zur Verfügung zu stellen. (Em-
brj'-onen v. 12, 17, 23 und 33 mm Scheitelsteißlänge).
Bevor ich aber zur Beschreibung dieser ontogonetischen Befunde über-
gehe, will ich in wenigen Worten zusammenfassen, was die Phylogenese
uns bis jetzt über diesen Kern gelehrt hat.
Das Studium des Trapeziuskernes der niedern Vertebraten hat gezeigt,
daß der Trapeziuskern der Selachier eine einfache Fortsetzung der- dorsalen
Vagussäule dieser Tiere ist, daß er also
dort die kaudalste Spitze dieser Säule bildet
(vergl. für die Wurzeln Fig. 270 A).
Bei Eidechsen sahen wir nun, daß
in dem kaudalen Teil der Vagussäule sich
zwei Prozesse abspielen ; der eine Prozeß
besteht darin, daß etwa auf dem Niveau
des Calamus scriptorius und etwas dahinter
eine ventrale Zell Verlagerung auftritt, die
wir auf Grund der Vergleichung mit Vögeln
und Säugern als den Anfang des ventralen
Vaguskernes (hinteres Stück des Ambiguus)
betrachten dürfen (S. 492 und Fig. 240).
Diese Verlagerung findet an der Grenze
zwischen dem mittlem und hintern Ab-
schnitt der viszeralen Säule, aber nicht an
ihrem allerkaudalsten Abschnitt statt. Dort
geht ein anderer Prozeß vor sich, nämlich
eine bedeutende spinale Verlängerung der
dorsalen Säule, wie ein Vergleich mit der
nämlichen Säule der Selachier und Amphi-
bien lehrt.
Dabei läßt sich konstatieren, daß die
kaudalsten Zellen dieser .spinalen Verlänge-
rung in ihrer Totalität mehr und mehr die
Lage in der direkten Nähe des Zentralka-
nals (etwas dorsal davon) verlieren und sich
etwas mehr lateroventral zwischen Hinter-
und Vorderhornbasis hineinschieben.
Diese Verlagerung ist dort jedoch nur noch eine geringe. Soviel aber
war deutlich aus dem Verhalten bei diesen Tieren, daß der Accessoriuskern
dort nicht aus einer kaudalen Verlängerung des ventralen Vaguskernes,
sondern aus der spinalen Verlängerung der dorsalen Vagussäule entstand,
welche sich zu gleicher Zeit in ihrer Totalität etwas ventrolateral verschiebt.
Dasselbe nun zeigt das Studium der Schafembryonen, aber in viel
deutlicherer, sogar auftallender Weise.
F"ig. 270. Luge und Ausdehnung
der Accessoiiuswurzeln bei einem
Hai A, einem Alligator B,
und bei einem Säuger C.
522
DAS MOTORISrnE SYSTEM DER SÄUGER.
Nu. dors. X.
Nu. XII.
Bei einem Embryo von 12, namentlich aber von 17 mm findet man
im Zervikalmark bereits einen
deutlichen Accessoriuskern, der
sich durch die Größe seiner Zel-
len klar von der Umgebung
abhebt.
Noch deutlicher aber sind
diese Verhältnisse Ijei EmbrA'o-
nen von 23 und 33 mm, die
auch deshalb für dieses Studium
wertvoller sind, weil die untere
Olive dort bereits gut entwickelt
ist und wir somit mehr topo-
graphische Anhaltspunkte haben.
A'^erfolgt man dort diesen
Kern frontalwärts, so zeigt sich
die eigentümliche Tatsache, daß
er nicht, wie es bei ausgewach-
senen Säugern manchmal der Fall
ist, scheinbar in den ventralen
Vaguskern übergeht, sondern in
den dorsalen Vaguskern ') (Fig.
271 A, B und C).
Interessant ist dabei, daß
diese Entwicklung des Trapezius-
kernes etwas eher auftritt als
diejenige des ventralen Vagus-
kernes, von dem in dem Em-
bryo von 23 mm kaum eine
Andeutung ist, während in dem
von 33 mm bloß sein Anfang auf
dem hintern Niveau der untern
Olive ersichtlich ist, gerade wie
dies bei Vögeln der Fall ist.
Es ist offenbar, daß die On-
L Nu. XI.
Fig. 271. Qiierschitte duich das oljere Zer-
vikalmark nahe der Oblongata eines
Schafen) br3-03 von 33 mm Scheitelsteißlänge.
(Präparate Dr. Rotiug.)
A: 128 Scbitte vor dem Hinterpol der
Oliva inferior.
B: 2 Schnitte kaudal von der Olive.
C: 62 Schnitte kaudal von, der Olive.
togenie hier die Phylogenie wie-
derholt, aber in viel klarerer
Weise.
Diese größere Deutlichkeit
findet ihren Grund hauptsächlich
darin, daß die Trapeziuszellen der
Reptilien denselben relativ klei-
') Dieser hat in jenem Stadium auch die perlschnurfnrmige .\nnrdniing des Trape-
ziuskernes (hier und da Lücken).
DAS MOTORISCHE SYSTEM DER SAUGER.
523
nen Umfang der Zellen des dorsalen Vaguskernes dieser Tiere haben,
während die Trapeziuszellen dieser Embryonen, wie diejenige der Vagus-
kernes derselben, sieh durch iiire Größe auszeichnen. (Fig. 271, A, B und C).
Ich möchte noch darauf hinwei-
sen, daß die Tatsache, daß der Trape- ^"^^ — -»^
ziuskern teilweise durch ein spinales > "--=
Wachstum von ursprünglich frontaler
liegenden Zellgruppen entsteht, auch
die Bildung der sog. IvRAUSE'schen
„Respirationsbündelchen" i) erklärt,
welche namentlich beim Kaninchen
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sehr deutlich sind und aus longitudi-
nalen frontal verlaufenden intramedul- r
lären Wurzelfasern des Accessorius
bestehen.
In Übereinstimmung mit dieser
Darstellung steht die l)ereits erwähnte
Tatsache, daß Vekmeulen bei vielen
ausgewachsenen Tieren (namentlich
Ungulaten) noch einen Zusammenhang
zwischen dem Accessoriuskern und dem
dorsalen Vaguskern nachweisen konnte,
jedoch nicht zwischen dem x4.ccessorius-
und ventralen Vaguskern.
Als Fortsetzung des Nucl. ambi-
guus darf der Accessoriuskern nicht
betrachtet werden, obschon er daran
grenzen kann (Fig. 273).
Der Ambiguuskern verlagert sich
selbständig vom dorsalen X-Kern in
ventraler Richtung, und in den Fällen,
in denen Accessorius und Ambiguus-
kern bei ausgewachsenen Säugern gele-
gentlich einmal scheinbar in einer Säule
liegen, handelt es sich um einen se-
kundären Zustand (vergl. auch Vek- . '272 B
meulen).
Obgleich also ursprünglich eine
spinale Verlängerung des dorsalen Vaguskernes und manchmal damit ver-
bunden, soll deshalb nicht gesagt sein, daß der Accessoriuskern der Säuger
') Es braucht wohl kaum gesagt zu werden, daß dieselben mit dem eigentlichen
Respirationsbündel, dem Fase, solitarius, nichts zu machen haben. Der Fase, solitarius
(siehe Kap. III) besteht wesentlich aus s'ensihlen Wurzelfasei-n des .Glossopharj'ngeus und
Vagus und steigt niclit so weit hinab als die KßAUSE'schen Bündelchen (S. 306—309).
W'
^^
-1,-1,
Fig. 272 n.
Fig. 272 A, B. Zwei Querschnitte durch
das obere Zervikalmark einer Lama
n. Vermeulen.
In Fig. 272 A — etwas frontaler als Fig.
sind XI und dorsaler X Kern
verbunden.
524 DAS MOTORISCHE SYSTEM DER SÄUGER.
nur entsteht durch eine kaudalwärts fortschreitende Teilung oder Ver-
schiebung der dorsalen X Neuroblasten.
Wir müssen annehmen, daß außerdem an vielen Stellen des Zervikal-
markes viszerale Zellgruppen sich ausbilden, die sich zu einer Reihe legen,
den Accessoriuskern durch ein appositionelles Wachstum vergrößernd.
Daß es sich dabei nicht liandelt um Ventral Wurzelelemente, deren
Zellen und Axonen sich dorsal verlagern, geht aus der ganzen Eigenart
des viszeralen Nervenapparates als Dorsalwurzel hervor und findet eine
Bestätigung in der Tatsache, daß gerade die kaudalsten Wurzelbündel des
Accessorius am dorsalsten nahe der Hinterwurzel austreten. Falls das kaudale
Wachstum jenes Kernes aus ventralen Wurzelelementen hervorginge, würde
man gerade an seiner Wachstumsspitze, an dem Kaudalpol, einen mehr
ventralen Austritt der Wurzelbiindel erwarten.
Eher darf man der Theorie Becc.\ri's eine W^xhrscheinlichkeit nicht
absprechen, daß die Vergrößerung des Kernes in Myelo stattfindet aus
Elementen, welche den Von LENHOSSEK'schen Elementen der Vögel und
Reptilien (S. 171) verwandt sind.
Die Lage des Accessoriuskernes im Zervikalmark weist einige Verschie-
denheiten auf, je nach der Tierart. Für fast alle Tiere gilt jedoch, daß der
Kern, je weiter man kaudal kommt, desto mehr ventrolateral liegt, obschon
seine Wurzel dorsaler austritt.
Auch dies spricht zu Gunsten einer Verwandtschaft mit den Lenhossek-
schen Elementen der Reptilien und Vögel, deren Zellen in dem ventro-
lateralen Abschnitt des Vorderhornes liegen, während ihre Wurzeln mit
den Hinterwurzeln austreten (Fig. 85).
Zu Gunsten dieser Theorie darf vielleicht auch die von Lesbre, Win-
öATE, ToDD und Vermeulen bestätigte Tatsache erwähnt werden, daß
bei einigen Ungulaten (Cameliden) der N. Accessorius sich nicht extra-
medullär zu einem einheitlichen Strang sammelt, sondern getrennt bleibende
Wurzelbündelchen aufweist, welche nahe den Hinterwurzeln austreten (s. o.).
Zum Schluß möchte ich noch erwähnen, daß Berkelbach van der
Sprenkel beim Igelembryo Ganglienknötchen an den Accessoriuswurzel-
bündelchen sah, was ebenfalls ihre originelle Hinterwurzelnatur beweist.
Hiermit soll selbstverständlich der Tatsache (Bolk u. A.) nicht widersprochen
werden, daß sich der Accessoriuswiirzel nach ihrem Austritt aus dem Vertebralkanal
ventrale Wurzelfasern aus den ventralen Hörnern anschließen können und der
Trapeziusmuskel auch somatische Nervenendigungen aufnimmt.
Es können die Zellen, aus denen diese ventralen AVurzelbündel des M. Tra-
pezius hervorgehen, sich sogar zentral den Acces.soriuszelleu anlegen (Vermeulkn).
Dies ist aber ein sekundärer Zuwachs, der die viszerale Integrität des eigentlichen
Accessoriuskernes nicht beeinflußt.
Die beiden übrigen Bestandteile der hinteren viszeralen Säule, den
Vagus- und Glossopharyngemkern, werde ich im Anschluß an den Acces-
soriuskern behandeln.
DAS MOTORISCHE SY8TE.\r DER SÄUGER.
525
Die Ursache der geringern frontalen Ausdehnung der hintern dorso-
viszeralen Zellsäule im Vergleich zu den Vögeln (farbige Tafel II), wo
sie sich über das Niveau des Glossopharvngouseintrittes ausdehnt (Fig. 253 —
255), liegt in der Tatsache, dal) der motorische Kern jenes Nerven, der bei
den Vögeln gänzlich im der dorsalen Säule einverleibt ist, bei den Mam-
raaliern eine ventrale Lage angenommen hat und den vorderen Abschnitt
des Nucl. ambiguus bildet.
BOSTAURUS
CAPRA HIRCUS.
S«S SCRrtFA DflMESrirA
Fig. 273. Verhalten iles Accessoriiis Kernes (XI, gestrichelt) zum (iorsa!en
und ventralen Vaguskern bei einigen Huftieren, n. Vermeulen.
Nur wenige Zellen des Glossopharyngeus — das Speichelaekretionszentriim des
N. Jacobsonii (Grland. parotis) — haben eine etwas dorsalere Lage in der
Nühe des Geschmackszentrums beibehalten (Fig. 282 : n. Yagita). Ich komme darauf
zurück bei der Behandlung des Speichelsekretionszentrums des Facialis (Gland.
submaxillares und sublinguales, s. S. 538).
Auch in dieser Beziehung ist die dorsale Säule bei den Säugern anders
als bei den Vögeln, daß ihre frontale Spitze etwas ventralwärts abbiegt,
wie in den Diagrammen schematisch (etwas stark) angegeben ist (Fig. 273).
526 DAS MOTORISCHE SYSTEM DER SÄUGER.
Dies kann eine Folge rein mechanischer Einflüsse der Umgebung sein
und seine Ursache darin finden, daß der STADERiNi'sche Kern, der kaiidal
zwisclien X- und XII-Kern liegt, sich frontal in lateraler Richtung ver-
größert und sich zwischen den dorsalen Vaguskei'n und den Boden des vierten
Ventrikels einschiebt.
Die ventrale Abdrängung des motorischen X-Kernes fängt nämlich
dort an, wo der Nucleus Staderixi sich über den Vaguskern hin mit dem
lateralen Oblongatafelde verbindet. Ich muß aber bemerken, daß dadurch
dort auch das sensible Grau der viszeralen »Säule etwas niedriger zu
liegen kommt. Es kann also auch sein, daß. diese Verlagerung die Folge
des genannten Verhaltens des sensiblen Kernes ist. Jedenfalls bleiben die
viszerosensible und viszeromotori^che Säule miteinander in Kontakt.
Da bei dem Menschen an dieser Stelle der ventrale Kern (Nucl. am-
biguus) etwas nach oben umbiegt, nähern sich dort die beiden Kerne
erheblich, hören aber dann auch bald auf (Fig. 285).
Ein anderer Unterschied zu dem Verhalten bei niedren Vertebraten
ist dies, daß der dorsale X-Kern bei den Säugern viel weiter von der
Mittellinie entfernt ist und fa.st dem Grau der (ihn reizenden) sensiblen
Vaguswurzel einverleibt ist: ein fortgeschritteneres Stadium der Verschie-
bung, welche bei den Vögeln und Krokodiliern bereits angedeutet war in
dem schlingenfürmigen Verlauf, den die motor. X-Wurzel dort macht (vergl.
Fig. 238 B und 252), deren Verlauf liier aber vereinfacht ist.
^ _.,... _ Die Grc'iße des dcrrsalen Vagus-
• ■ 1 •."••'"•' "?;•*'■.■-' Tr.'.-'V.l'-v ..» kernes ist ziemlich verschieden. Bei
'.!/-'*•■ '". ''.'■■.'<;■ den Monotremen und Marsupialiern
ist er gleich groß, und auch die
— , Yj / Rodentier haben etwa einen ebenso
X" "J^u^Z . " großen Nucleus dorsalis X. Beim
► " - ■* ,•• Rind fand Vermeulen ihn erheblich
^. „_, ,, , . . ,. ,, größer, was er mit dem großen
Flg. 2/4. Nucleus motonus commissuralis A ° ■ -tr i • i
dorsalis bei der Llama, n. Vermeulen. ^agen dieser Tiere in Verbindung
bringt. Die Elemente, welche in dem
dorsalen Vaguskern repräsentiert sind, sind nämlich der untere Teil des
Oesophagus, der Magen und die Lunge.
Bei einigen Säugern (Cameliden Giraffe, Phocaena) zeigt der dorsale
X-Kern am hintern Ende eine kommissui-elle Verbindung der motorischen
Zellen oberhalb des Zentralkanals (Nucl. commiss. motorius X Vermeulen's)
in der Nähe der Commissura infima (Fig. 274), ebenfalls ein eklatantes
Beispiel neurobiotaktischer Einflüsse, weil diese motorischen Zellen dem
Grau der kreuzenden sensiblen Fasern dieses Nerven anliegen. Sehr lehr-
reich ist das Studium des Nercl. ambiguus.
Vergleichen wir den Abschnitt des Vaguskernes, welcher bei den
Vögeln die ventrale Wanderung gemacht hat mit dem Nucl. ambiguus der
Säuger, dann sehen wir, daß der ventrale Kern der Säuger größer ist.
I>A8 MOTORTSCHE STSTKM DKR SÄUGER.
527
Nu. XII.
Die.s läßt sich verstehen, wenn man Ix'denkt, daß er eben außer ventralen
^"aguselementen jetzt auch den Ulo.ssopliaryngenskern (dessen Speichelkern
ausgenommen) enthält. Auch ist die qiieru-c.^treifte Vagusmuskulatur (Ijarynx),
welche vom ventralen X-Kern innerviert vviril, hei den Säugern außerdem
viel größer als bei den Vögeln.
Der Nucleus ambiguus der niedern Säuger ragt manchmal über das
Niveau der Vorderpole des dorsalen Vaguskernes hinaus, wie nach der
Tatsache zu erwarten ist, daß er auch den IX-Kern enthält. Der vordere
Abschnitt ist außerdem bedeutend dicker als der hintere Teil des Nucleus
ambiguus und namentlich kompakter.
Kaudalwärts, namentlich im letzten Drittel des Nucleus ambiguus,
wird dieser bei den Säugern
sogar so lückenhaft, daß man-
cher Schnitt keine oder nur
eine oder zwei Ganglienzellen
davon enthält.
Die Elemente des letzten
Drittels dieses Kernes können
nacli KosAK.\s üntersucliun-
gen bei dem Hunde wieder in
zwei Gruppen eingeteilt wer-
den, von denen die dorsalere
dem Kern dci' Larynxmusku-
latur (mit Ausnahme des Cri-
cothyroideus), die ventrale dem
Herzkern entspricht. — Das
mittlere Drittel des Nucl. am-
biguus soll nach demselben
Autor (dessen Untersuchungen
hauptsächlich auf Hunde-Ex-
perimenten beruhen) die Mus-
keln des Velum palatinum be-
wegen, während der vorderste Teil, wie gesagt, die Glossopharyngeusmus-
kein, d.h. die Pharynxmuskeln und den daraus hervorgehenden M. crico-
thyrioideus, dann auch den obern (quergestreiften) Teil der Oesophagus-
muskulatur innerviert.
Ich möchte hierbei bemerken, daß wir noch nicht mit Sicherheit sagen können,
ob die r4aumensegelncrven den Hirnstamm Im (Tlossopharyngeus oder in der Vagus-
wurzel verlassen und man also auch nicht sicher weiß, ob der entsprechende Ivern-
teil als IX oder als X aufgefaßt werden muß. Die peripheren Anastomosen sprechen
mehr für den Glossopharyngens, das Kernstück mehr für den Vagus.
Vergleicht man die vom dorsalen Kern innervierten Muskel mit den
vom ventralen Kern innervierten, dann kann man das Resultat so ausdrücken,
daß der dorsale Kern nur glatte, der ventrale Kern quergestreifte Musku-
•'ig. 275. Ventraler Vaguskern und
Hypoglossuskern bei Ecliidna.
528 DAS MOTORISCHE SYSTEM DER SÄUGER.
latur innerviert (bekanntlich hat auch die Herzmuskulatur eine Quer-
streifung).
Der Satz, der obere Kern sei der sympathische Vaguskern, ist richtig,
wenn man damit nur nicht meint, daß der nntere ganz und gar
nicht sj^mpathisch wäre, denn er enthält den inhibitorisclien Kern des
Herzens, dessen Nervensystem zum sympathischen gehört.
Zutreffend ist aber die Definition, daß bei den Säugern diejenigen
Bestandteile der hintern viszeralen Säule (es gilt nämlich aucl] für den
Accessorius) sich ventrolateral verlagern, welche quergestreifte Muskulatur
(einschließlich der Herzmuskulatur) innervieren.
Die Frage drängt sich auf, was ist die Ursache dieser Verlagerung?
Die Ursache muß, nach Analogie der andern Kernverlagerungen in
Oblongata und Miftelhirn, zweifellos auf dem Gebiete der Neurobiotaxis
gesucht werden.
Fangen wir an mit der Frage, weshalb der dorsale Kern liegen bleibt.
Das sympathische Nervensj'stem reagiert, wie bekannt, hauptsächlich
auf Reflexe. — Abgesehen von den Axonenreflexen, welche sich in den
postganglionären Neuronen dieses Systems abspielen, sind die einfachsten
Reflexe diejenigen, welche von einer sensiblen Wurzel auf motorische Kerne
übergehen, mittels eines kleinzelligen Schaltneurons (s. Kap. VI), dessen
Körper und Dendriten in den sensiblen Kernen liegen und dessen Neui'it
um die motorischen Zelle herum endet. Diese Art der Reizübertragung
spielt in dem sympathischen Nervensystem eine große Rolle.
Denn ebenso wie die Sensibilitätszentren der Eingeweide kaum sekun-
däre Bahnen zu höhern Hirnzentren aussenden, ebenso wenig stehen auch
ihre motorische Elemente unter dem Einflüsse der höhern bewußten Zentren.
Die Mehrheit der dem dorsalen motorischen X-Kern zugeführten Reize
entstammt seinem eigenen sensiblen Kern.
Diese Tatsache erklärt also die Lage der motorischen Eingeweide-
zentren in der direkten Nähe der sensiblen Zentren dieser Teile, eine Lage,
die sie bereits bei den niedersten Vertebraten einnahmen und unverändert
beibehalten.
Ln Gegensatz zu diesen Zentren sehen wir diejenigen der gestreiften
Muskulatur allmählich in der Phylogenese ihren ursprünglichen Platz ver-
lassen und in ventrolateraler Richtung wandern. — Der erste Teil der nach
der Peripherie verlagert wird, ist der hintere Abschnitt des ventralen X-
Kernes, dessen Verlagerung bereits bei den Reptilien anfängt (Herzkern?).
Bei den Vögeln sehen wir dann, wie dabei noch ein Teil des Vaguskernes
eine kleine Verlagerung erfährt, um den Nucleus intermedius mit auf-
zubauen, obschon erst bei den Säugern der Larynxkern zu einem ven-
tralen Vaguskern geworden ist. Schließlich kommt bei den Säugern der
Glossopharyngeus auch ventral und schließt sich dem, ihm funktionell ver-
wandten ventralen Vaguskern an.
Bezüglich der letztgenannten Kerne sei zuerst betont, daß ihre Wan-
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DAS MOTORISCHE SYSTEM DER SÄUÜEK. 529
(lerung mit einer Vergrößerung oder feinern Differenzierung der ihnen
zugehörigen Muskeln verbunden ist.
Das gilt an erster Stelle für die Larynxmuskulatur. — Einen total
ventral gelagerten Larynxkern findet man nur bei Säugern. Nur bei
Säugern ist auch die Larynxmuskulatur so bedeutend differenziert und aus-
gebildet, nicht bei Vögeln und Reptilien, viel weniger bei Amphibien.
Abgesehen von den Vögeln (über deren spezielle Einrichtung ich S. 502 ge-
sprochen habe) kommt erhebliche Lautproduktion auch nur bei Säugern vor.
Und dasselbe gilt für die Muskeln des Glossopharyngeus : die Musku-
latur von Pharynx, Cricothyroideus und Velum palatinuni, welche auch nur
oder doch hauptsächlich bei Säugern zu bedeutender Entwicklung gelangt.
Aus dem Vorhergehenden geht deutlich liervor, daß zentrale Ver-
änderungen und periphere Differenzierungen miteinander parallel gehen,
gerade wie das beim Hypoglossuskern und der Hypoglossusniuskulatur
der Fall war, und wie wir es bei dem Facialiskern und dessen Muskeln
wiederfinden werden.
Die Frage ist nun, kennen wir füj- den ventralen Kern des X- und
IX- die zuführenden Reflex-oder höheren Bahnen genügend, um anzugeben,
welche speziellen Reize diese Verlagerung der Kerne hervorrufen und in
welchem Zusammenhang diese mit der Weiterentwicklung der genannten
Muskelsysteme stehen?
Aus der großen Analogie der Lage des ventralen IX- und X-Kernes, welche
tatsächlich kontinuell sind, muß man schließen, daß die Bahnen, welche ihre
Verlagerung bewirken, eine topographische Übereinstimmung aufweisen.
Der wichtigste Reflexreiz der Pharynx- und Larynxmuskulatur ist
nun wohl die Tastempfindung der entsprechenden Teile der Mund-
Raclienhühle und des Kehlkopfes. Davon sind uns außer der bei der Be-
sprechung der Hypoglossusbahnen erwähnten „Via central del V-, VII- y
X-" andere Reflexbahnen des V, IX und X bekannt, welche aus dem Grau
der deszendierenden Trigeminuswurzel entstehen und, größtenteils gekreuzt,
ihre Kollateralen in den Atobiguuskern senden. Die ventralere Lage
dieser Reflexbahn ist in völliger Übereinstimmung mit der ventralen Lage
des Nucleus ambiguus.
Kurz gefaßt, wenn wir die Verbindungen ins Auge fassen, finden wir,
daß diese tatsächlich der Hauptsache nach dem ventro-lateralen Oblongata-
gebiet, namentlich dem Trigeminus entstammen.
Sie unterscheiden sich darin von den Reflexbahnen des Hypoglossus-
kernes, daß letztere nur die kurzen dorsalen Neuronen enthalten, die mehr
den Geschmackszentren des VII — IX-Kernes als den Tastzentren des V-
und IX-Nerven entstammen. Der Unterschied in der Ortsbestimmung des
dorsalen X-Kernes und des XII-Kernes einerseits und des Nucleus ambiguus
andererseits wäre somit hauptsächlich in dem verschiedenen Verlauf der
Geschmacks- und Taktilitätsbahnen zu suchen, von denen die' erstem einen
dorsalem Platz in der Oblongata beibehalten als die letztern.
KAPPF.ns. M
5o0 DAS MOTOßISCHE SYSTEM DRK SÄUcJER.
Wären wir also aucli imstande, die ventrale Lage der quergestreiften
Vekun-, Pharynx- und Larynxkerne im Lichte ihrer Reflexbahnen besser
zu verstehen, so bleibt uns vorläufig doch die ventrale Lage des Herzkernes
bei den Säugern ein Rätsel.
Nach den rezenten Untersuchungen Kosak a 's ist der Herzkern in dem
distalsten Drittel des Nucleus ambiguus und zwar in dessen ventralstem
Teil zu flnden. Dieser Abschnitt verlagerte sich bereits bei den Vögeln.
Es ist wunderbar, daß von den sympathisch innervierten Muskeln das-
Herz der einzige ist, dessen Kern sich ventral verlagert. Ob das mit Wärme-
regulierungsbahnen zusammenhängt, die bekanntlich ventrolateral in den
EoiNGEKschen Fasern lokalisiert sind und möglicherweise in der Homoio-
thermie der Vögel und Säuger eine Rolle spielen? Ich verzichte hier auf
einen Versuch zur Erklärung und möchte nur betonen, daß von einer
mechanischen Verlagerung dieses Kernteiles ebenso wenig die Rede sein
kann wie bei den übrigen Teilen des Ambiguus.
Jetzt noch einige Angaben über den Bau des Nucleus ambiguus.
Zunächst sei erwähnt dasz der Kern bei allen Säugern vorn dicker und
kompakter ist als hinten, wo er unregelmäßig in Umfang und lückenhaft wird.
Auch liegt der Kern vorn meistens etwas ventraler als hinten, sodaß
sein vorderer Teil bei einigen Tieren ganz den Eindruck machen kann als
wäre es eine direkte Eorsetzung des Facialiskernes.
Nur bei den Primaten ist der Kern etwas anders gebaut. Nachdem der
Kern dort frontal etwas dicker geworden ist, verschmälert er sich wieder
und biegt anstatt nach unten, nach oben um, wie es auch von Marburg
und Jacobsohn beschreiben worden ist. Der ventrale und dorsale Kern
nähern sich also (Fig. 285). Was die Ursache der dorsalen Umbieguug der
vordem Spitze ist, wage ich nicht zu entscheiden.
Die vordere Spitze ist in Fig. 285 (Homo) einheitlich gezeichnet.
Tatsächlich endet sie in lockeren Gruppen.
Es ist ganz auffallend, daß die Wurzelfasern des Nucl. ambiguus nicht
den kürze.'-ten Weg zu ihrer Austrittstelle nehmen, sondern erst nach oben
etwa bis zu der Stelle ziehen, wo der dorsale motorische Vaguskern liegt
und dann rückläufig zur Peripherie treten.
Dieser Umweg beweist, daß die ventralen Vaguszellen von oben nach
unten gewandert sind, wobei ihre Achsencylinder sich dementsprechend
verlängern.
Während also — wie wir bereits bei den Vögeln sahen — die Mehrheit
der. motorischen Trigeminuswurzelfasern bei höhern Tieren ihre altherkömm-
liche Verlaufsrichtung aufgegeben haben und den kürzesten Weg, direkt
zur Peripherie nehmen, ist dies bei den Vagusfasern nicht der Fall.
Vielleicht ist dies der Tatsache zuzuschreiben, daß der ganze Prozeß
der Verlagerung des Trigeminuskernes viel älterer und mehr ausgereift
ist, vielleicht auch einer Fixierung der Vagus-Wurzelfasern, wie es
(durch die DKiTERsbahn und den Abducenskern) auch bei den Facialis-
IiAS NrOTORISCIIE SYSTEM DIOR SÄUGE]{.
531
Wurzeliasern vorkommt, deren Kniebildung eine allen Anatomen seit
jeher auffallende Ersclieinung ist, welche erst in letzter Zeit durch
die Auffindung der neurobiotaktischen Verlagerungen dieses Kernes
erklärt ist.
Die Verlagerungen, teilweise durch neurobiotaktische, teilweise durch
mechanische Einflüsse, des i^aciafekernes der Säugetiere sind sehr interessant.
Ich werde mich in der Darstellung seiner Verhältnisse, in den ein-
zelnen Ordnungen dieser Klasse kurz fassen.
Der Facialiskern der Monotremen weist ein ganz anderes Verhalten
auf als bei den übrigen Säugern.
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Abducenswurzel
Fig. 27G. Dorsaler Facialiskern (rechts) und ventraler
Facialiskern (rechts iinfl links) bei Echidna.
Sowohl bei Echidna (Fig. 276) als bei Ornithorhynchus (Kölliker)
kommen zwei Facialiskerne vor: ein größerer, der sich von einer kleinen
Distanz vor der IX-Wurzel bis weit über das frontale Niveau der VII-
Wurzel ausdehnt, etwa in <ler Mitte des Oblongata-Diameters gelegen.
Der andere ist ein kleiner Zellhaufen, der sich oberhalb der vordem
Spitze des großen VII-Kernes befindet, sich etwas mehr frontalwärts aus-
dehnend als dieser. Im ventrolateralen Diameter der Oblongata zeigen diese
Facialiskerne eine Topographie, die durch die noch nicht ganz ventral
verschobene Lage des Kernes sich als bedeutend primitiver erweist als
der Kern bei den übrigen Säugern.
532 DAS MOTORISCHE SYSTEM DER SÄUGER.
Auch durch seine große frontale Ausdehnung unterscheidet sich der
Facialiskern dieser Tiere von dem der übrigen Säuger.
Die Frage läßt sich stellen, ob wir in dem frontalen Abschnitt eine
frontale Verlagerung oder eine frontale Ausdehnung infolge Vergrößerung
des Kernes zu sehen haben. Da der kaudale Pol des Kernes dieselbe Lage
einnimmt wie bei Didelphys (vergl. die Diagramme), handelt es sich offen-
bar um eine Vergrößerung, wie nicht befremdend ist.
Wir wissen, daß die Facialismuskulatiir, welche bei Reptilien (und
Vögeln) noch eine sehr einfache ist, sich bei den Säugern zu einem ganz
besondern System ausbildet. Die größte Veränderung findet in dem zirku-
lären Muskels3'stem statt, welches die Reptilien (Fig 277) als Sphincter
Colli erworben haben. Dessen oberflächliche Schicht bildet bei den Säugern das
Platysma, welches teilweise in der Halsregion, teilweise am Kopf gefunden
wird als Muse, subcutanecus Faciei. Hiervon differenzieren sich weiter der
M. orbicularis Oculi, der M. quadratus Labii inferioris und der M. mentalis.
Andere Teile der VH-Muskulatur verbinden sich bei den Säugern mit der
Ohrmuschel und mit der Nase. Auch die tiefere Schicht der Sphinkter-
inuskulatur geht weitere Differenzierungen und Ausbreitungen ein, ebenfalls
in ^^erbindung tretend mit dem Mund, den Obicularis Oris, den Triangularis
und Buccinator bildend.
Hieraus geht aufs deutlichste hervor, daß die ansehnlichen Verbin-
dungen mit dem Antlitz, welche dem Nerven den Namen eines Facialis
verschafften, erst bei den Säugern zustande kommen.
Diese Muskeln sind von großer Bedeutung für die Nahrungsaufnahme (Lip-
penmuskeln, und Buccinator) und von noch größerer Bedeutung für die Sinnes-
organe (Ringmuskeln des Auges, Nasenflügelmuskeln, undMuskeln des äußeren
und innern Ohres: Stapedius).
Diese Differenzierungen, die namentlich wichtig sind, um die eigentüm-
liche Lage des Facialiskernes bei den Säugern oberhalb der Monotremen zu
beleuchten, sind bei den Monotremen noch nicht alle vorhanden, aber der
Mangel an feinerer Differenzierung jener Muskulatur bei Echidna steht in
großem Kontrast zu ihrer enormen Ausdehnung bei diesem Tiere.
Während einige Teile sich bis zum Mund (Buccinator), Auge und Ohr
ausdehnen, erstreckt sich das Platysma hier so weit nach hinten, daß es
die Skelettmuskeln der pektoralen Region teilweise bedeckt und sich mit
der Muskulatur der vordem Gliedmaßen vermischt. Man nimmt an, daß
dieser Partie eine besondere Rolle bei der Aufrechtstellung der Stacheln
der vordem Körperhälfte zukommt, da ihre Muskelbündel sich bis an die
Stacheln (Rüge) verfolgen lassen.
Mit dieser enormen Entwicklung der VH-Muskulatur bei Echidna steht
der Umstand in völliger tjbereinslimmung, daß der Kern des siebenten
Nerven bei diesem Tiere einen Umfang angenommen hat, wie er sonst
wohl nirgends vorkommt.
Der Facialis spielt hier eine große Rolle in der Verteidigung.
DAS MOTORISCHE SYSTEM ÜEK SAUGER.
533
Die Reize, welche seine Reflexe auslösen, sind überwiegend Reize,
des sensiblen Trigeminus, der bei den Monotremen (Fig. 158) ganz enorm ent-
wickelt ist und sich in großer Ausbreitung über die Kopf- und Nacken-
region ausdehnt, sodaß die Facialismu,skulaturregion von einer Haut bedeckt
ist, welche dem Trigeminus angehört.
Vorderster Geschmackskern.
VII Kern. — »■i-v' '.v'''
Dendriten.
Hai.
A
Facialis-Muskulatur Hai (n. Rüge).
Facialiskern: Scylliura canicula.
VII-Kern. ■\r' "i
Eidechse.
Facialis-Muskulatur Varan (n. Rüge).
Facialiskerne : Varanus Salvator«
Achaenzyl.— * ■^«.ic ,, ■/ \
VII Kern. ^*^lMv-~'7=^r^v^>-.
Facialiskern: Rodentier (Mus museulus).
Maus.
C
Facialis-rauskulatur Rodentier
(n. Parsons).
Fig. 277. Phylogenetisches Verhalten des Facialiskernes
und der Facialis-Muskulatur.
Angesichts dieser Tatsache läßt es sich begreifen, daß, gerade wie bei
den Vögeln der VII-Kern sich frontalwärts in das Reflexareal des Tri-
geminuskernes verlagerte, auch bei Echidna die Vergröszerung des Kernes
in dieser Richtung stattfindet, sodaß er sich fast direkt dem kleinen mo-
torischen Trigeminuskern anschließt, dessen Funktion er außerdem unter-
stützt, ja übernimmt, weil diese Tiere kaum kauen, sondern die Nahrung
(meistens AVürmer) zu sich nehmen, indem sie sie in der engen Mundspalte
534 DAS MOTOItlSCHE SYSTEM DER SÄUGER.
aufsaugen, wobei dem vom Facialis innervierten Buccinator eine erhebliche
Rolle zukommen dürfte.
Wir finden somit die Größe und Lage des VII-Kernes dieses Tieres
in auffallendem Einklang mit der Größe und Funktion seiner Muskulatur.
Wie diese Funktionen sich über die beiden (den kleinen dorsalen und den
großen ventraleren Kern) verteilen, ist uns vorläufig unbekannt.
Was den Facialis-Kern der übrigen Säuger anbelangt, so stimmen
diese alle darin überein, daß er dort eine Lage (Fig. 277—79) kaudal von
seinem Wurzeleintritt einnimmt. Nur bei Anthropomorphen und Menschen
fallen, durch die kaudale Verlagerung des Vll-Wurzeleintrittes (infolge
des Wachstums der Brücke), Wurzeleintritt und Kern etwa auf dasselbe
Niveau (Fig. 285).
Die kaudale Lage des VILKernes fand sich schon bei vielen niederen
Tieren.
Wir finden hierin also ein Erbteil unserer Vorfahren.
Insofern muß diese Lage erläutert werden, als man anzugeben hat,
weshalb sie bei den Säugern, im Gegensatz zu den Vögeln, bliebt.
Diese Erklärung i;-t eine leichte, wenn wir daran denken, welche
Faktoren die kaudale ^"erlagerung ursprünglich hervorgerufen haben
und sehen, daß diese Faktoren bei den Vögeln fast verloren gegangen
sind, aber bei den Säugern fortbestehen : die Entwicklung eines großen
Geschmackskernes auf einem Niveau weit hinter dem Vll-Wurzeleintritt.
Denn genau wie bei Reptilien und Fischen die sensible Facialiswurzel
rückwärts läuft, um erst auf dem Niveau des IX. Wurzeleintrittes zu enden,
wo sie mit den Geschmacksfasern des letztern den Geschmackskern bildet,
ist dies auch bei den Säugern der Fall.
Wir finden schon bei Säugetierembryonen die Anlage des motorischen
VII-Kernes kaudal von seinem Wurzeleintritt, sei es auch in dorsaler
Lage (His).
Später wird diese dorsale Lage aufgegeben und wandert der Kern ganz
ventralwärts, während nur ein kleiner Teil seiner Zellen, worüber ich später
(S. 537) mehr sagen werde, weiter in dorsaler Lage verharrt.
Der Hauptkern, welcher der Antlitz- (und Stapedius-)Muskulatur ent-
spricht, wandert ventralwärts und lagert sich bei den niedern Säugern
(Fig. 278 — 79) kaudal (und etwas medial) von der obern Olive.
Wo die Olive ein großes Wachstum aufweist, wird der Kern manch-
mal noch mehr nach hinten gedrückt, wie es namentlich bei Hund (Fig.
283), Katze und bei Phoca der Fall ist.
Bei noch höhern Säugern verlagert er sich allmählich, lateral von der
Olive, wieder etwas frontal wärts. (\"ergl. Fig. 285).
Daß der Facialiskern sich bei denjenigen Tieren, bei denen seine
Muskulatur mit den Sinnesorganen (Augenlider, Nase, Ohr) in Verbindung
getreten ist, ventral verlagert, kann uns nicht wundern, weil die Reflex-
bahnen dieser Sinnesorgane größtenteils ventral in der Oblongata liegen.
DAS MOTOKISCIIE SYSTEM DKR SÄUGER.
535
Die wichtigsten Refiexsj'sleme für die Facialismuskulatur sind der sen-
sible Trigeminus (der aucli seine Muskelsensibilität führen soll) und die Olive.
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Nucleus Nervi facial.
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Eintrittsniveau
der Facialiswurzel.
Pons.
Fig. 278. Facialis- und Trigeminuskern bei Onycliogale.
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-Nu. V
Pons.
Nu. facialis. Oliva Sup
Fig. -79. Facialis- und Trigeminnskern beim Igel
Eintrittsniveau
der Facialiswurzel.
Der erste Trigeminusast, welcher die Augen-, Stirn- und Nasenhaut-
region innerviert (Fig. 159), verläuft in dem ventralsten Drittel dieser
Wurzel.
536 DAS MOTORISCHE SYSTEM DER SÄUGER
Es ist klar, daß der wichtigste Reizübermittler der Kopfhaut zur
Facialismuskulatur dieser erste Ast ist, der nahe am Boden der Oblongata
verläuft.
Dabei hat Cajal gefunden, daß auch die Olivenzellen eine Reihe von
kurzen Reflexneuronen zu dem motorischen Facialiskern senden. Bei dem
Einflüsse des Hörens auf den Stapedius und die Orhmuschel (Pferde, Ves-
perugo, etc.) ist also auch Annäherung dieses Kernes zur oberen Olive zu
erwarten (Fig. 278 und 279).
Es ist nicht auszuschließen, daß auch die Entwiekhmg der Facialispyramide
auf die ventrale Lage dieses Kernes einen Einfluß ausübt. Immerhin ist es, nament-
lich nach den Untersuchungen von Toyofuku bewiesen, daß das Ausbleiben dieses
Einflusses nicht genügt, die ventrale Verlagerung dieses Kernes zu hemmen, denn
bei menschlichen Mißbildungen ohne Facialispyramide, aber mit gut erhaltener
Olive un.l Trigeminus, war der Kern doch ventral gewandert. H. Vogt hat dagegen
in zwei Fällen, wo sowohl die Pyramide nicht angelegt war als auch die übrigen
reflektorischen Gebilde der Oblongata, nämlich die obere Olive, verkümmert waren,
ein teil weises Ausbleiben der ventralen Verlagerung konstatieren können.
Daß übrigens der Einfluß der niedern Reflexsysteme ein bedeutend größerer
ist, geht auch bereits aus der normalen Anatomie des Facialiskernes bei den höhern
iSäugern, nämlich bei den Anthropomorphen, Aften und dem Menschen hervor.
Wie bereits oben angegeben- wurde, verlagert sich der Facialiskern bei den
höchsten Tieren und dem Menschen von der hintern Seite der Olive zur lateralen.
Durch diese Verlagerung entfernt er sich eben von den nahe der ventralen Mit-
tellinie der Oblongata emporstrebend verlaufenden und schmiegt sich der deszen-
dierenden Trigeminuswurzel näher an, zwischen welcher und der obern Olive
er dann liegt. Dann schiebt er sich auch wieder weiter frontalwärts. Sowohl die
ventrale als die laterale Verlagerung an der Stelle zwischen deszendierender V-Wurzel
und der Olive, als auch die neue frontale Verschiebung sprechen alle für den
überwiegenden neurobiotaktischen Einfluß der erstgenanuten Eeflexsysteme auf den
Facialiskern.
In Hinsicht auf die Zellgruppierungen, welche der ventrale Facialis-
kern der Säugetiere bei den verschiedenen (Ordnungen dieser Klasse auf-
weist, möchte ich auf die Untersuchungen hinweisen, welche Yagita über
den Ursprung der einzelnen Muskeln dieser Nerven innerhalb des Kernes
angestellt hat, welche bekanntlich bereits von Van Gehuchten und von
Marinesco u. a. inauguriert waren.
Yagita fand, daß der Kern mit Ausnahme seiner distalen und proxi-
malen Pole eine deutliche Einteilung in eine dorsale und eine ventrale
Abteilung aufweist. Nur beim Menschen ist die dorsale Abteilung die
größere, bei den Tieren die ventrale. In seinem mittlem Abschnitt weist
der Kern noch eine intermediäre Gruppe auf, die beim Menschen nur
schwach entwickelt ist und beim Kaninchen mit der ventralen Abteilung
verschmilzt. Die dorsale Abteilung entsendet den oberen Facialisast, die
intermediäre die Ohrenäste und die untere Abteilung den unteren Facialisast.
Es ist namentlich klinisch wichtig, zu wissen, daß — wie Yagita in Über-
einstimmung mit den meisten übrigen Autoren gefunden hat — der obere Facialisast
aus dem dorsolateralen (Hund) bezw. aus dem dorsalen Abschnitt (Kaninchen) entsteht.
DAS MOTORISCHE SYSTEM DEK SÄUGER. Ool
Die Äste, welche die äußern Ohrmuskeln innervieren, entspringen beim
Hunde aus dem lateralen Abschnitt der intermediären Abteilung, beim Kaninchen
mit großer Wahrscheinlichkeit ans der medialen Ventralgruppe. Eine Lokalisation
für den Muse, stapedius erwähnt er nicht. Er fand aber, daß bei Ausreißung der
Vll-Wurzel aus dem Eoramen styloinastoideum die vordere Spitze des VII-Kerues
keine Degeneration aufwies. Dies kann auf einem Intaktbleiben des Stapediusastes
beruhen.
Beim Hunde bildet die ventrale Kernabteilung das Zentrum des untern
Facialisastes, in dem Sinne, daß der mediale Teil davon den N. subcutaneus Colli
superior abgibt, während die mittlere und laterale Ventralgruppe zum Muiidfacialis
in Beziehung steht.
Noch bleiben 2
und eine hintere.
Der dorsale VII-
Kern von Phoca, Pho-
caena und Mensch
(Fig. 280) hat in
Bezug auf den übri-
gen VII-Kern eine
ähnliche Lage wie
der dorsale VII-
Kern von Echidna,
d. h. er liegt auf dem
vordem Niveau des
Kernes und wurde
deshalb früher von
Pacetti und andern
als ein ventral ge-
bliebener Rest des
Abducenskernes be-
trachtet, was durch
sein Erhaltenbleiben
bei Abducenswurzel-
Degeneration(v.VAi.-
kenbukg) als unrich-
tig bewiesen ist.
wei dorsale Zellgruppen zu erwähnen : eine vordere
Nu. abd.'
N. abd.— i»
Ql.Sup.
Dorsaler und ventraler Facialiskern
beim Menschen.
Fig. 280.
Die Entwick-
lung dieses dorsalen
VII-Kernes des Menschen wurde von Van Valkenburg bei verschiedenen
menschlichen Fötussen verfolgt.
Seine Lage läßt uns vermuten, dali er ähnlich, wie die gleich zu
erwähnende kaudaleren dorsalen Facialis-Kernreste (s. u.) eine sympathische
Funktion iiat.
Die frontale Lage dieses Kernteiles spricht nicht dafür, tlaß wir hierin
538
DAS MIJTOKISCHE SYSTEM DER SÄUGER.
Nu. Deiters.
Nu. sal. VII
Nu. sal.VII.
Fig. 281. Facialis-Speichelzentrum beim Hunde, n.
Yagita und H.wama.
Nu. Sal.
post. (IX)
Fig. 282. Glossopharyngeus-Speiclielzentruin
beim Hunde, n. Yagit.\
DAS .MOTORISCHE SYSTEM DER SÄUGER. 539
ein Speichselsekretionszentrnm sehen müssen, weil das Geschmackszentrum
viel kaudaler liegt. Yagita hat aber neuerdings nachweisen können, daß die
in ihm entstehenden zentrifugalen Fasern im Ganglion s])lieno-palatinum
enden (durch den N. petros. sup. maj.), sodaß seine Funktion jedenfalls
zusammenhängt mit einer der Funktionen dieses s^ympathischen Ganglions
(Fig. 100 Sph. p.), wahrscheinlich mit sympathischen Gaumensegelästen.
Von den kaudalen dorsalen Facialiszellen des Hundes haben wir durch
die eingehenden Untersuchungen desselben Forschers und Hayama mehr
Sicherheit. Die Verbindungen, welche dieser Kern aufweist, sprechen sehr
stark für den neurobiotaktischen Einfluß der Reize auf ihre Lage (Fig. 281).
Diese Autoren haben nämlich gezeigt, daß der motorische Kern des-
jenigen Facialisteiles, welcher die speichselsekretorischen Fasern der Chorda
Tympani (Gl. submaxillaris und Gl. subungualis) enthält, nicht in dem
ventralen Facialiskern gelegen ist i), sondern in dieser Gruppe von dorsaler
liegenden Zellen, die größtenteils in der Nähe des sensiblen Facialiskernes,
teilweise an der deszendierenden V-\Vurzel entlang gelegen sind.
Eis ist nicht befremdend, daß diese hauptsächlich durch sensible Syra-
pathicusfasern reflectorisch beeinflußten Nervenzellen die ursprüngliche
mehr dorsale Lage in der Nähe der sensiblen Kerne beibehalten. Die
Auswanderung einiger dieser Zellen an dem Grau der deszendierenden V-
Wurzel entlang stimmt mit den Gesetzen der Neurobiotaxis überein, d.h. mit
der Tatsache, daß die obern zwei Drittel der deszendierenden Trigeminus-
wurzel die Mund- und Kieferäste dieses Nerven führen und oft von
sekundären Geschmacksneuronen begleitet werden. (Fig. 228).
Das primitive Verhalten des Facialis-Speichelzentrums in der Nähe
des sensiblen Geschmackszentrums zeigt eine noch größere Ähnlichkeit mit
dem primitiven Verhalten des Facialiskernes, weil nach den Untersuchun-
gen der genannten Autoren bei Säugern das Vll-Speichelzentrum fost eirie
Gruppe mit dem Glossopharyngeusspeichelzentrum (N.tympanicus: Gl. parotis)
darstellt. Dessen Zellen bilden (Fig. 282) die kaudale Fortsetzung des VII-
Speichelzentrums und dehnen sich nach hinten bis auf das transversale
Niveau der vordem Ambiguusspitze aus, wie es in dem Diagramm von
Canis angegeben ist (Fig. 283).
Schließlich möclite ich hier dem N'erlauf und namentlich der Austritt-
stelle der VII- Wurzel einige Worte widmen. Daß der eigentümliche knie-
förmige Verlauf der Facialiswurzel der phylogenetischen und ontogenetischen
Verlagerung ihres Kernes entspricht, ist ohne weiteres klar. — Dabei dient
der Abducenskern, der in seinem vordem Knie liegt, manchmal als Fixier-
punkt, nicht als Ursache des Knies, wie leicht dadurch bewiesen werden
kann, daß das vordere Knie der Vll-Wurzel sich auch dort findet, wo der
VI-Kern ventral liegt (Teleostier), oder fehlt (Talpa) Bei manchen niedern
') Dies ging schon aus zwei klinischen Beobachtungen Köster's hervor. Aich. f. l;lin.
Med. Bnil. 48.
540
DAS MOTORISCHE SYSTEM DER SÄUGER.
Tieren wird das vordere Knie nicht von dem VI-Kern, sondern von den
Fibrae arcuatae dorsales des Oetavusgebietes fixiert und bei Talpa (wo der
Abducenskern ganz fehlt) besteht das Knie auch (und zwar an derselben
Stelle) und wird fixiert vom Deitersbündel.
Es gibt noch eine Knickung der Facialis wurzel, die im Gegensatz zu
dem dorsal liegenden Knie als Genu inferius s. ventrale zu bezeichnen wäre.
Dieses Genu inferius (Fig. 287) kommt nur bei Tieren vor, welche
einen großen Trigeminuskern haben und bei denen überdies der Facialis-
wurzelaustritt (durch starke Entwicklung des Corpus trapezoides) nach
vorn gedrängt ist. Der V-Kern oder die ihn direkt umgebenden retikulären
Fis. 283. Hund.
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Fig. 284. Niederer Affe (Oedipomidas)
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Fig. 285. Mensch.
Diagrammatische Darstellung des topographischen Verhaltens der motorischen Wurzelnund Kerne beim Hunde,
Allen und Mensclien (mit einem Nu. IV posterior). Der ventrale X Kern dehnt
sich etwas weiter nach hinten aus als hier angegeben ist.
Zellen üben dann einen kandalen Druck auf die Vll-Wurzel, etwa in der
Mitte iln-es austretenden Schenkels, aus. Dieses Knie ist namentlich bei
Katze und Hund, aber auch beim Pferde sehr deutlich.
DAS MOTORISCHE SYSTEM DER SAUGER.
041,
Die hintere Grenze der hierdurch entstehenden kaiidalen Konvexität der Wurzel
ist in Fig. 283 durch einen dicken vertikalen Strich, etwa in der Mitte der Oblongata,
hinter dem Niveau des Vll-Wurzeleintrittes, augegeben. Man sieht deutlich, daß
diese Linie beim des Hunde weit kaudal vom Facialiswurzeleiiitrittsuiveau liegt.
Bei den anthropomorphen Affen und dem Menschen di-;ingt die kaudale
Vergrößerung der Brücke den \'II-Wurzelaustritt kandalwärts (vergleiche
die Diagramme von Hund und Mensch: Fig. 283, 285 und S. 546), und
verschwindet das Genu inferius.
H'i-H-H
X^
IX
Schild-
kröte.
-mL
Wüsten-
eidechse.
TP.
Fig. 286. Topographisches Verhalten des Abducens Kernes und dessen Wurzelbündel,
in Bezug auf den Trigeminus-, Facialis- und Glossopharyngeus-Wurzelaustritt
in der Reihe der Wirbeltiere.
Bezüghch des Abducenskernes der Säugetiere kann ich mich kurz fassen,
da dieser Kern seine Hauptveränderungen bereits unterhalb der Klasse
der Mammalier aufweist (Fig. 286).
Wir haben gesehen, daß der Kern bei den Zyklostomen in der ein-
heitlichen Zellsäule des V- und VH-Kernes und bei den Haien zwischen
VH- und IX-Wurzel in einer dorsalen Ebene liegt, während er bei Knochen-
Mensch.
542 DAS MOTORISCHE SYSTEM DER SÄUGER.
tischen in zwei ventralen Gruppen vorkommt, von denen die vordere
auf einem etwas frontaleren Niveau gelegen ist.
Dann haben wir gefunden, daß der Kern beim Frosch wieder eine
ähnliche Lage hat wie bei den Haien, d. h. daß er weit hinter dem Vll-Wurzel-
eintritt bleibt, zwischen dessen Niveau und demjenigen der IX-Wurzel. Bei
den Reptilien findet dann die Weiterentwicklung statt, welche zu dem Typus
der höhern Tiere führt und sich darin offenbart, daß der VI- Kern bei
A lüg ator und Schildkröte bereits eine Ausdehnung nach vorn erlangt, sodaß
er sich bis zu dem Niveau der Vll-Wurzel erstreckt. Immerhin bleibt sein
kaudaler Abschnitt hier noch nahe dem Niveau der IX-Wurzel (Fig. 286).
Gleichzeitig mit dieser Verlagerung der frontalen Spitze des VI-Kernes
nach vorwärts sieht man einen Teil seiner Wurzeln eine mehr frontale
Lage einnehmen.
Bei Schlangen und Eidechsen geht dieser Prozeß weiter, während bei
der Boa der Kaudalpol des Kernes sich auch frontal verlagert und sich
weit vom IX entfernt. Bei den Eidechsen liegt der ganze Kern mehr frontal,
etwa mit seinem Zentrum auf dem VII- Wurzelniveau. Bei diesen Tieren
haben sich auch die Wurzeln sich noch weiter frontal verlagert, und ist
der Abducens tatsächlich der 6. Nerv geworden, d. h. er tritt ganz frontal
von der Vll-Wurzel aus.
Ähnliche, Zustände fanden wir bei den Vögeln.
Daß bei den ausgewachsenen Säugern der VI auch wirklich etwas
frontal vom VII-Austritt und sein Kern in ähnlicher frontaler Lage vor-
kommt wie bei Eidechsen und Vögeln, brauche ich nicht zu betonen.
Er hat eben der Säugeranatomie seinen Namen als 6. Nerv zu danken.
Einige ontogenetisehe Tatsachen will ich hier anführen zum Beweise dafür,
daß der interressante Prozeß der Wanderung, welchen der Kern während der
Phylogenese aufweist, sich ontogeuetisch bei Säugern wiederholt.
Bei Embryonen findet man die frontale Verschiebung wieder, wie von Steketkr
dargelegt ist.
Bei menschlichen und tierischen Embryonen kann mau in einem jungen
Stadium (Mensch von 10 mm) auf dem Boden des 4. Ventrikels eine Einteilung
durch Grübchen wahrnemen, die anscheinend eine neuromere Bedeutung haben.
Nennt man mit Stkeeteb diese Grübchen a, b, c, d, e und/, dann entsprechen
die Grübchen a und h dem V, e dem VII, A dem VI, e dem IX und / dem X
Nerven.
Bei jungen Embryonen findet man den VI-Kern und Wurzel also unter dem
Grübchen rf, ja sogar wohl einmal teilweise unter dem Grübchen e (IX). Dies
entspricht einer Lage hinter dem VII (c), ja sogar teilweise auf dem IX-Niveau,
wie ich es phylogenetisch bei niedern Tieren fand.
Bei fortsehi-eitender Entwicklung aber verschiebt sich der Abducenskern frou-
talwärts und gelangt er auf das Niveau der VII Wurzel, deren Kern gerade umge-
kehrt, nämlich kaudalwärts (zu gleicher Zeit ventrokteralwärts) wandert. Auch
die Wahrnehmungen Beemers's und Elze's sind interessant in dieser Hinsicht,
weil diese Untersucher fanden, daß bei jungen Embryonen der Abducens nicht
selten eine Eeihe von Würzelchen und eine entsprechende kaudalwärts gerichtete
Verlängerung seines Ursprungskernes bis zur Eegion des 5 Neuromers des
DAS >rOTORISCHK SYSTEM DEK SAUGER.
543
lihombeuzephalon zeigt. Dies sind öfters aberrante Würzelchen, die ihre End-
stelle, den Muskel, nicht erreichen, sondern sich in dem lockern Mesenehym
verlieren.
Dies will also besagen, daß ebenso wie der Kern sich kaudaler anlegt, auch
kaudaler angelegte Wiirzelchen vorkommen, wie man es entsprechend der Phylogenie
erwarten konnte und wie es auch von Caepexter und Belooolowt für die Vögel
gezeigt wurde.
Man findet somit in der Ontogenie Wiederholungen der in meiner phylo-
genetischen Darstellung gegebeneu Erscheinungen.
Nur bei wenigen Säugern (Carnivoren und Phocaena) findet man den
Abducenskern noch medial neben dem zentralen Längsbundel (Fig. 287).
Stria Mon.
und Deiters Tr.
Hör. VII Würz.
Hinterpol des
mot. V Kerir^
mit Genuinf.'
des vn.
I
-Nu. VI
■ R. VI
Fig. 287. Lage des Abducenskernes bei der Katze,
neben dem Fase. long, centr. unter der
horizontalen Facialiswurzel.
Meistens unterscheidet sich der VI-Kern der Säugetiere insofern von
dem der Vögel, daß seine Zellen nicht mehr so dicht neben dem zen-
tralen Längsbündel liegen, .sondern mehr dorsolateralwärts wandern.
Die Zellen liegen demzufolge nicht mehr wnter dem horizontalen
Schenkel der VII- Wurzel, sondern zu einem nicht geringen Teil lateral
oder sogar dorsolateral davon, viel näher dem Ventrikelboden, wie es
namentlich Kaninchen, Pferd und Mensch zeigen (Fig. 288 und 280).
Diese Verlagerung findet auch ihren Ausdruck in einer latero-dorsalen
Bucht, welche die VI- Wurzel dort macht.
Die latero-dorsale Verlagerung des Abducenskernes bei manchen Säu-
gern weist auf die innigeren Verbindungen, welche sich bei diesen Tieren
544
DAS MOTORISCHE SYSTEM DER SAUGER.
mit dem gleichseitigen Deiterskern und dem Nucleus triangularis oder
principalis Vestibuli bilden.
FusE (1912) hat augegebeu, daß der VI-Kern in einen Ventrikelboden- und
einen Eetikularisteil getrennt werden kann. Der erstgenannte Teil, der mehr dorso-
lateral, neben dem Faeialis-Knie liegt, enthält hauptsächlich Zellen von gemischter
Größe. Der zweite Teil aber, der Hauptkern, enthält große Zellen.
Es zeigen sich nun Modifikatinnen in diesem Komplex, in dem Sinne, daß
sich z. B. bei Hund und Katze die großen Hauptzellen fast nur unterhalb des
VII-Knies in dem Eetikularteil finden, doch bei Kaninchen, Ziege und Macacus
in dem Ventrikelbodenteil, lateral vom VIl-Knie.
Die kleinen und mittelgroßen Zellen, welche von Fuse zum Abducens- Kern
gerechnet werden, geben aber nach seinen eigenen Expei-imenten keine Abducens-
F;r
K
Hör. Nu. '
VII Würz. triaiig. VIII
-v/-
.■• ---.v.
/♦ .■;^^
' Nu. Deiters.
I I <. J^ Nu. VI
•^ R. VI
r>r'\
Fig. 288. Lage des .\bducensUernes des Kaninchens neben der horiz. VII Wuizel
von dem Fase. long. post. entfernt in der Richtung des Nu. Deitkrs
und des Nu. triangularis Vestibularis.
wurzeln ab, ja der genannte Ventrikelbodenteil kommt sogar bei dem Maulwurf vor,
„dem", wie Fuse selber betont, „der Nervus abducens vollständig fehlt". — Seine
Angabe läuft also darauf hinaus, daß der wirkliche Abducenswurzelkern (sein
Hauptkern) bei Hund und Katze mehr unter dem VII liegt in der Substantia
reticularis dorsalis, neben dem Längsbündel, daß er aber bei Kaninchen,
Ziege und Macacus (also ein Rodentier, ein Ungulat und ein Primat) zu einem
nicht geringen Teil lateral vom VIl-Knie liege, wie von mir bereits 1910 erwähnt wurde.
Daß tatsächlich die kleinen und die mittelgroßen Zellen des Abducenskernes
nicht Wurzelzellen sind, dafür sprechen auch Wurzeldurchsclineidungsversuche.
Übrigens geht man m. E. zu weit, wenn man die Elemente, welche keine
wirklichen Wurzeleleraente sind, als Abducenskern erwähnt und so dem Maul-
wurf einen Abducens-Kern zuschreibt.
Daß sich vielen Kernen der Oblongata während der Ph_ylogenese kleinere
DAS MOTORISCHK SYSTKM DICR SAlHIKi;.
545
Elemente aus der Umgebung hinzugesellen, habe ich bereits betont (auch
bei den retikulären großzelligen Kernen der Oblongata ist es der Fall, van
Hoevell; vergl. auch S. 519).
Der Trigemiiiuskern der verschiedenen Säuger bietet keine prinzipiellen
Unterschiede bei den verschiedenen Repräsentanten dieser Klasse.
Bei fast allen Säugern, namentlich aber bei den hölieren, unter-
scheidet sich der V-Kern von demjenigen der ^'ögel und demjenigen der
Reptilien durch einen viel größern Gehalt an kleinen und mittelgroßen
Zellen, welche den Kern umgeben und in ihn hinein zerstreut liegen.
Namentlich an dem Hinterpole des Kernes ist dieser Zusatz von nicht als
Wurzelzellen zu betrachtenden Elementen sehr groß.
Bei Monotremen, wo der Kern vielleicht etwas dorsaler liegt, ist er
nur klein, in Übereinstimmung mit der von Gegenbaur erwähnten
Tatsache, daß das Muskelsystem des V hier noch wenig entwickelt ist,
nämlich der M. masseter und der
M. temporalis. Bekanntlich hat
Echidna auch keine Zähne und
kaut sie ihre Nahrung nicht.
Die größte Ausdehnung er-
reicht der Kern bei den Kar-
nivoren, nämlich bei Phoca und
Canis; aber auch beim Pferde,
ist der Kern sehr stark ent-
wickelt (Fig. 289 A).
Frontal- oder kaudalwärts
verschiebt sich der Kern nicht
erheblich bei den Säugern. Nur
bei Echidna liegt er frontaler,
was zweifellos eine Folge der
enormen frontalen Ausdehnung
der sensiblen V-Wurzel ist, welche seine Lage bestimmt. Namentlich der
obere und mittlere Teil dieser Wurzel, welcher die Kiefer- und Mund-
sensibilität beherrscht, hat auf seine Topographie Einfluß (vergl. Fig. 289 B).
Daß der Kern nicht ganz auf dem Niveau des frontalen sensiblen V-
Kernes liegt, sondern frontalwärts darüber hinausragt, hängt vielleicht damit
zusammen, daß er so viele Axonen (also Reize) von der mesenzephalischen
V-Wurzel empfängt (Willems; S. 343).
Bei einigen Säugern (Fig. 289 B) zeigen sich in direkter Nähe des
Nucleus masticatorius die Zellen der sensiblen mesenzephalen Quintus-
wurzel, durch ihre Birnform gekennzeichnet (siehe das Kapitel über die
Branchialnerven, S. 342).
Der motorische Wurzeleintritt, ursprünglich ziemlich frontal, wird bei
höhern Tieren durch das Wachstum der Brücke rückwärts verlagert, sodaß
der motorische V-Wurzelaustritt sich mehr und mehr dem Vll-Wurzelaus-
K\PPERS. '"^ä
/?.C ^na
/nr
Of iv/.
Fig. 289 A.
tt-irlZK
Trigerainus Kern des Pferdes,
nach V. Horveli,.
546
PAS MOTORISCHE SYSTEM DER SÄUGER.
tritt nähert. Dies geht aber nur bis zu einer gewissen Grenze, wo die
Wurzel anfängt, eben durch die Brücke hindurch auszutreten.
Etwa von diesem Stadium an wird dann die VII- Wurzel durch den weiter
kaudalwärts sich au.sdehnenden hintern Brückenrand nach hinten gedrängt, wie ich
oben bei der Besprechung dieses Nerven erwähnt habe. Infolgedessen wird die
Distanz zwischen V- und Vll-Wurzelaustritt bei den Primaten wieder recht groß.
Die Ontogenie des V-Kernes, welche von Van Valkenburg beim
Menschen studiert wurde, zeigt interessante Anklänge an die Phylogenie.
Cereb. Nu. nies V Nu sens. front. V
äg§^«4VS^-
R. niot. V
Nu. niot. V
Nu. ret sup.
Fig. 289 B. Der mesenzephale, der frontale sensible und
der motorische Trigeminuskern beim Kaninchen.
Gerade so, wie der Kern phylogenetisch dorsal entsteht, entsteht er
auch ontogenetisch dorsal und verlagert er sich erst allmählich in ventro-
lateraler Richtung. Interessant ist dabei, daß die hintern Zellen zuerst
ventralwärts wanderen, während die vordem bei Säugerembryonen noch
eine Zeitlang einen dorsaleren Platz beibehalten.
Interessant ist auch der Befund Van Valkenbuhg's, der bei einem mensch-
lichen Fötus hinter der Hauptmasse des Trigeminuskernes einen kleinern davon
getrennten Kern fand, der sieh später wieder mit dem Hauptkern vereinigte. Wir
finden, wie ich bei den Fischen und Reptilien (Alligator) betont habe, auch dort
nicht selten eine Absplitterung des hintern Abschnittes. Dort ist es derjenige Teil
des Kernes, welcher zuerst die ventrale Wanderung anfängt. Ob der Isolierung
des erwähnten Nueleus trigemini posterior Van Valkenbuhg's eine ähnliche Be-
deutung zukommt, ist vorläufig nicht entschieden.
Die vordem Augenmuskelkenie der Säuger haben manche gemeinsame
Kennzeichen.
DAS MOTORISCHE SYSTE^[ DEK SÄUGER.
547
Der Trochleariskern der Säuger liegt unterhalb des Ventrikels auf dem
zentralen Längsbündel und seitlich davon, teilweise darin eingelagert.
Nur beim Pferd fand Vermeulen, wie Tsüchida, eine ventrale Lage
dieses Kernes (Fig. 291) in Bezug auf das Längsbündel.
Bezüglich der Anschmiegung von kleinern retikulären Elementen an
den Trochleariskern, wie es in der Nähe des Hypoglossnskernes und beim
Abducen.s- und Trigeminuskern so deutlich ist, sei erwähnt, daß diese
Elemente auch hier reichlich vorhanden sind und vielleicht auch teilweise
in dem Kern vorkommen.
Auch oberhalb des Kernes, neben der ventralen Spalte des Aquäduk-
tes sammelt sich hier eine Anzahl kleinerer Höhlengran-Elemente an,
welche aber keine Verschmelzung mit dem Trochleariskern zeigen, mehr
auf einer Distanz davon bleiben, wie
Raphe- V / GS aucli bei dem Hypoglossuskern
vorkommt.
Zellen
Nu. IV
Raphe-
Zbllen ■
Nu. IV
•••-^^i'ii»^
im-
Fig. 290. Trochleariskern des
Kaninchens.
Fig. 291. Trochleariskern
des Pferdes.
In dem Verhalten des Trochleariskernes zum Oculomotoriuskern,
liegen drei verschiedene Zustände vor.
Eine deutliche Trennung beider Kerne (wie wir es bei manchen Rep-
tilien fanden) kommt vor bei Echidna.
Nach Van Valkenburg liegt auch bei der Katze eine, aber sehr viel
kleinere Lücke vor.
Eine zweite Art von Trennung der beiden Kerne kann darin bestehen,
daß sie nur von einer mehr oder weniger gut ausgeprägten Marklamelle
geschieden werden, älnilich wie die venschiedenen Abteilungen des Oculo-
motoriuskernes der Vögel voneinander getrennt sein können. — Eine erheb-
liche Entfernung scheidet die Kerne dann nicht.
Die dritte Form des Verhältnis.ses zwischen IV- und III-Kern ist der
direkte Übergang des einen in den andern und zwar immer so, daß der
IV-Kern sieht in den dorsolateralen III-Kern fortsetzt.
Es ist sehr interessant, daß selbst beim Pferde, wo der IV-Kern ventral vom
548
DAS MOTORISCHE SYSTEM DER SAT'GER.
Rad. IV Nu. IV post.
Längsbündel liegt, und der dorsolaterale III- Kern seineu gewöhnliehen Platz
oberhalb dieses Bündels bewahrt hat, der erstgenannte Kern doch in den dorso-
lateralen III-Kern übergeht, nicht in den ventromedialen Kern. Die verbindenden
Zellen liegen dort im Längsbüudel, in schräger ventrodorsaler Bichtung, in einigen
spärlichen Eeihen.
Eine merkwürdige Eigentümlichkeit in dem Aufbau dieses Kernes
wurde von Tsuchida beim Menschen endeckt, und von Van Valkenburg
und mir bestätigt: die Spaltung des Trochleariskernes (Fig. 296) in
eine größere frontale Gruppe und eine kleinere hintere Gruppe. In
dem Diagramm habe ich einen solchen Fall gezeichnet.
Daß die Erscheinung, welche von Tsuchida bei 20 °l^ — 30 °/o seines
menschlichen Materials gefunden
wurde, gewöhnlich einseitig vor-
kommt, ist bereits von diesem
Autor betont. Auch Van Val-
kenburg fand es entweder nur
an einer Seite oder wenigstens
viel deutlicher an einer Seite.
Eigentümlich ist, daß seinen 3
Fällen, wie auch in meinem
l'^alle (Fig. 292) der Nucl.
Trochlearis posterior stets links
vorkam.
Wir haben in der Phyloge-
nese gesehen, daß der Kern sich
allmählich frontal verlagert und
erst sekundär einen Anschluß
an den Oculomotoriuskern er-
hält.
In Übereinstimmung mit dieser Phylogenese ist die Ontogenese des
Trochleariskernes beim Menschen, wie wir ihn durch Streeter kennen.
Bei einem menschlichen Embryo von 10 mm. fand dieser Autor eine
bedeutende Lücke zwischen dem W- und dem III-Kern, welche sogar bei
einem Embryo von 8 cm. Länge noch nicht ganz ausgefüllt ist. Wir finden
somit bezüglich des topographischen Verhaltens zwischen diesen Kernen
in der menschlichen Ontogenese ähnliche Erscheinungen, wie sie von
Mksdag und Bok für die Vögel gefunden wurden.
Es ist also wahrscheinlich daß wir in dem Nucleus Trochlearis pos-
terior einen ontogenetischen Rückstand zu sehen haben.
Ich möchte hierzu nur noch bemerken, daß die große Distanz, welche
bei fast allen Säugern zwischen Trochleariswurzeleintritt in dem Velum und
der Lage des Kernes besteht, nicht ausschließlich der frontalen Wanderung,
welche dieser Kern während der Phylogenese und der Ontogenese durch-
macht, zugeschrieben werden muß. Wie ich schon anläßlich des Verhaltens
Fig. 292. Linksseitiger Nu. trochlearis
posterior eines Menschen.
DAS MOTORISCHE SYSTEM DKR SÄUGER. 549
bei Submammaliern gesagt habe, spielen bei der Lagebestimmung dieser
Austrittsstelle Einflüsse an der Peripherie des Gehirnes eine große Rolle,
(wie z. B. die Lage des Velum anticum, der Corpora posteriora und des
Zerebellums). Außerdem hat die vordere Isthmusregion bei den Primaten an
Länge zugenommen.
Das Verhalten des Oculomotoriuskernes zum Trochleariskern habe ich
beim letztgenannten Nerven besprochen.
Bevor ich auf die Topographie und Struktur des Oculomotoriuskemes
der Säuger eingehe, will ich mitteilen, daß ich mich Kölliker und Ober-
steiner anschließe, indem ich im Gegensatz zu Perlia und Tsuchida den
DARKSCHEWiTSCH'schen Kern nicht zu den Oculomotoriuskernen rechne,
weil es nachgewiesen ist, daß hieraus keine Wurzelfasern des IlL Nerven
entstehen und dieser Kern auch nicht als akzessorischer Oculomotorius-
kern betrachtet werden darf, sondern als Kern des zentralen Längsbündels
und der Commissura posterior (vergl. auch S. 512).
Die Lhiterschiede in dem IILKern der verschiedenen Säuger liegen
teilweise in der Difi'erenzierung oder Größe seines ventromedialen und
dorsolateralen Hauptkernes.
Teilweise sind es die akzessorischen Kerne, die kleinzelligen Ele-
mente, welche die Unterschiede aufweisen.
Überblicken wir die Hauptunterschiede, welche die Entwicklung des
Oculomotoriuskemes bei den Säugern ergibt, dann können wir sagen, daß
die großzelligen Wurzelkerne bei allen Repräsentanten mehr oder weniger
gut entwickelt vorhanden .sind und im Prinzip dieselbe Lage aufweisen,
wie beim Varan bereits der Fall war, d. h. daß die dorsaleren Zellen oft
lateral verschoben sind, teils in dem, teils o1)erhalb des zentralen Längs-
bündels, und der ventrale Kern medialer liegt zwischen den Längsbündeln
und der Raphe. Bei den Carnivoren sieht man die ventralen Kerne sich fast
verschmelzen und einen Zentralkern (Perlia) bilden (der bei Submammaliern
und niedern Mainmaliern nicht vorkommt; s. Fig. 293, n. Brouwer).
Bei den liöhern Affen und beim Menschen vergrößert dieser Zentral-
kern sich in frontaler Richtung und schiebt sich als Kern von Perlia
(schwarz in Fig. 293) zwischen die accessorischen Kerne von Edinger-
Westfhal (grau in Fig. 293) ein.
Da es sich gezeigt hat, daß in dem Zentralkern von Perlia die Kon-
vergenz lokalisiert ist und die EoiNGER-WESTPHALschen Kerne wahr-
scheinlich mit der Akkomodation der Linse (innere Augenmuskeln) zu tun
haben, ist dieser, wesentlich von Brouwer ermittelte, Entwicklungsgang
des Oculomotoriuskemes bei den Primaten ein Ausdruck des Zusammen-
arbeitens von Konvergenz und Akkomodation beim (auch erst bei hohem
Säugern sich entwickelnden) bilateralen Sehen.
550
DAS MOTORISCHE SYSTEM DER SAUGER.
Wir erblicken darin zugleich ein Beispiel von Kernverlagerung
und -annäherung auf einen gemeinschaftlichen Reiz (Neurobiotaxis).
Was die accessorischen Kerne anbelangt, so läßt sich als Resultat ihrer
Entwicklung sagen, daß sich bei den niedern Säugern eine geringere Zahl
von kleinzelligen und mittelgroßen Elementen den Hauptkernen hinzuge-
sellt als bei den höhern (bei Echidna findet man nur eine Andeutung von
zugewanderten Elementen aus dem Höhlengrau, welche sich meistens
ABCTTTf^rri I CASJüÄii.
tn
^m^w
Fig. f293. EiitwicUliing des Nucleus Edinger-Westphal (Akkommodationskern:
grau) und Verschmelzung der Konvergenzkerne (Nuclei recti intern!) in der
Raphe (Carniv. und Arctopitheci) zur Bildung des zentralen (Raplie) Kernes von
Perlia, der bei den Anthropomorphen und bei Menschen nach vorn« geschoben
ist bis in das Niveau der Akkommodationskerne. Nach Brouwer.
in der oder oberhalb der Raphe lagern, namentlich im vorderen Ab-
schnitt des Kernes. Ein ähnliches ^"erhalten findet man bei den Marsu-
pialiern (Fig. 293 : grau schattiert).
Bei den Ungulaten fangen die kleinzelligen Elemente an, sich dorsal
in einer Weise zu ordnen, welche den Edinger-Westphal'schen Kern im
frontalen Abschnitt des Kernes entspricht, aber unpaarig.
Bei den Rodentiern, Edentaten und Carnivoren ist Ähnliches der Fall,
nur in einer etwas ausgesprocheneren Weise.
Erst bei den Affen findet man paarige accessorische Kerne, welche
DAS MOTORISCHE SV;STEM DKR SAUGER.
551
schon von Bernheimer als Eclinger-Westphal'sche Kerne betrachtent sind,
dorsal vom Hauptkern.
Nu. dorao-lat.
Nu, veutro-metl.
Fig. 294. Schnitt durch das mittlere Drittel
des menschlichen OculoiiiotoriusUernes.
Die Verhältnisse beim Menschen (Fig. 294 und 295) sind am meisten
differenziert. j, , ,
Die Hauptkerne, der dorsolate- i^t- \ ^'"" "■ ^^- ^■
rale und der ventrale, sind besser
differenziert als bei den niedern
Säugern.
Auch hat der zentrale Perlia-
Kern einen größeren Fortsatz aus
unregelmäßiger angeordneten Zellen
in frontaler Richtung (Fig. 295).
Die Neben kerne sind in gut
umschriebener Weise vorhanden
und zeigen eine größere Ausdeh-
nung oder Verdoppelung.
Der Edinger-Westjjhal'sche Kern
kann sich in zwei Gruppen spalten.
Frontal von den Hauptkernen des
ni liegt noch ein Nucl. mediauus
anterior, der in seinem Bau dem Edinger-Westphal'schen Kern ähnlich
ist, und in meinen Präparaten damit verschmilzt.
Es ist ganz außällend,
wie viel Uebereinstimmung
Nu. Darkschew. «^^r Bau dcs Oculomotorlus-
kernes des Menschen auf-
weist mit dem des gleich-
namigen Kernes der Vögel,
der sich hauptsächlich -s^n
ihm unterscheidet durch
den völligen Mangel eines
Zentralkernes (von Perlia).
Die phj'logenetisch Ent-
wicklung des Oculomoto-
riuskernes wiederholt sich
beim Menschen ontogene-
tisch in vielen Hinsichten,
■wie aus den Untersuchungen
Tsuchida's hervorgeht.
Von den Kerngruppen des Oculomotorius sind auch ontogenetisch
diejenigen am spätesten da, welche sich phylogenetisch am spätesten dif-
ferenzieren.
Während bei einem menschlichen Fötus der 4. — 5. Monat die seit-
medialer | gern v. Ed. W.
lat. ^
Best der dorso-lat.
Hanptkernes.
Ventraler Haupt-
kern.
Zentralkern v.
Perlia.
Fig. 29.5. Sclinitt durch das vordere Drittel des
menschlichen Oculomotoriuskernes.
552 DAS MOTORISCHE SYSTEM DER SÄUGER.
liehen Hauptkerne schon vorhanden sind, finden wir Perlia's Zentralkern
bei diesem Embryo noch nicht in typischer Weise differnziert. Der Kern
von Edinger-Westphal läßt sich dort ebensowenig nachweisen (auch der
vordere mediane Kern fehlt noch).
Bei einem Fötus von 7 Monaten treten die ersten Anfänge des Edinger-
Westphal'schen Kernes auf, die sich dann bald weiter ausbilden und sich
später in zwei Gruppen differenzieren. Der unpaarige Zentralkern Perlia's
ist dann auch entwickelt (der kleinzellige Nucl. medianus anterior aber
noch nicht).
Die Zellgruppen, welche nach der Meinung von, Tsuchida und einigen
andern, die sich mit diesem Thema beschäftigt haben, nicht als Wurzel-
gruppen in Betracht kommen, sind (abgesehen von dem Darkschewitsch'schen
Kern, den man gar nicht zum III-Kern rechnen soll) hauptsächlich die
Edinger-Westphal'schen Kerne (acc. III-K. : Fig. 296) und der Nu. medianus
anterior ; das sind also gerade die Kerne, von denen die Phylogenese, wie
auch die Ontogenese (sowohl bei Vögeln als Säugern) beweist, daß sie
sich erst später dem Hauptkern hinzugesellen.
,<trrTTTTr>. .<i-rmT[TTTTrTT>iff
^tUni = BZ: K. j m^ doi'io- fat M K. , ^-- »!<<»( ulk,«-- acc m K
Fig. 296. Topographisches Verhalten der einzelnen Gruppen in dem Oculomo-
toriuskerne der Menschen und das Verhalten des Trochleariskernes in
einem Falle von Nu. trochlearis posterior.
Sollte auch weiterhin ein Verband der Edinger-Westpharsclien Kerne
mit Wurzelfasern in Abrede gestellt werden, dann wäre damit natürlich
auch die Auffassung hinfällig, daß dieser Kern das Zentrum der glatten
Augenmuskeln sei. Inzwischen ist von vielen Autoren aufrechterhalten (Berx-
HEiMER, Siemkrling, Boedeker uud Brouwer), daß der Edinger-Westphal-
scbe Kern tatsächlich als Accommodations- und Iriskern betrachtet
werden muß. Auch die Tatsache, daß der Zentralkern der Konvergenz
sich bei den Primaten in dessen Richtung verlagert, spricht zu Gunsten
dieser Deutung.
Vergleicht man schließlich das topographische Verhalten der einzelnen
Kernabsehnitte des Menschen (Fig. 296) mit demjenigen der Vögel (Fig. 263),
dann fällt die Homologie der EoiNGER-WESTPHALScheu Kerne sofort auf.
Bei den Vögeln aber ist es nicht zweifelhaft, daß der Edinger-Westphal-
sche Kern Wurzelfasern entsendet.
Was den Ursprung der gekreuzten und ungekreuzten III-AVurzelfasern
anbelangt, sei erwähnt, daß die Säuger durchschnittlich mehr gekreuzte
Ill-Wurzelfasern aufweisen als die Nichtsäuger, und daß dieselben bei den
DAS MOTORISCHE SYSTKM DER SAUGKK.
553
Mammaliern, im Gegensatz zu den
Teil aus dem dorsolateralen Kern
entstehen.
Die Muskeln, zu welchen die
Axonen der einzelnen Abschnitte
ziehen, sind angegeben in Fig. 297.
Daraus ergibt sich, daß in dieser
Hinsicht bei verschiedenen Autoren
noch Kontroversen vorliegen. Am
besten begründet ist zweifellos die
Funktionsverteilung, wie sie auf
Grund von vergleichend- anato-
mischen und klinischen Befunden
von Brouwer angegeben ist.
Zum Schluß sei bemerkt, daß
alle Augenmuskelnervcn, sowohl der
Abducens, wie auch der Trochlearis
und der Oculomotorius auch sensible
Fasern führen, wie von Tozer und
Sherrington nachgewiesen wurde.
Nach Durchsclmeidung dieser Ner-
ven gehen intramuskuläre sensible
Endigungen und solche auf der
tendinösen Grenze der Muskelfasern
zugrunde und fällt der Tonus der
betreifenden Muskeln. (Sowohl diese
Nervenendigungen als der Tonus
bleiben nach Durchschneidung des
Trigeminus.)
Wie die zentrale Endigung
dieser propriorezeptiven Fasern ist,
ist bis jetzt unbekannt.
Submammaliern, für einen großen
5tarr
ACCOMODATlOfi
• •
• •
n »ECr inF
1 OSLiQ.SUp
(n.TRocHu)
EDinGERlSOO
HflEfl MUSKELN
M.OBi.O. KONVEPGEtllf?)
(N.Tf(0CHLe*niS)
BtRnhEiriERl897
M OBi.'Q
5UP
l^ti TtJOCHLEARIS)
BTiüuuJER I9l8
M OSLifl SUP£B
(r. t(^OCrtl.e*BlS)
Fig- 297. Funktionsverteilung in den ver-
schiedenen Abschnitten des Oculomotorius-
kernes, nach Starr, Bernheimer, Edinger
und Brouwer.
Die akzessorischen Kerne von Edinger- West-
PHAL sind schwarz, die Hauptkerne schraffiert
angedeutet (die Kerne der beiden M.m. recti
interni, aus denen der Zentralkern Perlia's
hervorgeht, sind langsschrafliert, die anderen
Kerne sind karriert). Trochleariskern : weiß.
554 ÜBERSICHT ÜBER DAS MOTORISCHEN KERNE.
Übersicht über das motorische System der
Oblongata und des Mittelhirns.
Die vergleichende Anatomie des effektorischen Systeines von Oblongata
und Mittelhirn zeigt uns, daß die motorischen Kerne der spino-okzipitalen
Nerven (resp. des Hypoglossus), sowie diejenigen des Accessorius, Vagus,
Glossopharyngeus, Facialis, Trigeminus und die Augenmuskelkerne in dem
Gehirnstamm der verschiedenen Wirbeltierklassen ganz verschiedene Plätze
einnehmen können.
Eine der interessantesten Erscheinungen von Verlagerung bieten die
vorderen spino-okzipitalen Nerven während ihrer Verwandlung in den Hy-
poglossus.
Ursprünglich (bei Tieren ohne eine muskulöse Zunge — wo diese
Nerven noch ventro-mediane Rumpfmuskeln innervieren — ), ist das ent-
sjirechende Zentrum dieser Nerven einfach eine Verlängerung der Vorder-
hörner des. zervikalen Graus, dessen vordere Grenze aber weit hinter der
vorderen Grenze der Vagussäule zurückbleibt, ja, bei Petromyzon nur bis
au deren kaudales Ende reicht.
Bei höheren Tieren — solchen mit einer muskulösen Zunge — ver-
liert das obengenannte Zentrum nach und nach seinen Zusammenhang
mit den Zervikalhörnern und zeigt eine dorsofrontale Verschiebung, so
daß zuletzt (bei den Säugern) sein frontales Ende ungefähr ebensoweit
frontalwärts reicht wie dasjenige der dorsalen Vagussäule. Zugleich ist die
Lage der Zellen so dorsal geworden, daß sie zum großen Teile dorsal von
dein Fasciculus longitudinalis centralis liegen.
Der ganze Vaguskern (inkl. Accessorius) hat ursprünglich eine dorsale
Lage. Bei den Vögeln ist ein kleiner Teil des Kernes in der Richtung des
Hypoglossus (Syrinx-) Kernes verschoben und bildet zusammen mit diesen
Zellen ein besonderes Zentrum : den Nucleus interraedius (Larynx-, Syrinx-
Kern der Lautproduktion). Ein kaudaler Abschnitt, wovon bereits bei den Rep-
tilien eine Andeutung anwesend ist, verlagert sich ganz ventral (Herzkern?).
Bei den Säugern behalten nur diejenigen Zellen der V^agussäule ihre
dorsale Lage, welche den Oesophagus, den Magen und die Lungen inner-
vieren. Die motorischen Wurzelzellen des Kehlkopfes und des Herzens haben
eine gänzlich ventrale Lage bekommen und bilden den kaudalen Teil des
Ambiguuskernes.
Abgesehen von der beträchtlichen kaudalen Verlängerung, welche der
Accesoriimkern aufweist, (dessen Wurzelfasern bei den Plagiostomen im all-
gemeinen nur ein Wurzelbündel, bei den Reptilien aber bereits drei Wurzeln
und bei den Säugern eine viel größere Zahl bilden), erhält dessen aus
dem dorsalen X-Kern hervorgehender Kern auch eine ventro-laterale Lage
bei den Säugern. Doch kann er bei ausgewachsenen Säugern bisweilen
noch eine Verbindung mit dem dorsalen Vaguskern aufweisen (Vermeulen).
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ÜBERSICHT UliKH DIE MOTOIUSCUEN KERNE OOO
Der motorische Glossopharyngemkem hat eine dorsale Lage bei fast
allen Wirbeltieren, indem er sich dem frontalen Abschnitt des dorsalen
Vaguskernes anschließt. Bei einigen Teleostiern und bei den Reptilien ist
er vom X-Kern getrennt und nimmt er eine mehr oder weniger ventrale
Lage ein, eventuell zusammen mit dem Facialiskern.
Ganz ventral liegt er aber bei den Säugern, wo er den vordem Teil des
Nucleus ambiguus bildet, also mit dem ventralen X-Kern verbunden ist.
Nur einige seiner Zellen, diejenigen, welche das Speichelsekretionssysiem der
Parotis innervieren, behalten auch hier eine dorsalere Lage, zusammen mit dem
Speichelsekretionszentrum der Gland. subungualis und submaxillaris (s. u.).
Der Facialiskern liegt ursprünglich dorsal auf dem Niveau seines Wurzel-
eintrittes (Petrom3'zon, Rana), entweder verbunden mit dem V. Nucleus (Petro-
myzon) oder unabhängig davon (Rana). Bei andern Tieren (Selachiern,
Ganoiden, urodelen Amphibien) hat er zwar noch eine dorsale Lage, aber
auf einer bedeutenden Distanz hinter dem Eintritt seiner Wurzel, indem er
sich der dorsalen IX. und X. Säule anschließt. Bei den Teleostiern steigt
ein Teil des Kernes, oder der ganze Kern (zuweilen verbunden mit den
IX. Zellen) mehr oder weniger abwärts, hinter der Ebene seines Wurzel-
eintritts, wie es auch bei den Reptilien und namentlich bei den Säugern der
Fall ist, wo bloß seine speichelsekretorischen Zellen dorsal bleiben (s. o).
Nur bei Vögeln findet dieses Absteigen vor dem Wurzeleintritt statt
und kann ein Teil des Kernes die direkte Verlängerung des motorischen
Trigeminuskernes bilden.
Der Trigemiyiuskern liegt immer in der Höhe seines Wurzeleintrittes, aber
bei einigen Tierarten (Petromyzon, Amphibia) wird er direkt unter dem Boden
des vierten Ventrikels gefunden, bei andern (Teleostei und Reptilia) teilweise
und wieder bei andern Tieren (Säugern) ganz in der Mitte der Oblongata.
Größere Verlagerungen werden wieder beim Abducenskern gefunden.
Bei Petromyzon liegt er frontal, zwischen dem Trigeminus- und Fa-
cialis-Kern (Tretjakoff).
Bei andern Fischen (Selachii, Teleostei) und den Amphibien liegt er
hinter dem Facialis-Eintritt, zuweilen näher dem VII. Eintritt (Teleostei)
zuweilen näher dem IX (beim ehreren Amphibien). Bei den Selachiern und
Amphibien hat er dabei eine dorsale Lage in der Nähe des Fasciculus
jongitudinalis centralis, bei den Teleostiern jedoch liegt er stark ventral,
meistens in zwei Teile geteilt, und dorsale Zellen werden dort nur selten
gefunden.
Bei den Reptilien zeigt der dorsale VI. Kern eine frontale Verschiebung.
Bei den wasserlebigen Reptilien dehnt er sich zunächst nach vorne aus,
bis zum Eintritt des Facialis. Diese frontale Verlängerung ist bei land-
lebigen Reptilien von einer kaudalen Verkürzung begleitet, so daß das
Zentrum des Kernes dort auf der Ebene des Facialis- Wurzeleintrittes ge-
funden wird. Diese frontalere Lage bleibt bei den Vögeln und Säugern
bestehen, aber bei den meisten der letztern erreicht der Kern eine mehr
556 ÜBERSICHT ÜBER DIE MOTORISCHEN KERNE.
dorsolaterale Lage nicht unterhalb, sondern neben dem horizontalen Schenkel
des Facialis (namentlich bei den Rodentiern, Ungulaten und Primaten).
Der Trochleariskern, ursprünglich dorsal, weit hinter dem Niveau des
III. Kerr.es in dem Velum cerebelli liegend (Petromyzon), liegt bei den
übrigen Wirbeltieren unter dem Boden des vierten Ventrikels in einer viel
frontaleren Lage, etwas hinter dem Oculomotoriuskern oder in dessen
kaudaler Fortsetzung.
Der Oculomotoriuskern liegt meistens direkt unter dem Mittelhirnven-
trikel, bei Petromyzon und Teleostier aber teilweise mehr ventral.
Ein sorgfältiges Studium dieser großen Verschiedenheit in der Lage der mo-
torischen Kerne und eine Vergleichung der andern phylogenetischen Veränderungen
in Oblongata und Miltelhirn zeigen uns, daß diese Lagevtränderungen der mo-
torischen Kerne durch die Verschiedenheit der sie inftuenzierenden Reize verursacht
sind, d.h. durch Verschiedenheit der Entwicklung der ihnen entsprechenden
hinteren Wurzeln oder durch Unterschiede in den sonstigen sensorischen
Reflexen, welche ihre Funktion beeinflussen. Diese Faktoren werden oft
von \'eränderungen in dem innervierten Miiskelsystem begleitet.
Die Kerne verlagern sich dabei in der Richtung der Stelle, von
welcher die größte Zahl der Reize zu ihnen geht.
Ein auffallendes Beispiel davon bietet der Hypoglossuskern.
Solange noch keine muskulöse Zunge vorhanden ist, wird die ent-
sprechende Muskulatur in dem ventralen Teile der vordem Körperwand
gefunden, und den motorischen Wurzeln entspricht noch teilweise eine
sensible Wurzel mit einem Ganglion. Der Kern bildet dann einfach die
Verlängerung der zervikalen Vorderhörner und reicht bei Fischen selten
weiter frontalwärts als zur Mitte des Vaguskernes.
Die Bildung der Zunge und die Rolle, welche diese Muskulatur dabei
spielt, veranlassen eine ganz verschiedene Reflextätigkeit dieser Muskeln,
insofern sie sich daran beteiligen, indem sie völlig unter den Einfluß der
sensoi'ischen Innervation der Mundhöhle kommen. Infolgedessen verlagern
sich ihre motorischen Wurzelzellen in einer frontalen und dorsalen Richtung,
wobei sie sich ihrem neuen frontaleren Reizzentrum nähern.
Diese Verschiebung ist so beträchtlich, daß die Zellen zuletzt soweit
frontal reichen, wie das vordere Ende des Vaguskernes, und der Platz, den
sie erhalten, ist nahe bei dem Zentrum der Geschmacksfasern des VII.,
IX. und X., zu dem auch taktile Fasern des V., VII., IX. und X., also
solche der ganzen Mundhöhle und des Rachens, laufen.
Wenn die Ansicht von Brun, und meine Ansicht, Fuse daß der Staderi-
Nische Kern (S. 312) ein Zentrum für Rachenreflexe sei, bestätigt wird, ist es
nicht auffallend, den Kern der Zunge dicht in seiner Nähe zu finden.
Ein überzeugenderer Beweis für die Bestimmung des Platzes der motorischen
Zellen durch den Einfluß von Reiz-Zentren, oder mit andern Worten: ein
überzeugenderer Beweis von der Wichtigkeit der Rolle, welche die Neurobio-
IIBERSICHT IlllKI; DHC MOTORISCHEN KICKNIC. 5o(
taxis für die Lage der nervösen Elemente spielt, kann kaum erbraelit werden.
Die ventrolaterale Verschiebung und das kaudale Auswachsen des
Accessormskenies bei den Säugern werden leicht verstanden, wenn wir in
Betracht ziehen, daß seine ursprünglich rein reflektorische Atemmuskeln
dort zu einem wichtigen Element in der willkürlichen Bewegung der oberen
Gliedmaßen geworden sind. Da die willkürliche Bewegung der Glieder haupt-
sächlich durch Vorder- und Seitenstrang-Systeme des Rückenmarks bewerk-
stelligt wird, ist es nicht autfallend, die kaudale Vergrößerung dieses Kernes
mit einer ventrolateralen Verschiebung verbunden zu finden, weil auch
die andern Extremitätenkerne eine laterale Lage einnehmen (S. 192 und 193).
Der dorsale Vaguskern der Säuger innerviert den unteren Teil des
Oesophagus, den Magen und wahrscheinlicii die Lungen (bei Tieren mit
einem großen- Magen, A'ögeln und Rindern, ist er außerordentlich groß
(Vekmeui.en) : bei Tieren mit einem kleinen Magen ist er klein). Die Zellen
der glatten Muskulatur behalten also ihre Lage neben ihrem wichtigsten
reflektorischen Zentnun : ihre eigene sensorische Wurzelfasernendigung, bei,
wie es von einem motorischen Kern, der hauptsächlich auf reflektorische
Impulse von den Eingeweiden handelt, erwartet werden darf.
Der ventrale Vaguskern, welcher .sich aus dem dorsalen Kern heraus-
differenziert, kann unter dem Einfluß ventraler Fasersysteme der Oblongata
vorlagert sein. Es ist auffallend, daß die Bildung des für den Larynx be-
stimmten Abschnittes dieses Kernes der Ausbildung der Larynxmuskeln
parallel verläuft, welche in ihrer vollen Entwicklung erst bei den Säugern
vorhanden sind.
Daß ein Teil des Vaguskernes mit der Lautproduktion im Zusammenhang
stellt, steht übrigens auch mit der bei den Vögeln vorhandene Sachlage
im Einklang, wo eine kleine Zahl von Vaguszellen sich auf einer kurzen
Strecke verlagert und sich den dorsalen Zellen der Hypoglossussäule nähert,
welche die Syrinx dieser Tiere (ebenfalls ein Lautproduktionsorgan) inner-
viert: Nucleus intermedius X und XIL
Da es wohlbekannt ist, daß die Lautbildung bei den Vögeln durch
eine Zusammenwirkung der Larynx- und Syrinx-Muskulatur bewerkstelligt
wird, finden wir hier einen deutlichen Fall der Anordnung motorischer
Zellen auf gemeinschaftlichen Reflexen (Nucleus intermedius).
Daß bei den Säugern der Larvnxkern sich weiter ventralwärts verla-
gert, kann einem größern Einfluß ventraler Reflexbahnen zugeschrieben
werden.
Sehr schwer ist die Situation des Herz-Zentrums in dem ventralsten
Abschnitt des hintern Drittels des Nucleus ambiguus zu erklären. Ent-
sprechend der Lage der andern sympathischen Zentren in dem dorsalen Kern
sollte man erwarten, dieses auch in demselben zu finden.
Doch ist das hintere Drittel des ventralen Vaguskernes das erste,
welches sich in ventrale Richtung verlagert. Es findet sich schon in solcher
Lage bei einigen Reptilien und bei allen Vögeln.
558 ÜBERSICHT ÜBER DIE MOTORISCHEN KERNE.
Ob dies mit der Umbildung der Zirkulation zu tun hat, die bei
höhern Tieren vorkommt, oder mit der Homoiothermie (ventro-lateralen
Temperatuibahnen Edingers), wage ich nicht zu sagen. In Übereinstim-
mung damit wäi'e, daß die Herzzellen gerade den allerventralsten Teil des
hintern Drittels des Nucl. ambiguus bilden.
Daß die einzigen Zellen des Glossopharyngem^kernes, welche einen
dorsalen Platz in der Nähe des dorsalen Geschmackszentrums behalten,
den SpeichelseJcretionskern der Parotis bilden, ist nicht befremdend angesichts
der Tatsache, daß das Geschmackszentrum eine dorsale Lage hat.
Was den ventralen Kern des Glossopharyngeits, (den vordem Teil des
Ambiguus) betrifft, wissen wir aber, daß er quergestreifte Muskulatur inner-
viert und neben der taktilen Reflexbahn dieser Muskulatur liegt.
Die größte Verschiedenheit der Lage fanden wir beim Facialiskern.
Für die beträchtliche Verlagerung nach hinten, welche dieser Kern bei den
Selachiern, Teleostiern und urodelen Amphibien aufweist, sind die kaudal
gelegenen Geschmacks- und Athmungszentren verantwortlich.
Hierdurch wird aber auch erklärt, warum bei Tieren mit einer geringen
Entwicklung der sensorischen Geschmacksfasern des VH. (und IX.) Nerven
(Zj'klostomen und namentlich Vögeln) diese kaudale Verschiebung ausbleibt.
Bei den Vögeln ist dieser Kern, der hauptsächlich den hintern Bauch
des Muse, biventer innerviert, sogar mit dem Trigeminuskern vereinigt,
der den vordem Bauch innerviert.
Mit Hinsicht auf die bedeutende Rolle, welche der Facialis-Mus-
kulatur für die Organe des Gesichts (Augenlidbewegung), des Gehörs (Sta-
pedius und Ohrmuskel) und des Geruchs (Nasenmuskeln) zukommt bei den
Säugern, wo diese Muskulatur wesentlich von Trigeminussensibilität
beherrscht wird, ist es begreiflich, daß der Facialiskern dort seinen Platz
in der Nähe des dorsalen VII. und IX. Zentrums verläßt, abwärts steigt
und sich der absteigenden Trigeminuswurzel, der Oliva superior und den
tekto-bulbären Fasern des visualen Reflexsystems nähert.
Es ist interessant, daß — ebenso wie beim Glossopharyngeus — ■ auch
einige Facialiszellen ihren dorsalen Platz in der Nähe des Geschmacks-
zentrums behalten und daß die Untersuchungen Yagitas und H.wamas
bewiesen haben, daß diese 7je\\en das Speichelsekretionszentrurii der subma.rillären
und sublingualen Drüsen bilden (vergl. oben das Parotiszentrum).
Für die Verschiebung des ursprünglich ganz dorsalen Trigeminuskernes
nach der Mitte der Oblongata ist in den meisten Fällen die Lage seines
sensorischen Kernes verantwortlich. Namentlich bei denjenigen Tieren,
welche ihre Nahrung kauen (Säuger), wird diese typische Lage dicht beim
sensorischen Zentrum des Mundes, der Zähne und der Kiefer gefunden.
Daß der motorische Kern sich oft etwas frontaler ausdehnt als der
sensible V. Kern, ist vielleicht den Axonen der Rad. mesencephalica Tri-
gemini (vergl. Willems) zuzuschreiben.
Für die Augenmuskelkerne sind schließlich die optischen und vestibu-
ÜBERSICHT ÜliEK DIE MOTOKISCIIEN RERNE. 559
lären Bahnen die wichtigsten Faktoren für die Bestimmung ilirer Plätze.
Ihre sekundären Lageveränderungen laufen den Veränderungen in den
Bahnen der optischen, vestibulären und koordinativen Reflexe vollständig
parallel.
Nach Trettjakoff wird bei Zyklostomen der Abducenskern in dem
kaudalen Teil des Trigeminus-Kernes angelegt, entsprechend dem Ursprung
seines Muskels aus dem Trigeminus-myomer. Bereits bei den Selachiern
aber verlegt er sich unter dem Einfluß von Vestibularisreflexen kaudalwärts
und entspricht seine Lage dem Niveau des VIII. Nerven.
Merkwürdige Unterschiede bestehen zwischen dem Abducenskern der
Selachier und dem der Teleostier.
Bei den erstem, bei welchen der Fasciculus longitudinalis centralis
die größte in der vergleichenden Anatomie des Bulbus bekannte Ausdeh-
nung erreicht, liegen seine Zellen neben, sogar teilweise zwischen den
Fasern dieses Bündels. Bei den Teleostiern aber, wo dieses Bündel klein ist
und die ventralen tekto-bulbären Bahnen eine enorme Ausdehnung haben,
hat der Kern eine ganz ventrale Lage, und liegt er dicht bei diesen Bahnen.
Bei den höhern Wirbeltieren flndet sich die dorsale Lage der Selachier
wieder, aber seine Zellen sind hier in einer frontalen Richtung verschoben
so daß sie, anstatt zwischen der Ebene der VII. und IX. Wurzel zu liegen,
in der Ebene der VII. Wurzel gelagert sind.
Diese frontale Verschiebung wird verursacht durch den Einfluß des
DEiTEEs'-Kernes, ein Einfluß, der bei den meisten Säugern noch deutlicher
wird, wo sogar die Lage neben dem Fasciculus longitudinalis centralis auf-
gegeben wird und die Zellen sich dorsolateral verschieben, wodurch sie
sich mehr dem Boden des V^entrikels nähern und eine viel engere Beziehung
zu dem Hauptkern des N. vestibularis und dem DEiTERschen Kern erhal-
ten. Es ist offenbar, daß sie von diesen Zentren und von andern Reflex-
systemen, die ihnen aus jener dorsolateralen Richtung zugehen, angezogen
werden, wie ich dies speziell für Rodentia, die Ungulaten und den Menschen
nachgewiesen habe (im Gegensatz zu den Karnivoren).
Als Ursache der engen topographischen Verwandtschaft zwischen
Trochlearis- und Oculomotorius-Kern bei den meisten Vertebraten muß die
assoziative Funktion dieser Kerne betrachtet werden, obwohl der IV. Kern
sich entsprechend seinem viszeralen Charakter (Bok) in einem dorsaleren
Niveau anlegt als der Oculomotoriuskern und bei Petromyzon sogar ober-
halb des vierten Ventrikels in dem Velum cerebelli liegt, außerdem ein
beträchtliches Stück hinter dem Oculomotoriuskern, näher dem Niveau des
Trigeminus, dessen Myomer sein Muskel zugehört.
Bei höhern Vertebraten sind beide aber stets neben dem Fasciculus
longitudinalis centralis gruppiert, dem Hauptweg optischer und vestibulärer
assoziativer Reflexe, und erreicht der Trochleariskern durch seine frontale
Verschiebung den Ort der Reflextätigkeit, welche auch den III. Kern be-
herrscht.
560 ÜBERSICHT ÜBKR DIE MOTORISfllEN KERNE.
RÖTHiG fand bei Bufo und Rana eine beträchtliche Verlängerung
des IV. Kernes, was beweist, daß bei diesen Tieren die frontale V^erla-
gerung in ähnlicher Weise stattfindet (erst durch frontale Verlänge-
rung, dann durch allniähliche frontale Akkumulation) wie beim Abducens-
kern (s. o.).
Der Oculomotormskern, ursprünglich dem Mittelhirn-Neuromeren zuge-
hörend, behält überall ungefähr dieselbe sagittale Lage in der Nähe des
optischen Haupt-Reflexsystemes bei. Nur seine Lage im Querschnitt weist
erhebliche Unterschiede auf.
Bei den Z3^klostomen liegt ein Teil seiner Zellen dorsal, ein anderer
Teil ventral in der Nähe des Wurzelaustrittes.
Bei den Selachiern, wo das System des zentralen Längsbündels (s. o.)
so sehr verstärkt ist, ist der ganze Kern in der Nähe dieses Systemes, also
in dorsaler Lage, angeordnet. Wie ich oben bereits beim Abducenskern
sagte, spielt aber bei den Teleostiern die Reflextätigkeit der ventralen tekto-
bulbären Bahn auf die Augenmuskelkerne eine große Rolle (vielleicht
verstärkt von andern ventralen Fasern. Deren Einfluß auf den Oculomoto-
riuskern läßt sich hier auch nachweisen, indem ein Teil von dessen Zellen
eine stark ventrale Lage aufweist.
Bei allen liöhern Vertebraten ist es wieder das Koordinationssystem
des zentralen Längsbündels, welches — wie beim Abducenskern — • die
Lage bedingt, und wird der Kern wieder ganz dorsal gefunden.
Die höhere Organisation des Sehaktes bei den Vögeln und Säugern
bedingt in ihm vielerlei Differenzierungen in Kerngruppen, entsprechend
den verschiedenen Muskeln und Muske]s3aiergien, welche dabei eine Rolle
spielen. Hierbei ist es interessant, daß bei den Primaten der Zentralkern
der Konvergenz Perli.\ sich zwischen die Edinger-Westphalsclien Kerne
der Akkommodation einschiebt.
Dies ist ein anatomischer Ausdruck der Tatsache, daß beim bilateralen
Sehen Konvergenz und Akkommodation zusammengehen.
So zeigt uns die Verschiedenheit in der Anordnung der primären
effektorischen Zentren den großen Einfluß, welchen bei Reizungen ver-
schiedener Herkunft die maximalen Reize und die funktionellen (Reiz-)
Synergien ausüben, einen Einfluß, den ich übrigens auch für anderen
Zellgruppen (s. die vorigen Kapitel) habe nachweisen können.
Ich will hier am Schlüsse nur noch darauf hinweisen, daß die Tat-
sache, weshalb bei einer Reizvermehrung in einem Gebiet der eine Kern
sich wohl und ein anderer sich nicht dahin verlagert, also die Selektivität,
welche in der Kernverschiebung besteht, bedingt wird durch ein korrela-
tives Verhalten mit sensorischen oder andern reflektorischen Tätigkeiten,
und daß hierdurch das Hauptgesetz der Hodogenese entschleiert wird :
die Assoziation gleichzeitiger Reize oder Reizreste, welche auch das Grund-
prinzip der Psychologie darstellt.
MOTORISCHE KKRNE. 561
Dali bei einer Vergrößerung des zentralen Längsbündels sich wohl der
Abducenskern und z.B. nicht der Facialiskern diesem erhöliteii Reizgebiete
nähert, hat seinen Grund in der Verwandtschaft, welche zwischen den
Fasern dieses Bündels und dem Abducenskern besteht und die niclit zwi-
schen diesen Fasern und den Zellen des Facialiskernes vorliegt.
Umgekehrt werden die Augenmuskelkerne meistens nicht in ihrer
Lage durch viszerale Reize beeinflußt, (z. B. Geschmacksreize).
Das Hauptgesetz der Neurobiotaxis läßt sich am besten so ausdrücken,
daß man sagt, daß die Lage eines Kernes bestimmt wird durch diejenigen
mit ihm funktionell verwandten Fasersysteme, von denen aus die meisten
Reize ihm zugeführt werden.
Weiter werde ich hier nicht nälier darauf eingehen, sondern verweise
auf meine diesbezügliche Auseinandersetzungen im ersten Kapitel, wo die
Faktoren, welche die Hodogenese und die Anordnung der grauen Substanz
bedingen, eingehend besprochen sind.
Kapi'f.rr. 36
n62 LITERATUR ZUM FÜNFTEN KAPITEL.
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Windle and Parsons. On the myology of the Edentates. Proc. of the Zool. Society
(London), 1899.
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(London), 1901.
Yagita und Hatama. Ueber das Speichelsekretionszentrum. Neurologisches Zentral-
blatt 1909.
Yagita. Weitere Untersuchungen über das Speichelzentrum. Anat. Anzeiger
Bnd XXXV, 1909.
Yagita. Experimentelle Untersuchungen über den Ursprung des Nervus facialis.
An. Anzeiger. Bnd. XXXVII, 1910.
Yagita. Experimente an dem Nervus petrosus superficialis major etc. Folia Neuro-
biologica, Bnd. VIII, 1914.
SECHSTES KAPITEL.
DAS KOORDINATORISCHE SYSTEM VON OBLONGATA
UND MITTELHIRN.
A. Die Retikulären Kerne.
In dem vorigen Kapitel habe ich darauf hingeweisen, daß die moto-
rischen Kerne in ihrer sekundären Lage bedingt werden durch mit ihnen
funktionell verwandte sensible Zentren, es seien sensible Wurzelzentren,
"oder andere Reizgebiete.
In Kapitel II und III aber haben wir gesehen, daß die sensiblen
Wurzelzentren nur selten einfach sind, sondern daß manchmal zivei oder
mehr verschiedene Wurzeln in einem gemeinsamen Zentrum enden.
So wies ich in dem Kapitel über die Branchialnerven darauf hin, daß
die sensible Facialis- und die sensible Glossopharyngeus- Wurzel meistens
in einem gemeinsamen (Geschmacks)-Zentrum enden (S. 279 — 291), während
die Hautäste des Vagus CR. auricularis) und des Trigeminus beide in dem
Grau des deszendierenden Trigeminus aufsplittern (S. 282).
Ahnlicherweise wurde in dem Kapitel über das Lateralis- und Octavus-
system darauf hingewiesen, daß die N. N. laterales und der N. vestibularis
manche gemeinsamen Zentren haben (S. 385), und daß der DEiTERskern der
Säugetiere ein gemeinsamer Kern für Vestibularis-, Kleinhirn- und spinale
Reize ist (vergl. S. 437), ebenso wie die MAUTHNER'sche Zelle der Fi.sche
Gesichts-, Gleichgewichts- und Kopf-Reize aufnimmt (S. 388).
Hieraus geht also hervor, daß die Neuriten, welche aus solchen Zentren
hervorgehen, meistens gemeinsame Endwege nicht nur mehrerer, son-
dern auch verschiedener Reize sind, die — auf Grund der Korrelation,
welche zwischen solchen Reizen naturgemäß besteht — sich assoziiert haben,
nach denselben Gesetzen, welche wir auch in der Psychologie kennen.
Schon die primären „sensiblen" Zentren sind also manchmal Schalt-
siellen, nicht nur zwischen einem einkommenden und einem austretenden
System, sondern zwischen mancherlei naturgemäß zusammenwirkenden ein-
kommenden Systemen und einem austretenden System : es sind manchmal
polyvalente transmittorische Neuronen: Koordinations-systeme.
Es gibt darunter Zellen, welche, wie die dorsalen Bogenfaserzellen des
Rückenmarks, in dem dorsalen sensiblen Areal der Oblongata angelegt
werden und dort bleiben. Sie werden dann oft als sensible Kerne bezeichnet,
wenn sie überwiegend mit KoUateraleu oder Endigungen einer bestimmten
.sensiblen Wurzel in Verbindung treten.
1)1 K HKTIKULÄRKN ICEKNK. f ) / O
Die polyvalenten transmittoi-üchen Neuronen können aber auch an andern
Stellen zu Entwicklung geraten, um so mehr, wenn sie nicht bloß Wurzel-
reize, sondern auch Reize sekundärer absteigender Bahnen (aus dem Mit-
telhirn oder Kleinhirn, u. s. w.) aufnehmen.
Dann kommt es nicht selten vor, daß die reflexüberl ragenden Zellen,
bloß durch Schaltneuronen mit primär sensiblen Zentren in V^erbindung
stehen. Sie selber bilden alsdann bloß tertiäre Neuronen.
Zu dieser letzten Kategorie von Elementen muß man jene großen
retikulären Kerne des Hirnstammes rechnen, welche als Vermittler von
Reizen auf primär motorischen Zentren in dem effektorischen Prozeß eine
wichtige Rolle spielen.
Diese Elemente haben durch ihre polygonale Gestalt und ihren Um-
fang manchmal einen exquisit effeklorischen Charakter.
Viele werden sogar in dem ventralen Abschnitt der Oblongata, unterhalb
des Sulcm limitans, in der Nähe primär motorischer Zellen angelegt, von
denen sie sich aber manchmal durch eine beträchtlichere Größe unter-
scheiden, und aus deren Nähe sie im Laufe der Ontogenese und Phyloge-
nese unter dem Einfluß gewisser Reize (Neurobiotaxis) allmälilich entfernt
werden können.
Stehen solche Zellen nämlich stark unter dem Einfluß eines bestimmten
Reizes, wie es z. B. in der Vestibularisregion der Oblongata der Fall sein
kann, dann können die Zellen sich sekundär anordnen zu einem sensitivo-
reflektorischen Ivern in dem Gebiete eines solchen sensiblen Nerven. Ihre
Topographie wird dann eine scharf umschriebene, und man spricht nicht
mehr von retikulären Zellen, sondern von sensitivo-reflektorischen oder
sensiblen Kernen eines bestimmten sensiblen Nerven. Beispiele davon sind
die großen retikulären Zellen der Oblongata auf dem Niveau des VIII-
Eintrittes, welche, bei Petromyzon ziemlich diflus in der Oblongata zerstreut,
bei höhern Tieren den wohl umschriebenen Deiterskern und Tangential-
Kern bilden.
Da die retikulären Zellen jedoch meistens ein „common final path"
sehr verschiedener Reize bilden, findet ihre Verlagerung und sekundäre
Anhäufung sehr selten nur an einer bestimmten Stelle statt. Sie bleiben
meistens diffuse Zellhaufen, deren auffallend lange Dendriten .sich nach
vielen Richtungen hin verästeln.
Diese Zellen bilden daher kaum wirkliche, scharf umschriebene Kerne,
sondern zeigen nur in Hauptzügen eine gewisse Gruppierung, welche meistens
nur auf den Haupteinfluß gewisser Regionen hinweist.
Eine Merkwürdigkeit dieser Zellen und ihrer Axonen ist noch daß
sie sehr früh in der Ontogenese zur Ausbildung gelangen (Cajal, Bok),
was auch auf ihre große Bedeutung hinweist.
Im allgemeinen übermitteln sie ihre Reize auch nicht allein auf einem
motorischen System, sondern bilden sie sowohl ein „common path" nach
motorischen Zentren in ihrer Nähe als für andere weiter entfernte moto-
574 ME RETIKl'LÄRKN KKRNE.
rische Zentren, deren Kooperation mit dem ihnen benachbarten moto-
rischen Zentrum sie vermitteln.
Ein einfaches Beispiel möge dies erläutern.
Wenn ein leuchtendes Objekt die Retina eines Tieres trifft und das
Tier will seinen Blick darauf richten, dann genügt es nicht, daß eine Gruppe
von Augenmuskeln sich dafür in Tätigkeit setzt, sondern es müssen
alle Augenmuskelkerne, eventuell auch die Halsmuskulatur dafür die richtige
Innervation erhalten. Ja, es muß in vielen Fällen, namentlich bei Fischen,
die keinen beweglichen Hals haben, der ganze Körper in eine der Blick-
richtung entsprechende Haltung gebracht werden, wobei also auch die
Schwanzmuskulatur beeinflußt werden muß.
Dasselbe gilt für den Freßakt, auch namentlich bei niedern Tieren.
Nicht nur die Bewegung der Kiefermuskulatur genügt zu dem Fang der
Beute ; der ganze Körper muß in entsprechender Weise dazu beitragen,
und die Reflexe, welche dem motorischen Trigeminuskern übermittelt
werden, müssen auch auf den Körper, resp. die Schwanzregion übertragen
werden.
Es sind diese und ähnliche Koordinationen, welche von den großen
retikulären Zellen vermittelt werden, deren Neuriten oft in oder neben
dem zentralen Längsbündel verlaufen.
Die Entwicklungsgeschichte dieser Zellen ist uns namentlich durch
die Untersuchungen von Tretjakofp, ^'AN Hoevell, BarteLxMEZ, Ca.ial,
Bechterew, Jacobson und Kohnstamm bekannt geworden.
Sie weist manche interessanten Punkte auf, wovon ich das wichtigste
in den folgenden Zeilen mitteilen werde.
Ob bei Amphioxus bereits solche Zellen in dem oberen, mit der Oblon-
gata und dem Mittelhirn korrespondierenden Abschnitt des Neuralrohres
vorliegen, ist die Frage. Vielleicht, daß die vorderste Gruppe der Rohdeschen
Riesenzellen, deren Axonen kaudalwärts zielien (s. Kap. H)] als solche
betrachtet werden können.
Bei den Zyklostomen sind die.se Zellen, welche dort teilweise unter dem
Namen MüLLBR'sche Zellen bekannt sind, am besten von Tretjakoff
beschrieben worden, der darin verschiedene Gruppen unterschied (vergl-
Fig. 298), welche sich mehr oder weniger in Anschluß an bestimmte moto-
rische Zentren flnden.
Tretjakoff hat darauf hingewiesen, daß diese Zellen von einer direkten
Beeinflussung sensibler Wurzeln ausgeschlossen sind.
Die Zellgriippen des Nucl. octavo-motorius anterior und posterior, welche
direkte Reize empfangen, habe ich bereits auf S. 372 bei den sensiblen Kernen
beschrieben.
Die hintere Gruppe dieser Zellen findet sich in dem Areal des Vagus
DIE R[i:TIKUr,AKKN KKRNE.
575
(vergl. auch Fig. 202), wo sie medial von den motorischen Vaguszellen
mehr in der Fortsetzung des medialen Graus des Rückenmarkes in ziemlich
dorsaler Lage liegen. Sie bilden den Nncl. reticularis inferior. Ihre Zellen,
welche nicht groß sind, schicken ihre Achsenzylinder im zentralen Längs-
bündel derselben Seite kaudalwärts '(Fig. 298: A).
Die Reflexe, welche diese Zellen dem Rückenmark übertragen, sind von
vielerlei Art; denn ihre Dendriten verästeln sich in verschiedene Richtungen.
Ihre Anordnung läßt aber vermuten, daß sie überwiegend viszerale
Reflexe und vielleicht auch Trigeniinusreflexe übertragen.
Eine zweite Gruppe solcher Reflexzellen, der Nucleios reticularis medius
(Fig. 298 : B) liegt auf dem Niveau des Vestibulariseintrittes.
Ihre Zellen sind größer und in zwei Schichten, einer dorsalen und einer
ventralen, angeordnet.
Unter den ventralen Zellen können eine oder zwei als wirkliche Riesen-
zellen bezeichnet werden.
Auch ihre Dendriten weisen eine Verästelung nach mehreren Richtun-
gen auf, sogar stärker noch als die Vagusgruppe.
Einige Axonen dieser Zellen kreuzen, die meisten ziehen in dem
gleichseitigen Fasciculus longitudinalis centralis zum Rückenmarke.
Fig. 998. Die retikulären Elemente und Müllerschen Fasern und ihre Anordnung zum
zentralen Längsbündel bei der Larve von Petromyzon, n. Tretjakofk.
A = Nucl. reticularis inferior.
B = Nucl. reticularis medius.
C = Trigeminale Gruppe | Nucl. retic.
D — Isthmus Gruppe 1 super,
(die zwischen C und D liegende dorsalere Zelle liegt in dem Areal des
Trochlearis Kernes, vergl. Fig. 167).
E = Nucl. reticularis mesencephalicus.
Die dorsale Vestibularisgruppe besteht aus nur zwei Zellen.
Die eine Zelle liegt direkt hinter dem motorischen Facialiskern, die
andere direkt vor diesem Kern. Beide sind Riesenzellen, deren Dendriten
sich über ein großes Areal ausbreiten und deren Achsenzylinder sich in
das zentrale Längsbündel begibt bis zu der Schwanzregion des Markes.
Eine dritte Gruppe viel kleinerer Zellen (Fig. 298 : C) liegt direkt vor
576 IHK RETIKULÄREN KERNE.
dem motorischen Trigeminuskern, auf dem Niveau des sensiblen V-Eintrittes
und wäre als trigeminale Gruppe zu bezeichnen. Ihre Dendriten verbreiten
sich mehr in dem lateralen als in dem ventralen Gebiet der Oblongata, und
ihre Axonen verlaufen in dem zentralen Längsbündel derselben Seite rück-
wärts. Auch von diesen Zellen nehmen bereits einige bei Petromyzon eine
ventralere Lage ein.
Als Istlimusgrup^ie (Fig. 298 D) lassen sich einige sehr große retikuläre
Elemente (die größten des ganzen Gehirnes) bezeichnen, welche ungefähr
auf dem Niveau des Trochleariskernes, etwas ventral davon, liegen (vergl.
auch Fig. 167).
Die trigeminale und Isthmus-Gruppe retikulärer Zellen können als
Nucl. reticularis superior zusammengefaßt werden.
Da die Dendriten dieser Zellen sich teilweise in dem Areal des Troch-
leariskernes und des Oculomotoriuskernes verästeln, übermitteln diese Zellen
vielleicht dieselben Reize wie die, welche die genannten Augenmuskelkerne
trefi'en, und dürften sie also eine Koordination zwischen Augenstellung und
Körperstellung verwirklichen.
Ahnliches darf wohl von der Mittelhirngruppe der MüLLER'schen Zellen
{Nucleus reticularis mesencephalicus) gesagt werden, die in der Nähe des
Oculomotorius kernes anfängt und sich bis hinter das Niveau der Com-
missura posterior ausdehnt i).
Sie enthält neben kleineren auch sehr große Zellen, deren Dendriten-
verästelung eine solche ist, daß man den Eindruck erhallt, daß sie auch
optische Reize übermittelt.
Auch ihre Achsenzylinder verlaufen gleichseitig bis in die Schwanzregion
des Rückenmarkes, wo sie mit den Achsenzylindern der großen Zellen
der Nuclei reticulares superior und medius die MüLLERSchen Fasern bilden,
welche ich in dem Kapitel über das Rückenmark (Fig. 58 und 59) bespro-
chen habe, und von denen nur wenige (aus der Vestibularisregion) kreuzen.
Da ihie Achsenzylinder auch Kollateralen in die Augenmuskelkerne
schicken, vermitteln diese Zellen warscheinlich die Koordination der Augen-
und Schwanzmuskeln auf optische und damit korrelierte Reize.
Die retikulären Zellen der Plagiostomen weisen bereits andere topo-
graphische Verhältnisse auf.
Auf gewissen Distanzen von einander getrennt, findet man fast an der
ganzen Länge des zentralen Langsbündels entlang, und auch ventrolaferal
davon, große multipolare Zellen, welche nicht zu den motorischen Wurzel-
zellen gehören, sondern als retikuläre Zellen zu betrachten sind.
Die retikulären Elemente des Vagusareales zeigen sich jedoch sehr
1) Man kann sie wieder in kleinere Gruppen verteilen (Herrick), wovon die dorsalste
eine Erhebung des S. limitans hervorruft. (Vergl. Fig. 411.)
DIK UETIKni,AIlRN KKRXK. 0/ l
9
zahlreich und sind ventral in der Raphe angehäuft. Sie können dort so
zahlreich sein, daß man von einem wirklichen Kern: dem Nucleus reticu-
laris inferior, reden kann (v. Hoevkll), der sich nicht nur in der Raphe,
sondern auch seitlich davon guirlandenförmig unter dem Fase. long, cen-
tralis ausdehnt. Diese Zellgruppe ist sowohl kaudal als frontal ziemlieh
scharf abzugrenzen (Fig. 299).
Auch auf frontaleren Niveaus gibt es spezielle Anhäufungen und zwar
auf denselben Querebenen, wo bei Petromyzon Gruppen retikulärer (Mül-
LERScher) Zellen gefunden werden: dem Niveau des VIIl-Eintrittes {NvcL.
reticularis medius), dem trigeminalen und prätrigeminalen (Isthmus) Niveau
(Nucleus reticularis supei-ior) und schließlich in der Basis des Mittelhirnes.
Die Oetavusgruppe, Fig. 300, weist nur sehr wenig Zellen in der
mot.
■XKern.
Fig. 299. Die retikuläien Elemente iü
dem unteren Oblongatagebiet (Nucl.
reticularis inferior) eines Rochen, n.
Van Hoevell.
Nucl. ret med.
Fig. 300. Die retikulären Elemente in
der Octavusregion (Nucl. reticularis
raediusjeines Rochen, n. Van Hoevell.
Raphe auf. In diesem Areale liegen die retikulären Elemente hauptsäch-
lich seitlich von der Raphe, also bilateral geordnet, und bleiben ziemlich
dorsal nahe dem lateralen Rande des Fasciculus longitudinalis centralis,
wo auf jeder Seite 6 — 8 solcher Zellen in einem Schnitt gefunden wer-
den können.
Einige Zellen bilden jedoch eine mehr ventrolatere Gruppe, welche
offenbar mit eintretenden Vestibularisfasern in Verbindung steht, für welche
sie ein reflektorisches Zentrum darstellen. Aus ihnen geht ein deutliches,
seitlich von dem zentralen Längsbündel verlaufendes Bündel hervor (Fase,
medianus Stieda's), welches bis weit hinunter ins Rückenmark verfolgt
werden kann.
Frontal von dieser Region vermindert die Zahl der retikulären Ele-
Kappehs. 37
578
DIE RETIKULÄREN KERNE.
mot.
trie
Diente wieder, um auf dem Niveau des motorischen Trigeminuskernes und
namentlich etwas frontal davon wieder eine Vermehrung zu erfahren:
Nucleus reticularis superior (Fig. 301).
Auch die Zellen dieses retikulären Kernes (wenn man den Ausdruck
Kern hier überhauj^t gebrauchen darf)
liegen in derselben Weise geordnet,
seitlich von der Raphe (nicht in der
Nuci. Raphe).
Sie beschränken sich hauptsäch-
lich auf das obere Drittel des Quer-
schnittes.
Frontal von dem Nucleus reticu-
laris superior vermindert sich die Zahl
dieser Zellen wieder, ohne jedoch
gänzlich aufzuhören.
In der Basis des Mittelhirnes tritt
jedoch, seitlich von den Oculomoto-
riuswurzeln und frontal davon, wieder
eine größere Anzahl solcher Zellen
zum Vorschein, welche als Nucleus
reticularis mescncephali bezeichnet wer-
den können.
Die frontalsten und dorsalsten dieser Elemente dehnen sich vor dem
Oculomotoriuskern aus in den kaudalen Abschnitt der Commissura poste-
rior-Fasern und dürften den Zellen des sog. Nucl. interstitialis der höhern
Tiere verwandt sein, welche ihre Axonen ebenfalls in den Fase. long,
centralis kaudalwärts schicken.
Fig. 301. Der Nucleus motor. Trigemini
und Nucleus reticularis superior eines
Rochen (Raja clavata) n. Van Hoevell.
Bei den Teleostiern, wo fast alle Elemente des Nervensystems eine
umschriebenere Anordnung aufweisen, sind auch die retikulären Ele-
mente in schärfere Gruppen gesondert und ist ihre Anordnung nach
gewissen sensiblen Reflexzentren ausgesprochener (Fig. 302).
Die hintere Gruppe Nucleus reticularis inferior (N. mot. Tegm. inf.
Fig. 302), unterscheidet sich von derjenigen bei den Selachiern dadurch,
daß sie einen viel weniger ausgesprochenen Raphekern bildet. In der
Raphe kommen hier nur ganz wenig Zellen vor; die meisten liegen seit-
lich nahe der ventrolateralen Ecke des Fase. long, centralis und stehen in
N'erbindung mit .sekundären Neuronen der sensiblen Vaguskerne, von denen
sie Geschmacksreflexe und taktile Reflexe übermitteln, welche mit der
Bewegung des Atemwassers mittels der Flossen zu tun haben dürften,
eine Art respiratorisches Zentrum also. Ihre Axonen verlaufen in dem zen-
tralen Längsbündel kaudalwärts.
Eine zweite Gruppe erstreckt sich bis in die Nähe des Facialiskenies,
DIK IlETIICUr.ÄRKN IvKRNE.
r)79
WO sie aufli Reflexe des Octiivo-Lateralis-Gebietes übermitteln (Bartelmkz)
dürfte.
Letztgenannte Funktion fällt übrigens namentlich zwei Gruppen zu,
welche sich findet im Vestibularisareal (Pars postmauthneriana : P. Post
M., Fig. 302) und frontal davon (Pars prämauthneriana : P. Pre M., Fig.
N.Cerv.I'
Fig. 302. Pi-ojektion der sensiblen, motorischen und retikulären Kerne von
Ameiurus in einer horizontalen Fläche n. Bartelmez.
Die retikulären Elemente sind geki'euzt schraffiert, die motorischen schräg schraffiert,
die sensiblen Areale sind punktiert. — MAUTHNERsche (M. C.) uud MüLLERsche Zellen
(Mül. C.) durch diese Punkte dargestellt.
302). Zwisschen diesen Gruppen liegt die MAUTHXER'sche Zelle, welche in
dieser Beziehung von besonderer Bedeutung ist (vergl. S. 388 : M. C.).
Von ihren Hauptdendriten steht der laterale (ebenso wie der Zellleib)
mit direkten Vestibularisfasern in Verbindung, während die ventralen
Dendriten sich namentlich in die Richtung des sensiblen Trigeminuskernes
begeben, teilweise auch in Verbindung stehen mit Axonen der ventralen
Vestibulariskerne und mit optischen Reflexfasern.
Die hinter der MAUTHNEKschen Zelle gelegenen retikulären Zellen haben
etwa dieselben Verbindungen wie der untere ventrale Dendrit der Mauth-
NERschen Zelle und stehen hauj>tsäehlich mit den ventralen Kernen der
580
DIE RETIKULÄREN KERNE.
Area statica in Verbindung. Sie entsprechen wahrscheinlich (mit den Zellen
in der Nähe des Facialiskernes) dem Nitcleiis reticularis medius der Haie.
Die vor der MAUTNER'schen Zelle gelegenen retikulären Elemente
haben dieselben Verbindungen wie der obere ventrale Dendrit der Mauth-
NERSchen Zelle und stehen hauptsächlich mit dem Hauptkern des Trige-
minus und mit zerebello-motorischen Fasern in Verbindung (Bartelmez).
Fig. 303. Mauthnerzelle eines jungen Lachses,
n. Bartelmez.
F.L.M. = Fasciculus longitudinalis medialis (= centralis);
Ax. = Axon; Ax. Cp. = Axonkappe; Nticl. D. — DElTERS-kern.
Sie entsprechen teilweise der trigeminalen Gruppe der Plagiostomen.
Die vorderste Gruppe von retikulären Zellen der Oblongata (Pars. sup.
Fig. 302) dehnt sich auch bei den Teleostiern bis frontal von dem Trige-
minusniveau aus und dürfte der Isthmus-Gruppe der Plagiostomen ent-
sprechen, welche ich als Nucleus reticularis superior bezeichnete.
Bei den Teleostiern weist sie (Bartelmez) Verbindungen mit Kollateralen
der lateralen Schleife auf, eine wichtige Tatsache, im Zusammenhang mit der
weitern phylogenetischen Entwicklung dieser Gruppe und der Schleife
(siehe bei den Reptilien, S. 583 und den Säugern, S. 589 und 590).
Auch die Mittelhirnbasis der Teleostier enthält große retikuläre Ele-
mente, namentlich direkt frontal von dem Niveau des Oculomotoriuskernes
DHC RETllCULAKEN KERNE.
581
in ähnlicher Anordnung wie bei den Plagiostomen : NikI. reticularis mesen-
cephalicus.
Die Axonen dieser Zellen übermittohi walirscheinlich überwiegend
Opticus-ReÜexe, vielleicht auch solche vom Kleinhirnbindearm, und ver-
laufen größtenteils nach hinten in oder neben dem zentralen Längsbündel.
Die retikulären Elemente der Amphibien sind uns teilweise bekannt
durch die Untersuchungen Beccari's und Herrick's, welche aber haupt-
sächlich larvale Zustände studierten.
Eine besondere Gruppierung wurde hier bis jetzt nicht durchgeführt
und ist wahrscheinlich kaum durchführbar.
Unter den retikulären Elementen ist — bei den geschivänzten Amphi-
bien — die MAUTHNERsche Zelle auffallend, deren Axon, wie bei den Teleo-
stiern, gekreuzt in dem zentralen Längsbündel kaudalwärts läuft und erst
in der Schwanzregion des Rückenmarkes endet.
Ihr dorsaler Dendrit, vielleicht dem lateralen Dendriten der Mauthner-
schen Zelle der Teleostier homolog, dehnt sich in dem Areal der Lateralis-
wurzelfasern aus, während mediale Dendriten sich mit Fasern und Kolla-
teralen des Fase. long, centralis in Verbindung stellen und ventrale
Dendriten sich zwischen andern Systemen der Oblongata verästeln (Tr.
tecto-bulbaris und Tr. spino-bulbaris).
Bei den ungeschwänzten Amphibien fehlt die MAUTHNERsche Zelle.
Ob aie während der larvalen Lebensperiode des Frosches, wenn dieses Tier
noch geschwänzt ist, auftritt, ist unbekannt.
TUTO^
Auch bei den Amphibien
weist die Mittelhirnbasis unter-
halb des Oculomotoriuskernes
große polygonale Elemente auf,
denen sicher die Bedeutung von
Schaltzellen zukommt. Ihre ge-
nauen Verbindungen sind indes-
sen unbekannt.
Viel deutlicher als bei den
Amphibien ist die Anordnung der
koordinatorischen Zellen bei den
Reptilien, wo sie uns durch Van
Hoevell's Untersuchungen be-
kannt ist.
Ich demonstriere ihr Ver-
halten an den Abbildungen, welche dieser Untersucher vom Alligator gab.
Fig. 304. Nucl. reticularis inferior von Alligator
sklerops n. v. Hoevkij,.
582
DIE RETIKULÄREN KERNE.
Die hintere Gruppe, welche in Fig. 304 dargestellt ist: der Nucl.
reticularis inferior, weist wieder, wie bei den Plagiostomen, in der Raphe
einen Kern auf, der sich auch seit-
lich von der Raphe guirlandenför-
mig in dem ganzen Vagus- Areal aus-
dehnt. Ob die lateralste Zellgruppe
(Fig. 304 1) auch zu diesen Zellen
zu rechnen ist, ist fraglich. Wir
wissen nämlich, daß die Axonen des
eigentlichen Nucl. reticularis inferior
zu dem zentralenLiingsbündel aufstei-
gen und dann darin einen absteigen-
den Verlauf zum Rückenmark neh-
men,während der Verlauf der Axonen
der lateralen Zellgruppe nicht be-
kannt und es wohl möglich ist,
daß diese Zellen eine Vorstufe des
lateralen Kernes der Säuger bilden,
welche in den antero-lateralen Trakt
der Oblongata eingeschaltet ist und
deren Axonen an dem ventro-late-
ralen Oblongatarand aufsteigen.
Fig. 305. HnCI. reticularis medium {h und c) und
sonstige zellulare Elemente in der Oblongata
von Alligator sklerops n. van Hoevell.
Der untere magnozelluläre
retikuläre Kern vom Alligator
ist durchsetzt mit, oder besser ge-
sagt, umgeben von parvozellulä-
ren Elementen, welche von den
Reptilien an sich mehr und mehr
den großzelligen retikulären Ker-
nen zufügen : eine Eigentümlich-
keit, die namentlich bei den Säu-
gern sehr ausgeprägt wird und
nicht nur für die retikulären Kerne
gilt, sondern auch — wie wir be-
reits sahen (S. 544 luid 545), die
motorischen Wurzelkerne betrifft.
Etwa auf dem Niveau der
Glossopharyngeuswurzel scheint
eine Lücke vorzukommen in den
retikulären Elementen, welche
dort wenigstens viel spärlicher
sind. Erst frontaler kommen wie-
der große polygonale Elemente
y. 306. Na. reticularis superior bei Alligator
sklerops n. van Hoevell, (vergl. auch Fig.
'255, die eine etwas kaudalere Ebene darstellt).
zum Vorschein, welche jetzt aber nicht mehr in der Raphe, sondern aus-
I
DIE KETIKt'l,AKEN KERNE.
583
scliließlich daneben angeordnet sind, neben den Wurzeln des N. abducens,
Fig. 305, auf dem Niveau des Vestibulariseintrittes (Naclcus reticularis
medius).
Diese Anordnung bleibt so bis in das Gebiet des Trigeminuskernes,
aber in dem prätrigeminalen Gebiete weist ein Teil der Zellen (Fig. 306:
b. ventr.) eine deutliche ventrolaterale Verlagerung in der Richtung des
vordem Abschnittes der Oliva superior und der lateralen Schleife auf.
Wir haben bereits bei den Teleostiern (S. 580) gesehen, daß die vor-
derste retikuläre Zellgruppe dort zahlreiche Kollateralen von der lateralen
Schleife erhielt. Es kann uns also nicht wundern, daß bei der ventrolate-
ralereu Verlagerung, . i •''///'
welche diese Schleife ,, -s. 'liß v
-.'.I' ///y i ■ '
■ i'i
■///. .
bei den Reptilien auf-
weist, auch ein Teil der
unter ihrem Reiz-Ein-
fluß stehenden Zellen
des Nucleus reticularis
superim' dieser Verla-
gerungfolgt (Fig. 306).
Ich möchte weiter
auf den kleinzelligen
Raphekern hinweisen,
welcher auf dieser
Höhe vorkommt, und
auf die Anhäufung von
retikulären Elemen-
ten um die laterale
Ventrikelecke, welche
Zellen (Fig. 306: nc.
loci coer.) obschon sie noch kein Pigment i) enthalten, den Nucleus loci
coerulei der Säuger repräsentieren dürften.
In der Basis des Mittelhirnes haben die großen Elemente, bereits nach-
weisbar bei Amphibien und Fischen, bei den Reptilien sehr zugenommen
und sich zu einem großzelligen Kern angeordnet, welcher lateral von den
Oculomotoriuswurzeln liegt (Fig. 307).
Diese Zellen bilden dort den Anfang eines Nucl. ruber, der ebenfalls
ursprünglich als Koordinationskern zu betrachten ist.
Frontal vom Oculomotoriuskern bilden andere Zellen eine zweite Gruppe,
den Nucleus interstitialis mesencephali (Cajal).
Bei andern Reptilien sind die Verhältnisse in einigen Beziehungen
anders, der Hauptsache nach jedoch ähnlich.
Fig. 307. Nucleus ruber bei Aligator slderops ii. he Lange.
') Die Anwesenheit von Pigment ist Iteine Conditio sine qua non für diese Homologie.
Auch der Kern der Subst. nigra ist manchmal pigmentfrei.
584
DIE RETIKULÄREN KERNE.
Die Vögel zeigen in dieser Zellordnung ziemlich große Abweichungen
von den letztgenannten Tieren.
Der Nucleus reticularis inferior ist dort nicht so sehr in der Raphe, als
}[^ jc^uX
7bv2:
Htüirsr
Fig. 308. Nucleus reticularis inferior von Ciconia alba,
n. Van Hoevell.
Fase. Nu.mot.
Nu. "VI. ret.d. VII dors.
I I
r . >
I
Nu.ret. med.
pars med.
Fig. 309. Nucleus reticularis medius bei Passer
domesticus, n. C.\.ial.
daneben entwickelt. Außerdem sind die Zellen in der Raphe bedeutend
kleiner (Fig. 308).
Die Axonen der großen Zellen verlaufen hauptsächlich gekreuzt (Cajal),
teilweise aber ungekreuzt im zentralen Längsbündel.
DIE RKTIKULAREN KERNE.
585
Umgekehrt weist der Nucleus reticularis medius recht viel große Raphe-
zellen auf, was wir sonst nicht in dieser Region finden.
Die Zahl der retikulären Elemente in dieser Gegend ist überliaupt
sehr groß und wird frontalwärts, in dem Gebiete des Facialiskernes, P^ig.
309, noch größer.
Dort erhalten die seitlichen Zellen auch eine sehr ventrolaterale Lage
in der Nähe der obern Olive. Ihre Achsenzylinder verlaufen nur teilweise
in dem zentralen Längsbündel, meistens lateral davon (Fig. 309: Fase. ret. d,)
und scheinen auf derselben Seite kaudalwärts zu ziehen (Tr. homolat. internus).
Der Nucleus reticularis superior in den vorderen Trigeminusgebiet ist
bei den Vögeln stark entwickelt und weist nur wenige Unterschiede mit deq^
gleichnamigen Kern des Alligators auf.
Auch seine Axonen bleiben fast gänzlich ungekreuzt und ziehen nicht
Fig. olü. Nucleus ruber des Storches (Ciconia alba), n. de Lange.
in, sondern hauptsächlich neben dem Längsbündel kaudalwärts. (Tr. homo-
lat. externus Cajal's.)
Die magnozellulären Elemente der Substantia reticularis meseucephali
sind bei den Vögeln, den Reptilien gegenüber stark vermehrt.
An erster Stelle sind hier die basalen Elemente zu nennen, welche
lateral von den Oculomotoriuswurzeln einen wohl umschriebenen Kern
bilden, der als Nucleus ruber zu bezeichnen ist.
Die Axonen dieses Kernes verlaufen gekreuzt kaudalwärts, aber nicht
in dem zentralen Längsbündel oder daneben, sondern in ventro-lateraler
Lage : Fase, rubro-spinalis.
Obschon seine Zellen völlig den retikulären Elementen ähnlich sind,
und, eingeschaltet in eine zerebello-fugale Bahn, einen koordinatorisch-
motorischen Charakter haben, wird der Kern nicht zu den retikulären
Kernen gerechnet, namentlich nicht bei den Säugern, wo ein sich den
586
niE RETIKULAKEN KERNE.
großzelligen Elementen frontal anschließender parvozellulärer Zusatz Projec-
tionsbahnen zum Vorderhirn schickt.
Bei den Vögeln ist indessen nur der großzellige Abschnitt entwickelt
und ist durchaus als ein koordinatorischer Schaltapparat für die Loko-
motion zu betrachten.
Diffuser liegen die großen Zellen, welche in einem dorsaleren
Niveau seitlich und frontal von dem Oculomotoriuskern gefunden werden
und von Cajal als Nucleus interstitialis bezeichnet sind. Die Axonen dieser
Zellen schließen sich wohl
n^-j^^T hc-m n(/i-^/>'=^ü^ dem zentralen Längsbündel
■^^""^ ' an. Wahrscheinlich führen
sie optische Reflexe.
tW:X^
Fig. 311. Retikuläre Zellen und sonstige Elemente im
kaudalen Oblongata-Areal von Macropus n. va.\ Hoevell.
Bei den Säugetieren
gibt es (namentlich in dem
Nucl. reticularis superior)
ziemlich große graduelle
Unterschiede.
Auch bilden die klei-
nern retikulären Elemente,
welche hier viel zahlreicher
sind als bei niedern Tieren
(gerade wie um und in den
motorischen Kernen) allerlei
Gruppen, welche nicht im-
mer scharf abzutrennen sind.
Ich gebe die folgende
Darstellung an der Hand der Untersuchungen tan Hoevell's, von dessen
Resultaten ich mich persönlich habe überzeugen können.
Bei Macropus und beim Pferd findet man die großen retikulären Zellen
an zwei Stellen besonders stark angehäuft.
Eine Anhäufung liegt im Vagus- und Üctavusgebiet. Sie erreicht ihre
stärkste Entwicklung an der kaudalen Grenze des VIII-Wurzel-Eintrittes und
kann betrachtet werden als eine Verschmelzung des Nucl. reticularis inferior
und medius, welche, infolge ihrer Vergrößerung, zusammenstoßen.
Die andere liegt in der Höhe des motor. V-Kernes und frontal davon:
Nu. reticularis superior.
Fig. 311 gibt einen Schnitt durch ein kaudales Niveau der Oblongata
von Macropus.
Die großen Zellen dieses Gebietes spielen wahrscheinlich eine Rolle
bei der thorakalen Atmung (vergl. S. 306 — 308).
Auch sieht man hier noch einen Teil des Nucleus funicuü lateralis (oder
Nucl. reticularis lateralis), der bereits bei Macropus kräftig entwickelt ist
DIE RETIICUr.AKEX KEKXE.
587
und seinen größten Umfang hat auf einem etwas kaudaleren Niveau. Inwie-
weit Zusammenhang besteht zwischen diesen Zellen (welche ihre Axonen
frontalwärts schicken) und den übrigen reticulären Elementen dieser Gegend,
kann ich nicht sagen. — Vielleicht haben sie eher eine funktionelle Ver-
wandtschaft mit der Olive (ohne dazu zu gehören).
Frontalwärts (Fig. 312) reichen sie bis an den Facialiskern ; wahrscheinlich
liegen auch zwischen den • .
motor. VII- Wurzelzellen
noch retikuläre Elemente.
Ich habe bereits bei
der Beschreibung der mo-
torischen Kerne darauf
hingewiesen, daß diesel-
ben bei den Säugern mehr
als bei den niedern Tie-
ren mit retikulären Ele-
menten vermischt sind,
was dadurch bewiesen
wird, daß nach Wurzel-
durchschneidung nicht
alle Zellen eines Ker-
nes zu Grunde gehen, son-
dern meistens eine An-
zahl, oft kleinerer, Ele-
mente bestehen bleibt
(s. oben).
Die um die Xll-Wurzehi liegenden retikulären Zellen wurden von
KöLLiKER als Nc. reticularis diffusus zusammengefaßt, die medial von den
Xll-Wurzeln liegenden Zellen von Obersteiner als Nc. funiculi anteriores,
von MissLAWSKi und v. Bechterew als Ac. respiraiorius bezeichnet.
Letztgenannter Name, welcher darauf beruht daß die Reflexbahnen
der thorakalen Atmung (S. 306—308) hier entstehen dürften, ist aber
irreführend, weil dies sicher nicht das einzige und wichtigste Athmungs-
zentrum ist.
Die großen, in der Höhe des VIII-Eintrittes und kaudal davon vor-
kommenden Zellen sind von Roller beschrieben worden und werden
daraufhin von den meisten Autoren als Nc. centralis inferior Roller
bezeichnet.
Die Zusammenfassung der Riesenzellen des Octavusgebietes in einen
absonderlichen Kern als Nucleus reticularis medius, — wenn auch diese
Zellen deutlich größer sind als die auf dem Vagus-Hypoglossus-Gebiet vor-
kommenden größten retikulären Zellen, (Nucl. retic. inferior) ist hier nicht
scharf durchführbar.
Der Übergang zwischen diesen Gruppen ist ein allmählicher.
Fig. 312. Nucl. reticularis medius von Macropus
n. VAN HOEVELL.
588
DIE RETIKULÄEEN" KERNE.
Die großen retikulären Zellen, die an dem kavidalen Teil des VIII- Wurzel-
Eintrittes beim Menschen auftreten, werden von Jacobsohn als zwei retikuläre
Kerne aufgefaßt, die größtenteils durcheinander liegen ; seinem Nc. giganto-
cellularis formationis reticularis und seinem Nc. motorius dissipatus formationis
reticularis. Die Unterscheidung macht er allein auf Grund von Zellenstruk-
turverschiedenheiten, während er angibt, daß die Zellen des Ne. mot. dissip. f. r.
im allgemeinen kleiner als die des Nc. gig. f. r. sind. Ich glaube aber, daß kleine
und große Zellen sich oft funktionell ergänzen, also zusammen gehören.
Frontal vom Octavus-Wurzel-Eintritt nimmt die Zahl der großen reti-
kulären Zellen ab, um auf der Ebene des motorischen Trigeminus-Kernes
wieder zuzunehmen.
In Höhe des motorischen Trigeminus-Kernes und in frontaleren
Teilen der Oblongata fand van Hoeveli, bei Macropus und beim Pferd
aber keine Riesenzellen mehr in der Raphe.
Wohl findet man in der Eaphe Zellen, die mit den Nuclei pontis zusammen-
hängen, und noch frontaler, eben hinter dem Corpora quadrigemina, einen klein-
zelligen Kaphekeru. Über all diese Zellen, welche wahrscheinlich einen anderen
Ursprung und eine andere Bedeutung haben, siehe unten.
Die großen retikuläreii Zellen in dem trigeminalen, Fig. 313, und prä-
trigeminalen Gebiet, Fig. 314 A
und B, Nucleus reticularis superior,
zeigen bei allen von uns unter-
suchten Säugetieren — ausgenom-
men Phocaena — eine Eigentüm-
lichkeit in ihrer Anordnung.
Die Zellen scheiden sicli
hier nämlich, wie bereits bei den
Reptilien (Fig. 306) angedeutet
war, mehr oder weniger deutlich
in zwei Gruppen, von denen die
eine dorsaler in dem Bulbus
liegen bleibt, während die andere,
in ventrolateraler Richtung wan-
dert und sich gegen die laterale
Schleife legt.
Bei Macropus hängen die zwei Gruppen noch deutlich zusammen, wie
bei den Reptilien. Bei andern Tieren, u. a. beim Kaninchen, fand van
HoEVELL aber eine etwas weiter geschrittene Trennung.
Beim Pferd ist diese Verschiebung am deutlichsten; dort kommen
die retikulären Zellen sogar teilweise zwischen den Fasern der lateralen
Schleife vor.
Die großen retikulären Zellen sind dort völlig in zwei Gruppen ge-
spalten. Die ventrolaterale Gruppe hat eine Lage gegen den und in dem
medialen Rand der lateralen Schleife. Wo (auf frontalerem Niveau)
Hc Ma/jZ'
UnTSr.
Fig 313. Nucl. reticularis superior des
Pferdes, nach v. Hoevell.
DIR RETIKULÄREN" KERNE.
iSit
der Durchschnitt dieser Schleife etwas dorsaler in dem Schnitt vorkommt,
liegen diese Zellen gleichfalls dorsaler ; vergleiche Fig. 314 A mit B).
lu l'ig. 314 ist die Ausbreitungsgrenze der Nuelei pontis durch eine ge-
strichelte Linie angegeben. In der iS'ähe der Eaphe sieht man eine dorsale Vor-
wölbung der Nuelei pontis durch die gestrichelte Linie angegeben. Bei dem Pferd
sind die Zellen dieser Gruppe nicht scharf von den übrigen Zellen der Nc. pontis
zu trennen. Bei einigen Tieren jedoch, z.B. Kaninehen, und vor allem Phocaena,
unterscheiden sieh die
Zellen dieser dorsalen
Gruppe so deutlich von
den übrigen Ne. pontis,
und gehen davon solche
eigentümlichen Ausläufer
in lateraler und dorso-
lateraler Richtung aus,
daß die Zellengruppe
warscheinlich eine beson-
dere Bedeutung hat
(Nucl. reticularis Bech-
terew, Fig. 314 A).
Die ganze Reihe
der großen Elemente
des trigeminalen und
prätrigeminalen Ge-
bietes der Oblongata
möchte ich mit Bech-
terew unter einen
Namen zusammenfas-
sen : Nucleus reticularis
supenoT", der dann nach -&■-. ;.- - ■ ''\_^-?ir/',nu,f
VAN Hoevell wieder
in einen Nc. superior
centralis s. dorsalis (b)
und einen Nc. superior
veniro- lateralis (b^) ein-
geteilt werden kann ^).
Auch bei der Katze
und beim Menschen
kommt eine Sachlage
vor, welche prinzipiell „. , „ , „ , '.^' , , " ^ , ^ ,
. Flg. 314. Frontale Schnitte (der untere frontaler) durch
hiervon nicht sehr ^^^ Nucleus reticularis Superior des Pferdes
abweicht. n. van Hoevelt,.
') Der Nc. sup. dorsalis s. centralis entspricht dem Nc. centralis sup. tat (Bechtehew),
während der Nc. sup. ventro-lateralis dem Nc. tegmenti later. von Kölliker entsprechen
wurde (beim Menschen beschrieben zwischen dem Leraniscus lat. und den Brachia
590
DIK RETIKULÄREN KERNE.
Nur bei Phocaena fanden wir ein primitveres Bild, da hier eine Spaltung des
Nucleus reticularis superior in eine dorsale und ventrolaterale Gruppe (resp. b
und b^) nicht gefunden wurde. Die Zellen liegen hier gleichmäßiger durch die
Formatio reticularis verbreitet, in der Hauptsache dorsaler in dem Bulbus, was
wahrscheinlich mit der größern dorsalen Ausdehnung der lateralen Schleife bei
diesem Tiere zusammenhängt.
Daß also die latero- ventrale Verlagerung eines Abschnittes des Nucl.
reticularis superior durch ihren funktionellen (neurobiotaktischen) Zusammen-
hang mit der lateralen Schleife bedingt wird, geht aus der ganzen Phylo-
genese dieser Zellmassen hervor und auch aus der Tatsache, daß da, wo
die Schleife (auf frontaleren Ebenen) eine dorsalere Lage einnimmt, dies
CM.
\ Nu.ret.
^T^dors teom.
; - v:^'\ Gudden.
reL.sup.
ventro-lat.
Nu.re t.sup.
ven tro-med.
Fig. 315. Die retikulären Kerne in dem frontalen Abschnitt der Oblongata einer Katze.
auch mit diesen Zellen der Fall ist (vergl. Fig. 314 A und B). Der Name,
der von Kohnstamm diesen Zellen gegeben wurde: ^ucl. jMralemniscalis,
trifft denn auch sehr gut zu.
Auch unter den retikulären Kernen des Mittelkirns sind bei den Säugern
verschiedene wohl definierte Gruppen zu unterscheiden.
Als kaudalste Gruppe ist hier eine Zellanhäufung zu erwähnen,
welche wir bei den- Reptilien und Vögeln nicht vorfanden, (ebenso wenig
wie die Bahn, welche damit in Verbindung steht: der Tr. mammillo-teg-
mentalis dorsalis). Ich meine den Nucleus reticularis dorsalis iegvienti v.
Gudden's.
Diesen Kern (Fig. 315) welcher aus ziemlich großen Zellen besteht,
anteriora) Der von Kohnstamm beim Kaninchen beschriebene Nucl. paralemniscalis inferior
(medial gegen die Lemn. lat. gelegenen Zellen) ist unserui Nc. reticularis sup. ventro-
lateralis analog.
DIK ÜETIICULAREN KERNE.
591
I
findet man etwas kaudal vom Trochleariskern in engem Anschluß au das
liintere Längsbündel, wo er (namentlich bei der Katze) einen scharf um-
schriebenen Kern bildet, oberhalb des Fasciculus longitudinalis centralis,
nahe der Raphe.
Die Dendriten dieser Zellen verästeln sich teilweise in dem Kern selber,
teilweise begeben sie sich zwischen die Fasern des zentralen Längsbündels.
Ihre Funktion scheint daher eine scharf umschriebene zu sein. Wahr-
scheinlich gesellen sich ihre Axonen dem Längsbündel zu, oder ziehen
dorsal davon kaudalwärts.
Der Kern erhält seine Reize von dem obengenannten Tr. mammillo-
tegmentalis dorsalis oder dem GuDDEN'schen Bündel. Er dürfte auch mit
dem sog. ventralen Tegmenturakern Gudden's in Verbindung stehen, welcher
durch das zentrale Längsbündel von ihm geschieden ist.
Nach Winkler erhält der GuDDEN'sche Kern von hinten her
Fasern aus den Geschmackskernen. Falls sich die bestätigen sollte, wäre
der Kern ein Koordinationszentrum von Geruch- und Geschmacksreizen.
Die kleinzelligen retikulären Elemente, welche sich bei den Säugern
dorsal vom Trochleariskern anhäufen, (sowie diejenigen in der Nähe des
Oculomotoriuskernes) habe ich bereits bei der Behandlung dieser Kerne
erwähnt.
Im Mittelhirn finden wir zwei andere Gruppen von großzelligen Ele-
menten, den roten Kern und die Kerne des zentralen Längsbündels, welche
ich eingehender beschreiben und abbilden werde in dem Kapitel über
das Mittelhirn und Zwischenhirn. Hier sei nur lerwähnt, daß die phylo-
genetische Entwicklung des roten Kernes bei den Säugern namentlich von
Hatschek studiert worden ist, dessen Resultate in voller Übereinstimmung
sind mit den oben erwähnten Daten de L.\nge's bei den niedern Verte-
braten, insofern sich dabei herausstellte, daß dieser Kern bei den niedern
Säugern (Didelphys, Macropus) noch fast nur aus sehr großen, reichlich
mit großen Dendriten versehenen Elementen besteht, welche durchaus den
Charakter der großen retikulären Zellen tragen.
Auch bei den Edentaten fand ich diesen großzelligen Charakter sehr
ausgeprägt.
Bei den höhern Säugern und namentlich beim Menschen (Fig 200 B)
wird dieser anfänglich bloß magnozelluläre Kern durch eine Anzahl kleinerer
Zellen kompliziert.
Obschon wir diese Tendenz bei allen retikulären und motorischen
Kernen wahrnehmen können, hat dieser Prozeß beim roten Kern einen
besonderen Charakter, indem beim Menschen die kleineren Elemente den
größten Abschnitt desselben bilden.
Diese Erscheinung hängt damit zusammen, daß der Charakter des
roten Kernes als Anfangsstation einer relativ einfachen Koordinationsbahn,
dem Tr. rubro-sjnnalis, allmählich von der Rolle übertroffen wird, welche
592 ■ DIE RETIKULÄREN KERNE.
der Kern für die Projektion der zerebellären Eindrücke auf das Großhirn
erfüllt, welche namentlich von den kleineren Elementen übermittelt werden.
Diese Rolle wird schließlich so überwiegend, daß die Einfügung des
roten Kernes unter die retikulären Kerne nur noch auf Grund seiner
phylogenetischen Abstammung aufrecht zu erhalten ist. Der Hauptsache
nach ist der Kern bei den Primaten ein Projektionskern für die Großhirn-
rinde (S. weiter Kap. VIII).
Der Kern empfängt aber nach wie vor zuführende Reize aus dem
Zerebellum mittelst des vordem Bindearmes (vergleiche das Kapitel
Kleinhirn).
Viel mehr wird der Charakter retikulärer Elemente beibehalten von
den großen Zellen, welche in dem dorsalen Abschnitt der Mittelhirnbasis
frontal vom Oculomotoriuskern liegen und deren Axonen den Anfang des
großen koordinatorischen Systemes des zentralen Längsbündels bilden.
Als frontale Ur.sprungsstätte dieses Bündels kommt bei den Säugern
zunächst in Betracht: der Nuclem inierstiilalis Cajal's.
Dieser Kern bildet sicher den Hauptursprung der frontalsten Fasern
dieses Bündels. Seine Zellen liegen seitlich vom Anfang desselben. Sie sind
nicht sehr groß, polygonal, und ihre Dendriten verästeln sich zwischen
den Fasern der absteigenden tektalen Bahnen und denjenigen der Com-
missura posterior.
Der Kern von Darkschewitsch (siehe Fig. 297) der früher vielfach
als frontalster Ursprungskern von koordinatorischen Fasern des Fase,
longitudinalis centralis beschrieben wurde, gehört vielleicht noch mehr der
Commissura posterior zu.
Er steht zwar mit dem zentralen Längsbündel in Verbindung, aber
mehr in rezeptorischem als effektorischem Sinne, insofern sich zahlreiche
Kollateralen des Längsbündels, vielleicht von aufsteigenden Axonen des
DEiTERskernes herstammend, zwischen den Zellen des DARKscHEWiTsciien
Kernes verästelen (Cajal). Indessen ist es keineswegs ausgeschloßen, daß
die Axonen des DARKSCHEWiTScnen Kernes sich sowohl in die Commissura
posterior und in das Längsbündel begeben.
Vielleicht spielt der Kern eine Rolle bei bilateral koordinierten Augen-
bewegungen.
UEBEHSICHT ÜliER DIE RETIKULÄREN KERNE. 593
Uebersicht über die retikulären (magnozellulären) Zeilen der Oblongala
und des IVlittelhirnes.
Man findet bei allen Vertebraten in dem Hirnstamme (Oblongata nnd
Mittelhirn) eine Anzahl großer polygonaler Zellen, versehen mit vielen Den-
driten, und deren Axonen bedeutende, meist aboral verlaufende eö'ektorische
Bahnen, oft in oder neben dem zentralen Längsbündel bilden.
Die Lage dieser Zellen zeigt ursprünglich einen gewissen Paralellismus
mit den motorischen Wurzelzentren. Später verlagern sie sich manchmal,
teilweise unter Einfluß der Reize, welche sie aufnehmen.
Da sie jedoch mit Reizen sehr verschiedener Herkunft in Verbindung
treten, deren „gemeinschaftlichen Endweg" i) sie bilden, werden sie selten
an einer Stelle angehäuft, sondern verbleiben meistens in diffusen Gruppen,
deren Dendriten sich in mannigfacher Richtung weit ausdehnen.
Bei höhern Tieren werden sie mit zahlreichen kleinern Elementen
kompliziert, gerade wie die primär motorischen Zentren.
Eine hintere Gruppe (Nucleus reticularis inferior) findet sich im Vagus-
areal, anfänglich (bei den Zyklostomen) dorsal in der Fortsetzung der
spino-okzipitalen Säule des Rückenmarkes.
Eine zweite Gruppe findet sich auf dem Niveau der Octavus- und der
Facialiswurzel, ursprünglich ebenfalls in dorsaler Lage (N. reticularis medias).
Eine dritte wird auf dem trigeminalen und praetrigeminalen Niveau,
gefunden (Diucleus reticularis superior), und schließlich finden sich solche
Elemente in der Umgebung des Oculomotoriuskernes (Nucleus reticularis
mesenceplialicus).
Die Mehrzahl der Axonen dieser Zellen hat einen ungekreuzten abo-
ralen Verlauf.
Die Veränderungen, welche jene Zellgruppen in der Phylogenese auf-
weisen, sind nun folgende:
Der Nucleus reticularis inferior wird bei fast allen Tieren zu einem
medio-ventralen Kern, der teilweise in der Raphe, teilweise daneben liegt,
und übermittelt Reize, welche ihm mittels Bogenfasern der viszero-sensiblen
Kerne und des Trigeminus übertragen werden und die wahrscheinlich, mit
der Atmung zu tun haben. Die Lage in der Raphe ist am deutlichsten aus-
geprägt bei den Plagiostomen, Reptilien und Säugern, weniger typisch bei
(Zyklostomen) Teleostiern und Vögeln.
Der Nucleus reticularis medius empfindet bei den Fischen hauptsächlich
den Einfluß der vestibulo-lateralen Fasern und deren Kerne, sowie der
zerebello-motorischen und tekto-bulbären Faserung.
Er geht damit durch große Dendriten und auch teilweise durch Zell-
') „Final common patli" ^SnERRl^'GTON).
Kappers. '^8
594 UEBERSICHT ÜBER DIE RETIKULÄREN (mAGNOZELLULAREN)
Verlagerung sehr intime Verknüpfungen ein, welclie der Übertragung der
genannten Reflexe auf kaudale Gebiete offenbar dienstbar sind.
Unter diesen Zellen differenziert sich ein Paar, die MAUTHNEii'schen
Zellen, in ganz besonderer Weise im Dienste des Octavo-lateralis Systemes
und optischer Reflexe auf die Schwatizmuskulatur bei allen wasserlebenden
(geschwänzten) Tieren.
Ihre Dendriten zeigen deutlich den neurobiotaktiscben Einfluß gewisser
Systeme, namentlich der Vestibulariswurzeln.
Die Zellen des Nucleus reticularis superior erfahren namentlich den
Einfluß (Bartelmez) des lateralen Lemniscus, womit sie bereits bei den
Teleostiern Verbindungen eingehen und dessen Einfluß sie auch dadurch
zeigen, daß sie die ventrolaterale Verlagerung, welche diese Lemniscus-
fasern bei den Reptilien und namentlich bei den Säugern aufweisen, mit-
machen, offenbar von deren Reizen beherrscht (Nucleus paralemniscalis :
Kohnstamm's).
Die retikulären Zellen des Mittelhirnes sind von zweierlei Art. Eine Gruppe
liegt unterhalb des Oculomotoriuskernes (lateral von dessen Wurzelfasern),
eine andere frontal davon.
Die erste Gruppe, bei den Fischen nur noch aus spärlichen Zellen
bestehend, bildet sich von den Reptilien an zu einem wohlumschriebenen
Kern (der Vorstufe des Nucleus ruber) aus, der bei den Vögeln und niedern
Säugern noch hauptsächlich aus großen magnozellulären Elementen besteht,
bei den höhern Säugern zu einem gemischten Kern parvo- und magno-
zellulärer Elemente wird. Das aus seinen großen Zellen hervorgehende
rubro- spinale Bündel unterscheidet sich zwar von den übrigen retikulären
Koordinationssystemen durch seinen ventraleren Verlauf, bildet aber doch
auch wie diese einen exquisiten, soinatomotorischen Koordinationsweg
(zerebellärer Reflexe).
Später wird der Charakter des Nucleus ruber als Retikularkern von
der Bedeutung, welche er als Projektionskern für das Großhirn erlangt,
übertroffen.
Dieser Charakter wird viel mehr durch die frontal vom Oculomoto-
rius gelegenen Zellen inne gehalten, welche als Nucleus interstitialis
bekannt sind und zu dem Aufbau des Koordinationssystemes des zentra-
len Längsbündels erheblich beitragen. Vermutlich übermitteln sie optische
Reflexe zum zentralen Längsbündel, während der Kern von Darkschewitsch,
ebenfalls in dieser Gegend vorkommend, eine Sclialtstation zwischen zen-
tralem Längsbündel und Commissura posterior sein dürfte.
ZELLEN DER OI5LON(!ATA TNI) DES MITTELHIKNES. 595
Aus der obigen Darstellung der retikulären Zellen von Oblongatii
und Mittelliirn geht hervor, daß wir es hier zu tun haben mit sogc^n.
effektorischen Elementen zweiter Ordnung, d. h. ihre Axonen begeben sich
nicht wie diejenigen der primär cflektorisclien Zellen zu den Endorganen
selber, sondern sie bilden Bahnen, welche weiter entfernte primär eli'ek-
torische Zentren koordinatorisch beeinflussen.
Letzteres kann jedoch von mehr Elementen gesagt werden als von
den retikulären Zellen, weil auch manche größeren Schaltzellen sensibler
Kerne mittels ihrer Axonen mit motorischen Zentren in Verbindung stehen.
j\Ian müßte dan alle diejenigen sekundären Neuronen sensibler End-
stätten, deren Axonen die Reflexe derselben auf motorische Zellen übermit-
teln, als retikuläre Zellen beschreiben.
Als solche kämen dann u. a. auch der DEiTERskern und der Nucl.
tangentialis des Vestibularissystemes in Betracht, umsomehr, als deren
Axonen teilweise auch den gemeinschaftlichen Hauptweg supranukleärer
Reize aufbauen. Doch ist solches hier nicht geschehen.
Das Eigentümliche nämlich der retikulären Kerne ist gerade die Tat-
sache, daß die Reize, welche sie empfangen, meistens sehr zahlreich sind.
So fanden wir, daß die Zellen des Nucleus reticularis medius, nicht nur
mit Wurzelfasern oder Schaltneuronen des Octavus in Verbindung stehen,
sondern auch mit Ausläufern oder Kollateralen des Tr. cerebello-motorius,
des Nucleus sensibilis Trigemini, der tektobulbären Bahnen. Sie bilden also
einen „gemeinschaftlichen Endweg" für mehrere Reize. Daher auch ihr viel-
seitiger, weit verästelter Dendritenbau, ihre relativ diffuse Anordnung, die
nur in einzelnen Fällen den bestimmenden neurobiotaktischen Hau})teinfluß
eines speziellen Sy.stems aufweist (wie der Nucleus paralemniscalis).
Sobald ein Kern unter dem alleinigen Einflüsse eines oder fast nur
eines Systems steht,, wie der DEiTEuskern und der Nucleus tangentialis
dies tun, ist er viel mehr ein sensitivo-motorischer Apparat dieses einzigen
Systems geworden und wurde er in dem Kapitel über das rezeptorische
System der Oblongata als sensibler reflektorischer Kern eines solclien
Apparates beschrieben, wenn auch seine Axonen teilweise entsprechende
Wege nehmen, wie diejenigen der nicht spezialisierten, noch mehr primitiven,
wirklich retikulären Elemente.
Doch beweist die phylogenetische Entwicklung solcher Systeme, daß
diese Spezialisierung meistens nur sekundär ist, und wir flnden auch in
primitiven phylogenetischen und ontogenetischen Stadien nicht selten ihre
Verbindungen meist ausgiebig, wie bei der Beschreibung dieser Systeme
bei den Zyklostomen und Plagiostomen auch betont ist.
Man muß sich schließlich fragen, wie es kommt, daß, während die
Mehrheit der sekundär efl'ektorischen Zellen eine relativ diffuse Anordnimg
beibehält, die primär efl'ektorischen Zentren, also die motorischen Wurzel-
kerne, solche wohlumschriebene Bildungen darstellen.
596 UEBERSICIIT ÜBEll DIE RETIKt'LÄUEX KEÜNE.
Gerade die obenerwähnte, physiologisch und anatomisch festgestellte
Tatsache der Anwesenheit eines „tinal common patli" bedingt wahrschein-
lich diesen Unterschied.
Denn die Tätigkeit der retilvulären Zellen, die Reize verschiedener
Zentren zu sammeln, ist Ursache, daß der Hauptreflexbahnen für die
motorischen Wurzelkerne nur wenige sind, und sich auf zwei Areale zen-
trieren, nämlicli dorsomedial am hintern Längsbündel entlang und (weniger)
ventro-lateral nahe der Peripherie.
I
SONSTIGE KOOKliINATÜKISCIIlO SYSTE.MIC. DIK OLIVA INFEKlUU. 597
B. Sonsiige Koordinatorische Systeme der IVIedulla Oblongata.
Oie Oliva inferior.
In den retikulären Kernen des Hirnstanimes haben wir S^ysteine Ivcn-
nen gelernt, welche mehrere Reize — verschiedener Art manchmal —
den effektorischen Zentren übermitteln.
Wir werden jetzt diejenigen Kerne behandeln, welche zwar auch
koordinatorisch tütig sind, welche aber die Reize, die in ihnen zusammen-
fließen, nicht an eflektorische Zentren übertragen, sondern anderen, wieder
höher koordinierten Gebieten übermitteln.
Eigentlich sind wir solchen Zentren bereits begegnet — ohne daß es
indessen betont wurde — in den Kernen der Hinterstränge, welche in dem
Kapitel über das Rückenmark beschrieben wurden als Endstationen der auf-
steigenden Hinterstrangfasern ; den GoLL'sehen und BuRDAcn'schen Kernen.
Während die sekundären Bahnen der primitiven vitalen Sensibilität —
die EoiNGER'schen Fasern — welche eine ventro-laterale Lage einnehmen in
der Oblongata, auf große Strecken ihre segmentäre Anordnung beibe-
halten und die sekundären vitalen Reize damit einen segmentären Charakter
bewahren, ist dies anders mit den von der medialen Schleife weiterge-
führten gnostischen (epikritischen) Reizen des Rückenmarks.
Daß in der medialen Schleife eine Koordination der von ihr fort-
geführten Reize vorliegt, is nicht nur wahrscheinlich aus der intimen
Annäherung der Endigungen in den Kernen der Hinterstränge (die keine
segmentären Organe sind: Zeehandelaar), sondern geht auch daraus
hervor, daß die Zahl der Fasern der medialen Schleife, welche aus
jenen Kernen hervorgehen, diejenige der Hinterstrangfasern übertrifft,
sodaß wir notwendiger Weise annehmen müssen, daß die Reize, welche
von jenen Fasern weiter geleitet werden, zusammengestellte Sj'steme sind:
Raumorientierungbilder, welche aus feinen Hautempfindungen, Gelenk- und
Muskelemjifindungen zusammengesetzt, dem Zwischenhirn und — mittels
dieses — der Rinde zufließen.
Hieraus läßt sich auch wohl erklären — wie wir in dem letzten Kapitel
sehen werden — daß die Körpersensibilität nicht segmentär, sondern viel-
melir nach bestimmten Körperteilen auf der Rinde lokalisiert ist.
Ich werde hier aber nicht näher auf diese Kerne eingehen und
darauf hinweisen, daß wir wahrscheinlich in einem ganz anderen Gebilde
des verlängerten Markes ebenfalls ein koordinatorischen System zu erblicken
haben, dessen Koordinationen jedoch nicht dem Zwischenhirn, sondern
dem Kleinhirn, dem Koordinationsapparat der Bewegungen kat'exochen
zufließen. Ich meine die Oliva inferior.
598 SONSTIGE KOOKDINATORISCHE SYSTEME. DIE OLIVE INFERIOR.
Das Merkwürdige hierbei ist aber, daß die zuführenden Fasern zu diesem
Kern, der bereits bei den Fischen vorkommt — nicht gut bekannt sind.
Wahrscheinhch ist ajs Ursache desse die Tatsache zu erwähnen, daß
es sich dabei größtenteils (Cajal) handeln dürfte um Kollateralen von
Bahnen, deren Hauptfasern an der Olive vorüber ziehen, vermutlich
hauptsachlich RiJckenmarksreize führend, was auch die Entwicklung dieses
Kernes auf der Grenze von Rückenmark und Oblongata erklären dürfte.
Auch aus frontalen Ebenen kommende Fasern scheinen der Olive zuzuströmen.
Bei den Fischen kommen tehiale Fmern dafür in Betracht.
Bei den Säugern sehreiben einige Autoren dem Haubenlütidel, einem im
Thalamus entstehenden System, diese Eolle zu 1). Jelgeesma ist geneigt Fasern
aus dem Vorderhirn (Corpus striatum) eine der gleiche Eolle bei zu messen.
Bereits bei den Fischen sieht man Fasern in dem ventralsten Abschnitt
der Rückenmarksvorderstränge sich innerhalb der Region des Olivengraus
fortsetzen, ohne sich darin gänzlich zu erschöpfen.
Bei den Säugern sind solche aus den Vordersträngen des Rücken-
markes aufsteigenden Fasern als Tr. spino-oUvaris von Goldstein degenera-
tiv nachgewiesen. Ihre Kollateralen dringen von der ventromedianen, ven-
trolateralen und dorsomedianen Seite in die Olive ein.
Neben diesen Fasern scheinen mir, bereits bei den Fischen, solche
zu bestehen, welche, aus dem Hinterhorn des Zervikalmarkes hervorgehend,
an der dorso-lateralen Peripherie des Markes entlang in die Region der
Oliven sich verlieren.
Einen ähnlichen Verlauf weisen die äußern Bogenfasern aus den Hin-
lersir ang kernen (oder aus dem obern Abschnitt der Hinterstränge??) bei den
Säugern auf. Ihre Verbindung mit den Oliven ist jedoch niemals mit
Sicherheit nachgewiesen (Fibrae praelrigemihales: vergl. S. 214, und 215).
Als abführendes Faserbündel zum Rückenmark ist der HELWEo'sche
Tr. olivo-spinalis zu betrachten (vergl. S. 218).
Was die phylogenetische Entwicklung der Oliva inferior (früher bei Fi.schen
auch wohl Nucl. paramedianus genannt) anbelangt, läßt sich folgendes
sagen :
Man findet an der Übei'gangsstelle von Rückenmark und Oblongata
eine Ansammlung grauer Substanz, welche nicht nur wegen der topogra-
phischen Übereinstimmung, sondern auch wegen einer ganz ähnlichen
Verbindung mit dem Kleinhirn in den Klassen der Wirbeltiere sehr wahr-
scheinlich homolog ist und als Oliva inferior bezeichnet wird.
') Eine in dem Kleinhirn entstehende uml in die Oliva in leiior endende Biilin, welche
mit dem Tr. oliva-cerebellaris zusammen laufen soll, ist von Kölliker beschrieben,
doch von allen spätem Autoren geleugnet. Nur Schaifer und Mixgazzini haben neuer-
dings die Meinung Kölliker's wieder verteidigt, ohne ni. E. den Beweis zu liefern.
SONSTIGE KOOIIDINATOKISCIIE SVSTEME. JJIE OLIVA INFKUIOK. 5!J9
Diese Homologie ist nur eine wahrseheinliche, solange uns die
zuführenden Systeme zu der unteren Olive unbekannt sind. Plalten wir
aber vorläufig an ihr fest, und verfolgen wir, wie dieser, bei den Fischen
so einfache Kern, sich zu dem komplizierten Gebilde der höhern Tiere
und des Menschen entwickelt.
Bei den Zijldostomen ist eine Oliva inferior nur von Johnston erwähnt.
Ihre spindelförmigen Zellen sind auf dem Niveau der vordem spino-
okzipitalen Wurzel in transversaler Richtung orientiert nahe der Basis.
Ihre Verbindungen konnten nicht ermittelt werden, aber ihre Neuriten
scheinen sich in dorso- lateraler nach oben zu begeben.
Bei den Plagiostomcn findet man den betreffenden Kern in deutlicher
Ausl)ildung.
Neben der lüiphe finden wir auf der Höhe der vordem spino-okzipi-
talen Wurzeln i) an der Uebergangsstelle von Oblongata und Rückenmark
(Fig. 316) beiderseits eine Anhäufung von kleinen birnförmigen und
spindelförmigen Zellen, die zusammen einen Körper bilden, wie er in
Fig. 316 B rekonstruiert ist (von Selache maxima).
Die Oliva inferior dieser Tiere ist ein in kaudo-frontaler Richtung
lang ausgezogenes Gebilde, welches auf dem Querschnitte ungefähr rund
ist, aber an der lateralen Seite eine Einkerbung zeigt (Fig. 316 B), welche
von Fasersystemen eingenommen ist.
Auf dem frontalen Teil der Olive (angegeben durch eine mit Kreuzen
versehene Figur)- liegt in der Raphe der hier sehr gut ausgebildete, auf
S. 577 beschriebene Nucleus relicularis inferior (Fig. 317 C).
Letztgenannter Kern, dem wir die ganze Reihe der Vertebraten hin-
durch, auf derselben Höhe in der Oblongata begegnet sind, bildet keinen
Teil der Olive. Er wird denn auch auf den folgenden Seiten nicht weiter
besprochen.
Die oben beschriebene Form der Olive ist von Kooy, dessen Darstel-
lung ich hier wesentlich folge, bei allen Selachiern wiedergefunden.
Es scheint, daß die untere Olive dieser Tiere äußere Bogenfasern auf-
nimmt aus dem dorsalen Abschnitt des Rückenmarks. Die abführende zere-
belläre Verbindung ist bei den Plagiostomen sehr deutlich und zeigt sich
in der Form von Fibrae arcuatae externae, die unter und vor der Olive
in der Basis der Medulla kreuzen und dann in dem dorsalen Rand der
Oblongata zum Zerebellum aufsteigen, in dessen Corpus (nicht in die Auri-
keln) sie eintreten (Voorhoeve; vergl. Kap. VII).
Die Oliva inferior der Rochen ist der der Haie sehr ähnlich, nur wird
sie von etwas zerstreuten Faserbündeln undeutlich in einen ventralen und
einen dorsalen Teil zerlegt (Kooy).
'j In T;i(el II ist die Lage der Oliva inferiof angegeben.
600 SONSTIGE KOOKMNATORISCHE SYSTEME. DIE OLIVA INFERIOR.
fVonlal
'^"^^''Wtlv ' ^^' '^®'' '^^■
Hilus der
Olive.
Kaudal.
1 Caudai
r-83
11-59
ur-io
160 -t':snl^
in- 2 7
Frontal
Fig. 316 A. Sagittalschnitt tliircli die Obloiigata v. Scyllium.
B. Wachsrekonstruction und C. Querschnitte v. Sclaclie, n. KooY.
(das mit Krenzen versehene Mittelstück ist der Niicl. reticularis inferior).
SONSTIGK KOORDINATORISCUE SYSTEME. DIE OLIVA INFEKIOK. 601
Etwas anders aber ist das Verhalten bei den Uolozcphalen.
Die Olive dieser Tiei'e (Cldmaera monslrosa; Koüy) ist als eine Über-
gangsform zn derjenigen der Teleostier zu betrachten.
Auch in andern Hinsichten (B.au des Labyrinthes, Anordnung der motorischen
Kerne in der Oblongata, Bau des Vorderhirues) bildet das Gehirn von Chimaera
einen Uebergang zwischen demjenigen der Selachier und der Teleostier.
Bei Chimaera liegt der größte Teil der Olive noch direkt neben der
Raphe. In frontaleren Ebenen aber findet man mehr lateral einen zweiten,
nur undeutlich mit dem ursprünglichen Teil verbundeneu Kern, der aus
ähnlichen Zellen aufgebaut ist, und dem eine dritte, wieder ventro-lateral
von ihm gelegene Zellgruppe direkt anliegt. Diese letzte besteht aber aus
viel größeren Zellen als wir jemals in den Oliven finden, und ihre Zuge-
hörigkeit zu dem Olivenkomplex ist nicht sicher.
Bei den Teleostiern nun, wo die Oliva inferior bereits von Mayser
erwähnt wurde, finden wir nach Kooy an der Stelle der lateralen Oliven-
zellen von Chimaera, eine Anhäufung von kleinen spindelförmigen Zellen,
die, obgleich bei allen Gruppen vorhanden, nur bei wenigen einen mehr
oder Aveniger kompakten Kern bilden (Aal und Hering).
Medial davon, neben der Kaphe, wo sich bei den Selacliieren die
Oliven befinden, liegt bei den Teleostiern ein Gebiet von gelatinöser Sub-
stanz, die neben kleinen Zellen, hauptsächlich viele sehr feine Fasern
enthält.
Während die Amphibien in dieser Hinsicht ein sehr unklares Bild
aufweisen (wie bei dem winzigen Kleinhirn dieser Tiere — ebenso wie
bei Petromyzon — wohl zu erwarten war), sieht man bei den Reptilien an
der betreffenden Stelle, bei Weigertfärbung eine deutliche Aufhellung in
dieser Gegend, am ventralen Bulbusrande, gleich neben der Mittellinie,
welche darauf hinzuweisen scheint, daß die diffusen Olivenzellen sich auch
hier zu einem mehr einheitlichen Körper anzusammeln anfangen.
Bei den Krokodilen ist dies am deutlichsten sichtbar.
Ein scharf umschriebenes Gebilde ist es indessen auch hier nicht.
Bei den Vögeln ist die Oliva inferior (Fig. 317) scharf differenziert. Sie
setzt sich liier aus zwei Lamellen zusammen, die mit einander und der
ventralen Bulbusperipherie parallel gehen und zuerst von Williams und
YosHiMURA beschrieben wurden.
Nur für die Laufvögel machte Toshimura eine Ausnahme; bei dem Strauß
fand er nur die dorsomediale Lamelle ; statt der ventralen oder veutrolateralen
wäre nur ein kleiner lateraler Zellhaufen vorhanden. Diese Ausnahme ist aber
nach Kooy nur eine scheinbare, indem nämlich der innerste, der Eaphe zuge-
wandte Abschnitt der veutrolateralen Lamelle bei allen Vögeln viel zellärmer ist
als dessen äußerer, dem Oblongatarande näher liegende Abschnitt. Der Strauß stellt
602 SONSTIGE KOORDINATOKISCHE SYSTEME DER MEDULLA OBLONGATA.
^.,C Kaudal.
; "•._ \ Eaphe.
F Froatal.
Düis. Lain.
niud. Teil.
Nu. let. iüf.
Dors. Lam.
med. Teil.
Kaudal. ) c
5-3-25
28
frOrjCa
5-3-13
5-3-17
i-ui
5-3-20
Frontal.
5-3-13
Fig. 317, n. KooY.
Oben Wachsrekonstruktion dei- Oliva inferior von Lophorty.x califurnicus.
Unten Querschnitte auf vcrschieiieneni Niveau tier üliva inferior (auch der Nu.
reticularis inferior raphes ist eingezeichnet: in der Jlitte, grobpunktiert).
SONSTIGE KOÜKDlNATOKlSCilE SYSTEME. DIE OLIVA INKEKIOK. 603
nur ein Extrem von dieser allgemein gültigen Regel dar. Bei genauer Unter-
suchung findet man auch hier die kleinen typischen Olivenzellen wieder, die den
sonst etvras deutlicheren innern Teil der ventrolateralen Lamelle bilden, den
Teil, der auf frontalen Ebenen die Verbindung mit der mediodorsalen Lamelle
herstellt.
Frontal ist bei allen Vögeln die Verbindungsstelle zwischen dem
äußern und innern Teil der dorsalen Lamelle undeutlich, d. h. es finden
sich da nur wenige Olivenzellen und ist die Olive dort also in drei Ab-
schnitte zerlegt, einen medialen, einen dorsalen und einen ventrolateralen
Abschnitt (Fig. 317 unten: 22).
Der äußere Teil der dorsalen Lamelle reicht am weitesten kaudal-
wärts (schwarz, Fig. 317: 1). B>ontal vergrößert sich diese Lamelle in der
Richtung der Mittellinie (manchmal durchquert von austretenden Xll-wur-
zeln) und kann dann in einen äußern dorsalen und einen medialen Teil
zerlegt werden, welch letzterer sich erheblich verdickt und dadurch so zu
sagen eine dorsale Kappe aufweist (Fig. 317 unten: 21 und 18).
Auf diesem Niveau ist bereits eine zweite, die ventrolaterale Lamelle
siclitbar, welche zuerst sehr lateral liegend, sich auf frontalen Schnitten
ventral von der dorsalen Lamelle befindet und sich dann mit deren
medialem Teil verbindet.
Auf der frontalsten Ebene des ganzen Komplexes verschwindet zuerst
der laterale Teil der dorsalen Lamelle, sodaß das frontale Ende des
Olivenkomplexes nur von der Verbindung des medialen Teils mit der
ventrolateralen Lamelle gebildet wird (Fig. 317 unten: 24).
Der Zelltypus dieser drei Oliventeile ist im großen und ganzen der-
selbe. Auftallend ist nur, daß wir bei den Papageien an der Peripherie
des sehr breit entwikkelten medialen Teils große flache Zellen antreffen,
alsob dieser Teil damit gepflastert wäre, ähnlich wie in dem Kapitel über
das Pückenmark für den Nucleus Rolando beschrieben ist (dessen Zellen
jedoch kleiner sind).
Wir werden diesem bei den Sängern wieder begegnen (Fußnote, S. 610).
Zellunterschiede sind sonst bei den Vögeln nur der Größe nach zu
machen ; große \'ögel weisen im allgemeinen viel größere Olivenzellen
auf als kleine, ähnlich wie Obersteiner das für die Elemente der Klein-
hirnes nachwies.
Es ist schwer, bestirnte morphologische Typen bei den verschiedenen
Ordnungen der Vögel aufzustellen. Nach der Lebensart der Tiere geht das,
bis jetzt auch nicht.
Wenn die Laufvögel die älteste Ordnung dieser Klasse darstellen, was wohl
wahrscheinlich ist, könnte man die Olivenform mit geringste»" Ausbildung
der ventrolateralen Lamelle für die primitivste halten, was mit dem Be-
funde bei den Säugern im besten Einklänge steht (s. u.). Wir werden näm-
lich sehen, daß die ventrolaterale Lamelle die Vorstufe der Hauptolive der
Säuger bildet.
604
SONSTIGE KOORDINATORISCHE SYSTEME. DIE OLIVA INFERIOR.
Was die untere Olive der Säuger betrifft, weist diejenige von Eclddna
einen deutlichen Anschluß an diejenige der Vögel auf.
Wie bereits Kölliker und Ziehen beschrieben haben, M'ird der Oliven-
komplex bei Echidna von einem dorso-lateralen Bogen gebildet, der ein
zjdindrisches Mittelstück umgibt. (Fig. 318).
Da auch bei den Vögeln der dorsolaterale Oliventeil mit dem medialen
zu einer Lamelle verbunden ist, welche dorsal von deui Rest der Olive
liegt, und da bei beiden das überfspannte Stück weniger weit kaudalwärts
reicht als das mediale und dorsale Bogenstück, liegt die Vermutung nahe,
Caudal
Kaudales
Endederlat.Pl.
mediale Platte.
laterale Platte.
dorsaler Bogen.
LateralePlatte.
mediale imd
ventralePlatte.
daß wir es hier mit analogen
Verhältnissen wie bei den
Vögeln zu tun haben.
Es stellt sich nun als
sehr wahrscheinlich heraus,
daß die dorso-laterale La-
melle der "Nyogel oder der
dorso-laterale Bogen von
Echidna das Analogon der
dorsalen und medialen Ne-
benoliven der übrigen Säu-
getiere ist. Dabei muß man
sich bei den Säugern die
beiden Nebenoliven dorsal
zu einem Bogen verbunden
denken, was oft zutrifft.
(Vergl. Fig. 320 : 8). Die ventro -laterale Lamehe der Vögel, resp. das Mü-
telstücJc bei Echidna, entspricht dann der Hauptolive der höhern Säuger. Kooy,
dem wir diese Einsicht in die Entwicklung der Olive verdanken hat,
mehrere Punkte für diese Homologie angeführt.
In dem Olivenkomplex der höheren Säuger kann man ebenfalls
drei Teile unterscheiden: eine mediale und eine dorsale Nebenolive und
einen ventro-lateralen Teil, die Hauptolive. Der Unterschied zu den eben
besprochenen Tieren besteht hauptsächlich darin, daß der ventrolaterale
Fig, 318.
Oben: WachsrekoQstruktion der Oliva
inferior von Echidna; Seitenansicht.
Unten: Hintere Ansicht des frontalen
Abschnittes dieser Relconstruktion ;
n. Kooy.
k
SONSTIGK k'iioiM)lX.\T()HlS('irK SYSTICMIC. IHK OI,TVA INKKltlOIl.
605
Teil der lu'iliern Säugm- sich so selir entwiclielt, daß er, als Hauptolive,
die beiden iindern, die Nebenoliven, vollkomraen hinter sich läßt.
Außerdem sind bei den höchsten Säugern die drei Teile so gut wie
absolut frei von einander.
Überblicken wir aber in retrograder Richtung die Entwicklung der
Olive, von dem Mensclien (Fig. 325 B) zu den niedrigen Säugern (z. B.
Fig. 319) herabsteigend, so sehen wir die Hauptolive ■ sich wieder
verkleinern und die Nebenoliven wieder die wichtigste Stelle ein-
nehmen. Doch ist es möglich, einige für alle Mammalier gültige Regeln
Dors. N. 0. Med.N.O.
Dors N 0.
FFrontnl.
Med. N. 0.
Med. N. 0.
Ventro-lat. oder pauptolive
Med. N. 0.
C Kaudal.
Mediale Nebenolive (front. Teil). Mediale Nobenolive (kaud. Teil).
Fig. 319. Oben: Lateral-, unten: Medial-Ansicht der Oliva inferior von Pliocacna
Communis; n. Kooy. Man beobachte den groszen Umfang der medialen Nebenolive.
606
SONSTIGE KOORDINATORISCHE SYSTEME. DIE OLIVA INFERIOR.
aufzustellen, in bezug auf die Form und Lage der drei verschiedenen
Oliventeile.
Die mediale Nebenolive, welche aus dem medialen Stück des dorso-
medialen Bogens von Echidna und den Vögeln hervorgellt, bildet allein,
oder zusammen mit der dorsalen Olive den kaudalen Pol des Olivenkom-
plexes der Säuger. Auf diesen kaudalen Ebenen ist an ihr (vergl. auch
Fig. 320 : 11 — 20) ein ventrales und ein mediales Grus zu erkennen, von
denen das mediale etwa auf der Höhe des unteren Poles der Hauptolive
eine dorsale Kappe trägt;
Mit dieser Kappe nun ist die dorsale Nebenolive, und die ventro-
laterale Hauptolive bei den niedern Säugern öfters verbunden, wodurch
an den frühern Zustand eines bogenförmig vereinigten Nebenoliven-
systems erinnert wird (vergl. Fig. 320 : 21 mit 318 unten).
Eine ganz auffallend starke Entwicklung zeigt die mediale Nebenolive
in Phocaena communis (Fig. 319 und 319 A), wo auch die beiden Teile
der medialen Nebenolive sehr deutlich sind.
Hauptülive.
Hier möchte ich darauf hinweisen, daß die Meinung BKUNNiäEs, es handle
sich hier um
einen neuen, dem
Olivenkomplexe
gänzlich fremden
Kern, nicht rich-
tig ist (Koot).
Die Olive Bbün-
UEKS, nach seiner
Meinung das Ana-
jogon der media-
len Nebenolive der
übrigen tSäuger, ist
nur der kaudale
Teil dieses Kernes
(Fig. 319: unten).
Sie kommt in allen
Hinsichten mit dem
kaudo -ventralen
Komponent der me-
dialen Nebeuoliven
bei den andern Säu-
gern iiberein. Der
mehr oral liegende,
im Durchschnitt
dreieckige Kern,
der ein für Zeta-
zeen typische Entwicklung hat, ist nichts anderes, als der stark hypertrophierte
mediale Komponent der ventromedialen Nebenolive. Dieser Kern hat sich, wie wir
das auch bei der hoch entwickelten Hautpolive der Primaten sehen, von den
übrigen Oliventeilen vollkommen freigemacht.
Auch histologisch gehört er ganz zu dem Olivenkomplexe; die unbedeuten-
Fig. 319 A. Hauptolive und mediale Nebenolive
von Phocaena; nach Koov.
SONSTIGE KOORDINATORISCME 8Y8TEME. DHC OLIVA INFERIOR. 607
Kuu.liil. t;
irs. Kappo
ned. N.O.
lOrs. N. 0.
ned. N.O.
Kaiul. pol. Haupt-OI.
Moii N.O.
Kaudal.
3-8
I
39 I AI ^^
froQtal
^ ■ ^ Frontal.
Fig. 320. Obon: WachreUonstniktion (Latei'al ansieht) der Oliva inferior
des Hundes. Unten: Qnerschnitte aul' verschiedene Niveaux jener
Olive, n. KooY.
doi-H. N.O.
iiK:d. Latn.
rt. Haupt. 0.
lator. Lam.
Ventrale
Obloiigata-
rand .
t)08 SONSTIGE KOORDINATORISCHE SYSTEME. DIE OLIV'A INFERIOR.
den Differenzen mit den übrigen Oliventeilen, wie die Bläschenform der Zellen, ihre
Anordnung in den Landpartien und das feine Fasergefleeht im Zentrum des Ker-
nes, findet man genau so in den auf ähnliche Weise kompakt vergrößerten
Oliventeilen anderer Tiere (z. B. in der dorsalen Lamelle der Hauptolive der
Elephanten, s. S. 612).
Die dorsale Nebenolive (das dorsolaterale Stück des Bogens bei den
niedern Tieren) reicht ebenso weit oder beinahe so weit kaudalwärts wie
die mediale NebenoUve bei den Säugern (Fig. 320 : 1 — 8).
Bei ihrem ersten kaudalen Auftreten liegt sie dorsal von der medialen
Olive, um in höhern Schnitten meistens eine lateralere Lage einzunehmen
und erst beim Hinterende der Hauptolive wieder mehr medial zu kom-
men. — (Vergl. Fig. 320 und 321 A). — Infolge dessen hat sie vielfach
(Fig. 320 oben) die Form eines V, dessen untere Spitze etwa mit dem Kau-
dalpol der Hauptolive zusammenfällt.
Auch die ventrolaterale Olive, die ■ Hauptolive der Säuger-, hat bei allen
Vertretern dieser Klasse im Prinzip viele gemeinsame Kennzeichen.
Sie liegt immer im frontalsten Abschnitt des Olivenkomplexes und
reicht niemals so weit kaudal wie die NebenoHven, wie aus Fig. 320 oben
hervorgeht, wo der Kaudalpol der Hauptolive etwa auf die Mitte der
dorsalen Nebenolive fällt. Auf Querschnitten ist ihre Form die eines U
mit der Öffnung dorsomedial gerichtet (Fig. 320 B).
Hierbei muß aber der ^"orbehalt gemacht werden, daß die U-Form
bei den niedern Säugern nur auf einigen Schnitten gut sichtbar ist; bei
den höhern ist sie, abgesehen vom geschlossenen kaudalen und oralen Ende,
über die ganze Länge der Olive sehr deutlich ausgeprägt (Fig. 822, 328).
Von diesem U-förmigen Gebilde ist bisweilen, und dann meistens nur
in wenigen Schnitten, der dorsale Schenkel mit der dorsalen Neben-olive,
der ventrale Schenkel mit der medialen Nebenolive verbunden. (Fig.
820 : 26).
Kankeleit hat diesen „Vierblättertypus" bei allen Säugern wieder-
gefunden. Er gilt aber, wie sich aus obenstehenden Zeilen ergibt, nur
für bestimmte Schnittebenen.
Obschon man also mit Hilfe der genannten charakteristischen Kenn-
zeichen die Identität der verschiedenen Oliventeile bei den verschiedenen
Säugetier-Ordnungen leicht feststellen kann, ist es nicht weniger interessant,
ihre Unterschiede, namentlich der Hauptolive, von den Marsupialiern, zu
den höchsten Primaten zu verfolgen.
Hauptsache dabei ist, daß die Nebenoliven sich in der Reihe der
Säuger im Prinzip am wenigsten ändern.
Die Entwicklung der Hauptolive zeigt die größsten Unterschiede.
Diese Entwicklung zeigt sich an erster Stelle in kaudaler Richtung
(Fig. 321 A), was vielleicht darauf hinweist, daß dieser Abschnitt eine große
SONSTIGK KOOKDINATOKISCHE SYSTEME. DIE OIJVA INFERIOR.
GOU
Zahl kaudaler zuführender Fasern empfängt, welche ihm von dem ventro-
lateralen Bulbusrande zuströmen dürften.
Während die Hauptolive bei der Beutelratte entsprechend dem Ver-
halten bei Echidna sich auf den vorderen Abschnitt des Oliven-komplexes
beschränkt, noch weniger als die frontale Hälfte des ganzen Oliven-Kom-
plexes einnehmend, und eigentlich nur von einem ventro-lateral gerichteten
Auswuchs der medialen Olive vertreten ist, nimmt sie bei den höchsten
Tieren nicht nur die ganze frontale Hälfte, sondern außerdem einen immer
größern Teil der kaudalen Hälfte des ganzen Komplexes ein.
- I -
Medial ccnp'et onl,
Low^er rrjanjnnsis
- m-
h*iobest n^arTjrrjaia
Fig. 321 A. Schema der EntwicUlungsgange.s der Haupt-Olive (weiß) in Bezug
auf die Nebenoliven (punlttiert) n. Kooy.
Zur selben Zeit macht sich ihr oberer Pol von der medialen Neben-
olive frei und breitet sich die ganze Hauptolive vcntrolateralwärts aus.
So bekommt man den Eindruck, die Hauptolive entwickle sich als
ein ventrolateraler Auswuchs der medialen Nebenolive, sich stets weiter
ventrolateral und kaudalwärts ausdehnend, indem sie sich dabei immer
mehr von der medialen Nebenolive frei macht.
Stets ist ihr kaudaler, zuletzt differenzierter Abschnitt mit der medialen
Nebenolive verbunden, anders gesagt: die Verbindungsstelle der beiden,
(durch eine dicke schwarze Linie angegeben in Fig. 321 A), welche bei
Kappkus. 3'J
610
SONSTIGE KOORDINATORISCITE SYSTEME. DIE OLIVA INFERIOR.
der Beutelratte (II) noch die ganze Länge der Hauptolive entspricht, ver-
schiebt in der Phylogenese kaudalvvärts.
Diese Annahme, welche in dem nebenstehenden Schema von KooY
(Fig. 321 A) wiedergegeben ist, erklärt auch, warum, namentlich bei niedern
l'ieren, die laterale Lamelle am besten entwickelt ist; denn bei dem lateral
und kaudal gerichteten Wachstum schreitet die laterale Lamelle in ihrer
Entwicklung vorwärts. Es ist denn auch namentlich diese Lamelle, die bei
den höhern Säugern sich durch Furchung (oder Verdickung) vergrößert.
Didelphys marsupialiö (it 5 x)
5 29
M^rmecophaaa jubata (^11 sx)
5 49
Phoca •
ilul.na (11 5 x)
5 49
Cebüs' (n
5 33
;x)
r^Z
"^^^^
Cebui Fatuellus (" 5 x)
5 38
Ateles Hjbralus (11 5 x)
5 102
Troglodjte5 nioer(ll5X)
5 47
Fig. 321 B. Querschnitt der Olive von verschiedenen Säugern, n. Kooy.
Das Auftreten dieser Furchen ist die notwendige Folge der Oberflächen-
ausbreitung, und weist auf die höhern Ansprüche hin, welche namentlich
an die laterale Lamelle — gestellt werden i).
Die erste und auch die folgenden Furchen sind longitudinale Furchen
in der lateralen Platte der Hauptolive. Bei Cebus fatuellus findet man
eine, bei Ateles hybridus (Fig. 322) bereits zwei deutliche Längsfurchen.
Bei den höchsten Primaten, dem Schimpansen und Menschen (Fig.
') In diesem Zusammenhang möchte icli die Tatsaclie erwähnen, dal3 gerade die
laterale Lamelle der Hauptolive bei den Cebidae mit flachen Zellen wie gepflastert
erscheint, ebenso wie dies beim Papagei der Fall war (vergl. S. 603).
SONSTIGE KOORDINATOKISCHK SYSTENrK. DIE OLIVA INFKRIOK. (lll
Frontal
oed. Lam. d.
Hauiitc.l,
)orM. N. 0.
Sulr. lat.
olival. j
atal. r
!ulc. ventr. -^
olivae. ^ '
•'■rvTT^'^^'^'^^^'
Kappoderraed.
N.O.
lat. Lam. der
Haiiptolive.
Kaiidal.
Caudai
\
Kaiidal.
28 ^f©)
Frontal .
4-in-3
^H 9 '.D 2
A-I-9
Fig. 322. Oben: Wachsreltonsti'uktion der Oliva inferior von Ateles hybriihis.
Unten: Querschnitte auf vei-scliieilenen Niveaux, n. Kooy.
612
SONSTIGE KOORDINATOIUSCHE SYSTEME. DIE OLIVA INFERIOR.
323 A und 325) ist es wieder die laterale Lamelle der Hauptolive, welche die
meisten und tiefsten Furchen zählt.
Bezüglich der anatomischen Beschreibung der verschiedenen Furchen
und Windungen der Olive beim Menschen (Fig. 325), weise ich auch auf
die Arbeiten von Sabin, Lewis Weed, Kooy und Jenkins hin.
Dors. N. 0.
Kaudal.
Hauptolive.
Frontal.
Fjo-. 323 A. Seitciiansicbt iler Oliva inferior einer SchiiiiiLiuscn. Nach Kooy.
Dors. Kebcnoüve.
Hauptolive,
(laterale Lamelle)
'Med. Nebenolive.
Hauptolive
(mediale Lamelle).
Fig. 323 0. Der Oliveiikumiilex vuu Elephas indicus; nach Kooy.
Nur beim Elefanten geschieht die fortgeschrittenere Entwicklung des
lateralen Blattes der Hauptolive bloß durch Dickenzunahme (Fig. 323 B).
SONSTIGE KOORUIXATORISCHE SYSTKMK. DIE OLIVA INFERIOR.
613
Ich möchte liier noch betonen, daß die sonst überwiegende Flüchen-
ausdenung dieses Organes auf ihren exquisit sensiblen Charakter hinweist.
Bereits bei der Besprechung des Rückenmarkes, dann auch in der Be-
handlung des Octavussystemes habe ich darauf hingewiesen, daß die sen-
siblen Projektionsgebiete, mit besonderra lokulisatorischen Stigma sich durch
eine exquisite Oberflächenausdehnung unterscheiden, wie sie sich auch in
der Rinde des Kleinhirns, des Tectums und des Vorderhirns zeigt.
Die ontogenetische Entwicklung des Olivenkomplexes der Säuger, wie wir
sie durch die Untersuchungen von His, Essick, Streeter und Kooy ken-
nen, ist in Übereinstimmung mit dessen phjdogenetischen Entwicklung.
Fig. 324 A. Entwicklung der Oliva inferior eines
Schafembryos von 23,5 ni.m., n. Kooy.
Seine Zellen gehen hervor aus der Flügelplatte der Oblongata (His,
EssicK, Kooy). In den jüngsten Stadien der Entwicklung bilden diese
zuerst den medialen Teil des Komplexes, der sich örtlich vergrößert. Später
wird die dorsale Nebenolive sichtbar, während sich wieder später die Plaupt-
olive aus dem medialen Abschnitt diüerenziert, zur selben Zeit lateral und
kaudalwärts auswachsend.
614
SONSTIGE KOORDINATOKISGIIE SYSTEME. DIE OLIVA INFERIOR.
Bald finden wir eine Einteilung der medialen Nebenolive in ein ventrales
und ein mediales Grus. Später hat der ventrale Schenkel eine ventrale
Furche und (auf höherm Niveau) der mediale Schenkel eine Kappe mit
ventrolateral gerichtetem Auswuchs, als Rest der Verbindung der me-
dialen Nebenolive mit dem kaudalen Pol der Hauptolive und mit der
dorsalen Nebenolive.
Die dorsale Nebenolive reicht fast ebensoweit kaudal wie die mediale.
Ihr kaudales Ende ist später von ihrem frontalen Ende meistens ge-
schieden.
Diesen Zustand fanden wir schon bei den niedriger stehenden Mam-
maliern vorbereitet. Bei Phocaena (Fig. 319) und bei Ateles (Fig. 322)
kann die dorsale Nebenolive bereits in einen kaudalen und frontalen
Abschnitt eingeteilt werden, M-elche bloß durch einen dünnen Zcllenstreifen
verbunden werden. Bei dem Schimjjansen (Fig. 323) liegt bereits eine Lücke
in der dorsalen Nebenolive vor.
Dorsal von der dorsalen Olive liegt ein schmaler Zellhaufen, der Rest
der Verbindungskappe zwischen der Kappe der medialen Nebenolive und
der dorsalen Nebenolive (welche ^'^erbindung bei Echidna (Fig. 318 B)
so auffalend war).
Kauilal.
med. N.O.
dors. N.O
med. N.O.
Hauptol.
F Frontal.
Dois. N.O.
Hauptol.
Fig. 324 B. Aus der Entwicklung der Üliva inferior des Menschen.
Lateralansicht der Olive eines Foetus v.an 14 cm, n. Kooy.
Der frontale Abschnitt der dorsalen Nebenolive hat die Form einer
Platte wie bei den niedern Tieren ; sie bedeckt hier aber einen weniger
großen Teil der Hauptolive wie dort, weil die Hauptolive sich so stark
ventrolateralwärts ausgebreitet hat.
Die Hauptolive, an der wir bereits früh die U-Forni mit dem medial
gerichteten Hilus wiedererkennen, reicht beim Menschen frontaler als die
Nebenoliven, sei es nur wenig, denn die größte Ausbreitung gewinnt sie
in kaudaler, zugleich in ventro-lateraler Richtung.
Wir haben schon besprochen, daß die laterale Lamelle die größte
Oberfläche oder die meisten und tiefsten Furchen aufweist. So reicht bei
allen Säugern die laterale Lamelle weiter kaudalwärts, und wir fanden die
mediale eigentlich nur auf rostralen Schnitten gut entwickelt. Wir finden
das beim Menschen wieder (Fig. 325 A). Hier ist wahrscheinlich durch
die starke Entwicklung des den Hilus einnehmenden Fasersystems, der
I
SONSTIGE KOOKUIXATÜKISCIIJC SYSTEME. DIE OI4VA INFERIOK. 015
Kaiidal.
Frontal.
Fig. 325 A. Quersclinitt rliiich die üliva inferiüi- und (ganz ventral) die Nuclei
arcuati (Nu. piaecursorius Pontis) eines eiwaclisenen Menschen, n. Koov.
616
SONSTIGE KOORDINATORISCHE SYSTEME. DIE OLIVA INFERIOR.
Raplie
m^d.Lam.
dermed.N. O.
dors. N. O
ventr. Lam
der med. N. 0
meist dorsale Teil der medialen Lamelle außer dem schmäler geworden
(Fig. 325 A) und hat er sich von dem Rest freigemacht i).
Ueberblickeu wir das phylogenetische Verhalten und den ontogenetischen
Entwicklungsgang des Olivenkomplexes, dann finden wir daß die Haupt-
Olive der Säuger und des Mensclien den zuletzt sich ausbildenden, und sich
nachträglich am meisten vergrößernden Teil desselben darstellen.
Wahrscheinlich hängt dies zusammen mit der Phvlogenese der Zere-
bellums.
C
.1.
- dors.
Hauptolive,
Fig. 325 B. Seitenansicht der Oliva inferior eines erwachsenen
Menschen (9 X vei-grüß.); n. Kouy.
Eine Bestätigung findet diese Auffassung in den pathologisch-ana-
tomischen Untersuchungen von Gürdon Holmks und Stewart und in
denjenigen Brouver's.
Aus den Untersuchungen, namentlich der erstgenannten Autoren, geht
hervor, daß, wenn nur die Hemispjhären des Zerebellums lädiert sind, die
Nebenoliven intakt blieben, während sie degeneriert erschienen, wenn
auch die Vermis erkrankt war.
Außerdem fanden Holmes en Stewart (Fig. 326 B) daß der Wurm
auch mit dem medialen Teil der Hauptolive verbunden ist.
BuouwKR (Fig. 326 A) bestätigte die genannten Resultate; aber machte
den Vorbehalt, daß nur der mediale Teil des rostraleii Hauptolivenabschnittes
und weiter der ganze rosirale Pol desselben mit der Vermis in Verbindung steht.
') Dieser Rest der medialen Lamelle der Hauptolive ist von Ziehen als Niicl.
parolivaris interraedialis bezeichnet. Eine ni. E. iiberflüßige Nomenklatur.
SONSTIGK KOOKDlNATOItlSClIK SYSTKME. ÜIK OLIVA INFKlilOi;.
617
^t iimT'^ifc
o o
Fig. 326 A. Atro|)hie der mensrhliclien Oliven in zwei
Fällen von neozerebellarer Atiophie, n. BROuwEn.
Die Atrophie der Kleinbirnhemisphären geht zusammen
mit einer Atrophie des schwarz gezeichneten Abschnittes
der Haupt Oliven.
Die Nebenoliven und der frontale Abschnitt der Haupt-
olive (gesti'ichelt) sind normal geblieben ebenso wie die
Vermis Cerebelli.
618
SONSTIGE KOORDINATORISCHE SYSTEME. DIE OLIVA INFERIOR.
<:;::z?
N^G^
In der Tat sind, wie wir gesehen haben diese Oliventeile (die Neben-
oliven nnd der zuerst sich daraus differenzierende rostromediale Teil der
Haujjtolive) als die phylogenetisch ältesten Bestandteile des Oliven-
komplexes der Säuger zu betrachten, ebenso wie die Vermis den ältesten
Abschnitt des Corpus cerebelli bildet.
Der Rest der Hauptolive ist, wie wir sahen, jünger und steht denn
auch mit den Jüngern Kleinhirnhemisphären in Verbindung.
Diese Verbindung geschieht nach Holmes und Stewart in einer
sehr gesetzmäßigen Weise, sodaß be-
stimmte Teile der Hauptolive mit be-
stimmten Teilen der Kleinhirnhemis-
phäre verbunden sind(vergl. Fig. 326 B).
Merkwürdig ist, daß bis jetzt noch
nie eine Verbindung der unteren Olive
mit der Flocke des Kleinhirns nachge-
wiesen ist; obschon es sich dabei —
wie wir in dem folgenden Kapitel sehen
werden — wenigstens teilweise um einen
recht alten Bestandteil des Kleinhirns
handelt.
Möglicherweise hängt dies zusam-
men mit der Tatsache, daß die Flocke
eine besondere Stellung in dem Bau
des Kleinhirns einzunehmen scheint.
Vermutlich ist es derjenige Teil des-
selben, welcher namentlich von jeher
dem Vestibularisareal der Oblongata
supraponiert ist, mehr als irgend ein
anderer Teil des Zerebellums.
Merkwürdig ist auch, wie ich in
dem folgenden Kapitel eingehend be-
schreiben werde, daß die Kleinhirn-
flocke keine spinozerebellaren Fasern
aufnimmt, welche (an ihr vorüber) nur
in das Corpus cerebelli einzudringen
scheinen.
Ob die Sonderstellung, welche der
Flocculus cerebelli anscheinend in Bezug
auf die Olive inferior einnimmt, hiermit
zusammenhängt, läßt sich nicht sagen,
daß der vordere Abschnitt der medialen
Nebenolive mit dem ParaHocculus zusammenhängt (weil beide so groß
sind bei den Zetaceen ; s. Kapitel VH).
Gerade über diesen Punkt wären weitere Untersuchungen sehr erwünscht.
Fig. 326 B. Die topographischen
Beziehungen zwischen der Oliva inferior
und dem Kleinhirn.
Nach Gordon Holmes und
Grainger Stewart.
KooY hält es für möglich,
ZUSAMMENFASSUNG DER PHYLOGENETISCHEN 619
Zusammenfassung der phylogenetischen Entwicklung der Oliva inferior.
Wenn wir die Oliva inferior in denjenigen Klassen von Wirbeltieren,
wo sie scharf ditferenziert ist (Fische, namentlich Plagiostomen, Vögel und
Sängetiere) vergleichen, können wir sagen, daß bei den niedern Wirbel-
tieren nur der mediale Komplex zu finden ist, und daß bei den höhern
Wirbeltieren, bereits bei dem ^'ögeln, Auswüchse desselben in dorsolateraler
und ventrolateraler Richtung auftreten.
Der dorsolaterale Auswuchs bildet die dorsale Nebenolive. Der ventro-
laterale Auswuchs entwickelt sich zu der Hauptolive der Säuger.
Die Entwicklung, welche die ventrolaterale oder Hauptolive bei den
Säugern aufweist und welche von der Entwicklung der Hemisphären des
Kleinhirns begleitet wird, findet in der Reihe der Säuger in frontokaudaler
Richtung statt und dehnt sich bei den Anthropoiden und dem Menschen
fast über die ganze Länge des Olivenkomplexes aus.
Entsprechend ihrer stets mächtiger werdenden A^erbindung mit dem
Kleinhirn müssen wir diese progrediente Entwicklung der Oliva inferior
als einen Faktor in der höheren Differenzierung und Korrelation der
Motilität betrachten.
Wahrscheinlich werden verschiedene Reize im Dienste der Körper-
und Extremitätenstatik der Olive zugeführt.
Als zuführende Bahnen hierfür kommen neben dem Tractus spino-
olivaris im Vorderstrang und Vorder-Seitenstrang des Rückenmarks auch
laterale Bogenfasern in Betracht, aus dem obern Zervikalmark bei den
Fischen und aus den Hinterstrangkernen bei den Säugern.
Der schwierige Nachweis dieser Bahnen hängt damit zusammen, daß
es sich dabei hauptsächlich um kollaterale Verbindungen, nicht um ter-
minale Verbindungen von spino-bulbären Fasern handelt.
Bei den Fischen (Teleostiern) empfängt das Olivenareal möglicherweise
frontale anführende Fasern vom Tectum opticum, bei den Säugern viel-
leicht solche von dem Haubenbündel, sodaß bereits in der Olive eine
Korrelation verschiedener Eindrücke stattfindet.
Die alleinige Ausbildung der medialen Olive bei den niedern Tieren,
welche gut schwimmen, wäre mit der mächtigen Entwicklung der Rumpf-
und Schwanzmuskulatur und der starken Entwicklung der einfachen reflek-
torischen Extreraitätenbewegungen in \'erband zu bringen (l^'ische).
Auch die kolossale Entwicklung der medialen Nebenolive bei den Ze-
tazeen wäre so verständlich, weil diese Tiere sich in derselben Weise wie
die Fische fortbewegen, während die größere Entwicklung der Hauptolive
bei den höhern Primaten die Folge der feinern Regulierung der ver-
schiedenen Bewegungen, namentlich auch der Extremitäten sein würde.
Wir sehen somit auch in der phylogenetischen Entwicklung des
620 ENTWICKLUNG DER OLIVA INFERIOR.
Olivenkomplexes eine gewisse Differenzierung, die sich einerseits der
EniNGER'schen Einteilung des Kleinhirns in eine ältere Vermis und einen
neuern Heinisphärenabschnitt anschließt, und andererseits mit den von
BoLK angeführten Prinzipien im Einklänge steht, der in die Vermis die
Rumpfmuskulatur und die niedere Motilität der Extremitäten verlegt, die
feineren unilateralen Funktionen der Extremitäten aber in den Hemisphären
des Kleinhirns lokalisiert.
Hierbei ist noch zu bemerken, daß eine Verbindung der Olive mit
der Flocke des Kleinhirns noch nicht mit Sicherheit nachgewiesen wurde,
was mit der nonsomatischen (über dem Vestibulargebiet supraponierten
Funktion) dieses Abschnittes, dem auch eine Zufuhr von spinalen Fasern
felilt, im Einklänge steht (vergl. das folgende Kapitel).
LITERATUR ZUM SECHSTEN KAPITEL. 621
LITERATUR ZUM SECHSTEN KAPITEL.
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LITERATUR ZUM SECHSTEN KAPITEL. 623
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Eehidna und Oriiithorhynchus etc.), Semons Forschungsreisen, Jena, Fischer,
1908.
Ziehen. Central-Nervensystem II, Jena, Fischer.
ADDENDA ET GORRIGENDA.
Ad. S. 6. 0. VAX DER Stricht hat auch in den Rieclniervenzellen
(siehe die Tafel dem Titelblatt gegenüber) das Zentrosom nachgewiesen
(Memoires de l'Academie royale de medicine de Belgique, Tome 20, 19U9)
und zwar in dem sog. Riechhaar, an dessen Spitze, wo es von einer stern-
förmigen Zone umgeben ist. Er weist auch daraufhin: „dans les neurones
visuels, olfactifs et les cellules sensorielles auditives le centrosome engendre
un appareil tout particulier qui recoit directement l'excitation nerveuse".
Ad. S. 11. Wie träge die Leitungsschnelligkeit in dem primitiven asyn-
aptalen Gangliensystem ist, geht hervor aus den Versuchen Parkers. Sie
variiert bei Metridium (bei 21° C.) von 1,20 bis 1,45 cm. pro Sekunde.
(Siehe : The rate of transmission in the nerve net of the coelenterates ;
-Journ. of general Physiology, Vol. 1, 1918).
Ad. S. 19. Die sensibeln sympathischen Fasern besitzen wohl eine
Markscheide. (Laxgley ist hier unrichtig zitiert).
Ad. S. 24. Über die der Zusammensetzung der NissL'schen Körper-
chen möchte ich noch folgendes bemerken :
In fast allen Zellen kommen Stofie vor, welche mit der metabo-
lischen Oxydation der Zelle in Zusammenhang stehen und Oxydasen genannt
werden. Man findet dieselben (Katsunuma, Marinesco i) ) in allen Teilen des
Neurons, mit Ausnahme des Achsenzylinders.
Die Verteilungsweise der Oxydasen in dem Neuron stimmt auch in
anderen Hinsichten überein mit der der NissL-SchoUen. Sie sind — wie
diese — zahlreicher, je nachdem der Kern ärmer ist an Chromatin.
Es handelt sich dabei um eisenphosphorhaltige Fermente, welche aus
dem Kern hervorgehen. (Der Eisengehalt des Kernes nimmt ab, je nachdem
die Oxydasen im Protoplasma zunehmen).
Da die TigroidschoUen auch Eisen enthalten, ist es wahrscheinlich, daß
die Oxydasen denjenigen Bestandteil der NissL-Körper bilden, welcher dem
Kern enstammt. E. Holmgren hält es für wahrscheinlich, daß sie von
azidophilen Chromiolen herrühren, welche bei ihrem Uebergang in dem
Protoplasma basophil werden und sicli mit lipoi'dähnlichen Stoffen aus
dem Zelleib (Trophospongium) verbinden (persönliche Mitteilung).
Daß eine gewisse Verwandtschaft besteht zwischen Oxydasen und
Lipoiden hat auch Veknon betont.
') Marinesco. Recherches liistologiques sur les Oxydases.
Recherches histologiqiies sur les Oxyrlases et les Peroxyilases.
Comptes rendus de la Societe de Biologie, de Paris, Tome 82, 1919.
Kapi'ers. ^•'
II ADDENDA ET CORKIGENDA.
Ad. S. 41. Die Funktion der akzessorischen Muskelnerven ist noch
niclit sicher bekannt.
Nach S. DE BoER beherrschen sie den mechanischen Muskeltonus.
Indessen ist in den betreffenden Muskeln nach Fortnahme dieser S3^steme
nur eine leichte Hypotonie zu beobachten (Dusser de Barenne, v. Brücke),
welche außerdem nach einigen Tagen bis Wochen wieder verschwindet.
Vielleicht, daß der chemische Muskeltonus (Mansfeld und Lukacs) von
diesem System beherrscht wird.
Ad. S. 42 — 44. Die ausführlichste Darstellung der Literatur über das
Chorioidalgewebe in der Metabolie des Nervensystems findet sich bei
Goudsmit: Experimental Investigations with trypanblue in connection with
the intraspinal treatment of tabes and paralysis. Inauguraldissertation,
Amsterdam, 1020. {Neurotherapie, Amsterdam, 1920).
Ad. S. 95 u. W. Der galvano-tropische Charakter des neurobiotactischen
Prozesses ist neuerdings von Ingvar in Harrison's Laboratorium experi-
mentell bewiesen worden, ebenso wie der opposit galvano-tropische Charakter
von Dendrit und Achsenzylinder, und das perpendikuläre Auswachsen von
Neuroblasten auf einem Stromleiter (Proceedings of the Society for experi-
mental Biology and Medicine, 1920).
Ad. S. 200. Die Reihenfolge, in der die Strychnindermatome gefunden
wurden, ist: Dusser de Barenne, Klessens, de Boer.
Ad. S. 210. Empfindungs-Modalitäten, lies : -Qualitäten.
Ad. S. 281. Norris und Hughes (Journal of Compar, Neurol. Vol.
31, 1920, S. 368) fanden, daß bei Squalus acanthias nicht nur der VII,
sondern auch der IX und X ihre allgemeinen Haut-Äste verloren haben.
Ad. S. 311. Daß die LABORDEsche Methode der rythmischen Zungen-
traktion bei wirklicher Asphyxie einen günstigen reflektorischen Einfluß
ausübt, wie Philips (Arch. internation. de Phys., Tome II, 1904) bestätigte,
wird von Prevost und Brailowsky (Compt. rend. Soc. de Biol. de Paris,
1906, T. II und Rev. med. de la Suisse romande, 1907) bezweifelt. Diese
Autoren sehen den Vorteil dessen nur in der mechanischen Oeftnung der
Larynx durch Hebung der Epiglottis.
Ad. S. 425. Fig. 196 Vesperinga noctula, lies; Vesperugo noctua.
Ad. S. 429. Wahrscheinlich sendet der magno-zelluläre, ventrale
Cochleariskern der Säuger auch Fasern ins Zerebellum (Winkler), wie es
von BoK bei den Vögeln nachgewiesen wurde, (vergl. den zweiten Abschnitt
dieses Buches, S. 727).
Ich verdanke es der Genauigkeit meiner Korrektoren, der Herren L.
Hellmann, 0. Fricke, H. Röder und Fräulein K, von Wrangel, daß die
sprachlichen Textfehler nur gering und nicht störend sind.
Diejenigen, welche noch vorkommen, sind eine Folge nachträglicher
Veränderungen und für meine Verantwortlichkeit.
C. U. A. K.
SACHREGISTER.
Abducenskern, siehe Nucleus VI.
Abtlachung des Rückenmarkes, S. H3.
Absteigende Gesclimacksbahnen, S. 144.
Acanthias vulgaris, S. 461; Fig. 30, 34A,
171, 212, 214C.
Acanthopterygii, S. 138.
Accessoriuskern, siehe Nucleus XI.
Achsenzylinder, siehe Neurit.
Acipenser, S. 138; Fig. 30.
Adventitia gliosa, siehe Membrana limitans
vasculosa.
Akkumulation der sensiblen Wurzelfasern,
S. 128, 153, 208, 212, 239; Fig. 93, 94.
Akzessorische Fasern, S. 40.
Akzessorische Innervation, S. 41.
Alkalichloriden, S. 12, 65, 66, 67, 68.
Alligator sklerops, S. 330, 494, 495; Fig.
136, 181, 238, 239, 240B, 245, 247, 249.
Alternieren von Vorder- und Hinterwur-
zeln, S. 102, 114, 122, 136, 149, 158, 228,229.
Amakrinen, S. 22, 23.
Amblyostoma, S 327.
Ameiurus melas; Fig. 126.
Amia calva, S. 386, 472.
Ammocoetes, S. 23, 114, 319, 320.
Ammodytes, S. 484.
Amphibien, S. 1, 234, 235, 250, 251, 276, 368.
Motorisches System der - : S. 486 - 489, E65, 566.
Octavo-lateralissystem der—: S. 392-398,445.
Oliva inferior der -: S. 601, 623.
Retikuläre Kerne der -: S. 581, 621, 622.
Eückenmark der -: S. 145-157, 250, 251.
Sensible Branchialnerven der — : 293-298,357.
Trigeminus der - : S. 326, 327, 361.
Amphioxus, S. 48, 49, 228, 245, 246, 275.
Branchialnerven von — : S. 101.
Kopfmuskulatur von - : S. 101, 450, 456.
Mcdulla oblongata von — : S. 271-279.
Octavo-lateralissystem von — : S, 363.
Rückenmark von - : S. 99—112, 245, 246.
Sehzellen von - : S. 6-9; Fig. 60-52.
Amphiuma, S 394.
Amphizyten, S. 49.
Ampulla posterior, S. 381.
Anacanthini, S. 138.
Anaxonen, siehe Amakrinen.
Angius fragilis, Fig. 82.
Anguilla S. 385, 484.
Anneliden, S. 33.
Anodotropisches Wachstum, S. 66.
Ansa Vieussenii, S. 194; Fig. 100.
Antennarius histrio, S. 138, 140.
Anura, S. 156, 368, 393.
Apertura inferior, siehe Foramen Ma-
gendi.
Aperturae laterales, siehe Foramina von
Luschka.
Apolare Ganglienzellen, S. 23.
Aquaeductus Sylvii, S. 267, 398.
Brachnoidea, S. 182, 225, 226.
Archencephalon. S. 99.
Arctomys marmota, S. 220; Fig. 114.
Area statica, siehe Tuberculum staticum.
Arius, S. 80; Fig. 130.
Arthropoden, S. 13, 32, 33, 41.
Assimilation
protometamere — : S. 12.3.
auximetamere - : S. 123, 124, 133, 453.
Assoziation gleichzeitiger Reize, S. 560,
siehe auch Korrelation.
Assoziationsbahnen, S. 131; Fig. 66.
Astrozyten, S. 45, 49, 166, 182, 224.
Asynaptales Netzweili, S. 11, 22, 76.
Aszidien, S. 99.
Atelidae, S. 214; Fig. 321 B, 322.
Auerbach'sche Endfüsschen, S. 31.
Augenmiiskelnerven bei Myxinoiden, S. 113.
Ausläufertheorie, S. 51, 52, 53.
Aussenfaden, S. 18.
Autonome Gliazellen, siehe Astrozyten.
Autonomes System, S. 21.
IV
SACHREGISTER.
Auximetaraere Assimilation, sielie Assimi-
lation.
Axolotl, S. 155, 326.
Axonhügel, S. i% 18, 31, 69, 343, 344.
Axonkappc, S. 31, 75, 388; Fig. 176 A, B.
Axonreflex, S. 20, 528.
Azidosis, S. 26.
B.
Bahn von Edinger, siehe Edrnger'sche
Fasern.
Bahnen des Rückenmarks, siebe weiter
Tractus.
Absteigende — , bei Plagiostoraen, S. 131, 132.
Absteigende -, bei Teleostiern, S. 143, 144.
Sekundäre, endogene — , bei Plagiostomen,
S. 129.
Sekundäre — , bei Teleostiern, S. 142.
Sensibilitätsbahnen, 155.
Bahnung, S. 71.
Balistes, S. 138.
Bartenwal, S. 185.
Batrachus, S. 138.
Bau der Neuronen, S. 55 —60.
Bdellostoma Dombey, S. 456; Fig. 205 C.
Bechterew'scher Kei'n, S. 400, 407, 410, 417,
418, 437.
Berührungssinn, S. 111, 212.
Bipolarität der Zellen, S. 13, 15, 16.
Bindegewebe der peripheren Nerven, S.
53, 54.
Bisschoff scher Kern, S. 216; Fig. 88
Bisschofsstabzellen, S. 16; Fig. IIA, 432, 448.
Blennius, S. 8.
Boa constrictoi', Fig. 153.
Bogenfasern His', S. 108, 119, 154, 178, 214,
215, 229, 321, 371, 402; Fig. 65, 77, 89, 90.
Bogenfasersystera, siehe Bogenfasern.
Bogenfaserzellen, siehe auch Komraissur-
zellen .
Bos taurus, S. 210; Fig. 273.
Bradypus, S. 185.
Branchiale Muskulatur, S, 450.
Branchialnerven,S. 269, 271,273,345-352.
Amphibien: mot. : S. 298 und Kap. V.
sens.: S. 293-298, 357.
Plagiostomen. mot.: S. 284 und Kap. V.
sens.: S. 281-284, 356, Addenda.
Reptilien: mot.: S. 301 und Kap. V.
sens.: S. 298-.302, 357, 358.
Säuger: mot.: S. 312, 313 und Kap. V.
sens.: S. 305-313, .358, 359.
Teleostier: mot.: S. 293 und ICap. V.
sens.: S. 284-293, 356, 357.
Vögel : mot. : S. 304, 306 und Kap. V.
sens.: S. 302-305, 358.
Zyklostomen : mot. : S. 281 und Kap. V.
sens.: S. 279-281, 355.
Branchialregion, S. 101, 102.
Branchiospinale Nerven, S. 273, 345.
Branchiostoma carribaeum, S. 109, 110;
Fig. 52.
Brown-Sequard'sche Läsion, siehe' Halb-
seitenläsion
Brückenbeuge, S. 267.
Bufolarve, S. 154.
Bulbus olfactorius, Fig. 11 B.
Bündel von Flechsig, siehe ',
Flechsig'sches Bündel. / Siehe weiter
Bündel von Gowers, siehe l Tractus.
Gowersches Bündel. '
Büngner'sche Banden, S. 52.
Burdaeh'scher Kern, siehe Nucleuscuneatus.
c.
Cacatua roseicapilla, Fig. 88 B.
Caducibranchiaten, S. 370, 487.
Cajal'scher Kern, S. 305.
Calamoichthys calabaricus, Fig. 221 A.
Calamus scriptorius, S. 101, 266, 273, 320,
346, 474, 505; Fig. 222.
Callionymus lyra, S. 138, 385.
Callithrix, S. 174.
Campus triangularis funiculi lateralis Bor-
chert's, S. 125, siehe auch: Marginales
Dendritennetz.
Canalis infraorbitalis, S. 364; Fig. 164.
Canalis mandibularis, S. 364; Fig. 164.
Canalis supraorbitalis, S. 364; Fig. 164.
Canis familiaris, S. 517; Fig. 281,282,283.
Carcharias glaucus, S. 123; Fig. 125.
Garpiodes velifer, Fig. 127 A.
Casuaris, Fig. 253.
Catharistes urubu, Fig. 156.
Catostomus, S. 138; Fig. 165 A.
Cauda equina, S. 134, 135, 157, 167, 182;
Fig. 67 C, 68.
Cavia aperea, S. 220; Fig. 116.
Cavia cobaya, S. 14, 220, 341.
Cebus fatuellus, S. 174, 209, 210, 223;
Fig. 115.
Gentrosomen, siehe Zentrosomen und Di-
plosomen.
Ceratodus, S. 43. Fig. 237 A.
Chamäleon, S. 165; Fig. 248.
Ghelone midas siehe Schildkröte.
Chemischer Sinn, S. 111, 112, 120, 277.
Chemotaxis, S. 46, 57, 58, 59, 61.
Chimaera, S. 308, BOl.
Chiropteren, S. 186.
i
SACUItEOISTER.
Chlamy.lüselaclms, S. 28-'.
Choluepus, Fig. 93.
Chorda dorsalis, S. 102.
Chorda tympani, S. 312, 314, 359, 360.
Chorioiil. S. 42, 43, 44, Addenda, Fig. 30.
Chroiiuitine, S. 24.
Chrom idial Substanz, siehe Tigroidsubstaiiz.
Ciconia alba, S. 303; Fig. 251, 260.
Cisterna magna posterior cerebelli, S. 206.
Clarkesche Säule, S. 200, 207, 217, 241;
Fig. 108, 109. Siehe auch Stilling'scher
Kern.
Clupea harengus, S. 325, 385.
Cochlea, S. 365.
Coelenteraten. S. 7, 12, 29, 33, 41, 76.
Coelom, S. 449, 450.
Cohiinba, S 405.
Colyrabus, S. 303, 510; Fig. 255.
Comiiiissura accessoria, S. 130, 166.
Commissura ansulata, Fig. 230 A.
Commissura anterior, S. 154, 158, 207.
Commissura cerebelli, S. 372.
Commissura dorsalis, S. 155, 166.
Commissura infima, S. 280, 283, 284,297,
302, 305.
Commissura intertrigemina, S. 327; Fig.
148.
Commissura posterior, S. 512.
Commissura protoplasmatica anterioi', S.
125, 149, 166; Fig. 77.
Commissura protoplasmatica posterior, S.
119, 129, 131, 207.
Common final path Sherrington's, S. 71,
231, 232, 291, 293, 390, 430, 573, 593, 596.
Conus terminalis, S. 183.
Coregonus adspergus, S. 138.
Coregonus albus, S. 138.
Corpus posticum siehe Corpus quadrige-
minum posticum.
Corpus quadrigeminum anticum, S. 403,
515. Siehe auch: Tectum opticuni.
Coi-pus quadrigeminum posticum, S. 381,
398, 403, 432, 515; Fig. 443, 200 A. Siehe
auch: Torus semicircularis.
Corpus restiforme, S. 428, 429 ; Fig. 158, 199.
Corpus trapezoides, S. 515; Fig. 186.
Cortisches Organ, Fig. 165 C.
Corvina nigra, S. 138.
Crista acustica, S. 379; Fig. 105 B.
Crista cerebellaris, S. 371,375; Fig. 167,
169, 170.
Crista neglecta, S. 381, 385, 404, 405.
Crocodilus porosus, siehe Krol<odile.
Crustaceen, S. 27, 103, 146.
Ctenolabrus adspersus, S. 138.
Ctenolabrus pavo, S. 138.
Cycloptei'us lumpus, S. 138,
Cyclostomen, siehe Zyklostomen.
Cynoscion regalis, S. 385, 442.
Cyprinoiden, S. .368. Siehe Zyprinoiden.
D.
Dach des Mittelhirnventrikels, S. 100, 153.
Siehe auch Tectum opticum.
Dactylopterus, S. 138.
Dammonia, S. 165, 174.
Darkschewitsch'scher Kern, S. 512, 549,
592, 594; Fig. 295.
Decussatio veli, S. 155.
Deiters'scher Kern, S. 218, 381,386, 400,
402, 407, 417, 418, 419, 559, 573, .595;
Fig. 186, 192, 243, 288.
Deiters'sehe Zellen, S. 379, 401.
üelphinus delphis, S. 277.
Dendrit, S. 12, 29.
Dendritenausbreitung in der Substantia
gelatinosa Rolandi, S. 205; Fig. 107.
Dermatomen, siehe Segmentierung.
Desmognathus, S. 327.
Diagramme viscero- und somato- motori-
scher Kerne, S. 455, 491, 497. Tafel II
und III.
Amphibien Fig. 2-37.
Gauoidon und Teleostier, Fig. 221, 222, 22i, 226
230.
Plagiostomen, Fig. 212, 214. 220.
Reptilien, Fig- 240.
Säuger, Fig. 264, 273, 284, 285, 286.
Vögel 25.5, 262.
Zyklostomen, Fig. 205.
Dichotomie, S. 106, 108, 109, T18, 128, 142,
153, 164, 179, 208, 319, 372, 380, 395.
Didelphys, S. 174,209,210,223; Fig. 264 B,
266.
Diktyokinese, S. 26.
Dinosaurier, S. 157.
Diodon, S. 133.
Diplüsomen, S. 6, 7, 9, 18, 29, 44, 69; Fig.
2, 4, 4 A, 165 B. Siehe auch Zcntrosomen.
Dipnoi, S. 138, 156.
Direkte Pyramide, siehe Pyramidonvorder-
strang.
Direkt reflektorische Elemente, S. 387, 388,
389, 390.
Direkter Uebei'gang van Fibrillen im Ves-
tibulairapparat, S. 75, 76; Fig. 23.
Diskriminationssinn, S. 37, 155, 165, 210.
211, 212, 339.
VI
SACHKEGISTEK.
Dorsale Kleinhirnbahn Flechsig's, siehe
Tractus spino-cerebellaris dorsalis.
Dorsales grobfaseriges Bündel von Len-
hossek, S. 128.
Dorsalzellen, siehe Intramedullare Gang-
lienzellen.
Dorso-lateral-linie, S. 197.
Dorso- mediales Bündel im Rückenmark
der Z3'klostonien, S. H8.
Dreikantenbah . Helweg's, siehe Tractus
spino-olivaiis.
Ductus endolymphaticus, S. 67, 385; Fig.
171, 179.
Dura mater, S. 156, 166, 182, 227.
Duval'scher Kern, S. 519; Fig. 269.
Dynamische Polarisation, S. 12, 25, 57,
58, 59, 60, 63.
E.
Echidna, S. 184, 338, 341, 344, 414, 513,
531,604; Fig. 158, 194, 264A, 275, 276,
318.
Edinger'sche Fasern, S. 130, 143, 153, 206,
207, 211, 216, 217, 235, 238, 330, 340,
349; Fig. 66. S. auch Tractus spino-mes.
Edinger-Westphal'sche Kerne, S. 500,511,
549, 551, 552, 560; Fig. 293, 297.
Eflektorisches System der MeduUa oblon-
gata, S. 449, 450. Siehe weiter: Moto-
risches System.
Eidechsen, S. 157, 160, 236; Fig. 81.
Eimer'sches Organ, S. 50, 335.
Einflusz von nicht-nervösen Elemente, S. 58.
Einleitung, S. 1 — 4.
Einstülpung der medialen Spalte des
Aquaeduktes, S. 469.
Einteilung der Oblongata, S. 267, 268;
Fig. 120.
Ekphorie, S. 2, 4.
Elektrische Zellen. S. 137, 232.
Elephas indicus, S. 209, 210, 223; Fig.
323 B.
Eminentiae ventrales, S. 168, 170.
Emys, S. 166.
Endfüszchen, S. 46, 224, 225; Fig. 32 A.
Endkapillaren im Rückenmark, S. 225.
Endkorb, S. 12; Fig. 22.
Endogene Fasern bei Zyklostomen, S. 119.
Endogene Neuronen, S. 119.
Endoneurium, S. 53, 54.
Endoi'gane von Rollet und Sachs, S. 38.
Endorgane (sensible), S. 35, 163, 165.
Endorrhachis, S. 121, 133, 145, 156.
Endplatte, S. 12, 194.
Engramni, S. 2. Siehe auch Innerungs-
vermögen.
Entelechie von Aristoteles, S. 2, 3, 4.
Entstehung der Muskeln, S. 449, 450.
Ependym, S. 42, 44, 45, 46, 47, 48, 58,
224; Fig. 31, 32.
Epibranchialplakoden Kupifer's, siehe Kei-
menspaltorgane.
Epikritisch, siehe Gnostisch.
Eräußerung, siehe Ekphorie.
Erethizon dorsatus, S. 220.
Erinnerung, siehe Ekphorie.
Eunectes, Fig. 152.
Evertebraten, S. 22, 23, 27, 32, 41, 99, 103,
146.
Exocoetes evolans, Fig. 224 C.
Exstirpation des Ganglion Gasseri, S. 314,
315, 336; Fig. 1.59.
E.vstirpation der Trigeminus siehe Trige-
rainus-exstirpation.
Exterorezeptive Reize, S. 1.
F.
Faden von Reissner, siehe bei Reissner.
Facialiskern siehe Nuclcus VII.
Facialisspeichelzentrum, S. 539; Fig. 281.
Fasciculus, siehe auch Tractus.
Fasciculus longitudinalis centralis, sive
posterior, sive medialis, S. 63, 64, 142,
193, 218, 296, 512, 559, 574, 576, 577,
581, 591, 596; Fig. 34 A, 176 B, 216.
Fasciculus longitudinalis lateralis, S. 381,
390, 391; S. 397, 398. Fig. 177;
Fasciculus medianus Stieda's, S. 577.
Fasciculus respiratoiius, S. 297.
Fasciculus rubrospinalis, siehe Tractus.
Fasciculus sacralis postero-medialis, S.
208.
Fasciculus solitarius, S. 281, 282, 283, 285,
286, 296, 297, 298, 299, 300, 302, 303,
304, 305, 308, 309, 311, 326, 337, 338,
347, 523; Fig. 134, 138, 141, 142, 143,
213.
Fasciculus solitario-spinalis, S. 308.
Fasciculus Thomasi, S. 218, 308.
Fasciculus triangularis intercalatus, S. 310.
Fasciculus uncinatus, S. 180.
Faser.
Akzessorische—, siehe A.
Bogen—, siehe B.
Kollateral-, S. 40
1
SACHIIEÜISTER.
VII
V. Lenhossok'sclie-, S. 171, 172; fig. 85.
Mauthuer'sche— , S. 144.
Reissnei'sche— , siehe R.
Spiiiooliväre— , siehe Sp.
Tellctale-, S. 132.
Tiinofeew'sche — , S. 35.
Fasernetz siehe Neuropilem.
Fasertiichter von Cattani umi Rezzonico,
S. 28, 53.
Feldmans, siehe Sorex vulgaris.
Fettstoffe im Nervensystem, S. 27. Siehe
auch ; Lipochrome, Lipoid und M3'elin.
Fibiae arcuatae dorsales, S. 381, 396.
Fibrae aicuatae internae, S. 216, 379.
Fibrae concomittantes trigenüni, S. 338.
Fibrae dorsales vestibuläres, S. 387; Fig. 175.
Fibrae praetrigeminales, S. 214, 215.
Fibrae transversae trigemini, S. 339; Fig.
•161.
Fibrillen, siehe Neurolibrillen.
Fibrinogene Masse, S. 51.
Fierasfer homei, S. 138.
Fila olfacliva, S. 28; Fig. 1.
Filum terminale, S. 134, 148, 155, 156,
157, 167, 182, 227; Fig. 67 Ü, 73, 74A.B.
Unal common path, siehe Common path.
Fissura mediana anterior, S. 186.
Flächenausdehnung der Dendriten, siehe
Querstand u. s. w.
Flechsig'sches Bündel, S. 217, 242; s. auch
Tractus spino-cerebellaris.
Flocculus cerebelli, S. 618, 620.
Flügelplatte der Oblongata, S. 346.
Forarnina von Magendie und Luschka, S.
4i, 226, 266.
Frommann'scher Bogen, S. 50.
iVommann'sche Linien, S. 50.
G.
Gadiden, S. 278, 291, 292, 385; Fig. 132,
220 A.
GaleuK canis, Fig. 213.
Gallertröhre, siebe Lorenzini'sche Ampul-
len.
Gallus domesticus, S. 174; Fig. 84.
Galvanotaxis, S. 61. 65, 66, 67, addenda.
Ganoiden und Teleostier, S. 231 — 234,
248-250. 276.
lutramedulläre Zellen bei—, S. 138.
Motorisclies System der—, S. 471—486.
Octavo-lateralissystem der—. S. 382-.3»2, 444.
445.
Rüclienmark der-. S. 133-145, 248, 240, 2.50.
Siehe auch : Teleostier.
Ganglia, S. 32, 33.
Ganglienzellen, S. .5, 10, 11, 138; Fig. 5, 0,
7, 8, 9, 10.
Ganglion cervicale medius, S. 194.
Ganglion cervicale inferius, siehe Ganglion
Stellatum.
Ganglion cervicale superius, S. 194; Fig.
100.
Ganglion ciliare, S. 317.
Ganglion Gasseri, S. 14, 314, 315.
Ganglion geniculatum mediale, S. 217,
432; Fig. 200 B.
Ganglion geniculi, S. 314.
Ganglion habenulare, S. 33.
Ganglion interpedunculare, S. 33.
Ganglion isthmi, S. 33, 349, 403, 432.
Ganglion jugulare, S. 305, 309.
Ganglion maxiilo-mandibulare, S. 320.
Ganglion nodosum, S. 309, 505.
Ganglion stellatum, S. 194; Fig. 100.
Ganglion superius glossopharyngei, S. 305.
Ga.skell'sche Kerne, S. 100, 167, 168, 170,
187, 236, 2.37. 238.
Gasterosteus, S. 481.
Gazella dorcas, S. 204.
Gehirn Homologen des — S. bei Wirbel-
losen, S. 99.
Gehör von Fischen, S. 391, 392.
Gehörstheorien, S. 441, 442.
Gelenksinn, S. 211, 212,
Genu inferius VII, siehe Kniebildung der
Facialiswurzelfasern (S. auch Tafel III).
Geschmack, S. 274-279, 285, 313-316,
355.
Geschmacksbecher, S. 277, 353, 354; Fig.
122.
Geschmacksknospen, siehe Geschmacks-
becher.
Geschmacksleitung und Trigerainus, S.
313-316.
Geschmacksporus, S. 275.
Geschmackszellen, S. 29, 275.
Gesetz der Assoziation, S. 62.
Gesetz der Neurobiotaxis, siehe Neurobio-
taxis.
Gesetz von Weber-Fechner, S. 278.
Glia, siehe Neuroglia.
Gliakamraerzellen, Held's, S. 46.
Gliazellen, S. 45, 46, 132, 144; Fig. 31 B.
Giobu loblasten, S. 42.
Glossopharyngenskern, siehe Nucleus IX.
Glossopharyngeus Speichelzentrum, S. 539:
Fig. 282.
VIII
SACHREGISTER.
Glossopharyngeus- und Vagusschleife, S.
306.
Gl3'cogen, S. 44.
Gnostische Projektion der Sensibilität, S.
216.
Gnostischer Sinn, S.3, 37, 155, 21 1, 237, 365.
Gobius, S. 385.
GoU'scher Kern, siehe Nucleus gracilis
(und Hinterstrangkerne).
Gowersches Bündel, S. 217, 242.
Grand noyau central Sano's S. 170.
Grandry'sche Körperchen, S. 29, 35, 37,
52, 331; Fig. 154 A.B.
Graue Substanz.
im Rückenmark der Amphibien, S. 151, 234.
ira Rückenmarlf der Plagiostomen, S. 124, 125.
im Rückenmark der Reptilien, S. 159.
im Rückenmark der Säuger, S. 186, 187, 209,
223, 240, 241; Fig. 94-99, 118.
im Rückenmark der Teleostier, S. 141, 233.
ira Rückenmark der Vögel, S. 237, 238.
im Rückenmark der Zylklo.stomen, S. 229.
Gravi-statik, S. 217, 322.
Grenz der Oblongata, S. 519.
Grenzstrang des Sympathicus, S. 19, 20.
bei Amphibien, S. 154.
bei Plagiostomen, S. 122, 129, 230.
bei Säugern, S. 194 ; Fig. 100.
bei TeleostierD, S. 138, 232.
Gudden'sches Bündel, siehe Tractus raain-
milo-tegmentalis dorsalis.
Giidden'sclier Kern siehe Nucleus reticu-
laris dorsalis tegmenti.
Gymnodontes, S. 138.
Gvmnotus electricus, S.
137.
H.
llaarzellen, Fig. 165,
Haien, S. 133-145, 160, 162.
Hakenbündel, siehe Fasciculus uncinatus.
Halbseitenliision, S. 211.
Halicore diigong. S. 185.
Haube, siehe Tegmentum.
Hauptolive, S. 603. 604, 605, 608, 609,
614; Fig. 319 A, 321 AB; Fig. 322,
323AB, 224AB, 325AB, 326AB.
HeM'sclie Ki'euzung, S. 429.
Ilelweg'sche Bahn, siehe Dreikantenbahn.
Hemitripterus, S. 138.
Henle'sche Nervenscheide, S. 37, 38, 39,
54; Fig. 28 B.
Heptanchus, S. 274, 281, 282: Fig. 124, 214A.
Ilerbert'sche Korperchen, S. 30, 37, .331;
Fig. 27.
He.\anchu.s, S. 274, 281, 282, 377; Fig. 30,
214B.
Hinterhürner im Rückenmark der
Amphibien, S. 150, Flg. 75.
Plagiostomen, S. 124, 128, Fig. 63, 66.
Reptilien, Fig. 79, 80.
Säuger, S. 202-208, 240.
Teleostier, Fig. 69, 70.
Vogel, S. 168, 237. Fig. 84.
llinterstrangareal, S. 128, 173,174; Fig. 87.
Hinterstränge.
bei Amphibien, S. 151, 235.
Amphioxus, S. 106.
Plagiostomen, S. 127.
und Pyramidenhahn, S. 220, 243; Fig. 116.
Reptilien, S. 165.
Sauger, S. 208, 209, 210, 242.
Teleostier, S. 140.
Vügel, S. 173, 174, 176, 238 ; Fig. 87.
Zyklostomen, S. 117.
Hinterstrangskerne (s. auch Nucleus cu-
neatus und N. gracilis), S. 597.
Reptilien, S. 165; Fig. 80 B.
Säuger, S. 213-216, 2t2, 243; Fig. 111, 112,11;!.
Vogel, S. 165, 176, 2:38, Fig. 88.
Hinterwurzelbündel, laterales, S. 164.
Hinterwurzelfasern, S. 174, 176; Fig. 87.
Aufsteigende -, S. 127, 128, 153.
motorische -, siehe Fasern von Lenhossek.
im Seitenstrang, S. 12S.
Reptilien S. 165, Fig. 80.
Hinterwurzel.
Amphibien, S. 149, 151, 15.3, 154, 155, 234.
Viscero-motorischo Fasern in — , S. 154.
Amphioxus, S 104, 228.
Intra-meduIIare Zellen in — , S. 10-5.
Somato sensible Elemente Ln — , S. 106.
Viscero-motorische Elemente in -, S. 104
106.
Viscero-sensible Elemente in -, S. 106.
Plagiostomen, S. 126, 2:30, 231.
Intra-und Extra-medulläre Urspruagszellen
in -, S. 118, 126, 139.
Viscero-motonsche Fasern in — , S. 126, 129
Viscero-sensible Fasern in — , S. 123, 129.
Reptilien, S. 161, 162, 16t, 165, 2:36; Fig. 82.
Intramedulläre Zellen: S 162.
Somatosensible Fasern, S. 162,
Viscero-motorische Fasern, S 161.
Viscero-sensible Fasern, S. 162.
Sauger, S. 187, 2:39, 241.
Somatosensible Fasern, S. 196-203.
Viscero-sensible Fasern, S. 196.
Teleostier, S. 1.37, 138, 140, 141, 232, 23.3.
Intra-und supra-medulläre Zellen, S. 138, 139
140.
Somato-sensible Fasern, S. 1.38.
Viscero-motorische Fasern, S. 137.
Viscero-sensible Fasern, S. 137.
Vögel, S. 172, 173, 176, 237; Fig. 85.
Sornato-sensible Fasern, S. 172.
Viscero-motorische Fasern, S. 172.
Viscero-sensible Fasern, S. 172.
Zyklostomon, S. 117, 229.
Intra- und extra-medulläre Zellen, S. 117, 118,
139.
SACHREGISTEK.
IX
Hinterwurzel-Vorderhorniellex, S. 74, 75,
173; Fig. 38, 39, Ü3.
Ilippocanipiis, S. 138.
llippoglossus, S. 484.
Hirnganglion, S. 32, 33.
Hirnhäute, siehe Hüllen und Meninx.
Histulogie des Nervensystems, S. 5—81.
Hodogenese, S. 56.
Hofl'mann-KöUikei'sche Kerne, siehe Gas-
kell'sche Kerne.
Holozephalen, S. 368.
Horizontalzellen von Cajal, S. 16; Fig. 10.
Hörzellen, S. 9; Fig. 4AB.
Hüllen der Zentralorgane (s. auch Meninx)
S. 41-49, 263, 264, 265.
Amphibien, S. lö(i.
Ampliioxus, S. 112.
Ganoiden und Teluostier, S. UJ^ Uö.
Pulromizon, S. 121.
Plagiostomen, S. 132.
Reptilien, S. 166.
Säuger, S. 224-228.
Vögel, S. 1S2.
Hüllgewebe der ]iei'ipl]ereu Nerven, S.
49—55.
Hydrosaurier, siehe Krokodille.
Hyperthyrioidisinus, S. 25.
Hypoglossuskern, .siehe Niicleus XII.
Infiindibularorgan, S. 100.
Inkongruenz zwischen Ilückenraark und
Vertebralkanul, S. 135, 182, 183, 184,185,
239; Fig. 92, 93.
Innerer Netzapparat Golgi's, S. 26; Fig. 19.
Innerungsvermögen, S. 2.
Innervation der Zunge, S. 515
laterorezeptive Reize, S. 1.
Interzelluläres Grau von Nissl, S. 32. Siehe
auch Xeuropileui.
Intra-arachnoidalraum, S. 53,54,226,227.
Intraduralraum, S. 227.
Intragemmale Fasern, S. 27.
Intramedulläre Hinterwurzelzellen, siehe
Zellen von Rohon und:
Intramedulläi-e üanglienzelleii, S. 1 17, 317.
318, 327, .359; Fig. 58, 59,
Intrazerebrale sensible Ganglienzellen, S.
317, 318, 321.
Intumescentia cervicalis et lumlialis, S.
148, 157, 158, 167, 185, ISO; Fig. 70,
83, 84.
Irradiation des Reizstronies, S. 53, 71.
Isthmus, S. 267.
K.
Kaliber der peripheren Fasern, S. 387.
Kalkkonkremente in der Arachnoidea, S.
225, 226.
Kalksäckchen, S. 156.
Kalksalze, S. 156.
Kappe, siehe Teginentum.
Kasuar, S. 168, 302. 303; Fig. 88A, 138.
Kataphorese, S. 60.
Kaudale Regression, des Rückenmarkes
S. 133.
Kern, siehe Nucleus.
Kernzone eines Dermatoins, S. 201.
Kettentheorie, S. 51, 52, 53.
Kiemenbogennerven, S. 101, 113.
Kiemenspaltorgane Froriep's, S. 340, 364;
Fig. 164.
Kleinbirnseitenstrangbahn, S. 155, 180.
Kniebildung der Facialiswurzelfasern, S.
405, 531 ; Fig. 279 und Tafel III.
Kollateralen, S. 16, 19, 20, 153.
Kolossalzellen Rohde's, 100, 107, 108, 119,
229, 574.
Koordinatorisches System von Oblongata
und Mittelhirn, S. 572— 621.
Kommissur, siehe Gommissura.
Kommissur von Mauthner. siehe Gommis-
sura accessoria.
Kommissurl'asern des Octavo-lateralis-
kernes. S. 390.
Kommissurzellen, S. 108, 129, 142, 143,
145, 146, 154, 158, 100, 166, 172, 178,
179, 281, 320, 321; Fig. 65, 72 B, 77,
82, 89, 90.
Kopfganglien, sielie Kranialganglien.
Kopfmuskulatur von Amphioxus, S. 450
-456.
Kornukommissurales Bündel, S. 207.
Körperchen (sensible).
von Graiidry, siehe Grandry.
von Herbst, siehe Herbst,
von Krause, siöhe Krause,
von Meissner, siehe Meissner,
van Vater-Pacini, siehe Vater.
Korrelation, S. 1, 4.
Korielation zwischen Geschmacksinn und
Tastsinn, S. 279, 284, 288, 289, 290,
291, 292, 293, 297, 298, 316; Fig. 129,
130, 132, der Gravistatik und Photosta-
tik, S. 381, 385 Zwischen Sensibilität,
und Motilität S. 320, S. 320. Zwischen
Vestibidaris und Cochlearis, S. 433,
440. Zwischen zentrale Veränderungen
SACHREGISTER.
und periphere Dilierenzierungen, S. 515,
516, 517, 529, 532—537; Fig. 277.
Kraiiiulganglien, S. 271; Fig. 121.
Krause'sclie Kurperchen, S. 35; Fig. 154,
155.
Krause'sches Respirationsbündelchen, S.
523.
Krause'scher Ventrikel, S. 184.
Kreuzung von Held, siehe Hsld.
Kreuzung von Monakow, siehe Monakow
Kreuzung der Pyramidenbahnen, siehe P.
Kreuzung der sekundärakustischen Bahn,
S. 429, 430; Fig. 199.
Krinoiden, S. 29.
Kristalle in der Ganglienzelle, S. 26.
Krokodile, S. 157, 160,170,293, 300,301,
327, 398; Fig. 80 B, 135.
Krustazeeen, S. 27, 103, 146.
Kurzstrahler, S. 45, 224.
Labrax, S. -138.
Lab3'rinth, siehe Vestibularappai'at.
Lacerta, S. 166.
Lachsembryo, S, 8.
Lacunae marginales, S. 48.
Laeunae perivasculares, S. 48.
Laemargus borealis, Fig. 168.
Lagena, S. 379, 381, 385, 414, 415, 437.
Lama, Fig. 272, 274.
Langstrahler, S. 45, 224.
Luntermann'sche Schnürringe, S. 28, 53;
Fig. 10, 165 B.
Larven der ge.schwanzten Amphibien, S.
145, 146, 147,
Laterales Bündel, S. 202.
Lateralis und Octavussystem, S. 363—370,
443, 594.
Amphibien, S. 392-398, 445.
Ganoiden und Teleostier, S. 383-392, 44i, 445.
Plagiostomen, S 374-382, 444.
Ueberblick, S. 434-441.
Zyklostomen, S. 370-374, 444.
Siehe auch Octavussystem
Laterale Schleife, siehe Fasciculus longi-
tudinalis lateralis.
Lateralorgane, S. 368, 369, 434, 435; Fig.
168.
LeitUQgsschnelligkeit und Myelinausschei-
dung, S. 28, 78, 79. S. auch Addenda.
Leitungsverbesserungen wahrend der Phy-
logenese, S. 73 — 81. S. auch Addenda.
Lemniscus lateralis, S. 397, 398, 403. Siehe
auch Fasciculus longitudinalis lateralis.
Lemnoblasten, siehe Schwannsche Zellen.
Lenhossek'sche Zellen, siehe Zellen.
Leontopithecus, S, 174.
Lepidosteus, S. 44, 138: Fig. 221 B.
Lepus' cuniculus, S. 210.
Lichtempfindlichkeit von Petromyzon, S.
120.
Lichtzellen von Amphioxus, Siehe Sehzcllen.
Lichtzellen von Joseph, S. 101, 106.
Ligamenta denticulata, S 166, 182, 227.
Ligamentum laterale. S. •145, 146.
Ligamentum ventrale, S. 144, 145, 156.
Limbus spiralis, Fig. -1650.
Limitans superficialis siehe Membrana 1. s.
Lipochrome in Ganglienzellen, S. 27; Fig.
6, 17.
Lipoidmembran, S. 27.
Liquor cerebrospinalis externug, S. 226.
Lissauer'sche Randzone, S. 178.
Lobus glossopharyngei et vagi, S. 286,
287, 288; Fig. 127 A.
Lobus lineae lateralis anterioris, S. 371,
375, 377, 382; Fig. 170, 175.
Lobus nervis lateralis posterioris, 375,
382, 391; Fig. 169, 173, 174.
Lobus sensibilis, S. 136, 141.
Lobus vagi, S. 280, 282.
Logetik, S. 4.
Lophius piscatorius, S. 133, 1.34, 138, 139,
141, 142, 385; Fig. 68, 70, 145, 140,
226 B.
Lophobranchii, S. 138.
Lophortyx, californicus, Fig. 317.
Lorenzini'sche Ampullen, S. 369, 374, 435;
Fig. 168.
Lota, S. 138.
M.
Macropus robustus, S. 209, 210, 515.
Macruridae, S. 369.
Maculae acusticae, S. 366, 38.5.
Macula neglecta, S. 379.
Malapterurus electricus, S. 137; Fig. 127 B.
Marginales Dendritennetz, siehe auch
Campus triangularis.
Amphibien, S. 149, 234; Fig. 63, 77.
Plagiostomen, S. 124, 125, 130, 231.
Reptilien, S. 1-58, 161, 236.
Säuger, S. 240.
Vögel, S. 170, -2.37.
Zyklostomen, S. 118, 229.
Markausscheidung aus den Priiiiitivfasern,
S. 78, 79. Siehe auch Leitungsschnel-
ligkeit.
SAfllRECrSTER.
XI
M;iiklose Fasern, siehe ReinaU'sche Fasern.
Markscheide, S. 6, 7, 27, 48, 77, 78, 79,
80; Flg. 2\.
Markumscheidung der AchscnzyliiKhir, S.
77-81.
Massa granularis, S. 383.
Mauthner'sche Faser, S. 14i, 233, 474.
Mauthner'sche Zelle, S. 75, 377, 385, 388;
389, 390, 395, 437. 579, 580, 581, 594;
Fig. 24, 175, 176AB, 302, 303.
Mediale Schleife, siehe Schleife.
Mediales Bündel, S. 202.
Mediales sensibles IX und X Grau, siehe
Nucleiis intercalatus Staderini.
MeduUa Oblongata, S. 2G6-363.
Allgemeines, S. 266-269.
Einteilung, S. 268; Fig. 120.
Sensibles System, S. 269-449.
Somato-sensibles Areal. S. 269, 280; Fig 120,
Viscero-sensibles Areal, 269, 280; Fig. 120.
Megalops cyprinoides, Fig. 221 C, 222.
Meissner'sche Körperchen, S. 35, 52; Fig.
27 B.
Membrana basilaris Cochleae, S. 405, 441;
Fig. 165 C.
Membrana bucco-pharyngealis, S. 271.
Membrana fenestrata, S. 139.
Membrana intima piae, S 48.
Membrana limitans externa, s. superfici-
ales, S. 45, 46, 121, 132, 225; Fig. 31 A.
Membrana limitans gliosa perivascularis,
siehe Membrana limitans vascularis.
Membrana limitans vascularis, S. 46, 47,
224; Fig. 32 B.
Membrana tectoiia, S. 379, 441, Fig 165C.
Menidia, S. 293,
Meningen, siehe Meninx und Hüllen.
Meninx primitiva.
Amphioxus, S. 112.
Ganoiden und Teleostier, S. 144, 145.
Pctrorayzon, S. 121.
Plagiostomen, S. 133.
Meninx secundaria.
Amphibien, S. 1.56.
Reptilien, S. 166.
Säuger, S. 22-5.
Vögel, S. 182.
MesenzephaleTrigeminuskern, S. 217, 317,
322; Fig. 144, 147, 150, 151, 152, 156,
157, 162.
Metaraere Anordnung, siehe Segmentierung.
Metathalamus, S. 155.
Metencephalon, S. 267.
Metridium, Addenda.
Mitochondrien, S. 25, 26, 79; Fig. 18,
Mitosen von GanglienztUon nach der Ge-
burt, S. 29.
Mitralzellen, S. 16; Fig. HB.
Mittelhirn, S. 100, 101, 155.
Molge cristata, Fig. 237 B.
Mollusken, S. 27, 41.
Monakow's aberrierendes Seitenstrangbün-
del, siehe Tractusrubro-spinaliscruciatus.
Monakow'scher Kern, S. 418, 437. Siehe
auch Nucleus cuneatus ext.
Monakow'sche Kreuzung, S. 429, 430.
Monoaxonisnius, S. 68, 69, 70.
Monopolarität, S. 13.
Monopterus, S. 138; Fig. 147.
Monorrhinie, S. 99.
Mormyrus Cashive, S. 137, 369; Fig 174,
177.
Morphologie der nervösen Elemente, S. 5.
Motorischer Trigeminuswurzel, siehe Por-
tio minor trigemini.
Motorisches System der Oblongata.
Amphibien S. 486-489, 565, 566.
Amphioxus, S. 450-4-56.
Ganoiden und Teleostier, S. 471-486; 564, -565.
Plagiostomen, S. 463-471, 663, 564.
Reptilien, S. 489-501, 566, 567.
Säuger, S. 513-553, 568-572.
Vögel, S. 501-513, 567.
Zyklostomen, S. 456-463, 562, 563.
Mugil chelo, S. 61.
Müllersche Fasern, S. 114, 117, 118, 120,
132, 229, 230, 575, 576; Fig. 298.
Müller' sehe Zellen, S. 387, 388, 574, 576;
Fig. 298, 302.
Multipolarität der Ganglienzellen, S. 13, 16.
Muskelendigungen, siehe unter Nervenendi-
gungen.
Muskelsinn, S. 146, 155, 211, 212.
Muskelspindel, S. 38, 156; Fig 28. Siehe
auch Nervenendigungen.
Mus musculus, S. 209.
Mus rattus, S. 341.
Myelencephalon, S. 267.
Myelinscheide, siehe Markscheide.
Myelophagie, S. 48, 225.
Myomer, S. 452.
Myotom, S. 449, 451, 452.
Myrmecophaga jubata, S. 214, 215, 309;
Fig. 267, 268.
Myxinoiden, S. 112, 1 13, 274. 319, 320,
321, 370.
Motorisches System der Oblongata, S. 461;
Fig. 210 B, 211.
Rückenmarkswurzcln, S. 114, 115.
XII
SACHREGISTKR.
N.
Nebenolivensystem, S. 606, 608, 609, 614;
Fig. 319, 320, 322-326 B.
Necturiis, S. 294.
Negative Reflexe, S. 34.
Neoceratodus forsten, S. 43. Fig. 237 A.
Neothalaraische Kerne, S. 165.
Nervenendigungen
an Muskeln und Muskelansatzen, S. 37-42
Fig. 28, 29.
effektorische -, S. 39, 40, 41: Fig. 29.
freie grato-rezeptive, S 35, 112.
freie intra-epidermale, S. 104.
freie, nozirezeptive, S. 34, 112, 278.
freie, protopathische, S. 112.
freie, rezeptive, S. 34, 1.5.5 ; Fig. 26.
Nervenfibrillen, siehe Neurofibrillen.
Nervenstränge, S. 32.
Nervenwurzeln. Siehe llinteiwui'zeln und
Vordeiwurzpln.
Nervus abducens, S. 451. S. weiter bei Nu-
cleus VI.
Nervi accelerantes, S. 194.
Nervus accessorius, S. 101, 1.58, 161, 172,
451, 457, 519. S. weiter bei Nucleiis XI.
Nervus accessorius bu'.baris, S. 519.
Nervus accessorius spinalis. S. 519.
Nervus acusticus, S. 153, 345. Siehe auch
Octavussystem und Lateralis und Octa-
vussystem.
Nervus apieis, siehe N. teiniinalis.
Nervi bianchiales, siehe Branchialnerven.
Nervi branchio-spinales, siehe Branchio-
spinale Nerven.
Nervus cochlearis, S. 408, 409, 420, 421 ;
Fig. 189, 194.
Nervus facialis, S. 101, 271, 274-317;
345 — 352. S. weiter bei Nucleus VII.
Nervus glosso-palatinus, siehe N. interme-
dus Wrisbergi.
Nervus glosso-pharyngeus, S. 101, 113, 153,
271, 274—314, 345-352, 451.
Nervus hypoglossus, S. 115, 147, 515, 554.
S. weiter bei Nucleus XII.
Nervus intermedius Wrisbergi; S. 310.
Nervus .lacübsonii, S. bei Nucleus IX.
Nervi laterales, S. 101, 345, 364, 382,
391, 434.
Nervus lateralis anterior, S. 364,369,370,
372, 375, 376, 377, 382, 384, 385, 396;
Fig. 166, 386.
.Nervus lateralis facialis, siehe N. lat.
anterior.
Nervus lateralis glossopharyngei, siehe N.
lat. posterior. i
Nervus lateralis posterior, S. 364, 370, 371,
372, 374, 375, 377, 382, 383, 384, 396;
Fig. 173.
Nervus lateralis trigeniini, siehe N. late-
ralis anterior.
Nervus lateralis vagi, siehe N. lateralis
posterior. Siehe auch Lateralis und Octa-
vussystem.
Nervus laryngeus superior, S. 313.
Nervus lingualis, S. 314.
Nervus ma.xillo-mandibularis, S. 101, 272.
Nervus octavus, S. 364, 370, 434, 436, 437,
467.
Amphibien, S. 393, 394, 395.
Flagiostomen, S 379-382.
Reptilien. S. 398, 399, 400, 401 : Fig. 183.
Säuger, S. 414, 427-430; Fig. 190
Teleostier, S. 385.
Vögel, S. 403-413.
Zyklostomen, S. 373, 374.
Nervus oculomotorius, S. 451 ; S. weiter
bei Nucleus III.
Nervus olfactorius und Zetazeen, S. 277.
Nei'vus Ophthal micus profundus V, S. 100,
272, 451.
Nervus opticus bei Myxinoiden, S. 113.
Nervi peribranchiates, sielie Peribranchiale
Nerven
Nervus recurrens facialis, S. 270, 285;
Fig 126.
Nervus septalis, siehe N. ternünalis.
Nervi spinales, siehe bei Hinterwurzeln
und Vorderwurzeln.
Nervus terminalis bei Amphioxus, S. 100,
272, 451.
Nervus trigeminus, S. 101, 143, 153, 178,
205, 206, 271, 274, 316, 317, 318.
Amphibien, S. 326, 327, .361.
Amphio-xus (Homologie) S. 318, 319.
und Facialisreflese, S. 533, -534.
und periphere Geschmacksleitung S. 313—316.
315-352, 359, 360.
Flagiostomen, S 321-323. 360.
Reptilien, S. 327-331, 361.
Säuger, S 335-345, 362.
Teleostier, S. 323-326, 360.
Vögel, S. 331-335, 361, 362.
Zyklostomen, S. 319-321, 360.
Nervus trocblearis, S. 454, 455. S. weiter
bei Nucleus IV.
Nervus vago accessorius, S. 519.
Nervus vagus, S. 101, 153, 271, 274—313,
316, 345-352, 451. S. weiter Nucleus X
Nervus vestibularis, S. 101, 371, 385, 405,
415, 417; Fig. 170, 175, 191.
Netzapparat, innerer, siehe Innerer N.
SACHREGISTER.
XIII
Neunauge, siehe Petromyzon.
Neurit, S. 1'2, 16. Siehe ancli pluri;ixonale
Neuronen, S. 25, 29.
Neurobiotaxis, S. 60-77; 9, 12, 22, 29,
105, 127, 136, 140, 193, 201, 203, 220,
232^ 280, 284, 288, 291, 298, 305, 320,
325, 342, 387, 388, 414, 424, 425, 439,
440, 453, 481, 486, 507, 513, 5 IG, 528,
531, 536, 550, 556, 560, 561, 573, 590,
594, 595 und Addenda.
Neuroblast, S. 29.
Neurofibrillen, S. 23, 26, 29, 30, 51 ; Fig. 16.
Neuroglia, S. 41, 42, 45-49; Fig. 31, 32.
Neurokeratinslielett, S. 28, 53.
Neuroniasts, siehe Pitorgans.
Neuromuskularzellen, S. 10.
Neuronen, S, 30,
Neuronophagie, S. 46, 49.
Neuropilem, S. 32, 33; Fig. 25.
Neuroporus, S. 99.
Nidulus, S. 33.
Nissl'sche Körper, siehe Tigroidsubstanz.
Nucleus, S. 33.
Nucleus III, S. 461, 468, 469, 556, .560;
Fig. 209, 219.
Amphibien, S. 489.
Plagiostomeu, S. 469, 470.
Reptilien, S. 499, 500, 501; Fig. 247, 248, 249, 250.
Sauger, S. 549-554; Fig. 293-298.
Teleostier, S. 48-5, 486; Fig. 236.
Vögel, S. 511, 512, 513, Fig. 261. 262.
Zyklo.stomen, S. 460.
Nucleus IV,. S. 460, 468, 469, 556, 559;
Fig. 208, 218.
Amphibien, S. 489.
Plagiostoraen, S. 468.
Reptilien, S. 489, 499; Fig. 246, 249.
Säuger, S. 547-549; Fig. 290, 291, 292.
Teleostier, S. 28:3—285, 480; Fig. 231i 234, 235.
Vögel, S. 510, 511 ; Fig. 260.
Zyklostomen, S. 460.
Nucleus V, (mot.) S. 460, 468, 555, 558;
Fig. 211, 217.
Amphibien, S. 489.
Plagiostomen, S. 468.
Reptilien, S. 497, 498; Fig. 244, 245.
Säuger, S. .545—547; Fig. 289 A, B.
Teleostier, S. 481-483; Fig. 232, 2.33.
Vögel S. 508, 509; Fig. 258.
Zyklostomen, S. 460.
Nucleus VI, S. 466,467,559; Fig. 216, 228.
Amphibien, S. 488, 489.
Plagiostomen, S. 467.
Reptilien, S. 496, 497; Fig. 243.
Säuger, S. 541,-515: Fig. 287, 288.
Teleostier, S. 480.
Vögel, S. 509, 510; Fig. 257, 259, 309.
Zyklostomen, S. 459.
Nucleus VII (mot.), S. 458, 460, 462, 464,
465. 466, 555; Fig. 207, 211, 215.
Amphibien, S. 487.
PUigiustomen, S. 465.
Reptilien, S. 495.
Säuger, S. 531-541 ; Fig. 276^28.3.
Teleostier, S. 477; Fig. 227, 228, 229. 241, 242.
Vögel, S. 507, 508; Fig. 257, 2-59.
Zyklostomen, S. 459.
Nucleus IX, S. 464—468, 494, 502, 503,
524—530, 555, 558; Fig. 215, 227.
Amphibien, S. 488.
Plagiostomen, S. 464
Reptilien, S. 494.
Säuger, S. 527.
Teleostier, S. 476.
Vögel, S. .503.
Nucleus X, S. 457, 458, 466; .502, 505,506,
524-530, 554, 557; Fig. 203, 223, 225,
239, 251, 252, 256, 275.
Amphibien, S. 487.
Plagiostomen, S. 464.
Reptilien, S. 490.
Säuger, S. 524-529.
Teleostier, S. 476.
Vr.gel, S. 503-505.
Nucleus XI, S. 458, 475, 491, 492, 519-
525, 554, 557; Fig. 213, 250, 270, 271 B,
272.
Nucleus XII, S. 490, 491, 501, 502, .550;
Fig. 238 A, 239, 251, 256, 274, 275.
Amphibien, S. 487.
Plagiostoraen, S. 463.
Reptilien , S. 490.
Säuger, S. 514, 515, 516; Fig. 265-270.
Teleostier, S. 472.
Vögel, S. 501.
Nucleus abducens S. 420. Siehe weiter
Nucleus VI.
Nucleus accessorius, S. Nucleus XI.
Nucleus accessorius III, S. 511; Fig. 262.'
Siehe auch bei Eldinger-Westphalsche
Kerne.
Nucleus accessorius Roller, siehe Roller'-
scher Kern.
Nucleus ambiguus, S. 490, 493, 505, 506,
519, 520. 521, 523, 526, 527, 529, 530.
Nucleus angularis S. 402, 404, 410, 411,
412, 417, 422, 427, 438, 439; Fig. 184,
187, 188 B.
Nucleus anterolateralis Duval, siehe üu-
val'scher Kern.
Nucleus Bechterew, siehe Bechterewscher
Kern.
Nucleus bigeminus, S. 407.
Nucleus Bischoffii, siehe Bischollscher Kern.
Nucleus Cajal, siehe Cajalscher Kern.
Nucleus centralis inferior Roller S. 587.
XIV
SACHREGISTER.
Nucleus Commissurae infimae, S. 290, 293.
302; Fig. -131.
Nucleus commissuralis motorius Vagi, S.
312.
Nucleus Corporis restiformis Fig. 158.
Nucleus Corporis trapezoides, .S. 413, 430,
431.
Nucleus cuneatus, S. 141, 143, 153, 165,
176, 213, 214, 215, 216, 339, 340, 418,
437, 597; Fig. 88, 111, 113, 114, 115.
Nucleus cuneatus externus, S. 213, 214,
216, 418, 419; Fig. 113.
Nucleus Deiters, siehe bei Deitersscher Kern.
Nucleus dorsalis raagno-cellularis, S. 396;
Fig. 180.
Nucleus dorso-raedialis Johnston's, .S. 371 ;
Fig. 166.
Nucleus Edinger-Westphal, s. bei Edinger.
Nucleus facialis, S. Nucleus VII.
Nucleus facialis dorsalis, S. 313.
Nucleus fasciculi solitarii, S. 306, 312, 591.
Nucleus frontalis sensibilis trigemini, S.
326, 328, 329, 332, 339, 340. 349, 388;
Fig. 150, 155, 161.
Nucleus funiculi anterioris, S. 587.
Nucleus funiculi lateralis, S. 142, 143,
233, 586; Fig. 311.
Nucleus funiculi teretis, S. 310; Fig. 142.
Nucleus glossopharyngei, S. Nucleus IX.
Nucleus gracilis, S. 141, 143, 153, 165,
167, 213, 214, 215, 216, 339, 340, 597;
Fig. 88, 111, 113, 114, 115.
Nucleus hypoglossi, S. Nucleus XII.
Nucleus intercalatus Staderini, S. 301, 303,
309, 312, 347, 516, 526; Fig. 142.
Nucleus interraedio-lateralis, S. 194, 207.
Nucleus intermedius X— XII, S. 503, 504,
505; Fig. 251, 256.
Nucleus intermedius VII, S. 289
Nucleus interstitialis mesencephali, S. 583,
586, 592, 594.
Nucleus intratrigeminalis, S. 341.
Nucleus juxta-peduncularis, siehe Nucleus
quadrangularis.
Nucleus larainaris, S. 402, 403, 411, 412,
413, 430, 440; Fig. 184, 243.
Nucleus lemnisci lateralis, S. 404, 431.
Nucleus loci coerulei, S. 583.
Nucleus magnocellularis dorsalis VIII, S.
401, 402, 403, 404, 409, S. 422, 423, 424,
425. 427, 438, 439, 440; Fig. 183.
Nuclei marginales, siehe Gaskell sehe
Kerne.
Nucleus medialis B von Monakow, S. 340.
Nucleus mesencephalicus V, S. 217, 317,
322, 341, 344, 350; Fig. 144, 147, 148,
150, 151, 152, 156, 157, 162.
Nucleus Monakow, siehe M.
Nucleus motorius reticularis, S. 387, 390.
Nucleus motorius tegmenti siehe Nucleus
mot. reticularis.
Nucleus octavo-motorius anterior, S. 371,
372, 386, 574; Fig. 167, 108.
Nucleus octavo-motorius posterioi', S. 372.
Nucleus oculomotorii. Siehe Nucleus III.
Nucleus paralemniscalis Kohnstamtn's, S.
590, 594, 595.
Nucleus paraniedianus, S. 598. Siehe auch
Oliva interior.
Nucleus parasolitarius, S. 306; F'ig. 140.
Nucleus Perlia, siehe Perliakern.
Nucleus piriformis, S. 408.
Nucleus praepositus Marburg, S. 519.
Nucleus princeps trigemini, siehe Nucleus
frontalis sens. V.
Nucleus profundus me encephali, S. 381.
Nucleus quadrangularis, S. 407, 420.
Nucleus respiratorius, S. 587.
Nucleus reticularis Bechterew, S. 589;
Fig. 314 A.
Nucleus reticularis diffusus, S. 587.
Nucleus reticularis dorsalis tegmenti Gud-
dens, S. 590, 591.
Nucleus reticularis inferior, S. 575, 577,
578, 582, 584, 587, 593, 599; Fig. 298,
299, 302, 304, 308, 317 C.
Nucleus reticularis raedius. S. 575, 577,
580, 583, 585, 593; Fig. 298, 300, 305,
309, 312.
Nucleus reticularis lateralis, siehe Nucleus
funiculi lateralis.
Nucleus reticularis mesencephali, S. 576,
578, 581, 583, 593; Fig. 298.
Nucleus reticularis superior, S. 431, 576,
577, 578, 580, 583, 585, 588, 589, 593,
594; Fig. 298, 301, 302, 306, 313, 314,
315. Siehe auch Retikuläre Kerne.
Nucleus ruber, S. 181, 583, 585, 591, 592,
594; Fig. 307, 310.
Nucleus spinalis trigemini, siehe spinaler
Trigeminuskern.
Nucleus spino-occipitalis, S. 456, 457, 463,
464, 470, 472-475; Fig. 202, 204, 205,
210, 212, 213.
Nucleus tangentialis, siehe Nucleus vesti-
bularis ventralis.
SACHREGISTER.
XV
Nucleus tegraentalis raedialis, S. 390.
Niicloiis trapezoides, Fig. 22.
Nucleus triangularis vestibularis (princi-
palis, ilorsalis), S. 309, 419, 420, 437;
Fig. 158, 288, 192.
Nucleus trigemini, siehe Nucleus V.
Nucleus trochlearis siehe Nucleus IV.
Nucleus Vagi, siehe Nucleus X.
Nucleus ventralis VIll, S. 427. Siehe auch
Nucl. magno-cellularis.
Nucleus ventro-lateralis Johnston's, S. 371;
Fig. 166.
Nucleus vestibularis superior, S. 400.
Nucleus vestibulai'is ventralis, S. 1.32, 385,
386, 399, 405, 400, 417, 437, 573, 595;
Flg. 175.
Nucleus vestibulo-cerebellosus, S. 400, 408,
420, 437; Fig. 180, 187 R.
Nukleinsäure Salze, S. 67, 08.
0.
ObloDgata, siehe Medulla oblongata.
Ochsenfrosch, siehe Rana niugiens (Sive
catesbyana).
Octavussystem, S. 434—441. Siehe auch
Lateralis und Octavussystem.
Amphibien S. 392 -398. 445.
Ganoiden und Teleostier, S. 3S2-,392, 444, 445.
Piagiostomen, S. 374-382, 444.
Reptilien, S. 398-404, 44.5, 446.
Sauger, W. 414-434, 446, 447, 448.
Überblick, S. 434-441.
Vügel, S. 404-414, 446.
Zyklostomen, S. 370-374, 444.
Oculomotoriuskern, siehe Nucleus III.
Oedipomidas oedipus, S. 174, 209, 210;
Fig. 284.
Ohrkiemenloch, S. 101.
Oktavus, siehe Octavus.
Okzipitalnerven Fürbringer's, S. 115, 123,
133, 453.
Okzipitü-spinalnerven, S. 123, 147, 453.
Oliva accessoria S, 430, 440.
Oliva inferior, S. 597—625. Siehe auch
Hauptolive und Nebenolivensystem.
Amphibien, S. 601.
Holocephalen, S. 601.
Piagiostomen, S. 699, 600.
Säuger, S. 604-6:9.
Teleostier, S. 601.
Vögel, S. 601 - G04.
Zyklostomen S. -599.
Oliva superior, S. 397; Tafel III.
Amphibien, S. 39.").
Reptilien, S. 403, 404 ; Fig. 241, 243.
Säuger, S. 430, 431, r,:«, -535 ; Fig. 278.
Vögel, S. 413, 414.
Ontogenese
des V Kerns, S. D46.
des VI Kerns, S. 542, 543.
des XI Kerns, S. 521-524.
der nervösen Elemente, S. 29.
der Oliva inferior, S. 613, 614; Fig. 324 A,B.
Onychogale, S. 341 ; Fig. 102, 278.
Opossum, S. 422.
Opsanus, S. 278.
Oralsinn Kappeis', S. 333, 338.
Ornithorrhynchus, S. 184, 338.
Orthagoricus mola, S. 1,33, 138; Fig. 9 C;
07 B, C; 226 B.
Osmerus, S. 325.
Otokonien, S. 379.
Otolithen, S. 366.
Ovales Feld, S. 208. Siehe auch Fasciculus
sacralis postero-medialis.
Oxydasen, Addenda.
Pacini'sche Körper, S. 156.
Palatumorgan, S. 285.
Papilla basilaris Cochleae, S. 392, 394.
Papulae circumvallatae, S. 276, 277.
Papulae foliatae, S. 276.
Papulae fungiformes, S. 276, 277.
Papilla lagenae, siehe Lagena.
Parasympathisehes System, S. 20. 195.
Pars postmauthneriana von Bartelmez,
S. 390.
Passer domesticus. Fig. 186.
Pediculati, S. 138.
Pedunculi lobi inferioris hypothalanii,
S. 132.
Perca fluviatilis, S. 138, 484.
Perennibranchiaten, S. 370, 487.
Peribranchiale Nerven, S. 273.
Periduralraum, S. 166, 182.
Perigemmale Fasern, S. 275.
Perimeningeales P'ettgewebe, S. 227.
Perineurium, S. 53, 54.
Periphere Geschmacktsleitung und Trige-
minus, S. 313—316.
Peristetus, S. 138.
Periterrainales Netzwerk, S. 40; Fig. 29 A.
Perivaskuläre Virchow-Robin'sche Raum,
S. 47, 48, 224; Fig. 32.
Perliakern, S. 549, 551, 500; Fig. 293,297.
Perlorgane, S. 368.
Peroxydasen Adenda.
XVI
SACHREGISTER.
Petromyzon, S. 34, 100, -li'i. 368; Fig.
119, 121.
BrancliialnerveD, S. 274, 275, 279; Fig. 123.
Dorsalzellen, S. 117.
Motorische Kerne, S. 456-461 ; Fig. 205 B-210B
Müller'sche Fasern, S. 120.
Octavo-lateralissystem, S. 370—374.
Perimedullargewebe, S. 121.
Sensible Empfindungen, S. 120, 285.
Wurzelaustritte, S. 114, 115, 119, 120.
Pflügers Gesetz, S. 67.
Phagozytär Charakter der Glia, S. 225.
Phalangista, S. 220.
Phascolarctus, S. 220.
Phocaena, S. 516; Fig. 265, 319.
Phoca vitulina, S. 223, 341.
Photostatik, S. ,111 217, 322.
Phylogenese der Oliva inferior (Zusammen-
fassung) S. 619, 620.
Physiologie des Geschmacks, S. 277, 279.
Physostomi, S. 138.
Pia mater, S. 182, 225.
Pigmentaugen, S. 109, 110, 111 ; Fig. 50—52.
Pigmente in Ganglienzellen, S. 26, 27.
Pinguin, Fig. 254.
Pitorgans (Neuromasts), S. 308.
Placenta cerebralis, S. 44; Fig. 438.
Plagiostomen, S. 49, 230, 231, 247, 248,
274, 276, 503.
IMotorisclies System, S. 463—471.
Octavo-lateralissystem, S. 374— r)82, 444.
Perimemedullares Gewebe, S. 133.
Rückenmark, S. 121 - 133, 247, 248.
Sensible Branchialnerven, S. 281-284, 350.
Trigeminus, S. 321-323, .360.
Plakodenzellen, S. 11, 14, 15, 29, 67.
Siehe auch Sinnesnervenzellen.
Plasmodesraenlehre, S. 55, 56, 57.
Plathehninthen, S. 33.
Plektognathen, S. 133, 134, 135, 138.
Pleuronectidae, S. 138, 140, 293.
Plexus Auerbach und-Meissner, S. 22, 195.
Plexus chorioideus, S. 266, 352, Siehe
auch Chorioidepithel.
Plexus liypogastricus, S. 195.
Pluriaxonale Neuronen, S. 16, Fig. 10.
Polarisation, S. 11, 12, 22, 56, 57, 76, 77.
Siehe auch Dynamische Polarisation.
Polydendritismus, S. 68, 69, 70.
Polyodon, S. 472.
Polyvalente transmittorisclie Neiwonen, S.
572, 573.
Ponticuli interligamentarii, S. 182.
Portio major trigemini, S. 317, 323.
Portio minor trigemini, S. 323, 327, 330,
334, 343, 344, 351.
Positive Reflexe, S. 35.
Postchordales Rückenmark S. 122.
Postganglionäre Fasern, S. 20, 21.
Praeganglionäre Fasern, S. 19, 194, 195.
Praevertebrale Ganglien, S. 19.
Pratincola rubicola, Fig. 188.
Probst'sche Kommissur, S. 431.
Primitive Ganglienzellen, S. 11, 14, 30.
Addenda.
Primitive Sensibilitätsleitung, S. 155.
Primitivste vitale Empfindungen, S. 34,
146, 322, 365.
Prionotus carolinus, S. 143, 278.
Processus reticularis, S. 207
Processus spinosi moniliformes, S. 13, 23.
Propriozeptive Reize Sherrington's, S. 1.
Proteus anguinus S. 10; Fig. 165 B.
Protometamere Assimilation, siehe Assi-
milation.
Protopathische Funktionen, siehe Vitale
Sinne.
Protozoen, S. 1.
Prozentsatz der Pyramidenfasern im llals-
mark, S. 222, 223.
Pseudochirus, S 220.
Purkinje'sche Zellen, siehe Zellen.
Putorius, S. 174, 209, 210.
Pyramidenbahn, S. 182, 193, 219, 220, 221,
222, 223; Fig. 116. 117, 118, 243, 244.
Pyramidenhinterstrang, siehe Pyramiden-
bahn.
Pyraraidenkreuzung, S. 220,222; Fig. 113,
114, 115, 116.
Pyramidenseitenstrang, siehe Pyramiden-
bahn.
Pyramidenvorderstrang, siehe Pyraraiden-
bahn.
Pyramidenzellen, S. 16; Fig. 6, 12 b.
Pyrrol Zellen, S. 43.
Python, S. 157.
Q-
Querläsion, S. 198; Fig. 101 B.
Querstand der Dendriten in einer Ebene,
S. 12, 68, 69.
Im Rückenmark bei Petromyzon S. 12.
116, 125, 126.
von Purkinje'schen Zellen, S. 12, 116;
Fig. 7.
Querstand von Gliafasern senkrecht zur
Oberfläche, S. 121.
SACIIRKOTSTER.
XVTT
B.
Radix descendens trigemiai, S. 'W3, 324,
326, 327, 328, 330, 332, 336, 337, 338,
339; Fig. 146, 149, 160.
Radi.x maxillci-niandibularis tiigeiiiiiii, S.
324, 328, 330, 337, 338, 339, 347, 348;
Fig. I4C.
Radix opthalmicu-s trigemini, S 326, 328,
336, 337, 338, 339, 347, 348; Fig. 146.
Radix sensibilis tnesenceph. trigemini, S.
323-329. 330, 333, 341, 342, 243, 347,
348: Fig. 144 b, 145.
Raja circolaris, S. 130; Fig. 66.
Raja clavata, Fig. 217.
Rami communicantes. S. 19, 138,151,194;
Fig. 100.
Ramus, siehe auch Nervus.
Ramus auiicularis N. Vagi, S. 305, 340.
Ramus descendens hypoglossi, S. 502.
Ramus internus XI, S. 505.
Ramus laryngers XII der Vögel, S. 502.
Ramus mandibularis internus, S. 314, 338.
Ramus maxillaris, S. 338, 343.
Ramus maxillo-mandibularis V, S. 317,
318, 319, 321, 324, 343, 345; Fig. 145,
146.
Ramus ophthalmicus trigemini, S. 317, 318,
319, 320, 323, 343, 345; Fig. 145.
Ramus petrosus superficialis majoi', S. 314.
Rana raugiens (sive catesbyana), S. 147,
174, 395; Fig. 73, 74 AB, 75, 76 AB,
133, 134, 180.
Randlierne, siehe GasUell'sche Kerne.
Randzone eines Dermatoms, S. 201.
Randzone von Waldeyer oder Lissauer,
siehe Zona marginalis.
Raniceps, S. 385.
Ranvier'sche Schnürringe, S. 27, 49; Fig. 20.
Raphekern, S. 518.
Recessus lateralis, S. 266.
Reduktion der Branchialgegend bei Kra-
nioten, S. 273, 274, 345.
Reduktion der somato-sensiblen Kompo-
nenten der Branchialnerven, S. 284, 345.
Reduktion des vorderen Rückenmarkab-
schnittes, S. 1.33—137; des hinteren
Rückenmarksabschnittes, S. 133.
Reflexbahn von Coghill und Herrick, S. 146,
147.
Reflexbogenbildung, S. 72.
Reflex (sensitivo-motorisches), S. 125, 128,
140; Fig. 63.
Kappkks.
Regenwurm, S. 11, 27.
Reissner's Faser S. Faden, S. 121, 132, 1.33,
156, 224.
Reiz, S. 1.
Eigenreiz, S. 1, 3.
Fremdreiz, S. 1, 3.
Reizbarkeit, S. 1, 4, 7.
Reizinnerungsvermögen, S. 4.
Reizleitungsfahigkeit, S. 1, 4, 7, 40, 50,
S. auch S 28, 73-81, Addenda.
Reizrezeptorische Funktion der Diploso-
nien, S. 29, Addenda.
Reizverknüpfungsmögligkeit, S. 1.
Reptilien, S. 153, 157—106, 235, 230, 237,
251, 252, 276.
Motorische.^ System, S. 489—501.
Octavo-lateralissy Stern, S. 398-404, 445, 446.
Rückenmark, S. 157-166. 251, 252.
Sensible Branchialnerven, S. 298- 302, 3.57, 358.
Remak'sche Fasern, S. 49.
Amphibien, S. 681, 621, 622.
Reptilien, S. 681-584.
Säuger, S. 586-593.
Teleostier, S. 578-581.
Vögel, S. 684-586.
Retikuläre Kerne, S. 572-597, 621, 622.
Retikuläre Zellen, S. 457, 519; Fig. 204.
Rhombencephalon, S. 267. Siehe weiter
MeduUa oblongta.
Rhombus, S. 484.
Riechgrube Kölliker's S. 99.
Riechnervenzellen, Fig 1.
Riesenzellen, siehe Kolossalzellen.
Rindenknoten, S. 289, 290, 296; Fig. 131.
Rodens, S. 138.
Rohon'sche Zellen siehe Zellen von Rohon.
Roller'sche kern, S. 518, 519; Fig. 269.
Rückenmark, S. 98-266.
Amphibien, S. 145-157; 250, 251.
Amphioxus, S. 99-112, 245, 246.
Ganoiden und Teleostier, S, 133-145. 248, 249,
250.
Homologen bei Wirbellosen, S. 99.
Plagiostomen, S. 121-133, 247, 248.
Postchordales - von Sterzi, S. 122.
Reptilien, S. 167-166, 251, 252.
Säuger, S. 182—228, 254-264.
Vögel, S. 166-182, 252, 25.3, 254.
Zyklostomen, S. 112-121, 246, 247.
s.
Sacculus, S. 379, 381, 385, 442.
Saccus communis, S. 373, 379.
Saccus endolymphaticus, S. 156.
Saccus vasculosus, S. 6.
Salamander, S. 293.
Salmo fario, S. 138; Fig. 69.
39b
XVIII
SACHREGISTER.
Salmo salar. S. 138, 385.
Sarkolemna^ S. 39; Fig. 28
Säuger,S. 182-224, 239-244, 254-2G3, 276.
Motorisches System, S. 513 --553.
Octavussystem, S. iU-434. ii7, 448.
Rückenmark, S. 182-228, 2-54-263.
Sensible Branchialwurzeln, 305 -313, 358, 359.
Trigeminus, S. &35-S4Ö, 362.
Saurier, S. 276.
Savi'sche Bläschen, S 366. 369, 374.
Scliafembryo, Fig. 271.
Schaltneuronen, S. 572. 573, 143.
Schaltung, S. 3, 13.
Schaumstruktur Bütschli's, S. 52.
Schildkröte, S. 157, 158, 164, 236, 276;
Fig. 79, 240 A.
Schlangen, S. 157, 158, 160. 164, 165, 236;
Fig. 78.
Schleife.
laterale — ; siehe Fasciculus longitudinalis
lateralis,
mediale — , S. 153, 155, 165, 176, 216, 2-36, 243;
Fig. 111, 112, 113.
— und Edinger'sche Bahn, S. 153.
Schlundganglion, S. 32, 33.
Schnecken, S. 7, 13
Schultze'sches Kommabündel, S. 208; Fig.
118.
Schwann'sche Scheide, s. Zellen, S. 27,
28, 29, 35, 49-54: Fig. 21, 33.
Schwanz und Gleichgewicht S. 390.
Schwanzkern, S. 176; Fig. 88.
Schwanzverkümmerung, S. 183, 184. 214.
Scorpaena, S. 138.
Scylliura canicula, S. 330; Fig. 41,64,65,
169, 170, 316 A.
Segmentierung, S. 98, 126, 127. 161.
der Haut bei Amphibien. S. 151 ; Fig. 76 A, B.
der Haut bei Plagiostomen, S. 127.
der Haut bei Repilien, S. 162; Fig. 81.
der Haut bei Säugern, S. 18.5, Addenda.
der Haut bei Vögeln, S. 172; Fig. 86.
der Muskel bei Säugern, S. 190.
des Rückenmarkes der Vögel, S. 167.
des Rückenmarkes der Säuger, S. 197-202.
Sehpurpur, S. 29.
Sehzellen, S. 6, 7, 8, 9; Fig. 3, 50, 51,52.
Seitenlinien, S. 368.
Seitenorganplakoden, S, 364: Fig. 164.
Seitenplatten, S. 270.
Seitenstrang, S 130, 141, 164: Fig. 70.
Seitenstrang Grundbündel, siehe Assozia-
tionsbahnen.
Sekretorische Funktion der Glia, S. 225.
Sekundäre Anosmie und Ageusie, S. 315,
316.
Sekundär sensible Bahn Fdinger's, Siehe
Edingersche Fasern und Tractus spino-
bulbaris cruciatus.
Selache maxima, Fig. 219.
Selektivität der neurobiotaktischen Pro-
zesse, S. 70—73.
Sensibilität, S. 143, 155, 165.
Sensible Wurzeln des YII, IX, X, S. 274—
313.
Sensible Zervikalhöcker, S. 136, 141, 142.
Sensitivo-motorische Kollateralen, S. 153,
164, 207; Fig. 110.
Sensitivo-motorische Reflexdendriten, S.
125, 128, 140 : Fig. 63.
Septum mediale posticura, S. 297.
Siluroiden, S. 276, 278, 285, 286—293,
382—391, 3S6; Fig. 127, 130, 173,224B.
Sinn.
Chemischer, S. 111, 112, 120.
Diskriminations -, S. 15-5, 210, 211, 212-
Epikritischer — , siehe Gnostischur Sinn.
Gnostischer -. S. 121, 1.55, 211, 212.
Muskel — , S. 120, 146, 155, 211, 212.
Optischer -, S. 111, 120.
Protopathischer — , siehe Vitale Sinne.
Schmerz -, S. 112, 120, 1-5.5, 210.
Stereognostischer -, S. 3, 212, -350.
Tast — , S. 111, 155, 212.
Temperatur -, S. 111, 120, 155, 210.
Tiefen -. S. 156, 211, 212.
Vitaler -, S. 3, :34, 35, 146, 155, 182, 201, 205, 210,
211, 365.
Sinneshaare, S. 6, 9.
Sinnesnervenzellen, S. 5 — 9, 14, 15,29, 30;
Fig. 1, 2, 3.
von Edinger und StendeU, S. 109.
von Tretjakoff, S. 121.
Sinneszellen, 5, 7, 9, 10, 11, 29, 30, 365;
Fig. 4, 165.
Simia satyrus, S. 194.
Sinushaare, S. 336: Tafel 1.
Sinus lumbalis, S. 345.
Sinus lumboidalis sacralis, S. 167; Fig.
83 A. B.
Siren, S. 165.
Sohlen platte, S. 39.
Sorex vulgaris, S. 210, 336.
Spheniscus, S. 303.
Spinale Trigeminuskern. S. 143, 153, 178,
205, 206, 322, 329, 333, 339, 340, 349;
Fig. 111, 113, 114, 115.
Spinale Trigeminusreflexe, S. 479.
Spinalganglien-zellen, S. 13,14,15; Fig. 8,9.
Amphibien, S. 1.51.
Amphioxus, S. 105.
Plagiostomen, ö. 126; Fig. 61, 65.
Reptilien. S. 162.
SACHREGISTER.
XIX
Säuger, S. 196.
Teleostier, S. 140.
Vögel. S. 173.
Spinax, S. 129.
Spindelzellkern, siehe Nucleusoctavo-moto-
rius anterior.
Spino-mesenzephale Fasern bei .'\mpliibien,
S. 155, 235. Siehe auch Vitale Projec-
tionsbahn und Edingersche Fasern.
Spino-okzipitale Zellsäule, siehe Nucleus
spino-occipitalis.
Spino-okzipitalnerven, S. "115, 122, 123,
453, 554.
Spino-oliväre Fasern, S. 131.
Spino-zerebelläre Fasern, S. 155,180,200,
207, 235.
Spinnzellen, S. 132.
Spongien, S. 1.
Spongioblasten, S. 45, 58.
Stäbchen der Retina, S. 7; Fig. 3.
Stäbchenzellen, S. 49, 224 ; siehe auch
Wanderglia.
Staderini'scher Kern, siehe Nucleus inter-
calatus.
Stammfortsatz, S. 13.
Statische Innervation, S. 120, 132.
Statozyste, S. 367.
Stelopodiale Muskeln, S. 475.
Stereognosis, S. 3, 212, 349, 350.
Stilling'scher Kern, S. 206, 241.
Stimulogene F'ibrillation Bok's, S. 63, 64,
108, 412, 453.
Storch, siehe Ciconia alba.
Strangfaser, S. 147, 229, 231.
Strangzellen, S. 129, 142, 143, 146, 155,
158, 160, 172, 179, 180; Fig. 72 B, 77.
Strausz, S. 167, 168; Fig. 83 B, 87.
Streifen von Hensen. Fig. 162 C.
Striae medulläres acusticae, S. 430
Sti-iae Monakow, S. 429.
Stützgewebe, siehe Hüllgewebe.
Substances attractives, S. 58, 59.
Substantia gelatinosa centralis, siehe
Subst. gliosa centr.
Substantia gelatinosa Rolando, S. 99, 178,
202, 203, 204, 205, 240, 329, 339, 349;
Fig. 88 A, 105, 106, 107, 111, 113.
Substantia gliosa centralis, S. 204.
Substances repoussantes, S. 58, 59.
Sulcus dorsolateralis, S. 186.
Suicus limitans, S. 145, 167, 185, 268. 573.
Sulcus spiralis, Fig. 165 C.
Syiubranchus, S. 138, 484.
Sympathische Ganglienzellen, S. 19—24;
Fig. 13, 14, 15.
Sympathische Ganglien der Oblongata,
S. 271.
Sympathisches System, S. 12.
Amphibien, S. 151, 154.
Amphioxus, S. 106, 452.
Plagiostumeu, S. 230.
Reptilien, S. 160
Säuger, S. 193-190.
Teleostier, S. 23-2,
Vügel, S. 171, 172.
Sympathischer Vaguskern, S. 528.
Sympathische Wurzelzellen, S. 137.
Synaps, S. 76-77.
Synchrone Korrelation, S. 72.
Syngnathus, S. 138.
Synzytiales Charakter des Nervensystems,
S. 30, 52.
Syrinx, S. 502.
T.
Tabestheorie von Redlich, S. 50.
Talpa, S. 215, Fig. 264 0.
Tamandua, S. 309, 341, 517.
Tangentialkern Cajal's, S. 374.
Tasttlecken, S. 370.
Tastmenisci, S. 35; Fig. 27 A.
Tastsinn, S. 111, 155, 279, 529.
Tastzellen von Merkel, S. 9.
Taube, S. 167 ; Fig. 83 A.
Taxis, Ö. 65, 68. Siehe auch Chemo-,
Galvano-, Neurobio-taxis.
Taxonomie, S. 471.
Tectum opticum, S. 16, 105,131,381,390,
398, 403; Fig. 11 A, 432, 448. S. auch
Doch des Mittelhirnventrikels.
Tegmentura, S. 387.
Tektale Fasern, S. 132.
Teleostier, S. 105, 133-145, 156, 231-234,
248-2,50.
Octavolateralissystem, S. .382-392, 444, 445.
Sensible Branchialneryen, S. 284-293,356,357.
Trigerainus, S. 323-326, .360.
Siehe auch Ganoiden und Teleostier.
Telodendrion, S. 12.
Temperatursinn von Amphioxus, S. 111.
Terminaisons en panier, S. 38.
Tetrodon, S. 133, 138, 139, 140; Fig. 230.
T-förmige Teilungen, S. 14, 117, 119.
Theorie des Rellexkreises v. Bok, S. 72, 73.
Tiefensinn, S. 156, 210, 211.
Tigroidsubstanz, S. 6, 10, 12, 13, 23, 24,
25, 29, 67; Fig. 15, 17, 18 und Addenda.
XX
SACHREGISTER.
Tigrolyse, S. 25; Fig. 17.
Tinea tinca, S. 286; Fig 128, 129, 224 A.
Torpedo, S. 137, 369.
Torus semicircularis, S. 381, 390,391,398,
403.
Tractus, siehe auch Fascieulus.
Tractus bulbo-mes'encephalicus, S. 397;
Fig. 180.
Tractus cerebello-motorius cruciatus et
reotus, S. 131, 388.
Tractus cerebello-tegmentalis siehe, Trac-
tus cerebello-motorius.
Tractus cochleo-cerebellaris, S. 408, 411
und Addenda.
Tractus cortico-spinalis, siehe Pyrainiden-
bahn.
Tractus Deiters descendens S. 418.
Tractus Hehveg, siehe Dreikantenbahn.
Tractus lamino-mesencephalicns, S. 412.
Tractus mammillo-tegraentalis dorsalis,
S. 591.
Tractus mesencephalo-cerebellaris dorsalis,
S. 483; Fig. 235.
Tractus octavo-motorius cruciatus, S. 131,
381, 390, 397, 474, 481; Fig. 180.
Tractus octavo-motorius rectus, S. 131,
381, 390, 397; Fig. 180.
Tractus octavo-spinalis cruciatus, S. 380.
Tractus octavo-thalamicus et hypothala-
micus S. 381; Fig. 420, 421.
Tractus quinto-frontalis, S. 333, 350.
Tractus quinto-mesencephalicus, S. 333.
Tractus rubro-spinalis, S 181, 193, 591,
592; Fig. 118, 238, 243.
Tractus spino-bulbaris cruciatus, S. 142,
180, 235, 238, 241; Fig. 91.
Tractus spino-cerebellaris, S. 131,143,165,
211, 216, 217, 218, 238, 241, 242, 328;
Fig. 174.
Tractus spino-hypothalamicus, S. 216.
Tractus spino-mesencephalicus, S. 142, 155,
180, 207, 216, 238; Fig. 70, 165. S. auch
Edingersche Fasern.
Tractus spino-olivaris Goldstein S. 598.
Tractus spino-olivaris Heiweg S. 218, 242,
598; Fig. 118. ■
Tractus tecto-bulbaris, S. 62, 474, 486;
Fig. 34 B.
Tractus tecto-spinalis, S. 172, 181, 238, 243.
Tractus vestibulo-spinalis lateralis cruci-
atus, S. 132, 143, 144, 172, 181, 401, 474.
Tractus vestibulo-spinalis medialis. S. 144,
172, 181, 243, 401.
Transient ganglioncells, siehe bei Hinter-
wurzeln, intramedzellen.
Trigeminus, siehe Nervus trigeminus.
Trigerainusareal des Menschen, Fig. 159.
Trigeminus-Exstirpation, S. 310, 315.
Trigerainus-schleife, S. 326, 329, 339, 340,
350; Fig. 161.
Triglahirundo, S. 134, 1.38, 141, 142, 143;
Fig. 67 A
Tritonlarve, S. 146, 293.
Trochleariskern, siehe Nucleus IV.
Trophospongien, S. 13, 26, 49; Fig. 20.
Trophozyten vonHolmgren,S.26,49;Fig.20.
Tropidonotus, S. 162.
Tropismen, S. 9, siehe Taxis.
Trutta iridea, S. 6.
Tuberculum acusticum, S. 404, 422, 426,
427, 439; Fig. 197. Siehe auch Tubercu-
lum staticum und Nucleus angularis.
Tuberculum impar facialis, S. 287, 289;
Fig. 129.
Tuberculum staticum S. 371, 374--378:
Fig. 169, 170.
Turdus, S. 405.
u.
Ueberblick über die Organisation und pro-
gressive Entwicklung des Rückenmarkes,
S. 228—245.
Dito über die Branchialnerven, 345-351.
Dito über das octavo-lateral Systeem,
434—441.
Ueberdeckiing von Dermatomen, S. 127,
151, 162, 199, 200, 201; Fig. 76, 81, 104.
Uebei'deckung von Myotonien, S. 191.
Uebersicht über das motorische System
der Oblongata und des Mittelhirns, S.
554-562.
Uebersicht über die retikulären Kerne, S.
593—597, über die Oliva inferior, S.G19.
Ungekreuzte Strangfasern, S. 119, 144.
Unipolarität, S. 13.
Urhirn, S. 99.
Urodelen, S. 15G, 393.
Ursus raalayanus, S. 209, 210.
Utriculus, S. 379, 385, 442.
V.
Vaguskern, siehe Nucleus X.
Valvula cerebelli, S. 391.
Varanus Salvator, S. 300, 301 • Fig. 137,
240 D, 242, 250.
SAcmiKOISTKH
XXI
Vater-Pacini'sche Körperchcn, S. 29, 37,
237.
Vegetatives Systoin, S. lÜli.
Ventraler Vestiuulariskern, sielie Nuclcus
vest. ventri.
Ventrale Wui'zeln, siehe: Vonlerwiirzclii.
Ventriculus Arantii, S. 26t'.
Ventriculus Krause, S. 184.
Ventriculus posterior, S. 101.
Ventriculus quartus, S. 100, 167, 2Cü,
267, 273, 345
Ventriculus rliomboidalis, siehe Ventriku-
lus quartus.
Vei'bincliing der Neuronen, S. 55.
Verknüpfung der nervösen Elemente, .S.
30-33; Fig. 22, 23, 24
Verkürzung der Dendriten, S. 73, 74;
Fig. 37.
Verlagerung der Nervenzellen, S. 57, 58,
59. Siehe auch Neuroobiütaxis.
Verlängertes Mark von Amphioxus. S. 101.
Verlängerung der Achsenzylinder, S. 73,
74; Fig. 37.
Vermis cerebelli, S. 218; Fig. 403, 404.
Vei'tebrale Ganglien, 19.
Vesperugo, S. 341, Fig.
Vestibulärapparat, S. 31, 367.
Amphibien, S. 394, 395.
Ganoiden und Teleostier, S. :385-:i90.
Plagiostomen, S. 378-380.
Reptilien. S. 399.
Säuger, S. 420, i>].
Vögel, S. 405-410.
Zyklostomen, S. 373.
Vibrationsorgäne, S. 3B9, 434.
Virchow-Robin'scher Raum, siehe Peri vas-
kuläre — .
Viscerale Muskulatur, siehe Branchiale
Muskulatur.
Viscerale Zellsäule, S. 457, 458.
Visceralplatte des Coeloms, S. 450.
Viscero-raotorische Fasern, siehe Hinter-
Wurzeln und Vorderwurzeln.
Viscero-sensible Fasern, siehe Hinter- und
Vorderwurzeln.
Viscero- und Soraato-motorische Zellsäulen.
Plagiostomen, S, 466-4(38.
Zyklostomen, S 456—461,
Vitales Korrelationszentruni, S. 205, 206,
241.
Vitale Projektionsbahnen, siehe Edinger-
sche Fasern \ind Truotus spino-niesence-
phalicus
Vitale Sinne, S. 3, 34, 35, 146, 155, 182,
201, 205, 210, 211, 365.
Vögel, S. 166-182, 237,238,2.52, 2.53.254.
Motorisches System, S. 501—513.
Octavussystem, S. 404-414, 446.
Reflcxtiere, S. 174, 170.
Rückenmark, S. 166-182, 252, 253, 254.
Sensible Branchialnerven, S. 302-305, 358.
Trigeminus, S. 331-335, 301, 362.
Vorderer Geschmackskern siehe Rinden-
knoten.
Vorderhörner im Rückenmaik.
Amphibien, S. 150.
Plagiostomen, S. 124, 125.
Reptilien, S. 236.
Sauger, S. 191-194. Fig. 94-99.
Teleostier, S. 136, 137.
Vogel, S. 168, 170, 237. Fig. 84.
Vorderstrang', S. 131.
Vordcrstrang-Grundbündel, siehe Assozia-
tionsbahnen.
Vorderwurzeln (oder Ventrale Wurzeln).
Amphibien, S. 149, 151, 153, 234; Fig. 73.
Somatomotorische Fasern, S. 151.
Viscero-motoriscthe Fasern, 8. 151.
Amphioxus, S. 102, 103, 228.
sensible Fasern, S. 104.
In der Oblongata, S. 269.
Plagiostomen, S. 124, 230.
somato-motorische Fasern, S. 128.
viscero-motorische Fasern, B. 126.
Reptilien, S. 158, 236 ; Fig. 79.
Somato-motorische Fasern, S. 161.
Viscero motorische Fasern, 161.
Säuger, S. 187, 2.39. 240.
Sympathische Fasern, S. 193.
Teleostier, S. 137, 232.
Elektrische Zellen, Ö. 137.
Viscero-motorische Fasern, S. 137.
Vögel, S. 168, 238.
Zyklostomen. S. 229.
Ursprungszellen, S. 115.
Viscero-motorische Fasern, Uli.
Vorderwurzelzellen, S. 16; Fig. 85.
Gruppierung bei Vögel, S. 168, 170 ; Fig. 84.
Gruppierung bei Säuger, S. 185, 191, 192;
Fig. 94—99.
Migration, S. 170.
w.
Wanderzellen, S. 46.
Webei-'sches Gesetz. S. 4.
Weiße Substanz im Rückenmaik.
der Plagiostomen, S. 125.
der Säuger, S. 186, 187, 209; Fig. 118.
Willen, S. 2, 3. Siehe auch Entelechie.
Würmer, S. 11, 12, 13, 32, 41.
Wurzelfasern des Sympathicus, siehe Prae-
ganglionäre Fasern.
Wurzel- und Kernverlagerung, S. 515 und
Tafel III.
Wurzeln, siehe Nervenwurzeln.
XXII
SACHREGISTER.
Zapfen Her Retina, S. 7; Fig. 3.
Zellen.
Amakrinen s. Anaxouen — , siehe Amakrinen.
Apolare — , siehe A.
Arkyochrome — , S. '2-1.
Bisehofsstabs — , siehe B.
Clarke'sche — , siehe Clarke'sche Säule.
Deiters'zellen, S. 379.
Ependym — , S. -t-i, 4.5. Siehe auch beim E.
Glia — , siehe G.
Gliakammer — , S. 46.
Gryochrome — , S. 24.
Haar — , siehe H.
Hör -, siehe H.
Horizontal -. S. 16; Fig. 10.
lunere Struktur der Ganglien — , S. 23-30.
— von Joseph, siehe Lichtzellen.
Karyochrome -, S 24.
Kolossal — , siehe K.
Kommissur — , siehe K und Commissur.
- von Lenhossek, S. 118, 158,161, 162,171,236,
492, 524 : Fig. 85.
von Mauthner siehe M.
Mitral — , siehe M.
Müller'sche Zellen siehe M.
Pfeiler -, Fig. 165 C.
Purkinje'sche -, S 12, 16; Fig. 7, 328.
Pyknomorphe — , 24.
Pyramiden — , siehe P.
Pyrrol -, S. 43.
Retikuläre — , siehe E.
Rolion-Beard'sche -, S. 38, 138, 139, 140, 14-5,
146, 151, 162, 229, 23!, 317, 318, 321, 327, 350;
Fig. 72 A. B.
Schwann'sche —, siehe S.
Sinnes — , siehe S.
Stäbchen — siehe S.
Sympathische -, S. 19, 20, 21, 22, 23; Fig
13, 14, 15.
Vorderwurzel — , siehe V.
Wander - , S. 46.
Zellkern siehe Nucleus.
Zellplexus, S. 32.
Zentralkanal, S. 102, 160.
Zentralorgane, S. 32 — 49.
Zentrosomen, S. 6, 9, 12, 13. 15, 16, 17,
18, 22, 23, 29, 30 und Addenda. Fig. 4b,
9A, B, 12, \5.
Zephalisation, S. 120, 131, 144, 233.
Zetazeeen, S. 185, 187, 203, 213, 222, 277,
347.
Zeus, S. 385.
Zitteraal, siehe Gymnotus electricus.
Zoarces vivipara, S. 138
Zona marginalis, S. 151, 202, 20.3, 240.
Zunahme der Hinterstränge bei größeren
Tieren, S. 208, 209, 210.
Zyklostomen, S. 38, 49, 229, 230, 246, 247,
"508.
Motorisches System, S. 456—463.
Octavo-lateralis System. S. 370—374, 444.
Rückenmark, S. 112-121, 246, 247.
Sensible Branchialnerven, S. 279, 280, 281, 355.
Trigeminus, S. 319-.321, 366.
Siehe auch Petromyzon und Myxinoiden.
Zyprinoiden, S. 278, 285, 286-293, 368;
Fig. 128, 129, 131.
AUTOREN-REGISTER.
A.
Achucarro, S. 48, 81, 182, 225.
Adamkiewitz, S. 263.
Agassiz, S. 564.
Agduhr, S. 29, 38, 40, 41, 81, 191, 254.
Aguerre, S. 81.
Ahlborn, S. 355, 444, 562.
Alcock, S. 8-1.
Alexander, S. 414, 415, 446,
Algeri, S. 260.
Allen, S. 38, 81. 113, 246, 342, 343, 344,
362.
Allis, S. 353, 444.
Amabilino, S. 314, 359.
Ambronn, S. 28, 78, 81.
Anderson, S. 91, 259.
Antoni, S. 81.
Apathy, S. 23, 30, 51, 81.
Argutinsky, S. 254.
Aristoteles, S. 4.
Arnstein, S. 94.
Aronson, S. 263.
Asplund, S. 263.
Athanassio Benisty, S. 254.
Athias, S. 82.
Aubrey Müssen, S. 568.
Auerbach, S. 22, 31, 83, 254.
Ayers, S. 83, 240, 370, 444, 463.
B.
Bach, S. 568.
Baginsky, S. 446.
Ballowitz, S. 249.
Banchi, S. 158, 162, 166, 164, 247, 251.
Bancroft, S. 65, 83.
Barany, S. 446.
Bardeen, S. 263.
Barrat, S. 65, 85.
Bartelmez, S. 31, 83, 144, 388, 389, 392,
444, 574, 579, 580, 594.
Basler, S. 254.
Bath, .S. 276, 354.
Balten, S. 208.
Bayern, L. F. von, S. 570
Beard, S 120, 138, 140, 145, 146, 248.
Beccari. S. 66, 83, 117, 158, 161, 172,246,
252, .300, 357, 361, 388, 392, 393, 395,
400, 402, 404, 421, 444, 445, 446, 447,
452, 492, 524, 564, 566, 581.
Bechterew, S. 194, 305, 358, 568, 574, 587,
589.
Bechthold, S. 50.
Beck, Ö 568.
Behr, S. 83.
Belügulowy, S. 543.
Bender, 314, 356, 358, 359.
Benjamins, S. 379, 414, 443, 444, 445, 447.
Bergen, S. 83.
Berger, Ö. 48.
Bergmann, S 257, 430.
Berkelbach van der Sprenkel. S. 286, 287,
382, 384, 391, 444, 475, 478, 524, 564.
Bernard, S. 7, 83.
Bernhardt, S^ 254.
Bernheiraer, S. 551, 552, 553, 568.
Bethe, S. 51, 83, 93.
Beule (de), S. 568.
Biach. S. 204, 254.
Bielschowsky, S. 30. 83, 108.
Biervliet (van) S. 25, 67, 83, 568.
Bilharz, S. 137, 249.
Billingsley, S. 211.
Bindewald, S 327.
Bing, S. 254.
Binswanger, S. 48, 254
Biondi, S. 27, 334, 358, 509, 512, 513, 567.
Birge, S. 250.
Bischoff, S. 216, 254, 5C8.
Black, S. 113, 273, 321, 458, 461, 462, 469,
472, 487, 562, 563, 564, 565, 566, 567, 568.
XXIV
AUTOREN-REGISTER.
ßlackfan, S. 227, 264.
Blake, S. 352.
Buk, S. 254.
Blaiiwkuip, S. 255.
Bluiiienaii, S. 418.
Bochenek, S. 337, 362.
Boedeker, S. 552.
Boeke, S. 6, 9, 19,29,39,40,41,50,51,52,
83, 84, 100, 109, 110, 194, 245, 275,363.
Boer (de) S. 41, 84, 127, 162, 194, 200, 201,
254 und Addenda.
Bojanus, S. 157, 566.
Bok, S. 63, 64, 72, 73, 84, 108, 179, 334,
358, 361, 404, 408, 409, 411, 412, 446,
451, 452, 453, 454, 502, 509, 510, 512,
548, 5.59, 5G7, 573 und Addenda.
Bolk, 142, 185, 187, 190, 192, 197, 198,
199, 200, 201, 249, 254, 255, 336, 475, 524.
Boll, S. 9, 84.
Bordiert, S. 125, 248, 255.
Botezat, S. 40, 84.
Bouman L, S. 47.
Boveri, S. 50.
Braafladt, S. 84.
Brandis, S. 302, 358, 361, 404, 446, 502,
511, 567.
Bradley, S. 566.
Braeuning, S. 355.
Brailowsky, Addenda.
Braus, S. 52, 84.
Bräutigam, S. 255.
Bregmann, S. 222, 223, 255, 337, 362.
Bremer, S. 40, 84, 542, 5C8.
Breuer, S. 338.
Broek (van den), S. 194, 255.
Brouwer, S. 127, 151, 155, 162, 165, 173,
198, 199, 201, 208, 210, 211, 212, 227,
248, 249, 250, 252, 253, 255. 362, 420,
447, 512, 549, 550, 552, 553, 567, 56«,
616, 617, 623, 624.
Brouwer und Quix, S. 447.
Brown Sequaid, S. 211.
Bruce, S. 192, 193, 255, 305, 358, 420.
Brücke, S. 41, 84, 255, 566, Addenda.
Brun, S. 305, 309, 358.
Brunner, .S. 565, 606, 624.
Bruns, S. 315, 359.
Bruckley, S. 357.
Budgett, S. 65, 68, 91.
Bühler, S. 16, 29, 84.
Bunge, S. 86.
Büngner, S. 52.
ßüntschli, S. 115.
Bunzl Federn, S. 568.
Burckhardt, S. 138, 250
Burdach, S. 141, 143, 153.
Burlet (,de), S^ 1S5, 255.
Burrows, S. 53, 84.
Butler, S. 2.
Bütschli, S. 52, 562, 563, 565, 566.
Buzzard, S. 256.
c.
Cahjer, S. 564.
Cajal (Ramon T) S. 16, 20, 21, 22, 23, 39,
48, 56, 57. 58, 59, 67, 70, 72, 94, 132,
153, 158, 164, 166, 172, 178, 179, 181,
203, 205, 206, 252, 253, 261, 302, 305,
327, 343, 358, 360, 361, 385, 404. 405,
406, 407, 411, 412, 413, 417, 420, 427,
444, 446, 447, 481, 500, 505, 511, 512,
515, 519, 536, 567, 570, 573, 574, 583,
584, 585, 592, 598, 624.
Cameron, S. 24.
Cannien, S. 352,
Caparelli, S. 84.
Cappelletti. S. 2C3, 264.
Carlson, S. 84.
Carpenter, S. 19, 50, 85, 255, 54.3.
Cathelin, S. 264.
Cattaneo, S. 85.
Cattani, S. 28, 53.
Ceccherelli, S. 85.
Chandler, S. 44, 85.
Chanvet, S. 255.
Chase, S. 85.
Chladni, S. 442.
Chvostek, S. 226, 264.
Clarke, S. 255.
Claude, S. 255
Coehn, S. 65, 85.
Coggi, S. 85.
Coghill, S. 72, 145, 146, 147, 250, 294.
314, 357.
Cole, S. 281, 314, 355, 356.
Collier, S. 256.
Collins, S. 194, 256, 260.
Conel, S. 85, 255.
Conger, S. 445.
Corning, S. 566.
Cowdry, S. 24, 25, 26, 67, 79, 85.
Cox, S. 85.
Cramer, S. 568.
Cunes, S. 256.
Cnnningliam, S. 185, 256, 564.
Cushing, S. 85, 227, 264, 310, 315, 336, 359.
AUTOREN-RKGISTEK.
X X V
D.
Da Famo, S. 85.
Dahlgien, S. 138, 249.
Dammerman, S. 6.
Dana, S. 256, 315, 359.
Dandy, S. 227, 264.
Darkschewitsch, S. 512, 549, 568, 592.
üavies, S. 256, 262, 315, 359.
Deelman, S. 172, 173, 253.
Dees, S. 568.
Deganello, S. 393, 395, 397, 445.
Dehler, S. 22, 29, 85.
Deineka, S 85.
Deiters, S. 218.
Dejerine, S. 256.
Dekhuyzen, S. 50.
Delprat, S. 315, 359.
Delsman, S. 99, 245.
Dendy, S. 121, 132, 246, 256.
Dewey, S. 43, 85.
Dexler, S. 185, 256, 568.
Dietz, S. 476, 564.
Disse, S. 50, 85.
Dixon, S. 314, 359.
Dogiel, S. 21, 35, 85, 86, 106, 112, 196,
245, 363.
Dohrn, S. 99.
Donaggio, S. 23, 86.
Donaldson, S. 256, 344, 362.
präsecke, S. 187, 256.
broogleever Fortuyn, S. 5, 10, 11, 33, 86,
245, 323, 471, 472, 479, 564.
Drüner, S. 565.
Dutour, S. 956.
Dusser de Bareiine, S. 41, 86, 194, 200,
205, 206 und Addenda.
Dustin, S. 56, 57, 86.
Duval, S. 253, 519.
E.
Eberth, S. 86.
Ecker, S 361, 445, 565.
Eckhard, S. 151, 152, 251.
Economo, S. 568.
Edgeworth, S. 343, 563, 564, 565, 566.
Edinger, S. 109, 130, 142, 165, 222, 223,
245, 246, 248, 249, 251, 252, 253, 257,
352, 3.^5, 358, 364, 387, 392, 417, 444,
445, 446, 447, 500, 512, 553, 558, 562,
623.
Eger, S. 185, 256.
Eiders, S. 191, 257.
Elze, S. 542.
Engel, S. 352.
Engelmann, S 9, 86.
Erb, S. 221, 222.
Essick, S. 403, 013, 024.
Eurich, S. 86.
Ewald, S. 441, 442, 447.
Ewart, S. 281, 314, 356, 375.
F.
Fabritius, S. 34, 86, 171, 211, 212, 257.
Farrar, S. 264.
Faure — Fremiet, S. 25.
Fedeli, S. 257.
Findley, S. 86.
Finkeiberg, S. 569.
Fixsen, S. 353.
Flechsig, S. 131, 208, 217.
Flemming, S. 86.
Foettinger, S. 246.
Forel, S. 305, 358.
Forsmann, S. 58, 86.
Förster, S. 86, 257.
Frank, S 257.
Franssen, S. 257.
Franz, S. 257, 383, 483, 564.
Frazier, S. 264.
Frenkel, S. 180, 253.
Freud, S. 246.
Frey (von), S. 257.
Friedländer, S. 176, 180, 181, 253.
Fritsch, S. 137, 138, 139, 249.
Frommann, S. 50, 87.
Froriep, S. 19, 319, 346, 352, 364, 515, 569.
Fürbringer, S. 115, 123, 124, 133, 297,
461, 464, 487, 491, 562, 566.
Fürst, S. 8.
Fusari, S. 106, 247.
Fuse, S. 309, 310, 358, 447, 544, 569.
G.
Gabris, S. 193, 257.
Gad, S. 251.
Gadow, S. 567.
Gaetano, S. 314, 359.
Galeotti, S. 42, 87.
Gans, S. 222, 257.
Garten, S. 9, 87.
Gasiorowsky, S. 87.
Gaskell, S. 99, 160, 161, 2.52, 260.
Gassner, S. 65, 87.
XXVI
AUTOREN-REGISTER.
Gaupp, S. 7, 147, 251, 294, 3G1, 393, 445,
565.
Gegenbauer, S. 98, •I57, 183, 184, 245, 247,
248, 251, 252, 257, 356, 357, 358, 369,
370, 443, 545, 562, 564, 565, 566. 569.
Gebuchten (van)', S. 8, 14, 17, 23, 87, 138,
140, 142, 144, 162, 164, 171, 172, 193,
249, 251, 252, 253, 257, 258, 358, 417,
447, 536, 569.
Gemelli, S. 40, 87.
Genderen Stört (van) S. 9, 87.
Gerard, S. 94.
Gerry S. 91.
Giacomini, S. 38.
Giulliani, S. 252.
Gubel, S. 441, 442.
,Goetscb, S. 25.
Goldmann, S. 42, 43, 44, 87. 227. 264.
Goldscbeider, S. 258.
Goldscbmidt, S. 451.
Goldstein, S. 2, 87, 218, 220, 2i8, 517, 518,
569, 570, 598, 624.
Golgi; S. 26, 27, 87, 182, 258, 569.
Goll, S. 141, 143, 153.
Gombault, S. 258.
Gourewitsch. S. 87.
Göthlin, S. 27, 28, 78, 87.
Goudsmit, Addenda.
Gowes, S. 131, 184, 218.
Grabower, S. 87, 569.
Grandry S. 29, 50, 87.
Gray. S. 418, 421, 443, 446, 447.
Greeley, S. 67, 87.
Green, S. 314, 359.
Grimm, S. 252.
Grossman, S. 569.
Grünberg. S. 442.
Gndden Cvon) S. 569.
Guillain, S. 260.
Guldbeirg, S. 185, 258.
Gurewitsi:h, S. 88.
Gurwitscb, S. 88.
H.
Hacker, S. 258.
Häggquist. S. 88, 258.
Haller (Bela), S. 134, 138, 249, 484.
Halliburton, S. 88
Haraaker, S. 12, 88.
Hamburger, S. 12, 88.
Hammer, S. 149, 250, 294, 357, 393, 395,
445.
Hardesty, S. 251, 258, 441, 447.
Hardy, S. 66, 67, 88.
Ilarman, S. 569.
Harrison, S. 53, 70, 88, 138, 447.
Hartmann, S. 353,
Hatai, S. 15, 17, 18, 29, 88.
Hatschek S 100, 185, 203. 245, 258, 418,
420, 447.
Hawkes (Merrit), S. 281.
Havama, S. 312, 53S, 539, 571.
Head, S. 35, 88, 95, 112, 196, 201, 210,
258, 261.
Heidenhain, S. 88.
Held, S. 9, 18, 28, 29, 3i3, 47, 48, 50, 51,
52, 56, 57, 70, 78, 81, 88, 89, 225, 264,
367, 427, 442, 447.
Helmholtz, S. 78, 441, 443.
Heiweg, S. 258
Hansen, S. 55, 89, 392, 441, 442.
Hepburn, S. 191, 258, 569.
Herbet, S. 258.
Hering, S. 2, 4.
Heringa, S. 29, 36, 37, 50, 51, 52, 89.
Hermann, S. 60, 79, .89.
Herrick (C. .1.), S. 89, 137, 142, 143, 144,
147, 155, 249, 258, 269, 278, 285, 280,
287, 288, 289, 290, 291, 294, 296, 314,
316, ,326, 327, 344. 353, 355, 356, 357,
362, 393, 395, 445, 475, 564, 576, 581.
Hertwig, S. 5, 10, 89, 449.
Herwerden (van), S. 24, 88.
Hess. S. 352.
Hesse, S. 89, 109, 245.
Heuser, S. 352.
Heymans, S 245.
Hin, S. 227, 264.
lliraiwa, S. 508. 567.
Hirose, 308, 309, 358.
His, S. 55, 56, 89, 108, 154, 258, 264,
352, 534, 613, 624.
Höber, S. 79.
Hochstetter, S. 185, 258.
Hoevell (van), S. 373, 414, 490, 490, 497,
545, 574, 577, 578, 581, 582, 584, 588,
589.
Hofers, S 368, 392, 443.
Hoffraann. S. 160, 451, 452, 454, 461,466.
Holm, S. 461, 562.
Holmes (Gordon), S. 208, 258, 393, 403,
409, 419, 422. 445, 446, 417, 616, 618,
624.
Holmgren (E), S. IG, 24, 26, 29, 89, 249
und Addenda.
AnTOREX-KKOISTKK.
XXVII
Hooker, S. 89, 00.
llornbostel, (von) S. 433.
Hörschelmann, S. 333.
florsley, S. 206, 217, 218, 258, 261, 262,
342, 343.
Horst (van der), S. 00, 61, 133, 136, 289.
325, 383, 403, 404, 465, 470, 471, 472,
473, 474, 475, 476, 477, 478, 479, 480,
481, 482, 483, 484. 4S5, 486, 563, 565.
Horton Smith, S. 151, 154, 251.
Hösel, S. 340, 362.
Hoiiser, S 376, 444.
Hovy, S. 165, 173, 186, 209, 258.
Huber, S. 90.
Hudovernig, S. 312, 518, 56').
Huet, S. 483, 562, 564.
Hughes, Addenda.
Hulles, S. 342, 362.
Hworestochin, S. 90, 3.52.
I.
Ikegami, S. 569.
Imamura, S. 90.
Inihof, S. 253.
Ingvar, S. 79, 167, 170. 180, 218,253,258,
269, 273, 416, 417, 420, 428, Addenda.
Jacobson, S. 207, 258, 312, 530, 574, ,588.
Jacquet, S. 258.
.Täderholm, S. 90.
Jelgersma, S. 511.
Jenkins, S. 612.
Johnston, S. 29, 34, 71, 90, 103, 105, 100,
113, 114, 138, 140, 245, 247, 248, 249,
269, 275, 279, 280, 318, 322, 327, 330.
342, 353, 355, 360, 361, 366, 371, 372,
374, 376, 443, 444, 445, 450, 461, 402,
599, 623.
Joris, S. 90.
Joseph, S. 101, 245, 363.
Juge, S. 565.
Justchenko, S. 259.
K.
Kadyi, S. 259, 264.
Kahler, S. 201.
Kaiser, S. 193, 259.
Kalberiah, S. 248.
Kallius, S. 90.
Kankeleit, ö. 608, 624.
Kaplan, S. 218, 259, 4i7, 569.
Karplus, S 210, 259,
Kat^unuma, Addenda.
Kato, S 90, 447.
Kehrer, S. 360.
Key, S, 54, 90, 227, 26i, 352.
Killian, S 560,
King, S. 220, 222.
Kingsbury, S. 29i, 357, 393, 445.
Kiyoyasu Mariu, S. 388, 445.
Kleinenberg, S. 10, 55, 90.
Klessens, S. 200, 259, Addenda,
Kleiin (de) S. 417.
Klinkhardt, S. 44'f.
Kohn, S. 259.
Kohnstamm, S. 306, ,308, 312, 341, 358,
497, 569, 574.
Kölliker, S. 38, 90, 99, 112. 156, 160, 170,
249, 252, 253, 259, 264, 305, 338, 358,
362, 422, 447, 531, 549, 569, 587, 589,
598, 60 i, 624.
Kolmer, S. 7, 8, 9. 23, 26, 29, 90, 117, 247.
Kulster, S. 16, 90, 138, IM, 249.
Kolzenberg, S, 259.
Kooy, S, 48, 90, 222, 264, 403, 599, 600.
601 -616.
Koppen, S. 153, 251.
Kosaka, S. .305, 308, 312, 3i2, 343, 344,
358, 361, 362, 501, 502, 50^, 517, 519,
527, 530, 567, 569.
Koschewnikoff, S. 151.
Köster, S. 315, 360, 539.
Krämer, 220, 259, 264.
Krause, S. 111, 184, 245, 246, 314, 315,
360, 523.
Krebs, S. 90.
Kreibich, S. 90.
Kreidl, S, 447.
Kühne, S. 156.
Kuiper, S, 259.
Kupffer (von) S. 99, 138, 245, 346, 352.
Kutchin, S. 105, 106, 112, 245, 272, 363.
Laborde, S. 311, Addenda.
Lacchi, S. 182, 253.
Landacre, S. 353, 357, 445.
Lange (S. de) S. 157, 1B9, 160, 218, 252,
361, 446, 486, 490, 565, 560, 585, 623.
Langerhans, S. 90. 91, 100, 246, 272.
Langley, S. 19, 20, 41, 90, 19 t, 195, 259,
Addenda.
Lantermann, S. 28, 53.
XXVIII
AUTOREN-REGISTER.
Laycock, S. 2.
Lefebure, S. 91.
Legendre, S. 91.
Leidler, S. 418, 447.
Lenhossek,(von)S.lL;,29,74,75,91,H'-2,l!S,
124, 125, 129, 132, 145, 158, 161, 170,
471, 182, 202, 208, 222, 223, 253, 259, 260.
Leontowitch, S. 91.
Lesbre, S. 520, 524.
Levi (E.), S. 50.
Levi (G.), S. 15, 53, 91, 96. 127, 151,162,
247, 248, 249, 251, 252, 253, 260.
Lewandowsky, S. 218, 223, 227, 200, 264,
308, 340, 358, 362, 418, 447.
Lewewre, S. 566.
Lewis, S. 12, 13, 9), 445, 612.
I-ewy, S. 26, 91, 447. 448, 497.
Leidig, S. 276, 353, 354. 368, 445.
Lier (van) S. 88.
Lissauer, 202, 200.
Loeb, S. 65, 67, 08, 91.
Loeper, S. 42, 44, 91.
Londen (van) S. 342, 362.
London, S. 9, 29, 92.
Lorenzini, S. 369.
Löwenthal, S. 260.
Löwy, S. 418.
Löwschin, S. 25.
Lubosch, S. 567, 569.
Lucacs, s. Addenda.
Luce, S. 48.
Lugaro, S. 58, 92, 193, 200.
Luna, S. 358.
Luschka, S. 42, 44, 92, 206, 352.
Lussana, S. 315, 360.
Lynch, S. 81.
M.
Macalhim, S. 25, 66, 92.
Maccabruni, S. 92.
Mac Cann, S. 26.
Macclure, S. 92.
Mac Donald, S. 25, 06, 92.
Mac Nalty, S. 206, 217, 218, 201.
Magendie, S. 44, 206, 352.
Magnus, S. 91, 259, 448.
Man (de), S. 500.
Mangold, S. 443.
Mann, S. 16, 29, 92, 142, 210.
Mansfeld, S. 92. und Addenda.
Marburg, S. 200, 338, 519, 530.
Marchi, S. 260.
Marcora, S. 92.
Marenghi, S. 48, 144, 247. 250.
Margulies S. 260.
Marie, S. 260.
Marinesco, S. 58, 02, 536, 570, Addenda.
Maitin, S. 140, 144, 172, 250, 253, 570.
Martynoff, S. 92.
Mattauschek, S. 264.
Mauthner, S. 31, 130, 144, 106, 250, 374.
Mawas, S. 48, 92, 225.
Ma.'twell, S. 67, 91.
May, S. 342, 343.
Mayer, S. 25, 260.
Mayser, S. 445, 565, 623.
Mc. Murrich, S. 565.
Meek, S. 352.
Meissner, S. 22.
Melle (van), S. 311, 358.
Menten, S. 25, 66, 92.
Merkel, S. 9, 92, 276, 354.
Merzbacher, S. 92.
Mesdag, S. 272, 358, 411, 440, 510, 512,
548, 567.
Mestrezat, S. 265.
Meyer, S. 44, 92, 362, 448,
Michailow, S. 92.
Minea, S. 58, 518, 569.
Mingazzini, S. 214, 518, 570, 598.
Misch, S. 93.
Misslawski, S. 587.
Mivart, S. 566, 567.
Moeli, S. 254, 260.
Monakow, S. 213, 218, 306, 340, 300, 302,
418, 419, 448. ■
Mönckeberg, S. 93.
Moodie, S. 393, 445.
Moore, S. 27.
Morat. S. 193, 260.
Mott, S. 93, 217, 260, 265.
Müller (Erik), S. 65, 93, 112, 121, 132,
144, 194, 246, 248, 250.
Müller-Hettlingen, S. 65, 93.
Mnllenix, S. 443.
Münnich. S. 78.
Münzer, S. 181.
N.
Nadayde, S. 570.
Nagel, S. 355.
Nageotte, S. 48, 53, 93, 225, 200.
Nansen, S. 112, 118, 247.
Neal, S. 126, 562, 563.
A UTOREN-REGISTER.
XXIX
Neeff (de), S. 258, 2G0.
Nemiloir, S. 93.
Xeumayer, S. 200.
NichoUs, S. 121, 132, 15G, 19G, 247, 248,
256, 260.
Nicholson, S. 93.
Nicolai, S. 78, 93.
Nieuwenhuyse, S. 260.
Nissl, S. 10, 93.
Nonne, S. 48.
Norraan Clive, S. 93.
Norris, S. 294, 296, 357, Addendn.
Nussbaura, S. 93
0.
Obersteiner, S. 93, 208, 218, 226, 260, 265,
549, 587, 603.
Onufrowiez, S. 193, •194, 260.
Oort, S. 414, 415, 448.
Oppel, S. 294, 353, 354, 570.
Oppenheim, S. 260, 310.
Osawa, S. 567.
Oudendal, S. 30, 31, 93.
Overton, S. 27.
Pacetti, S. 537, 570.
Pacini, S. 93, 156, 162.
Paladine, S. 48, 93, 225.
Pansini, S. 38.
Papinian, S. 518, 570.
Parhon, S. 517, 518, 570.
Parker, S. 93, 109, 110, 111, 120. 246, 247,
278, 279, 310, 355, 363, 368, 392, 442,
443 und Addenda.
Parsons, S. 570, 571.
Pellizi, S. 42, 44, 93, 94, 352.
Perlia, S. 549, 551, 553, 560, 570.
Perroncito, S. 40, 94.
Pesker, S. 92.
Petren, S. 142, 211, 212, 216, 261.
Pettit, S. 94.
Pflüger, S. 67.
PfüUer, S. 369, 445.
Philippe, S. 258.
Philips, Addenda.
Piccolomini, S. 430.
Piper, S. 392, 442, 443.
Pirie, S. 207, 261.
Pitres, S. 257.
Platt, S. 272, 451, 452, 454.
Plaut, S. 265.
Plessen (von), S. 357, 489, 566.
Ploschko, S. 94.
Polara, S. 84.
Ponzio, S, 94.
Popper, S. 186, 261.
Poulton, S. 277, 354.
Prenant, S. 94.
Prentis, S. 94.
Prevost, Addenda.
Probst, S. 343.
Purkinje, S. 12, 16.
Quincke, S. 227, 265.
B.
Rabinowitz, S. 357, 489, 566.
Rabl, S. 18, 94.
Raffaele, S. 94.
Ramon y Cajal, siehe Cajal.
Ramsay Hunt, S. 310, 360.
Ranson, S. 35, 44, 85, 94, 205, 210, 261.
Rathery, S. 25.
Rauber, S. 94.
Rawitz, S. 277, 354, 516.
Redlich, S. 50.
Rehm, S. 265.
Reichert, S. 38.
Reiner, S. 227, 265.
Reissner, S. 121, 132, 156, 247.
Retzius, S. 5, 9, 10, 11, 16, 21, 33, 34,38,
45, 54, 90, 94, 95, 102, 103, 105, 113,
121, 140, 144, 164, 172, 182, 227, 246,
247, 248, 250, 252, 253, 264, 266, 352,
353, 354, 366, 373, 379, 385, 393, 421,
443, 562.
Reveley, S. 220, 221, 261.
Rezzonico, S. 28, 53.
Rio Hortega (del), S. 18, 29, 95.
Ritter, S. 95.
Riva, S. 95.
Rivers, S. 210, 258, 261.
Roaf, S 27.
Robin, S. 47, 48.
Rogers, S. 12, 96.
Rohde, S. 52, 95, 106, 112, 246.
Eohon, S. 138, 140, 145, 146, 151, 162.
Roller, S. 519, 587.
Eollet, S. 38, 162.
Romanoff, S. 570.
Rosenzweig, S. 261.
Rossi, S. 58, 95.
Rossolymo, S. 261.
XXX
AUTOKEN-REGISTER.
Rothert, S. 95.
Röthig, S. 113, 273, 294, 319, 321, 355, 357,
393, 395, 461, 462, 486, 489, 521. 560,
562, 566.
Rothiuann, S. 308, 359.
Rullini, S. 96, 201.
Rüge, S. 532, 533, 567, 570.
Rutz, S. 433.
Rijnberk (van), S. 127, 140, 194, 200,201,
248, 250, 261, 263.
S.
Sabin, S. 265, 612, 624.
Sachs, S. 38, 162.
Sala, S. 154, 309, 417.
Salusbury, S. 261.
Salvy, S. 265.
Sanchez, S. 26, 95.
Sanders, S. 461.
Sandmeyer, S. 153, 154, 182,251,253,261.
Sänger, S. 182.
Sano, S. 149, 170, 193, 205, 251, 253, £61.
Sargent, S. 138, 248, 250.
Savi, S. 366, 369.
Schacherl, S. 248.
Schäfer, S. 25, 29.
Schafter S. 95, 252, 261, 262, 598.
Schaper, S. 2, 52, 95.
Scheer, (van der), S. 262.
Schellenberg, S. 65, 95,
Schepman, S. 335, 376, 378, 386, 393, 397,
402, 404, 408, 411, 417, 421—423, 428.
Schielferdecker S. 95.
Schilling, S. .355, 444, 563.
Schläpfer, S. 42, 95.
Schlesinger, S. 4, 18, 420, 447.
Schneider, S. 7, 95.
Schnitzler, S. 227, 265.
Scholl, S. 262.
Schoondermark, S. 262.
Schottmüller, S. 265.
Schreiner, S. 133, 250, 565.
Schroeder van der Kolk, S. 265, 352.
Schnitze, S. 95, 368.
Schuzo-Kure, S. 570.
Schwalbe, S. 570.
Schwann, S. 27, 28.
Schwarz, S. 270, 357.
Sclavunos, S. 251.
Scott, S. 23, 24, 95.
Sedgwick, S. 52.
Semen, S. 2, 4.
Sfameni, S. 95, 96.
Shambaugh, S. 441, 443.
Sheldon, S. 278, 316, 353, 355.
Sherren, S. 210, 258.
Sherrington, S. 1, 25, 34, 71, 76, 77, 96,
104, 112, 151, 152, 193, 199, 201, 251.
259, 262, 278, 291, 314, 360, 553, 571,
Shimada, S. 160, 252.
Shimazono, S. 253, 408.
Siemerling, S. 552, 570.
Sievers, S. 433.
Sihler, S. 38, 39, 96.
Simpson, S. 222, 262.
Singer, S. 253, 262.
Sinn, S. 446.
Sjövall, S. 96.
Slinger, S. 262.
Smallwood, S. 12, 96, 251.
Smith (Horton), S. 151, 154, 251.
Smith (J. A.), S. 471.
Scottas, S. 256.
Sparvoli, S. 172, 254.
Spielmeyer, S. 51, 52, 96.
Spiller, S. 262.
Spina, S. 227, 265.
Staderini, S. 309, 312, 359.
Stahr, S. 277, 354.
Stannius, S. 287, 357, 565.
Starr, S. 201, 553.
Stefanelli, S. 34, 96, 252.
Steinach, S. 151, 154, 251.
Steinmann, S. 368, 392.
Stendell, S. 103, 109, 137, 246, 382, 391,
445.
Stern, S. 262
Sterzi, S. 112, 113, 121, 122, 126, 133, 144,
145, 156, 42, 166, 182, 227, 247, 248, 250,
251, 252, 254, 265, 444, 563, 623.
Stewart, S. 616, 618, 624.
Stieda, S. 248, 254.
Stilling, S. 184.
Stokes, S. 422, 424, 425, 448.
Stört, siehe v. Genderen Stört.
Strasser, S. 96.
Strausz, S. 168.
Streeter, S. 168, 170, 173, 175, 176, 179,
182, 184, 196, 254, 265, 314, 352, 359,
548, 570, 613.
Stricht (van der), S. 15, 17, 245, und Ad-
denda.
Strong, S. 294, 314, 357, 361. 445.
Strongman, S. 26, 96
Strümpell, S. 262.
AUTOREN-REGISTKK.
XXXI
Stiulnicka, S. 42, 138, 139, 247, 248, 250.
Stülp, S. 570.
Stuurman, S. 262, 305, 312, 359, 517,
570, 571.
Sundwall, S. 43, 96.
Suthei-land Simpson, S. 220.
Swainineidam, S. 156.
T.
Tagliani, S. 138, 250.
Teding van Berkhout, S. 262.
Tello, S. 96, 384, 385, 386, 445, 474. 481.
Testut, S. 262.
Thanhofer, S. 96.
Theunissen, S. 471, 565.
Thilo, S. 565.
Thomas, S. 256, 308, 359, 417.
Thompson, S. 258.
Thorbui-n, S. 201.
Tiesing, S. 563.
Tigerstedt, S. 262.
Tinel, S. 262.
Todd, S. 520, 524.
Tos (Giglio), S. 362.
Toyofuku, S. 536.
Tozer, S. 104, 112, 553, 571.
TretjakolT, S. 23, 71, 96. 109, 113, 114, 116,
117, 118, 119, 121, 247, 272, 319, 320,
356, 360, 372, 374, 444, 457, 459, 461,
555. 559, 563, 574, 575.
Trigt (van), S. 162, 163, 201, 252.
Trotter, S. 262.
Tsuchida, S. 500, 547, 548, 549, 551, 552,
571.
Tuckerraan, S. 276, 277, 354, 355. ,
Tumbelaka, S. 306, 307, 359.
Türkheim, S. 251.
y.
Valenciennes, S. 564.
Valentin, S. 45.
Valkenburg (van) S. 212, 262, 320, 322,
326, 330, 337, 338, 339, 341, 342, 343,
344, 360, 361, 362, 537, 546, 547, 548, 571.
Vater, S. 29, 96.
Velde, (van der) S. 96.
Veratti, S. 30, 96, 448.
Vermeulen, S. 184, 262, 263, 304, 312, 511,
516, .520, 523, 524, .525, 526, 547, 554, 571.
Vernon, Addenda.
Versluys, S. 567.
Verworn, S. 96.
Vetter, S. 563, 565.
Vignal, S. 96.
Vincenzi, S. 448.
Virchow, S. 47, 48.
Vitali, S. 34, 97.
Vloet, (van der) S. 263.
Veit, S. 414, 448.
Vogt, C. S. 564.
Voorhoeve, S. 599.
Vries, (E. de) S. 186, 187, 209.
Vulpian, S. 263.
w,
Waldeyer, S. 97, 193, 202. 263.
Wallenberg, S. 129, 131, 132, 144, 153,
181, 182, 216, 248, 251, 296, 297, 311,
314, 315, 321, 326, 333, 334, 337, 340,
341, 357, 360, 361, 362, 380, 381, 387,
390, 395, 412, 413, 444, 445, 446, 474,
481, 515, 565.
Walree (van), S. 447.
Walther, S. 567.
Waterston, S. 191, 258, 569.
Wayenburg (van), S. 278, 316, 355, 359.
Weed, S. 85, 226, 227, 263, 265, 352, 371,
612, 624.
Wegefarth, S. 85.
Weigert, S. 97.
Weigner, S. 314, 359.
Wertheim Salomonson, S. 263. 315.
Westphal, S. 571.
Westling, S. 571.
Wiedersheim, S. 353, 301, 445, 565, 566.
Wiener, S. 181.
Wilder, S. 352.
Willems, S. 343, 344, 362, 545, 559, 571.
Williams, S. 601, 623.
Windle, S. 571.
Wingate, S. 520, 524.
Winkler, S. 47, 97, 200, 201,208,218,223,
263, 359, 362, 417, 420, 427, 428, 448,
und Addenda.
Wintrebert, S. 2, 52, 97.
Wittmaack, S. 442, 443, 446.
Wlassak, S. 97.
Wulff. S. 23, 30, 97, 103, 104, 108, 246.
Wolfstein, S. 306, 358, 569.
Worthington, S. 319, 356, 370, 444, 463, .563.
Wreden, S. 97.
XXXII
AUTOREX-REG ISTER.
Wijhe (van), S. 100, 101, lOi, 106, 246,
271, 272, 318, 357, 360, 450, 451,
452, 564.
Yagita, S. 305, 308, 312, 313, 358, 501,
502, 517, 525, 536, 538, 539, 558,
567, 569, 571.
Yoshi, S. 442, 443.
Yoshimura, S. 97, GOl, 623.
z.
Zanda, S. 226, 265.
Zeehandelaar, S. 165, 176, 215, 216, 252,
254, 263, 597.
Ziegler, S. 265.
Ziehen, S. 214, 216, 263, 352, 604, 616, 624.
Zsigmundy, S. 52.
Zwaarderaaker, S. 315, 355, 360, 448.
DIE VERGLEICHENDE ANATOMIE
DES NERVENSYSTEMS DER WIRBELTIERE
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